New Reign von UrrSharrador (Wie Game of Thrones, nur mit Digimon. [Video-Opening online]) ================================================================================ Kapitel 57: Helden sterben früh ------------------------------- Tag 145   „Seuche? Was für eine Seuche?“, fragte Mummymon. Die Sache wurde zunehmend lästig. Irgendein Fluch schien den DigiRitter befallen zu haben. Zuerst wurden Arukenimon und er beschossen, woraufhin es ihn in die Voxel-Stadt gebracht hatte. Nun war Mummymon in Kens Namen mit einem Dutzend Airdramon hergeflogen, um ihn wieder aufzulesen und endlich in die ehemals mobile Festung zu bringen – und dieses Kabuterimon, angeblich Oberbefehlshaber hier, erzählte ihm, Tai leide an irgendeiner Krankheit. „Sie ist an unserer Front ausgebrochen, als wir gegen den Einhornkönig gekämpft haben“, grollte Kabuterimon, während sie nebeneinander die verwaisten, grauen Straßenwüsten in Richtung Stadtzentrum stapften. Mummymon hatte seine menschliche Form gewählt. Die war zwar weniger furchteinflößend, aber eleganter, passend für einen wichtigen Botschafter, wie es fand. Kabuterimon hingegen war so groß und grobschlächtig, wie Kabuterimon eben waren. Dazu kam, dass Mummymon seine Stimme irgendwie bekannt vorkam … aber selbst da konnte man sich bei den riesigen Käferdigimon schnell täuschen. „Und wie genau kommt eine Krankheit aus der Wüste hierher?“, erkundigte sich Mummymon bemüht sachlich. Ein weiterer Grund, warum es den blauen Anzug und Gehstock statt den Bandagen und dem Gewehr gewählt hatte, war, dass es damit eher die Kontenance wahren konnte. „Über die Nachschublinien. Technisches Material wurde von hier nach Westen geschafft, und die Transporteure kamen mit kampfuntauglichen Digimon zurück. Einige von ihnen waren bereits infiziert. Wir mussten die ganze Innenstadt zur Quarantänezone erklären.“ „Das ist die größte Schlamperei, von der ich in diesem Krieg gehört habe“, sagte Mummymon trocken. „Verzeiht. Ich bitte Euch, bringt es dem Kaiser schonend bei, Sir.“ „Also weiß der DigimonKaiser noch gar nichts davon?“ „Die Krankheit hat sich erst in den letzten Tagen unter unserer Besatzung breitgemacht.“ Mummymon schnaubte. Was machte es eigentlich hier? Es war doch eher für die offene Schlacht und weniger für einen Botengang gemacht. Noch dazu, wenn es ihn alleine gehen musste. „Wenn der Drachenritter stirbt, haben wir alle ein Riesenproblem“, sagte es gefährlich leise. „Ich weiß“, dröhnte Kabuterimon. „Aber einige Mitglieder des Zuverlässigen Ordens sind in der Stadt. Sie haben bereits ein Gegenmittel entdeckt und kümmern sich um Sir Taichi.“ „Brav, diese Zuverlässigen.“ Sie waren bei dem großen, klobigen Gebäude angekommen, das weniger Krankenhaus und viel mehr ein Bunker war. Aber gut, dann war Tai hoffentlich so gut geschützt wie in der Festung. Dieser Mensch hatte aber auch ein Pech. „Hier entlang.“ Kabuterimon führte Mummymon durch ein breites Tor, das eindeutig für schwere Maschinen gedacht war. Durch eine Halle, in der es nach Gummi und Schmieröl stank, ging es weiter bis zu einem Betonwürfel innerhalb dieses Betonwürfels. Gelbe Lampen erhellten ihn, über den Türen zu den einzelnen Räumen warnten rote Lichter vor dem Eintritt. „Überzeugt Euch selbst.“ Kabuterimons vielgliedriger Finger zeigte auf eines der dicken Sichtfenster. Mummymon strengte sein Auge an und erkannte in dem hellen Krankenzimmer den bezeichnenden braunen Haarschopf. Einige Orcamon stapften in dem Raum herum, bereiteten Infusionen vor und mischten Lösungen. Der zweite Mensch dort drin überraschte Mummymon. Das war doch eindeutig einer der DigiRitter-Clique, der blauhaarige junge Mann, der Ken zufolge Joe hieß. Dass er bei den Zuverlässigen war, wusste Mummymon, aber ihn hier zu finden, hatte es nicht erwartet. „Wie kommt denn der Mensch hier her?“ „Gemeinsam mit den anderen Zuverlässigen, auch über unsere Nachschubwege. Sie wollten medizinische Vorräte von uns, aber wir haben sie dazu abkommandiert, die Seuche zu bekämpfen.“ „Sehr gut. Und wann kann ich Tai … Sir Taichi mitnehmen?“ „Das könnte noch eine Weile dauern“, sagte Kabuterimon. „Warum? Ich nehme den anderen auch gleich mit. Der DigimonKaiser freut sich sicher darüber. Und er kann den Drachenritter genauso gut in der Festung behandeln.“ „Verzeiht, aber es ist besser, wenn sie beide hierbleiben. Hier in der Quarantäne beginnen die Digimon bereits Abwehrkräfte gegen die Krankheit zu entwickeln. In der Festung des Kaisers könnten weitere Digimon angesteckt werden, vielleicht sogar der Kaiser selbst. Wir können von Glück reden, wenn das Digimon, das ihn hergebracht hat, sich nicht ebenfalls angesteckt hat.“ Das klang einleuchtend – und furchtbar. „Oh nein“, murmelte Mummymon. „Liebstes Arukenimon, was mache ich nur, wenn du ebenfalls infiziert wurdest? Nicht auszudenken …“ Arukenimon war momentan weit, weit weg, auf der File-Insel, wo hart gekämpft wurde … „Habt Ihr etwas gesagt?“, fragte Kabuterimon. „Ich sagte, dass ich am Stadtrand mit meinen Digimon warte“, sagte Mummymon entschlossen. „Bis dahin reicht eure Quarantänezone ja wohl nicht, oder? Und ich rate euch, beeilt euch, Taichi wieder hinzukriegen.“     „Ist es weg?“, hörte Joe Tai durch die Decke murmeln. „Warte, ich sehe nach“, flüsterte er, obwohl die Wände schalldicht waren. Er ging zu einem der Labortische, die unter den Fenstern standen und tat, als würde er ein Serum zusammenmixen. Dabei warf er unauffällig Blicke in die große Halle. Kabuterimon begleitete das seltsame Digimon eben wieder durch das Tor hinaus – Joe sah ihre Silhouetten gegen die höher steigende Sonne. Er hatte schon vorhin einen Blick riskiert – ein unheimliches Wesen. So eines hatte er noch nie gesehen, es sah mehr aus wie ein Mensch denn wie ein Digimon. Der DigimonKaiser zählte wirklich die beängstigendsten Geschöpfe zu seinen engsten Vertrauten … Joe konnte sich eines Fröstelns nicht erwehren. „Die Luft ist rein“, sagte er. Tai arbeitete sich seufzend unter der Decke hervor. Er trug noch die einfache Kleidung, die er von Izzy erhalten hatte. „Ich hoffe, das Versteckspiel ist bald vorbei“, sagte er grimmig. Joe teilte mittlerweile seine Meinung. Erst war er sogar ein wenig froh gewesen, keinen Zugang mehr zu den vielen Schlachtfeldern zu haben, trotz der Digimon, die dort verletzt wurden und starben. Vermutlich machte es wenig Unterschied, ob sie hier Digimon behandelten oder anderswo, aber immerhin war die Voxel-Stadt kein Kriegsgebiet. Noch nicht. Wenn Izzys Maskerade aufflog, würde hier sicher die Hölle los sein … In letzter Zeit wünschte sich Joe allerdings eine Veränderung. Es musste kein großer Knall sein, aber eine kleine Bewegung im Gleichgewicht der Kräfte würde reichen und ihn wieder aus dieser Stadt bringen. Sie hatten es tatsächlich vor einigen Tagen geschafft, ein Heilmittel für die Seuche zu finden. Die wenigen Patienten, die noch daran litten, würden in kurzer Zeit gesunden. Dann mussten sie als Zuverlässige wieder hinaus in die Welt ziehen, dorthin, wo ihre Dienste gebraucht wurden. Die Tür öffnete sich und Izzy persönlich kam herein. Er nickte ihnen zu. „Das habt Ihr gut gemacht. Ich glaube, wir haben es getäuscht.“ „Ihr wisst ja jetzt, dass meine Nordarmee nicht so feige ist, wie Ihr befürchtet habt“, sagte Tai mit einem leicht anklagenden Tonfall. „Aber trotzdem wird diese Scharade nicht auf ewig gut gehen. Irgendwann geben sie keine Ruhe mehr und bringen mich zum DigimonKaiser, Seuche hin oder her.“ Izzy nickte. „Das stimmt. Und wir können von Glück reden, dass dieser Ritter nicht mit Schwarzring-Digimon hergeflogen ist. Es wäre aufgefallen, wenn sie plötzlich kein Signal mehr von unserem Turm bekommen hätten. Wir müssen uns in Geduld üben. Wir müssen sie nur mehr hinhalten, bis die Zeit reif ist.“ Tai nickte bedeutungsschwer. Bis die Zeit reif ist. Ja. Wenn Joe die Zeichen richtig deutete – und den Plan, den Tai und Izzy schmiedeten –, dann wurden die Dienste der Zuverlässigen garantiert bald wieder gebraucht. Dann würde es nämlich einen großen Knall geben.     Feuer regnete auf ihn herab, wo eigentlich nur Steine sein dürften. Der Höhleneingang hatte scharfkantige Auswüchse wie Zähne, und überall flogen glühende Kugeln, Strahlen, Projektile. Ein Schlachtfeld war furchtbar, das hatte er gewusst. Wie erschreckend es sein konnte, selbst an vorderster Front zu stehen und sich stückchenweise vorzutasten, während jede Sekunde etwas seinen Körper durchbohren konnte … Er hatte ja keine Ahnung gehabt. War das, was da vor seinen Augen vorbeiflog, Schnee oder Datenreste? Ken schoss und schoss und schoss. Er hatte keine Erfahrung mit Commandramon-Waffen, auch nicht mit Waffen im Allgemeinen, aber zumindest vom Aussehen her erinnerten sie an menschliche Maschinenpistolen, und ihre Funktionsweise war einfach zu erkennen gewesen. Allerdings wusste er nicht, wie die Soldatentierchen es mit ihrer Munition hielten. Wormmon war hin- und hergerissen. Ken wollte nicht, dass es mitkämpfte, aber immer wieder spuckte es seine Klebenetze auf nahe PawnChessmon. Glücklicherweise war der Strom aus Feinden vor allem das: ein Heer aus zumeist schwachen PawnChessmon. Ken hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Sie hatten vermutlich vier Stunden gebraucht, um auf dem schmalen Grat bis hierher zu kommen. Die Sonne hatte den Zenit längst überquert. Dies hier war der unterste Höhleneingang, der zu Devimons Hallen führte. Natürlich war er gut verteidigt – PawnChessmon und KnightChessmon in rauen Mengen. Der feindliche Heerführer musste sich dort drin verstecken. Die Schilde der kleinen Schachfiguren waren erstaunlich stabil. Sie hielten mehreren Angriffen von Troopmon und Mekanorimon stand, Commandramon sowieso. Ken war erschrocken, wie leicht es ihm in dem Getümmel fiel, auf die kleinen, behelmten Köpfe seiner Feinde zu zielen. Wenn seine eigenen Soldaten starben, waren es nur Schwarze Türme, die niemand vermisste. Die Schachfigurenarmee jedoch lebte. Sie werden auch sterben, wenn ich versage. Ihr Schicksal ist besiegelt. Noch war niemand in Sicht, dem er einen Waffenstillstand anbieten könnte. Ken wich einer geschleuderten Lanze aus und ging hinter einem der Felsen in Deckung, die den Höhleneingang säumten. Freund und Feind versteckten sich hinter Erhebungen und Vertiefungen im Felsen. Es war ein zermürbender Stellungskrieg; wenn Kens Digimon zu nah an die Höhle herankamen, warfen sich die PawnChessmon wie glühende Feuerbälle auf sie, Schild und Lanze von sich gestreckt. Diejenigen, die eben erst aus der Höhle liefen, waren einfach zu erwischen, aber sie bildeten oft einen Schildwall, der eigentlich eher ein Schildhaufen und nicht zu durchdringen war, bis sie Deckung gefunden hatten. Momentan verloren Kens Soldaten sogar an Boden. Er hoffte inständig, dass die Rockmon bald hier wären. Die schwerfälligen Digimon waren weiter zurückgefallen als geplant … Sobald Mekanorimon oder Guardromon erschienen, machten die KnightChessmon einen Ausfall, schwarze und weiße Zentauren im Ganzkörperpanzer, die alles niedertrampelten, was sich der Höhle näherte. Eines davon hätte Ken beinahe auf seine Lanze gespießt, hätte Wormmon ihn nicht zur Seite gestoßen. Eine brennende Wunde an seinem linken Oberarm erinnerte ihn daran, wie scharf die Zähne des Todes an der Front waren. Endlich ertönte das Getrampel der Rockmon auf dem Grat. Die Digimon waren so groß, dass sie nur nacheinander marschieren konnten. „Zurück!“, brüllte Ken über das Dauerfeuer, mit dem seine Soldaten die Schachfiguren auf Abstand zu halten versuchten. „Zurück!“ Commandramon wuselten zwischen den Beinen des vordersten Rockmon hindurch, Troopmon ebenfalls. Viel mehr als zehn Digimon waren von der ersten Welle der Fußsoldaten nicht übrig geblieben. Ken kletterte auf den stacheligen Rücken des Rockmons, um von dort weitere Befehle geben zu können. Er winkte den anderen, es ihm gleichzutun. PawnChessmon prallten wuchtig gegen das erste Rockmon, brachten es aber nicht mal zum Wanken. Mit einer einzigen Armbewegung fegte es die kleinen Störenfriede von der Plattform. Ken legte den Kopf in den Nacken und suchte den Himmel ab. Er hatte keine Ahnung, wo die Reste seines Geschwaders abgeblieben waren. Zumindest die Pteramon müssten sich bald wieder zeigen … oder kämpften sie wieder auf der Bergspitze? Über den Lärm hier konnte er sie nicht hören. Die Rockmon, von hinten durch Mekanorimon-Laserstrahlen gedeckt, schlugen eine Bresche in den Schildwall. Dann erreichten sie den Höhleneingang, und drei, vier tote KnightChessmon später war der Durchbruch geschafft. Ken kauerte sich auf dem Rücken des Rockmons zusammen, als die spitzen Tropfsteine über dessen Haut schabten und sie in die Dunkelheit der Höhle eintauchten. Es gab nun erstaunlich wenig Widerstand. Die Schützen stiegen wieder ab und nahmen sich Seitengänge und Stollen vor. Es war lästig, ihnen allen immer wieder Befehle geben zu müssen, aber Ken konnte sich wohl glücklich schätzen, dass Arukenimons Kunstwerke ihm überhaupt gehorchten. Spiralenförmig führte die Höhle nach oben, zu Devimons Hauptquartier hin, und natürlich war sie kurz davor eingestürzt. Ken hatte mit so etwas schon gerechnet: Seine Feinde waren alles andere als dumm. Er ließ die Rockmon den Schutt aus dem Weg räumen, was wieder eine gute halbe Stunde dauerte. Während dieser Zeit hörte er von der anderen Seite Kampfgeräusche und drängte seine Digimon zur Eile an. Kurz bevor sie fertig waren, zählte er sie durch. Sieben Troopmon, vier Commandramon, sechs Rockmon, zwei Mekanorimon. Wormmon und er selbst. Nicht die Streitmacht, mit der er das feindliche Hauptquartier ursprünglich hatte einnehmen wollen … Der Weg war wieder frei, und als Kens Digimon weitertrabten, gerieten sie mitten in den nächsten Kampf. Kens Thunderboltmon und MetallMamemon hatten einen anderen Weg in den Berg gefunden; offenbar war der Kampf auf der Spitze gewonnen. Die Fußsoldaten fielen den feindlichen KnightChessmon in die Flanke. Ihre Pferdekörper konnten in der engen Höhle ihre Wendigkeit nicht ausspielen; vermutlich hatten sie es nicht geschafft, den Berg rechtzeitig zu Beginn der Schlacht zu verlassen. Binnen Sekunden war der Trupp aufgerieben. Fünf Thunderboltmon und drei MetallMamemon mehr. Gut. Die Insekten würden den Berg der Unendlichkeit von außen absichern. Alles, gegen das sie jetzt noch kämpfen mussten, konnte nur aus dem Berg selbst stammen. „Ihr beide fliegt zu unserem Lager zurück und gebt Arukenimon das Zeichen“, befahl er den Thunderboltmon und zeigte den Weg entlang, den er selbst gerade gekommen war. Er tat es nicht gern, aber ohne seinen Notfallplan würde sein Heer vielleicht nicht einmal ein weiteres BishopChessmon verkraften. Es würde eine verdammt knappe Angelegenheit werden. Vor ihm, am anderen Ende der Höhle, erhob sich Devimons Pantheon, inmitten einer höheren Grotte. Weißer Stein, kaum beschädigt, an der Außenseite von Statuen und Gargoylen verziert, die in der DigiWelt gar kein Pendant hatten, von dem er wusste. Bei dem Gedanken, als Nächstes dort hineinzugehen, kribbelte es ihm unter der Haut. Er wollte auf Verstärkung warten, verbot es sich aber. Hier führten mehrere mögliche Ausgänge zusammen. Falls der Feind einen Ausfall wagte, musste Ken ihn direkt am Eingang des Pantheons abfangen. Langsam ließ er sein klägliches Heer vorrücken. Hoffentlich beeilten sich die Thunderboltmon – und hoffentlich hielt sich Arukenimon an seinen Befehl. Das war eigentlich seine größte Sorge. Er holte tief Luft und trat zwischen den riesigen, gerillten Säulen hindurch, die den steinernen Torbogen flankierten. Düster war es hier, und es roch muffig. Eine weite, kahle Halle tat sich vor ihnen auf. Die Schritte zahlloser Digimon-Füße, schwere wie leichte, erzeugten lauten Widerhall. Die Decke war so hoch oben, dass sie von Schatten verschluckt wurde, obwohl hier dämmriges, ambientes Licht herrschte. Weit, weit vorne standen auf einer Empore weitere Statuen. Schmale Stufen führten dort hinauf, vollgestellt mit PawnChessmon, die wie die Bauern in der Ausgangsstellung beim Schach wirkten, nur dass sie abwechselnd weiß und schwarz waren. Sie hatten nicht etwa einen weiteren Wall gebildet, sondern standen einfach nur da, die Speere stolz präsentiert, die Schilde locker am Körper. Kens eigene Truppe bildete eine behelfsmäßige Schlachtreihe, da ihm vor Nervosität die Kehle zugeschnürt war und er keine Befehle mehr erteilen konnte. Wer stand dort oben, jenseits der Bauernlinie? Er meinte, zwei Gestalten in der Dunkelheit zu erspähen. „Seid gegrüßt, Eure Majestät“, ertönte eine klare Frauenstimme, kühl wie ein Gebirgsbach. Keiko? Nein, es war die Stimme einer erwachsenen Frau. Andererseits – er hatte sie noch nicht wiedergesehen; wie erwachsen war Keiko jetzt? „Ihr wollt Euch also tatsächlich für den Tod Eures fürchterlichen Dieners rächen?“ Eine zweite Stimme. Männlich, alt. Waren das Digimon? Sie beide? Eine Gestalt trat mit scheppernden Schritten aus der Dunkelheit. Ken hielt sie zunächst für ein weiteres, weißes PawnChessmon, ehe er die gewaltige Krone und den Umhang sah. „Ich bin KingChessmon, König der Schachfiguren.“ Natürlich bist du das. „Dann ist das dort, vermute ich …?“ „Korrekt.“ Die Stimme nahm einen kessen Unterton an. Die Königin in Schwarz kam aus den Schatten. Ein rosa Umhang steckte ihre Umrisse ab. „QueenChessmon, die Königin.“ Ken deutete eine Verbeugung an. „Majestät.“ Wenn sie sich für König und Königin hielten und ein ganzes Volk aus Chessmon aller Art regierten, sollte er ihnen wohl auf Augenhöhe begegnen. Umso schneller würde diese sinnlose Kämpferei vorbei sein. Einen Turm, wenn du mir bestätigst, dass das zwei Megalevel-Digimon sind. „Das ist es mir wert. Ja, du hast recht, Ken“, sagte Deemon. QueenChessmon stützte sich auf seinen Stab. Es war größer als der König, sogar größer als Ken. „Ihr habt meine Frage nicht beantwortet, mein Kaiser. Seid Ihr hier wegen Vergeltung?“ Nein. Im Moment will ich nur Zeit gewinnen, dann diese Schlacht. „Ihr habt mir geraubt, was mir gehört.“ „Was Ihr Euch selbst ungefragt genommen habt, scheint mir“, entgegnete QueenChessmon kühn. „Wie kamt Ihr auf diese Insel? Hat Euch ein Digimon hergebracht? Ein Whamon vielleicht?“ „Ihr scheint sehr schlau zu sein“, meinte die Königin verschmitzt. KingChessmon hüstelte vornehm. „Wenn Ihr Euch wohl unser Angebot anhören wollt, DigimonKaiser.“ „Sprecht.“ „Wir lassen Eure Digimon friedlich ziehen, wenn Ihr freiwillig in Gefangenschaft geht“, erklärte QueenChessmon süffisant und fuhr mit dem Finger den Stab entlang. Ken schnaubte. „Ist das Euer Ernst?“ „Bedeutet Euch das Leben Eurer Diener so wenig? Wegen eines Bösewichts wie Devimon tretet Ihr einen ganzen Feldzug an!“ „Diese Digimon hier werden für mich sterben, wenn es sein muss.“ Denn es sind Schwarzturm-Digimon. Ken beschoss, Härte vor diesem arroganten Paar zu zeigen. Ein Röhren wie aus den Tiefen des Berges drang zu ihnen empor. „Das sollte besser nicht geschehen“, erwiderte KingChessmon. „Seid Ihr nicht auch der Meinung, dass schon zu viele ihr Leben auf dieser Insel gelassen haben, auf der eigentlich neue Leben geboren werden sollten?“ „Allerdings. Ergebt Euch, und niemand wird mehr sterben.“ Das Röhren wurde lauter. Etwas kam. „Wir kommen hier nicht weiter“, seufzte QueenChessmon. „Eure Majestät sind sturer und kompromissloser, als wir erwartet haben.“ Ein schleppendes Geräusch und das Schaben von Krallen. Ken straffte die Schultern. „Und was habt Ihr erwartet? Dass ich hierher komme, nur um nicht gefangen nehmen zu lassen?“ Ein Digimon stürzte durch den Torbogen, landete schwer auf einem dicken Schlangenschwanz und stieß ein markerschütterndes Brüllen aus. Die PawnChessmon wichen mit scheppernden Rüstungen angsterfüllt zurück. Ken spürte die Wärme, nein, die Hitze tiefer Atemzügen in seinem Nacken. Etwas beugte sich über ihn, groß und warm, mit einem Knurren nicht von dieser Welt. Ein Schweißtropfen lief ihm über die Wange. Er hatte selbst Angst davor, sich umzudrehen. Etwas tropfte zu Boden und zischte, dann erwischte ein Tropfen seinen Schulterschoner, ein weiterer seinen Arm. Er zuckte zusammen, als der Speichel sich wie Säure in seine Haut fraß. Endlich wagte er es, zur Seite zu treten und den Kopf zu heben, mit möglichst unbeeindruckter Miene. Das Digimon schien aus der Hölle selbst zu stammen. Haut und Rüstung waren von einem brachialen Rotton. Ein stachelübersäter Drachenkopf entwuchs einer Art Knochenpanzerung, drei scharfe Klauen zuckten an jedem klingenbewehrten Arm. Der Rumpf des Digimons endete in einem vielgliedrigen Schlangenschwanz. Rötliche, ausgefranste Hautflügel rundeten das Ganze ab. Aus dem Maul troff ätzender Geifer. „Gefällt dir Megidramon?“, erklang Arukenimons Stimme aus dem Torbogen. Offenbar hatte es sich von einem neuen Pteramon herbeifliegen lassen. „Es ist, wie du es wolltest.“ Er konnte den Blick nicht von Megidramon abwenden. Schnell und stark. Wie ich es wollte. Kens Mund war trocken. In Kürze würde sich herausstellen, ob er eben seinen größten Fehler in diesem Spiel der Königreiche begangen hatte. Er hatte es geahnt. Hatte geahnt, dass die Schachfiguren ein Megalevel-Digimon zum Anführer hatten. Nun waren es sogar zwei. Kein Wunder, dass Deemon so ein Geheimnis um die beiden gemacht hatte. Sein Spiel war in vollem Gange. Und Kens einzig möglicher Gegenzug war es gewesen, ein Tabu zu brechen. Er hatte Arukenimon ebenfalls ein Megalevel-Digimon erschaffen lassen, um mit seinen Feinden fertig zu werden. Ein Digimon aus hundert Schwarzen Türmen. Ein Digimon, das lebte und fühlte. Ein Digimon mit einer Seele, und dennoch nur zum Kampf geboren. Aus glühenden roten Augen starrte Megidramon das Chessmon-Königspaar an. Dass es hierher geflogen war, war schon mal ein guter Anfang, jedoch … Ken hatte sich tausend wohlklingende Phrasen überlegt, jetzt wusste er dennoch nicht, wie er es ansprechen sollte. „Pfui, wie hässlich“, spottete QueenChessmon. „Ist das dein Digimon-Partner?“ Megidramon schnaubte Hitze durch seine Nüstern. Es hatte noch kein Wort gesprochen – konnte es sprechen? „Megidramon ist nicht mein Partner“, sagte er mit fester Stimme. „Es ist ein freies Digimon, das seine Seite selbst wählen kann. Was hat dir Dame Arukenimon gesagt, Megidramon?“ Der Schlangenkopf ruckte herum, als Ken es direkt ansprach. Lange musterte es ihn nur. Die Tatsache, dass es ihm nicht gleich hinterrücks den Kopf abgebissen hatte, konnte ebenfalls nur Gutes bedeuten. Als es sprach, klang es, als würde seine Stimme brodeln. „Dass ich das stärkste Digimon bin, das es je gesehen hat“, grollte es. „Und dass hier andere starke Digimon sind, die das anzweifeln. Und dass du mir alle Fragen beantworten kannst, die ich habe.“ „Das kann ich. Ich bin der DigimonKaiser, der mächtigste Mensch in der DigiWelt. Das stärkste Digimon könnte ich gut an meiner Seite gebrauchen.“ Megidramon stieß ein gurgelndes Geräusch aus. Es dauerte eine Weile, ehe Ken begriff, dass es lachte. „Der mächtigste Mensch? Der mächtigste Mensch?“ Es stieß ein Röhren aus, dass die Decke wackelte. „Du bist der erste Mensch, den ich sehe, Kleiner. Das erste Wesen, das kein Digimon ist.“ Stimmt, das hatte er vergessen. „Ich weiß alles über diese Welt“, sagte Ken. „Wenn du Fragen hast, kannst du sie mir stellen. Ich kann dir sagen, wer du bist. Wo du herkommst, was deine Bestimmung ist.“ Megidramon knurrte. „Dieses Arukenimon hatte die Dreistigkeit zu behaupten, dass es mich auf dein Geheiß hin geschaffen hat. Was willst du von mir, dass du mir Leben gegeben hast?“ Ken warf Arukenimon einen wütenden Blick zu, den es mit einem Schulterzucken abtat. „Es ist ein Zeichen meiner Macht, dass du geboren wurdest. Und es ist ein Zeichen meiner Großmut, dass ich nichts von dir will.“ „Lüg nicht!“, fauchte es ihm stinkend und heiß entgegen. „Ich spüre die Feindseligkeit zwischen dir und diesen Kümmerlingen. Ich soll sie für dich bekämpfen, darum hast du mich gerufen!“ „Nein“, behauptete er. „Ich befehle dir nichts. Ich werde dir niemals etwas befehlen. Du magst ein Digimon sein, das Arukenimon geschaffen hat, aber du bist ebenso wertvoll wie jedes andere, wenn nicht wertvoller. Auf jeden Fall wertvoller als diese Tonsoldaten.“ Er versetzte dem nächstbesten Schwarzturm-Troopmon einen Tritt, der es umfallen ließ. Megidramon knurrte nachdenklich. Es schien eitel. „Ich biete dir nur einen Handel an. Steh uns im Kampf gegen diese Digimon bei. Im Gegenzug teile ich all mein Wissen mit dir. Und du kannst dir sicher sein, dass ich eine ganze Menge weiß. Ich kam hierher in die DigiWelt, um tausend Jahre zu herrschen!“ „Wie hinterlistig von dir, Ken“, stellte Deemon am Rand seines Blickfelds amüsiert fest. Megidramon war vielleicht ein klein wenig beeindruckt. Es war jung, eben geboren, vielleicht ließ es sich auch genauso leicht beeinflussen. Sobald es Druck spüren würde, würde es zuschnappen, das wusste er. Den Druck lieferte QueenChessmon sogar freiwillig. „Genug jetzt mit dem Palavern. Der Kaiser hat ein neues Haustier? Verschwinde, Megidramon. Man hat nie etwas von dir gehört, und man wird auch nie etwas von dir hören. Das stärkste Digimon? Dass ich nicht lache.“ „Halt dein Maul!“ Megidramon brüllte zornig. „Ich zerquetsche dich, du schmaler Wurm!“ „Mäßigt Euch, Megidramon“, versuchte es KingChessmon etwas höflicher. „Ihr steht hier vor dem edlen Königspaar der Schachfiguren, in unseren königlichen Hallen.“ „Diese Hallen gehörten bis vor kurzem noch mir“, warf Ken wie beiläufig ein. „Sie haben sie mir gestohlen. Diebe sind sie, kleine Diebe, nichts weiter. Aber verdammt dreist.“ „Verdammt dreist“, knurrte Megidramon. Es fühlte sich tatsächlich so an, als könnte er es beeinflussen … Ken wusste nicht, ob er das gut finden sollte. „Ihr wagt es?“, empörte sich KingChessmon. „So mit uns zu sprechen, also das ist … eines Kaisers ganz und gar unwürdig!“ Ken gestattete sich ein schmales Lächeln. „Wie Ihr selbst sagtet, nur andersherum. Man wird nie wieder etwas von Euch hören, noch von unserer Unterhaltung. Es sei denn, Ihr streckt nun endlich gütigerweise die Waffen.“ „Träumer“, zischte QueenChessmon. „Sag mir, Mensch.“ Megidramon schien ihn nicht Kaiser nennen zu wollen. „Du hast diese beiden herausgefordert, nur mit diesen Schwächlingen hinter dir?“ „Ja.“ „Und du dachtest trotzdem, dass du gewinnen kannst? Ich spüre, dass sie weit stärker sind als deine Digimon.“ „Ich weiß. Ja, ich kann gewinnen. Und ich werde. Ich muss die ganze DigiWelt erobern, und mir gehört erst die Hälfte. Mit Kleinvieh wie dem hier will ich mich nicht allzu lange abgeben.“ Wieder lachte Megidramon. Falls es ihn für verrückt hielt, imponierte es ihm ja vielleicht. „Du bist interessant, Mensch. Was denkst du, bin ich auch nur Kleinvieh für dich?“ „Ich würde dir nicht erlauben, mit mir zu sprechen, wärst du Kleinvieh. Ich würde dich knechten und in meine Dienste zwingen.“ „Aber das tust du nicht?“ „Nein.“ Nein, mein eitles Digimon. „Du bist jemand, der es wert ist, frei zu sein.“ Gleichwertig mit jemandem, der sich für den Herrscher über die ganze DigiWelt hält. Was sagst du? Megidramon fauchte und brüllte. Als es die Flügel spannte und die Chessmon in Verteidigungshaltung gingen, wusste Ken, dass er es doch geknechtet hatte. Sein Flügelschlag dröhnte wie ein Knall durch diese kalten Hallen. Megidramon stürzte sich mit Fängen und Klauen auf das Königspaar. Ken war sich nicht sicher, ob er es jetzt noch aufhalten konnte. Jemand würde sterben. Seinetwegen. Die PawnChessmon bildeten eine zitternde Barriere, die sogleich davongeweht wurde. Brüllend krachte Megidramon genau gegen QueenChessmon, das, ganz nach Schachfigurenart, als Dame den König schützte. Die Krallen des Drachenwesens schabten funkensprühend über den Stab, dann schleuderte ein gewaltiger Prankenhieb das Schachdigimon mit wehendem Umhang davon. Nach einem Salto landete es anmutig knapp unter der Empore auf den Stufen. „Schützt den König!“, rief es. Vielstimmige, hohe Kampfschreie ertönten, als die PawnChessmon sich ins Getümmel warfen, mit glühenden Schilden und Speeren voran. Megidramons peitschender Schwanz fegte die Hälfte von ihnen von den Füßen, während es sich KingChessmon widmete. Der König sammelte Energie in seinem Stab, ein Windhauch wehte durch die Halle und ließ seinen königlichen Umhang flattern. Megidramon schlug zu, die Krallen blitzten scharf in dem Licht auf – und sein ganzer rechter Arm wurde in einer gleißenden Lichtexplosion in Stücke gerissen. Datenfragmente wirbelten davon, keine Spur von den üblichen Hülsen, die Schwarze Türme erzeugten. Schmerzerfüllt brüllend packte Megidramon mit der linken Hand KingChessmons Hals, grub die Krallen tief in seine glänzende Panzerung. Die PawnChessmon schlugen und stachen hinterrücks auf es ein. Ken gab seinen Schwarzturmdigimon den Befehl, Megidramon zu helfen, doch es war gar nicht notwendig. Megidramon metzelte sich allein durch die Horde von Feinden. Sein Schwanz pflügte peitschend durch die Reihen der Plagegeister, und der Speichel, den es bei seinen unmenschlichen Schreien versprühte, reichte, um die Rookie-Digimon sich hinter ihren Schilden verstecken zu lassen. Nacheinander wurden die PawnChessmon gegen die Wände geschleudert, so heftig, dass der Aufprall allein sie in Daten auflöste. Ken sah dem Wüten seines Mega-Digimons mit wachsender Übelkeit zu. Es war die brachiale Gewalt, die ihn erschreckte, das gnadenlose Töten … Und er hatte dieses Monster erschaffen. Megidramon schlug mit den Flügeln, peitschte mit seinem Schwanz auf das heranstürmende QueenChessmon, das den Schlag mit seinem Stab abwehrte, dann rauschte der Drache zu einer der Saalwände und stieß das in seinem Griff zappelnde KingChessmon im Flug mit voller Wucht dagegen. Ken spürte die Erschütterung, die die beiden Megalevel-Digimon verursachten, bis hierher. Falls KingChessmon etwas wie ein Genick hatte, musste es in diesem Augenblick brechen. Datensplitter glitzerten kurz in der Dunkelheit, dann überdeckte das Steinmehl sie, das von der Decke rieselte. Wo KingChessmon gegen die Wand geschlagen war, tat sich ein Krater von einem guten halben Meter Tiefe auf. Risse wanderten knirschend und berstend die Steinwand hoch – und dann krachten Tonnen von Gestein auf den König der Schachfiguren, als Megidramon ihn losließ und zurückschnellte. Ken glaubte nicht, dass der Steinschlag KingChessmon getötet hatte, also mussten es doch Megidramons Krallen gewesen sein: Von dem Schutthaufen stiegen eindeutig Datenreste auf. „Kapituliert, QueenChessmon!“, rief Ken, doch so laut er auch war, Megidramons Brüllen und QueenChessmons Schrei übertönten ihn. Die Königin stürmte auf Megidramon zu, das sich ihr erst zuwenden musste. Ein Sprung – und die goldene Spitze ihres Stabes bohrte sich knirschend in die Brustplatte des Drachendigimons und trat an seinem Rücken wieder aus. Digimonblut spritzte auf den hellen Steinboden, und ebenso ätzend wie Megidramons Speichel fraß es dort dampfend Löcher. Megidramon röhrte auf, lauter als je zuvor. Der Drache war durchbohrt. Aber noch fiel er nicht. Knurrend riss Megidramon das Maul auf, wie eine Giftschlange zuckte sein Kopf nach unten, packte QueenChessmons Oberkörper, und ehe das Schachfigurendigimon den Stab loslassen oder auch nur schreien konnte, wurde es von den gewaltigen Drachenkiefern zermalmt. Ken hielt den Atem an. Megidramon wankte, als der Stab in seiner Brust sich mitsamt einer Besitzerin in Daten auflöste. Mit einem schweren Klatschen landete es auf dem Saalboden. Bis auf seine tiefen, röchelnden Atemzüge kehrte Stille in der Halle ein. Es war vorbei. Ken trat mit Schritten, die unnatürlich laut widerhallten, wie es ihm vorkam, zu Megidramon. Er war es ihm schuldig. Vielleicht war es sogar am besten, wenn das Schwarzturmdigimon mit der Seele jetzt starb, aber er fühlte dennoch einen Kloß im Hals. Was habe ich nur wieder getan … In der Halle lebte bis auf ihn, Wormmon und Arukenimon niemand mehr. Seine Schwarzturmdigimon zählten nicht. Megidramon grollte, als es Ken sah, doch er wich nicht zurück. Schweigend stellte er sich neben seinen Kopf. Ausgehend von seiner Brust löste es sich in Daten auf, langsam, aber unaufhaltsam. „Ich war wohl … doch nicht das Stärkste …“, entfloh Megidramons Kehle ein schwaches Zischen. „Oh doch, das warst du. Die größten Helden sterben früh. Und du hast womöglich die ganze DigiWelt gerettet.“ Megidramon versuchte wieder sein unheimliches Lachen, doch es ertönte nur als Krächzen. „Sag mir nur eins, Mensch … eine Antwort.“ Ken schwieg wartend. Megidramon hob den Kopf und sah ihn aus glühenden Augen an. „Warum?“ Er wusste, dass es den Grund seiner Geburt, nicht seines Todes wissen wollte. Er beschloss, ihm die Wahrheit zu sagen. „Es hätte viel gegeben, was ich dir hätte erklären wollen. Diese Welt wird im Moment von einem großen Übel heimgesucht. Etwas, das alle Welten, die es gibt, zerstören kann. Es ist meine Aufgabe, es aufzuhalten, und deswegen muss ich der mächtigste Herrscher der DigiWelt werden. Du wurdest geboren, um ein abscheuliches Wesen von seinen Plänen abzubringen, Megidramon.“ Es schnaubte. Ken vermochte nicht zu sagen, ob es ihm glaubte. „Dann sieh zu, dass du kein Held wirst, Mensch“, grollte es dann. „Helden sterben früh, hast du gesagt.“ Und damit zerbarst der Rest seines Körpers. Ehe er es gemerkt hatte, waren Tränen in Kens Augen gestiegen. Es war geradezu lächerlich, jetzt zu weinen, nach all den Opfern, die dieser Krieg bereits gefordert hatte. Er hatte recht gehabt – Megidramon hatte eine Seele besessen, genau wie BlackWarGreymon. „Nie wieder“, murmelte er und hoffte, dass Arukenimon ihn hörte. Das Spinnendigimon war an seine Seite getreten. „Du wolltest es so.“ Er nickte und drehte sich mit einem Ruck um. Zärtlich hob er Wormmon auf und streichelte ihm über den Kopf. „Gehen wir, Wormmon.“ Einen letzten Blick warf er auf die Stelle zurück, an der Megidramon gestorben war. Damals waren sie alle über BlackWarGreymons Tod bestürzt gewesen. Was würde Kari sagen, wüsste sie, was er getan hatte? Sie hatte von ihnen allen immer am meisten Mitleid, mit Freunden wie Feinden. Er war froh, dass nie jemand davon erfahren würde. Wenigstens war es nun vorbei. „Du hast es also wirklich geschafft, meine beiden Königsdigimon zu besiegen?“ Ken fuhr wie von der Tarantel gestochen herum. Plötzlich klopfte sein Herz bis zum Hals. Diese Stimme … Jemand trat aus einer Nische, im linken Bereich der Halle, eine kleine Gestalt … Hatte sie den ganzen Kampf beobachtet? Als sie aus den Schatten trat und Ken ihr ins Gesicht sehen konnte, erstarrte er zur Salzsäule. Unmöglich, das kann nicht sein … Sein DigimonKaiser-Mantel schien plötzlich Tonnen zu wiegen, die Brille brannte auf seiner Nase. Wormmon entglitt seinen Händen und landete geschickt am Boden. Der Junge maß ihn mit nachdenklichem Blick. „Du warst ziemlich kalt. Ich habe dich anders in Erinnerung gehabt, kleiner Bruder.“ Kens Gedanken schlugen Purzelbäume. Sammy …   You’ve reached the top, you sit on your throne You’re going down and you’re going alone I gave you love – I give you hate And when your darkness fades away I gave you hope – I give you pain You better run (Primal Fear – King For A Day) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)