New Reign von UrrSharrador (Wie Game of Thrones, nur mit Digimon. [Video-Opening online]) ================================================================================ Kapitel 43: Grenzenlose Macht ----------------------------- Tag 119   Die Ratssitzung dauerte letztendlich bis nach Mittag. Spadamon berichtete noch davon, dass Nadine ihrer ersten Kavallerie unter RiseGreymon, die nun als Marodeure durch Kens Land zog, Unfrieden stiftete und auch den einen oder anderen Anschlag auf sein Leben gewagt hatte, offiziell vergeben und wieder in ihre Reihen eingeladen hatte. Sie hatten schließlich die ganze Zeit mehr oder weniger in ihrem Interesse gehandelt. Bisher waren sie nicht auf das Angebot eingegangen, wohl, weil sie nicht wussten, wie ihnen geschah. Vielleicht konnte Ken die Plünderer damit noch aus ihrem Versteck locken. Viel Hoffnung hegte er allerdings nicht. Letztendlich gab es nur noch zu klären, welche Titel und Ehren Ken an Oikawa, Arukenimon und Mummymon vergeben würde. Oikawa wollte sich zunächst dagegen wehren, überhaupt mehr als nur ein Unterstützer aus den Schatten zu sein, aber Ken überzeugte ihn schließlich. „Du hast die DigiWelt repariert und jahrelang zusammengehalten. Es wird Zeit, dass du dafür Anerkennung erhältst. Außerdem ist es einfacher, wenn du für meine Untergebenen auch eine Autoritätsperson wirst. Dann kannst du in meinem Namen mehr erreichen.“ Ken massierte sich die Nasenwurzel. Der Kaffee war leider vor geraumer Zeit zur Neige gegangen und er spürte bereits dessen Fehlen. Außerdem bekam er langsam wirklich Hunger. „Spadamon, haben wir zufällig Lehen, die kürzlich frei geworden sind?“ „Halt. Ernenn mich meinetwegen zum Kaiserlichen Berater, aber ich werde mich nicht als Fürst ausgeben und über ein Lehen herrschen“, sagte Oikawa entschlossen. „Das wäre aber eine gängige und respektierte Ehre“, sagte Ken. „Außerdem muss jemand die Felsenklaue regieren, wenn wir sie erst wieder richtig ins Reich eingegliedert haben. Ich muss die ganze DigiWelt erobern, Yukio. Ich glaube, sie ist zu groß, als dass ich sie effektiv alleine regieren könnte. Zu Rittern ernenne ich euch sowieso.“ Oikawa gab ihm mit einem Seufzen zu verstehen, dass er seinen Widerstand aufgab. „Du kannst es ja auch Arukenimon und Mummymon überlassen, das Lehen zu verwalten. Was sagt ihr dazu?“ „Kein Interesse“, murmelte Arukenimon sofort in den Kragen seines Kostüms. „Hm …“ Mummymon verschränkte die Arme und schloss nachdenklich das Auge. „Überlegt doch mal – ein ruhiges Stückchen Land, irgendwo, in dem Arukenimon und ich gemeinsam leben könnten, in einem schönen Haus …“ „Wir werden die meiste Zeit sowieso Ken unterstützen“, riss Oikawa es aus seinen Tagträumen, ehe Arukenimon sich gereizt dazu äußern konnte. „Wir werden irgendeinen anderen Verwalter ernennen. Wenn es reicht, dass wir pro forma deine Vasallen sind, bin ich einverstanden.“ „Gut. Über die Felsenklaue reden wir, wenn es so weit ist. Spadamon?“ Der Spion räusperte sich. „Ja, also, die beste Option wäre sicherlich der Stiefel. Bisher hatten wir keinen wirklichen Verwalter dafür, die Städte haben sich selbst organisiert oder wurden von Türmen und Ringen im Zaum gehalten. Momentan ist der Stiefel ein ordnungsloses Pulverfass; wenn ein gerechter und treuer Streiter des DigimonKaisers offiziell die Verwaltung übernehmen würde … Das müsste eigentlich Anklang finden.“ Spadamon tastete in die Zuckerdose, doch auch diese war leer. Es verzog das Gesicht. „Gut. Wir machen es ohne große Formalitäten, ja?“, fragte Ken. „Das passt mir“, murmelte Oikawa wenig begeistert. „Von nun an seid ihr Sir Yukio Oikawa, Sir Mummymon und …“ Er stockte. „Arukenimon … wie soll ich dich betiteln?“ „Weiß der Geier. Mach, was du willst“, brummte das Digimon. „Ihr scheint mit Digimon, die Ähnlichkeit mit menschlichen Frauen haben, Probleme zu haben“, bemerkte Spadamon keck. „Wenn du die Titel dem britischen Ritteradel nachempfunden hast, dann müssten weibliche Ritter, soweit ich weiß, Dame genannt werden“, sagte Oikawa. „Aber … Dame klingt so al…“ Mummymon verstummte, als Arukenimons Blick es traf, und brach in Schweiß aus. „Also schön. Sir Yukio Oikawa, Sir Mummymon und Dame Arukenimon. Hiermit ernenne ich euch zu Rittern meines Kaiserreichs. Sir Yukio, weiters ernenne ich dich zum Fürsten des Stiefels und aller Inseln in der Nähe, außerdem zu meinem persönlichen Berater. Wir werden diese Neuigkeiten ebenfalls weitergeben. So.“ Ken lehnte sich seufzend zurück. „Neue Ritter. Schön. Schade, dass sie so schwächlich aussehen“, grunzte Ogremon. „Was war das?“, begehrte Mummymon auf. Ogremon hörte gar nicht zu. „Nachdem das jetzt endlich geklärt ist – wie sieht’s mit Essen aus?“ Das verspätete Mittagessen stellte tatsächlich ein kleines Problem dar. Wie es schien, war selbst die Küche unterbesetzt. Offenbar hatten einige der Digimon dort mitbekommen, was Nadine Ken hatte antun wollen, und waren entweder nicht damit einverstanden gewesen oder einfach zum Schweigen gebracht worden. So kam es, dass der frisch ernannte Ritter und Fürst Oikawa sich selbst eine Schürze umband und mit Pfanne und Kochlöffel bewaffnet den verbliebenen Köchen dabei half, ein einfaches Gericht aus Eiern, Zwiebeln und Fleischstücken zu zaubern. Ken hatte nicht gedacht, dass er kochen konnte, aber immerhin war er in der Menschenwelt ein alleinstehender Mann gewesen. Als er Arukenimon und Mummymon dazu abkommandierte, ebenfalls zur Hand zu gehen, zog sich Ken jedoch lieber aus der Küche zurück. Und wenn sie mich vergiften?, dachte er plötzlich. Plötzlich rieselte ihm ein Schauer über den Rücken. Ich sollte nichts mehr essen, was ich nicht selbst gekocht habe … aber das ist Wahnsinn. Ich lasse es sie einfach vorkosten. „Plagen dich die Zweifel, Ken?“ Deemon. Wieder einmal schlich es sich ungebeten in seine Gedanken. Was willst du schon wieder? „Du hast völlig recht, Ken. Kannst du dir sicher sein, dass ich Oikawa nicht geschickt habe?“ Nein. Und das war mir immer bewusst. „Wenn du endlich nachgibst und dich mir anschließt, wird diese Paranoia ein Ende haben. Kein Gift wird dir mehr etwas anhaben können.“ Lass mich endlich in Ruhe! „König Takashi hat von Baronmon die Nachricht erhalten, dass sich die Seuche in seinem Heer ausgebreitet hat. Es würde mich nicht wundern, wenn auch in deinem Reich schon Digimon erkrankt sind. Vielleicht erwischt es auch einen Menschen? Deine Freunde können jederzeit sterben, Ken! Ich verrate dir noch ein Geheimnis. Takashi hat einen von ihnen in seiner Gewalt. Ich verrate dir nicht, wen, doch er wird ihn töten, wenn ich es ihm befehle.“ Ken lief es eiskalt den Rücken hinunter. Diesen Augenblick hatte er immer gefürchtet. Willst du mir drohen? Ich dachte, du spielst nun das fromme Digimon? „Keine Sorge, Ken. Ich bin schließlich auf deiner Seite. Ich kann allerdings nicht dafür garantieren, dass Takashi deinen Freund nicht aus einer Laune heraus umbringt. Er hält es für ein bloßes Spiel ohne Verlierer, nicht für eines mit einem klaren Gewinner, wie du weißt. Aber du müsstest dir weder drohen lassen, noch dir Sorgen um deine Freunde oder Takashis Entscheidungen machen, wenn du die Macht besäßest, die ich dir geben könnte.“ Mit diesen unheilschwangeren Worten ließ es Ken alleine.     „Was hast du da gerade gesagt?“ Meramons Flammengesicht schien eine Nuance blasser zu werden. „Der König ist gefallen“, sagte Kamemon düster. „Es war … ich weiß nicht, was das war.“ Davis glaubte, zu träumen. Das war es, sicher war das nur ein subtiler Trick von MetallPhantomon, um seinen Willen zu brechen, und er schlief in Wahrheit noch. „Holt ihm doch was zu trinken“, rief Veemon den Piximon zu, die nur herumstanden. Normalerweise hätten sie sich von ihm nichts befehlen lassen, doch diesmal kämpften sie förmlich darum, wer als Erstes den Saal verlassen durfte. „Was … was ist denn passiert?“, stotterte Davis. „Wir waren auf See“, sagte Kamemon. Es wirkte gebrochen, als hätte es etwas erlebt, mit dem sein Verstand nicht fertig wurde. „Uns trennte nur noch eine halbe Tagesreise von unserem Ziel. Ein wenig weiter, und die File-Insel wäre schon in Sicht gekommen. Aber da war etwas anderes … eine andere Insel.“ „Eine andere Insel?“, kam eine Stimme von hinten. Davis sah Wizardmon hereinschweben. Er erinnerte sich, dass es heute Nachmittag zu einer Besprechung hatte kommen wollen. Offenbar war es schon früher angekommen. „Wizardmon. Ihr kommt wie gerufen“, begrüßte es Meramon. „So scheint es. Stimmt es, was die Piximon erzählen?“ „Ich hoffe nicht. Aber wir werden es gleich erfahren.“ „Du sagst, ihr hättet eine Insel gesehen?“, fragte Wizardmon. Auch es blieb vor Kamemon stehen, das als Einziges saß. Davis kam es in dem Saal plötzlich sehr dunkel und kalt vor, trotz Meramons Anwesenheit. „Es gibt dort weit und breit keine andere Insel außer der File-Insel.“ „Sie war da“, beharrte Kamemon. „Sie war nicht sehr groß, aber ein paar kleine Städte hätten darauf Platz gefunden, und wir haben auch einige Gebäude gesehen. Sie war aber in keiner Karte verzeichnet, wie Ihr es sagt. Wir waren genauso verwirrt.“ „Seid ihr … vom Kurs abgekommen?“, fragte Davis. Kamemon schüttelte eifrig den Kopf. „Das Whamon, das wir gemietet haben, kennt die Strecke genau. Fünf Tage braucht es, hat es gesagt. Und es war der fünfte Tag.“ „Eine Insel also.“ Meramon wurde ungeduldig. „Was ist dann passiert?“ „König Leomon wollte einfach daran vorbeifahren, aber wir wurden angegriffen“, berichtete das Schildkrötendigimon. „Der größte Teil unseres Heeres lagerte auf Whamons Rücken. Es war nicht geplant, dass wir tauchen. Also hat der König den Gegenangriff befohlen. Wir dachten, es wäre eine Bastion des DigimonKaisers. Aber es war seltsam … Beängstigend. Der Feind war unglaublich gut organisiert. Die Truppen waren schnell und diszipliniert … Ich habe so etwas noch nie gesehen.“ Kamemon erschauerte. „Sie haben uns ohne Gnade niedergemetzelt.“ „Wer war es? Was für Digimon?“, fragte Wizardmon eindringlich. Kamemon sah aus, als würde es gleich die Nerven verlieren, allein bei der Erinnerung. „Chessmon.“ „Chessmon?“ „PawnChessmon. KnightChessmon. Die anderen haben sie so genannt. Ich habe nie derartige Digimon gesehen, ich bin noch nicht so weit herumgekommen. Und schwere Geschütztürme …“ „Hast du Banner gesehen? Standarten?“, fragte Wizardmon. Kamemon zuckte mit den Achseln. „Es ging alles so schnell und plötzlich … Kaum dass wir die Insel betreten hatten, flogen Attacken hin und her … Ich war auf einiges gefasst, aber das ... König Leomon ist zu SaberLeomon digitiert, aber es wurde trotzdem besiegt.“ „Hast du gesehen, dass es gestorben ist?“ Davis kannte Leomons Kampfkraft nicht, aber es konnte unmöglich schwach gewesen sein. Zu seiner Bestürzung nickte Kamemon. „Es wurde von allen Seiten beschossen. Da waren noch zwei Digimon von der Gegenseite, die an seine Stärke herankamen. Es kämpfte wirklich tapfer; eines schlug es auch bewusstlos, aber das zweite, das größere …“ Kamemon schüttelte den Kopf. „König Leomon rief uns noch zu, zu fliehen. Wir sollten hierher zurückkehren und Bericht erstatten. Die meisten kämpften weiter und starben. Whamon starb ebenfalls. Nur ein paar sprangen ins Wasser. Anscheinend habe ich als Einziges das Festland erreicht. Ich dachte schon, ich hätte mich auf hoher See verirrt.“ „Feigling“, war Meramons Kommentar. „Das dürft Ihr so nicht sagen“, widersprach Wizardmon. „Es ist eine wichtige Information, die uns sonst vorenthalten worden wäre.“ „Ja, wenn man ihm glaubt. Leomon soll tot sein? Eine Insel, wo keine sein sollte? Zwei Digimon, die es als SaberLeomon besiegt haben? Die Sache stinkt zum Himmel.“ „Haben wir plötzlich aufgehört, unseren eigenen Soldaten zu glauben?“, fragte Wizardmon ruhig, brachte Meramon damit aber zur Weißglut. Seine Flammen zuckten, die Hitze stieg. Dann, plötzlich, war es wieder ruhig und schien darüber nachzudenken. „Wenn der König tot ist …“ Davis brauchte noch, um seine Gedanken zu sammeln. Es war einfach unvorstellbar, das zu hören … Leomon war ihm selbst wie eine Festung erschienen, eine uneinnehmbare Bastion gegen alles Schlechte in der DigiWelt. Veemon setzte seinen Satz fort. „Was machen wir dann? Das Land hat seinen Anführer verloren.“ „Wir werden auf jeden Fall einen Suchtrupp losschicken.“ Wizardmon übernahm ganz einfach das Kommando, obwohl es nur der Diplomat und Fürst eines Landstriches war, den Davis befreit hatte. Aber es war zweifellos zuverlässig. „Und wir müssen einen neuen König wählen. Sollten wir König Leomon wider Erwarten finden, war es eben eine Übergangslösung. Aber wir sind im Krieg. Zögern dürfen wir auf keinen Fall. Handeln, das müssen wir tun.“ „Wie stellt Ihr Euch das vor?“, fragte Meramon gereizt. „Wir müssten eine Kür abhalten. Centarumon muss herkommen, und Frigimon. Dazu müssen wir die Westfront sich selbst überlassen. Und der Drachenritter ist noch immer Wer-weiß-wo.“ „Eine Kür?“, fragte Davis. „Als Leomon das Amt des Königs übernahm, führte es dieses Gesetz im Norden ein“, erklärte Wizardmon mit der Geduld eines Diplomaten. „Sollte je ein neuer König vonnöten sein, soll er durch eine Königskür gewählt werden. Jeder soll die Gelegenheit haben, sich für die Wahl aufzustellen, und die Fürsten und Ritter des Reiches küren einen davon zu ihrem neuen König.“ „Aha“, murmelte Davis, dem dieser Brauch gänzlich unvertraut war. „Klingt fair.“ Den Fürsten konnte man vertrauen, fand er. „Aber solche Spielereien können wir uns nicht leisten“, beharrte Meramon. „Euer Sir Petaldramon ist beim Angriff auf die Blütenstadt gestorben, richtig? Und Sir Taichi wird vermisst. Wahrscheinlich ist er auch schon tot. Der Rest unserer Ritter und Fürsten wird anderswo gebraucht!“ Bei seinen Worten zog sich etwas in Davis schmerzhaft zusammen. Falls Tai gestorben war, war es seine Schuld. „Aber ohne einen König gibt es keinen Zusammenhalt, und wenn wir die Regeln des gefallenen Löwen nicht achten, könnte ein Bürgerkrieg entbrennen. Wenn jemand von uns einfach so, ohne eine gerechte Wahl, das Reich übernimmt, was unterscheidet uns dann von dem DigimonKaiser, der ebenfalls behauptet, nur das Beste im Sinn zu haben?“ „Jetzt übertreibt Ihr“, meinte Meramon abfällig. „Werde ich… noch gebraucht?“, fragte Kamemon unsicher. „Du hast uns einen großen Dienst erwiesen. Danke.“ Wizardmon winkte die Piximon-Wächter herein. „Sorgt dafür, dass es in ein Quartier kommt.“ „Und päppelt es wieder auf“, fügte Veemon hinzu. Die Piximon stützten Kamemon, als sie es nach draußen brachten. Die angespannte Atmosphäre im Rathaus hatte sich etwas beruhigt, die Kühle sich wieder auf sie gesenkt. „In einem irrt Ihr, Meramon“, sagte Wizardmon dann. „Ach ja?“ „Was den Verbleib von Sir Taichi angeht. Es stimmt, dass niemand genau sagen kann, wo sich der Drachenritter im Moment aufhält. Ich kann Euch allerdings versichern, dass er spätestens in einer Woche hier eintreffen wird.“ „Was?“ Davis‘ Herz machte einen Sprung. „Was redet Ihr da eigentlich?“, knurrte Meramon. „Als ich gerade von der Blütenstadt fortfliegen wollte, erreichte sie ein merkwürdiges Gefährt. König Takashi aus der Wüste sendet seine Empfehlungen, gemeinsam mit unserem Drachenritter.“ „Tai lebt?“, fragte Davis nach. „Ganz sicher? Aber der DigimonKaiser hat ihn gefangen genommen!“ „Er lebt, und es scheint ihm gut zu gehen“, sagte Wizardmon. „Man schien ihn ins Reich des DigimonKaisers überführen zu wollen, doch der Einhornkönig hat ihn befreit. Ich habe meine Soldaten angewiesen, ihn hierherzubringen.“ „Ach, habt ihr das.“ Meramon schien nicht beruhigt, im Gegenteil. „Warum zur Hölle seid Ihr dann allein gekommen? Ihr hättet ihn einfach mit Euch bringen sollen, dann müssten wir jetzt nicht auf ihn warten!“ „Er war nicht allein“, entgegnete Wizardmon ruhig. „Eine Frau ist bei ihm, deren Identität er nicht preisgeben wollte. Und sein Agumon scheint an einer schweren Krankheit zu leiden. Es wird auf dem Weg hierher behandelt, doch es konnte unmöglich digitieren. Sie müssen den Landweg nehmen, am Fuß der Berge und am Ufer des Nadelöhrs entlang fahren und dann dem Band flussaufwärts folgen.“ „Hm“, brummte Meramon. Davis‘ Gedanken rasten. Aber der DigimonKaiser war doch mit seinem Airdramon geflogen, als er Taichi bei sich gehabt hatte! Er hatte doch selbst gesehen, wie schnell so ein Digimon sein konnte! Hatte der Einhornkönig ihn etwa abgefangen? „Hat er auch irgendetwas gesagt, ob er weiß, was mit dem DigimonKaiser ist?“ „Wieso fragst du?“ „Er war mit ihm unterwegs. Wenn Taichi befreit wurde, dann ist der DigimonKaiser vielleicht ….“ Wizardmon schüttelte den Kopf. „Darüber hat er nichts gesagt. Falls es so wäre, bin ich sicher, dass er uns diese Information nicht vorenthalten hätte.“ Davis‘ Schultern sanken ein Stück. Aber Tai ging es gut, das war die Hauptsache. „Wir haben großes Glück, dass uns die Nachricht von des Königs Tod erst jetzt erreicht“, fand Wizardmon. „Glück?“, platzte Meramon heraus. Funken stoben um seinen Mund. „König Leomon hätte die File-Insel nach fünf Tagen erreichen müssen. Mittlerweile ist es fast vierzig Tage her, dass es aufgebrochen ist. Dieses verdammte Kamemon hat über einen Monat gebraucht, um uns diese Nachricht zu überbringen, und Ihr redet von Glück?“ „Glück, weil nun in Kürze auch Sir Taichi wieder in unserer Runde sein wird.“ „Ein Ritter mehr, der seine Stimme abgeben kann. Und?“ „Nicht nur ein Ritter.“ Wizardmon schüttelte den Kopf. „Wie die Dinge momentan stehen, halte ich Sir Taichi den Drachenritter für den geeignetsten Kandidaten für den Königsthron.“     Tag 122   In den folgenden Tagen ließ Deemon Ken nicht in Ruhe. Immer wieder funkte es seinen Gedanken dazwischen, die sich eigentlich auf die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung konzentrieren sollten – und auf tausend andere Dinge. Es lief wieder recht gut. Ogremon und Spadamon hatten beide die Festung verlassen, und sein Spion hatte Musyamon von Nadines Verrat unterrichtet. Dann hatte es noch wie versprochen neue Digimon für das Bedienen der Maschinen geschickt und war letztendlich aufgebrochen, um eine Neuerhebung bezüglich Tai und der anderen durchzuführen. Die größte Überraschung war jedoch, dass es Armadillomon gefunden hatte. Ken glaubte zuerst, gar nicht recht zu hören, aber es schien als eine Art Gaukler für Musyamon zu arbeiten. Er ließ es sofort zu sich in die Festung rufen und bot Musyamon eine angemessene Entschädigung dafür. „Du könntest deine Freunde alle wieder mit ihren Digimon vereinen. Auf ewig. Beuge nur dein Knie vor mir.“ Verschwinde. Wenn Spadamon wieder einmal im Land war, würde Ken es auch zum Ritter schlagen. In Anbetracht seiner vorzüglichen Dienste war das mehr als überfällig. Offiziell fühlte sich Nadine nicht wohl, deswegen sah und hörte man nur noch etwas vom DigimonKaiser, der auf mystische Weise von den Toten auferstanden oder einem tückischen Attentat ausgewichen war. Der Respekt seiner Untertanen war ihm einmal mehr sicher, und zu seiner Überraschung stieß er auf überaus freudige Reaktionen. Sie hassen mich doch nicht, dachte er. Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass der Hass viel eher seinen Feinden entsprang – besser gesagt, deren Anführern. Dem gemeinen Volk war vielleicht schon zu Ohren gekommen, dass er sich bemühte, gerecht zu sein. Vielleicht muss ich den Tyrannen gar nicht nach außen kehren. „Du müsstest dich nicht mit diesen Meinungen herumschlagen, wenn du dich mir anschließen würdest, Ken.“ Was Nadines tatsächliches Wohlbefinden anging, so hörte Ken nur von seinen Dienern davon. Er brachte es nicht über sich, sie in dem Gemach, in das man sie gesperrt hatte, aufzusuchen. Am liebsten hätte er gar nicht mehr über sie nachgedacht – und gleichzeitig vermisste er es, sie um sich zu haben, trotz allem, was geschehen war. Oikawa hatte mit ihr gesprochen, und seinen Erzählungen nach war sie immer noch fest davon überzeug, in einer lästigen Situation in einem Spiel festzustecken. Ken ließ Vorkehrungen treffen, dass sie keine Gelegenheit hatte, etwas Dummes wie Selbstmord zu begehen, um das Spiel neu zu starten. „Du müsstest dich nicht darum sorgen. Hole sie einfach ins Leben zurück, wenn sie stirbt.“ Sie wird nicht sterben. Niemand wird sterben. Ich werde dich besiegen – das ist das Beste für alle! „Nein. Es ist unmöglich.“ Ken zeigte Oikawa auch die rätselhafte Inschrift, die er erhalten hatte, bevor die Sache mit Nadine passiert war. Er versprach, sich gründlich den Kopf darüber zu zerbrechen, aber bisher hatten weder sein frischgebackener Fürst noch die neuen Hagurumon dabei Fortschritte gemacht. „Ich könnte es dir sagen. Ergib dich mir, und ich löse alle Rätsel, an denen du scheiterst.“ Die merkwürdigsten Nachrichten trafen von der File-Insel ein. Devimon schwor Stein und Bein, dass König Leomons Flotte die Insel nie erreicht hatte – aber es wäre ein Digimon wiedergeboren worden, dass höchstwahrscheinlich jenes DarkTyrannomon war, dem Ken die Ritterwürde versprochen hatte. Kurz darauf kam Nachricht von Spadamon, dass es im Norden hieß, König Leomon wäre in der Schlacht gefallen, und man würde über einen Nachfolger unter den Fürsten und Rittern diskutieren. In der Schlacht, aber gegen wen? Es ist nichts außer hundert Meilen Ozean zwischen der Insel und dem Kontinent! „Willst du nicht doch auf mein Wissen zurückgreifen, Ken?“ Es war am Abend des vierten Tages, den Ken wieder in seiner Festung verbracht hatte, als er Deemons ständige Einflüsterungen so sehr satt hatte, dass er es sogar selbst kontaktierte, kaum dass sich die Tür zu seiner neuen Schlafkammer geschlossen hatte. Was muss ich tun, damit du endlich Ruhe gibst?, fragte er müde. „Das einzig Sinnvolle. Ergib dich mir, Ken. Hilf mir, wieder zu Kräften zu kommen, baue deine Türme ausschließlich in deiner Wüste, einen neben dem anderen.“ Deemons Scherenschnitt flimmerte drängend. „Hast du es nicht eben wieder selbst erfahren? Es passiert so viel in der DigiWelt, was du – noch – nicht steuern kannst. Leomon ist tot. Die Berichte stimmen. So schnell kann es gehen – und es kann jeden deiner Freunde treffen. Du weißt bei vielen nicht, wo sie sich aufhalten. Zwei hast du nicht gesehen, seit wir das Spiel begonnen haben. Du hast die nicht vergessen, oder? Ich kann dir in etwa sagen, wo sie sich befinden. Du kannst sie direkt zu dir holen. Du kannst jeden Toten wiederbeleben, wenn du mir nur deine Treue schwörst. Wir hätten es von Anfang an so machen sollen. Ich hätte nur nicht gedacht, dass du mir tatsächlich auch später nützen könntest.“ Wie oft hatten sie dieses Gespräch nun schon geführt? Doch die Ungewissheit nagte an Ken, das behauptete Deemon zu Recht. Wo waren nur T.K. und Kari? Niemand hatte je von ihnen gehört, geschweige denn sie gesehen. Wenn tatsächlich einer von ihnen stürbe … Er wusste, dann würde er Deemon nachgeben. Allein, um es rückgängig zu machen. Es war so unrealistisch, dass jeder von ihnen mit heiler Haut davonkam, so unrealistisch … Und Tai hatte immerhin schon ein Auge eingebüßt, und wer wusste schon, wie es um die anderen stand? Wie sah beispielsweise Soras Gefühlswelt aus? Er wollte Deemon nicht die Gelegenheit gegeben, sie alle zu quälen oder Takashis Gefangenen töten zu lassen … Wiedererweckung hin oder her, er konnte es einfach nicht zulassen, dass sie seinetwegen litten. Die ganze Nacht brütete er darüber nach. Jeder Tag, jeder Gedanke von Deemon, der an seinen Überzeugungen, seinen Zielen gekratzt hatte, hatte ihn ermüdet. Er wälzte sich unruhig in seinem Bett hin und her und wägte Für und Wider ab, stellte sich alle möglichen Schreckensszenarien vor. Seine Träume führten diese Arbeit fort und perfektionierten sie sogar. Er sah Davis, brennend in orangeroten Flammen. Yolei, der eine Degenklinge aus der Brust ragte. Tai, mit scharfen Klingen, die seine beiden Augen durchbohrten. Cody, der sich blutüberströmt in den staubigen Gassen von Masla krümmte, von Aufständischen überfallen. Joe, den eine verirrte Attacke am Rande einer Schlacht erwischte. Izzy, der einfach nur reglos und kreidebleich vor ihm lag, neben ihm T.K. und Kari. Mimi, deren weißes Brautkleid sich blutrot färbte. Sora, die sich selbst erhängt hatte. Matt, dessen Blut an seinen Händen klebte! Es war sein schlimmster Albtraum seit langem. Dann tauchte auch noch MetallPhantomon auf. Der Drachenritter ist in sein Königreich zurückgekehrt. Ich werde Euch seinen Kopf bringen, seinen und den von diesem Jungen mit dem ArmorEi. Das Furchtbarste daran war, dass Ken sich sicher war, dass die Begegnung mit dem Geistdigimon tatsächlich stattgefunden hatte. Und dann sah er noch einmal Kari – genauer gesagt, er hörte ihre Stimme. Sie war nicht mehr als ein körperloser Hauch, nicht von dieser Welt … Ein Geist. Sie ist bereits tot. „Ken“, flüsterte sie. „Hörst du mich? Wir müssen etwas tun. Tai wird sterben … Wir werden alle sterben … Bitte …“ Als er hochschrak, schmerzten seine Zähne. Hatte er im Schlaf damit geknirscht? Er war völlig von Schweiß durchnässt, doch das war es nicht, was ihn frösteln ließ. „Hast du in deinen Träumen endlich die Wahrheit erkannt, Ken?“ Ken setzte sich in seinem Bett auf, zog die Beine an den Körper und vergrub den Kopf zwischen den Knien, raufte sich die Haare. Minutenlang saß er so da, vielleicht driftete er auch immer wieder in wirre Träume ab, er konnte es nicht sagen. Irgendwann glaubte er auch seine Eltern vor sich zu sehen, die auf seine Rückkehr hofften. Die unter Deemons Joch leiden würden, sollte es alleine herrschen. Da waren auch die Umrisse Oikawas – er hatte ein Messer in der Hand, bereit, Ken zu ermorden. Seine beiden Digimon standen lachend daneben. Und immer wieder glaubte er Kari zu hören. Warum ausgerechnet sie? Auch Deemon sprach wieder zu ihm, aber seine Worte sickerten in seinen Geist, ohne dass er sie wirklich hörte. Ich verliere den Verstand. „Du verlierst das Spiel. Du hast gut gespielt, also warum solltest du büßen?“ In Ordnung. Dieser Gedanke schien sein Herz zu sprengen. Er holte mit einem tiefen Schluchzer Luft. Er wusste, dass er vieles von sich selbst aufgab, allein indem er diese Worte sprach, doch er hielt die Ungewissheit, die Angst, die Sorgen nicht mehr aus. Wenn du dann Ruhe gibst – ich bin einverstanden. Deemon lachte amüsiert. „Nicht doch. Denkst du, Worte würden Taten ersetzen? Zeig mir, dass du es ernst meinst.“ Das gilt für uns beide. Du bist am ehesten in der Position, dein Wort zu brechen. Wir können uns niemals vertrauen. „Es gibt einen Weg, Ken. Einen Bund aus Blut und Macht.“ Blut und Macht? „Ich werde dir eine überaus mächtige Spielfigur an die Seite stellen. Du musst dich um nichts anderes mehr kümmern, als ganze Gärten von Türmen zu bauen. Ich werde Takashi befehlen, dir zu gehorchen. Er wird persönlich zu dir kommen, wenn du willst. Verfüge über sein ganzes Reich, all seine Helfer und Vasallen. Das ist die Macht, die ich dir im Voraus zuteilwerden lasse, als Beweis, dass ich es ehrlich meinte.“ Ken zögerte. Und … das Blut? „Auch du musst ein Opfer bringen. Du warst lange mein Feind. Wenn wir schon so weit sind, will ich dich unbedingt als meinen Mitherrscher. Du brauchst einen Grund, warum du meine Ankunft herbeisehnen solltest. Einen Grund, warum du die Macht, von der ich stets spreche, einsetzen musst.“ Und der wäre? Deemon legte eine dramatische Pause ein. „Den Tod eines deiner Freunde.“ Was? Nein! Vergiss es! Ken schüttelte sofort entsetzt den Kopf, als könnte er Deemon damit vertreiben. „Hör mich an, Ken. Wen immer du wählst, du kannst ihn hinterher wiederbeleben. Es wäre so oder so geschehen.“ Es hatte Kens Gedanken gehört. Natürlich. Selbst wenn nicht, war es nicht schwer zu erraten gewesen, dass Kens Herz für Deemons Vorschläge empfänglicher werden würde, sollte tatsächlich einer seiner Freunde sterben … Aber er konnte so etwas nicht zustimmen, niemals! „Verschwinde!“, schrie er laut in die Dunkelheit seiner Kammer. „Lass mich in Ruhe! Entweder gewinnst du oder ich! Es gibt kein Unentschieden! Ich werde nicht zulassen, dass du einen von ihnen anrührst!“ Seine Stimme war rau. „Du hast keine Wahl. Du kannst es nicht verhindern, nur rückgängig machen. Gib endlich deinen Widerstand auf, Ken. Er ist nobel, aber nicht zielführend.“ Ken biss wieder die Zähne zusammen. Mehr Schmerzen zuckten durch seinen Kiefer, durch seinen ganzen Kopf. Durch seine Brust. „Ich werde nicht grausam sein. Ich werde dich nicht erst wählen lassen, welchen deiner Freunde es treffen soll.“ „Nein“, murmelte Ken. „Allein, dass du mir das in Aussicht stellst, zeigt, wie grausam du bist.“ Er hob den Kopf und fixierte Deemons Schatten, der direkt vor seinem Bett stand und sich über ihn beugte. Aber ich werde es tun. Ich wähle das Opfer selbst aus. Das bin ich ihm schuldig. Ich werde es selbst tun, ihm in die Augen sehen, und der Tyrann werden, der ich sein muss, um nicht wahnsinnig zu werden. Ich werde ihn wiederbeleben und mich auf ewig von ihm hassen lassen. Das ist dann die Strafe, weil ich so schwach bin und mir keine Alternative einfällt. Deemons Schatten zuckte belustigt. „Wie du meinst. Dann wähle. Töte einen der DigiRitter, mit denen du so viele Abenteuer erlebt hast, und ich schenke dir Takashi – und hinterher die Macht und alle Antworten, die ich dir versprochen habe, sobald du mich in die DigiWelt holst. Ich frage mich, ob du schon ein Opfer im Sinn hast, Ken.“ Ken starrte mit leeren Augen zur Wand und merkte, dass Tränen über seine Wangen liefen. Tai und Sora waren irgendwo im Nirgendwo, ebenso Matt. Joe war vermutlich irgendwo dort, wo es zahlreiche Verletzte aus Kämpfen gab, vielleicht aber auch nicht. Izzy versteckte sich gut und wäre wohl ohnehin unantastbar. Wo Mimi war, konnte er bestenfalls eingrenzen, und Yolei war irgendwohin unterwegs gewesen und würde sich sicher nicht so bald zeigen. Davis war weit außerhalb seiner Reichweite, und Kari und T.K. waren kaum mehr als Geister. Bleibt nur noch einer.   Let me be there Just say you want to share A power no one will withstand Just be my human hand (Helloween – The King for 1000 Years) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)