New Reign von UrrSharrador (Wie Game of Thrones, nur mit Digimon. [Video-Opening online]) ================================================================================ Kapitel 66: Zwei der Schätze, drei der Suchenden ------------------------------------------------ Tag 150   Großer Künstler, der du Eisen zu Gold machst, wie sehr bist du zu bedauern. Nie schließt deine Liebsten du in die Arme, nie möge sich dir etwas entziehen. Wo andere ihre Freunde überdauern, lachst du nur bitter über ihr Leid, Leid, das du ersehnst. Die beiden Sieger zanken sich seit Jahrhunderten. Keiner noch errang den Preis. Vergraben, bis das Schicksal erwacht. Zu sehen in goldener Morgenstund ist der Anbeginn. Goldenes Licht die Dunkelheit verdrängt. Zwei der Schätze, drei der Suchenden. Mit Füßen treten, um zu befreien, ist es Magie? Magisch ist der Besiegten Mühe. Nicht umsonst ihr Opfer sei. Magisch ist des Feindes Macht. An allen Ecken regiert das Böse. Magisch sind stets Ende und Anfang.   „Vielleicht ist Alchemie damit gemeint“, sagte Kari. „Eisen zu Gold. Alchemie beschäftigt sich doch damit, Eisen zu Gold zu machen.“ „Also ist derjenige, der in dem Rätsel erwähnt wird, Alchimist? Aber wer soll das sein?“, fragte Tai. „In der DigiWelt ist es doch sicher nicht schwierig, Daten von Eisen so zu verändern, dass Gold daraus wird, oder?“, fragte Michael Izzy, der sich am Kinn kratzte. In der Pagode war heute Nacht nicht an Schlaf zu denken. Die Versammlungshalle war von Dutzenden Laternen erleuchtet. All diejenigen, die Gennai DigiRitter genannt hatte, ihre Partner und auch die Ritter des Nordreiches hatten sich um Izzys und Michaels Laptops versammelt und versuchten, die Prophezeiung zu verstehen. „Theoretisch wäre das vielleicht möglich“, meinte Izzy. „Aber es wäre ein eigener Prozess, herauszufinden, wie man die Daten ändern müsste. Eine eigene Kunst.“ „Ob wir jemanden finden sollen, dem es gelungen ist?“, fragte Davis, dann hellte sich seine Miene auf. „Was, wenn er unsere ArmorEier vergolden kann, damit unsere Digimon so mächtig werden wie das von Willis?“ „Du bist der Einzige, der noch ArmorEier hat“, erinnerte Tai ihn. „Allein mit einem stärkeren Digimon werden wir dem DigimonKaiser nicht begegnen können.“ „Ich weiß nicht, ob es wirklich nur um so etwas wie Alchemie geht“, überlegte Joe. „Die anderen Zeilen müssen doch auch dazu passen. Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass nur am Anfang viel über diesen großen Künstler gesagt wird. Ab der sechsten Zeile geht es um etwas ganz anderes.“ „Stimmt“, sagte Sora. „Die ersten fünf klingen wie aus einem traurigen Gedicht. Aber der Rest ist komplett wirr. Vielleicht müssen wir erst den Anfang entschlüsseln, ehe wir die weiteren Zeilen verstehen.“ „Ich habe die komplette Datenbank der Konföderation untersucht“, sagte Izzy, „aber da ist nichts Brauchbares. Nichts direkt über Alchemie, aber wenn es um Gold geht, ist geradezu abartig viel vorhanden. Das alles durchzuackern dauert Stunden.“ „Dann fangen wir doch gleich damit an“, schlug Willis vor. „ToyAgumon und ich hängen uns auch in unser Netzwerk. Wir beide und Michael durchforsten die Datenbank, ihr versucht sonst was zu erreichen. Selbst eine Nadel im Heuhaufen findet man irgendwann, wenn das ganze Heu fort ist.“ Zwei neue Computerstationen wurden aufgebaut, dann ging das Rätselraten weiter. „Es ist traurig, da hast du recht, Sora“, meinte Kari nach einer Weile. „Vielleicht ist alles nur metaphorisch gemeint? Es könnte um jemanden gehen, der viel erreicht hat, aber der keine Liebe erfährt, wohin er auch geht, und der keine Freunde hat.“ „Der DigimonKaiser!“, platzte Yolei heraus. Die anderen sahen sie entgeistert an. „Was?“, verteidigte sie sich. „Er hat ja eine Menge … erreicht. Oder nicht? Und nichts kann sich ihm entziehen.“ „Das klingt schon eher nach einer Prophezeiung“, meinte Matt. „Aber sie gefällt mir nicht.“ „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es so einfach ist“, überlegte Izzy. „Um den DigimonKaiser zu besiegen, müssen wir ein Rätsel lösen, in dem es genau um ihn geht?“ „Wer weiß, möglich ist alles“, sagte Matt. „Aber der da hat doch Freunde.“ Davis deutete auf die vierte Zeile. „Oder wie interpretiert ihr das?“ „Ich glaube, das bedeutet eher das Gegenteil“, sagte Sora. „Wo andere ihre Freunde überdauern, lachst du nur bitter über ihr Leid. Leid, das du ersehnst. Er hätte vielleicht auch gerne die Möglichkeit, länger zu leben als seine Freunde. Es könnte natürlich auch sein, dass all seine Freunde immer recht bald sterben.“ „Da haben wir’s. Er hat keine Freunde und keine Liebsten, die er in seine Arme schließt. Obwohl sich ihm niemand entziehen kann“, beteiligte sich auch Sir Agunimon an ihren Überlegungen. „Ich nenne das einen Krieger, der für etwas anderes keinen Sinn hat.“ „Etwa so wie Ihr?“, feixte Davis und winkte ab, als ihn Agunimons strafender Blick traf. „Nur die Ruhe, ich wollte nur ein wenig die Stimmung heben.“ „Und was soll das aussagen?“, fragte Joe zweifelnd. „Selbst wenn es der DigimonKaiser ist oder jemand ohne Freunde, wie soll es dann weitergehen? Die beiden Sieger zanken sich seit Jahrhunderten. Das allein ergibt schon keinen Sinn. Wenn sie sich noch zanken, wie können sie dann schon Sieger sein?“ „Vielleicht meint die Prophezeiung das Kaiserreich und unser Nördliches Königreich“, meinte Sir Angemon. „Aber der Krieg dauert noch kein Jahrhundert. Ich wüsste auch von keinem Krieg, der so lange ausgefochten wurde.“ „Also, das ist nur eine Idee“, begann Davis, „aber was, wenn das Rätsel wie eine Schatzkarte zu verstehen ist? Wir werden ja wohl irgendetwas finden sollen, das uns gegen den DigimonKaiser hilft. Dann zeigt uns der Anfang vielleicht den Ort, an dem wir beginnen müssen, und diese losen Zeilen danach geben uns Richtungshinweise.“ Auf diese Überlegung folgte erst einmal Stille. „Das könnte sein“, sagte Izzy. „Dann zeigt es auf die Festung des DigimonKaisers“, meinte Tai überzeugt. „Aber dann würden wir doch nie an dieses Hilfsmittel rankommen. Das ergibt doch ebenfalls keinen Sinn“, warf Joe ein und zuckte errötend zusammen, als ihm klar wurde, wem er da eben widersprochen hatte. Das Köpfe-Zusammenstecken über dem Rätsel hatte die Standesunterschiede zwischen ihnen aufgeweicht, erkannte Sora. Sie konnte nicht sagen, dass es sie störte. „Und wenn es teils metaphorisch, teils sinngemäß ist?“, stöhnte Mimi, die bisher noch gar nichts gesagt hatte. „Wer ist dieser Künstler, der Eisen zu Gold macht und der keine Freunde hat, die er überdauern kann? So ein dämliches Rätsel.“ „Ah!“, machte Kari plötzlich, und Mimi stierte sie sofort an. „Was ist? Ist dir etwas aufgefallen?“ „Schon, aber … Das kann es unmöglich sein.“ „Das wissen wir nicht. Heraus damit“, verlangte Agunimon. Sie schluckte. „Ich … ich habe an die Hand von Midas gedacht. Das ist eine Legende aus meiner … von da, wo ich herkomme. Midas war ein König oder so etwas, und alles, was er berührte, wurde zu Gold. Aber wer so eine Fähigkeit hat, ist dazu verdammt, einsam zu sein. Wenn er einen geliebten Menschen berührt, wird dieser zu einer Goldstatue.“ Die Augen aller blickten wieder auf den Text. „Das würde passen“, sagte Izzy schließlich. „Er kann Eisen zu Gold machen, aber schließt seine Liebsten nie in den Arm. Wenn er es täte, würden sie auch zu Gold – niemand kann sich ihm also entziehen. Und andere überdauern ihre Freunde und leiden darunter, aber dieser König überdauert seine Freunde nicht, weil sie nämlich als Goldstatuen auf ewig vor ihm stehen!“ „Das ist genial, Kari!“, rief Yolei und schenkte ihr einen bewundernden Blick. „Nein, ist es nicht“, entgegnete sie. „Ich bin mir sicher, in dieser Welt hat nie jemand von Midas gehört. Das Rätsel ist aber für jemanden aus der DigiWelt gemacht worden. Es muss eine andere Lösung geben.“ „Nein, ich glaube, es stimmt“, sagte Michael, der bisher an seinem Computer gearbeitet hatte. „Hier. Ich habe nach einer Fähigkeit gesucht, die bei der Berührung alles in Gold verwandelt. Es gibt in diesem Teil der DigiWelt auch so eine Legende. Und zwar über ein Kinkakumon.“ „Kinka…? Nie gehört“, meinte Davis und schürzte die Lippen. „Es ist ein sehr alter Mythos. Aber dieses Digimon konnte angeblich auch alles zu Gold verwandeln, was es berührte. Deswegen verhungerte es.“ „Was für eine praktische Gabe“, bemerkte Matt sarkastisch. „Okay … Und wie hilft uns das jetzt weiter?“, fragte Willis. „Sollen wir das Grab dieses ominösen Digimons suchen und seine Hand klauen, weil die mysteriöserweise überdauert hat? Nichts für ungut, aber das ist Blödsinn.“ „Eine Hand …“, murmelte Yolei und tippte mit dem Finger auf den Boden. „Eine Hand. Ihr habt doch gemeint, es ist eine Ortsbeschreibung. Als wir mit Whamon in See gestochen sind, hat uns Kabukimon zu einer Insel gebracht. Es hat gemeint, kaum jemand wüsste, dass sie existiert. Und die Insel war geformt wie eine große Hand!“ „Du meinst, was wir suchen, ist auf dieser Insel?“, fragte Michael und riss die Augen auf. Die anderen gerieten in helle Aufregung und bestürmten das Mädchen mit Fragen. „Wir wissen doch gar nicht, ob das stimmt“, dämpfte Matt die Euphorie. „Aber wir könnten jemanden dorthin schicken, und der Rest macht sich weiter Gedanken“, sagte Tai. „Es ist die einzige Spur.“ „Das sind mir hier eindeutig zu viele einzige Spuren“, brummte Willis missmutig. „Wisst ihr denn noch, wo die Insel liegt?“, fragte Mimi hoffnungsvoll. „Ich habe nämlich keine Ahnung.“ „Als Whamon uns zurückgebracht hat, habe ich unsere Reiseroute mitverfolgt“, berichtete Michael. „Ich habe sie sogar auf einer Karte eingezeichnet.“ „Michael, du bist ein Schatz!“, rief Mimi seufzend aus und warf sich ihm um den Hals. „Hey, geht doch lieber in das königliche Gemach“, rief Davis grinsend und die anderen lachten. Auch Sora gestattete sich ein Lächeln. Sie sollten gemeinsam die Welt retten, und sie waren schon dabei, sich zusammenzuschweißen. Eine Weile überlegten sie noch, was der Rest des Rätsels bedeuten könnte, aber es schien sich ihnen tatsächlich erst zu offenbaren, wenn sie eine weitere Spur hatten. Tai beschloss, dass sie sofort losfliegen würden. Für eine schnelle Reise stellte er sogar seine Drachenstaffel zur Verfügung. Er selbst ließ es sich nicht nehmen mitzufliegen, außerdem würden Izzy, Sora, Davis und Matt mitkommen und Yolei, weil sie die zündende Idee gehabt hatte. Laut Michaels Karte lag die Hand-Insel irgendwo im Meer vor dem Mori-Mori-Wald. Die Reise würde lange dauern, aber sie wären zurück, ehe das Heer des DigimonKaisers ihre Grenze angriff. „Lasst euch trotzdem nicht zu lange Zeit“, warnte Michael überflüssigerweise. „Der DigimonKaiser weiß auch davon.“ Das trübte die allgemeine Laune wieder. Sie hatten nicht vergessen, dass die Ninjamon einen Spion geschnappt hatten – ein harmlos, aber verschlagen aussehendes Digimon namens Spadamon. Sie hatten es vorerst zu Musyamon gesperrt, das freimütig erklärt hatte, dass es dieses Digimon gewesen war, das ihm die Pläne zur Konspiration übermittelt hatte. Es musste ein enger Vertrauter des DigimonKaisers sein. Sora hoffte, dass es in ihrer Abwesenheit nicht gefoltert wurde – der Hass auf den DigimonKaiser wuchs mit jedem Turm, den er baute, und sie traute den Digimon des Nordens mittlerweile sehr viel zu. Die Nacht hatte Little Edo noch in ihren kalten Klauen, als die Megadramon-Drachenstaffel aufbrach, auf ihren Rücken sechs DigiRitter und ihre Digimon.     Tag 151   Die Marodeure waren flott unterwegs. Dennoch war die Dämmerung nicht mehr fern, als sie einen T.K. wohlbekannten Ort erreichten. Er war einige Male von den Anstrengungen dieses chaotischen Tages eingenickt, und jedes Mal hatte ihn ein Sagittarimon mit seinem Bogen angestoßen und ihn lachend als Schlafmütze bezeichnet. Das Giga-Haus war noch so groß wie in seiner Erinnerung. Selbst die Zentauren brauchten ewig, um die Eingangstür zu erreichen, in der ein breiter Spalt klaffte. Das Anführer-Digimon – wenn T.K. die Gespräche der anderen richtig verstanden hatte, hieß es RiseGreymon – wartete dahinter im Flur. Sie brachten T.K. in die Küche, an die er sich noch gut erinnerte. „Willkommen in unserem bescheidenen Reich“, begrüßte ihn RiseGreymon spöttisch. „Ich hoffe, du frisst uns nicht die Haare vom Kopf. Wir haben selten lebende Beute.“ Sie sperrten ihn und Patamon in einen Küchenschrank. T.K. wehrte sich heftig dagegen. „Bitte, wir sind Gesandte zwischen den Reichen. Es ist wichtig, dass wir so schnell wie möglich nach Little Edo kommen! Man wird euch reich belohnen, wenn ihr uns gehen lasst! Das Schicksal der DigiWelt steht auf dem Spiel!“ „Ja, sicher“, sagte das Sagittarimon, das ihm den letzten Schubs gab. „Schrei weiter, und du bringst dich um deine nächste Mahlzeit. Also Ruhe, und versuch erst gar nicht, zu fliehen.“ Dann schlug die Schranktür zu, und die Dunkelheit war so absolut wie jene, die vielleicht bald über die ganze DigiWelt kommen würde.     Izzy hatte ihren Flug maskiert, wie er sagte. Er hackte wieder einmal das Überwachungsnetz des DigimonKaisers und verwischte all ihre Spuren, sodass ihr Feind nicht erfuhr, wohin sie unterwegs waren. Die Insel tauchte im Morgengrauen am Horizont auf. Davis war schon ganz mulmig zumute, so aufgeregt war er. Sie würden vielleicht bald einen unglaublichen Schatz heben! Er hätte gern den anderen seine Gedanken mitgeteilt, aber bei der Fluggeschwindigkeit verstand ihn selbst Veemon, das bei ihm auf dem Megadramon war, kaum. Yolei hatte die Wahrheit gesagt: Die Insel sah tatsächlich aus wie eine große Hand. Von oben konnte man das vermutlich noch viel besser erkennen als vom Meer aus. Außerdem konnte man das ganze Eiland überblicken, sodass es ihnen schon auffiel, als die Megadramon ihre erste Erkundungsrunde flogen: Auf ihm hatte sich einst etwas wie eine Stadt befunden. Graue, verblichene Ruinen durchzogen sein Herz, abseits der Wälder und paradiesischen Seen, die still und feucht im Morgendunst dalagen. Von den meisten Gebäuden erkannte man nur noch die Grundrisse, so sehr hatte der Zahn der Zeit an ihnen genagt. Nur zwei quadratische Wachtürme waren noch einigermaßen intakt. „Da unten!“, schrie Yolei plötzlich, laut genug, dass man sie in ihrem verlangsamten Flug verstehen konnte. „Die Sieger! Das sind die Sieger!“ Verwirrt folgte Davis ihrem ausgestreckten Zeigefinger. Meinte sie die Türme? Auf Tais Zeichen hin landeten die Megadramon. „Wie kommst du darauf, dass diese Türme gemeint sind?“, fragte Davis Yolei, nachdem sie abgestiegen waren und sich die Beine vertraten. Für ihn waren sie nur plumpe Steingiganten, standhaft, ja, aber hässlich und unnütz. „Überleg doch mal.“ Sie hob besserwisserisch den Finger. „Die ganze Stadt besteht nur noch aus Ruinen. Nur die Türme stehen noch. Das heißt, sie sind die Sieger, wenn es um Ausdauer geht. Und sie zanken sich seitdem darum, wer wohl als Erstes zusammenbricht. Bisher hat aber noch keiner gewonnen.“ „Du bist dir nur so sicher, weil du mit deinem letzten Tipp richtig gelegen hast“, meinte Davis pikiert, weil ihm das nicht aufgefallen war. „Gleich werden wir es wissen“, sagte Izzy. „In goldener Morgenstund erscheint uns der Anbeginn. Die Sonne geht bald auf.“ Sie verharrten die letzten Minuten quer über den Platz zwischen den Türmen verteilt, um kein Detail zu übersehen. Dann schob sich die Sonnenscheibe im Osten über den Horizont, blinzelte über die ersten Bäume. „Haben wir ein Glück, dass es nicht bewölkt ist“, scherzte Davis. „Seht mal!“, rief Piyomon und flatterte aufgeregt in die Höhe. Die Sonne verlor sich in den Ruinen, nur an einer Stelle stach sie gut sichtbar auf den Platz. Ein kunstvoll gearbeitetes Loch in den Mauern, das in den Trümmern seltsam fehl am Platz wirkte, ließ das Licht einen bestimmte Fleck am Boden erhellen. Die DigiRitter versammelten sich darum. Es war eine Platte aus einem seltsam technisch anmutenden Material, irgendetwas zwischen Chrom, Stein und Metall. „Das ist also der Anbeginn“, sagte Gabumon fast ehrfürchtig, obwohl niemand von ihnen wusste, was das zu bedeuten hatte. Sie untersuchten den von Moos überwachsenen Boden genauer. Das seltsame, graue Material überzog den gesamten Platz als eine einzige, gegossene Schicht, wie Asphalt. Nur an der beleuchteten Stelle war eine rautenförmige Platte eingelassen. Als sie das Moos entfernten, stießen sie auf weitere solcher Platten: Sie bildeten einen Kreis von etwa zwanzig Schritten Durchmesser, der auf zwei Seiten von den Türmen begrenzt wurde. „Und jetzt?“, stellte Davis irgendwann die entmutigende Frage. „Das ist doch kein Problem“, meinte Agumon großspurig. „Wenn das, was wir suchen, da drunter ist, digitiere ich einfach und reiße den Boden auf!“ Es machte schon eine entsprechende Pose. „Warte, das ist keine gute Idee“, sagte Matt. „Was immer dort versteckt ist, wir wissen nicht, wie fragil es ist. Es könnte kaputtgehen, wenn wir Gewalt einsetzen.“ „Hast du einen besseren Plan?“, fragte Tai herausfordernd. „Wir sollten mit dem Rätsel weitermachen. Das ist der beste Weg.“ „Augenblick“, meldete sich Tentomon zu Wort, das mit Izzy wieder den Text auf seinem Laptop untersuchte. „Kann es sein, dass wir einen Fehler gemacht haben? Hier steht, dass goldenes Licht die Dunkelheit verdrängt. Hätten wir vielleicht Willis und Rapidmon mitbringen sollen, was meint ihr?“ „Er wollte doch nicht“, meinte Tai. „Glaubt ihr, die Rettung der DigiWelt würde allein von ihm abhängen?“ „Das glaube ich ehrlich gesagt auch nicht.“ Izzy hatte die Arme verschränkt und nahm nicht den Blick vom Bildschirm. „Vielleicht hätte er uns helfen können, wenn wir nicht zufällig bei Sonnenaufgang hier gewesen wären. Schließlich ist das Sonnenlicht auch golden, zumindest in der Inschrift.“ „Dann lies mal weiter“, forderte ihn Tai auf. Er sprach ihn schon ganz kameradschaftlich an, fiel Davis auf. „Zwei der Schätze, drei der Suchenden. Vermutlich muss man mindestens zu dritt sein. Ich tippe auf einen verborgenen Mechanismus, und er hat sicher etwas mit diesem seltsamen Boden zu tun. Mit Füßen treten, um zu befreien, ist es Magie?“ „Damit ist doch eindeutig gemeint, dass wir auf diese Platten steigen sollen“, sagte Matt. „Es müssen irgendwelche Druckpunkte sein, und wenn wir die richtigen erwischen, befreien wir unsere beiden Schätze.“ „Wir haben es fast gelöst“, meinte Sora lächelnd. „Klasse – dann müssen wir ja nur alle möglichen Kombinationen durchprobieren!“ Davis krempelte die Ärmel hoch und wollte schon beginnen, aber Tai hielt ihn zurück. „Wir wissen aber nicht, ob nicht etwas Furchtbares passiert, wenn wir einen Fehler machen. Wir könnten eine Falle auslösen. Besser, wir denken das Rätsel bis zuende durch.“ „Du hast recht“, seufzte Davis. „Ähm, wenn ihr diese Platten anseht, woran denkt ihr da?“, fragte Sora plötzlich. Die anderen sahen sich nochmal um. „Ein Kreis?“, schlug Davis geistlos vor. „Also ich denke an eine Uhr“, sagte die ehemalige Schwarze Königin. „Es sind zwölf Platten. Und wo der Sonnenstrahl sie berührt hat, da ist der Anbeginn. Mit anderen Worten, zwölf oder null Uhr.“ „Du hast recht!“, rief Yolei. Davis wurde langsam neidisch – er hatte noch keine sinnvolle Theorie gehabt. Er nahm sich vor, sich doppelt so sehr anzustrengen. „Das heißt, jede Platte steht für eine Uhrzeit“, fasste Matt zusammen. „Und wo die Hinweise im Rätsel versteckt sind, ist auch recht eindeutig.“ Tai nickte. Ausnahmsweise schienen sie den gleichen Gedanken zu haben. „Es sind diese magischen Dinge. Magisch ist der Besiegten Mühe, nicht umsonst ihr Opfer sei. Magisch ist des Feindes Macht, an allen Ecken regiert das Böse. Magisch sind stets Ende und Anfang.“ „Fangen wir mit dem Ersten an. Wer könnten diese Besiegten sein?“, fragte Izzy in die Runde. „Also wenn die Türme die Sieger sind, dann sind wohl all die Gebäuderuinen die Besiegten, oder?“, sagte Veemon. Alle starrten es an. „Was … habt ihr?“, fragte es unsicher. „Veemon“, flüsterte Davis scharf. „Das nächste Mal erzählst du es mir vorher, wenn du einen guten Einfall hast!“ „Was denn? Vielleicht stimmt es ja nicht mal.“ „Doch, ich glaube, es stimmt.“ Yolei stand nahe am unteren Ende des Kreises, oder bei fünf Uhr, wenn man Soras Theorie glaubte. „Hier, das Gebäudefundament ragt ganz nahe an diese Platte heran.“ Die anderen traten an ihre Seite. Tatsächlich sah es aus, als würden die grauen Linien, die von dem Bauwerk übriggeblieben waren, auf diese eine Druckplatte zeigen. „Gut gemacht“, sagte Tai grinsend. „Sie gehört dir, stell dich darauf.“ „Bis du sicher, Tai?“, fragte Izzy zaghaft. „Wenn es falsch ist …“ „Wir müssen irgendwann anfangen, etwas zu wagen. Wenn ihr wollt, stelle ich mich selbst ...“ Er schluckte den Rest des Satzes hinunter, als Yolei mit einem dramatischen Schritt auf die Platte trat. Nichts geschah, sie sank auch nicht ein oder Ähnliches. Izzy stieß erleichtert die Luft aus. „Also gut, zum Nächsten. Des Feindes Macht. Worauf könnte das anspielen?“ „Den DigimonKaiser“, sagte Matt. „Diesmal bestimmt. Die Prophezeiung wurde geschrieben, um ihn zu besiegen. Das heißt, sie sieht auch ihn als Feind voraus.“ „Und wo auf der Uhr ist dann der zweite Punkt?“, fragte Yolei. „Ist es sein Alter? Da gehen uns die Platten aus, fürchte ich.“ Nun waren sie in eine Sackgasse geraten. Die Sonne wanderte weiter, und Davis hoffte, dass sie nicht die Null-Uhr-Platte beleuchten musste, damit der Mechanismus funktionierte. Immerhin, sie waren definitiv auf der richtigen Spur! Das gab ihnen Durchhaltevermögen. Irgendwann begannen dennoch ihre Mägen zu knurren. Auch die Müdigkeit meldete sich mit brutaler Härte. Davis fiel es immer schwerer, sich zu konzentrieren. Sie waren seit über vierundzwanzig Stunden auf den Beinen und strengten ihre grauen Zellen an. Auserwählte DigiRitter oder nicht – bald würden sie einfach umfallen und einschlafen. Da sie nur kurz fortbleiben wollten, hatten sie kaum Essen mitgenommen. Yolei teilte bereitwillig ihre Vorräte mit ihnen: getrocknete Beeren und einige Streifen Pökelfleisch. Es reichte nicht, um ihren Hunger zu stillen, fachte aber die Müdigkeit neu an. Auf der Suche nach Inspiration stromerten sie jeder für sich über den Platz, darauf bedacht, auf keine der Platten zu steigen. Yolei hatte von ihrer eigenen abgelassen, nachdem nichts passiert war. Die Sonne stand bald so hoch, dass sie einen der beiden Wachtürme umrundet hatte, auf seiner anderen Seite hervorlugte und Davis blendete. „Magisch ist des Feindes Macht. An allen Ecken regiert das Böse“, murmelte Sora immer wieder vor sich hin. Und plötzlich wusste Davis die Lösung. „Die Türme! Es sind die Schwarzen Türme!“ Stolz drehte er sich zu den anderen um und erntete endlich bewundernde Blicke. „Die Türme verbreiten die Macht des DigimonKaisers. Darauf hätten wir wirklich selbst kommen können“, meinte Izzy verlegen und kratzte sich am Kopf. „Wir sind wirklich schon zu lange wach.“ Davis war aber noch nicht fertig. „An allen Ecken lauert das Böse – das ist der nächste Hinweis! Ein schwarzer Turm hat neun Ecken! Die zweite Platte ist die auf neun Uhr!“ Diesmal waren sie wirklich überrascht von seinen geistigen Leistungen. Tai klopfte ihm sogar anerkennend auf die Schulter. Davis stellte sich auf die Platte, die er erobert hatte, entschlossen, sie nicht wieder herzugeben. „Fehlt nur noch eine“, meinte Matt. „Magisch sind stets Ende und Anfang.“ Mit neuem Eifer stürzten sie sich auf die letzte Zeile der Offenbarung, und so dauerte es nicht lange, bis sie auch diese entschlüsselt hatten. „Die Antwort haben wird doch eigentlich sogar schon gefunden“, meinte Sora. „Weil es eine Uhr ist. Darum fallen Ende und Anfang auch zusammen, auf eine einzige Stelle. Die letzte Platte ist die, auf die der Lichtstrahl gefallen ist. Zwölf beziehungsweise null Uhr.“ Tai nickte ihr zu. „Sie gehört dir.“ Selbstsicher trat Sora auf die oberste Platte. Davis kam um vor Spannung. Yolei lief nach fünf Uhr und sprang regelrecht darauf. „Dann zeig deine Schätze mal her, du seltsame Insel!“, rief Davis, und in dem Moment machte es irgendwo unter ihnen Klonk. Ein Surren ertönte, dann zerbröckelte plötzlich der Boden im Kreisinneren. Die anderen DigiRitter machten, dass sie von dort fortkamen. Das Material löste sich auf wie Asche. Darunter kam ein Felsenkrater zum Vorschein, in dessen Zentrum etwas lag: Das eine sah aus wie eine hellblaue Lichtkugel, das andere … „Ein Goldenes DigiArmorEi?“, fragte Davis verwundert. „Es gibt ein zweites?“ Er stieg von seiner Platte, ohne nachgedacht zu haben, so benebelt fühlte er sich inzwischen vor Müdigkeit, doch es passierte nichts mehr. Der Mechanismus war ausgelöst und zum Stillstand gekommen. Sie kletterten alle den Krater hinunter. Ihre DigiVices begannen zu glühen, mit jedem Schritt ein wenig heller. „Wer soll es bekommen?“, fragte Tai, als sie vor den beiden Gegenständen standen. „Unsere DigiVices leuchten alle.“ Izzy schien sich über etwas Gedanken zu machen. Er nahm sein DigiVice in die Hand und richtete es auf ihre Schätze. Wie schon vorher Willis‘ Ei das Licht daraus angezogen hatte, stach auch nun ein heller Strahl daraus hervor – doch er richtete sich nicht auf das goldene Ei, sondern auf die Lichtkugel. Die DigiRitter zuckten zusammen, als die Kugel regelrecht explodierte. Je ein Strahl hellblaues Licht schoss in jedes ihrer DigiVices. Andere Lichtbänder fuhren himmelwärts und verteilten sich dort. Vor ihren Augen tummelten sich rote Streifen, als die Lichter verglommen waren. Die Kugel war verschwunden. „Ich fühle mich plötzlich so … anders“, meinte Agumon. „Ich auch“, bestätigte Gabumon. „Als müsste ich vor nichts mehr Angst haben.“ „Piyomon, du auch?“, fragte Sora. „Oh ja! Es fühlt sich toll an! Ich bin überhaupt nicht mehr müde! Es ist … als könnte mich niemand mehr daran hindern, zu kämpfen.“ Die DigiRitter sahen einander an. „Es ist nur eine Vermutung …“, begann Izzy, und sofort sagte Tai: „Vermutungen haben uns heute weit gebracht. Spuck’s schon aus.“ „Gut. Es könnte doch sein, dass unsere Digimon nun auch in Gebieten digitieren können, in denen Schwarze Türme stehen.“ Tai stieß einen Pfiff aus. „Das wäre unglaublich! Wie bist du darauf gekommen?“ „Piyomon meinte, niemand könnte es mehr am Kämpfen hindern. Wenn ihr alle so etwas Befreiendes spürt“, sagte Izzy zu den Digimon, „und wir mit diesen Schätzen angeblich den DigimonKaiser besiegen können, muss sich etwas verändert haben. Irgendeinen Vorteil brauchen wir – und wir haben schon erfahren, dass dieser Mechanismus und alles installiert wurden mit dem Gedanken, dass die Schwarzen Türme die Macht des DigimonKaisers darstellen.“ „Klingt nachvollziehbar, soweit mein müde Kopf das zu sagen vermag“, murmelte Matt. „Und die anderen Lichter?“ „Ich schätze, wir haben die Kraft in dieser Kugel irgendwie freigesetzt. Wahrscheinlich kann nun jedes Digimon eines Menschen unter Schwarzen Türmen digitieren. Wir müssen es freilich noch ausprobieren.“ „Schön“, sagte Davis grinsend. „Dann zurück zu der anderen Frage, damit wir endlich von hier fort und eine Mütze Schlaf nachholen können. Wer bekommt das Ei?“ „Finger weg“, sagte Tai. „Du bist der Einzige von uns, der schon zwei ArmorEier hat.“ Davis schmollte beleidigt, während die anderen nacheinander versuchten, das Ei zum Erstrahlen zu bringen. Hochheben konnte es ein jeder, doch niemandem gelang die Armor-Digitation. „Schön“, seufzte Tai schließlich, als er es selbst versucht hatte. „Davis, jetzt bist du dran. Wenn es nichts wird, nehmen wir es mit und lassen es die anderen probieren.“ Ohne große Hoffnungen nahm Davis das ArmorEi in die Hand. „Erstrahle!“, befahl er. Und das Ei erstrahlte.     Ken war irgendwann über den verwinkelten Metaphern des Rätsels eingenickt. Als er erwachte, war es früher Vormittag. Da ihn die Enge seines Zimmers plötzlich erdrückte, verließ er ausnahmsweise mal wieder die Festung, um sich die Beine zu vertreten und einen freien Kopf zu bekommen. Er war gestern keinen Zoll weitergekommen. Einige Wolken tummelten sich im Osten, und sie ließen den Himmel rosa leuchten. Ken empfand das fast als Omen. Irgendetwas lag in der Luft, etwas Drückendes, ein Geruch, der von einem baldigen Ende kündete. Nur – war es sein Ende oder das Deemons? Er schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. In letzter Zeit befiel ihn eine derartige Melancholie ständig, wie als Ausgleich zu seiner plötzlichen Gleichgültigkeit. Er musste schleunigst das Spiel zuende bringen, koste es, was es wolle! Wormmon hatte noch geschlafen, als er aufgestanden war, doch als er in die Festung zurückkehrte, wartete es mit einem behelfsmäßigen Frühstück auf ihn. Ken zwang sich zu einem Lächeln, und die beiden aßen stillschweigend. Später traf er sich mit Oikawa. Vielleicht war er bei dem Rätsel auf etwas gestoßen. Zu zweit diskutierten sie darüber, ließen sich das Mittagessen in Oikawas Gemächer bringen und diskutierten weiter, bis Ken langsam die Hoffnung verlor, je hinter diese merkwürdige Prophezeiung zu kommen, die Deemon gegen ihn aufgestellt hatte. Vermutlich war es überhaupt erst ein Rätsel geworden und keine simple Anleitung, weil das Digimon damit gerechnet hatte, dass Ken die Inschrift finden könnte. Dann, irgendwann, als sie schweigend über dem Text brüteten, geschah es. Das Licht kam direkt durch die Decke des Raumes. Zwei leuchtend Spiralen schossen quer durch den Raum und bohrten sich in Kens und Oikawas DigiVices. Alarmiert sahen sich die beiden an. Wormmon und Datirimon unterbrachen ihr Spiel und blickten verwundert auf. „Hast du das auch gespürt?“, fragte Oikawas Partner. Wormmon nickte zögerlich. Ken wartete mit angehaltenem Atem, ob noch etwas passierte. Dann nahm er Kontakt mit Deemon auf. Ich vermute, du wirst nicht mal Türme verlangen, wenn ich dich jetzt frage, was das Licht eben zu bedeuten hatte? Deemon lachte nur. Das war Antwort genug. Ken stand auf und strich sein Cape glatt. „Wir können aufhören“, sagte er zu Oikawa. „Die anderen haben es gelöst.“ Der schwarzhaarige Mann runzelte besorgt die Stirn. „Trommel Arukenimon und Mummymon zusammen. Wir treffen uns im Besprechungssaal.“ Als er zur Tür hinausging, legte er sich bereits die Worte zurecht, die er an sie richten würde. Und er wappnete sich schon gegen die Einwände, die sie gegen seinen Notfallplan haben würden. „Dein letztes Stündlein hat geschlagen, Ken“, ließ Deemon plötzlich vernehmen. Für einen Moment verharrte Ken mitten im Tritt, und etwas Kaltes schien nach seiner Seele zu greifen. Entschlossen schüttelte er es ab. Und wennschon.     „Bisher waren überall, wo man hinsieht, Schwarze Türme. Und jetzt, wo wir einen brauchen, finden wir keinen“, murrte Kari. „Das liegt daran, dass die Rebellen ihr Shogunat wieder so sauber wie vorher haben wollten“, sagte Nefertimon. Die beiden flogen luftiger Höhe über ein Gebiet von Reisfeldern und grünen Hügeln. Kari konnte nicht sagen, dass sie die Zeit alleine mit ihrem Digimon nicht genoss. Viel zu selten war sie in letzter Zeit ihren Pflichten als Königin entkommen, selbst wenn diese nur darin bestanden, ständig bei ihrem Volk zu sein. Allerdings war selbst die frische Luft an einem kühlen Tag wie diesem schwer und bedrückend, wenn nicht allzu weit entfernt ein feindliches Heer dräute. „Versuch es ein paar Kilometer westlich“, knarrte Michaels Stimme aus ihrem Headset. „Aber sei vorsichtig, das ist Feindesland.“ Natürlich ist es das, dachte sie, wusste aber, was er meinte. Wenn sie in Reichweite des Heeres kam, das sich zwischen Wüste und Bucht sammelte, hatte sie ein mächtiges Problem. Izzy hatte Michael kontaktiert, als sie sich auf den Rückweg von der Hand-Insel gemacht hatten. Damit sie keine wertvolle Zeit verloren, sollten die DigiRitter, die in Little Edo geblieben waren, seine Theorien überprüfen, und Kari hatte sich sofort freiwillig gemeldet. Nach wenigen Minuten tauchten tatsächlich Türme am Horizont auf. Nefertimon hielt auf den nächstbesten zu: Er stand in einem kleinen Dorf aus Strohhütten. Einwohner sah man keine. Das Gebiet lag schon außerhalb des Shogunats, weswegen sie noch nicht das Risiko eingegangen waren, es zu befreien. Nefertimon landete etwas außerhalb der ersten Gebäude, um ganz sicherzugehen. Kari stieg ab und ihr Digimon wurde wieder zu Gatomon. Kari nickte ihm zu – und im selben Moment spien die Strohhütten Dutzende von Digimon aus – kleine, niedliche Monsterchen mit beigem Fell und Mützen auf dem Kopf, die wie Hamburger mit Sesam aussahen. Sie alle hatten Schwarze Ringe um den Leib und stürmten aggressiv auf Kari zu. Im gleichen Moment leuchtete Gatomon auf, und Angewomons Engelsgestalt ragte hinter Kari auf. Sie stieß einen Jubelschrei aus. „Es hat geklappt!“ „Vorsicht!“ Angewomon packte sie an der Hüfte und hob sie hoch, als die kleinen Digimon sie erreichten und offenbar versuchten, sie zu beißen. „Lass uns wieder verschwinden, Kari.“ „Warte noch!“, rief Kari, als die Engelsfrau schon mit ihr fortfliegen wollte. Die versklavten Digimon, die wie verrückt zu ihr emporzuspringen versuchten, taten ihr leid. Sie wollte wenigstens den Turm zerstören – auch wenn der DigimonKaiser dann garantiert von ihrer Anwesenheit hier erfuhr. Da kam ihr ein Geistesblitz. Gennai hatte versprochen, dass sie die Möglichkeit bekommen würden, die Macht des DigimonKaisers zu brechen. Tatsächlich konnten sie nun selbst im Schatten der Schwarzen Türme digitieren, aber das brachte gar nichts, solange Ken – sie war sich mittlerweile sicher, dass er dahintersteckte – seine Geiseln kontrollieren konnte wie Schwarzringdigimon. Andererseits waren die Schwarzen Ringe ebenfalls auf die Macht der Türme angewiesen, und es war Karis DigiVice, das nun diese Macht übertrumpfen und Gatomon digitieren lassen konnte. Kurz entschlossen richtete sie ihr D3-DigiVice auf die wütende Digimon-Meute. Warmes, weißes Licht strömte aus dem Display und hüllte die kleinen Wesen ein – und plötzlich hielten sie inne, blickten verwirrt umher und betasteten schließlich die Ringe an ihren Körpern. Kari lächelte. Es funktionierte tatsächlich – sie konnten sogar versklavte Digimon befreien! Vielleicht hätten sie das sogar damals gekonnt, als Azulongmon ihnen schon einmal die Macht gab, in der Nähe von Türmen zu digitieren, aber damals hatte es keine Schwarzen Ringe mehr gegeben. Das musste sie den anderen sofort mitteilen! Zuvor galt es jedoch noch etwas zu erledigen. Mit einem letzten Blick auf den Schwarzen Turm, der so unheilvoll und doch so hilflos über dem Dorf thronte, sagte sie zu den Burger-Digimon: „Wenn ihr frei sein wollt, kommt mit. Wir bringen euch in Sicherheit.“   Staring shapeless shadows Under the sky of hallow Prepare to be the chosen hero Release the force to us (Celesty – Unreality) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)