New Reign von UrrSharrador (Wie Game of Thrones, nur mit Digimon. [Video-Opening online]) ================================================================================ Kapitel 62: Die Schlacht um Little Edo -------------------------------------- Tag 148   Yasyamon teilte geradezu stoisch Hiebe mit seinen Holzschwertern aus. Auch Palmon ließ seine Ranken peitschen, um die Digimon von Mimi fernzuhalten. Michael, ganz der Ritter, versuchte mit bloßen Händen ebenfalls zu kämpfen, wobei Betamon sich Mühe gab, seine Feinde schon vorher mit Elektroschocks zu paralysieren. Für Mimi war es ein Albtraum. Sie sah rings um sich herum Digimon sterben, Digimon, die zu beschützen sie sich geschworen hatte. Stattdessen wurden sie ihretwegen getötet. Sie hatten lange über das Risiko diskutiert, immer wieder, und dennoch konnte Mimi dieses sinnlose Morden nicht mehr mit ansehen. Warum taten sie das? Warum konnten sich die Gekomon nur nicht mit einem Leben im Schatten von Schwarzen Türmen anfreunden? Warum wollten die Rebellen nicht einfach anderswo eine neue Existenz aufbauen? Und warum versuchte überhaupt jemand, die ganze DigiWelt zu erobern? Es war ihr völlig unbegreiflich. Anscheinend genügte vielen ein einfaches Leben nicht. Yolei hatte mal impulsiv gemeint, ein Leben in Ketten wäre kein Leben. Aber konnte sie das so verallgemeinern? Während alle anderen gegen Musyamons Getreue kämpften, focht Mimi einen inneren Kampf aus. Sie war versucht, einfach einen Rückzug zu befehlen. Die anderen würden gehorchen müssen. Vielleicht hätte sie es auch getan, wären nicht immer neue Kotemon von allen Seiten aufs Schlachtfeld gelaufen. Sie zuckte zusammen, als ein Mushroomon gegen sie prallte und sie in das kalte Wasser der Reisfelder geriet. Eisig umspielte es ihre Knöchel und riss sie aus ihren Gedanken. Genauso eisig war die plötzliche Gewissheit, dass es wohl ohnehin kein Zurück mehr gab. Sie konnte nur den Weg bis zu seinem Ende gehen und auf den bestmöglichen Ausgang hoffen.     T.K. hatte wohl für einige Sekunden das Bewusstsein verloren. Als er erwachte, bewegten sich die verhängnisvollen Pflastersteine unter ihm. Er hatte erwartet, sie mit seinem Blut vollgespritzt zu sehen, aber sie waren sauber. Dann erst erkannte er, dass man ihn trug. Sechs Kotemon in Kendorüstungen hatten ihn auf ihre Schultern geladen. Hatten sie ihn etwa aufgefangen? Warum? Sie brachten ihn auf den Pagodenvorplatz, direkt neben den Turm, der immer noch drohend seine unsichtbare Dunkelheit verbreitete. Dort ließen sie ihn einfach fallen. T.K. stieß sich den Kopf, doch das war nichts im Vergleich zu dem brennenden Schmerz in seinem Rücken. Als er danach tastete, fand er seine Kleidung verkohlt vor. Seine Haut tat weh, wenn er sie berührte. „Patamon!“, stieß er heiser aus, als er seinen Freund zwei Meter neben sich liegen sah. Träge hob es ein Augenlid. Gottseidank, es lebt. „Ihr Menschen seid wirklich leichtsinnig“, schallte eine laute Stimme über den Platz. T.K. hob den Kopf und sah ein Digimon auf einem der Balkone der Pagode stehen. Das musste Fürst Musyamon sein. Vier Kotemon flankierten es. „Wie oft bringt ihr mich wohl noch in Versuchung, euch aus dem Handgelenk heraus zu töten?“ T.K. beachtete es gar nicht. Dieses Digimon war sicher ebenso verwirrt wie seine Freunde. Niemand hier schien die alte DigiWelt zu kennen. Sein Blick glitt zu dem Turm, der neben ihm aufragte. Wenn er ihn doch nur zerstören könnte … Eines der Kotemon, die sich um ihn versammelt hatten, schlug T.K. mit seinem Kendo-Schwert. „Der Fürst spricht mit dir, Mensch.“ Widerwillig sah er Musyamon an, das die Arme verschränkt hatte. „Nehmt ihm sein DigiVice ab“, befahl der Handlanger des DigimonKaisers. T.K. biss die Zähne zusammen. Plötzlich krachte etwas neben ihn in den Vorplatz. Kopfsteine und Steinsplitter regneten auf ihn herab, Digimon lösten sich schreiend in Daten auf. Ehe T.K. die Augen zusammenkniff und sich duckte, sah er ein zweites Geschoss in die Pagode rasen, direkt über Musyamons Balkon. Das Digimon machte einen Satz zurück ins Innere, seine Kotemon wurden von Trümmerstücken in die Tiefe gerissen. T.K. versuchte, seinen Kopf mit den Händen zu schützen, und kroch zu Patamon, um es an seine Brust zu drücken. Die Digimon auf dem Platz schienen ihn völlig vergessen zu haben. Staubwolken hüllten sie alle ein. Als ein noch lauteres Bersten fast sein Trommelfell zerriss, danach ein hohles Krachen ertönte und der Boden bebte, wusste T.K, dass der Schwarze Turm gefallen war. Eine Windbö vertrieb den Vorhang aus Steinstaub und Datenfragmenten. Der Turm lag tatsächlich entzweigebrochen auf dem Platz, die Kotemon schienen geflohen oder gestorben zu sein. Sie Sonne spiegelte sich gleißend auf dem goldenen Panzer eines Rapidmons, das davor stand. Den jungen Mann, der von seiner Schulter sprang, kannte T.K. „Ein edler Ritter hat nun mal einen Hang zu Rettungen in letzter Sekunde“, meinte Willis lächelnd und hielt T.K. die Hand hin, die dieser dankbar ergriff. „Alles in Ordnung?“ Mir tun nur die Finger und der Kopf weh und mein Rücken scheint noch in Flammen zu stehen. „Alles bestens, danke.“ Willis legte den Kopf schief. „Du gehörst doch sicher zu Prinzessin Mimi und ihrer Rebellenhorde, oder?“ T.K. nickte. Er hatte von Yolei gehört, dass Willis nun ein Ritter in Andromons Diensten war, dennoch war er von dieser Rettungsaktion überrascht. „Perfekt. Dann tust du mir doch jetzt sicher den Gefallen, für deinen Retter ein gutes Wort einzulegen?“ Auf T.K.s fragende Miene hin fügte er grinsend hinzu: „Ich mag es nicht, wenn schöne Frauen böse auf mich sind.“     „Wie sieht es im Tal aus?“, fragte Izzy in sein Kommunikationsgerät. „Guter Kampfverlauf“, berichtete ToyAgumons verzerrte Stimme. Sein Mekanorimon war womöglich beschädigt. „Wenig Gegenwehr. Sir Agunimon will ausharren.“ „Die anderen werden in Little Edo Hilfe brauchen. Wenn Agunimon das Tal halten kann, könntet Ihr an den feindlichen Linien vorbeikommen und weiterziehen? Die Gigadramon stehen ebenfalls auf Standby.“ „Positiv.“ Die beiden Gigadramon waren eigentlich als Bewacher zur Voxel-Stadt zurückgekehrt, aber hier war es ruhig geblieben. Keine Digimon kamen direkt durch die Berge. MegaKabuterimon würde mit der Bewachung alleine zurande kommen. Izzy hatte ein Notrufsignal von Michael aufgefangen, jedoch noch keine Erklärung erhalten. Hoffentlich war nichts allzu Schlimmes passiert, aber zur Sicherheit würde er Unterstützung schicken.     Sie hielten sich gut. Der Feind trug eindeutig mehr Verluste davon als die Rebellen, aber Mimi konnte sich darüber nicht freuen. Jedes Leben, das ausgelöscht wurde, war vergeudet. Sie spürte, dass ihr Hass auf Musyamon und seinen Kaiser mit jedem Digimon, das sich in Daten auflöste, größer wurde. Plötzlich sauste ein goldener Schatten über den Himmel. „Mimi! Yolei!“, hörte sie T.K.s Stimme und blinzelte verwirrt empor. „Der Turm ist zerstört!“ „Hast du gehört?“, rief Mimi atemlos Michael zu. Der Ritter keuchte noch mehr als sie selbst. Über sein Gesicht lief Blut aus einer Schnittwunde über dem Auge. Zum Glück schienen die feindlichen Digimon absichtlich lieber gegen andere Digimon kämpfen zu wollen. Vielleicht nahmen sie menschliche Gegner auch einfach nicht ernst. Jetzt stellte sich das hoffentlich als Fehler heraus! Michael warf einen Blick auf sein DigiVice und nickte Betamon zu. Das helle Licht, das es zu Seadramon werden ließ, ließ die feindlichen Ninjas zurückweichen. Yolei hob ihr DigiVice in die Höhe. Sie war klatschnass, ihr Haar zerfleddert und ihre Kleidung angesengt. „Hawkmon!“ „Mimi, ich darf doch auch, oder?“, fragte Palmon. Mimi nickte. Das Blatt wendete sich deutlich, als Seadramon, Aquilamon und vor allem Lillymon ihren Freunden beistanden. Vom Himmel fiel noch ein kleines Digimon herab, das im Fallen zu Willis‘ Endigomon wurde. Wasser spritzte auf, als es donnernd landete und ein Grollen vernehmen ließ. Also hatten Mimis Augen sie nicht betrogen. Willis war zurück. Rapidmon landete auf dem Grat zwischen den Feldern und setzte Willis, T.K. und Patamon ab. Letztere sahen furchtbar aus. Mimi lief auf sie zu, während die Digimon ihre Feinde zurücktrieben. „Was ist geschehen?“ „Noch eine Falle“, erklärte T.K. knapp. „Willis hat uns gerettet.“ „Willis hat …“ Mimis Augen wurden schmal, dann wandte sie sich ruckartig Willis zu, der sie gewinnend anlächelte. „Wenn Ihr glaubt, Euch damit bei mir einschmeicheln zu können, habt Ihr Euch geschnitten!“, zischte sie. Sie hatte nicht vergessen, dass er den DigimonKaiser hatte töten wollen, obwohl sie andere Pläne mit ihm gehabt hatte. Sie hasste den Tyrannen, ja, aber sie wollte kein Blut mehr vergießen. Es gab schon zu viele Opfer. Darüber hinaus war der DigimonKaiser entkommen. „Ihr scheint Euch gar nicht über meine Rückkehr zu freuen“, meinte er säuerlich. „Wenn Ihr Euch nicht wie ein Feigling aus dem Staub gemacht hättet, hätte es gar keine Rückkehr geben müssen“, sagte sie bissig. T.K. seufzte. „Ihr beiden, was immer zwischen euch vorgefallen ist, verschiebt eure Diskussion auf nachher. Musyamon versteckt sich in der Pagode. Dieses Digimon wollt ihr in die Finger kriegen, oder?“     Der Kampf war auch ohne ihre direkte Mithilfe schnell entschieden. Als die Rebellen seufzend die Waffen senken konnten, war ihre Truppe auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Größe geschrumpft. Vielleicht waren sie noch vierzig, viel mehr nicht. Michael begrüßte Willis erleichtert, der sich aber offenbar eine andere Reaktion erwartet hatte. T.K. hatte noch nicht erfahren, was sein Zerwürfnis mit Mimi ausgelöst hatte, aber er zügelte seine Neugier. Little Edo lag direkt vor ihnen. Wie sehr würden sie es wohl verwüsten müssen? Mimi und Yolei würden jede Zerstörung vermeiden wollen. „Izzy hat mir eine Nachricht geschickt“, sagte Michael plötzlich und sah auf sein Kommunikations-Terminal. „Kommandeur ToyAgumon ist mit einigen Maschinen auf dem Weg hierher. Zwei Gigadramon sollen schon in ein paar Minuten hier sein.“ „Wunderbar“, sagte Willis. „Dann können wir ja gleich mit dem Angriff weitermachen.“ „Wo habt ihr drei überhaupt gesteckt?“, fragte Michael. „Ich habe mir Sorgen gemacht.“ Willis zuckte mit den Schultern. „Wir haben uns hier in der Nähe aufgehalten, zwischen der Ebene und Little Edo. Haben versucht, die Versorgungslinien des DigimonKaisers zu stören, solche Sachen.“ „Mit anderen Worten, Ihr habt Euch feige versteckt und wehrlose Digimon angegriffen“, meinte Mimi abfällig. „Sie waren nicht wehrlos“, sagte Willis ungehalten. „Und ich bin nicht feige.“ „Seid Ihr doch.“ Willis verdrehte die Augen, und so behielt sie das letzte Wort. „Wie kommt es eigentlich, dass Ihr Rapidmon wiederhabt?“, fragte Yolei verwundert. „Diese Handlanger des DigimonKaisers haben Euch Euer ArmorEi doch abgenommen?“ „Das ist eine lange Geschichte“, meinte er. „Sagen wir’s mal so: Die Tage, da er mir etwas wegnehmen kann, sind lange vorbei.“ Yolei blieb argwöhnisch und hakte nach, bis er ihr versichert hatte, dass er nicht auch ihre ArmorEier auf wundersame Weise wiedererlangen konnte. Sie marschierten weiter. Mimi verlangte von allen, ihr Musyamon auf jeden Fall lebend zu bringen. „Das gilt vor allem für Sir Willis“, fügte sie säuerlich hinzu. Er lächelte, aber es sah gekünstelt aus. T.K. hatte nichts dagegen, auf unnötige Gewalt zu verzichten, auch wenn es sicher keinen Unterschied mehr machte. Er überlegte sich, dass er auch noch eine Rechnung mit Musyamon offen hatte. Es hatte Matt verraten und in große Gefahr gebracht. Sie folgten dem Pfad nicht mehr, sondern bewegten sich im Laufschritt durch die Felder auf die Stadt zu. Rapidmon und Lillymon flogen voraus. Der Bambuswall knickte unter ihren Attacken ein wie zusammengebundene Strohhalme. Yolei hatte sich auf Aquilamons Rücken geschwungen und griff trotz T.K.s ausdrücklicher Warnung von oben an. Immerhin hielten sie sich von den Dächern fern, sondern verscheuchten nur mit Laserringen die Digimon, die sich in den äußersten Straßen sehen ließen. Die Gigadramon zogen nur Sekunden später über den Himmel. Raketen flogen auf die Stadt herab und schlugen mit vernichtender Wucht und Getöse ein. „Die zerstören ja alles!“, kreischte Mimi entsetzt. „Sie werden die Monitormon gesehen haben. Die verstecken sich auf den Dächern“, murmelte T.K. Er und Patamon waren nicht mehr in der Lage zu kämpfen, das wusste er. Patamon war zu erschöpft und außerdem verletzt. Rapidmon und Lillymon sausten nun in die Stadt hinein und erwiderten das Feuer, das von den Dächern kam und zu schwach war, um ihnen wirklich zu schaden. Die übrigen Rebellen marschierten eine breite Straße hinein. Schon nach wenigen Schritten wurden sie von einer Horde grobschlächtiger Digimon angegriffen: Fugamon, die aussahen wie rote Ogremon, und Hyougamon, die aussahen wie weiße Fugamon und wesentlich stärker waren. Außerdem waren da Dokugumon, Goblinmon, Gorillamon, Minotarumon und Grizzlymon. Sie mussten Musyamons wahre Kämpfer sein; gegen sie waren die Kotemon und Monitormon nur etwas wie aggressive Spielgefährten. Während dem Kampf wurde T.K. klar, dass die meisten von ihnen aus Schwarzen Türmen bestanden. Sogar Knightmon mit ihren leuchtenden, prächtigen Rüstungen marschierten langsam die Straßen entlang, und das Wappen der Hoffnung auf ihren Rückenschilden schien T.K. zu verhöhnen.     Der Kampf in den Straßen zog sich bis zum Abend hin. Für Yolei und ihre Gefährten hieß es vor allem: standhalten und durchbeißen. Sie waren noch mehr in der Unterzahl als zuvor, und ihre Feinde waren stärker geworden. Nur mit viel Geschick konnten sie sich in den Gassen verstecken. Sie waren die Angreifer, und doch mussten sie sich verteidigen. Immer wieder führten die Gigadramon wahre Raubvogelangriffe durch. Sie stießen auf die Stadt herab, flogen durch die Straßen und zerstörten alles, was sich wehrte. Das waren die einzigen Momente, die ihnen Atempausen erlaubten. Als Michael von ToyAgumon die Nachricht erhielt, dass sie die Stadt erreicht hatten und von Osten her eindringen würden, war das eine unglaubliche Erleichterung. Yolei fror mittlerweile. Das Wasser auf ihrer Kleidung war getrocknet, aber sie war völlig durchgeschwitzt. Ihre Arme zitterten allerdings vor Anstrengung. Sie hatte sich mit ihrem Degen ebenfalls wieder in den Kampf geworfen, denn jüngst war Aquilamon gelandet und völlig erschöpft zurückdigitiert. Auch die anderen Digimon hatten ihre Digitationen nicht mehr halten können. Dafür hatten sich viele Stadtbewohner ihrer Schwarzen Ringe entledigt, als der Turm zerstört worden war, und stifteten hinter den Linien Unruhe. Das war vielleicht ihr größter Vorteil. Dennoch hing nun alles von der Verstärkung ab. Das Wunder geschah tatsächlich. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie schon vor zwei Tagen große Wunden in Musyamons Fürstentum geschlagen hatten. Zwanzig Digimon der Wissens-Armee, zwei schlagkräftigen Gigadramon, den befreiten Stadtbewohnern und den Resten der der Rebellen gelang es tatsächlich, die feindliche Besatzung aufzureiben und bis zur Pagode vorzustoßen. Die Trümmer des Schwarzen Turms schienen schon jetzt vom Fall des intriganten Daimyos zu zeugen. Mimi wappnete sich sichtlich innerlich, als sie sich daran machten, die Pagode zu betreten. Sie war beschädigt worden, aber nicht schwer. Unheimliche Stille und Dunkelheit erwarteten sie. Yolei hielt den Atem an, und als sie die Luft wieder ausstieß, erwartete sie halb, sie als Dampfwolke vor ihrem Mund tanzen zu sehen. „Was glaubst du, wo sich Musyamon versteckt?“, flüsterte sie. „Es gibt nur einen Ort, den ich mir vorstellen kann“, meinte Mimi und ging unter Yasyamons wachsamen Blicke voraus.     Mimi behielt Recht. Musyamon erwartete sie in der zentralen Halle im Erdgeschoss der Pagode, wo sie es vor unendlicher langer Zeit verschmäht hatte. Es aß auf einem Kissen dort, wo der Shogun für gewöhnlich saß, und genoss ein Schälchen Sake, unbeeindruckt von den Digimon, die in den Raum strömten. An den Wänden der Halle knieten noch mehr Kotemon. Einige Dobermon waren ebenfalls im Raum. Sie alle waren abartig ruhig. Hatten sie sich mit ihrer Niederlage abgefunden? „Prinzessin Mimi“, sagte Musyamon freundlich und schwenkte seine Schale. „Willkommen in Eurer Heimat. Nun sind wir beide doch wieder in diesen geschichtsträchtigen Hallen vereint. Wie oft habe ich mir gewünscht, hier an Eurer Seite zu sitzen. Doch kann man Liebe leider nicht erzwingen.“ „Ihr gebt mir die Schuld, oder?“, platzte es aus ihr heraus. „Sagt ruhig, dass Ihr das alles nicht getan hättet, wenn ich Euren Antrag angenommen hätte.“ „Wer weiß“, sagte Musyamon, doch es klang nicht hämisch, eher nachdenklich … sogar betrübt? Das Digimon betrachtete den Sake in seiner Schale. „Ihr vermute, Ihr wollt nun Eure Rache, Prinzessin.“ Mimi kniff die Lippen zusammen. In dem Moment trat Yasyamon vor und sprach mit samtiger Stimme: „Meine Königin, ich habe nie um etwas gebeten. Nun aber flehe ich Euch an, lasst mich gegen diesen Verräter kämpfen.“ „Yasyamon“, murmelte Mimi. Ihr Leibwächter war ein Streiter, der so treu war wie Yolei. Konnte sie es riskieren, dass es in diesem Kampf starb? „Ich habe genug von solchen Dingen wie Rache“, sagte sie leise. „Wegen mir musst du gar nicht mehr kämpfen.“ „Es ist für die Ehre von ShogunGekomon“, sagte Yasyamon und zog seine Schwerter. „Lasst uns kämpfen, Musyamon.“ „Noch bin ich der Fürst, Wachdigimon“, meinte Musyamon abfällig und stand langsam auf. „Aber ich nehme die Herausforderung an.“ Die Kotemon und Dobermon gaben keinen Mucks von sich, als die beiden Digimon sich in der Mitte des Saales trafen und voreinander verbeugten. Musyamons Schwert war blitzend scharf, erkannte Mimi voller Angst. Es würde Yasyamons Holz-Bokutō in Stück hacken … Noch ehe sie den ersten Schlag tauschen konnten, flammte in der Halle helles Licht auf, und ein gleißender Strahl fuhr zwischen die beiden Digimon, schlug in Musyamons Brustpanzer ein und schleuderte es nach hinten. Wie ein einziges Digimon sprangen die Kotemon auf, die Hände an den Waffen. Die Dobermon knurrten. Musyamon rappelte sich bereits wieder auf. Es schien nicht verletzt. Das Licht verebbte erst, als T.K. in die Mitte des Saales stapfte, begleitet von MagnaAngemon. Sein Digimon hatte sich während des Kampfes ausgeruht und war wieder zu Kräften gekommen. „Ich habe genug von dieser Farce“, erklärte der Junge. „Euer Gerede von Ehre, Verrat, von Heirat und Verschmähungen und überhaupt das Gerede von Fürsten und Daimyos … Das sind alles nur Lügen! Nichts davon ist real!“ Er drehte sich mit funkelnden Augen zu Mimi um. „Mimi! Pfeif deinen Leibwächter zurück! Habt ihr diese ewigen Kämpfe nicht auch satt? Wir haben gewonnen – Little Edo ist wieder frei.“ Sie war zu verdattert, um viel zu erwidern. „Yasyamon, hör auf“, sagte sie matt. Ihr Leibwächter zögerte kurz, dann steckte er die Waffen weg und senkte demütig den Kopf. „Und ihr werdet auch damit aufhören, einem wahnsinnigen Menschen zu gehorchen“, sagte T.K. barsch zu Musyamon und den seinen. Als die Kotemon Anstalten machten, auf ihn zuzutreten, zeichnete MagnaAngemon mit seinem Schwert einen Kreis in die Luft. Ein runder Schild aus Gold oder Messing tauchte auf. „Ergebt euch endlich!“, forderte T.K. „Sonst öffnet sich das Himmelstor und saugt euch alle ein! Ich habe mir das lange genug mit angesehen! Vielleicht müssen wir kämpfen und einen Krieg gewinnen, aber dieses ganze Spiel mit Ehre und Verpflichtungen ist lächerlich!“ Mimi wusste nicht, was genau er zu sagen versuchte. Aber was auch immer er meinte, er meinte es ernst. Musyamon begegnete seinem entschlossenen Blick. Schließlich nickte es. „Ein weiser Feldherr muss auch wissen, wann er verloren hat“, erklärte es heiser und rammte seinen Krummsäbel in den Boden der Halle. Ohne weiteres Blutvergießen wurde Little Edo befreit.     Tag 149   „Fertig, DigimonKaiser“, sagte Datamon. „Das wird auch Zeit. Du hast viel zu lange gebraucht.“ „Jaja, ich weiß. Schneller ging es nicht. Ich habe noch nie so viele –“ „Das interessiert mich nicht. Führe sofort meinen Plan aus.“ „Wie Ihr befehlt.“ Datamon verbeugte sich und verschwand von der Brücke. Ken war in Gedanken versunken. Gestern war Little Edo gefallen. So schlimm war es um sein Reich noch nie gestanden. Das Absurde war, dass er gar keine Angst hatte. Im Gegenteil: Je mehr seine Freunde kämpften, desto mehr Digimon starben. Sie wurden wiedergeboren – aber auf der File-Insel, und die gehörte wieder ihm. Und je mehr Digimon starben, desto weniger blieben, um die übrigen Gebiete vor ihm zu schützen. Dagegen konnte er eine unendliche Anzahl von Schwarzturmdigimon produzieren. Auch wenn sein Reich schrumpfte – wie konnte er überhaupt verlieren?     Die Nachricht war wie ein Schlag in Izzys Magengrube gewesen. Er hatte alles so genau durchgeplant, mit Andromon gemeinsam alle Möglichkeiten berechnet … Anscheinend war der Zufall doch ein zu großer Faktor in der Gleichung gewesen. Tai hatte sich in sein Mekanorimon gesetzt, um mit ihm per Videoübertragung zu sprechen. Auch er wirkte ernst, als könnte er sich schon denken, worum es ging. „Andromons Heer wurde geschlagen“, rückte Izzy mit den Neuigkeiten heraus. „Verdammt!“ Tai hieb gegen die Innenwand des Maschinendigimons. „Die Soldaten des DigimonKaisers waren zu zahlreich. Königin Kari muss die Wahrheit gesagt haben: Er kann aus seinen Türmen Digimon bauen. Anders bliebe es unerklärlich, wo er eine so große Streitmacht her haben soll.“ „Die Einsicht kommt etwas spät.“ „Vielleicht wäre Andromon noch irgendwie mit ihnen fertiggeworden“, berichtete Izzy weiter. „Aber andere Truppen des DigimonKaisers sind ihnen bei dem Kampf in die Flanke gefallen. Bunt zusammengewürfelte Digimon unter dem Kommando eines Zephyrmons – ein General des Kaiserreichs, der lange als vermisst galt. Und es war so schlau, die ganze Zeit über nicht einmal seinen Kaiser zu kontaktieren. So konnten wir es nicht abhören und hatten auch keine Ahnung, was es vorhatte.“ „Also ist es wieder aufgetaucht und hat gleich noch ein Heer mitgebracht.“ Tai massierte seine Nasenwurzel. „Was machen wir jetzt?“ „Little Edo gehört uns. Wenn wir es halten können und dazu die Voxel-Stadt, haben wir immer noch einen Vorteil. Fort Netwave werden wir aufgeben müssen, oder was meint Ihr?“ Tai schnaubte. „Die Digimon vom Stiefel rennen uns bald die Türen ein. Wenn jetzt von der Felsenklaue die Truppen kommen, die Andromon bezwungen haben …“ „Also stimmt Ihr mir zu?“ „Nein“, sagte Tai fest. „Das Fort ist abgelegen, aber es ist in der Nähe der Gekomon-Reisfelder. Mit WarGreymon kann ich es sicher verteidigen. So beschützen wir die Voxel-Stadt und das Schneisental. Wenn wir Little Edo vor einem Ansturm aus der Kaiserwüste schützen, haben wir unser Ziel doch erreicht, oder? Das Kaiserreich ist zweigeteilt.“ „Fragt sich nur, für wie lange. Taichi, ich halte es für unvernünftig, dort länger auszuharren.“ „Das ist mir egal. Wir waren nie so weit wie jetzt. Wir geben gefälligst nicht auf!“ Izzy seufzte. Er wusste, dass er an eine Wand aus Stein stieß. „Dann habe ich einen anderen Vorschlag.“ „Und zwar?“ „Einen Blitzangriff auf die Kaiserwüste. Schickt alles, was Ihr entbehren könnt, gen Norden. Am besten wieder Digimon, die die Armor-Digitation beherrschen. Wir fallen von Süden her in die Wüste ein, ehe der Kaiser neue Digimon bauen kann, und besiegen ihn mit einem raschen Streich. Dann löst sich hoffentlich auch die Bedrohung aus dem Westen auf, und es könnte tatsächlich von Vorteil sein, unsere Gebiete zu halten.“ „Das gefällt mir schon eher. Ich werde alles veranlassen.“ „Taichi“, hielt ihn Izzy davor zurück, die Übertragung zu beenden. Sie waren übereingekommen, dass Izzy dem Drachenkönig gegenüber nicht übermäßig höflich sein musste. „Ihr dürft nicht vergessen, dass die Wissens-Armee erheblich geschwächt ist. Wir haben fast all unsere offensiven Truppen verloren. Das Nördliche Königreich ist nun die einzige Partei in diesem Krieg, die es noch mit dem DigimonKaiser aufnehmen kann. Verspielt diese Chance nicht“, beschwor er ihn. „Das ist mir klar.“   Feels like endless journey Has started in this night We know you have the power Which can erase all worlds away (Celesty – Unreality) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)