The Wolves among us von UrrSharrador ("Die Werwölfe erwachen. Sie wählen ihr heutiges Opfer ... Die Werwölfe schlafen wieder ein." [Video-Opening online]) ================================================================================ Kapitel 10: Der Gestank von Schießpulver ---------------------------------------- ~ 10 ~   Er wachte in seinem Zimmer auf, ohne zu wissen, wie er dorthin gekommen war. Draußen rauschte der Regen, ununterbrochen, und tötete alle anderen Geräusche ab. Naruto lauschte. Grub in seinem Gedächtnis. Wut kam mit den Erinnerungen. Das Ratespiel. Die E-Mail. Ein nackter Mann mit einem Streichholz. Im Süden ist das Wasser säurehaltig. Eine Kugel glüht über einem Stock. Geht nach Norden und findet den Schatz. Naruto lag da und fragte sich, ob er dabei war, den Verstand zu verlieren. Ein Bild aus seinen Träumen echote durch seinen Kopf. Hinata, an eine Wand genagelt wie an ein Kreuz. Und blaues Blut, das aus ihr tropfte und abstruse Muster zeichnete. Die Erinnerung durchfuhr ihn wie ein fiebriger Blitz. Er wälzte sich aus seinem Bett, seine Beine wollten sein Gewicht nicht tragen. Mit schwarzen Punkten, die vor seinen Augen tanzten, ging er zu Boden, kroch mit zusammengebissenen Zähnen zu seiner Tür. Es hatte einen Traum gebraucht, damit er sich an Hinata erinnerte. Was zum Teufel hatten sie ihm gegeben? An der Klinke zog er sich in die Höhe. Sie fühlte sich kalt und scharf an in seiner Hand, wie ein Messer, das da aus der Tür ragte. Und sie ließ sich nicht bewegen, war nicht nur abgeschlossen, sondern fixiert. Naruto sah auf den Wecker auf seinem Nachtkästchen. Neun Uhr abends. Kurz nach Zimmerzeit. Verdammt! Er schlug mit der flachen Hand gegen seine Gefängnistür. Sie schmerzte – von den vielen anderen Türen, gegen die er heute gepocht hatte, ebenso vergebens. Fast eine Stunde lang lehnte er sich gegen die Tür. Nichts als ein stöhnendes Heulen verließ seine Kehle. Er weinte nicht, wenigstens weinte er nicht. Aber jeder Ruf hätte seine geschundenen Stimmbänder gequält. Naruto kam es wie das Heulen eines Wolfes vor. Als es auf zehn Uhr zuging, verstummte er. Ab zehn hatte jeder ruhig zu sein, und er wollte nicht noch einen Schuss bekommen, der ihn für Stunden an einen Ort schickte, der ihn am liebsten in Wahnsinn ertrinken lassen wollte. Er vergrub sich in seinem Bett, tief unter Kissen und Decke. Sein Magen knurrte; er hatte das Abendessen verpasst, aber ihm war gleichzeitig so übel von dem Mittel, dass er sich garantiert übergeben hätte. So lag er da, halb krank vor Sorge. Waren die anderen in Ordnung? Was war mit Hinata? Er spürte Müdigkeit in sich anschwellen und kämpfte gegen den Schlaf an. Nicht schlafen, dachte er, während sich alles um ihn herum drehte. Eine Nachwirkung des Medikaments? Er schob den Kopf unter der Decke hervor, um aus dem Fenster zu sehen. Auf der Scheibe prangte, blau und glühend, ein hingeschmiertes Muster. Nicht schlafen, nachts kommen die Werwölfe. Und er schlief doch.   Die Visite am nächsten Tag war wie die gestrige. Der Zwischenfall wurde mit keinem Wort erwähnt. Magister Hinx erwarte ihn um neun Uhr zur Gruppentherapie. Das war alles. Wie ein Zombie trottete er zum Frühstück in den Speisesaal. „Naruto!“ Sakura stürmte auf ihn zu und schloss ihn kurz in die Arme. Ihre Augen hatten tiefe Ringe. „Alles okay? Du siehst schrecklich aus.“ Er brachte ein schmales Lächeln zustande. „Du auch nicht viel besser.“ Sakura atmete erleichtert auf. Sie saßen wieder alle am selben Tisch, sogar Sakons Bande. Ein Aufenthalt in dieser Anstalt schien selbst verschiedene Welten zusammenzuschweißen. Kidoumaru sah von allen am übelsten aus: Die Hälfte seines Gesichts war geschwollen und ihm fehlte ein ganzes Büschel Haare. „Er hat sich mit einem Patienten angelegt“, flüsterte Sakura, als sie Narutos Blick bemerkte. „Hat ihn angeblich beim Mogeln erwischt.“ „Aha.“ Es interessierte Naruto nicht wirklich. Nicht einmal sein Essen interessierte ihn, obwohl er einen Bärenhunger haben müsste. „Wisst ihr schon was von Hinata?“ Sakura wich seinem Blick aus. „Wir waren nochmal vor ihrer Tür. Wir haben sie nicht herausbekommen, aber sie hat wenigstens wieder mit uns geredet.“ „Was hat sie gesagt?“ „Wieder das Gleiche. Wir sollen sie in Ruhe lassen.“ „Wieder das Gleiche“, murmelte Naruto. Wie Sphinx. Er sah in die Runde. Die anderen hatten es eilig, sich auf ihr Essen zu konzentrieren, nur Sasuke blickte ungerührt drein und Kakashi mitleidig. Nicht einmal ihre Reserviertheit verletzte Naruto. „Sphinx weiß, was mit ihr los ist“, sagte er schließlich. „Ja“, sagte Tenten leise. „Ja, wahrscheinlich.“ „Nicht wahrscheinlich. Er hat mir geantwortet. Der Kerl hat Hinatas Worte nachgeahmt, sogar im Tonfall! Er hat uns sicher belauscht, er hat sicherlich zumindest eine Wanze in ihrem Zimmer installiert!“ Sakura überlegte. „Aber das ist doch eine gute Neuigkeit, oder?“, fragte sie vorsichtig. „Wenn er weiß, was in ihrem Zimmer los ist, kann er  zur Not eingreifen.“ „Sie wird sich nichts antun“, sagte Neji fest. „Nicht Hinata.“ „Gestern hattest du noch Bedenken“, sagte Ino. „Wer kann’s ihr denn verübeln?“ Kiba raufte sich die Haare. „Ich bin auch knapp vorm Durchdrehen. Von wegen Heilanstalt. Wenn wieder jemand im Nachbarzimmer mitten in der Nacht ein Lied anstimmt und dann drüber lacht, dass fast die Fensterscheiben zerspringen …“ Er packte seine Essstäbchen so fest, dass sie brachen. „Und dann diese verdammten Pfleger, und dieser elende Fraß … Ich muss hier raus. Wir müssen hier raus, oder wir werden verdammt noch mal wirklich verrückt!“ „Ich werde Sphinx zur Rede stellen“, beschloss Naruto. Als er die anderen ansah, schienen die meisten von ihnen zurückzuzucken. „Ich brauche eure Hilfe. Lasst uns sein bescheuertes Spiel boykottieren!“   „Guten Morgen!“, begrüßte Sphinx die Runde, die sich auf Stühle und Sofas verteilt hatte, fröhlich. Heute trug er eine glitzernde Achtziger-Jahre-Jacke über einem schwarzen Shirt, Jogginghosen und Flip-Flops. Schwungvoll warf er sich in seinen Therapeutensessel. „Wir wurden gestern recht abrupt unterbrochen, also fangen wir direkt an, ja?“ Die Ausgeschiedenen waren diesmal nicht eingeladen. Naruto ballte die Fäuste. Immer noch schmerzten seine Knöchel. „Zuerst sagst du uns, was mit Hinata ist“, sagte er eiskalt. „Wir spielen nicht eher mit dir, bevor wir wissen, ob es ihr gut geht.“ „Hinata?“ Sphinx tat, als müsste er überlegen. „Wer war das noch gleich?“ „Glaub nicht, dass du uns verscheißern kannst!“ Naruto sprang auf, sein Stuhl rumpelte über den Boden. Es fehlte nicht mehr viel, und er würde die Beherrschung verlieren. Diese ganze Geschichte, das Spiel, das Sphinx außerhalb seines Werwolf-Spiels spielte, zermürbte seine Nerven. „Noch sind wir nicht verrückt! Wir wissen genau, dass du Hinata etwas gesagt oder getan hast, oder dass du zumindest weißt, was mit ihr los ist! Warum kommt sie nicht mehr aus ihrem Zimmer?“ Neji stand auf, ihm zur Seite. „Ich werde auch erst weiterspielen, wenn du mit der Sprache herausrückst.“ Sakura erhob sich ebenfalls, dann Tenten, und schließlich fast alle, bis auf Sakons Clique. Sogar Deidara stand auf, und als selbst Jiroubou mitmachte, stemmten sich auch die Letzten in der Runde in die Höhe. „Wie anstrengend“, seufzte Sphinx. „Müsst ihr euren Spielleiter mit so kalten Augen ansehen? Ich habe gar nichts gemacht. Hinata geht es gut. Sie hat nur eine etwas … schockierende Entdeckung gemacht.“ „Was?“, wollte Naruto wissen. „Was hast du ausgeheckt?“ Sphinx grinste breit. „Ich sprach doch davon, den Einsatz zu erhöhen, nicht wahr? Hinata hat im letzten Spiel keinen einzigen Punkt erreicht. Da war sie nicht die Einzige, aber ich habe beschlossen die Zinsen an ihr auszuprobieren. Vielleicht bin ich da ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen.“ „Was für Zinsen? Red nicht um den heißen Brei herum!“ „Vielleicht kennt ihr Hinatas Schwester. Hanabi, wenn ich mich nicht irre. Ein hübscher Name. Ich habe nur eine kleine Bemerkung fallen lassen, wie wenig hübsch sie in ihrem Inneren ist. Schlimme Sache, das mit diesem Obdachlosenheim.“ Er schüttelte bedauernd den Kopf. „Du machst mich noch ganz kirre! Was für ein Obdachlosenheim?“ „Ach, ihr wisst es noch gar nicht?“ Sphinx lachte. „Wie auch? Bisher weiß sie es noch nicht mal selbst. Seht ihr, ich habe Beweise, dass sie in einem Obdachlosenheim mit Feuerwerkskörpern hantiert hat. Passt doch zu ihrem Namen, nicht? Dabei ist leider das ganze Heim abgebrannt und an die vierzig Menschen kamen ums Leben. Vierzig Menschenleben haben beträchtliche Macht vor Gericht, selbst wenn sie nur als Zahlen und Buchstaben auf Papier existieren, wisst ihr? Ich weiß nur noch nicht, ob ich Hanabi auch hierher holen oder ob sie gleich ins Gefängnis wandern soll. Vielleicht in eine Jugendstrafanstalt, aber das Leben dort soll ja besonders hart sein.“ „Du … du Bastard …“ Mehr brachte Naruto nicht heraus. Er fühlte sich so blutleer, wie seine Hände aussahen. Das war es also. Hinata zweifelte an sich und ihrer Fähigkeit, es hier herauszuschaffen. Und wenn sie es nicht schaffte, musste ihre Schwester leiden. Darum wollte sie auch niemanden sehen, vermutete er. Sie allein musste das Rätsel lösen. Niemand durfte ihr helfen. Sakura presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Naruto wusste, was sie dachte. Sie hatte erzählt, wie Hinata sich nichts hatte anmerken lassen, als sie am Vortag Sphinx‘ Büro verlassen hatte. Sie war mehr als tapfer gewesen. „Bitte“, murmelte sie. „Können wir es unseren Freunden erzählen, damit sie sich um Hinata kümmern können?“ „Das wird nicht nötig sein“, sagte Sphinx. „Kommt rein! Ich kann Lauscher nicht leiden!“ Jetzt erst bemerkte Naruto, dass sich die Tür nicht ganz geschlossen hatte, als Sphinx hereingekommen war. Nun wurde sie aufgedrückt, und Kakashi, Ino und Kimimaro kamen herein. „In diesem Raum sind schon zwei Leute, die dir irgendwann mal den Kragen umdrehen wollen. Gerade sind es drei geworden“, sagte Ino bitterböse. So viel Einsatz für Hinata legte sie sonst eigentlich selten an den Tag. Sphinx brachte sie alle eindeutig näher zusammen. „Gib ihnen den Schlüssel, Sphinx“, bat Sakura. „Du hast einen, oder? Sie werden Hinata davon überzeugen, weiterzumachen. Ich gebe ihr die Hälfte … ach was, ich trete all meine Punkte an sie ab. Du spielst doch gerne mit Leuten, die viele Punkte machen können, oder? Auf die Weise behältst du mich länger hier.“ „Ich bin dabei“, sagte Naruto, obwohl er auch noch keine Punkte vorzuweisen hatte. Sphinx faltete die Hände und schien angestrengt nachzudenken. Schließlich lachte er leise. „Was für eine innige Freundschaft. Rührend genug, um einen kleinen Metallgegenstand fortzuwerfen.“ Er zog einen kleinen, blitzenden Schlüssel mit kompliziertem Bart aus der Tasche und warf ihn Ino zu. „Eins nach dem anderen. Bringt sie dazu, morgen wieder mitzuspielen. Danach sehen wir weiter, was sich machen lässt. Ihr habt schon recht, strenge Regeln alleine garantieren nicht den Spielspaß. Man muss auch flexibel sein.“ Naruto fiel ein Stein, nein, ein ganzer Felsen vom Herzen. Ino suchte seinen Blick. „Ich kümmere mich gut um sie“, versprach sie. Kakashi nickte ihm aufmunternd zu. „Ich danke euch“, seufzte Naruto. Nun glaubte er tatsächlich, die Tränen zu spüren, die unter seinen Lidern lauerten. „Und schließt die Tür.“ Sphinx klatschte in die Hände. „Nachdem wir nun endlich wieder für heitere Stimmung gesorgt haben, lasst uns keine Zeit mehr verlieren, ja?“ - Schiffbruch, zweiter Tag -   „Der Kapitän ist tot? Und du hast ihm den Kapitänshut aus seinen kalten Klauen gerissen, oder wie war das?“ Kidoumaru gesellte sich zu Sakon und musterte seine an Deck der Vieja Gloria gefesselten Peiniger sichtlich zufrieden. „Er hat ihn Sakon freiwillig überlassen“, sagte Tayuya und klang nicht ganz glücklich. „Ich war dabei.“   „Stimmt ja, ich bin ja soeben Bürgermeister geworden“, erinnerte sich Sakon gut gelaunt. „Ihr seid jetzt ja hoffentlich wegen eurer Freundin beruhigt, oder? Dann mal her mit euren Verdächtigungen. Wen lynchen wir heute?“ „Gute Frage“, sagte Tenten. „Ino war ein Werwolf, das wissen wir. Kann sich noch jemand erinnern, wer gestern dagegen gestimmt hat, sie zu lynchen?“ Naruto verstand – und schalt sich sofort dafür, nicht genau aufgepasst zu haben. Die Werwölfe würden natürlich zusammenhalten, aber wenn sie das zu offensichtlich taten und die Karten hinterher aufgedeckt wurden, liefen sie Gefahr, sich zu verraten. Eigentlich stand ihm der Sinn nicht nach diesem Spiel, noch weniger als sonst – aber er würde weitermachen. Er war in einer guten Position, er würde Punkte machen und Hinata damit unterstützen. Er würde all seine Freunde unterstützen, die gemeinsam mit ihm aufgestanden waren! Naruto war schon immer ein Motivationskünstler gewesen. Mit Feuereifer stürzte er sich ins Gefecht. „Neji, hast du in der Nacht was herausgefunden?“, fragte er. Es tat gut, einem Mitstreiter vertrauen zu können. Hoffentlich täuschte er sich in ihm nicht.   „Ihr werdet mit Sakon als Kapitän nicht glücklich werden“, murmelte Neji. „Hä? Was hast du gesagt?“, schnauzte der Pirat ihn an. Neji begegnete seinem Blick mutig, trotzdem er gefesselt und damit wehrlos war. „Sakon ist einer der Wolfspiraten. Sie haben eure Crew genauso unterwandert wie unsere.“ „Ich wusste es!“, stieß Tenten aus. „Die Wölfe verteilen sich über alle sieben Weltmeere, wenn’s sein muss. Sie sind auf den Schatz aus!“   „Ach kommt schon, das ist billig“, stöhnte Sakon. „Gib doch gleich zu, dass du der neue Bürgermeister sein willst.“ „Es ist die Wahrheit. Ich bin die Seherin.“ „Wenn du die Seherin wärst, hättest du gesehen, dass ich kein verdammter Werwolf bin!“ „Wenn Neji das sagt, nominiere ich dich auch fürs Lynchen“, sagte Naruto. „Somit darfst du dein eigenes Urteil moderieren, Sakon“, merkte Sphinx belustigt an.   „Ich weiß nicht, warum ich einem Galgenvogel wie dir überhaupt zuhören sollte“, grunzte Sakon. „Wolfspiraten? Unsinn!“ „Unser Kapitän ist gestorben“, erinnerte ihn Neji, „und ihr habt beteuert, nichts damit zu tun zu haben. Keiner von uns hatte Streit mit ihm, aber jetzt, da er tot ist, kommen wir nicht mehr von der Insel herunter. Keiner von uns, der das ist, was er vorgibt zu sein, kann uns nach Hause bringen. Er müsste navigieren können, die Position im Meer ermitteln können und einiges mehr. Oder kann das jemand von euch?“ Sein Blick galt Lee und Kiba, die einander einen Moment ansahen und dann die Köpfe schüttelten. „Na und?“ Sakon verschränkte die Arme. „Du redest nichts als Müll. Meine erste Amtshandlung als Kapitän wird sein, dich über die Planke gehen zu lassen, was sagst du dazu?“   „Erst stimmen wir über dich selbst ab“, sagte Sphinx amüsiert. „Du wurdest von zwei Mitspielern zum Lynchen nominiert. Vergiss die Spielregeln nicht.“   „Nur ein Pirat hätte etwas davon, Kakashi umzubringen. Also entweder einer von euch oder ein Wolfspirat“, fuhr Neji fort. „Und wie willst du erklären, dass euer Kapitän heute Nacht überraschend gestorben ist? Einer aus eurer Crew hat ihn ermordet, und ich habe dich kurz vor dem Morgengrauen mit einer Wolfsmaske gesehen.“ „Lächerlich“, sagte Sakon sofort. „Kimimaro ist wie ein Feigling von alleine gestorben, als kranker Mann. Früher oder später wäre das so oder so passiert.“ „Aber es war der ungünstigste Zeitpunkt, meint ihr nicht?“, warf Jiroubou nachdenklich ein. „Der Tag, an dem wir eine Insel mit einem unglaublichen Schatz erreichen.“ „Und plötzlich müsst ihr ihn nicht mehr durch fünf teilen“, fügte Sasuke hinzu. „Halt den Mund!“, fuhr Sakon ihn an. „Noch ein Wort, und ich reiß dir die Zunge raus!“ „Ich kann‘s ja nicht gewesen sein“, erklärte Kidoumaru, der einen Heidenspaß zu haben schien. „Ich war hier gefangen, schon vergessen? Und allein das Ding auf deinem Kopf wäre ein Motiv, Sakon.“ Sakon bedachte Neji mit einem säuerlichen Blick. „Hervorragend“, sagte er sarkastisch. „Du hast meine eigene Crew gegen mich aufgebracht. Bist du zufrieden?“ „Denk dir nichts dabei.“ Kidoumaru bohrte sich im Ohr. „Wir sind Piraten, oder? Ist doch ganz klar, dass wir nicht mal einander vertrauen.“ Der neue Piratenkapitän stöhnte auf. „Tayuya, sag’s ihnen. Du hast gesehen, wie Kimimaro gestorben ist.“ „Hab ich das?“ Sie hob grinsend eine Augenbraue und ließ Sakon damit wütend mit dem Fuß aufstampfen. „Beim Klabautermann! Bist du etwa auch scharf auf den Kapitänshut? Das ist Meuterei!“   „Na fang schon an“, sagte Deidara ungeduldig. „Bring’s hinter dich, hm.“ „Also schön“, brummte Sakon übellaunig. „Wer will, dass ich lebe, deutet mit dem Daumen nach oben. Die Arschlöcher, die mich lynchen wollen, nach unten. Eins, zwei … drei.“ Narutos Herz pochte. Er vertraute Neji zu siebzig Prozent. Wenn er recht hatte, und Ino war schließlich ein Werwolf gewesen, genau, wie er es gesagt hatte, dann waren sie auf bestem Wege, das Spiel zu gewinnen. Nejis Daumen zeigte natürlich auf Lynchen, Sakuras ebenfalls. Kidoumaru glaubte seinem Kameraden wohl auch nicht, denn sein Daumen war ebenfalls gesenkt. Narutos Blick glitt die Spieler entlang. Sakon stimmte natürlich für sich selbst, genauso wie Tayuya und Jiroubou. Sasuke und Deidara stimmten für ihn, Kiba und Lee wollten ihn tot sehen. Und Tentens Daumen deutete nach oben. „Leute, was soll das?“, rief Naruto, der Sakon natürlich ebenfalls lynchen wollte. „Wir wissen nicht, ob Neji wirklich die Seherin ist, Schlaumeier“, sagte Sasuke. „Aber wir hätten es doch sofort herausgefunden“, rief Sakura. „Nach Sakons Tod hätten wir erfahren, ob er Wolf oder Dorfbewohner war.“ „Aha!“ Kiba zog den Daumen ein, dafür deutete sein Zeigefinger auf Sasuke. „Ein Werwolf, der den anderen Werwolf schützen will?“ „Mach dich nicht lächerlich“, sagte Sasuke trocken. „Wenn Neji die Seherin ist, wäre Sakon der einzig lebende Werwolf. Keiner, der für sein Überleben gestimmt hat, könnte dann ein Werwolf sein. Im Gegenteil – die, die ihn unbedingt tot sehen wollen, sind verdächtig.“ Das musste Naruto überdenken. Sie waren verdächtig … Verdammt, Sasuke hatte recht! Daran hatte er gar nicht gedacht. Rasch versuchte er sich zu merken, wer wie abgestimmt hatte. „Das wären dann sechs gegen sechs Stimmen“, fasste Sphinx zusammen. „Da der Bürgermeister jedoch bei Gleichstand eine zweite Stimme hat, sind es sechs zu sieben. Sakon darf weiterleben. Ihr dürft einen anderen Spieler nominieren.“ „Verdammt“, murmelte Naruto. Nejis Gesicht blieb ausdruckslos. „Gut.“ Sakon wirkte hocherfreut. „Jetzt siehst du gleich, was du davon hast, Alter. Wer ist dafür, diesen Neji abzumurksen, der nichts Besseres zu tun hat, als ständig Leute anzuschuldigen?“ Vielleicht war es Sasukes Einwand zu verdanken, dass Naruto die Geschehnisse aus einem neuen Blickwinkel sah – und mit einer plötzlichen Kälte, die ihn schaudern ließ. Opfere Neji, sagte eine Stimme in seinem Inneren, eine Stimme, die von reiner Logik erzeugt worden war. Opfere ihn. Sasuke nominierte Neji ebenfalls. Somit begann eine neue Abstimmung. Sakon zählte die Sekunden. In Narutos Gehirn drehten sich die Zahnräder, angeheizt von der Idee, die ihm eben gekommen war. Tod oder Leben. Wenn Neji nicht die Seherin war, hatte er gelogen. In dem Fall hätte er sich, wenn er ein aufrechter Dorfbewohner wäre, nur selbst in Gefahr gebracht. Das hieß, dass er dann nur ein Werwolf oder ein Verbündeter der Werwölfe sein konnte, oder? Dann konnten sie ihn ruhigen Gewissens lynchen. Und wenn er doch die Seherin war … Es gab eine Möglichkeit, das zweifelsfrei festzustellen, und die stand Naruto als Einzigem offen. Er würde herausfinden, ob Neji gelogen hatte oder nicht. Ob er die Seherin war oder ein Werwolf. Wenn er jetzt starb. Naruto deutete nach unten. Er fragte sich, was Kakashi getan hätte. Die anderen jedoch teilten seine Entscheidung. Obwohl so viele gestern noch hinter ihm gestanden waren, wollten jetzt nur noch Deidara und Tenten, dass er überlebte. Die anderen hatte Sasukes Ausführung wohl überzeugt – oder sie lynchten auf gut Glück. Oder sie waren Werwölfe. Das war jetzt unmöglich festzustellen. Auch wenn seine Stimme keinen Unterschied gemacht hätte, Naruto hoffte, dass er das Richtige getan hatte.   „Jetzt mal im Ernst“, sagte Kidoumaru. „Selbst, wenn er recht haben sollte. So einem gefesselten Würstchen sollte man den Mund nur öffnen, um eine Kugel darin zu versenken.“ „Vielleicht sind diese Wolfspiraten ja wirklich auf der Insel“, überlegte Jiroubou. „Dann werden sie uns gegeneinander aufbringen wollen.“ „Möglich“, räumte auch Tayuya ein. „Und ich lasse mich sicher nicht von denen manipulieren.“ „So ist es.“ In Sakons Augen glitzerte es, als er seine Pistole auf Neji richtete. „Und wer versucht gerade, uns gegeneinander auszuspielen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass du ein faules Ei bist, Drecksammler.“ „Wartet, das könnt ihr nicht machen!“, rief Naruto. „Er hat mehr oder weniger die blonde Nobelhure auf dem Gewissen. Ein Leben für ein Leben, oder wie man sagt“, meinte Tayuya. Dass sie es selbst gewesen war, die Ino erschossen hatte, schien sie dezent zu ignorieren. Auch sie richtete ihre Pistole auf Neji, dem Schweiß auf die Stirn trat. „Hört auf, wir reden darüber, ja? Wir sind gefesselt, was sollen wir euch noch tun?“, rief Naruto. „Richtig. Ihr könnt nur versuchen, uns zur Meuterei aufzustacheln“, brummte Jiroubou. „Das würde euch natürlich zum Vorteil gereichen, aber so dumm sind wir nicht.“ Er hätte seine Muskete nehmen können, aber auch er wählte eine Pistole, um Neji zu bedrohen. „Und ich möchte den Kerl einfach so tot sehen“, erklärte Kidoumaru fröhlich. „Ihr macht einen Fehler!“, rief Naruto heiser. Was machte er sich auch die Mühe, mit Piraten zu verhandeln? Sie taten ja ohnehin, was sie wollten. Die anderen schienen zum selben Schluss gekommen zu sein. Sasuke schien gar nicht mehr zuzuhören. Nur Tenten wagte noch zu widersprechen. „Seid vernünftig, bitte. Wir besorgen euch diesen Schatz, wenn ihr Neji leben lasst.“ „Nein“, sagte Sakon. „Ihr besorgt uns den Schatz, nachdem wir ihn getötet haben. Ganz einfach.“ Damit drückte er ab, die anderen nur Sekundenbruchteile später. Trotz ihrer scheinbaren Gleichgültigkeit schrien die Gefangenen, als Nejis Blut in alle Richtungen spritzte. Tenten wohl am lautesten. Auch Naruto spürte etwas gegen seine Wange klatschen, warm und klebrig. Es war, als erinnerte sie erst der Tod wieder an ihre Menschlichkeit. An den Mast gebunden, zuckte Nejis Körper einmal heftig, dann sank er in sich zusammen, sein Gesicht kaum noch zu erkennen. Naruto kniff die Augen zusammen, so fest es ging. Die anderen murmelten sich erschrocken etwas zu, doch die Schüsse klingelten noch in Narutos Ohren. Der Gestank von Schießpulver lag in der Luft, aber er wusste nicht, ob das der Grund war, aus dem ihm die Augen tränten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)