New Reign von UrrSharrador (Wie Game of Thrones, nur mit Digimon. [Video-Opening online]) ================================================================================ Kapitel 58: Alle Zeichen auf Angriff ------------------------------------ Tag 145   „Ich habe mir gedacht, dass du überrascht bist.“ Sammy trat näher. „Ich bin es auch.“ Die Zeit schien still zu stehen, gefroren in einem Eiskristall, so kalt war Ken plötzlich. Sammy und er, er und Sammy … Plötzlich stand er wieder neben ihm auf dem Balkon und pustete Seifenblasen. Denn genau so sah Sammy aus: wie in seiner Kindheit, um keinen Tag gealtert, der große Bruder, der nie älter werden sollte … „Wie kann das sein?“, hauchte er. Sammy lächelte nur. Stattdessen schaltete sich jemand ein, den Ken in diesem Schockmoment fast vergessen hatte und den er einfach nicht dabei haben wollte, nicht in dieser Szene, in diesem Wiedersehen der Brüder. „Wie findest du meine Überraschung, Ken? Ist dein Tatendrang verschwunden?“ Deemon hatte noch nie so amüsiert geklungen … Du hast das alles eingefädelt?, fragte er überflüssigerweise. Er betrachtete Sammys graue Silhouette und schüttelte langsam den Kopf. Es ist unmöglich … „Natürlich“, sagte Deemon hämisch. „Ich kann dich verstehen, kleiner Bruder“, sagte Sammy leise. Er klang auch noch genauso wie damals, und trotzdem seltsam fremd in dieser kalten, weiten Halle. „Ich verstehe dich sehr gut. Ich weiß, warum du das alles tust.“ Er sah sich um. „Die DigiWelt ist schon ein seltsamer Ort, nicht wahr? Man trifft hier die seltsamsten Wesen.“ „… und verloren geglaubte Brüder“, fügte Deemon hinzu. Dieses Fortführen von Sammys Satz, das es wirken ließ, als spräche sein Bruder, was Deemon ihm einflüsterte, zerstörte etwas in Ken. Sei ruhig!, befahl er. All die vereisten Gefühle brachen nun an die Oberfläche. Das Eis schmolz nicht, es zersplitterte, scharf und schmerzhaft. „Sammy! Wie kannst du noch leben? Wir haben dich begraben! Du bist tot! Es ist über neun Jahre her! Was geht hier vor? Du kannst es nicht sein!“ „Musst du darauf herumreiten?“ Sammy schien plötzlich schlecht gelaunt, gar traurig. „Sehe ich tot aus für dich?“ „Aber du … Der Unfall …“ „Ich weiß, was damals passiert ist!“, fiel er Ken gereizt ins Wort. „Ich bin gestorben, ja! Freust du dich kein bisschen, dass du mich wiedersiehst?“ Ken war sprachlos. Ihm war nach Heulen zumute – und gleichzeitig nach Lachen. Hysterischem Lachen. Er tat einen Schritt auf seinen Bruder zu, nur um unschlüssig wieder stehen zu bleiben. „Warte, Ken“, wisperte Wormmon neben ihm. „Da stimmt doch was nicht, er ist sicher nicht auf unserer Seite.“ Er ist mein Bruder, hätte er fast gesagt. Doch er schwieg. Sammy blickte auf Wormmon hinab. „Dein Digimon?“, fragte er. „Da fällt mir ein, du hast etwas, das mir gehört.“ Er hielt die Hand auf. „Was?“ Ken war immer noch zu schockiert, um einen klaren Gedanken zu fassen. „Mein DigiVice“, sagte Sammy mit Nachdruck. „Ich hab gehört, dass du es irgendwie verdorben hast, aber es gehört mir.“ Ken schluckte. „Tut mir leid“, sagte er traurig. Das DigiVice hing schwer von Erinnerungen an seinem Gürtel. „Es war schon immer meins.“ „Lüg nicht!“ Sammy klang zornig. „Du musst dir ja sehr gewünscht haben, dass ich sterbe. Und du hast es voll ausgenutzt.“ „Was redest du da überhaupt?“ Ken wollte seine Worte mit einem Lachen untermalen, doch es klang nervös und unecht. Schließlich hatte Sammy in der Tat recht. Ken hatte sich seinen Tod gewünscht, in seinen dunkelsten Stunden als kleiner Junge. „Du hast dir alles unter den Nagel gerissen, oder? Mein DigiVice, unsere Eltern. Die DigiWelt, die ich hätte bekommen sollen! Sogar mein Aussehen hast du dir von mir gekrallt – was hast du eigentlich je von alleine getan?“ „Nein“, murmelte Ken weinerlich, aber vor diesem Gespenst der Vergangenheit konnte er nicht stark sein, keine Anschuldigungen zurückweisen. Er war wieder der kleine Junge, der er gewesen war, als Sammy noch lebte. „Sammy, du …“ „Jetzt hör mal zu“, sagte plötzlich Wormmon und stellte sich zwischen sie. Ken war nicht minder überrascht als Sammy. „Ken ist mein Partner und deswegen gehört ihm auch das DigiVice! Er ist der Einzige, ihm war es immer vorherbestimmt, weil ich nämlich immer auf ihn gewartet habe! Außerdem lasse ich nicht zu, dass du ihm das alles unterstellst, Ken ist nämlich der freundlichste Mensch, den ich kenne!“ Sammys Blicke wurde seltsamerweise weich, dann aber trübselig. „Der freundliche Mensch, der eben meine Digimon-Partner getötet hat?“ „Das waren deine ...?“ Ken hielt es nicht länger aus. Deemon! Sag mir sofort, was hier gespielt wird! „Ist das nicht offensichtlich? Sammy ist der Anführer der Schachfiguren. KingChessmon und QueenChessmon haben seinen Befehlen gehorcht.“ Das meine ich nicht! Wie kann er noch leben? Wie kann er hier sein? Dass Deemon keine Türme verlangte, war wohl nur bezeichnend dafür, dass es Ken in seiner Falle glaube. Und da Schlimme war: Da hatte es recht. Er fühlte sich so schlaff und müde wie noch nie. „Du hast doch selbst bemerkt, dass in diesem Spiel auch Tote wieder mitspielen, Ken.“ Digimon! Du hast Zeit und Raum verändert, um Digimon zurückzuholen! Aber Sammy war nie in der DigiWelt! Deemon lachte leise. „Bist du da sicher, Ken?“ Ken starrte seinen Bruder an. „Ist da wahr?“, flüsterte er. „Du warst schon mal hier?“ „Natürlich“, sagte Sammy ernst. „Du hast mich schließlich hergebracht, kleiner Bruder.“ In Kens Gehirn drehte sich alles. Wurde er verrückt? Er war zu Sammys Lebzeiten doch nur einmal in der DigiWelt gewesen! Er und Wormmon hatten ihr erstes gemeinsames Abenteuer erlebt, danach hatte Sammy ihn ausgeschimpft und das DigiVice weggesperrt! „Du weißt immer noch zu wenig über die DigiWelt, Ken“, spottete Deemon, „und über die Saat der Finsternis.“ Was soll das heißen? Was hat die Saat mit Sammy zu tun? „Warum fragst du das nicht einfach das Digimon hinter dir?“ Arukenimon? Ken wandte sich zu der Spinnenfrau um. Sie stand seltsam teilnahmslos da, aber hinter ihrer Sonnenbrille konnte sich durchaus Überraschung oder Unbehagen verstecken. Ich will es von dir wissen. Du bist mein Gegner, du kennst die Regeln. „Wie du willst.“ Deemons Umrisse erschienen so nahe neben Sammy, dass Ken ganz unwohl zumute war. Der Schatten flackerte triumphierend. „Warum, glaubst du, erhöht die Saat der Finsternis die geistigen und körperlichen Fähigkeiten? Warum konntest du deinen Bruder in der DigiWelt nachahmen, seine Talente, sogar sein Aussehen?“ Weil ich es mir unbewusst gewünscht habe. „Aber damit es funktionierte, brauchte die Saat einen Prototypen, etwas, aufgrund dessen sie ihre Eigenschaften manifestieren konnte. Kommt es dir nicht seltsam vor, Ken? Die Saat fliegt frei in der DigiWelt, wirkt aber nur auf Menschen? Wie sollte sie zu euch kompatibel sein, wenn sie nie zuvor auf einen Menschen getroffen hat?“ Aber Sammy war doch nie … „Als dich die Saat infizierte, hat sie in dein Inneres geschaut. Sie analysierte deine Wünsche, deine Ziele, deine Ängste, deine Vergangenheit, deine Erinnerungen. Was sie darin fand, war Sammy. Du selbst hast ihn mit dir gebracht, Ken. Die Saat entwickelte ihre Wirkung aufgrund des Echos, das er stets in deinen Gedanken hinterlässt. Und die Saat analysierte sehr gründlich, dieselbe Saat, die dein Freund Oikawa später den anderen Kindern einpflanzte. Hattest du als DigimonKaiser nicht völlig vergessen, dass du je einen Bruder hattest? Das war keine Verdrängung. Die Saat in dir hat Sammys Erinnerungen analysiert, um sich weiterzuentwickeln. Über die Jahre entwickelte sie ein immer genaueres Abbild von ihm, auf Basis realer Datenmengen. In der DigiWelt ist es nicht schwierig, aus Information Materie zu erschaffen. Es war mir ein Leichtes, Sammy aus dem Speicher der Saat der anderen Kinder zu rekonstruieren.“ Dann ist er nur ein … Abbild? „Er ist so real, wie er sein kann. Genau so, wie du ihn in Erinnerung hast, nicht wahr? Realer geht es nicht. Frohlocke, Ken! Ich habe deinen Bruder wiederauferstehen lassen!“ Deemon lachte, noch nie hatte es so triumphierend gelacht. Ken betrachtete Sammy ungläubig. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte, wusste nicht mal, was er eigentlich tun wollte. Ihn umarmen? Ihm erzählen, wie es seiner Familie bisher ergangen war? Ihn ausfragen, über Dinge von damals, über das, was er über die DigiWelt wusste? Ihm von Deemons Spiel erzählen, von seinem Ziel? Etwas hielt ihn davon ab, eine böse Vorahnung. Wenn Deemon ihn wiederbelebt hatte … dann war er kein Freund. „Und jetzt?“, fragte er unsicher. „Jetzt“, erklärte Sammy, „wirst du dieses hirnrissige Spiel aufgeben und mir zurückgeben, was eigentlich mir gehört.“ Ken überlief es eiskalt. Er wusste davon! Natürlich wusste er davon, Deemon hatte ihn sicher über alle Einzelheiten seines Spiels unterrichtet. „Das kann ich nicht“, sagte er mit belegter Stimme. „Wenn ich aufgebe, wird die DigiWelt untergehen.“ „Ich weiß. Deemon hat mir die Regeln erklärt. Darum sollst du auch das Feld räumen“, sagte Sammy mit Nachdruck. „Wir wissen beide, wer der Fähigere von uns ist. Ich kann die DigiWelt eher retten als du. Gib mir mein DigiVice, ich brauche es, um Schwarze Türme zu bauen.“ Ken biss die Zähne zusammen. Was hast du ihm erzählt? „Dasselbe wie dir. Die Wahrheit.“ Deemon amüsierte sich köstlich. „Wolltest du nicht immer einen Mitstreiter mit denselben Zielen?“ „Ich warte“, sagte Sammy. „Du hast anscheinend nicht lange gebraucht, um dir mein DigiVice zu schnappen, als ich nicht mehr da war. Aber jetzt fordere ich mein Eigentum zurück!“ „Vergiss es!“, rief Wormmon, das Kens Unterhaltung mit Deemon natürlich nicht gehört hatte. „Ken wird es dir niemals geben, nicht wahr?“ „Ich … ich weiß nicht.“ Er wusste gar nichts mehr. Als er Wormmon ansah, fiel sein Blick wieder auf die Zerstörung im Thronsaal. Sammy wäre intelligent genug, um auch Teufelsspiralen zu erfinden … Er war der bessere Kandidat für dieses Spiel. „Das kann doch nicht dein Ernst sein!“ Wormmon war tatsächlich wütend auf ihn. „Wofür hast du denn die ganze Zeit so hart gekämpft, wenn du jetzt einfach aufgibst? Er ist ein Spielstein von Deemon, vergiss das nicht!“ „Nein …“, murmelte Ken. „Er ist ein Spieler, wie ich.“ Sammy nickte. „Die Türme müssten weiterhin funktionieren, wenn du mir das DigiVice gibst“, sagte er. „Ich hab bereits alles durchgerechnet. Wenn ich dein Reich bekomme, habe ich Deemon in spätestens drei Wochen besiegt. Und das, ohne Digimon mit einer Seele nur für den Kampf zu erschaffen und sterben zu lassen.“ Er klang gar nicht hämisch oder verächtlich. Es war, als bedauerte er Ken vor allem. „Ken!“, rief Wormmon. Ken fuhr zusammen. Er hatte bereits nach seinem DigiVice getastet. Das kleine Digimon wandte sich um zu Arukenimon. „Tu etwas! Wir müssen Ken von ihm fortbringen!“ Die Spinnenfrau zuckte zusammen. „Natürlich.“ Sammy verzog das Gesicht, als sie sich verwandelte und Ken mit kräftigen Armen packte und hochhob. „Lass mich“, schrie er. „Er ist mein Bruder, wieso …“ „Bist du so blöd oder tust du nur so?“, fragte Arukenimon. „Er ist ein Feind. Ob Spieler oder nicht, du hast geschworen, Deemon eigenhändig zu vernichten, oder?“ „Aber er ist dafür besser geeignet!“ Ken versuchte sich zu befreien, doch Arukenimon zerrte ihn auf Spinnenbeinen fort. „Jetzt hör mir mal zu!“ Wormmon sprang auf seine Brust, mit entschlossenem Blick. „Glaubst du das wirklich? Glaubst du immer noch, dass du Sammy so sehr unterlegen bist? Du hast so lange, so tapfer und so erfolgreich gekämpft! Gib das nicht auf! Du kannst auch alleine gewinnen, wer weiß, was Deemon ihm noch alles eingeflüstert hat!“ „Sammy würde keine Digimon mit Seelen erschaffen“, war Ken überzeugt. „Er könnte den Krieg mit wesentlich weniger Opfern gewinnen!“ Arukenimon schnalzte verärgert mit der Zunge. „Du lässt mir keine Wahl. Schnappt ihn euch!“ Der Befehl galt Kens Schwarzturmdigimon, deren Anwesenheit, schweigsam wie sie waren, er beinahe vergessen hatte. MetallMamemon, Troopmon, Commandramon, Mekanorimon – sie alle eröffneten plötzlich das Feuer auf Sammy. „Nein!“, brüllte Ken und streckte die Hand nach seinem Bruder aus, doch sein Ruf kam zu spät. Ein weißer Schatten flog aus der Nische, in der sich Sammy versteckt hatte, und riss ihn mit sich. Die Kugeln und Laserstrahlen perforierten die Wandsäule, schlugen Risse und Staub heraus, nachdem sie es eigentlich auf Sammys Blut abgesehen hatten … Ken sah gerade noch, wie das KnightChessmon mit Sammy in den Armen durch den großen Torbogen aus dem Saal ritt. Arukenimon gab ein abfälliges Geräusch von sich, und Ken gelang es plötzlich, sich zu befreien. „Bist du verrückt? Seid ihr alle verrück?“, schrie er und musste sich beherrschen, nicht auf das Digimon einzuprügeln. Arukenimon packte ihn grob an den Schultern. „Hör mal zu, du!“, spie es ihm entgegen. „Wir tun hier die ganze Zeit nichts anderes, als dir zu helfen, dein dämliches Spiel zu gewinnen, und du wirfst so mir nichts, dir nichts dein Handtuch für einen Geist?“ „Aber … Aber ich …“ Ken fühlte sich immer noch wie ein kleines Kind, jünger als Sammy. Seine Glieder verließ alle Kraft und er sank zu Boden. Tränen füllten seine Augen. „Ich kann doch nicht … Ich kann doch nicht gegen Sammy kämpfen!“ „Ich weiß“, flüsterte Deemon selbstzufrieden in seinem Kopf. „Habe ich nicht gesagt, mein nächster Zug würde dich zermalmen?“ Ken weinte stumm auf dem Hallenboden, und nicht einmal Wormmon konnte ihn trösten.     Tag 146   Joe wachte an jenem Morgen früh auf – wobei, konnte man es überhaupt Aufwachen nennen, wenn der Schlaf so unruhig gewesen war, dass die Gedanken zwischen Traum und Wachen hin und her geflimmert waren? Es war nicht mehr so dunkel vor dem Fenster seiner Kammer wie beim letzten Mal, als er hinausgesehen hatte. Er fürchtete diesen Morgen und gleichzeitig sehnte er ihn sich herbei. Seufzend setzte er sich in seinem Bett auf und atmete tief durch. Er unterdrückte den Drang, Tai und Izzy aufzusuchen. Die beiden waren sicher auch schon auf den Beinen, aber sie hatten ihm zu verstehen gegeben, dass sie heute unter sich bleiben wollten. Niemand sollte sie an diesem Tag stören, schon gar kein besorgter Zuverlässiger. Joe schauderte. Er konnte sich bildlich vorstellen, wie diese beiden Jungen, der Drachenritter und der Generaloperator der Wissens-Armee, sich vor dem Rechnerraum trafen und einander entschlossen zunickten. Die Frist, die sie dem Norden gesetzt hatten, war abgelaufen. Die fünf Tage waren vorbei.     Mummymon streckte seine Beine auf der Metallbank aus. Es hasste Kasernen. Vor allem verwaiste Kasernen, in denen es kaum Digimon gab. Ein paar extrem schweigsame Schwarzring-Gekomon, die ihnen Essen brachten, ansonsten warteten sie nur auf Neuigkeiten aus der Quarantäne. Es war früher Morgen, leichter Dunst hing über den Ausläufern der Stadt, der Himmel war noch mehr grau als blau. Mummymon hatte die graue Szenerie satt. Romantische Zweisamkeit mit Arukenimon inmitten schönerer Landschaften, das war, was es jetzt brauchte! Gerade malte es sich die schönsten Bilder aus, als es die Signaltöne hörte. Überall in der Nähe blinkte und tutete es, als sich einige der Truppentransporttunnel öffneten. Digimon stiegen über der Stadt auf, Mummymon sah sie wie kleine Insekten im Dunstschleier summen. Es sprang auf und rief nach den Airdramon. War etwas geschehen? Die geflügelten Schlangen landeten neben ihm, kurz bevor Gekomon, RedVeggiemon und einige andere Digimon, die Mummymon als die Stadtbesatzung erkannte, durch die Truppentunnel kamen. Die Insekten – Mothmon, wie es erkannte – hielten ebenfalls auf den Stadtrand zu. Ehe Mummymon eine Frage stellen konnte, sah es Kabuterimon hinter den anderen Digimon – und es digitierte. Als ein riesiges, rotes MegaKabuterimon sich vor ihm aufbaute, wusste Mummymon Bescheid. „Angriff!“, brüllte es und verwandelte sich selbst, packte sein Gewehr mit beiden Armen. Obwohl die meisten Schwarze Ringe trugen und die Umrisse des Schwarzen Turms im Stadtzentrum noch zu sehen waren, griffen die Digimon seine Airdramon an. „Aha!“, rief Mummymon aus, dem sich MegaKabuterimon zuwandte. „Ich wusste doch, dass du mir irgendwie bekannt vorkommst!“ Eine blitzende Lichtschlange verließ den Lauf seiner Waffe und zog eine ausgefranste Spur über den Panzer des riesigen Käferdigimons, das jedoch zu riesig war, um es wirklich zu verletzen. MegaKabuterimon bückte sich, und ein zackiger Energiestrahl züngelte aus seinem streitaxtförmigen Horn. Mummymon stieß eine Mischung aus Schrei und Fluch aus, als der Hornschlag in den Asphalt zu seinen Füßen einschlug und die Druckwelle es Dutzende Meter weit in die Luft katapultierte. Die Asphaltstraßen rasten unter ihm vorbei, verschwammen mit den nahen Bäumen, und ehe Mummymon landete, hatte es das Bewusstsein verloren.     Auf Großadmiral MegaSeadramon wirkte es so, als hätte die feindliche Flotte sie gejagt, was doch wohl ein Himmelfahrtskommando war. Wer wollte es bitte mit seiner Seadramon-Flotte aufnehmen? Den Angriff konnte es mehr oder weniger verstehen. Viel Hass hatte sich in allen möglichen Teilen der DigiWelt gegen das Kaiserreich angesammelt. Was ihm weniger einleuchtete, war die Wahl des Schlachtfelds: Sie waren etliche Seemeilen vom Festland entfernt, in der Nähe des Dunklen Strudels, bei dem MegaSeadramon den alten Großadmiral MarineDevimon getötet und seine traumhafte Beförderung erhalten hatte. Hier war weit und breit nichts, worum man kämpfen müsste. Aber wenn die anderen es so wollten, sollte es so sein. MegaSeadramon durchstieß die Wasseroberfläche und bäumte sich mit einem majestätischen Brüllen auf. Hinter ihm schossen seine Untergebenen durch die aufgepeitschten Wellen und röhrten ebenfalls. Einschüchternd groß musste es auf die feindlichen Digimon wirken, die eher wie verirrte, graue Eisschollen aussahen. „Wer wagt es, mich herauszufordern?“, verlangte es dröhnend zu wissen. Keine Attacken waren bisher ausgetauscht worden, doch die fremden Digimon waren ihnen gefolgt und hatten versucht, sie einzukreisen. Das schrie nach Rache! An Deck des vordersten und größten rochenartigen Mantaraymon stand eine einzelne Gestalt, die stark nach Anführer roch. MegaSeadramon beugte sich grimmig und drohend über sie. Das Digimon war fast winzig. Blaues Haar stach über einem Stirnband hervor, das seine Augen verdeckte, darunter war ein Vogelschnabel zu sehen. Ansonsten sah es fast menschlich aus und war in elegante, weiße Kleidung und einen edlen roten Umhang gekleidet. „Wer bist du, dass du dich gegen Großadmiral MegaSeadramon stellst?“, brüllte es dem Digimon entgegen. „Admiral Shaujinmon von der Konföderation zur Wahrung des Wissens der DigiWelt“, sagte der Wicht formell. „Ich habe Befugnis, euch vom Meer zu tilgen.“ MegaSeadramon lachte noch, als die Mantaraymon ihren Angriff begannen – und nicht nur sie. Aus der Tiefe schnellten Tylomon und verbissen sich in die tapferen Seadramon. Diese wiederum stürzten sich kampfeswütig ins Getümmel, spien Eis auf ihre Feinde und froren ganze Wellen ein, die sich daraufhin in tödliche Stacheln verwandelten. Shaujinmon und sein Rochen tauchten, wie um MegaSeadramon zu entkommen. „Nicht so hastig“, grollte es, sammelte Energie in seinem gekrümmten Horn und schleuderte dem dreisten Digimon einen Lichtstrahl hinterher, der Wasser und Eis zerschnitt. Dann tauchte es und folgte dem Mantaraymon blitzschnell. Unter Wasser offenbarte sich ihm erst das wahre Ausmaß der Seeschlacht. Tylomon und Seadramon machten beide Gebrauch von ihren Zähnen, umkreisten sich und verkeilten sich ineinander, wanden sich, als wären sie alle miteinander ein einziger, zuckender Körper. Die Mantaraymon vergrößerten das Chaos noch durch überraschende Stromschläge, aber für MegaSeadramon gab es keinen Zweifel am Ausgang dieses Kampfes. Für Shaujinmon auch nicht, wie es aussah. Als sie durch schäumendes Wasser wieder die Oberfläche erreichte, kniete es auf seinem Mantaraymon und sprach in ein Gerät auf seinem Handgelenk, das entfernt an das erinnerte, das MegaSeadramon schon mal beim DigimonKaiser gesehen hatte. „Feindliche Flotte abgefangen“, sagte es gegen das Tosen der Wellen und den brüllenden Kampf. „Kräfteverhältnis unausgeglichen. Erbitte sofortige Verstärkung.“ „Bettel um Hilfe, soviel du willst!“, fauchte MegaSeadramon triumphierend und schoss einen weiteren Lichtstrahl ab. Shaujinmon wehrte ihn blitzschnell mit seinem Kampfstab ab. Es war gut, dieses Digimon, und verflixt schnell: Plötzlich stieß es sich ab, schnellte über MegaSeadramons Kopf. Die Sichel an seiner Stabwaffe pflügte durch die schuppige Haut an seinem Hals, nicht tief, aber es schmerzte. Während sich MegaSeadramon noch herumwarf, um Shaujinmon wieder ins Visier zu nehmen, war es schon auf einem anderen Mantaraymon gelandet, stieß den Stab in die Wellen und peitschte allein damit eine regelrechte Wasserwand auf, die MegaSeadramon die Sicht nahm. Als das Wasser wieder ins Meer zurückgekehrt war, sah der Großadmiral bereits die feindliche Verstärkung herannahmen: Zwei Gigadramon flogen nah am Himmel, öffneten ihren Kanonenrohre und ließen Raketensalven auf die Seadramon niedergehen, deren Feinde sofort von ihnen abließen. Fauchend lösten sich mehrere von ihnen auf. Zornig tauchte MegaSeadramon wieder. Verflucht nochmal, es hasste arrogante, fliegende Digimon!     Die Tankmon auf der Klippe taten das, was sie seit Wochen taten. Wind und Regen, großen Brechern und Gischt trotzend, sicherten sie das Reich des DigimonKaisers gegen Angriffe vom Meer her ab. Eine halbe Meile weiter nördlich erhob sich wie ein mahnender Finger der große Ölbohrturm, der in den frühen Phasen des Krieges heiß umkämpft gewesen war. Die neue Besatzung war vergleichsweise mickrig, aber es gab für feindliche Truppen nur mehr den Seeweg, um an ihn heranzukommen. Dachten die Digimon dort zumindest. Der Angriff kam plötzlich und mit brachialer Härte. Jemand war nicht von der See her geschickt worden, sondern zu der See, um am Rand des großen Wassers alles in Flammen aufgehen zu lassen. Von hinten trafen Attacken die Tankmon, die erst wenden mussten, um sich ihren neuen Feinden zu stellen – und so gut koordiniert, wie der Angriff war, hatten sie kaum eine Gelegenheit dazu. Dabei waren ihre Feinde keine ausgemachten Krieger: Die meisten waren Insektendigimon, vor allem Searchmon, die auf die Maschinendigimon kletterten und sich durch ihren Panzer fraßen. Flinke Mothmon mit ihren Gatling-Kanonen konnten nicht viel gegen die Tankmon ausrichten, lenkten sie aber lange genug ab, bis es weiteren Champion-Digimon aus der Voxel-Stadt gelang, sie zu zerstören oder ins Meer zu stoßen. Der gewaltige Blitz aus dem Horn eines MegaKabuterimons fällte schließlich den Bohrturm und ließ die Soldaten darin schreiend ins Freie laufen. Die Angreifer machten sogar Gefangene: Es dauerte nicht lange, da waren die freiwilligen Streiter des DigimonKaisers von Gatlingrohren umzingelt, und seine Sklaven wurden von ihren Ringen befreit. Dann entdeckten die Kriegsgefangenen den dunklen Schwarm, der den Himmel über dem Ozean bedeckte. Zwei schlangenartige Gigadramon erreichten das Festland als Erstes, aber nach kurzem Wortwechsel mit MegaKabuterimon flogen sie wieder auf die offene See hinaus. Danach kam ein ganzes Bataillon aus Mekanorimon und Guardromon, die eine weite Strecke geflogen sein mussten. Als sie Zeuge dieser Invasion wurden, wussten die Digimon des Kaisers, dass die Wissens-Armee endlich ihren Zug gemacht hatte.     „Die Küste ist direkt über uns“, meldete die sanfte Stimme des Whamons. „Das wird auch endlich Zeit!“, rief Yolei und stieß ihren Finger in die Höhe. „Fertigmachen zum Auftauchen!“ „Wartet, Yolei, wir liegen etwas vor der Zeit …“, meinte Michael zaghaft. Er saß vor seinem Laptop und war irgendwie mit Whamons Innereien verkabelt. „Ach was, das macht doch nichts. Whamon, los!“ Yolei verstand nicht, warum er sich so genau an einen Zeitplan halten wollte. Sie waren ein paar Meilen entfernt von anderen Kampfherden, und sie konnte es nicht erwarte, die Gesichter der Gekomon zu sehen, wenn sie sie befreien kamen. Und keine Frage: Natürlich hatte sie das nach Fisch stinkende Innere des Whamons satt. Mimi hatte sich längst an die Unannehmlichkeiten der Reise gewöhnt, aber gewiss hatte auch sie nichts gegen etwas Frischluft einzuwenden. Palmon war zu Lillymon digitiert und Hawkmon zu Aquilamon. Sie würden jedoch beide in Mimis Nähe bleiben, zumindest solange die Türme des DigimonKaisers standen. Hätte Yolei nur ihre ArmorEier noch … So würde Yasyamon mit ihr den Angriff anführen. Whamon hörte auf sie und nicht auf Michael, wie sie zufrieden feststellte. Der Ritter schnalzte ärgerlich mit der Zunge, als das Digimon auftauchte. Das gewaltige Maul öffnete sich und die Rebellen, die sich auf der dicken, warzigen Zunge versammelt hatten, schlossen geblendet die Augen. „Angriff!“, rief Yolei, obwohl sie noch nichts sah. Sie hatten auch keine Zeit zu verlieren. Das Maul war nur einen Spalt geöffnet gewesen, als die erste Erschütterung zu spüren gewesen war. Nun sausten längst Geschosse in Whamons Rachen und ließen das Digimon erbeben. Die Ninjamon waren als Erstes kampfbereit. Ihre Wurfsterne sausten zwischen den Zahnreihen ihres Transportdigimons hindurch. Draußen wurden Schreie laut. Mushroomon schleuderten Pilze, die draußen im Licht zu verpuffen schienen. Ihren Degen in der Hand, stürmte Yolei mit einem Kampfschrei nach draußen, dicht neben Yasyamon. „Yolei, mach keine Dummheiten!“, warnte Aquilamon. „Du kennst mich doch!“, rief sie gut gelaunt zurück und wusste, dass es tadelnd den Kopf schüttelte. Sie wusste nicht, woher ihre plötzliche Energie kam. Sie fühlte sich, als müsste sie bald bersten. Nur die Ninjamon waren vor ihr, als sie über den Felsenstrand auf die feindlichen Stellungen zuliefen. Wo das Geröll in eine sanfte Graslandschaft überging, standen Aussichtsposten aus Bambus, aus denen sie erschrockene Kotemon anglotzten. Aber auch stärkere Geschütze des DigimonKaisers gab es hier. Die nächsten Klippen waren weit entfernt und nur als Schemen im leichten Nebel dieses Vormittags zu sehen; dennoch gab es einige Felsvorsprünge und natürliche Erhebungen hier, und auf jeder einzelnen hatte man Tankmon platziert. Die Kriegsmaschinerie des DigimonKaisers, wie geschaffen für das Abwehren einer Invasion. Yolei kniff die Augen zusammen, als die Rebellen unter Beschuss gerieten und überall um sie herum Steine und Staub aufspritzten. „Jetzt!“, rief sie. Die Ninjamon reagierten wie ein einziges Digimon. Ein Dutzend Rauchgranaten vernebelten den gesamten Küstenabschnitt. Die Tankmon stellten das Feuer nicht ein, aber die Rebellen, die die Reihen lockerten, erlitten kaum Verluste, bevor die Tankmon in ihre Reichweite kamen. Nur die Guardromon der Wissens-Armee hatte den Panzern wirklich etwas entgegenzusetzen, aber mit etwas Geschick würden sie sie schon bezwingen. Einige der Tankmon trugen Schwarze Ringe. Die nahmen sie als Erstes aufs Korn. Die Ninjamon waren flink wie der Wind, und auch Yasyamon ließ seine Bokutō tanzen. Ring um Ring wurde zerschmettert, die befreiten Tankmon erstarrten irritiert. „Schießt auf die anderen Tankmon!“, schrie Yolei über das Getöse hinweg und duckte sich an einen der Bambustürme. Ein Schuss zerfetzte dessen obere Hälfte, und sie konnte nicht sagen, ob er so gezielt gewesen war. Sie umrundete ihn, um Deckung bedacht, und lief zum nächsten. Ein Kotemon schrie ihr aus dem Fenster des Turms etwas zu und stocherte mit seinem Bokutō nach ihr. Yolei reagierte instinktiv und hieb die Spitze des Holzschwerts mit ihrem Degen ab. Das Kotemon zeterte, aber sie verstand seine Worte nicht. Als das Digimon sich vor einem Wurfstern duckte, der durch das Fenster segelte und in den Bambusrohren hinter ihm stecken blieb, langte Yolei nach oben und bekam sogar den Stumpf seines Schwerts zu packen. „Mach Platz!“, rief sie und riss das Fliegengewicht von seinem Wachposten, das den Hügel hinab Richtung Strand kullerte. Ehe es auf die Beine kam, hatte sich Yolei schon in den Turm gezogen. Er hatte einen Querschnitt von etwa einem Meter. Es gab vier Sichtfenster, wo man einfach Löcher in die Bambuswände geschnitten hatte. Das Kotemon schien allein auf seinem Posten gewesen zu sein, einige Pilze und Beeren lagen in einer Ecke, abgenagte Apfelbutzen in einer anderen. Von hier aus versuchte Yolei, sich einen Überblick zu verschaffen. Der Überraschungsangriff ging gut vonstatten. Die Tankmon hatten erkannt, dass sie auf ihre früheren Genossen schießen mussten. Ein Ninjamon zwängte sich zu ihr in den Turm und schleuderte von hier aus seine Wurfsterne auf die Kotemon und Kougamon, die vom Landesinneren heranstürmten. Dort sah Yolei auch die Reisfelder und das Dorf, das ihr Ziel war, und den gewaltigen Schwarzen Turm, der diesen Küstenabschnitt kontrollierte. Sie vergewisserte sich, dass die Verteidigungsanlagen erobert waren und die Tankmon keine Gefahr mehr darstellten, dann, dass den anderen in Whamons nach wie vor geöffnetem Maul keine Gefahr drohte, und schließlich sprang sie wieder ins noch feuchte Gras, hob ihren Degen und rief die Rebellen zusammen, um zum Angriff auf den Turm zu blasen.     Sie überrannten die Ebene, ohne auf Widerstand zu stoßen, aber das war zu erwarten gewesen. Die riesige Grasfläche war nutzloses Land, auf dem man nicht jeden Zoll verteidigen konnte. Wie eine Sturmflut brach die Nordarmee aus dem Trugwald. Als die ersten Türme fielen, wirkte es, als bliebe gar keines der Digimon stehen. Die schwarzen Kolosse wurden einfach von ihnen mitgerissen. Die schnellere Vorhut begleiteten Davis mit Raidramon, Kari mit Nefertimon und T.K. mit Pegasusmon. Soras mächtigeres Garudamon schonte seine Kräfte noch. Sämtliche Landtruppen aus dem Nördlichen Königreich, Tuskmon, Monochromon, Triceramon, Tyrannomon, Allomon, viele Tier- und Pflanzendigimon, Woodmon und Blossomon aus der Blütenstadt, sie alle hatten sich hier am untersten Rand ihres Einflussbereichs versammelt, um den letzten vernichtenden Schlag gegen ihren verhassten Feind zu führen. Frigimon, der Fürst der Eisregion, war mit einer Horde Moyamon und Gizamon dabei. Über ihnen flogen Tais Megadramon. Sogar Agumon war wieder auf den Beinen und klammerte sich an Davis‘ Hüfte. Es konnte es kaum erwarten, Tai wiederzusehen, und hatte darauf bestanden, mitkommen zu dürfen. Das Düsterschloss hatten sie völlig unbewacht zurückgelassen. Die Zeit hatte gedrängt, und keines des überlebenden Geistdigimon war derzeit eine Bedrohung. Fürst Ebidramon hatte seine Wasserdigimon das Band hinaufgeschickt, um die Grenze minimal abzusichern. Die übrigen Adligen hatten all ihre Truppen zusammengezogen. All dessen war sich Davis bewusst, als er auf Raidramons Rücken über die freien Hügel der Großen Ebene ritt, wild wie der Sturm und rasend wie eine Feuersbrunst. Nichts anderes loderte hinter ihm am Horizont: Wo sich Stoßtruppen und Patrouillen des DigimonKaisers ihrem gewaltigen Heer entgegenwarfen, kochte und brodelte die Luft, denn zumeist waren die Feuerdigimon die Ersten im Gefecht. Davis gab sich keinen Illusionen hin. Je weiter sie in feindliches Gebiet vordrangen, desto seltener wurden die gegnerischen Kleintrupps. Der DigimonKaiser zog seine Soldaten zusammen, um sie ihnen mit geballter Wucht entgegen zu schleudern. Sollten sie kommen! Er würde Tai auf jeden Fall befreien! „Davis, pass auf!“, rief ihm T.K. von schräg oben zu. Davis hob den Kopf – und erstarrte. Von irgendwoher ging ein Hagel aus Lichtnadeln auf ihn nieder. Vor Schreck schrie er auf. „Halt dich fest!“ Raidramon hatte noch nicht ausgesprochen, als es einen gewagten Sprung nach rechts vollführte. Es schlitterte regelrecht einen Hang hinab und musste achtgeben, nicht umzukippen. Da sah Davis auch die feindlichen Digimon: SkullScorpiomon des DigimonKaisers, hässliche, knöcherne Insektendinger, die in einer Reihe auf einer Hügelkuppe warteten. Über ihnen schwebten kleinere Digimon, Thunderboltmon und Mamemon wahrscheinlich. Es war so weit. Der Feind wollte ihren Vorstoß also hier abfangen.     „Wie läuft es?“, fragte Tai. Er klang angespannt, aber nichts konnte im Moment das Blankliegen von Izzys Nerven toppen. Innerhalb von wenigen Minuten kitzelte ihn nun schon der dritte Schweißtropfen an der Schläfe. „Gut“, meinte er abwesend und mit einiger Verspätung. Er brauchte all seine geistigen Kapazitäten, um die Datenströme auf den vier Rechnerbildschirmen zu verfolgen. In der Rechnerhalle in dem großen Gebäude der Voxel-Stadt war es bis auf die Monitore und Izzys selbstleuchtende Tastatur völlig finster – und es war gespenstisch still, seit die Pioniere abgezogen waren. „Geht’s auch genauer?“, fragte Tai genervt. Izzys Augen bewegten sich von links nach rechts und hin zum oberen Bildschirm. „Unsere Invasionsarmee ist planmäßig über die Hitzestraße übergesetzt. Andromon selbst leitet den Angriff. Sie hatten zunächst heftige Gegenwehr, aber nun ist es ruhig.“ Er zeichnete ein leuchtendes Rechteck über eine Karte der DigiWelt. „Sie sind auf dem Weg nach Norden.“ Blitzschnell schob er ein anderes Fenster auf den Monitor. „Das Ablenkungsmanöver im Ozean war ein voller Erfolg. Wir haben die Flotte des DigimonKaisers sogar in alle Winde zerstreut. Unsere Pioniere hier konnten die Küste, an der die Ölbohrinsel liegt, von den feindlichen Geschützen säubern, und unser Geschwader ist sicher angekommen. Sie müssten in zwei Minuten hier sein.“ Das war vielleicht der riskanteste Teil des Plans gewesen. Die Guardromon und Mekanorimon hatten nicht genug Treibstoff für lange Flüge. Sie hatten sie auf den Digimon der Flotte transportieren müssen, ehe Shaujinmon damit den Ablenkungsangriff gestartet hatte. Für eine Weile waren sie wehrlos in der Luft geschwebt, darauf wartend, dass Izzys Digimon die Seeverteidigung des DigimonKaisers ausschalteten. „Admiral Shaujinmon hat Verstärkung angefordert, also hat Kabuterimon ihm die Gigadramon geschickt. Von Michael habe ich auch schon Meldung erhalten. Sie haben sich nicht an den Plan gehalten und einige Minuten zu früh losgeschlagen.“ „Die sollen das gefälligst ernst nehmen“, murrte Tai, der sichtlich schon einem Wiedersehen mit Agumon entgegenfieberte. „Wir können froh sein, dass sie uns überhaupt helfen“, meinte Izzy. „Die meisten von ihnen sind schließlich Rebellen, die einen eigenen Kopf haben. Aber es hat unseren Plan bisher nicht durcheinander gebracht. Die Nordarmee müsste in diesem Moment auch losschlagen.“ Hinter ihnen glitten die Schiebetüren auf, die Izzy mit dicken Filzvorhängen hatte bestücken lassen. Hydraulisch stampfend trat ein Mekanorimon ein. Seine Klappe öffnete sich und ein Digimon, das aussah wie ein aus Bausteinen zusammengesetzter Dinosaurier, kletterte heraus. „Boden-Luft-Geschwader A ist eingetroffen, Einsatzkommandeur Koshiro“, meldete es und salutierte zackig. „Das ist der Anführer eures Geschwaders?“, fragte Tai ungläubig. „Lasst Euch nicht von seinem Aussehen täuschen. ToyAgumon ist ein guter Stratege und ein kühler Kopf. Genau, was wir brauchen.“ Izzy winkte das Digimon näher und zeigte ihm seine Bildschirme. „Die kaiserlichen Truppen haben bereits mobil gemacht. Wir haben zu wenige Soldaten, um die Voxel-Stadt ordentlich verteidigen zu können. Wir müssen sie im Schneisental aufhalten, ehe sie uns zu nahe kommen. Ein paar Digimon sollten für den Notfall in der Stadt bleiben.“ ToyAgumon nickte wiederholt. „Was immer Ihr erübrigen könnt, soll sich meinen Pionieren und den Befreiten anschließen und in den Bambuswald ziehen. Südlich des Edo-Gebirges treffen wir die Rebellen aus dem Shogunat.“ „Sofern sie auf Euch warten“, fügte Tai mürrisch hinzu. „Mir macht eher Andromons Heer Sorgen“, murmelte Izzy düster. „Es liegt ein weiter Weg vor ihnen, und die Felsenklaue ist felsig, uneben und zerfurcht. Schlecht für schnelle Truppenbewegung und schlecht für Maschinen, aber die schnellste Möglichkeit, die wir haben. Nur dürfen wir nicht vergessen, dass sich das Gros des kaiserlichen Heeres noch immer im Westen befindet, in der Goldenen Zone und in der Kaktuswüste. Nicht zu vergessen die Verteidiger der Felsenklaue selbst. Andromon wird einiges an Glück brauchen, wenn es sich mit uns in Fort Netwave treffen will, bevor die Vasallen des DigimonKaisers ihm in die Flanke fallen.“ „Könnt Ihr nicht irgendwie seine Kommunikation lahmlegen?“ „Ich werde es versuchen, sobald wir seine Truppenbewegungen präzise genug voraussagen können. Wenn ich seine Kommunikationswege stumm schalte, hören wir schließlich auch nichts mehr von ihm.“ „Ich werde mich fürs Erste um das Schneisental kümmern“, sagte ToyAgumon. Izzy nickte. „Haltet sie so lange hin, wie nur irgend möglich.“ „Warum Fort Netwave?“, fragte Tai, als der Kommandeur von Geschwader A zur Tür hinaus war. „Weil es quasi das Tor zum Stiefel ist. Die Rebellen befreien im Moment die Gekomon-Reisfelder. Wenn wir uns südlich des Edo-Gebirges mit Euren Landsleuten aus dem Norden treffen wollen, bietet es sich an, auch gleich den feindlichen Nachschub vom Stiefel zu stoppen. Schaffen wir es, diese Bresche zu schlagen und sämtliche Stellungen zu halten, haben wir das Reich des DigimonKaisers dreigeteilt.“ Tai überlegte einen Moment. „Es ist trotzdem noch immer wahnsinnig groß“, murmelte er, ohne Furcht oder Ehrfurcht. Es war eine bloße Feststellung. „Und ein dreigeteiltes Reich bedeutet auch drei Fronten für uns.“ Izzy konnte nur nicken. „Darum hoffen wir, dass die Zeit auf unserer Seite ist. Es dauert lange, einen Kontinent zu überqueren.“   High spirits and emotions are coming back to us The oppression takes too long, we’ve lost everything The eyes are turning black The fighting spirit’s back We raise our hands in faith – the day of reckoning (Primal Fear – All For One) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)