RaA - Rescue - Rache an Ash von MiyaToriaka (Originalversion nach Franzy S.' Manuskript) ================================================================================ Prolog: Team Rocket macht Ernst (10.10.2006) -------------------------------------------- Rescue – Rache an Ash --- Das Original nach Franzy S.’ Script Prolog – Team Rocket macht Ernst (10.10.2006) Langsam hielt sie die Spannung zwischen sich und dem 15-jährigen schwarzhaarigen Jungen nicht mehr aus! Seit sie sich von seinem besten Kumpel – sein Name war Rocko – getrennt hatten, hatte er kein Wort mehr mit der Rothaarigen gewechselt. Da war es ja wohl verständlich, dass sie langsam unsicher wurde und allmählich begann, ihm Fragen zu stellen. Zwar zögerte sie anfangs noch etwas, doch dann nahm sie all ihren Mut zusammen und schloss nach vorn zu ihm auf. Auf Grund ihrer Unsicherheit und da er es ja - JA nicht bemerken sollte, schlich sie eher, als dass sie lief, hinter ihm her. Das sollte sich nun ändern. „Ash, was ist los mit dir? Seit du Rocko und mir erzählt hast, dass du nach Alabastia musst, hast du kein Wort mehr mit mir gesprochen und zu ihm hast du auch nur gesagt, ‚Dann mach’s mal gut, Rocko. Wir sehen uns bestimmt bald wieder’. Danach hast du dich einfach umgedreht! Was denkst du, wie er nun über seinen besten Freund seit 5 Jahren denkt, hm?“ Es ging einfach nicht. Ihre Worte hatten so gut wie keine Wirkung auf ihn. Zwar seufzte er kurz und sah Pikachu an, Misty jedoch würdigte er keines Blickes. Abrupt und etwas verärgert über diese Aktion blies Misty die Backen auf und blieb mit einem zornigen Fußtritt auf den weichen Waldboden stehen. Wie konnte er nur so ignorant sein?! Immerhin redete sie mit ihm und er – er dachte wohl, das wäre alles nur ein Spiel! Arrogant stemmte sie eine Hand in die Hüfte, mit der anderen hielt sie ihren kleinen Pokéfreund Togepi sanft trotz dieser Stimmung fest: „Hm! Also gut, du ‚Meistertrainer’! Dann geh doch allein weiter und rede mit Pikachu über dein Vorhaben! Mir reicht’s!“ Sie wollte umdrehen und gehen. Wie konnte sie es nur all die Jahre mit so einem aufgeblaßenen, sturen, arroganten Typen… „Nein! – Warte, bitte!“ Nun drehte er sich doch um, doch in seiner Stimme konnte Misty nicht nur Missfallen, sondern irgendwie auch Traurigkeit und Besorgnis hören. Bestimmt würde er nicht wollen, dass sie das mitbekäme. Nun ja, Misty war nicht gerade der Typ, der ein kaltes Herz besaß und wendete sich Ash mit einem mürrischen „Was ist denn jetzt?!“ zu. Sein Anblick ließ sie kurz den Atem anhalten. Seine Augen, die fast verdeckt waren von seinem allseits bekannten Cappy, sahen mehr als einfach nur traurig aus. Nein, da musste noch mehr sein. Seufzend ging sie ein paar Schritte auf ihn zu, Togepi wieder vollständig umklammert. „Jetzt red doch schon. Denkst du, ich falle dich gleich an, oder was?“, versuchte sie die Stimmung zu lockern. „Tut mir Leid…“ Plötzlich waren seine Augen ganz verdeckt. Misty verstand dies irgendwie nicht und brachte in diesem Fall nur ein für diese Situation unpassendes „Hä?“ raus, weil sie diese Aktion absolut nicht nachvollziehen konnte. Für was war denn dieses „Tut mir Leid“? Auch, wenn sie ihre Neugierde gerne gestillt hätte, so wollte sie ihn nicht noch mehr verletzen, als er es anscheinend ohnehin schon war und schwieg. „Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertrauen würde… Denk das ja nicht! Immerhin sind wir schon so lange Freunde! Aber das, was ich in Alabastia vorhabe, kann ich dir erst sagen, wenn wir dort sind – verstehst du?“ Jetzt sah er sie an. Gefühlvoll, ehrlich, richtig ernst, wie Misty ihn vorher noch nie gesehen hatte. Was war nur mit seinen Augen und warum sahen sie sich so intensiv an? Und warum zum Geier verstand sie ihn voll und ganz mit seiner Bitte? Wieso war ihr das von Anhieb klar? Und wieso antwortete sie darauf – noch dazu mit einem Lächeln! – sofort mit „Natürlich.“ Sofort fiel von Ash sämtliche Anspannung. Leise seufzte er. Dann lächelte er auch kurz, drehte sich allerdings sofort wieder weg. Wieder verstand Misty nur die Hälfte und das, obwohl sie normalerweise die reaktionsschnellste von den beiden war. Misty musste es Ash kurz darauf gleich tun und über ihre Gedanken hinweg auch seufzen. Still wie die letzten drei Stunden zuvor auch folgte sie ihrem Teamkollegen wieder etwas mutiger, vielleicht auch getrieben von der Neugierde, was sie in Alabastia erwarten würde. Moment – da fiel ihr was auf. Etwas sehr, sehr Eigenartiges. Etwas, womit sie nie gerechnet hätte. Sie machte große Augen und blieb erneut stehen, schaute Ash nach, der schon wieder hundert Meter Vorsprung hatte. Anscheinend hatte er jedoch sofort Mistys erneute Abwesenheit bemerkt. Allmählich blieb er stehen und drehte sich zu ihr um. „Was hast du denn? Bist du jetzt angewurzelt, oder was?“ Genervt legte er den Kopf schief als warte er darauf, dass sie ihm sofort folgen würde. Jedoch blieb sie wirklich wie ein Baum starr stehen. „Hm?“ Diesmal war es Ash, der nichts verstand. Nach ein paar Minuten ging er dann doch auf sie zu. Ohne mit der Wimper zu zucken, schielte er sie misstrauisch an und fuchtelte mit einer Hand vor ihren Augen rum. „Halloho?! Jemand zu Hause? Misty, du hältst schon wieder den ganzen Verkehr auf! Wir wollten doch vor Anbruch der Dunkelheit aus dem Wald raus, oder? Das schaffen wir aber nur, wenn du deinen lahmen Hintern jetzt endlich mal von der Stelle bewegst und mit Schritt hältst.“ Misty wurde knallrot vor Wut. Hatte er eben „lahmer Hintern“ gesagt?! Noch dazu zu IHREM?! Jetzt reichte es wirklich! „Ash Ketchum! Wenn ich dich in die Finger kriege, dann BETE, dass du bloß EIN blaues Auge haben wirst! Was zu viel ist, ist zu viel! Seit Jahren höre ich mir das schon an und langsam hat meine Sanftheit ein Ende!“ Sie war schon drauf und dran Togepi abzusetzen, damit sie Ash einmal auf eine ganz andere Art und Weise die Leviten lesen konnte, jedoch kam ihm dieser mit einem Wortgefecht zuvor: „DAS nennst du Sanftheit? Himmel, ich wünschte, ich hätte mal deine Sanftheit jemals zu Gesicht bekommen! Jedes Mal, wenn man dir helfen will, gehst du gleich an die Decke und machst einen auf ‚Ich bin ja so stark und cool alleine’! Ich hab langsam auch mal die Nase gestrichen voll, dass, wenn man dir mal seine Hilfe anbietet, du danach immer nur ausrasten und dich nicht mal zu einem kleinen ‚Dankeschön’ überwinden kannst! Ich bin schließlich nicht dein Haustier, kapiert?! Komm, Pikachu!“ Etwas irritiert starrte das kleine Pokémon zu den Kontrahenten, die es eigentlich beide sehr gern hatte und wurde jetzt regelrecht hin und her gerissen. Ohne jegliche Worte weiter an das hysterische Mädchen zu verlieren drehte Ash sich nämlich ruckartig um und ging den Weg weiter, den er eigentlich mit Misty zusammen gehen wollte. Die jedoch war gerade von Ashs Worten irgendwie so perplex, dass sie sich erst Recht nicht mehr bewegen konnte. Stattdessen… „Warum…?“ Auch, wenn sie es nur gehaucht hatte… Auch, wenn er es vielleicht nicht hätte hören sollen, so blieb Ash nun doch stehen, wendete sich ihr aber nicht zu. Er blieb lediglich stehen und wartete. Doch worauf? Misty senkte etwas geknickt den Kopf. Eigentlich glaubte sie bis eben, momentan das glücklichste Mädchen der Welt zu sein – doch jetzt… nach dieser knallharten Wahrheit mochte sie die Gedanken, die sie schon seit einer Weile hatte, vor ihm gar nicht mehr aussprechen. Und doch, sie tat es. „Ash, wieso…“ Vielleicht, um ihr eigenes Gewissen wieder rein zu bekommen, „… willst du mich bei dieser Reise…“ Vielleicht, um Klarheit zu bekommen, „… eigentlich dabei haben…?“ Oder vielleicht einfach nur, um endlich zu erfahren, was diese Leere in ihr bedeutete, wenn sie Ash nicht sehen konnte… „Bitte“, immer noch hatte sie eher einen Flüsterton in ihrer Stimme, als dass sie ihn dies alles direkt fragte, dennoch schaute sie ihn jetzt intensiv an wie kurz zuvor er sie. „Antworte mir, Ash…“ Das ist doch nur alles, was ich wissen möchte… Mehr nicht… „Wieso hast du Rocko weggeschickt? Und wieso sollte ich mit dir nach Alabastia kommen? Etwa, weil du dich mit mir streiten willst? Weil du mir sagen möchtest, dass unsere Freundschaft vorbei ist, jetzt, wo du fast alles erreicht hast?“ „Hör auf…“ Ashs Hände begannen plötzlich zu zittern. Er mochte es gerne unterdrücken, aber irgendetwas wehrte sich vehement im Innern gegen ihn. So sehr er es auch versuchte, er schien zu schwach gegen sich selbst zu sein, weshalb auch immer. „Wenn du mir das sagen möchtest, wieso sagst du es dann nicht hier und jetzt, anstatt mich immer noch weiter mit dir zu schleppen und dabei nicht nur mich, sondern auch dich zu verletzen?!“ „HÖR AUF!!!“ Misty schien es wirklich zu weit getrieben zu haben, denn nun war Ash es, der sie anbrüllte und dabei völlig außer Atem kam, vielleicht auch gar nicht selbst merkte, was diese Worte in ihm auslösten. Auch Misty schien etwas im Hals stecken geblieben zu sein. Immer noch waren sie zig Meter voneinander entfernt, spürten aber genau, dass jeder den anderen mit seinen Blicken zu durchbohren schien. Plötzlich, als zufällig beide gleichzeitig einen Schritt machen wollten, hörten sie ein eigenartiges Rascheln im Gebüsch, was sie kurzzeitig ablenkte. „ARRR!!! ARBOK!!!“ Das schlangenähnliche Koprageformte Pokémon zischte wie ein Pfeil aus dem Gebüsch und bespukte das ebenso überraschte Pikachu des Trainers mit einer Schlammbadattacke. „CHAAAAAA!!!“ Pikachu versuchte sich die Augen zu reiben, aber Arbok war schneller und umwickelte es, dass es fast keine Luft mehr bekam. „Pikachu!!!“ Ash war geschockt. Schnell wollte er seinem Freund zu Hilfe eilen, jedoch wurde er mit einem kräftigen Schlag zur Seite geworfen. Vor Schmerz schrie er auf, als er an einen Baum knallte und seinen eben geprellten Oberarm hielt. „Ash!“ Misty konnte in diesem Fall nur zusehen und rannte auf ihn zu. „Starmie, los!“ Nachdem Misty sich zu Ash runtergebeugt und sich vor ihm aufgebaut hatte, befahl sie ihrem Wasserpokémon, Pikachu zu befreien. „Pikachu… GNN! Versuch einen – Donnerblitz!“ Ash war zwar angeschlagen, aber er konnte sich immer auf seinen Kampfgeist verlassen. Mutig richtete er sich auf, schubste Misty sogar ein wenig zur Seite, die ihn besorgt anschaute. „Mach dir keine Sorgen!“, lächelte er sie mit einem starken Augenzwinkern an. „Wir schaffen das!“ Misty nickte nur und obwohl Ash so siegessicher war, umhüllte sie ein negatives und ungutes Gefühl. Irgendwas war anders. Seit wann griff Team Rocket ohne Kampfansage mit Arbok und Smogmog an? Zwar war Ash das auch aufgefallen, aber ihm lag momentan mehr daran, Pikachu zu retten. Immerhin war er nicht nur in Gefangenschaft, sondern auch verletzt. Pikachu versuchte den Angriff seines Trainers auszuführen, doch als er Arbok einen Donnerblitz verpasste, spürte er rein gar nichts davon. „Pika?!“ „Was ist los?“ Nicht nur Pikachu, sondern auch Ash war geschockt. Seit wann vertrug Arbok diese Attacken? Es war doch ein Gifttyp! „Ash, Arbok benutzt ein Schutz-Item!“ „Ein was?“ Mit hochgezogener Augenbraue und einem verstimmten Blick beäugte Ash Misty skeptisch. Misty schlug sich eine Hand an die Stirn. „Verdammt, Ash! Das ist eine Schutzcreme, die wie Gummi wirkt und dadurch auf Elektroschocks unwirksam wirkt! Jesse muss ihn damit eingesprüht haben!“ Auf einmal hörte man von weitem weg ein schrilles fieses Lachen, das nur von einer Frau stammen konnte. Zuerst schauten sich Ash und Misty irritiert um, wussten aber genau, dass sie zum Himmel blicken mussten, um das Chaoten-Trio zu Gesicht zu bekommen. „War ja klar, dass die irgendwann auftauchen…“, bemerkte Ash etwas gelangweilt und wartete darauf, dass sie sich zeigten. Jedoch war zwar der Ballon da, aber man konnte deutlich erkennen, dass nur einer in dem Ballon saß. „Mist, da ist nur Mauzi!“ „Ja, ich kanns auch hören…“, musste Misty verstimmt zum Ballon schielend Ash ausnahmsweise einmal Recht geben, bis sie plötzlich von einer Ranke gepackt wurde, Ash dagegen von einer Wickelattacke. „ARGH!“, schrieen diesmal beide gleichzeitig auf und wurden mehr als unsanft von Sarzenia und Arbok gegenseitig an des anderen Rücken geschleudert. „Was zum…!“, wollte Ash schon anfangen zu fluchen, als Misty hinter ihm laut aufkreischte: „NEIN!!! Togepi!“ In dem ganzen Wirrwarr und durch den Schmerz hatte Misty aus Versehen das kleine Eipokémon losgelassen und damit genau in Jesses Arme geschleudert, die plötzlich mies grinsend vor ihr stand, genau so wie James vor Ash, der Pikachu in einem Glaskäfig gefangen hielt und dieser schon ganz kraftlos war, weil die Kapsel ihm sowohl Energie als auch Luft raubte. „Pikachu!!! Pikachu, sag doch was, bitte!“ Ash versuchte sich kraftaufwendig gegen Arbok zu wehren, doch dieser ließ ihm keine Chance und schleuderte ihn noch einmal gegen Misty, die wie er wieder ein Schmerzverzogenes Gesicht machte. „Da staunt ihr, was?“ „Was?!“ Mehr als nur wütend starrte Ash James an, der ihn immer noch siegessicher angrinste. „Tja, Knirpse, es ist endgültig aus und vorbei mit dem netten Team Rocket! Ab sofort gehören eure Pokémon uns!“ Jesse beugte sich zu Misty herunter und kniff ihr in ihre rechte Wange. „Dachtet ihr wirklich, ihr seid uns los?“ „AUA! Das tut weh!“ Misty verpasste Jesse wütend einen Tritt in ihr Schienbein. „AAH, du kleine…! GRRR, MAUZI!!!“ Mauzi ließ den Ballon dicht über Jesse und James fliegen und schmiss ihnen etwas zu. „Jetzt mach mal keinen Terror!“ „Ist die Fallgrube endlich fertig?“, fragte James etwas missstimmig. „WAS?! FALLGRUBE?!“, riefen Ash und Misty gleichzeitig, wobei Jesse und James um sie ein Tau warfen. „Ja, schon lange, aber ihr seid einfach zu langsam“, maulte Mauzi und seufzte etwas. Der Boss wartete schließlich nicht ewig auf sie! „Ach, halt die Klappe!“, bekam das Katzenpokémon darauf in Stereo zu hören und bekam das Glas mit Pikachu an den Kopf geworfen, dass es ihn umhaute. „Was habt ihr vor?! Glaubt ihr wirklich, so einfach abhauen zu können?!“, fluchte Ash, der inzwischen mit Misty gefesselt war und sich die beiden so aneinandergekettet schlecht bewegen konnten. „Klar, euch eure Pokémon zu stehlen, war ja auch das reinste Kinderspiel“, entgegnete Jesse gelassen und deutete auf einen Sack, wobei Ash und Misty jetzt erst bemerkten, dass nicht nur Pikachu, Togepi und Starmie, sondern auch all ihre anderen Pokémon in ihren Fängen waren. „Was, wie habt ihr das…?“, möchte Misty wissen, doch anstatt ihr zuzuhören, wurde ihr und Ash ein Tritt verpasst und sie erfuhren endlich, was mit dem Wort „Fallgrube“ des Trios gemeint war. Etwas unsanft landeten sie in dem selbst gebuddelten tiefen Loch. „Na toll!“, bemerkte Ash noch knurrend, als sie dann über sich Team Rocket davon fliegen sahen. „Macht’s gut, ihr Knirpse!“ „Schreibt uns mal ne Postkarte! Oops! Achso, geht ja nicht, ihr seid ja gefesselt!“ Das Gelächter der Drei war selbst in hundert Meilen noch zu hören. „Nein! Pikachuuuu!!!“ Ash konnte nicht mehr wie nur schreien. „Pika Pi…“ So sehr Pikachu es auch wollte, aber seine Kräfte hatten ihn fast völlig verlassen und um es herum war alles nur noch verschwommen. Irgendwann brach es dann zusammen. „Pikachu, Bisasam, Endivie…!!“ „Ash…“ „Feurigel, Karnimani, Glurak…!!“ „ASH, VERDAMMT!!!“ Endlich konnte Misty zu ihm vordringen und seine Aufmerksamkeit auf sich lenken. „Hör auf hier rumzuheulen wie ein kleines Kind! Je schneller wir hier rauskommen, desto besser!“ „Und wie, Frau Oberschlaumeier?! Denkst du, wir kommen hier ohne Pokémon und gefesselten, noch dazu mit aneinandergebundenen Armen so einfach raus?!“ „Wenn wir zusammen halten, ja“, grinste das Mädchen und deutete auf einen größeren Stein, der an einer Seite der Wand rausragte. Ash verstand und versuchte gleichzeitig mit Misty aufzustehen. Zwar benötigten sie einige Versuche, aber dadurch, dass sie schon oft ein Team waren, funktionierte dies auch irgendwann. „Das dauert alles viel zu lange! Bis wir hier draußen sind, sind die schon über alle Berge!“ „Hör auf zu jammern und beweg dich! Im Gleichschritt! Und eins, und zwei!“ Dieses eine Mal befolgte Ash Mistys Forderungen und so gelang es ihnen an den Felsbrocken zu kommen. „Fertig?“ Misty sah Ash wartend an. „Fertig!“, gab dieser zurück und in gleichmäßigen Abständen machten Ash und Misty gleichzeitig eine Art Kniebeuge. Somit erzeugten sie Reibung an den Fesseln, die auch bald darauf aufgescheuert wurden und sie so frei kamen. „Mann, bin ich froh, dass wir keine Eineigen-Zwillinge sind. Das würde ich mit dir keine zwei Tage aushalten.“ Etwas rieb Misty sich die Arme, um ihre Blutung wieder in Schwung zu bekommen. „Ts! Ich nicht mal einen Tag!“, gab Ash vielleicht etwas gekränkt und auch mürrisch zurück, ohne sich das anmerken zu lassen und kletterte die Wand hoch. Misty sah ihm etwas enttäuscht nach, versuchte sich aber an das Wesentliche und nicht Ash zu halten. Immerhin galt es als erstes jetzt hier raus zu kommen und die Pokémon zu retten. Jedoch war Ash so in Rage, dass er es viel schneller schaffte, an die Oberfläche zu gelangen als Misty, denn als diese die Sonne wieder erblickte, die gerade hinter dem Horizont verschwinden wollte, sah sie Ash schon dem Ballon nachrennen, wobei dieser keine Ahnung hatte, in welche Richtung dieser geflogen war. „PIKACHUUU!!! – Ich komme, Pikachu… Halte durch!“ Misty seufzte leicht. Wieder war sie mit Ash in eine komische Situation geraten und wieder mussten sie diese, vielleicht ungewollt, zusammen ausbaden, immerhin waren die Pokémon beider weg. Trotzdem… ein bisschen mehr Mitgefühl von Ashs Seite aus, hätte Misty sich schon gewünscht… „Ash! – Warte auf mich!“ Das Einzige, was sie jetzt noch tun konnte, war zu versuchen mit ihm mit zu halten, was nun sehr schwierig werden würde… Kapitel 1: Was für eine Nacht (04.11.2006) ------------------------------------------ Kapitel 1: Was für eine Nacht! (04.11.2006) Allmählich wurde es spät. Misty hatte immer noch alle Mühe mit Ash mitzuhalten. Das ging soweit, dass sie ihn nach einer wirklich nur zwanzig Sekunden langen Atempause vollends aus den Augen verlor. Plötzlich schüttelte sie es und sie begann sich schnell die Oberarme auf und ab zu reiben. Gott, durch das viele Rennen hatte sie gar nicht bemerkt, wie kalt es inzwischen geworden war. Dieser blöde, trottelige Trainer wusste aber auch absolut nicht, wann die Schmerzgrenze erreicht war! Sie war von oben bis unten nass, denn zu allem Überfluss hatte es auch noch kurzzeitig stark geregnet, hatte eiskalte Füße und musste sogar ab und zu einmal niesen. „Ash? Ash, wo bist du?!“, fing sie dann an zu rufen. Das ging ein paar Mal, aber er antwortete einfach nicht. Wahrscheinlich hatte er sie eh vergessen und es war ihm wahrscheinlich auch völlig egal, dass sie nicht mehr da war. „Was mach ich jetzt nur…?“ Misty musste es sich im Stillen eingestehen. Sie hatte Angst. Die ganzen Geräusche um sie herum wurden immer lauter, mysteriöser und unheimlicher. Zaghaft ging sie vorsichtig einen Schritt rückwärts, krallte sich selbst immer enger und fester in die Oberarme, dass sie schon fast blaue Flecken davon bekam, was sie durch ihre Panik aber gar nicht merkte. Plötzlich spürte sie etwas im Nacken. Ruckartig drehte sie sich um. Da war nichts. Dann jedoch hatte sie das Gefühl, einen Schatten im Dickicht gesehen zu haben. „Was ist das?!“, wisperte sie verstört zu sich selbst, konnte sich plötzlich keinen Schritt mehr rühren. Sie wusste genau, wenn ihre Pokémon jetzt bei ihr wären und sie beschützen würden, wäre sie nicht gar so ängstlich – aber sie war allein. Ganz allein. Was sollte sie denn tun? Rennen?! – Gar keine schlechte Idee eigentlich, aber wie, wenn sich doch ihre Beine keinen Schritt mehr bewegten. Mit einem Mal bekam sie eine starke Gänsehaut und sie merkte, wie ihr urplötzlich eiskalt wurde. Sie spürte etwas auf ihrer Schulter und vernahm ein lautes „HA!“. „WAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHH!!!!!!!!!!“ So schnell wie Misty plötzlich rennen konnte, glaubte sie selbst nicht. Ihr war so übel zumute, dass sie unheimliche Kräfte aus sich heraus brachte und so schnell wie in ihrem ganzen Leben noch nicht ziellos durch die Gegend rannte, nur eben schnell weg von hier, raus aus diesem Wald, nach Hause! Irgendwohin – aber nicht hier! Ganz deutlich konnte sie wahrnehmen, dass sie verfolgt wurde. Das machte sie nur noch panischer und sie wusste genau, auch wenn sie nicht mehr konnte, sie musste rennen. „Ash, verdammt noch mal, wo bist du? Wieso bist du nie da, wenn man dich einmal braucht! Elender Vollidiot!“ Vielleicht dachte sie, dass ihr das Schreien helfen würde, ihre Angst etwas zu unterdrücken, doch im Gegenteil, jetzt wurde es noch schlimmer. Der Gedanke, dass Ash sie hier allein gelassen hatte, machte ihr mehr Angst und Traurigkeit als der unheimliche Schatten hinter ihr. „Und ich dachte, ich kann dir vertrauen… AAAAHHH!“ In dem Moment wurde Misty gezwungen, abrupt stehen zu bleiben, sonst wäre sie in der Dunkelheit eine Schlucht hinuntergestürzt, die in dem Augenblick vor ihr war. Das war’s! Sie war verloren. Entweder wurde sie gleich gefressen, oder sie stürzte sich selbst in den Tod. Ich hätte ihm niemals folgen dürfen… Wie naiv ich doch war! Das, so wie sie dachte, waren ihre letzten Worte. Sie wollte gerade einen Fuß voran setzen, als sie mit einem Ruck gepackt und nach hinten gezogen wurde. Misty stockte sofort der Atem. Komischerweise war es angenehm warm. – Und sogar irgendwie vertraut. Ist das etwa so, wenn man kurz davor ist zu sterben? Wieso nur waren ausgerechnet in diesem Moment ihre Gedanken Ash gewidmet? Er hatte sie doch im Stich gelassen. „Es tut mir so Leid…“ „Mensch, was machst du nur für Sachen?! Hast du den Abgrund nicht gesehen?!“ Misty starrte erschrocken auf. „Was…“ Wieder bekam sie nur ein Wispern zustande und drehte sich vorsichtig um. Sie lag mit dem Rücken auf Ashs Bauch drauf, dessen Rücken lag auf dem Boden. „Wo – kommst denn plötzlich her?“, fragte sie den total außer Atem scheinenden Jungen. „Na, du bist vielleicht…“, äußerte dieser sich mehr als verwundert. „Ich hab dich gesucht und als ich dich gefunden habe und ansprach, hast du Null reagiert! Und als ich dich dann auf die Schulter getippt habe, weil du etwa weggeratzt aussahst, bist du wie eine Furie losgerannt und hast nach mir geschrieen. Also bist du eher MIR eine Erklärung schuldig.“ Er sprach nicht weiter. Ein wenig erschrocken sah er Misty ins Gesicht. Ihm war noch gar nicht aufgefallen, dass sie geweint hat. Allerdings versuchte sie auch ihr Bestmöglichstes, das zu verstecken. „Misty, was…“ „Du Vollidiot!“ Sie versuchte sich von ihm herunter zu stoßen, um aufzuspringen und wegzurennen. – Doch er hielt sie fest und drückte sie noch näher an sich. „Du bist ja völlig aufgewühlt. Was ist denn passiert?“ Misty antwortete nicht. Immer noch hielt sie die Luft an, um ja nicht ihre Tränen preis zu geben. Mit ihrem langen orangenen Pony verdeckte sie ihre Augen, duckte sich auch ein Stück. Er ist da… Aber wieso? Er wollte doch Pikachu suchen… Wieso ist er mir gefolgt? Abrupt, aber sanft, wurde Misty aus ihren Gedanken gerissen. Sie spürte Ashs Zeigefinger auf ihrer Wange, der ihr einmal sanft entlang strich und ihr die Tränen abnahm. „Irgendwas muss doch passiert sein. Wieso redest du nicht mit mir? Was hab ich dir getan?“ Seine Hand war angenehm warm und ließ sie für wenige Minuten vergessen, wie kalt ihr wegen ihm war. Auch schloss sie kurz die Augen, wobei sie schnell merkte, dass hier etwas falsch lief. Ash war so verändert… so erwachsen, so fürsorglich, einfach so… nett… Etwas schüchtern und doch verwundert, auch irgendwie ratlos beschaute sie ihn vorsichtig. Nun schaute auch Ash verwundert. Misty hatte ihn in seinem ganzen Leben noch nie so komisch angesehen. Was sie wohl vor hat? „Was – ist denn?“ Ash wurde unsicher, deswegen auch ein wenig rötlich um die Wangen. Immer noch starrten sie sich an. Bis Misty sich wegdrehte. „Entschuldige…“, hörte man sie murmeln. „Aber wieso…“ „Lässt du mich bitte los, Ash?“ Etwas komisch blinzelte Ash Misty zu. Ihre Worte waren ganz andere als gewöhnlich. Er schaute auf seine Hände, die immer noch Mistys Bauch umfassten und sie fest an sich drückten. „Oh!“ Wieder wurde er rot und ließ sie erschrocken los. „Tut mir Leid…“ Vorsichtig stand Misty auf. Sie muss Ash wirklich durch ihr Gewicht die Luft zum Atmen genommen haben, wenn er plötzlich so komisch drauf war. Still erhoffte sie sich, dass er wieder normal werden würde, wenn sie aufstehen und ihm diese wiedergeben würde. – Andererseits… Sie konnte es nicht leugnen, dass sie Ash, so wie er gerade zu ihr war, eigentlich ganz gut leiden konnte… Aber es war eben nicht der Ash, den sie kannte. Machte ihr das Angst? „Verlang aber ja nicht, dass ich mich bei dir bedanke, nachdem wie du mich erschreckt hast!“ Rötlich und auch prüde klopfte sie sich die Kleidung ab. Ash war empört. „Denkst du etwa, ich habe das mit Absicht gemacht?“ „Es scheint dir auf alle Fälle Spaß gemacht zu haben, in der Dunkelheit um mich herum geschlichen zu sein!“ „He, was kann ich denn dafür, wenn du deine Ohren für alles Realistische dicht machst und du nicht mal mehr meine Stimme hörst?! Irgendwas musste ich doch tun! Hätte ich dich da runter springen und fallen lassen sollen? Nein, also das hätte ich nicht freiwillig zugelassen, nur über meine Leiche!“ Ash… Mistys Augen weiteten sich und sie spürte wieder, wie ihr Inneres stark gegen ihren Brustkorb hämmerte. Plötzlich war ihr nicht mehr kalt, sondern heiß. War sie etwa doch in den Abgrund gestürzt oder wurde sie hier gerade von einem Traum heimgesucht? Dennoch – irgendetwas hinderte sie vehement dagegen, sich ihm zuzuwenden. „Mensch, Misty, wir sind Freunde! Ich würde dich oder Pikachu niemals im Stich lassen.“ Keine Reaktion. Enttäuscht rappelte Ash sich auf. „Und ich dachte, wir würden uns nach fünf Jahren endlich kennen…“ Oh ja, das hatte gesessen. Entschuldigend senkte Misty langsam den Kopf und ihre Augen wurden allmählich gläsern. „Naja. Es ist spät. Wir sollten schauen, dass wir Land gewinnen.“ Ash bewegte sich langsam vorwärts und ließ Misty stehen. Diese brauchte noch eine Weile, bis sich ihr Inneres dazu bereit erklärte, ihm nachzurufen. Schnell wirbelte sie herum. „Ash, warte! Lass mich nicht allein!“ Verblüfft blieb Ash stehen. Jetzt war er dran auf den Boden zu starren und abzuwarten. „Bitte verzeih mir. Das hab ich nicht gewollt. Ich weiß auch nicht, warum ich immer so hart zu dir bin… Eigentlich möchte ich das gar nicht, verstehst du?“ Jetzt wurde Ash doch neugierig. Langsam drehte er sich um und bemerkte, dass Misty schon näher bei ihm war, als er gedacht hatte. Dabei erschreckte er sich so sehr, dass er - etwas ungeschickt - ausrutschte und Misty mit samt sich auf den Boden schmiss, wobei er noch rechtzeitig reagieren konnte und seine Hände beim Aufprall so abstützen konnte, dass sein Oberkörper nicht auf den ihren fiel. Es wurde unheimlich still. Sie konnten sich nicht einmal gegenseitig atmen hören. Sie lagen einfach nur auf dem nassen Waldboden und starrten sich atemlos und mit einer unglaublich sanften und angenehmen Röte in die Augen. Misty in seine wunderschönen braunen, und Ash in Mistys sanfte, das spiegelnde Meer zeigende blau-grünen Augen, die so wie seine in dem Moment einen Glanz hatten, die beide noch nie beim anderen zuvor gesehen hatten. Ash schüttelte beschämend den Kopf und kniff die Augen zu. „Es tut mir Leid!“ Er versuchte sich ein paar Mal aufzurichten, aber sein Körper schien aus Gummi und er fühlte sich momentan irgendwie nicht in der Lage, ihn zu beherrschen. „Schon… gut…“, stammelte Misty darauf verlegen und versuchte ebenfalls sich von seinem Anblick zu lösen, jedoch ging es ihr ähnlich wie ihm. Ihr Körper gehorchte ihr irgendwie nicht und ihre Sinne schienen sich in dem Moment total abgeschaltet zu haben. „Du… du wolltest mir doch was sagen, oder?“ Ein kläglicher Versuch das Gespräch von vorhin, das Ash zu gerne noch ausgeführt hätte, wieder aufzunehmen, aber versuchen kann man es ja… „Ich…“ Zum Glück fingen Mistys Alarmglocken im letzten Moment wieder an zu läuten und das, was sie eigentlich sagen wollte, geschickt umzutexten. „Ich habe es vergessen. Tut mir leid…!“ Schief lächelte sie. Allein das brachte Ash trotz seines Misstrauens dazu, ihr zu vertrauen und zu glauben. Sanft lächelte er zurück, womit Misty jetzt überhaupt nicht gerechnet hätte. „Dann sagst du es mir einfach, wenn es dir wieder eingefallen ist“, meinte er sanft und konnte sich jetzt endlich aufrappeln. „Entschuldige noch mal wegen…“ „Vergiss es einfach.“ „Was?“ Wieder musste Ash sie anstarren. Sie war heute wirklich seltsam. „Es ist wirklich OK. Durch den Platzregen vorhin war ich eh schon patschnass und meine Kleidung muss ich jetzt sowieso waschen.“ „Nya, wenn ich nicht so planlos umhergelaufen wäre, dann wärst du auch nicht nass geworden.“ „Das stimmt!“ Energisch und mit hochgezogener Nase stand sie auf und versuchte wenigstens aus ihren Haaren den nassen Schlamm zu bekommen. „He, das ist eigentlich der Moment, in dem du sagen musst ‚Nein, Ash, das kann doch jedem mal passieren’!“ Wieso war ihm diese Antwort von ihr nur so klar? Hatte sie ihn eigentlich ein Mal in Schutz genommen? Und außerdem: Seit wann gab sie ihm denn Recht? Er schüttelte den Kopf, als er sie ansah: „Du bist wirklich komisch heute!“ „He, was meinst du denn damit?!“, zischte sie ihn an und stemmte die Hände in die Hüften. „Ach, nichts“, lächelte er sanft, stand auf und schnappte nach seinem Rucksack, den er fallen gelassen haben muss, als er Misty vorhin „gerettet“ hatte. „Und du hast einen Knall…“, gab sie noch, wie sie glaubte, konternd von sich, als sie ebenfalls ihre Tasche packte und an Ash vorbei ging. Dieser folgte ihr mit einem ruhigen Seufzen und Augen rollen. Nach einer Weile - sie mussten schon wieder eine Stunde gelaufen sein – ließ Misty sich stöhnend fallen. „Oh mein Gott, ich kann einfach nicht mehr!“ „Du verträgst aber auch gar nichts“, schielte Ash sie neckisch und doch seufzend an. Misty wurde sauer. „Ich vertrage nichts?! HALLO?? Wer ist denn wie ein Gestörter heute Nachmittag einem gewissen Ballon hinterher gerannt und wollte unbedingt sein Pikachu wieder haben? Ash, wir laufen schon seit zwölf Stunden fast ohne Pause, haben uns verirrt, es ist bitter kalt und DU sagst zu MIR ich vertrage nichts?!“ „Ist ja schon gut!“ Endlich verstand er, was Misty so fertig machte und gab sich geschlagen. „Ich mache mir wenigstens Sorgen um meine Pokémon. Du denkst ja nur an deine momentane eigene Situation! Im Gegensatz zu dir möchte ich nicht wissen, was Team Rocket mit ihnen anstellt und warte nicht, bis etwas passiert. In so einem Fall muss man handeln, kapiert?!“ „He, sei vorsichtig, was du sagst, ja?! Ich liebe meine Pokémon und das Letzte, was ich möchte, ist sie in den Händen von diesen Versagern zu sehen, die eh nie Ahnung von dem haben, was sie tun! Ich würde sie niemals…“ Misty hörte einfach auf zu reden. Sie schaute etwas getroffen auf ihre Hände. Mein armes kleines Togepi… Was machen sie wohl gerade nur mit dir, während deine Mom hier sitzt und absolut nichts tun kann. „Wo haben sie sie nur hingebracht, Ash?!“ Ash schluckte. Er hatte keine Ahnung, wie sehr er Misty jetzt damit getroffen hatte. Sie strahlte in dem Moment wirklich unheimliche Verzweiflung aus. Beschämend und entschuldigend schaute er sie an. „Du hast keine Ahnung, wie ich mich fühle! Ich wünschte, sie wären hier! Ohne sie bin ich niemand…“ Schnell schnitt Misty sich selbst das Wort ab und drehte sich beleidigt tuend von Ash weg. Sie merkte einfach, wie sie wieder gefühlvoll wurde und das ging ihn verdammt noch mal nichts an! „Ich wüsste doch auch gerne…“ Misty begann ihm mit einem Ohr wieder zuzuhören. „… wo sie sind und was mit ihnen passiert. Aber genau deswegen müssen wir weiter! Nur so haben wir eine Chance, Pikachu und die anderen zu finden!“ „Wir hätten aber eine viel größere Chance, wenn wir wenigstens für ein paar Stunden versuchen würden, zu schlafen, denn dann bekommen wir auch wieder einen klaren Kopf.“ Ash seufzte. Schon wieder musste er ihr Recht geben. „Schon gut, du hast gewonnen! Aber gleich bei Sonnenaufgang gehen wir weiter.“ „Na endlich“, seufzte Misty erleichtert und fing sofort an mit Ash einen Schlafplatz zu suchen. „Au Mann, jetzt stell dich nicht so an! Erst willst du schlafen und jetzt sagst du, du kannst nicht, weil es im Wald vor Käferpokémon nur so wimmelt! Kannst du dich vielleicht mal entscheiden?“ „Ich BIN müde und ich werde noch schlafen, aber nicht in dem Wald! Sag bloß, du hörst das nicht?“ Ash seufzte gelangweilt. „Was soll ich gehört haben?“ „Na, das Wasser“, gab Misty Augen rollend von sich. „Wasser?“ Raffte dieser Typ eigentlich irgendwann einmal etwas? Misty schlug sich eine Hand an die Stirn. „Komm einfach mit!“ Wenig später musste Ash wirklich ein staunendes Gesicht von sich geben. Misty hatte wirklich ein Händchen dafür, schöne Orte zu finden. Nicht weit vom Waldrand entfernt floss ein kleiner Fluss und rings um ihn herum war eine wunderschöne, blühende Wiese, mit den schönsten Blumen, die es zu dieser Jahreszeit nur geben konnte. Durch den klaren Vollmond sah dieser Anblick selbst in einer so flauen Nacht wie dieser sanft und unberührt aus. „Komm endlich! Bis zum Sonnenaufgang sind es noch knapp vier Stunden!“ Vom Fluss herauf winkte Misty Ash zu. „Ich komm ja!“ Fast schon frei rannte Ash über die Wiese. Das allerdings erinnerte ihn auch daran, wie oft er das schon mit Pikachu getan hatte. Eigentlich war er seit seinem zehnten Geburtstag immer bei ihm und hatte ihn nie alleine gelassen. Dieses verdammte Team Rocket! Das wird ihm das alles büßen! Plötzlich blieb Ash abrupt stehen. Was zum… machte Misty denn da? „He, wolltest du nicht schlafen?“ „Mach ich ja gleich, aber wenn meine Kleidung bis morgen sauber und trocken sein soll, muss ich sie eben kurz auswaschen!“ Ash schlich ein bisschen um sie herum. „Und – wieso machst du es dir so schwer? Das geht doch viel einfacher.“ Misty gab nur ein zickiges „Pff!“ von sich und fragte die Augen verdrehend: „Und wie?“ „Na, SO!“ Mit einem geschickten Händegriff schubste Ash Misty ins Wasser. Diese war so erschrocken und das Wasser so eiskalt, dass sie erst einmal geschockt im Wasser strampelnd nach Luft ring. „Bist… Bist du eigentlich wahnsinnig?!“, fing sie an wie eine Furie auf Ash loszugehen. „Du willst wohl unbedingt, dass ich an einer Lungenentzündung sterbe!“ Ash musste immer mehr lachen. Das Gesicht von Misty und ihre Bemerkungen die ganze Zeit ließen ihn fast schon Lachtränen bekommen. „Ich weiß nicht, was daran so komisch ist!!! Wenn ich hier raus bin, werde ich mein ganzen Leben kein einziges Wort mehr mit dir reden!!!“ Während Ash fast vor Lachen weinte, hätte Misty vor Scham und Missverstand am liebsten losgeheult, aber sie unterdrückte es bockig, denn darauf wartete er anscheinend nur. Plötzlich sah Ash sie an, nur WIE er sie anstarrte, ließ Misty automatisch schon wieder das Blut in den Adern gefrieren, auch ohne dass das Wasser um sie herum so kalt war. „Ash… was…!“ Ash ging langsam ans Ufer und schaute Misty ununterbrochen sanft in die Augen. „Was hast du vor?! Nein… Ash… Tu das nicht!“ „Na, hör mal, ich hab auch dreckige Kleidung.“ Nichts wie weg!!!, dachte Misty nur noch, doch Ash machte schon einen Satz und tauchte unter. Jetzt merkte er am eigenen Leib den Schock durch das kalte Wasser, den zuvor Misty durchzuckte. „Wohooo!! Irgendwie cool - das Wasser!“, klapperte er grinsend, als er auftauchte und sich erst Mal umsah. „Du Idiot! Jetzt wirst du auch krank! Bist du eigentlich noch ganz dicht oder was?!“ Schon wieder. Warum nur konnte sie Ash immer nur anschreien und ihm Vorurteile machen? Ginge es nicht wenigstens mal für einen Tag, dass sie wenigstens ein bisschen nett zu ihm war. Schnell schluckte sie und schloss ihren Mund, um weiteres zu vermeiden. „Ja, und? Dann können wir uns gegenseitig gesund pflegen“, grinste er sie an. Misty wurde überrascht rot. Wie machte er das nur immer, sie so in Verlegenheit zu bringen. „Hör bloß auf, sonst tu ich das wirklich!“ „Öh…“ Was war denn das? Dieses Gefühl… Plötzlich wurde Ash warm und er hatte das Bedürfnis jetzt irgendetwas zu machen. Die Energie in ihm bündelte sich so stark, dass er sich jetzt in Bewegung setzen musste, um sie frei zu lassen. So schnell wie Ash untergetaucht war, konnte Misty gar nicht schauen. „Ash? – Ash!!!“ Erschrocken wirbelte sie im Wasser hin und her. „Wo ist er nur?!“ Ohne lange zu überlegen, tauchte sie selbst unter. Doch unter Wasser war es einfach zu dunkel. Sie konnte absolut nichts sehen. Plötzlich zerrte etwas an ihrem Pferdeschwanz und zog sie nach oben. Hastig haschte Misty nach Luft. Sie keuchte stark und hustete das verschluckte Wasser wieder aus. „Verdammt noch mal, was… Hö…?“ Panisch griff Misty sich mit beiden Händen an ihre Haare. Sie waren offen und wurden durch das Wasser auf ihre volle Länge verteilt, und breiteten sich aus. „Hab ich dich erwischt!“ Misty wirbelte herum. „Ash, was sollte das?! Dir hätte weiß Gott was passieren können!“ „Jetzt sei doch nicht so. Ich leb doch noch.“ Dann lächelte er sie aber doch sanft an. „Trotzdem… Schön, dass du dir Sorgen um mich machst.“ Misty blies errötend die Backen auf. „Was fällt dir ein?!“ Misty schwappte Ash eine heftige Welle ins Gesicht. „Und um so einen wie dich mach ich mir auch noch Sorgen! Eigentlich sollte ich dich… HE!“ Jetzt bekam Misty von Ash ein paar Wasserspritzer ab. Dabei lachte er heftig und auch Misty konnte sich nicht mehr zurück halten. Endlich, dachte Ash. Sie lächelt. „Gib mir mein Haargummi zurück!“, schrie Misty durch die Wassermassen Ash zu, der allerdings auch nicht aufhörte, sie zu attackieren. „Dann hol es dir doch!“ „Ich mach dich fertig!“ „Das glaubst du doch selber nicht!“ „Ach ja, tu ich nicht?“ Ash wurde misstrauisch. Misty hörte auf, ihn anzuspritzen und schwamm stattdessen mit einem Affenzacken auf ihn zu. „He, was… GNN!“ Schnell setzte Ash sich in Bewegung. Diesen energischen Blick von Misty kannte er und er wollte nicht wissen, was sie vorhatte. Doch im Element Wasser hatte Ash gegen sie keine Chance. Misty holte ihn in Sekundenschnelle ein und startete eine etwas unfaire Attacke. Kaum hatte sie ihn berührt, musste Ash losprusten und lachte, so laut und viel er nur konnte. „Misty!!! Nein… Lass das!!! – Ich fleh dich an! ... Ich kann nicht mehr!“ „Rück mein Haargummi raus!“ „Misty, ich geh – gleich unter, wenn – du mich… nicht loslässt!“ Immer noch ließ Misty keine Gnade walten. Sie kitzelte Ash von oben bis unten durch und ließ ihm genau so wenig eine Verschnaufpause. „Gib es mir zurück und versprich es mir, dann sind wir quitt!“ „Mis-ty!!!“ „Sag es!“ Ash gab sich geschlagen und tauchte kurze Zeit später unter. Dabei hielt er seine Hand so, dass sie noch aus dem Wasser ragte und Misty sich ihr Haargummi nehmen konnte. „Na geht doch, Mr. Ketchum! Das kommt eben davon, wenn man einem hübschen Mädchen das Haargummi stibitzt!“ „Zu blöd, dass keins in der Nähe ist…“, neckte Ash sie, als er seinen Kopf aus dem Wasser streckte und sie mies anschielte. „Du kleiner…!!!“ So schnell wie Misty plötzlich in Ashs Armen war, konnte sie gar nicht schauen. „WAS?!“ „Ha, reingelegt!“ Wieder grinste er. „Du…“ Misty war baff. Man merkte eben, dass er wirklich ein Trainer war und die Schwächen seines Gegners inzwischen genau einschätzen und einsetzen konnte. Sanft legte er seine Arme um ihren Körper und drückte sie an sie. „Ash, was… tust du da…?“ Wieder wurde sie leicht rot und schaute unbewusst in Richtung seiner Brust, um ja nicht in sein Gesicht zu sehen. „Ich möchte nicht, dass du krank wirst. Deswegen wärme ich dich.“ Misty hatte das Gefühl, ihr Atem würde gefrieren und ihr Herz überreagieren. Das war alles so untypisch, so irreal! Was zum Geier war passiert, als sie vorhin in die Schlucht gefallen war? Oder… Nein, das kann unmöglich sein! Ash hatte sie nicht gerettet, niemals! Das würde er niemals tun! Nie… „Aber…“ Mehr brachte sie nicht heraus. „Nein, ich möchte nicht schon wieder aufwachen!“ „Was murmelst du denn da vor dich hin?“ Neugierig, aber auch besorgt schaute er sie an. „N-Nichts…“ Vorsichtig wollte sie sich von ihm wegdrücken, zu sehr hatte sie Angst vor Blickkontakt. „Ich bin hier. Wirklich.“ Beschämt, aber doch mutig, streichelte Ash ihr sanft über den Rücken. Wieder bekam sie diese Gänsehaut und wieder brachte er sie in unglaubliche Verlegenheit und gab ihr ein Gefühl, von dem sie niemals geglaubt hätte, dass es in Wahrheit so stark sein könnte. „Ash, bitte… Du weißt nicht, was du tust!“ „Und wieso nicht?“ Dieser Ernst in seiner Stimme machte Misty stumm. Und neugierig. So sehr, dass sie nun doch aufschaute und ihn schüchtern ansah. „Du bist… du kannst doch nicht…“ Was war nur los?! Wieso bekam sie keinen vernünftigen, geschweige denn logischen Satz mehr zustande??? Ash hatte immer noch seinen ernsten Blick und tat jetzt etwas, dass er Misty sonst nie antun würde. „Wach endlich auf!“ „AU!!!“ Mit einem Mal kniff er Misty derartig in die Seite, dass sie es wirklich spüren musste. „Spinnst du eigentlich?!“ Wieder starrte sie in zwei liebevolle Augen, die wohl alles vorgehabt hätten, aber bestimmt nicht, sie verletzen. Und schon wieder stockte ihr der Atem, diesmal aber so, wie sie es nie gedacht hätte. „Lass uns jetzt raus gehen, ok? Sonst wirst du wirklich noch krank und das muss ja wirklich nicht sein.“ „Ja ok…“ Ash stützte Misty ein wenig, als sie zum Ufer schwammen. Das war wohl für beide ein wenig zu viel. Vielleicht war es ja auch das kalte Wasser, das sie dazu verleitete, so weit zu gehen. „Ash, ich…“ „Hm?“ Geduldig wartend und neugierig schaute er auf sie herab. „Danke…“ „Hä?!“ Misty lächelte verlegen. „Ach… schon gut.“ Kapitel 2: Geständnisse? (10.02.2007) ------------------------------------- Kapitel 2 - Geständnisse? (10.02.2007) Nun war es nach dieser Aktion doch schon mehr als nur dunkel geworden. Es würde nicht mehr lange dauern und es würde hell werden. Jetzt noch schlafen? Natürlich hätten das die beiden nur allzu gerne getan, denn wenn sie gegen Team Rocket bestehen wollten, mussten sie ausgeruht sein. Nun ja – aber wie sollte man nach so einem Erlebnis auch schlafen können? Misty war sich eigentlich sicher, dass Ash mit seinem gesunden Schlaf auch keine Probleme hatte, einzuschlafen, zumal das für ihn wohl eh nichts Aufregendes war. Genau. Misty glaubte immer noch, sie würde ihm ja doch nichts bedeuten… Ash bekam natürlich von diesen Gedanken nichts mit. Wie auch? Er war selbst zu sehr beschäftigt, seinen eigenen nachzuhängen und dann war da noch dieser verdammte Schlafsack, der irgendwie falsch eingepackt war und sich somit irgendwie – weiß der Himmel wie das ging – quasi mehrmals um sich selber gewickelt war und er ihn entwirren musste. „Mist elender!“ Sonst war Ash eigentlich ein eher geduldiger Mensch und fluchen war überhaupt nicht sein Ding, aber er hatte gerade so seltsame Gedanken, die noch mehr mit seinen Gefühlen vermischt wurden und er sich auf nichts anderes mehr konzentrieren konnte. Misty schaute etwas erschrocken zu ihm rüber. „Hast du gerade was gesagt?“ „Nein, nichts“, schmollte Ash und schmiss verbittert den Schlafsack weg. Misty sah das etwas mit Verwunderung, denn sie war schon längst fertig und lag auch schon seit etwa einer halben Stunde in ihrem eigenen. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie ihn die ganze Zeit beobachtet hatte. Errötend drehte sie sich langsam auf die andere Seite und hoffte, dass er es nicht bemerkte. Als Ash nach etwa zehn Minuten immer noch nicht flach lag, wurde es ihr doch zu bunt. Dass es allein an ihr lag, dass sie nicht einschlafen konnte, verwarf sie mit einem Mal, stand auf und ging zu Ash, der etwa zehn Meter von ihr weg war und immer noch vor sich hinschimpfte. „Gib mal her!“, meinte Misty etwas genervt, schaute sich das Wirrwarr erst einmal sorgfältig an, dann begann sie es nach weniger als einer Minute auseinanderzuzwirbeln. „Hier.“ Mit einem Lächeln reichte sie Ash den Schlafsack. „Klar, jetzt wo ich schon das Wichtigste gemacht habe, kommst du und machst den einfachen Rest“, meckerte Ash gespielt beleidigt. Misty blies verärgert die Backen auf. „Ein einfaches ‚Dankeschön’ hätte es auch getan!“ Ebenfalls beleidigt (auch etwas gekränkt) wendete sie sich von ihm ab und ging zu ihrem Schlafplatz. Ash schaute ihr etwas verwundert hinterher. So hatte er das doch gar nicht gemeint. Es sollte doch nur ein Spaß sein! Wieso muss sie nur immer so empfindlich sein…, seufzte er in sich rein. Nachdem er Misty etwas entschuldigend nachgeschaut und ihr zugesehen hat, wie sie sich auf den Boden knallte und in ihren Schlafsack kroch, bewegte er sich schließlich doch dazu, noch mal zu ihr zu gehen. So ein Idiot! Da möchte man ihm helfen und er… Misty fragte sich ernsthaft, ob diese Depressionsphase wohl nie bei ihr enden würde. Schon seit Wochen trug sie den Gedanken mit sich herum, dass sie wohl für immer in Ash verliebt sein würde, aber ihm selbst nicht einmal ihre Freundschaft etwas bedeuten würde. Da war es auch kein Wunder, dass sie selbst in so einer Nacht wie dieser nicht einmal annähernd versuchen würde, ihm alles zu gestehen… Sie konnte einfach nicht. Sie war sich eben sicher, dass, wenn sie bei ihm blieb, sie wohl immer unglücklich bleiben würde und nur immer wieder mit ihren Gefühlen kämpfen müsste. Sie war es leid. Und sie war sich sicher, sie würde Ash schon sehr bald alleine lassen. – Ja genau, sobald sie ihre Pokémon wieder hätte, würde sie zurückgehen. Verbittert streifte sie sich eine kleine Träne aus dem Gesicht, die wohl auf Grund der Gedanken mal wieder in ihre Augen gekommen war. Wieso tat ihr das nur so weh? Plötzlich schreckte sie zusammen. Ash hatte dumpf seinen Schlafsack direkt neben dem Ihren fallen gelassen. Normalerweise würde sie jetzt aufspringen und ihn anschreien – jedoch… dieses Mal konnte sie nicht. Ganz langsam drehte sie den Kopf ein Stück in seine Richtung und sah auf den Schlafsack. Erst danach blickte sie kurz nach oben. Da stand er, direkt vor ihr, sie konnte ihn schwer atmen sehen, aber er bewegte sich keinen Zentimeter. „Was – ist denn jetzt schon wieder?“, fragte sie zögernd, versuchte aber eigentlich zickig zu klingen, jedoch war ihre Stimmung im Moment derart angefressen, dass sie nicht einmal mehr das konnte. Ash antwortete ihr nicht. Immer noch schaute er sie entschuldigend an. Er beobachtete sie. Und er wusste sehr wohl, dass sie das merkte, denn immer hin folgte sie jedem seiner Blicke ganz genau. Auch konnte er sehen, dass Misty ein sehr mulmiges Gefühl haben musste, denn sie war von dem Augenblick an, indem sich ihre Blicke trafen, erstarrt. Es muss schon eine Weile vergangen sein, dass sie sich nur ansahen. Ash merkte wohl, wie die Spannung zwischen ihnen immer größer wurde, aber dennoch konnte er sich nicht bewegen. Vielleicht war es das, nach dem er sich immer gesehnt hatte. Einfach mal nur so dastehen und starren – starren auf jemanden, den er schon seit fünf Jahren seine beste Freundin nannte. Nun, vielleicht war es nicht das, weswegen er auf sie starrte, aber dieser Moment tat ihm irgendwie verdammt gut. Warum konnte er sich selbst nicht erklären. Wieso war das wohl so? Warum brachte sie ihn jedes Mal zu einem Lächeln, auch, wenn sie sich gestritten hatten und jeder dem anderen in dem Moment am liebsten eine verbraten würde? Auf einmal geschah es wie von selber. Ash ließ sich sitzend auf seinen Schlafsack nieder, schaute Misty immer noch an, die seiner Bewegung, ebenso seinem Tun genauestens und starr nachgeschaut hatte. Ash war zwar kein Pokémonbeobachter wie Tracey, aber komischerweise fiel es ihm bei Misty sofort auf, dass dieser nach seiner Handlung der Atem etwas schwerer geworden war. Vorsichtig, wie als hätte er ein wildes Pokémon vor sich, das er nicht verscheuchen wollte, schob sich Ash auf seine Knie, ohne Misty dabei aus den Augen zu lassen, die eigentlich immer noch bis auf ihren Kopf noch von ihm weggedreht war. Danach verstrichen erneut ein paar unbedeutende Minuten, doch auf einmal (und das ganz vorsichtig) hob Ash seinen rechten Arm. Misty zuckte ein wenig. Sie schloss den Mund. Schluckte. Und ihr Gedanke, den sie sich eben sofort wieder aus dem Kopf schlagen wollte, wurde plötzlich real. Ash berührte sanft ihr Gesicht, auch als sie es ein Stück aus Überraschung abwendete. Nun hörte Ash ihre Atmung deutlich. Als er mit seiner kleinen Streicheleinheit von Mistys Wange wieder abließ, sah er sie mit großen Augen an. „Was hast du denn?“ Misty schaute in zwei mit Sorge gefüllten Augen. Solche, die sie bisher nur beobachten konnte, wenn Ash Angst um seinen besten Freund hatte. Immerhin war Pikachu das allerwichtigste für ihn auf der ganzen Welt, doch jetzt – galt das jetzt wirklich ihr? Versehentlich, eher reflexartig rückte Misty ein Stück weg, setzte sich dabei sogar ein wenig auf, doch sie selbst merkte von alldem nichts, zu sehr war sie mit ihren Gedanken beschäftigt. Ash stutzte etwas. „Du hast doch wohl keine Angst – vor mir? Ich bin’s doch bloß.“ „Vielleicht gerade deswegen“, murmelte Misty etwas, als sich ihre Haut ein wenig zu röten begann. Sie wusste nicht, ob Ash es gehört hatte. „Das mit vorhin tut mir Leid. Ich hab’s wirklich nicht so gemeint, das musst du mir glauben.“ Vorhin? Misty hatte schon alles vergessen. Im Moment war sie von ihm ganz und gar eingenommen, was interessierten sie da solch dumme Geschichten von vorhin? Als Misty ihm schon wieder nicht antwortete, begann Ash mit einem Mal die Ruhe zwischen ihnen zu brechen. Mit kräftigen Handbewegungen unterstrich er nun seine Worte und Gefühle. „Mensch, was soll ich denn noch machen, damit wir uns endlich einmal wie richtige Freunde gegenüber verhalten können? Erst folge ich dir durch den Wald, dann ‚baden’ wir mehr oder weniger noch miteinander, haben Spaß und nur wegen so einer Dummheit, die nur passiert ist, weil ich meinen Schlafsack nicht richtig zusammenfalten kann, sind wir jetzt wieder so zerstritten! Ich versteh nicht, wie das immer passieren kann, wenn man davor noch so stark zueinander gehört…“ Abrupt beendete Ash sich selbst. Er hatte keine Ahnung, was er gerade bei sich und vor allem bei Misty damit auslöste. Genau genommen war ihm das momentan auch egal – er mochte nur eines nicht. Eine der wichtigsten Freundschaften verlieren, die er aus menschlicher Sicht je gehabt hatte. Und wirklich. Misty war baff. Ihr Mund stand enorm weit offen und ihre Augen zeigten dermaßen Verwunderung, wie sie es bei sich selbst wahrscheinlich noch nie gesehen hatte. Heimlich fasste sie sich selbst einmal an den Arm und testete, in welchem Film sie gerade war. Sie überlegte es sich jedoch kurzerhand wieder anders. Wage lenkte sie ihren Kopf Richtung Boden und fasste sich zögernd an ihre Wange. Ja – sie fühlte tatsächlich etwas… „Hast du es den ernst gemeint?“ „Was?“ Irritiert starrte sie wieder zu Ash. Dieser verzweifelte Blick. „Was hab ich nur getan…?“ „Hm?“ Verwundert schaute nun er sie an. „Sch-schon gut!“ Wild fuchtelte sie mit den Händen, beruhigte sich aber schnell wieder. „Aber was meinst du mit, ob ich es ernst gemeint habe?“ Wieder errötete sie leicht. Und warm wurde es ihr auch – dabei war es doch so kalt heute Nacht. „Na, vorhin im Wasser, als wir…“ Ash beobachtete sie. Es dauerte nicht lange, bis er es bemerkte. „Oje, tut mir leid!“ Schnell sprang er auf zu seinem Rucksack und schnappte sich seine Decke, die er sonst immer unter seinen Schlafsack legte. Statt dies aber zu tun, gab er sie Misty, legte sie um ihre Schultern. Diese sah ihn nur verdutzt an. „Ash, was…“ „Meinetwegen ist dir kalt. Wegen mir wirst du vielleicht krank, das möchte ich nicht!“ „Weil es sonst deine Schuld wäre?“ „Nein!“, zischte er sie an. „Weil ich nicht möchte, dass dir etwas passiert!“ Am liebsten würde Misty ihren Kopf jetzt gegen einen Baum stoßen. Sie war sich ganz sicher, noch nicht eingeschlafen zu sein, aber es gibt ja angeblich Tage, wo man das selber nicht merkt. Jedoch andererseits waren ihre Träume sonst auch nicht so warm und aufregend. Sie waren ihr normalerweise nie so nah, dass sie auch jede Berührung spüren konnte, zumindest nicht so intensiv. „Warum?“ Ash spürte unmittelbar einen Kloß im Hals und er hielt die Luft an. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. „Du bist so anders… Ist es, weil Pikachu nicht da ist und du niemanden hast, mit dem du reden kannst?“ Ashs Augen wurden kleiner. Er wollte das nicht hören. „Er fehlt dir, nicht wahr? Und ich soll dich trösten. Denkst du denn, dass ich das kann? Ich bin mir sicher, ich kann Pikachu nicht ersetzen. Aber… vielleicht…“ Mit jedem weiteren Wort von Misty krümmte sich Ash immer weiter zusammen. Letztendlich verdeckte er auch seine Augen, fasste sich an die Arme. Sie hatte doch keine Ahnung wie verloren er sich im Moment vorkam! Was das für ein Schmerz in ihm war. Die Sorge und die Gewissheit, dass er nicht da war. Die Ungewissheit, was mit ihm gemacht wird. Was passierte, wenn er nicht da war, wenn er ihm nicht helfen konnte! Das machte ihn alles so fertig. Er wollte das nicht. Aber seine Worte waren zugeschnürt. Er konnte ihr das Wort nicht abschneiden, aber… Was war das? Ihm wurde so warm. Seine Augen öffneten sich und ließen das angesammelte salzreiche Wasser plötzlich los. Er musste mit zittrigem Atem tief Luft holen. Dass er kurz laut schluchzte, bemerkte er gar nicht und selbst wenn, wäre es ihm egal, denn seine Aufmerksamkeit und sein momentanes freies Gefühl galt einem anderen Ereignis. Zwei Arme umschlungen sanft seinen Körper und er spürte einen anderen dicht an seinem. Schüchtern hob er den Kopf und lehnte seinen Kopf auf Mistys linke Schulter. War das etwa ihre wahre Art ‚Es tut mir Leid’ zu sagen? Aus Misty kam kein einziger Mucks heraus und doch, Ash merkte, dass es ehrlich war und vor allem, dass das, was eben geschehen war, sie mehr Überwindung gekostet hatte als alles andere, was sie je zuvor getan hatte. „Misty…“ Es klang eher wie eine Maus, aber Ash wollte so gerne sprechen. Doch irgendwie… „Ich kann Pikachu vielleicht nicht ersetzen“, flüsterte Misty mit schwerem Ton und ihre Stimme war etwas tiefer als sonst, vielleicht weil ihre Nase zu war, „aber ich kann wenigstens versuchen, dafür zu sorgen, dass du deinen Mut und deine Aufrichtigkeit nicht verlierst, bis wir ihn wieder gefunden haben. Und du kannst dir sicher sein, ich lasse keinen von euch beiden im Stich, denn Pikachu ist ebenso mein kleiner Freund, kapiert?“ Ashs Brustkorb ging einige Male schnell bergauf und bergab. Er bewegte den Kopf dazu, sein Gesichtsausdruck erhellte sich mit jeder Sekunde und die Emotionen wurden derartig stark, dass er Misty mit einer explosiven Kraft plötzlich stark umarmte und sich vollends in sie einkuschelte. Zuerst wusste Misty nicht, wie ihr geschah, aber sie hatte das Gefühl, dass es Ash ein wenig besser ging. „Ash, ich…“ „Ich bin mir ganz sicher. Du wirst mich nicht enttäuschen.“ Misty erschrak abrupt. Woher wusste Ash, was sie eben sagen wollte? Oder – war das nur ein riesen großer Zufall? Mit einem Mal löste sich Ash von Misty. Mit neuer Energie strahlte er ihr erleichtert ins Gesicht. „Zusammen können wir alles schaffen! Und egal, was passiert, wir bleiben für immer zusammen! Das bleiben wir, ganz sicher! Immerhin“, Ash legte (wohl unabsichtlich) seine Hände um Mistys Arme, „sind wir die allerbesten Freunde, die es gibt und – bisher haben wir alles durch gestanden, auch, wenn wir uns manchmal am liebsten in der Luft zerrissen hätten.“ „Ja, aber…“ „Du kannst sicher sein, egal, was passiert, dich werde ich auch niemals im Stich lassen. Dazu hab ich dich viel zu gern.“ Ein strahlendes Kinderlächeln. So hatte Misty Ashs Lächeln immer in Erinnerung gehabt, vielleicht, weil sie all die Jahre aufgehört hatte, in sein jetziges Gesicht zu sehen, weil es sie nur geschmerzt hatte. Doch jetzt… Er war wirklich älter geworden. Reifer. Vernünftiger. Ernster – ein wenig. Mehr hätte sie auch niemals gewollt, denn das wäre nicht der Ash, den sie mochte, gerade weil er sich von anderen so stark unterschied und heraushob. Kurz löste sie ihren Blick von seinem, beobachtete heimlich kurz die Position, in der sie sich befanden, so kniend auf seinem Schlafsack, der eine dem anderen direkt gegenüber, seine Hände an ihren Oberarmen – und dieses sanfte Lächeln. Zu guter letzt auch seinen ausgesprochenen Satz, der Misty am liebsten in den siebten Himmel verbannt hätte. Doch so pessimistisch wie sie war, glaubte sie nicht daran. Träume gingen nun einmal nicht in Erfüllung… Nicht für sie. Da sie sich sicher war, dass sie schlief, hob sie den Kopf wieder, schaute ihn verträumt an und strich ihm leicht über die Haare. Wie sie sich anfühlten. So weich, voll und angenehm. Sie waren jetzt Pechschwarz und der Mond spiegelte sich ein wenig in Blau in ihnen. Er verlieh ihm einen wunderschönen Schimmer, wie sie meinte, und streichelte den Schopf entlang. Noch nie war sie ihm so nah, nicht einmal, wenn sie in eine sehr enge kleine Falle von Team Rocket gefallen waren und einer versehentlich auf dem anderen landete. Und hier hatten sie so viel Platz um sich herum und doch waren sie so eng beisammen. Es war zu schön. Ash beobachtete verdutzt Mistys Handeln. Ihm wurde unglaublich heiß und gleichzeitig bekam er einen kalten Schauer über den Rücken. Ihre Berührungen hinterließen auf seiner Haut angenehm warme und erfüllte Stellen. Auch, als ihr Zeigefinger seine Lippen streifte. Er musste kurz schlucken, schloss die Augen und fragte sich, ob er träumte und was Misty mit und aus ihm machte. Er fühlte sich ganz anders als sonst. Völlig anders. Und er wollte es. Langsam und überzeugt legte er seinen Kopf auf ihre Schulter, lehnte seine linke Wange sogar an die ihre, schloss wieder die Augen und begann sie sanft zu streicheln. Zuerst nur sanft an ihren Oberarmen, dann aber ging seine rechte Hand in die Richtung ihrer linken und mit seiner linken Hand durchstreifte er ihre orangenen Haare. Sie waren unglaublich weich, sanft und voll. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass dieser starr aussehende Haarschopf derartig weich sein konnte. Naja, um so was hatte er sich bisher auch nie Gedanken gemacht, wieso tat er es jetzt also? Und wieso – so fiel ihm auf einmal in all der Sinnlichkeit auf – war Misty so ruhig? Kein bisschen Gemecker, keine schnellen Bewegungen und keine einzige Zickengeste. Vielleicht war es ihm auch egal. Vielleicht freute er sich darüber. Und doch, so war sie eben. Und genau so mochte er sie, gerade weil sie ihren eigenen Kopf hatte, sich nicht so übertrieben modern anzog und sich auch nicht schminkte. Sie war natürlich, genau so, wie er es liebte. Und sie blieb sich treu. Auf keinen Fall wollte er, dass sie sich änderte. Sie sollte für immer so bleiben und wenn, dann nur für ihn. – Was dachte er da eigentlich?! Ash öffnete ein wenig verschüchtert und langsam die Augen. Er war sich doch nicht mehr so sicher, ob er nur träumte. Vielleicht war das alles… oder er hatte… hatte er wirklich? „Misty, bist du ok?“ Aufgeschreckt sah sie in Ashs Armen vor sich hin. Er umarmte sie immer noch so warm und seine zärtlich sanften, fast nicht spürbaren Berührungen haben sie wohl alles um sich herum vergessen lassen. „Em – ja, wieso nicht?“ „Ich – mein ja nur…“, kam es schüchtern aus ihm heraus. Es war das erste Mal, dass er selbst merkte, wie er rot wurde. „Ist das denn für dich ok?“ „Was meinst du?“ „Na, das… dass ich dich so einfach berühre…“ Weiter fiel ihm nicht ein. Fürs Erste zumindest. „Naja, es ist etwas ungewohnt, dass ich es plötzlich so intensiv spüre, aber in meinen Träumen machst du das doch immer so…“ Ash bekam große Augen und musste sich beherrschen jetzt nichts Falsches zu sagen. „Ich möchte dir deine klare heile Welt wirklich nicht vermiesen, Misty, aber du bist wach…“ „…!“ Mit einem Mal riss Misty die Augen auf. Wie als wurde ihr mit diesen Worten eine Schlinge um den Hals gelegt, erstarrte sie zu einer Salzsäure. „He, alles ok mit dir?“ Etwas rüttelte er an ihr, nachdem er sie sanft an den Hüften genommen hatte. „Misty? Misty, atme wieder!!“ Jetzt schüttelte er sie aus Panik, nahm sie vor sich und starrte sie erschrocken an. Misty ihn ebenso, wenn nicht noch geschockter. „Bitte, verzeih mir, das hab ich nicht gewollt…!“ Allmählich sammelte Misty sich wieder. Ihre Augen entspannten sich ganz langsam und wurden etwas gläsern. „Schon gut, du kannst ja nichts dafür…“ Mit diesen Worten verließ ihr Blick den seinen. „Es wäre auch zu schön gewesen…“ „Nicht, was redest du denn da?“ Ash war schon am Verzweifeln. Mit solchen Situationen kannte er sich nun wirklich nicht aus. Plötzlich hob Misty den Kopf und brachte Ash zum Erstarren. Sie weinte und schaute ihn dabei so sehnsüchtig an. Jetzt könnte sie es ihm sagen, es wäre doch sowieso egal. Wieso konnte sie nur nicht? Weil sie ihn nicht verlieren wollte? Gerade WEIL er für sie einfach mehr war als nur ein guter Freund? Warum nur? Ash kam sich so unglaublich schuldig vor, obwohl er überhaupt nicht wusste, warum. Er hatte Misty noch nie so kaputt und kraftlos gesehen. Dass sie ihm in diesem Zustand überhaupt noch in die Augen sehen konnte, empfand er als unglaublich selbstbewusste Stärke, jedoch… „Wieso tust du mir das an? Warum jetzt auch noch in Echt?“ Ash war so überrumpelt, dass er darauf jetzt überhaupt nichts erwidern konnte. Er hatte keine Ahnung in was für einer Welt Misty sich momentan befand und er konnte nicht einschätzen, was sie jetzt wirklich ernst meinte und was sie nur sagte, weil es ihr danach war. „Ich kann doch auch nichts dafür, dass ich so denke. Ich kann doch auch nichts dafür, dass ich so fühle! Das eben war gerade so wunderschön – und ich weiß doch ganz genau, dass es nicht wahr sein kann!“ „Nicht…“ Ash legte beide Hände an Mistys Wangen. „Nicht weinen. Sonst muss ich mitmachen und das ist echt kein schöner Anblick. Ich wünsche mir dein Lächeln, das, das ich schon immer kannte und das du mir auch immer so strahlend präsentiert hast, das, was andere Jungs dazu gebracht hat, mich eifersüchtig zu machen. Beschimpf mich, wenn es dir gut tut, zisch mich an, aber bitte weine nicht! Und vor allem verschweige nichts, was du nachher bereust. So kann ich dir nicht helfen.“ Peinlich berührt streifte er ihr die Tränen aus dem Gesicht. Die Verwunderung in Mistys Augen machte ihm wieder etwas Hoffnung und das Schöne war, als er ihr ein Lächeln schenkte, kam kurze Zeit später das Ihre zurück. Es war ein langer Tag und egal, ob das jetzt ein Traum war oder nicht, er würde wohl nicht vorbei sein. Ash griff hinter Misty und zog die Decke, die er vorher über sie gelegt hatte zu sich. Kurz schüttelte er sie in voller Länge aus, dann bedeckte er damit sich und Misty. „Komm.“ Ohne auf ihre Reaktion und ihre Meinung zu warten zog Ash Misty zu sich mit auf den Boden. Beide Köpfe lagen nun auf dem Kopfkissen seines Schlafsacks und er deckte sie vollends zu, legte einen Arm um sie. „Mach dir keine Sorgen über das, was war, sondern denk an das, was kommen wird. Und vergesse niemals: Wir bleiben zusammen, egal, was passiert. Versprichst du mir das?“ Auch wenn Misty gerade mehr verwirrt war, als je zuvor, so nickte sie schüchtern. „Ich – verspreche es dir, Ash…“ Daraufhin streifte er ihr noch einmal leicht den Pony aus dem Gesicht. „Schlaf gut.“ Dann schloss er langsam die Augen, dicht gekuschelt an sie. „Du auch…“ Sie tat es ihm gleich, nachdem sie ihn noch wenige Momente beobachtet hatte. Aber… „Bist du noch wach?“ „…“ Ein Seufzen war zu hören. „Ja…“ „Tut mir Leid, dass ich dir solche Probleme mache.“ „Tust du doch gar nicht.“ Ash lächelte, aber es war zu dunkel, als dass Misty das hatte erkennen können. „Warum machst du das alles für mich? Früher da…“ „Das ist Vergangenheit. Ist es verboten, sich zu verändern?“ „Nein, natürlich nicht. Aber so plötzlich – da kann man schon ein mulmiges Gefühl kriegen…“ „Da hast du Recht.“ „Ich hab Recht... – Wow, ich hab Recht?“ Misty legte sich auf den Rücken und beugte den Kopf in Ashs Richtung. Nun drehte er sich auch auf den Rücken, ließ somit von ihr ab. „Ich kann mir gut vorstellen, dass du dich gerade etwas verraten fühlst. Du denkst wahrscheinlich, ich bin nur so ‚anhänglich’, weil Pikachu nicht mehr da ist und du auch nicht die ganze Zeit Togepi mit dir rumschleppen musst – aber das ist nur die halbe Wahrheit, Misty.“ „Verraten fühle ich mich nicht direkt – aber wie in einem Traum…“ „Weil wir nebeneinander liegen? Ich dachte immer, gute Freunde vertrauen sich…“ „Doch, doch, natürlich vertraue ich dir! – Aber ich kann es mir nicht vorstellen.“ „Was?“ „Unter einer Bettdecke zusammen zu liegen, ohne dass man…“ Misty hält inne. Sie möchte nicht weiter sprechen. „Ohne, dass man was?“ Ash drehte sich seitlich zu Misty, stützte seinen Kopf auf seine linke Hand, deren Ellbogen auf dem Boden ruhte. „Du weißt schon!“, meinte Misty peinlich berührt etwas gereizt. „Nein, weiß ich nicht!“ „Und ich dachte, du wärst älter geworden…“ „He, was soll das denn jetzt wieder?“ Verärgert sah er weiter auf. „Wie soll ich schlauer werden, wenn du mir nie was erklärst?“ „Ich glaube nicht, dass wir zusammen sind“, ließ es Misty nun doch raus. Beide liefen rot an. Zum Glück konnte der jeweils andere das durch die Dunkelheit nicht sehen. „Wie kommst du denn jetzt darauf?“ „Na, wenn uns jetzt so jemand sehen würde – derjenige würde doch denken, wir wären zusammen.“ „Nur, weil wir nebeneinander liegen?“ „Nein…“ Misty schüttelte den Kopf. „Nicht NUR deswegen…“ Ash versuchte Mistys Blick zu sehen. Vorsichtig legte er seine Hand auf ihre Wange und wendete somit ihren Kopf ihm zu. „Weshalb dann?“, fragte er im Flüsterton, dabei war sein Kopf vielleicht zehn Zentimeter von dem ihren entfernt. Misty machte plötzlich etwas, das sie sich außerhalb der Dunkelheit nie trauen würde. Sie legte ihre Hand an die seine, die auf ihrer Wange ruhte. Ash ließ das kurz stutzen, aber innerlich erfreute ihn das ersichtlich. „Wir kuscheln – doch immerhin gerade irgendwie… Und vorhin im Wasser waren wir die ganze Zeit beieinander… sogar als du mich gerettet hast, hast du mich in den Arm genommen und getröstet… Ich glaube nicht, dass das ‚gewöhnliche, nur gute Freunde’ tun würden, meinst du nicht?“ Ash sah Misty ehrlich in die Augen. Er musste zugeben, dass diese Worte ihn zum Nachdenken brachten. Aber er und Misty – zusammen? Durfte er das denn? Durfte man seine allerbeste Freundin plötzlich mehr als nur ‚gern’ haben – sogar mögen? „Aber es ist egal…“ Misty lächelte plötzlich unglaublich glücklich und rutschte ganz nah an Ash heran. Dieser war darauf nicht gefasst und wartete erst mal ab, was als nächstes geschehen würde. „Es ist mir egal, weil ich dir für all das sehr dankbar bin und ich möchte – dass du das weißt. Und ich bin dir – wirklich mehr als dankbar, dass ich deine Freundin sein darf und bei dir sein. Das ist alles, was für mich zählt.“ „Ach, Misty…“ Ash legte seine Stirn gegen die ihre und lächelte glücklich. „Ich muss dich korrigieren. Du bist nicht meine Freundin…“ Misty riss die Augen auf und starrte ihn geschockt an. „… sondern meine allerbeste“, fügte Ash noch hinzu und gab ihr einen klitzekleinen, fast unspürbaren Kuss auf die Stirn. Misty blieb fast das Herz stehen. Sie konnte es nicht glauben, was da eben passierte. Sie schloss einfach die Augen, schlang ihre Arme um Ashs Körper und drückte sich erneut fest an ihn. Bald würde die Sonne aufgehen und die aufregende Nacht würde in einen noch aufregenderen Tag übergehen, wie Ash und Misty bald feststellen sollten… Kapitel 3: Hilflos (11.02.2007) ------------------------------- Kapitel 3 – Hilflos (11.02.2007) Ash drehte sich ständig hin und her, wälzte sich so weit es eben möglich war und schreckte plötzlich auf. Verwirrt, auch noch etwas atemlos fasste er sich an die Stirn. Dann seufzte er erleichtert. „Nur ein Traum…“ Es dauerte noch ein bisschen, bis er realisierte, dass er wach war und die Nacht nun doch irgendwie überstanden hatte. Dass er schlecht geträumt hatte, sah man ihm an. Erschöpft ließ er sich noch einmal nach hinten fallen. „Ach, Pikachu…“ Ash sah zu den Wolken, die in dem Moment an ihm vorbeizogen. Sie hatten sanfte, wollige Formen und schienen sorglos. Wenn sie doch nur seine Sorgen mittragen könnten – oder ihm wenigstens zeigen, wo sein kleiner Freund hingekommen war und ob es ihm gut ginge… Damit wäre Ash schon zufrieden. Noch einmal seufzte Ash laut. Als er aber seinen Arm bewegen wollte, ging das irgendwie nicht. Etwas verwundert schaute er links neben sich – und bekam einen Frosch in den Hals: Was machte Misty denn da?! Vor Schreck hielt er kurz die Luft an, dann überlegte er. Wie… und wann… gestern Abend? „Das – war kein Traum? Ich hab sie wirklich… und sie war…“ Ash fasste sich an die Stirn. Er hatte Kopfschmerzen. Wie spät war es eigentlich? Ach, er konnte einfach nicht denken! Misty neben ihm irritierte ihn einfach zu sehr! Ein Wunder, dass ich noch angezogen bin, dachte er etwas sarkastisch. Aber was sollte er jetzt noch daran ändern? Die Nacht war vorbei und sie lag nun mal da und träumte. Jedoch fand Ash, dass es nichts gutes sein konnte, denn mit einem Mal heftete sie sich stark an ihn, krallte sich in sein T-Shirt, verzog eine Miene und bekam Schweißperlen auf die Stirn. Sie wird doch wohl nicht denselben Albtraum haben wie er? Ohne lange zu überlegen, drückte er sie an sich und streichelte sie am Kopf. „Ganz ruhig. Dir passiert nichts. Es wird alles gut.“ Misty riss die Augen auf. Sie atmete schwer, starrte um sich und war wie erstarrt. „Wo – bin ich?“ „Hab keine Angst. Ich bin’s nur.“ Hatte sie das nicht gestern schon einmal gehört? Gestern… im Traum? Aber wenn es ein Traum war, müsste sie doch immer noch träumen. Schüchtern wendete sie ihren Blick nach oben. „A-Ash…“ „Ja?“, grinste dieser zurück, hatte sie wohl wissend schon längst losgelassen, damit sie ihm nicht gleich am frühen Morgen wieder an die Gurgel gehen konnte. Sie jedoch hatte ihre Hände immer noch in sein T-Shirt gekrallt. Deswegen starrte sie zuerst Ash an, dann ihre Hände und anschließend ihre Position. Was zum…? „Tut mir Leid!“ Schnell richtete sie sich auf. Doch ihr Kreislauf schien wohl noch nicht vollständig da zu sein. Ihr Kopf tat weh und ihr war schwindlig. Ohne dass sie es wollte, fiel sie zurück auf Ashs Kopfkissen. „Hey, ist alles ok bei dir?“ Neugierig, auch etwas besorgt, beugte Ash sich über sie und schaute sie an. „Soll ich dir was zu trinken holen?“ „Nein, alles ok! Mir geht’s gut!“ Misty musste seufzen. Schon wieder schaute sie in sein Gesicht und das, obwohl sie noch nicht mal richtig wach war. „War das alles real?“ „Falls du unsere Aktionen von gestern meinst – ja.“ Misty lief rot an. Das irritierte sie so, dass sie nicht einmal bemerkte, dass es Ash ähnlich ging. Dieser stand jetzt doch auf. Er wollte unbedingt wissen, wie spät es war. „Oh nein.“ „Was?“ Misty konnte sich schon denken, was dieses ‚Oh nein’ zu bedeuten hatte. „Wir haben verschlafen! Es ist schon fast elf Uhr!“ „Na – großartig!!“, kniff Misty die Augen zusammen und schlug sich eine Hand an die Stirn. Schnell hüpfte sie aus dem Schlafsack. Die Sache mit gestern war noch nicht gegessen, das wusste Ash ebenso wie Misty, aber jetzt war keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Während Ash seinen Schlafsack zusammenrollte, schnappte Misty sich seinen und ihren Rucksack, entnahm zwei Wasserflaschen und rannte zum Fluss. Gut, dass sie öfters draußen übernachten mussten, so hatten sie in allem schon etwas Übung und konnten ihren ‚Kram’ schnell zusammenpacken. Während dieser Zeit blieb fast keine, um irgendwelche Gespräche anzufangen und so blieben die gegenseitigen Fragen leider erst einmal offen. „Verdammt, wenn dir was passiert ist, nur weil ich zu spät gekommen bin, werde ich mir das nie verzeihen, das schwöre ich dir, Pikachu!“ Ash war wütend. Sauer auf sich selbst! Wie konnte er seinen Freund nur derartig im Stich lassen? Andererseits hatte er eine Seite an Misty kennen lernen dürfen, die er nie für möglich gehalten hätte. Er würde wirklich gerne noch mal Revue passieren lassen, was gestern geschehen war, aber dafür hatte weder er noch Misty Zeit. „Bist du fertig?“, rief er Misty zu, die noch eben als letztes ein paar Obstreste zusammenpacken musste. „Klar!“ Und damit schnallte sie sich ihre Tasche um. „Gehen wir!“ Die ersten paar Kilometer konnten die beiden rennen. Doch schon sehr bald machte sich die lange Nacht bemerkbar. Sie waren müder als sie dachten, aber dennoch dachten sie im Traum nicht daran, aufzugeben. Das Leben ihrer Freunde und Pokémon stand auf dem Spiel. Aber auch wenn sie sich damit einig waren, merkte Ash doch nach einiger Zeit, dass Misty immer mehr zurückfiel. Immer wieder musste er sich nach ihr umdrehen und schauen, wo sie schon wieder abgeblieben war. „Komm schon, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!“ „Ich mache – schon so schnell ich kann – Ash!“, fauchte Misty ihn ganz außer Atem an. „Ich weiß, aber wir müssen die verlorene Zeit wieder aufholen.“ „Mach mir keine Vorwürfe! Ich kann – auch nichts dafür, dass wir – vergessen haben – unsere Wecker zu stellen!“ „Ich mache dir keine Vorwürfe, ich versuche dir nur unsere Situation zu erklären.“ „Ich wüsste nicht, was es da – zu erklären gäbe!“ Jetzt musste sie sich kurz an die Brust fassen, um einmal tief Luft holen zu können. Dann zischte sie mit einem Mal an Ash vorbei. „Komm jetzt!“ Ash konnte nur den Kopf schütteln, aber lieber so, als wenn sie hier bleiben und rasten würden. Man konnte ja schließlich nicht wissen, was Team Rocket mit Pikachu und den anderen vor hatte. Plötzlich rannte Ash Misty ausversehen um. Sie war stehen geblieben und hatte gelauscht. „Mann, mach doch deine Augen auf!“ „Tut mir Leid, aber du könntest mich auch vorwarnen!“, verteidigte Ash sich empört. „Hör doch mal.“ „Hm?“ Ash hielt den Mund und lauschte. Doch er vernahm nichts. „Was meinst du?“ „Mir war, als hätte da gerade jemand geschrien…“ „Geschrien? Wer?“ „Könnte ein Pokémon gewesen sein, aber sicher bin ich mir nicht…“ „Misty, da!!“ Ash packte Misty abrupt an der Schulter und deutete auf einen kleinen Hügel kurz vor ihnen. Dort bewegte sich etwas und es schien mit schnellen Schritten auf sie zuzukommen. „Was ist das?“ Misty wurde ein wenig kleiner. „Ich weiß es nicht, aber…“ Plötzlich konnte Ash doch einen Laut vernehmen. „Nein, das klingt wie…“ „Piiiiiiiiii~i!“ Ashs Gesicht erhellte sich plötzlich. „Ich glaub’s nicht, das ist Pika…!“ „Ash, sieh mal, da vorne!“ Misty deutete gen Himmel, bevor Ash vollkommen in Freude ausbrach. Gemeinsam erblickten sie Team Rockets Ballon, der dicht über dem kleinen Elektropokémon schwebte. „Nein!“ Ashs Blick wurde mehr als nur ernst. So schnell ihn seine Beine trugen, rannte er Pikachu entgegen, ebenso dem Ballon. „Ash, nein!“ „PIKACHU! Ich komme, Pikachu! Gleich bin ich bei dir!!!“ Pikachu spitze die Ohren, als er rannte. Konnte er sich denn geirrt haben? War er wirklich in die richtige Richtung gerannt? Dann sah er ihn. Es konnte unmöglich sein, dass er es nicht war, da war sich Pikachu sicher. „Pika pi!!!“, rief er erleichtert, machte einen Satz und sprang Ash direkt in die Arme. „Pikachu!“ Überglücklich umschloss Ash seinen kleinen Freund. „Gott sei Dank, du bist wohlauf! Bist du ok oder verletzt? Geht es dir gut?“ „Pika pi, Pikachu!“ „Toll, dass du Team Rocket entwischt bist! Wie hast du das nur geschafft?“ „Ash, pass auf!“ Misty konnte die beiden gerade noch zur Seite stoßen, sonst wäre Arbok direkt auf ihnen gelandet. „Ist jemand verletzt?!“, fragte Ash. „Nein, alles in Ordnung…“ Misty biss die Zähne zusammen. In seinem Vertrauen schenkte er Mistys Worten Glauben und wendete sich Pikachu zu. „Ich weiß, du bist geschwächt, aber denkst du, dass du es mit den beiden aufnehmen kannst?“ Er deutete auf Arbok und Smogmog, die immer näher kamen und schon zum nächsten Doppelangriff ansetzten. Pikachu nickte kräftig. Auf keinen Fall wollte er Ash im Stich lassen. „Gut, dann versuchen wir’s! Pikachu, Donnerschockattacke!“ „Pi-ka-CHUUUUUUUUU!“ Pikachu hatte nur Kraft, Arbok anzugreifen, das war dann aber erst Mal außer Gefecht, doch das sollte nicht ewig halten. „Mach keinen Blödsinn, Ash!“, keifte Misty ihn an. „Du bringst Pikachu damit noch um! Los, lass uns abhauen, danach können wir immer noch entscheiden, wie wir mit diesen Versagern fertig werden!“ Leider musste Ash Misty diesmal Recht geben, nahm Pikachu auf den Arm und rannte mit Misty zu einem nahegelegenen Waldstück. „Du warst trotzdem toll, Pikachu. Ich bin stolz auf dich.“ Die beiden lächelten sich an. In Wahrheit waren sie einfach nur froh, wieder zusammen zu sein. Dabei bemerkte sie gar nicht, dass sie einen viel größeren Vorsprung hatten als Misty. Bis plötzlich… „AAAH!“ Während Ash mit Pikachu schon fast weit in den Wald vorgedrungen waren, war Misty etwas am Waldrand gestürzt und rappelte sich schwer wieder auf. „Misty!“ Erst jetzt realisierte er, was los war. Schnell setzte er Pikachu ab. „Versteck dich! Rühr dich nicht vom Fleck, sie dürfen dich auf keinen Fall sehen, hörst du?“ Ernst hob Ash Pikachu einen Finger entgegen. Dieser schaute ihn nur besorgt an. „Warte hier!“ Dann drehte Ash sich schnell um und rannte auf Misty zu. Diese lag auf den Knien, fasste sich zuerst an den Kopf und dann an ihr rechtes Fußgelenk. Ihr Kopf war gesenkt und Ash konnte nicht deuten, warum sie nicht aufstand. „Misty, was hast du! Steh auf, sie haben dich sonst bald!“ Misty schreckte auf. „Ash, komm nicht näher, das ist eine Falle!“, rief sie mit aller Kraft ihm zu. Dieser verstand nicht. Um sie herum war nichts, nur der Wald mit seinen Büschen, Sträuchern und Bäumen. Misty mittendrin und dann sagt sie zu ihm, das sei eine Falle. „Red keinen Blödsinn! Los, steh auf und komm mit! Wir haben keine Zeit zu verlieren!“ Ash streckte seine Hand aus, um nach Misty zu greifen, doch plötzlich stieß er gegen etwas Hartes und zuckte die Hand schmerzend zurück. „Ah! Hey – was ist das?“ „Hau schnell ab, sonst fangen sie dich auch!“ „Was?!“ Noch einmal streckte Ash – diesmal vorsichtiger – seine Hand aus. Kurz vor Misty wurde sie von irgendetwas gestoppt. „Was ist das?“, wiederholte Ash seine Frage und tastete nun auch mit der zweiten Hand danach. „Eine unsichtbare Glaswand?“ Ash zuckte zusammen. Er kannte das und zwar von Pantimos, einem Pokémon, das Glaswände bauen und sich darin verbarrikadieren konnte. „Aber wie…“ „Ash, du musst abhauen! Schnapp dir Pikachu und mach, dass du weg kommst!“ „Ich kann dich doch nicht hier allein lassen!“ „Auf mich haben sie es nicht abgesehen! Sie wollen Pikachu! Dadurch, dass sie mich hier gefangen haben, wollen sie dich nur ablenken, um sich Pikachu schnappen zu können. Verdammt, Ash, jetzt mach schon, dass du weg kommst!“ „Ich lass dich hier nicht alleine, das kannst du vergessen!“ „Selbst wenn ich frei wäre, du müsstest mich hier zurücklassen.“ „Was redest du denn da?“ „Wieso glaubst du, konnten sie mich so leicht fangen? Ich habe ein Handicap.“ Erst jetzt bemerkte Ash, dass Misty ihren Knöchel hielt. Sofort wurde ihm bewusst, warum. „Aber – Misty, dein Fuß…“ „Nun lauf schon! Ich bin dir auch nicht böse, im Gegenteil! Rette Pikachu und unsere anderen Pokémon, oder ich werde in meinem ganzen Leben kein einziges Wort mehr mit dir reden, Ash Ketchum!“ Tapfer versuchte sie zu lächeln. Ihm dagegen war gar nicht danach. „Nein!“ Ash war den Tränen nahe. Wie konnte sie nur denken, dass sie ihm dermaßen egal wäre, dass er sie hier zurücklassen würde. „Ich habe dir versprochen, dass wir immer zusammen bleiben! Ich lass dich nicht im Stich, das kann ich nicht!“ „Warum kannst du nicht ein einziges Mal auf mich hören?! Während wir hier herum diskutieren, ist Team Rocket schon im Landeanflug und freut sich tierisch darauf, Pikachu zu fangen! Apropos…“ Misty deutete mit dem Zeigefinger hinter Ash. Dieser folgte ihrem Blick. Pikachu kam den Waldweg entlang gerannt und blieb vor den beiden stehen. „Pikachu, ich hatte dir doch gesagt, du sollst dich verstecken!“ „Pika pi!“ Energisch schüttelte Pikachu den Kopf und sah fast schon bettelnd zu ihm und Misty herüber. Ash war schon am Verzweifeln. Nicht nur Misty stresste rum, sondern jetzt auch noch sein bester Freund. „Er macht sich Sorgen um dich, merkst du das nicht?“ Ash stutzte. „Genau so wie ich…“ Langsam senkte Misty den Kopf. „Haut ab. Verschwindet von hier!“ „Pikachu pi…“ Sanft berührte Pikachu mit beiden Händen die Glaswand. Seine Augen waren treu und spiegelten seine Sorge auch für sie wieder. „Pikachu…“ Misty sah ihn verwundert an. Dann legte sie aber auch ihre Hände an die Scheibe. „Mach dir keine Sorgen. Ich komme schon klar. Wenn sie merken, dass ihr nicht mehr da seid, werden sie mich irgendwo anbinden und zurück lassen. Ich werd mir dann schon irgendwie zu helfen wissen.“ „Pikachu pi…“ „Pass auf Ash auf und sag ihm, dass ihr jetzt gehen müsst“, lächelte sie den kleinen sanft und mit ein wenig traurigen Augen an. „Auf dich hört er wenigstens…“ Dabei wurde sie immer leiser. „Und dass eines klar ist…“ Sie schaute zu Ash, „ich möchte euch auf alle Fälle wiedersehen, kapiert? Was auch passiert.“ Ash wollte sich beherrschen. Tapfer schluckte er seine restlichen Tränen herunter, nickte kräftig schweren Herzens und meinte, ihr direkt in die Augen sehend: „Ich verspreche es dir!“ Misty lächelte. Sie wollte unbedingt vermeiden, dass Ash oder Pikachu merkten, wie viel Angst sie gerade hatte. Hauptsache die beiden kamen mit dem Leben davon, das war ihr gerade das Wichtigste. Auch, wenn sie sonst immer sofort um Hilfe schrie und eigentlich die Erste war, die sich in Sicherheit brachte, so wusste sie, dass es für dieses Mal kein Entrinnen gab. Und wenn sie nie im Leben Ash ihre wahren Gefühle gestanden hatte und das hier ihre letzte Gelegenheit gewesen sein sollte – so sei es dann. Es wäre eben Schicksal. Endlich drehte Ash sich herum. Pikachu folgte ihm kreischend. Wie konnte er Misty nur diesen Gefallen tun? Wie konnte er sie nur so im Stich lassen? War sie ihm denn gar nichts wert? Was war denn mit ihrer ewig langen intensiven Freundschaft? „Ich weiß! Ich weiß, Pikachu, ich weiß!!!“ Ash wurde wieder wütend. Wütend auf sich selbst. Wie konnte er nur gehen? Und dann auch noch sein kleines Gewissen, Pikachu. Konnte er ihn nicht in Ruhe lassen? Er wusste doch selbst, dass er es irgendwann bereuen würde… Irgendwann… „Elender Feigling!!!“ Schon nach wenigen Metern wurde Ash und Pikachu der weg versperrt. Schlurp und Smogmog hatten die beiden abgefangen. „Deine kleine Freundin einfach so im Stich zu lassen, nur um eine kleine Elektroratte zu retten! Was bist du eigentlich für ein Mann?!“ „Anscheinend immer noch derselbe Knirps wie früher“, wurde der ekelhafte Satz noch erniedrigender beendet. Ash kniff die Augen zusammen, dann drehte er sich wütend abrupt um. Jesse und James standen recht und links von Misty und ‚bewachten’ ihren Käfig. Neben ihnen standen noch deren Pokémon Arbok und Sarzenia, daneben ein für Ash unbekanntes Pantimos. „Wehe, ihr krümmt ihr auch nur ein Haar!“ „Ts, und wenn doch?“, fragte Jesse höhnisch und mit hochgezogener Nase, noch schlimmer als sonst. „Dann gnade dir Lugia, das schwöre ich dir!“ „Soll ich davor jetzt etwa Angst haben?“ Sie verzog keine Miene, im Gegenteil, lieber hätte sie sich totgelacht, aber dieser Knirps war es ihr nicht wert. „Wer nicht einmal im Stande ist, seine beste Freundin zu beschützen, sollte sein Mundwerk nicht so dermaßen aufreißen, Freundchen!“ Das letzte Wort betonte sie mehr als spöttisch. „Ich habe sie nicht im Stich gelassen, ich wollte…“ „Erspar mir das! Ich hab Augen im Kopf und deine kläglichen Wortspiele kannst du dir schenken!“ Plötzlich begann sie leicht zu grinsen. „Interessiert es dich nicht eher, was wir mit deiner Knirpsin vorhaben?“ „Wir sind nicht zusammen!!“, schrie Ash hochrot im Gesicht und kniff die Augen zu. Misty, die alles in ihrem Glaskäfig mit anhörte und mit ansah, bekam plötzlich große erschrockene Augen. Dass es ihm derartig peinlich war mit ihr so verwechselt zu werden, löste in ihr unangenehme gemischte Gefühle aus und ließ sie etwas kleiner werden, als sie so da kniete, die Hände an der Wand, den Kopf leicht gesenkt. Ihr ganzer Traum vom Vortag war für sie plötzlich pechschwarz wie die Nacht, nur noch schwärzer und weiter entfernter. „Du kannst uns viel erzählen“, meinte jetzt auch James grinsend, „aber wir sind nicht blind. Immerhin haben wir euch die ganzen fünf Jahre begleitet und wir sind uns trotz unserer Feindschaft so nahe gekommen, dass wir alles, was zwischen euch abgegangen ist, mitbekommen haben.“ „Wie auch immer“, verdrehte Jesse die Augen und schnitt somit James das Wort ab, „was ich gerade sagen wollte: Fandest du es nicht merkwürdig, dass Pikachu plötzlich frei war?“ Ash hob erschrocken den Kopf. Das brachte Jesse zu einem sicheren Grinsen, dass sie mit ihrer Vermutung Recht hatte. „Du glaubst also echt, dass Pikachu von alleine frei gekommen ist?“ Herzhaft fingen sie und James an zu lachen. „Das kann auch nur einer wie du glauben!“ „Du meinst… ihr habt…“ Ash starrte auf Team Rocket und würde am liebsten zusammen knicken. Sollte er Misty etwa ganz umsonst verraten haben? War das etwa alles so von Anfang an geplant? „Du Vollidiot! Das war doch so offensichtlich! Pikachu können wir uns auch noch später holen, aber das, was wirklich wichtig ist, haben wir hier.“ „Misty…!“ Fassungslos starrte er auf sie. Trotz der Entfernung konnte er deutlich spüren, dass ihr momentan alles egal war. Sie sah ziemlich fertig aus. „Oh ja. Sie ist das fehlende Glied.“ „Das fehlende Glied zu was?!“ Ash kam etwas näher. Er konnte das alles immer noch nicht glauben. Alles, was hier ablief, erinnerte ihn streng an seinen heutigen Traum. Aber wie konnte das sein? Still hoffte Ash erneut zu träumen. „Das fehlende Glied zu Giovannis Plan, an dir Rache zu nehmen.“ „Rache? Wer ist Giovanni? Ich kenne niemanden, der so heißt!“ Ash war voller Panik. Er wusste einfach nicht mehr, was jetzt Sache war und vor allem, was er tun sollte. „Was hab ich ihm getan – und was hat Misty damit zu tun? Lasst sie gehen!“ „Das wirst du noch früh genug erfahren. Teil eines seines Planes ist jedenfalls, dir das liebste wegzunehmen, was du hast.“ Erneut zuckte Ash zusammen. Was redeten die da? Und vor allem von wem?! In Ashs Kopf drehte sich alles, am liebsten wollte er aufschreien, aber selbst dafür war er zu verwirrt. „Giovanni, unser Boss, hat dich und deine Freunde lange genug beobachtet und letztendlich hat er die Geheimnisse erfahren, die dich so unheimlich stark machen. An dritter Stelle kommen deine Pokémon, an vierter deine Freunde, an zweiter dein treuer Begleiter und bester Freund, Pikachu – und an erster…“ Jesse drehte ihren Oberkörper gen Misty. „Nein, das… lass sie frei – bitte! Ich mach alles, was du willst.“ „Ts… Idioten.“ Plötzlich starrten alle auf Misty, die sich nun das erste Mal zu diesem Thema äußerte. „Ashs innere Kraft kommt nur von einem! Und ihr Idioten habt ihn auch noch frei gelassen! Dieser Giovanni muss ja ein richtiger Blindgänger sein, wenn er das all die Jahre, die er wie ihr gesagt habt, Ash schon beobachtet hat!“ „Wie naiv.“ Wieder musste Jesse grinsen, nachdem sie Misty kurz aufmerksam zugehört hatte. „Auch ihr zwei werdet sicher irgendwann erwachsen.“ Ganz langsam zog Jesse etwas aus ihrer Rocktasche hervor. „Misty… nein! Was machst du da?!“ Ohne noch weiter zu zögern, setzte Ash sich in Bewegung und rannte Misty entgegen. Diese hatte den Kopf von ihm weggedreht. „Bleib, wo du bist!“ Beherrscht streckte James Ash eine Hand entgegen. „Ansonsten wird es ihr übel ergehen. „Verdammt, wie könnt ihr es wagen?! Wisst ihr eigentlich, was ihr da tut?!“ „Na und ob. Und du und dein kleiner Nager werdet gleich Zeuge sein. Pantimos?“ Das Psychopokémon stellte sich neben Jesse und baute sich etwas auf. „Du weißt, was dein Herr dir befohlen hat!“ „Paaaan…“ Das Pantimos schloss kurz die Augen, dann riss er diese wieder auf und sie funkelten in grellem hellblau. Seine Hände waren auf die Glaswand fixiert. Diese entfernte sich langsam und Misty wurde etwas in die Luft gehoben. „Hey, lass mich runter!!“ Misty versuchte etwas zu zappeln, aber die psychischen Wellen machten sie starr wie Stein. „Jesse, hör auf, was hast du vor?!“ „Sag leb wohl, zu deiner Freundin!“ Mit diesen Worten wurde Misty immer durchsichtiger. Zuerst verschwanden ihre Beine und nach und nach verschwanden immer mehr Teile ihres Körpers. „Ah, hör auf, was machst du da?! Lass mich runter!“ „Misty, nicht!!!“ Ash versuchte sie nun doch zu fassen zu bekommen und sprang etwas hoch in die Luft. Sogar Misty vergaß kurz, was Ash zuvor gesagt hatte und streckte ihm ihre Hand entgegen. „Verzeih mir…!“ Nur ganz kurz konnte Ash ihr noch in die Augen sehen und sie in seine. Dann wurde auch der Rest ihres Körpers von Pantimos Teleport verschlungen und Ash landete mit seinem Rettungsversuch auf dem harten Waldboden. Team Rocket lachte schamlos, sammelte seine Pokémon ein und ging auf seinen Ballon zu. „Verdammte Gauner, wartet gefälligst!“ Bis aufs Tiefste gekränkt und überwütend, sprintete Ash James und Jesse hinterher, machte erneut einen Hechtsprung und biss Jesse wütend in den Arm. „AU! Hey, was soll das?!“ Erzürnt schlug sie Ash ins Gesicht. „Du kleiner Dreckskerl, was erlaubst du dir?!“ „Wo habt ihr sie hingebracht?!“ Ash hielt sich kurz seine Wange, dann sprang er auf. „Was habt ihr mit Misty und den anderen gemacht, redet!“ „Ts, du musst diese kleine Göre ja ziemlich gern haben, wenn du dich so um sie sorgst.“ „Spielt keine Rolle, sag mir sofort, wo sie ist!“ Kurz stutzten die beiden, dann jedoch übernahm James für kurze Zeit das Gespräch. „Sie ist bei unserem Boss, Giovanni, in der Vertania City Arena.“ „Falls du sie befreien möchtest, würde ich mich an deiner Stelle beeilen, das heißt, falls du sie so wiedersehen möchtest, wie du sie kennst.“ „Was? Von was redet ihr da?“ Schon wieder zuckte Ash zusammen. Er hatte eine böse Vorahnung nur was genau, wusste er noch nicht. „Vorgang zwei Giovannis genialen Racheplans ist es, an deiner kleinen Freundin ein klitzekleines eigenständiges Projekt auszuprobieren.“ „Pro-jekt?!“, fragte Ash etwas angewidert. Jesse und James nickten im Takt. „Er nannte das Projekt liebevoll ‚Changing an angel into an evil’!“ Daraufhin stiegen die beiden in ihren Ballon und ließen ihn mit Raketenantrieb abrupt ansteigen, dass Ash erst gar nicht weiter an sie herankäme. „Verdammt, ihr elenden Mistkerle, das werdet ihr mir büßen!“ Ash wusste, dass er in Englisch nicht besonders gut war, aber die Worte konnte er mit Leichtigkeit gerade noch so übersetzen. „Aus einem Engel einen Teufel machen“ „Misty – was haben sie nur mit dir vor?!“ Ash und Pikachu versuchten den Ballon auf dem Fuße zu verfolgen, aber der Luftweg war einfach doch schneller als der Gehweg und so mussten Ash und Pikachu bald feststellen, dass es sinnlos war. Ash knallte hart auf den Boden. Er fühlte sich so kraftlos, so dreckig – wie ein Verräter! Oh ja, er hatte Misty im Stich gelassen. Er hatte seine Freundin verraten! Er hatte sein Versprechen gebrochen. „VERDAMMT, MISTY!!!“ Ash brach unter seinen Gefühlen kurzerhand zusammen. Er wusste einfach nicht mehr, was tun, was fühlen, was denken. Am liebsten würde er alles aufgeben, aber er wusste genau, dass er das nicht durfte. „Pikachu pi…“ Pikachu war sich sicher. Sie würden Misty wieder zurück holen. Ganz sicher! Kapitel 4: Gefangen (25.02.2007) -------------------------------- Kapitel 4 – Gefangen (25.02.2007) Weit entfernt vom derzeitigen Ort des Geschehens stapfte ein etwas kleines ungeduldiges Katzenpokémon auf seinen zwei Beinen und mit über dem Kopf verschränkten Vorderpfoten durch eine dunkle Halle immer wieder auf und ab, von einem Eck des Raumes in den anderen. Es war stockdunkel dort, keine einzigen Fenster und überhaupt würde ein normaler Mensch diesen Raum betreten, würde es ihm auf einen Schlag eiskalt den Rücken herunter laufen und er hätte das Gefühl, sein Körper würde gefrieren. „Wo bleiben die nur!“, murmelte es mit Schweißperlen auf der Stirn und mit nervösen Schritten. „Sie müssten schon längst da sein…“ Immer wieder einmal drehte Mauzi den Kopf ganz leicht und mit einem unterwürfigen Blick auf eine Seite des Raumes. Er konnte den kalten Blick der Person, die ihn schon seit sie hier unten waren, mit Ekel und Unwohl in seinem Nacken spüren. „Er wird mich noch umbringen, sollten Jesse und James dieses Mal versagen… Wieso hätte ich sonst hier bleiben sollen?“ „Maunz…“ Das Pokémon neben der schwarzen Gestalt ließ Mauzi keine Sekunde unbeobachtet. Seine roten Augen leuchteten durch den dunklen Raum und visierten ihn streng an. „Dieses blöde Snobilikat!“ Wieder merkte Mauzi seinen Hass gegen dieses verwöhnte Katzenvieh. „Eigentlich sollte ich dort sitzen und mich kraulen lassen, aber nein, ich gehöre ja zu dieser Loserbande!“ Peinlich berührt seufzte es einmal kräftig aus. „Aber ich gebe ehrlich zu, es wäre das erste Mal, dass ich froh sein würde, dieses Team zu sehen noch bevor ich es vielleicht das letzte Mal gesehen habe…“ „Mauzi, Bericht!“, ertönte plötzlich eine tiefe, raue Stimme, die Mauzi kurzzeitig einfrieren ließ. Jedoch fing er sich schnell wieder, rannte auf allen Vieren vor den unheimlichen Mann, salutierte und meinte mit mutigem und eisernen Blick: „Ich bin mir sicher, dass Jesse und James gleich mit dem Experiment auftauchen werden, Sir!“ „Das will ich dir auch raten“, dabei streichelte er sein Snobilikat, das genüsslich anfing zu schnurren, „denn sonst kann ich für euer aller Leben nicht mehr lange garantieren…“ Mauzi schluckte kräftig und ergänzte nur noch ein klägliches „Jawohl, Sir…“ „Was ich auf den Tod nicht ausstehen kann – ist Unpünktlichkeit!“ Mit diesen Worten erhob der Mann seinen schweren, gut gebauten Körper, um sich vor dem kleinen Katzenpokémon aufzubauen. „Ich hoffe, deiner Versagertruppe ist klar, dass ich eure dauernden, kostspieligen, missratenen Missionen endgültig nicht mehr dulde!“ Ehrfürchtig schmiss sich Mauzi auf den Boden. Er konnte den Anblick seines Bosses nicht länger ertragen und hielt sich die Pfoten über den Kopf. Seine Haltung war definitiv gebrochen. „Ganz sicher, Sir, das wissen sie ganz bestimmt!“, stotterte er Hilfe suchend. Dabei konnte er ganz deutlich spüren wie das Snobilikat große Kreise um ihn machte, die mit jeder neuen Runde immer kleiner wurden. „Davon bin ich nicht überzeugt“, sagte Giovanni kalt, der sich nun endgültig aus seinem dunklen Eck preis gab, soweit das durch die kahlen Lichtverhältnisse eben möglich war, denn nur an der Stelle, wo eine große Eisentür die Wand zierte, war eine kleine Fackel angezündet, die demnächst drohte, auszugehen. „Deine Freunde scheinen sich jedenfalls um dich keine allzu großen Sorgen zu machen.“ „Miauz!“, fauchte das Snobilikat gerade noch leise. Als es schon seine Pranke hob, hörte man plötzlich einen schrillen Laut, der sich in dem gesamten Raum ausbreitete und der mit jeder Sekunde lauter wurde. Das Snobilikat erschrak von dem darauf gefolgten Lichtblitz so sehr, dass es sich hinter einer Loge versteckte und erst einmal alles aus sicherer Entfernung beobachtete. Inzwischen sah auch Mauzi auf, der der Laut ebenfalls hochschrecken ließ und beschaute es ehrfürchtig, während Giovanni von einem zuerst verwunderten Gesicht auf ein höhnisches überging. Der Lichtblitz erlosch, ebenso der schrille Klang – nur ein dumpfer Schlag war noch zu hören. Dann war es für kurze Zeit totenstill. Mauzis Augen weiteten sich, als er auf die Stelle starrte, wo der Lichtkegel sich teilte. „Hm“, grinste Giovanni nun endlich und strich dem nun wieder gerade stehenden Mauzi über den Kopf, dass dieser zusammenzuckte. „Anscheinend haben die beiden endlich einmal etwas richtig gemacht.“ Nach diesen Worten setzte er sich drei Schritte nach vorn in Bewegung und wartete. „… Gnn…“ Ganz langsam und ganz vorsichtig versuchte sich Misty zu bewegen. Der harte Schlag auf diesen kalten Betonboden hatte sie kurzzeitig außer Gefecht gesetzt. Allmählich bekam sie wieder ein wenig Kraft und schaffte es wenigstens sich auf ihre Knie zu erheben. „Wo – bin ich hier…? Was ist mit mir passiert.“ „Willkommen, junge Dame, in meinem bescheidenen Haus“, vernahm sie plötzlich eine Stimme aus der Dunkelheit. „Was? Wer ist da?“, rief sie unsicher und stellte sich schwer auf die Beine, in der Hoffnung einen besseren Überblick zu bekommen. Jedoch war es so dunkel und ihr Kopf so leer, dass sie keinen klaren Gedanken fassen und ihre Augen benutzen konnte. „Ich habe lange auf dich gewartet.“ Jetzt konnte sie plötzlich eine dunkle Gestalt erkennen, die auf sie zu zukommen schien. Mistys Gefühl ließ jedenfalls nichts Gutes damit erahnen und ihr Instinkt riet ihr, ihre Beine zu benutzen. Jedoch machte sie nur ein paar wenige Schritte rückwärts, als sie an ihrem Rücken eine noch kältere Betonwand verspürte als es der Boden bei der harten Landung war. „Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?!“ „Dass ich das noch erleben darf.“ Man konnte deutlich ein mieses Grinsen aus diesem Satz heraus hören. „Die jüngste der Leiterinnen der Azuria City Arena. Wurde auch Zeit, dass wir uns endlich einmal kennen lernen, findest du nicht?“ „Wer… sind Sie…?“ Mit jedem weiteren Mal, mit dem Misty diesen Satz wiederholte, wurde er ihr schwerer im Rachen als zuvor und dort davor. Mit jedem weiteren Schritt, der er ihr näher kam, wurde das ungute Gefühl in ihrem Bauch immer stärker und unerträglicher. Und mit jedem weiteren Blick, in dem sich der unheimliche Typ mit dem wenigen Licht des Raumes vertraut machte, wurde es ihr unheimlicher und kälter. „Woher wissen Sie, wer ich bin?“ „Du musst wirklich keine Angst haben. Hier tut dir niemand was.“ Giovanni konnte sich ein kurzes schamloses Lachen nicht verkneifen. „Lassen Sie mich gehen! Was wollen Sie von mir?!“ „Ganz ruhig, junge Dame.“ Misty stockte der Atem. Der Kerl stand genau vor ihr und berührte mit seiner eiskalten Hand ihre durch die Nervosität angewärmten Wangen. „Finger weg!“, schrie Misty erschrocken, kniff die Augen zu und schlug Giovannis Hand aus ihrem Gesicht. „Was wollen Sie von mir?! Und wer sind Sie?!“ Mistys Herz schlug schneller als je zuvor und die Angst, die sie gerade durchlebte, war ihr definitiv ins Gesicht geschrieben. „Nana, wer wird denn gleich so handgreiflich sein?“ Giovanni ließ diese Aktion regelrecht kalt, was Mauzi noch mehr schockierte als Mistys Tat. Die Kleine hatte ja keine Ahnung, wie viel Mut sie hatte bzw. wie töricht sie war. Misty jedoch sollte Mauzis Gedankenzüge gleich am eigenen Leib erfahren. „Ich sagte doch, dir tut niemand etwas, so lange du mitspielst.“ „Mitspielen?“ Misty wagte es noch einmal in sein Gesicht zu schauen. Er starrte sie mit einem unglaublich eisernen und höhnischen Blick grinsend an und ließ keinen ihrer Blicke unkontrolliert. „Nein, das…“ Misty stockte für kurze Zeit der Atem. Das konnte einfach nicht sein, das durfte er nicht sein! In Misty kamen böse Kindheitserinnerungen hoch, die sie eigentlich schon längst vergessen hatte, denn damals, als es passierte, war sie gerade mal 3 Jahre alt. „Sie sind… nein...“ „Soso, du erinnerst dich also an mich. Es ist lange her, nicht wahr, Misty?“ „Giovanni…!“ Wütend starrte sie ihn an und ihre Augen füllten sich mit einem Schlag mit Hass. „Der brutale Trainer des Arenaleiters von Vertania City, der meine Eltern auf dem gewissen hat!“ Plötzlich wusste Misty nicht mehr, was sie tat. Unter diesen Erinnerungen bis aufs tiefste verletzt, wie sie ihre Eltern sah, wie sie von Giovannis Vater und ihm selbst mit deren Pokémon derartig verletzt wurden, dass sie bald an den Verletzungen starben, weil ihnen niemand, aber auch wirklich niemand mehr helfen konnte, denn ihre Schwestern und sie hatte man in den Keller gesperrt, sprang sie Giovanni entgegen und wollte ihm mit der bloßen Faust direkt ins Gesicht schlagen. Dieser jedoch hatte so einen Aussetzer schon vorausgesehen, packte ihr Handgelenk und drückte ihren Körper gegen die Wand. Sicher verspürte Misty kurz Schmerzen – aber sie waren lange nicht so schlimm wie die, als sie ihre Eltern verlor. „Wie konnten Sie nur?!“, fuhr sie ihn weiter an ohne an die Konsequenzen zu denken. Immer noch hielt er sie fest, auch als sie mit Tritten und Schlägen versuchte sich zu befreien. Im Gegensatz zu ihr war er einfach ein Koloss und alleine nicht zu schlagen – schon gar nicht ohne Pokémon. „Wieso haben Sie uns das angetan?!“ „Ts“, zuckte Giovanni seelenruhig die Achseln. „Deine Eltern waren mir im Weg. Sie hatten sämtliche Betrüge meines Vaters aufgedeckt und hatten fast schon so viele Beweise, dass sie die Polizei hätten einschalten können. Pech für sie, dass sie nicht schnell genug gehandelt hatten, um meinen Vater aus dem Weg zu räumen, der zu der Zeit ohnehin praktisch schon im wohlverdienten Ruhestand war. Und da ich sein Nachfolger war, war die Sache für mich glasklar. Entweder würde eure Arena verrecken, oder die meine.“ „Sie Schwein!“ Man merkte ihr deutlich an, wie nah Misty schon den Tränen war, aber sie unterdrückte es tapfer. Schlimm genug war es, dass sie nun Auge in Auge mit dem Mörder ihrer Eltern in Kontakt stand. „Es freut mich allerdings zu hören, dass dir mein Name geläufig ist.“ Sein Grinsen wurde immer breiter und er machte noch einen Schritt, so dass er Misty nun direkt an die Wand drückte und sie kaum noch Luft bekam. „Und sieh an, was für ein Mädchen aus dem kleinen Naseweis geworden ist, die damals noch so einen unschuldigen und unwissenden Blick hatte. Ich wusste genau, eines Tages wirst du hier her kommen, zu mir.“ „Hh!!“ Misty riss die Augen auf. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie nah ihr Giovanni inzwischen war und dass er sie derartig in der Gewalt hatte, dass sie kein einziges Spiel mehr hatte. Seine freie Hand schlich sich immer mehr unter ihr kurzes gelbes Top und fing hemmungslos an, sie zu berühren, wo es ihm gerade passte. „Wie ich hörte“, immer mehr glitt seine Hand nach oben an ihren Brustbereich und berührte sie schamlos, wobei Misty nicht wusste, was sie tun sollte. Sie hatte Angst… Und es schien kein Entrinnen zu geben, „hat dein Freund Ash dich einfach so fallen gelassen.“ „Hören Sie auf…“ Das auch noch… Nicht nur, dass er gerade dabei war, ihr ihre Unschuld rauben zu wollen, nein, jetzt brachte er auch noch diese schmerzvolle Erinnerung in ihr Gedächtnis. „Du bist wirklich wahnsinnig hübsch“, betonte er im Flüsterton, den Kopf an ihr Ohr gelegt. „Denkst du nicht, du hättest etwas Besseres verdient?“ „Bitte nicht…“ Mistys Herz wurde immer lauter und je mehr er sie berührte, desto dreckiger kam sie sich vor. Er war inzwischen direkt in ihrem Dekoltebereich angekommen und nutzte jede Gelegenheit um sie vor Scham im Boden versinken zu lassen. „Du glaubst doch wohl nicht, dass dieser Knirps mit seiner Elektroratte irgendetwas für dich übrig hätte. Komm in mein Team und ich zeige dir, was es bedeutet zu gewinnen.“ „T-Team?!“ Misty verstand kein Wort. Sie war sich inzwischen zwar sicher in Vertania City zu sein, aber hier war doch weit und breit niemand. Im Moment konnte sie eh keinen klaren Gedanken mehr fassen. So wie sie gerade berührt und missbraucht wurde, wollte sie einfach nur eines: Fliehen. Jedoch wusste dieser Typ nur zu gut, wie man ein junges Mädchen verängstigen, quälen und verunsichern konnte. „Sehr wohl. Ich bin nämlich nicht nur Arenaleiter“, Misty starrte auf den Boden. Sie wollte das alles nicht hören. „Sondern genau so auch der Boss des Team Rocket.“ „Was?!“ „Und? Überrascht?“ Sein Gesicht war dem ihren verdammt nahe, aber immerhin schaffte sie es noch, sich mit dem Kopf von ihm immer wieder wegzudrehen. „Verdammt, was haben Sie mit Ash und unseren Pokémon gemacht?!“ „Sind sie dir so wichtig?“ „Nehmen Sie endlich ihre Dreckspfoten von mir!“ Langsam hielt Misty es nicht mehr aus. Sie wünschte sich nur eines und das ist aufzuwachen. So etwas kann doch nur ein böser Traum sein. Peinlich berührt merkte Misty bereits, wie sie leise anfing zu stöhnen und dass mit ihrem Körper etwas nicht stimmte. Diese Gefühle waren ihr vollkommen fremd und das Letzte, was sie wollte, war, heraus zu finden, woher sie kamen und was sie bedeuteten. Giovanni hingegen ließ das alles recht amüsieren. „Erzähl mir doch nicht, dass du das nicht auch möchtest. Was sollte es in deinem Alter schon für ein interessanteres Thema geben, als wie wenn zwei Menschen sich gegenseitig die größten und sehnlichsten Wünsche des Erwachsen Seins erfüllen und auskosten?“ „Bestimmt nicht mit so einem alten Sack wie Ihnen!“ Giftig sah Misty ihn an. Er konnte sie beleidigen und begrapschen wie er wollte, aber ihr großes Mundwerk würde er ihr nicht nehmen können. Aber genau das würde sie jetzt vielleicht das Leben kosten. „Hm. Ich mag temperamentvolle Frauen und noch mehr mag ich zickige, junge, hübsche, reif werdende Mädchen“, grinste er nach einem kurzen Schreck über Mistys Torheit, „aber dennoch sollten sie irgendwann wissen, wann sie Respekt haben müssen!“ „AH!“ Mit einem Mal wurde Misty mit der gewaltigsten Ohrfeige, die sie je zu spüren bekommen hat, auf den Boden geworfen. Hart schlug sie auf die linke Seite auf, direkt auf die Schulter. „Vergiss niemals, wen du vor dir hast. Und eines kann ich dir versprechen, ich bekomme IMMER, was ich will. Tja und momentan – hab ich es eben auf dich und deinen Freund abgesehen.“ „Lassen sie endlich Ash aus dem Spiel! Ich möchte nur hoffen, dass er nicht hier ist!“ Schmerzvoll rappelte sich Misty auf die Knie, hob ihre Schulter. Das ist meine Chance! Schnell stand sie auf und rannte. Die Ohrfeige und die blutende Unterlippe nahm sie gerne in Kauf, solange sie seinen ekelhaften Atem und seine widerwärtigen Berührungen an ihrer Brust nicht mehr spüren musste. Giovanni lachte. „Glaubst du wirklich, ich würde mir die Hände seinetwegen schmutzig machen?“ „Was?“ Fast atemlos blieb Misty kurz stehen und lauschte. „Dieser Versager wird mir von ganz alleine in die Hände fallen und zwar, weil ich das Wichtigste habe, was er besitzt.“ Ungläubig schielte Misty ihn angewidert an. „Und das wäre?“ „Dich!“ Misty fiel fast um. „ARGH! Hören Sie auf, so einen Quatsch zu reden! Sie haben ja wirklich keine Ahnung, was Ash angeht! Sein größter Schatz, der ihm auch seine Energie und seinen Mut gibt, ist immer an seiner Seite und hilft ihm auch in den gröbsten Schwierigkeiten, seine Niederlagen einzustecken und zu perfektionieren!“ „Fragt sich nur, wer von uns hier keine Ahnung hat.“ „Wie bitte?!“ „Deine Liebe zu diesem kleinen Trottel lässt dich vergessen auf das zu sehen, was wirklich um euch passiert.“ „Ich sagte doch, Sie sollen keinen Unsinn reden!“ Mit einem Mal schnippte Giovanni und Misty wurde mit einer heftigen Luftwelle an die nächste Betonwand geschleudert. Getroffen ließ sie einen kurzen Schmerzensschrei los. Was war das…? „Wer hier Unsinn redet und wer hier das Sagen hat, werden wir jetzt gleich mal klären! Haben wir uns verstanden?“ „Das können Sie vergessen!“ „Du bist echt genauso töricht wie dein Freund. Ich hätte nicht gedacht, dass du einmal jeden Schwachsinn von ihm übernehmen würdest!“ „Hören Sie auf, so über Ash zu reden!“ „Hab ich da etwa einen wunden Punkt getroffen?“, schielte er Misty mit einem miesen Grinsen an. „Sagen Sie mir endlich, was sie von mir wollen, anstatt mich mit so einem Müll voll zu quatschen!“ „Wie du willst.“ Misty schreckte auf. Wieder beobachtete sie, wie Giovanni mit den Fingern schnipsen wollte, als plötzlich die große Eisentür aufging und Jesse und James herein traten. „Team Rocket – meldet sich zum Report!“, salutierten die beiden standhaft, James einen Sack mit Pokébällen haltend. „Unsere Pokémon!“, schrie Misty erschrocken und wollte schon darauf zu rennen, jedoch wurde sie von einem Snobilikat fauchend aufgehalten. Schnell flitzte Mauzi zu Jesse und James und meinte in einem harten Flüsterton: „Ganz schlechtes Timing, Leute, unser Boss ist gerade so gut in Fahrt und ihr seid dabei, ihm seinen Auftritt zu versauen!“ „W-Was? Aber er wollte doch, dass wir ihm unverzüglich die Pokémon der Knirpse bringen“, meinte Jesse blass werdend. „Und außerdem sind wir ein Mal pünktlich!“, fügte James etwas verbittert hinzu. „Jesse, James, Mauzi!“ „Ja, Sir!!!“ Schnell standen alle drei still und warteten nervös auf die Stimme ihres Herrn. „Seid gefälligst leise. – Sonst jagt ihr unserem jungen Gast womöglich noch Angst ein.“ Nun schauten auch Jesse und James zu Misty, die von Snobilikat inzwischen in die nächste Ecke gedrängt wurde. „Wenn ihr zuschauen wollt und lernen, soll es mir Recht sein, aber – HALTET EURE GOTT VERDAMMTEN KLAPPEN!!“ „Jawohl, Sir, entschuldigen Sie, Sir!!“, hörte man sie nur noch winseln und gehorsam gingen Jesse, James und Mauzi einige Schritte zurück. Vorsichtig hüstelte Giovanni, dann wendete er seinen Blick wieder Misty zu. „Wo waren wir gerade? Ach ja!“ Endlich schnippte er und in der Decke des Raumes schien sich etwas abzulösen. Wie ein Lift kam ein Teil der Decke langsam in Richtung des Bodens und auf einer Platte stand ein Pokémon, das Misty etwas bekannt vorkam. „Du möchtest also wissen, was ich mit dir vorhabe, ja?“ „…“ Misty blieb die Sprache weg. Sie merkte deutlich, wie ihre gerade verlorene Angst wieder ein wenig stärker wurde. „Vorab jedoch wird es Zeit dein Temperament etwas zu zügeln. Traumato? Los!“ Das Psychopokémon bewegte kurz seine Arme, dann leuchteten seine Augen in grellem Hellblau und stießen Misty noch einmal gegen die Wand. „KYAAA!! Was…?“ Misty vernahm nur noch zwei Mal ein lautes Klipsen, dann konnte sie ihre Arme nicht mehr bewegen. „Verdammt, was ist das?!“ „Offiziell bist du meine Gefangene. Und demnach sollst du dich auch verhalten, du dummes Gör!“ „Wie bitte?!“ Erbost zuckte Misty eine Augenbraue. „Jetzt ist endgültig Schluss mit dem netten Onkel. Du kannst deinem Schicksal nicht entrinnen, es ist aus und danach wird dir nicht einmal Ash mehr helfen können! Dieser Idiot ist überhaupt erst Schuld, dass du hier bist!“ „Was haben Sie mit ihm vor? Verdammt, was haben Sie mit ihm gemacht?!“ „Spar dir deine Tränen. Ihm geht’s gut. – Noch… An deiner Stelle würde ich mir lieber um mich selbst Gedanken machen. Und wo wir gerade dabei sind, wieso ist dir dieses feige Weichei überhaupt so wichtig? Er hat dich im Stich gelassen, dich verraten und dich deinem Schicksal überlassen, was ist so toll an ihm, dass du dein Leben für ihn riskierst?“ „Er ist… Ash ist…“ Misty konnte nicht mehr. Ihr Selbstbewusstsein war nun endgültig im Keller. Immer mehr verfiel sie in ihre Gedanken, ihre vergangenen Jahren, die sie anscheinend – für Ash – verschwendet haben soll? Waren all die Dinge, die er für sie und sie für ihn getan hatte, etwa alles nur Lügen und Missverständnisse? Eigentlich musste sie zugeben, hatte Giovanni Recht. Oh ja und wie Recht er hatte… Wann hatte Ash eigentlich ein einziges Mal etwas für sie getan? Wann war er für sie da, wenn sie ihn brauchte? Und wenn er wirklich ihr Freund war, warum verdammt hatte er sie dann im Stich gelassen und derartig verraten? Wieso merkte dieser Idiot nicht, wie viel er ihr bedeutete und was er für sie war? „Ash ist wie ein kleiner Bruder für mich…“ Schlapp hing sie an ihren Ketten, den Kopf so tief gesenkt wie es nur ging und ihre Tränen fielen hart auf den Betonboden wie sie einige Male heute auch. Ihr Schluchzen wurde langsam lauter. „Ich kann ihn nicht im Stich lassen. Ich kann nicht zulassen, dass ihm etwas passiert…“ „Ich kann ihn nicht im Stich lassen, ich kann nicht zulassen, dass ihm etwas passiert, blablabla!!“, ahmte Giovanni sie gefühllos nach. „Wie dumm kann eine so junge Göre wie du eigentlich sein?! Blind vor Liebe und Eifersucht! Glaubst du wirklich, ein Typ, der sich von einer anderen küssen lässt, hätte etwas für dich übrig?!“ Melody… Urplötzlich war dieses Mädchen in Mistys Gedanken. Was, wen Ash sie auch gemocht hatte? Was, wenn da etwas gelaufen ist, was sie nicht mitbekommen hatte? „Ash und ich können uns alles sagen und wir vertrauen uns…“ „Weil ihr gute Freunde seid? Weil er dich von vorne bis hinten ausnutzt?“ Misty schreckte auf. Schon wieder hatte sie nicht mitbekommen, wie Giovanni auf sie zugelaufen war. Mit den letzten Worten hob er ihr Kinn und schaute sie scharf an. „Dauernd musst du ihn retten, andauernd macht er dir Schwierigkeiten, ständig bringt er dich in Gefahr, ohne dass du dafür eine Gegenleistung bekommst! Soll das etwa Freundschaft sein? Ich glaub dir kein Wort! In Wahrheit hasst du ihn und würdest es ihm am liebsten heim zahlen, dass er all die Jahre lang, die ganzen verdammten fünf Jahre nicht einmal annähernd gemerkt hat, was du für ihn fühlst. Er wäre sogar so weit, dass es ihm egal wäre, wenn du zurück nach Azuria City müsstest, weit weg von ihm, egal, Hauptsache woanders! Nur Pikachu ist ihm wirklich wichtig! So ist es doch?!“ „AUFHÖREN!!!“ Unter unendlich vielen Tränen und mit einem Blick, den man bei Misty noch nie zuvor gesehen hatte, flehte sie darum, in Ruhe gelassen zu werden. Wenn sie gekonnt hätte, wäre sie auf die Knie gefallen und hätte um ihre Freiheit gebettelt, aber sie hatte es selbst vergeigt. Es war zu spät. „Wann merkst du endlich, dass dieser Taugenichts es niemals wissen wird, was es heißt zu lieben und für einen anderen Menschen da zu sein?! Wann begreifst du endlich, dass dieser Typ nur für seine Pokémon lebt und für Menschen wie dich nichts übrig hat, schon gar nicht für Gefühle!“ „Hören Sie endlich auf, BITTE!“ Plötzlich spürte Giovanni einen kräftigen Schlag in den Bauch. Unsanft fiel er auf sein Steißbein und konnte sich gerade noch so abstützen. „Was zum…?!“ Wütend starrte er auf. Das konnte unmöglich Misty gewesen sein. Sie war im Moment zu angegriffen, um irgendetwas tun zu können. Umso verstörter war Giovannis Blick als er sah, WER ihn da gestoßen hatte. Sogar Misty konnte es nicht fassen. Mauzi stand vor ihr und hielt die Arme weit auseinander. Schluckend starrte er auf seinen am Boden liegenden Boss. „Du… wagst es…!“ Sich gerade noch zügelnd stand Giovanni in Rage auf. „Ich hoffe, du hast für deine Ungehobeltheit eine gute Erklärung!!“ „Das dürfen Sie ihr nicht antun…“ „Aber, Mauzi…!“ Jesse und James blieben hinter Giovanni geschockt stehen. „Sie – sehen doch, dass sie schon genug gelitten hat! Ich hab’s doch von Anfang an mit verfolgt. Lassen Sie sie in Ruhe!“ Misty konnte es nicht fassen. Warum setzte Mauzi sich so für sie ein? Das war mehr als unlogisch. „Sie ist ein herzensguter Mensch, der immer für einen da ist und sich um jeden sorgt, auch wenn sie noch so hart erscheint. Sie hat so etwas nicht verdient.“ „S-Sir – Mauzi hat Recht…“, meldete sich nun auch James zu Wort. „James, bist du von allen guten Geistern verlassen?!“ Jesse schüttelte ihn geschockt am Kragen. „Lass mich, Jesse! Mauzi und ich haben es selbst erlebt! Sie alle sind so! Es ist nicht wahr, wie Sie über sie denken!“ Jesse blieb wie ihrem Boss der Mund offen stehen und konnte nicht glauben, was hier passierte. Aber sie konnte die beiden doch jetzt nicht im Stich lassen, sie waren doch ein Team! Wie als hätte Giovanni Jesses Gedanken mitverfolgt, schaute er jetzt auf sie herab und meinte in einem gelangweilten Ton: „Und? Hast du dazu auch noch etwas zu sagen?“ „N-Naja…“ Jesse bekam Schweißperlen auf die Stirn und sah zuerst rechts von ihr zu James und dann geradeaus zu Mauzi und Misty. „I-Ich kann nicht leugnen, dass sie dafür verantwortlich ist, dass ich noch lebe…“ „Was?“, wisperte Misty unhörbar. Natürlich konnte sie sich noch an den Tag erinnern, als Jesse, Ash und Tracey wegen Stachelsporen tot krank waren. Das war auch noch gar nicht so lange her – aber sie war doch damals nicht verantwortlich gewesen, dass alle wieder gesund wurden… Das hatten sie doch nur ihren Pokémon zu verdanken, die die ganze Zeit bei ihr waren und Ratschläge gaben. „Ihr müsst das nicht tun!“ Verwundert sah Team Rocket auf Misty. „Wirklich… Das geht euch nichts an!“, versuchte sie ihre Dankbarkeit unter ihrer Zickenart zu verstecken und wehrte sich mit Händen und Füßen. Ohne Zweifel, die Drei hatten ihr neue Kraft gegeben. Und was sie am wenigsten wollte, war, dass die Drei, so oft sie ihr und Ash schon Schwierigkeiten gemacht hatten, für sie ihr Leben riskierten. „Ich habe es kapiert…“ Damit senkte sie ihren Kopf wieder. „Was?“ Team Rocket sah sie irritiert an. Jetzt, wo sie sich so für sie einsetzten! Wie konnte sie nur so undankbar sein? „Pantimos, Konfusion!“ „Paaaaaaan!“ Mit einem Schlag waren Jesse, James und Mauzi eingefroren. „Ihr wollte euch mir also widersetzen? Schön, dann wird das hier alles ja noch richtig lustig. Nicht nur, dass ich eine völlig neue Kampfmaschine kreieren werde“, dabei wendete er seinen Blick zu Misty, die ihn bleich werdend anstarrte, „oh nein, ich bekomme ein tiptop neues Team Rocket dazu.“ „Was haben Sie mit ihnen vor?“, fragte Misty geschockt, als sie Team Rocket so sah, die sich momentan keinen Zentimeter mehr rühren konnten, jedoch alles nach wie vor mitbekamen. „Ash Ketchum… Dieser Zwerg hat es doch tatsächlich gewagt, den Titel von Team Rocket zu beschmutzen. Er hat mir nicht nur meine kräftigste, effektivste und stärkste Waffe, das geklonte Mew, genannt Mewtwo, aus meiner Gewalt gebracht, sondern sorgt immer wieder dafür, dass Team Rocket wie der letzte Idiot dasteht. Noch dazu hat er einige Investitionen von mir auf dem Gewissen. Meine Pokémon-Giganteninsel, meine Zeppelinbrigade und zu guter Letzt sogar meine Arena!“ „Was reden Sie denn da? Das stimmt doch alles gar nicht! Sind Sie vielleicht einmal darauf gekommen, dass das alles ebenfalls passiert wäre, auch wenn Ash rein zufällig NICHT immer an diesen Orten gewesen wäre?! Schieben Sie ihre Fehler gefälligst nicht auf andere!“ Schon wieder schnippte Giovanni mit seinen Fingern und Misty vernahm höllische Schmerzen in sämtlichen Bereichen ihres Körpers. Traumato umhüllte sie mit Unmengen an Psywellen und erst als Giovanni eine halbe Minute später erneut schnippte, ließ er von ihr ab. Fertig fiel Misty erneut in ihre Ketten und war schon halb bewusstlos. „Dir werde ich auch noch beibringen, dein Mundwerk sinnvoll zu nutzen. Und zwar, wenn du ein Teil meines Teams geworden bist.“ „T-Träumen sie weiter…“ Völlig außer Atem und fast schon kraftlos richtete Misty ihren Kopf erneut auf. „Sie sind wirklich ein noch größerer Idiot als Ash, wenn sie wirklich glauben, ich würde dem Mörder meiner Eltern auch noch dienen, um mich gegen meinen besten Freund aufzulehnen. Für wie blöd halten sie mich eigentlich?“ Auf so etwas schien Giovanni die ganze Zeit wohl nur gewartet zu haben. Mit Angst in jedem einzelnen Teil ihres Körpers sah Misty ihn erneut auf sich zukommen. Sein Schatten breitete sich auf ihrem gesamten Körper aus und ließ sie wieder eiskalt werden. „Ich liebe dein Temperament. Wer weiß, vielleicht klappt, es ja doch noch mit uns zwei, was meinst du?“ Selbst Team Rocket konnte in dem Fall nicht glauben, was sie da sahen und hörten. Mistys Augen weiteten sich bis zum Äußersten, als Giovanni abermals ihr Kinn in seine Hand nahm, grob ihren Kopf anhob und mit seinem Kopf und seinem Gesicht immer näher das ihren kam, jedoch hatte er mit einer klitzekleinen Kleinigkeit nicht gerechnet. Nein – so nicht… „Nur über meine Leiche!!!“ In ihrer Not fiel Misty nichts Besseres ein, als ihren Kopf im richtigen Moment aus Giovannis Hand zu reißen und ihm mit einem angewiderten Blick mit zugekniffenen Augen kräftig in seine Nase zu beißen. Sofort darauf hörte man Giovanni schmerzvoll aufschreien und sich sein Gesicht halten. Völlig außer Atem starrte Misty bitterböse zu Giovanni, der immer noch nicht wieder aufgesehen hatte. Jesse, James und Mauzi blieb regelrecht die Spucke weg, wie Misty mit Giovanni umsprang. Das hatte bisher noch kein einziger gewagt, nicht mal die, wo mit Giovanni eigentlich ganz gut klar kamen. Nun völlig außer Kontrolle und mit unheimlich viel Zorn in seinen Augen, schlug Giovanni Misty noch einmal mitten ins Gesicht, diesmal auf genau die andere Seite. „Wie kannst du es wagen, dich derartig mir zu widersetzen, MIR, dem Leiter der Vertania City Arena und Herrscher über das berühmt berüchtigte Team Rocket?!“ „Weil… diese Lippen… nur für einen bestimmt sind…!“ Es war das erste Mal, dass Giovanni auf Grund eines Blickes einen derartigen Aussetzer hatte, wie in jenem Moment. Nicht einmal Team Rocket hatte Misty in den letzten fünf Jahren, in denen sie ihr mehr oder weniger ungewollt folgten und sie so auch irgendwo kennen gelernt hatten, mit einem solch eiskalten und energischen Blick gesehen. „Sie liebt ihn wirklich mehr als alles andere…“, wisperte Jesse plötzlich immer noch in ihrer Konfusionspose und James hätte ihr nickend zugestimmt, hätte er sich bewegen können. „Sie ist viel mutiger und stärker als sie aussieht…“, bemerkte Mauzi dazu noch beneidenswert. „Miststück!“, zischte Giovanni mit knirschenden Zähnen. „Das wirst du mir alles büßen! Traumato? Wir fangen an!“ Mit was?!, fragte sich Misty noch geschockt in Gedanken, als sie wieder diese Schmerzen spürte und davon nach und nach bewusstlos wurde, bis man wirklich keinen einzigen Mucks mehr von ihr vernahm. Team Rocket sah alles mit bleichen Gesichtern und Wehmut an. „Mit dir wird alles anfangen, denn mit dir HAT alles angefangen“, murmelte Giovanni mit einem nun wieder schamlosen Grinsen vor sich hin, als er sich noch einmal über die Nase strich. „Du warst der erste Mensch, den Ash auf seiner Reise getroffen hatte, also wirst du auch der letzte Mensch sein, den er sehen wird.“ „Sir…?“ „Mein Racheplan ist perfekt. Nun werde ich diesen Ash endlich los und gleichzeitig werde ich noch zwei Herzen brechen!“ Genüsslich fing er lauthals an zu lachen. Dann wendete er sich Team Rocket zu, die alleine schon bei seinem bloßen Anblick erstarrten. „Und was euch angeht, so habe ich endlich ein paar Marionetten zum Spielen!“ Mit dem Zeigefinger deutete er auf das Trio. „Pantimos, Psychokinese! Unterzieh die Drei einer Gehirnwäsche!“ Pantimos führte sofort die gewünschte Attacke aus. Team Rocket wusste nicht wie ihnen geschah, jedoch als sie aus der Psychokinese erwachten, stellten sie sich befehlbereit vor ihren Boss. „Wir werden in Kürze Besuch von einem jungen Mann und seiner Elektroratte bekommen. - Spielt ein wenig mit ihm.“ „Wie Sie wünschen – Sir!“ … Kapitel 5: Leere Augen (01./02.07.2007) --------------------------------------- Kapitel 5 - Leere Augen (01./02.07.2007) „Falls du sie befreien möchtest, würde ich mich an deiner Stelle beeilen, das heißt, falls du sie so wieder sehen möchtest, wie du sie kennst.“ Unweigerlich hallten die Worte von Jesses in Ashs Kopf weiter und quälten ihn noch mehr. Immer weiter fiel er in sein schwarzes Loch und hatte kein Gefühl mehr für Raum und Zeit. Alles schien ihm zu Ende, alles sinnlos, alles einfach nur irreal. Er wollte aufwachen! Aufhören zu träumen! Er wollte leben! – Aber es ging nicht… Team Rocket machte ihn zu sehr fertig, als dass er an irgendetwas anderes denken, geschweige denn an etwas anderes, wie zum Beispiel ein Wunder, glauben konnte. Misty… Verdammt! Wieso habe ich dich losgelassen? Wieso habe ich auf dich gehört? Warum verdammt habe ich dieses einzige eine Mal auf dich gehört?! Wieso nicht schon früher? … - Ja… Warum eigentlich nicht schon viel früher…? Pikachu beobachtete immer noch, wie Ash sich zusammen gekauert auf den Boden stützte und nicht versuchte zu weinen. Er bemerkte deutlich, wie er verbissen diese herunterschluckte und sich auf heftige Art und Weise versuchte, sich gegen Team Rockets gehässiges Gelächter und ihre Lügen zu sträuben. „Pika pi…“ Pikachu verstummte bei dem Versuch Ash wieder aufzumuntern nach den ersten zwei Worten. Er konnte es nicht fassen, was in jenem Moment geschah. Ashs Augen sahen so leer aus, so kalt – so hoffnungslos. Und sie wässerten. Immer mehr löste sich sein Selbstbewusstsein in dieser Leere auf und schien ihn von innen heraus aufzufressen und vollkommen in Besitz zu nehmen. „Pika pi, Pikachu!!“ Ash nicht!! Pikachu stürzte sich auf seinen Trainer, sprang ihm mit mehr als nur besorgten Blicken auf den Rücken und schrie ihn schon fast an. Jedoch konnte das alles nichts aufhalten. Die Tränen flossen bereits in Strömen aus seinen Augen, die zarten Wangen hinab und prallten auf dem frisch bewässerten Boden auf. Verschwanden darin. – Wie Misty in Team Rockets Fängen. Direkt vor seinen Augen. Einfach so. „Ich hab sie allein gelassen“, hörte Pikachu Ash bruchstückweise murmeln. Seine Stimme klang halb heißer, andererseits einfach nur schwer eingeschüchtert. „Ich hab sie ihrem Schicksal überlassen… Unserem Schicksal… Warum hab ich sie nur geopfert…? Wieso bin ich nur so ein Idiot?!“ „Pika pi, Pikachu pika, PIKA?!“ Ash, du darfst dich nicht aufgeben, hörst du?! Pikachu wollte nicht aufhören daran zu glauben, dass Ash wirklich aufgeben würde. Nein, das würde er niemals tun! Und warum, zum Tauboss noch mal, sollte er das wegen Team Rocket tun? Wegen diesen Versagern, die sie doch so oft besiegt hatten und die sie auch dieses Mal wieder… Nur wie…? „… Pika…“ Einen Augenblick. Pikachu blickte auf einmal auf, als hätte es einen Geistesblitz. Was hatte es da gerade gesagt? „PIKA!!!“ Hell funkelten seine braunen Augen auf, glitzerten und bekamen eine derartig starke Aura, dass man sich sicher sein konnte, dass Pikachu eine Lösung gefunden hatte, wie sie Team Rocket auch ohne Ashs Poké-Freunde überlisten und überfallen konnten. Keck sprang es von dem depressiven Ash, lief etwa zehn Meter vor ihn, richtete sich auf. „Pika pika!!!“ Ash zuckte zusammen. Pikachu merkte deutlich, dass er allmählich Ashs Aufmerksamkeit wieder bekam. „Pika PIKA!“, bemerkte es nun mehr als laut. Wieder bewegte Ash seinen Kopf ein Stückchen weiter Pikachu zu. Dieses Wortspiel wiederholte sich ein paar Mal bis Pikachu es geschafft hatte, Ash derartig aufzurichten, so dass er in dessen Richtung blickte. Daraufhin streckte Pikachu Ash wütend die Zunge raus und zog mit der kleinen Pfote sein rechtes Lid herunter, dass Ash ihn schon fast beleidigt anschaute. „Machst du dich etwa über mich lustig, weil ich mir Sorgen mache?!“, schaute er ihn grimmig an und richtete sich auf die Knie, die Faust zeigend. „Das ist alles andere als komisch, Pikachu! Misty ist unsere Freundin! Wir dürfen sie nicht im Stich lassen, also hör auf so einen Müll von dir zu geben. Du bist doch sonst nicht so…“ Verwirrt schüttelte Ash ein wenig seinen schwarzen Haarschopf. Pikachu war noch nie so komisch, schon gar nicht in so hochernsten Situationen, die alles andere als ulkig oder zum Lachen waren. „Pi-kaaaa…“ „GNN!“ Ash knirschte die Zähne zusammen. Pikachu wollte doch nicht etwa…?! „… CHUUUUU!“ Und doch. Pikachu hatte Ash einen gewaltigen Donnerblitz verpasst, dass er nun vollkommen auf seinem Rücken zu Boden fiel. „Pikachu, pika pikachu, Pikachu pi!!“ Dass wir Misty helfen müssen, habe ICH schon lange verstanden und wenn du zu feige bist, sie da rauszuholen, dann mache ich das eben alleine! Ich bin schließlich ihr Freund! Daraufhin rannte Pikachu mit einem beleidigten und verärgerten Blick tief in den Vertania Wald hinein. Ash, der sich nach dieser Aktion sofort wieder gefangen hatte und dadurch komplett Team Rockets Gespräch in Gedanken unterschlagen hatte, sprang schnell wie der Blitz auf und folgte Pikachu sauer. „Na warte, Pikachu, wenn ich dich erwische! Das werde ich dir mein Leben lang nicht verzeihen! Wie kannst du nur denken, Misty sei mir egal? Wie kannst du nur behaupten, dass ich NICHT ihr Freund wäre?! Du weißt ganz genau, dass ich sie sehr gern habe und niemals allein lassen würde!! Pikachu!! Hörst du mir überhaupt zu?!“ Pikachu DACHTE nicht einmal daran, anzuhalten. Und WIE er ihm zuhörte, das konnte Ash sich gar nicht vorstellen. Innerlich grinste Pikachu genüsslich, wobei er nach außen hin immer noch die beleidigte Leberwurst spielte und sich nicht weich zu klopfen schienen ließ. Jetzt hatte er Ash genau da, wo er ihn haben wollte. Er folgte ihm wie ein braves Evoli. Während Ash Pikachu Kilometerweit durch den dichten Wald und das kratzige Gestrüpp über Stock und Stein, Büsche und Bäume folgte, bemerkte er allmählich, wie er wieder anfangen wollte zu weinen. Doch warum nur? Er war doch schon lange nicht mehr der 10-jährige kleine Junge, den Pikachu kennen gelernt hatte. Der immer gleich losheulte und naiv durch die Gegend zog, seinen Dickschädel hatte und sich nichts sagen ließ. Nein, eigentlich dachte er, er wäre inzwischen älter geworden und vielleicht auch ein wenig vernünftiger, aber… Er konnte einfach nicht. Ash musste sich für einen Moment fallen lassen. Die Äste und Zweige, die ihm durch die ganze Tour ins Gesicht gefegt waren, hinterließen allmählich ihre Spuren. Sanft und fast unspürbar vermischte sich das frische Blut in seinem Gesicht mit kleinen zarten Tränen. Er spürte, wie sie seine Wangen erneut entlang rannten, ihn kurzzeitig sanft streichelten, ihn irgendwo abwuschen und dann sich ihren Weg nach unten bahnten. „Misty…“ Mehr brachte er nicht über seine Lippen. Er bemerkte es nicht einmal selbst, dass er es hörbar aussprach. Dass seine Gedanken Realität wurden. Zitternd hob er seine rechte Hand, die linke stützte seinen auf den Knien verlagerten Körper am Boden. Vorsichtig berührte er sein Gesicht. – Das, das Misty am Tag zuvor berührt hatte. Das aller erste Mal. So nah. So warm. So – unbegreiflich, unbeschreibbar schön… Und diese Gedanken… Solche, die er nie zuvor hatte. „Was hast du mit mir gemacht… Was hast du nur mit mir gemacht, Misty…?“ Einen winzigen Moment musste er sanft lächeln. Dieses Herzklopfen und diese warmen Gedanken waren neu, unerfahren… Sie sollten ihm Angst machen – jedoch verliehen sie ihm Kraft und auch ein Gefühl von Geborgenheit. Brauchte sie ihn denn? Hoffte die vielleicht nach all dem doch, dass er zu ihr eilen und ihr zu Hilfe kommen würde? Oder dachte sie womöglich, er solle beim Teufel bleiben und sich nicht mehr unter ihre so wunderschönen blau-grünen Augen trauen? „Es tut mir so Leid…“ Ganz langsam richtete Ash seinen Oberkörper auf, besah seine mit ein wenig Blut beträufelten Hände, die noch ganz warm waren und er doch allmählich spüren konnte, wie sie die Kälte erfuhren. Seine Wunden waren ihm egal. Er bemerkte sie ja nicht einmal. Vielmehr verwundete er sich selbst, seine Gedanken, die ihn daran erinnerten, was er Misty für Wunden zugezogen hatte. Wunden, die keiner sehen konnte. Wunden, die jedoch er und vor allem sie spüren konnten. Wunden, die nur da waren, weil er existierte. „Was ist das nur für ein Gefühl? Ich kenne es nicht… Wieso mache ich mir nur solche Sorgen um dich? Wo bist du? Geht es dir gut? Was haben sie mit dir gemacht?!“ Mit einem Mal kniff er die Augen zu, biss erneut die Zähne zusammen, streckte den Hals starr gen Himmel und schrie alles aus sich heraus. Er wollte nur schreien. Er konnte nur schreien. Er konnte nur flehen – um Hilfe. „MISTY!!!“ „Prrr!“ Ash zuckte zusammen und erschrak zutiefst, riss seine rot geschwollenen braunen Augen auf und starrte in den Himmel, den er gerade noch angefleht hatte, er möge ihm doch helfen. „… Was?“ Ashs Brustkorb bewegte sich schnell auf und ab. Das Wort wisperte er nur, starrte gebannt auf den riesengroßen Schatten, der sich vor der Nachmittagssonne frech ausbreitete und ihn nach und nach einhüllte. Was hatte das zu bedeuten? Sollte er weglaufen? Sollte er einfach sich seinem Schicksal überlassen – so wie Misty? Nein! Das durfte er nicht! Er musste Misty da rausholen. Niemals durfte er sich aufgeben, solange diese Bürde noch auf ihm lag und diese Aufgabe in Kauf nehmen und bewältigen musste. Zum ersten Mal gezielt sprang er angespannt auf und stellte sich dem Schatten entgegen. Ich werde nicht weglaufen. Nicht noch einmal! „Prrr!“, ertönte es erneut. „Pika pi!“ „… Was?“ Schon wieder. Ash glaubte, er würde nun endgültig verrückt werden. War das Pikachu? Das konnte doch nicht sein! Pikachu war doch eben noch vor ihm gewesen – außerdem war es klein und konnte erst recht nicht fliegen. Jedoch musste Ash weder sein Leben lassen, noch an seinem Verstand zweifeln. Als sich der Schatten aus der Sonne erhob und sich graziös auf der Erde nieder ließ, ließ Ash verdutzt die angespannten Schultern fallen und sah in die Augen eines sehr guten alten Freundes. „Pikachu!“, grinste Pikachu und klopfte beherzt auf den Rücken des beachtlich großen Vogelpokémons, auf welchem er Platz genommen hatte. „T-Tauboss…“ Ash wusste nicht, ob er nun heulen oder seinem guten alten Freund um den Hals fallen sollte. Er entschied sich für Letztes mit einem überaus erleichterten Lächeln auf dem Gesicht. Voller Tränen rannte er an den Hals des weichen Pokémons und vergrub seinen Kopf sanft und mit Wohlwollen in ihm. „Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung? Mann, ist das lange her!“ Glücklich schaute er in sein Gesicht und Tauboss breitete seine Schwingen mit einem freudigen Krächzen aus. „Das ist schön.“ „Pikachu pika, Pikachu pi, Pika pi“, berichtete Pikachu lächelnd und mit erfreulichem Quicken. Ash sah daraufhin zuerst Pikachu erstaunt und dann Tauboss an. „Du bist wirklich hier, um uns zu helfen?“ „Prrr!“, nickte Tauboss entschlossen und sah Ash an. „Dann hat Pikachu dir also alles erzählt? Weißt du denn, wie gefährlich das ist? Was ist mit deinen Freunden? Du kannst sie doch nicht einfach hier zurücklassen.“ Tauboss lächelte nur. Man sah ihm deutlich an, wie er Ash zureden wollte, dass er sich darüber absolut keine Sorgen zu machen bräuchte. Ash war sich trotzdem nicht sicher, ob das eine gute Idee war. Natürlich war er froh, dass seine Freunde ihn jederzeit und tatkräftig unterstützen wollten, aber er wollte nicht, dass dadurch andere in Gefahr kämen. „Tauboss, ich…“ „Pikachu, pika!“ Ash sah sein aufgewecktes Pokémon nur halb treu an. Er war mit seinen Gedanken bereits wieder ganz woanders. „Pika pi, Pikachu pika, pika.“ Nun hab dich nicht so, Ash, los, steig auf! „Aber ich…“ „Prrr.“ Ohne großes Wenn und Aber schnappte sich Tauboss Ashs Weste und schleuderte ihn auf diese Art und Weise auf seinen Rücken. „WAAH!“ Flach landete Ash auf Tauboss’ Rücken. Ein Glück, dass dieser ohnehin wie ein Federbett bekleidet war, sonst hätte er sich wahrscheinlich nicht nur den Rücken verrenkt. „Aua! … - Was habt ihr vor? Ihr könnt doch nicht…“ „Pika!“, funkelte Pikachu seinen besten Freund an. Ash schluckte. So eigensinnig hatte er Pikachu wirklich nur erlebt, wenn ihm etwas mehr als nur wichtig war. „Pikachu…“ „Pikachu pika, pikachu pi pika pi.“ Mach dir keine Sorgen, Ash. Wir schaffen das schon. Tauboss und ich haben alles im Griff, du wirst schon sehen! Wieder streckte er ihm kurz gespielt die Zunge raus, nur dieses Mal wusste Ash, dass er es auch nur so meinte. „Ach, Pikachu…!“ Ash nahm sein kleines Mauspokémon glücklich in den Arm. „Du bist einfach der Beste!! Es tut mir so leid, dass ich vorhin…“ „Pikachu pikaaa…“ Fang jetzt aber bitte nicht schon wieder an mit flennen, beglupschte Pikachu ihn eindringlich und doch lachte er vergnügt als Ash ihn nach so langer Zeit endlich einmal wieder durch schmuste. „Nein!“, lachte Ash deutlich reger. „Bestimmt nicht.“ Dann sah er zu Tauboss, der sich bereits in die Lüfte erhob. „Und dir danke ich natürlich auch, alter Freund. Ihr seid echt der Wahnsinn!“ „Prrr!“ Während Tauboss das Lob nur allzu gerne vernahm, ließ er laute Vogelschreie von sich, die durch den gesamten Vertania Wald schallten. „Hm?“ Gebannt schauten Pikachu und Ash nach unten und beobachteten wie der Wald zu leben begann. Unter ihnen wurde es plötzlich schwarz. Die Bäume wurden komplett von etwas verdeckt, was rasend schnell auf sie zukam. Erschrocken zuckten die beiden zusammen. Tauboss jedoch musste sich ein fettes Grinsen verkneifen. Von allen Richtungen erschallten plötzlich allerhand Vogelpokémongeräusche, die von Groß und Klein ausgingen. „Das – das sind…“ Ash schaute um sich. Der Himmel war bedeckt mit zig Exemplaren von Taubsis, Taubogas, Habitaks und Ibitaks. „Tauboss, was hat das zu bedeuten? – Sind die alle meinetwegen hier?“ Tauboss nickte gezielt und ruhig. Sein Blick sagte eindeutig, dass seine Freunde ihm beistehen würden, in allem, was er täte, genau so, wie Pikachu und er es gerade bei ihm täten. „Du meinst, sie kommen mit in die Vertania City Arena?“ Wieder bekam er ein bestätigendes Nicken von seinem Freund, der bereits mit seinen vielen Kumpels über Vertania City einflogen. „Vielen Dank…“, murmelte Ash, dessen Stimme nun viel lauter wurde, als er sich an alle wandte, die um ihn waren. „Ich danke euch allen vielmals!“ „Prrr.“ Du hast damals ihnen geholfen, ihren Frieden zu finden. Jetzt helfen sie dir. „Ich pack’s nicht…“ Ash war fassungslos. Er konnte es noch gar nicht fassen, wie viel Unterstützung er bekommen hatte und das, obwohl er heute schon so viele falsche Dinge gesagt und getan hatte. Mit diesem Gedankenzug waren seine Gedanken plötzlich weit weg von dem Gezeter und Geschrei links, rechts, unter und über ihm. Nicht weit hinter Vertania City entdeckte er ein riesengroßes Kuppelähnliches Gebäude, das fast einen halben Kilometer Länge so wie Breite betrug und quasi das gesamte Naturbild ins Nichts tauchte. Misty… Bitte warte auf mich. Ich möchte alles dafür geben, alles dafür tun, dass es dir gut geht und dass wir wieder zusammen sein können! Ich möchte, dass du eine Gelegenheit findest, mir zu verzeihen… „Los, Tauboss! Da unten sitzt der Übeltäter!“ Pikachus Augen funkelten. Er hatte seinen Ash wieder. Endlich war sein alter Kumpel wieder auf seinen eigenen Beinen. Die Tatsache zu wissen, dass er nicht mehr alleine einen Kampf bestreiten musste, sondern dass er Unterstützung und Mut in anderen wieder gefunden hatte, machte ihn erneut unbesiegbar und mutig. Es würde nicht mehr lange dauern und Ash und Pikachu würden dem Abschaum gegenüberstehen, der Misty all das angetan hat und der dafür verantwortlich war, dass die Beziehung zwischen Ash und Misty einen derartigen Riss bekommen hatte, den es galt, zu heilen. „Hm?“ Ash wollte Tauboss gerade zum Landen leiten, als er knapp unter diesen blickte. „Tauboss, pass auf!!“ Schnell und unüberlegt auf diese Reaktion riss er kurz an dessen Federkleid, damit er vor Schreck nach rechts lenken würde. Tat Tauboss nach einem kurzen schrillen Schrei auch, nur hatte Ash nicht damit gerechnet, dass er dabei auch sein Gleichgewicht verlieren würde. „Wir stürzen ab!!“, kreischte er erstarrt und griff Pikachu, dass er ihn hätte schützen können, hätten sie aufprallen sollen. Jedoch war Tauboss in letzter Sekunde noch fähig seine Schwingen entgegen der Erdanziehungskraft zu wenden und doch noch auf seinen Füßen zu landen. Erleichtert und fast schon ein wenig erschöpft seufzten Ash und Pikachu. Tauboss fing sich wieder schneller und sah sich gezielt um, auch als Pikachu ihn für diese Heldentat kräftig zu loben begann. „Verdammt, irgendwer hat uns beschossen!“ Sah aus wie eine Flammenwurfattacke und ein Sternschauer…, grübelte Ash weiter. „Jemand wollte uns abstürzen lassen! Wir sind also nicht unentdeckt geblieben…“ Zwar hatte Ash größtenteils Recht, denn drei Schatten huschten an den beiden Pokémon und dessen Trainer vorbei zur Arenapforte – und verschwanden darin. „Pikachu…“ „War das eben – Team Rocket?“ „Pikachu pi!!!“ Pikachu dachte – wie auch sein Trainer so oft – nicht nach und verfolgte die drei sofort mit einem mehr als nur erbosten Blick. „PRRR!“, schrie ihm Tauboss entsetzt nach, doch Pikachu hörte nicht zu. „Pikachu, warte! Das könnte eine Falle sein…“ „PIKKKAAAAAAAA!!!“ „PIKACHU!!“ Voller Sorge bog Ash ebenfalls um die Ecke, um seinem kleinen Freund zu Hilfe zu eilen – und stand plötzlich selbst vor den Pokémon, die sie auch vom Himmel geholt hatten. Ash erstarrte. Das konnte nicht sein… Das DURFTE einfach nicht sein! „G-Glurak… Starmie…!“ Ash erkannte sie genau wieder. Sein Glurak und Mistys Starmie. Eine der Pokémon, die beiden sehr viel bedeuteten. Aber woher war er sich so sicher, dass es Mistys war? Glurak würde er aus tausenden wieder erkennen – aber Mistys…? „Pi-ka…!“ Schwer rappelte sich das kleine Pokémon auf, das von Gluraks Feuertanz-Attacke schwer getroffen wurde. Endlich kam Ash wieder zur Besinnung und rannte auf ihn zu, hob ihn sachte auf und hoffte inständig, dass alles mit ihm in Ordnung sei. Pikachu ließ sich nichts anmerken und hüpfte sofort wieder aus Ashs Armen, stellte sich den beiden großen Pokémon mit einem zornigen Blick, wollte schon zur ersten Attacke ausholen, als Ash ihn erneut packte. „Nein, nicht!“ „Pika pika!!“ „Sie sind unsere Freunde! Erkennst du sie nicht?“ Ernst schaute Pikachu Ash an, wehrte sich mit Händen und Füßen aus seinen Armen zu kommen und versuchte ihm deutlich zu machen, was hier gespielt wurde. „Pikachu, pika, Pikachu pi!!“ Das sind nicht unsere Freunde, das sind Marionetten!! „Marionetten?“, starrte Ash ihn nichts verstehend an. „Pikachu pi pikachu.“ Sie werden von irgendwem kontrolliert. – Sieh sie dir doch an! Ash blickte sein Glurak innig und konzentriert an, das schon viel näher gekommen war, die Zähne fletschte und erneut Funken aus seinem Maul atmete. Nein… Erneut den Tränen nahe stellte sich Ash vor Glurak mit ausgebreiteten Armen vor seinen kleinen Freund, der ihn jetzt mehr als geschockt anstarrte. „Glurak, erkennst du mich nicht mehr? Ich bin es, Ash! Dein Trainer – dein Freund…“ „ROAR!“, grölte das Pokémon laut, dass die Erde bebte und er bereits zum Feueratem ausholte, als er plötzlich einen mächtigen Hieb in den Bauch bekam. „Nein, Glurak!“ Das kann nicht sein… Das ist nicht wahr! Glurak würde nie… „Pika – CHUUUU!“ Erneut bekam Ash einen Schrecken, als Pikachu diesmal über ihn drüber sprang und Starmie zurecht wies, der gerade dabei war, Ash mit einer Blubberattacke zu attackieren. „Tauboss, Pikachu, lasst das! Hört auf!! Wieso tut ihr das?!“ Wieso hören sie nicht auf mich? Was ist passiert? Wieso kann sich Glurak nicht erinnern? … Mit einem Mal erinnerte Ash sich an Pikachus Worte. Kontrolliert? Unbeherrscht? Nicht die, die er kenne, obwohl sie es waren? Völlig fassungslos musste Ash mit ansehen, wie Pikachu gegen eines der Lieblingspokémon von Misty hart und erbost kämpfte, während Tauboss bei einem Kampf mit seinem ach so geliebten Glurak sämtliche Federn lassen und erbittert um dessen Freiheit kämpfen musste. „Nein, wieso tut ihr das? Glurak – Starmie… Wacht auf!!“ Gerade wollte Ash in seiner Ratlosigkeit sich mitten ins Getümmel stürzen, als plötzlich einige der Habitaks, Taubsis und Taubogas ihrem Boss zur Hilfe eilten und Tauboss unterstützten, das wohl plötzlich deutlich stärkere Drachenpokémon in die Knie zu zwingen. Zwei der Ibitaks jedoch kamen auf Pikachu zu und hefteten sich an seine Fersen, um das außer Kontrolle geratene Starmie zu besiegen. „Nein, nicht…“ Immer und immer wieder. „Hört bitte auf!“, wiederholte Ash diese Worte und er musste sich mehr als zwingen, nicht zu weinen. Jedoch war seine Gutmütigkeit seinem Willen wieder überlegen und so ließ er doch ein paar Tränen zu. Er konnte, wollte es nicht sehen, dass seine Freunde sich bekriegten. Er DURFTE es nicht zulassen. „Verdammt noch mal, HÖRT AUF!!!“ Mit diesen Worten boxte er sich durch die Vogelpokémon hin zu seinem Freund und hing sich an dessen orange-braunen Hals. Sofort ließ Tauboss die Attacken einstellen. Auf keinen Fall wollte er, dass Ash etwas zustieße. Er wollte ihm zuhören. Erneut fing Glurak an zu toben, zu brüllen und sich zu wehren. Wütend versuchte er Ash abzuschütteln, jedoch klammerte dieser sich nur immer mehr an ihn. Wie ein kleines Kind bettelte, flehte er, dass sein Freund zur Besinnung kommen würde. „Glurak, bitte! Das hat doch alles keinen Sinn… Ich bitte dich, erinnere dich… Du warst doch nicht immer so. Das bist nicht du, der da schreit. Das ist dein Inneres, das zurück will, zurück zu uns, zu seinen Freunden!“ Ganz kurz wurde Glurak ein wenig ruhiger, schrie zwar noch, aber begann ganz langsam Ash in die Augen zu sehen. Sie waren traurig – traurig und nass… rot… angeschwollen. Wieso kam ihm das nur so bekannt vor? Woher nur kannte er diesen Blick? Und warum verlieh er ihm einen derartigen Schmerz?! „Du weißt, wer ich bin, stimmt’s? Du weißt es ganz genau…“ Langsam versuchte Ash zu lächeln, schenkte ihm alle Herzlichkeit, die er hatte. Dieselbe als Glurak ihm sein Vertrauen schenkte und in sein Team eintrat, als sie eins wurden, unbesiegbar unzertrennlich. „Ich bitte dich, komm zurück zu mir… Ich weiß, dass du es bist, also gib auf!“ „Glurak! Gluuurak!!“ Immer noch war Glurak von der Hypnose in Besitz genommen, aber er zeigte, dass er verstand. „GLURAK!“ „KYAAA!“ Hart schlug Ash mit dem Rücken auf den Boden. Seine Kräfte hatten ihn bei der letzten ruckartigen Bewegung doch verlassen. Seinen Willen aber – den konnte weder Glurak brechen noch irgendeine Hypnose. Und so ging es Glurak auch, er wusste, dass er stark war und sein Wille unbezwingbar, unberührbar, FREI. In seiner Wildheit und bei dem Versuch seine Freiheit wieder zu erlangen wurde Gluraks Körper erneut in Ashs Richtung gelenkt, um ihm den Rest zu geben. Er war noch nicht stark genug, um sich selbst aufzuhalten. Noch einmal bekam er Flammen in den Mund und hätte diese auch bestimmt eingesetzt. Ash lag am Boden und konnte sich nicht rühren. Obwohl Glurak einer seiner besten Freunde war und er ihn besser kannte, als jeder andere, hatte er Angst. Still betete er, dass er zur Besinnung kam, bevor es für alle zu spät war. „Gib nicht auf… - Glurak!!“ Ash kniff die Augen zusammen, als er plötzlich einen mehr als bekannten Blick spürte und eine noch mehr als nur bekannte Stimme hörte. „Pi-kaaaa – CHUUUUUUUUUU!“ Was danach zu hören war, war ein lauter Knall und was zu hören war, war lautes Husten, das von allen Beteiligten kam, die den Rauch der Explosion eingeatmet hatten. „Pikachu!“ Noch einmal keuchte Ash auf, hielt sich einen Arm vors Gesicht, um etwas durch den Rauch sehen zu können. „Pikachu! Bist du OK?“ „Chu…“, konnte er ein leises Piepsen vernehmen und ging ihm nach. „Pikachu…“ Nachdem der Rauch sich gelegt hatte, erblickte Ash seinen kleinen gelben, wohl auch etwas müden Freund dicht neben Glurak liegen, der verdutzt um sich schaute. „Pikachu…“, wisperte er noch einmal und legte eine Hand auf seinen Bauch. „Alles in Ordnung?“ Pikachu lächelte tapfer und gab Ash das Victory-Zeichen zurück. Ash musste erleichtert auflächeln und kurz schluchzen. „Du warst großartig…“ „Chu…“ „Glurak…!“ Glurak sah die beiden etwas komisch an. Seine Augen strahlten in leicht dunklem Grün und schimmerten in der Abendsonne wie kleine Sterne. Ash konnte es nicht fassen. „Glurak?“, fragte er vorsichtig, als er ihn beschaute. Die grelle hellblaue Aura um es herum und die blutroten Augen waren verschwunden. „Glurak, ich bin’s – Ash… Erinnerst du dich?“ Glurak glotzte Ash mehr als verblüfft an, als wollte er verstimmt sagen, dass er natürlich ganz genau wisse, wer er sei und er solle diesen Schwachsinn lassen, er sei ja nicht doof! Ash strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Erneut schmiss er sich an Gluraks Hals, nur – diesmal wurde er mit Verwunderung an dessen Brust gedrückt und sein Pokémon umschloss seinen Körper sanft. „Du bist wieder du selbst!! Was bin ich froh!“ „Glu…“ Glurak hatte zwar keine Erinnerung an das, was passiert war, aber er wusste nur eines. Er war verdammt froh, Ash wieder zu sehen. Auch Mistys Starmie schüttelte sich etwas und kam auf Ash, Pikachu und Glurak zu. Verwundert sah Ash ihn an – dann jedoch etwas entschuldigend. „Ach, Starmie…“ Langsam stand er auf, ging auf das Wasserpokémon zu, kniete sich herab und schaute beschämt zu ihm auf. „Ich muss dich um etwas bitten. Es tut mir so wahnsinnig leid, dass du meinetwegen in solchen Schwierigkeiten warst! – Hör mir zu… Misty und die anderen sind in großer Gefahr und nur wir können sie retten. Ich bitte dich… Hilf mir…“ Starmie schaute Ash etwas komisch an, als dieser sich vor ihm verbeugte und ihn derartig anflehte. Ratlos sah er zu Pikachu und Glurak. „Pikachu pika, pikachu, pika pi.“ Du kannst Ash vertrauen. Er ist ein guter Mensch. „Glurak.“ Bisher hat er nie einen von uns im Stich gelassen. Sicher kannte Starmie Ash von früher. Und genau so wusste er, dass er weiß Gott kein böser Mensch war. Vielmehr schockte ihn die Nachricht, dass Misty und die anderen gefangen waren und sie sie unbedingt befreien mussten. Jedoch fing er sich tapfer schnell wieder und stimmte ohne großes Wenn und Aber zu. Er wollte alles Mögliche tun, um Ash und vor allem seiner Misty zu helfen, ebenso natürlich all seinen Poké-Freunden! Ash starrte verblüfft auf. Mistys Pokémon schien ihm wirklich zu vertrauen. Sanft lächelte er schüchtern. „Ich danke dir…“ dann blickte er zu Tauboss und seinen Kumpels. „Euch allen. Vielen, vielen Dank!“ Und noch einmal streifte er sich über die Augen. Plötzlich ertönten aus der Eingangshalle der Arena dumpfe kleine Schritte. Sie wurden immer schneller und lauter. Es schien jedoch nichts Bösartiges zu sein, denn Glurak, Tauboss und Pikachu rührten sich keinen Millimeter, sondern starrten wie Ash gebannt zur Eingangshalle. Mit einem lauten Rums wurde die Pforte aufgerissen und Ash ahnte kurze Zeit ein neues Spektakel, stellte sich so schnell er konnte auf. – Allerdings fielen ihm und seinen Pokémon die Kinnladen runter, als sie erblickten, wer das war. „Schiggy, Schiggy!!!“ „Prui, prui!!!“ „PI PI PI!!!“, rief Pikachu mit aufgerissenem Lächeln und unglaublich glücklichen Augen, als es das kleine Pokémon sah. Flink wie ihn seine Beine trugen, rannte er Togepi entgegen und schloss es derartig stark in die Arme, dass er sich auf den Rücken fallen ließ und es kräftig durch schmuste. „Schiggy, Schiggy, Schiggyyyy!!!“, rief das Schildkrötenpokémon und rannte mit Tränen in den Augen Ash in die Arme. „B-Bist du das wirklich? – KYA!!“ Noch im selben Moment wurde Ash rücklings zu Boden geschleudert und wurde von Schiggy mit der herzlichsten aller Knuddel-Attacken umgarnt. „Schiggy, du bist es ja wirklich! Mann, bin ich froh!“ Glücklich schloss er es ebenfalls in seine Arme. „Wie bist du Team Rocket entwischt? Ist alles OK bei dir?“ „Schiggy?“ Schiggy sah Ash fraglich an. Von wo entkommen? Er erinnere sich nur noch daran, wie er und Togepi nach einem lauten Knall in dieser Eingangshalle aufwachten und von draußen vertraute Stimmen hörten, denen sie dann auch folgten. Ash war erstaunt. Die Explosion musste Togepi und Schiggy gegen eine Wand der engen Gänge geschleudert und somit zur Besinnung gebracht haben. Togepi war, weil es nicht trainiert wurde, ohnehin auf einem niedrigen Level und Schiggy hatte ebenso einen Dickschädel wie Glurak und dessen Trainer, also hatte er wohl von ganz allein seinen Willen wieder unter Kontrolle bekommen. Nichts desto trotz mussten sie jetzt in die Arena. Ash wusste ganz genau, dass Misty und die anderen dort irgendwo waren und wenn seine Pokémon schon derartig missbraucht und misshandelt wurden, mochte er erst gar nicht wissen, was Misty widerfahren war. Da sie keinen wirklich Plan hatten, guter Rat teuer und die Zeit knapp war, beschloss Ash Tauboss und seine Crew als Wachposten vor der Arena zu platzieren und Glurak, Pikachu, Schiggy und Togepi mit in die Arena zu nehmen. Er musste das Kleine leider dieser Gefahr aussetzen. Vielleicht war es wichtig, dass Misty baldmöglichst erfuhr, dass es ihrem kleinen Schatz gut ginge. Ja, diesen Hintergedanken fand Ash mehr als einleuchtend. Selbstverständlich willigten die Pokémon ein. Zum Glück hatten Ash und Misty kurz vor Aufbruch nach Alabastia noch einige medizinische Dinge eingekauft, so dass Ash die Wunden, die sich seine Pokémon vor wenigen Minuten zugezogen hatten, etwas verarzten konnte. „Passt bitte gut auf euch auf, so lange wir weg sind. Sollte irgendetwas sein, du weißt, wie du das erfährst, nicht wahr, Tauboss?“ Dieser bejahte ernst und schon ging’s los. Vorsichtig betraten Ash und seine Freunde die Arena. Jedoch ging sie nicht schnurstracks gerade aus, sondern führte sofort eine dunkle steinerne Treppe am Ende des Flurs hinab. Ash schluckte, ging aber durch seine Gedanken getrieben mutig voran. Gut, dass Glurak bei ihnen war, so hatten sie doch etwas Licht. Team Rocket hatte bestimmt noch andere Pokémon von Misty und ihm hier versteckt und positioniert. Plötzlich standen sie vor einer riesengroßen Eisentür, die aus einer ebenso gewaltigen Betonwand hervorstach. Glurak ließ sich nicht lange bitten und stieß sie einfach auf. Den Raum, den sie daraufhin betraten, war groß, dunkel, eisig und leer. Nur eine einzige Fackel brannte und man hörte lediglich Wassertropfen mal hier, mal da. Bis Pikachu plötzlich einen schrillen Schrei ausstieß und einen Satz nach hinten machte. „Pikachu, was hast du denn?“ „Pi-ka!!!“ Pikachu deutete auf die hinterste Betonwand des Raumes und zitterte am ganzen Leib. Als Ash sich ihr ebenfalls zuwendete, wurde er noch bleicher und erstarrter als Pikachu, riss die Augen auf und schrie gebannt: „MISTY!!!“ Da hing wirklich SIE. Angekettet, entkräftet, leblos – sie wirkte einfach wie tot! Sie würde doch nicht…! Dieser Giovanni hatte sie doch wohl nicht etwa… Verdammt! Das konnte nicht sein! Das war nicht wahr!! „Misty, NEIN!!!“ Erstarrt sackte Ash zu Boden… Kapitel 6: Ahnungslos (06./07.07.2007) -------------------------------------- Kapitel 6 - Ahnungslos (06./07.07.2007) „Nein, das kann nicht wahr sein… Misty…“ Immer und immer wieder wisperte Ash diese Worte vor sich hin. Zwar waren sie kaum für andere hörbar, doch für Pikachu war es egal, ob er es hörte oder nicht, er konnte auch so Ashs Schmerz spüren. Zaghaft versuchte er ihn zu trösten und seinen starren Blick, der nach wie vor auf der reglosen Misty klebte, zu lösen. Es sah einfach nur schrecklich aus! Pikachu wollte so gerne, dass er sich zusammen riss und sich auf das Wesentliche konzentrierte, doch… Doch, irgendwie konnte er es verstehen, dass Ash bei diesem Anblick alle Fassung und Beherrschung verlor: Mistys Kleidung hatte Risse. Ihre sonst so rosafarbene Haut war blass, abgeschwächt. Sie wirkte fast gelblich und bläulich durch die kalte Luft und ihrer schlaffen Haltung. Nicht einmal Pikachu konnte sie so sehen. Er hatte Misty lieb. Sie war ebenso auch so viel für ihn. Zwar nicht so viel, wie sie es für Ash war, das wusste er genau – aber er wollte sie nicht so sehen. Es ging ihm einfach gegen sein Ego! „Pika pi…?“, flüsterte Pikachu Ash sanft ins Ohr, als er auf seine Schulter gesprungen war und vorsichtig seine Wange berührte. Ash merkte von alldem nichts. Sicher wollte er seinen kleinen Freund nicht ignorieren, aber er konnte es nicht anders. Momentan konnte er nur eines und das war schreien zu wollen. Er wollte Misty befreien, aber warum verdammt konnte er sich nicht bewegen? Wieso noch mal waren seine Arme, seine Gelenke, seine Muskeln aus Gummi und unbeherrschbar? „Ich hätte dich retten können… Ich hätte dich halten können… Ich hätte dich schützen sollen… WARUM, verdammt, hab ich es nicht getan?!“ Wütend auf sich selbst schlug er beide Fäuste auf den harten Betonboden und ließ erneut dem salzigen Wasser aus seinen Augen freien Lauf an seinen Wangen hinab. „Was hat er nur mit dir gemacht? Was hat dieses Schwein mit dir angestellt?!“ Erbost stieß er sich plötzlich doch vom Boden ab, stand auf und hielt eine Faust vor seinen Körper, dass es Pikachu mit einem Ruck von seiner Schulter hievte. „Wieso bin ich nie da, wenn du mich brauchst? Ich pack es einfach nicht, Misty!“ „PIKA PI!“ WAMM… Das hatte gesessen. Mit der flachen Pfote klatschte das kleine Pokémon dem außer sich geratenen Trainer an seine rechte Wange, dass der Raum kurz in kleinen Echos und Schällen einen Klang von sich gab. Noch im selben Moment landete Pikachu so wie er aufgesprungen war auch wieder leicht auf dem Boden, wendete auch diesem seinen vorwurfsvollen Blick zu. Ash war wie paralysiert. Ja… Pikachu hatte absolut Recht. Was tat er da eigentlich? Wieso schrie er Misty so an? Hatte er sich etwa nicht mehr unter Kontrolle. „Pikachu pika, Pika pi…“ Reiß dich jetzt bitte zusammen… Schwach ließ Ash langsam den Kopf etwas sinken und auch seine Hand wanderte von seiner Wange aus zurück an seine Seite. Schwer nickte er nur und verlor wieder jede Art von Bewegung. Glurak, Starmie und Schiggy schauten nur mitfühlend zu ihrem Trainer. Sie wussten, dass Pikachu am besten mit ihm sprechen könnte und nur wenn sie sich da raushalten würden, könnte er seine volle Aufmerksamkeit auf den Kleinen lenken. Ebenso wussten sie, dass Ash Pikachu mehr als nur vertraute. Plötzlich drehte Pikachu sich ruckartig um. Er hatte das Tapsen des kleinsten Pokémon von ihnen bemerkt und folgte diesem nun mit den Augen, als es sich schnell und unkontrolliert auf Misty zu bewegte. So sehr es sich auch regte und streckte, es reichte einfach nicht an seine Misty heran. „Prui, prui… Toge-PRUUUUUUUIIIIII!“ „Pi pi pi!!“ „Togepi, nicht!“ Gleichzeitig rannten Ash und Pikachu auf das kleine Pokémon zu, das nun erbärmlich anfing lauthals zu weinen und die ganze Halle in einen einzigen Trauersaal zu verwandeln. „Bitte, weine nicht!“ Pikachu schaute ziemlich komisch drein, als er Togepi gerade trösten wollte, Ash ihm zuvor kam und dieses behutsam, richtig zärtlich auf den Arm nahm und es ganz von selbst einmal vorsichtig hin und her wiegte. „Bitte beruhige dich. Ich verspreche dir, wir holen Misty da raus! Ganz bestimmt lassen wir nicht zu, dass ihr etwas passiert. Tu mir bitte einen Gefallen und mach die Situation nicht noch schlimmer als sie ohnehin für uns alle schon ist… OK?“ Sanft und mit Tränen in den Augen starrte er das Pokémon an, das ihm aufmerksam zugehört hatte und alles sogar verstanden zu haben schien. Kurz zuckte sein Stimmchen noch ein bisschen, dann aber nickte es schwer, die letzten Tränen aus dem Gesicht wischend. Erleichtert seufzten Ash und Pikachu kurz auf, anschließend streichelte Ash Togepi noch kurz sanft, bis er sich dem zuwidmete, das er schon vor knapp einer Viertelstunde tun wollte. So wie er es aufgehoben hatte, setzte Ash Togepi auch wieder langsam zurück auf den Boden, so dass sich Pikachu kurzerhand seiner annahm und die Pokémon so wie er selbst besorgt Ash nachstarrten. Dieser ging mit vorsichtigen zielsicheren Schritten langsam auf Mistys Körper zu. Leise schluckte er. Was wollte er denn tun, wenn er bei ihr war? Was sollte er tun, was sagen? Gefühle… Ja, er wollte sich einfach auf sie verlassen. Er würde dann schon wissen, was das Beste wäre. Ihm war es egal. Ihm war es egal, dass seine Pokémon direkt hinter ihm waren und ihn beobachteten. Sie durften es ruhig wissen. Wenn nicht sie, wer dann? Und ja, er wollte es zeigen. Er wusste, dass das ein Junge niemals tun sollte… einfach so seine Gefühle offenbaren, warum auch immer… aber er wollte in diesem Moment nur eines. Und das war für Misty da zu sein. – Es war ihm egal, was andere dabei dachten. Ein einziges Mal wollte er ehrlich sein, ehrlich mit sich selbst. Er wollte das tun, was er fühlte. Inzwischen war er bei Misty angekommen. Nervös biss er die Zähne zusammen, bekam kleine Augen, schluchzte kurz, ballte an seiner Seite seine Hände zu Fäusten und schluckte Tränen bockig herunter. Wenn er stark sein wollte, wenn er sie beschützen wollte, musste er über seinen eigenen Schatten springen und sich einmal auf das konzentrieren, was er machen wollte. Einmal. Dann der erste Schritt. Ganz langsam streckte er seine rechte Hand nach ihr aus, sie zitterte stark und er konnte es nicht unterdrücken. Warum auch? Dafür hatte er jetzt echt keine Zeit! Deutlich spürte er die vielen Blicke hinter seinem Rücken, aber es war ihm egal. Noch einmal zögerte Ash. Dann jedoch berührte seine Hand vorsichtig Mistys Wange. Sie war kalt, eisig… lange nicht mehr so farbenfroh, wie er sie in Erinnerung hatte. Jedoch waren sie genauso weich und zart wie in jener vergangenen Nacht, als sie so im Schlafsack lagen, sich gemeinsam Sorgen machen mussten – und wohl überhaupt die schönste Nacht ihrer bisherigen gemeinsamen Zeit verbracht hatten. Als er dann völlig ungeniert seine zweite Hand auch noch an ihre andere Wange legte, sie kurz unbemerkt sanft streichelte, seine Stirn gefesselt von seinen eigenen Gefühlen an die ihre legte, nachdem er den Kopf vorsichtig zu sich gewendet, sie angestarrt hatte, wollte er seine Gefühle nicht länger verbergen. Er weinte. Unzählige Tränen liefen seine roten Wangen entlang, prallten ab. Manche vermischten sich mit Mistys Gesicht, spiegelten es kurz wieder, prallten dann auch dort ab und fielen zu Boden. „Bitte…“ Immer mehr schob er seinen Körper an ihren heran, wie als wollte er sie wärmen, einfach nur bei ihr sein, sie spüren, sie halten. „Verzeih mir, Misty… Das hab ich nicht gewollt…“ Plötzlich vernahm Ash etwas, was ihn stutzig machte. Jetzt, wo er so nah bei ihr war, und sowohl die Leere im Raum als auch seine Pokémon mucksmäuschenstill waren, hörte er auf einmal gleichmäßige fast unspürbare Laute. Gebannt davon starrte er vor sich hin, legte eine seiner Wangen an die von Misty und konzentrierte sich auf das Geräusch. Daraufhin weiteten sich seine Augen und ein kurzes fassungsloses Lächeln erhaschte sein Gesicht. „Deinen Herzschlag… Ich kann ihn spüren…“ Fast schon überfreudig auf diese Entdeckung legte er einen Finger unter ihr Kinn, sah sie erleichtert an und meinte, sie immer noch anstarrend: „Sie lebt!“ Pikachu spitzte die Ohren. Bis hierher hatte er Ash in Ruhe machen lassen, aber jetzt konnte er sich nicht zurückhalten. Flink sprang er Ash auf die Schulter und beschaute Misty nun aus der Nähe. Auch sein Gesicht erhellte sich schlagartig und er seufzte laut. „Pikachu, sie lebt! Ihr geht es gut… Nun ja – für ihren Zustand, mein ich…“ Die Freude, dass Misty lebte, war nach wie vor groß, jedoch wurde Ash wieder ernst, sah sie an. „Was ist nur passiert? Wieso ist sie verletzt?“ Vorsichtig strich er einmal über ihre etwas lilablaue Wange und das zerkratzte Gesicht. Die Ketten, an der sie hing, hinterließen auf ihrer Haut schwere Druckstellen und färbten sich auch dort rot bis blau. „Wir müssen sie da schnellstens rausholen. Nur wie?“ Während sich alle über diese Frage Gedanken machten, bekamen Ash und Pikachu erneut einen Schreck. Hatte Misty eben kurz rot aufgeleuchtet? Entsetzt starrte Ash Pikachu an, ebenso dieser ihn. Noch im selben Moment schreckte Ash einen Schritt zurück. Misty stöhnte einmal kurz sanft auf, bewegte ihren Kopf und öffnete mehr oder weniger allmählich die Augen. Irritiert blinzelte sie. Man merkte ihr deutlich an, dass das Wort „wach“ bei ihr eine ganz andere Bedeutung hatte, als bei normalen Umständen. Zwar bewegten sich ihre Pupillen hin und her und sie versuchte, sich zu orientieren – aber sie schien irgendwie nicht ganz bei Sinnen zu sein, denn sie sagte weder etwas, noch machte sie ruckartige Bewegungen. Sie starrte einfach nur. „M-Misty…?“ Vorsichtig wagte Ash den ersten Kontakt. Das Mädchen schien ihn kaum zu bemerken, jedoch reagierte sie ein wenig auf die Stimme an sich. „Misty, alles in Ordnung?!“ Jetzt wagte er es doch. Ging auf sie zu, wollte sich schon freuen, wie ein kleines Kind, dass sie aufgewacht war. „Wie geht es dir? Haben sie dich schwer verletzt? Hast du Schmerzen?“ So viele Fragen hätte er an sie gehabt. Er ging wieder dichter an sie heran, legte seine Hände auf ihre Schultern, rüttelte sie ein wenig, versuchte alles, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Sehr schwer aber doch wenigstens irgendwann hob Misty schwach den Kopf und sah endlich in seine Augen. Ash merkte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief, als sich ihre Blicke trafen. Schüchtern lächelte er leicht. „Ich bin so froh, dass du…“ „Wer – bist du…?“ Wie einen starken Blitz stachen Ash diese Worte tief in sein Inneres. Hatte er sich verhört? Träumte er? Nein, sicher war es nur ein Traum… Misty jedoch richtete sich nun etwas mehr auf, auch ihre Augen weiteten sich mehr und sie schien sich nun endlich direkt auf ihn zu konzentrieren. „Wer bist du?“ Sie hatte es noch einmal gesagt. Wieder dieselben Worte. Geschockt ging Ash einen Schritt zurück. Nachdem er sich wieder etwas gefangen hatte, legte er eine Hand auf seine Brust, versuchte es noch einmal mit Lächeln und meinte schwer mit zittriger Stimme: „Aber – Misty, ich bin’s doch… Ash… Erinnerst – du dich nicht?“ Bei dieser Geste merkte Misty zugleich, dass sie sich nicht bewegen konnte und reagierte etwas panisch. Sie riss die Augen auf und drückte sich etwas an die Wand. „N-Nein…“ Nun schauten sich beide gleich erschrocken an. Das Mädchen konnte sich nicht helfen, sie kannte diesen Jungen nicht, sie wusste nicht, woher er kam, was er von ihr wollte und warum er ihr vorhin so nah war und doch… Jetzt wo sie nachdachte, fiel ihr auf, dass seine Nähe für sie doch etwas Normales zu sein schien. Aber – wieso reagierte sie dann so seltsam darauf, warum so verängstigt? Ash spürte durch Mistys Blicke erneut einen tiefen Schmerz in seiner Brust. Er wusste nicht, warum und woher er kam – aber er realisierte deutlich, dass es ihm derartig nahe ging, dass er weinen wollte. Doch er konnte doch jetzt, wo er Misty wiedergefunden hatte, sie lebte und sie sich ansahen, nicht einfach anfangen zu weinen… Wie würde sie sich denn dann fühlen? „Bist du dir da ganz sicher?“, fragte er sie still hoffend gezielt noch einmal. „Ich… ich weiß nicht…“ Wieso…? Ash verstand es einfach nicht. Lag es an ihren Verletzungen, dass sie ihn vergessen hatte? Tat sie das, um es ihm heimzuzahlen, dass er sie verleugnet hatte, wo er am meisten hätte zu ihr stehen sollen? Verdammt, nein, so trotzig kann doch nicht einmal Misty sein! Sie würde ihm so etwas doch niemals antun. Ash war sich da ganz sicher. Es musste also doch an ihren Verletzungen liegen. „Lass mich dir helfen!“ Sanft lächelte er sie plötzlich an. Sogar Pikachu sah ihn daraufhin überrascht an, der extra die ganze Zeit nichts gesagt hatte, sondern einfach nur die beiden hatte sprechen lassen. „Mir – helfen? Wobei?“ Wieder legte Misty ihren Kopf Richtung ihrer Schulter, so dass sie Ash richtig misstrauisch von der Seite beäugte und nur aus einem bestimmten Augenwinkel jeder einzelnen seiner Bewegungen folgte. „Na, dich hier rausholen! Muss doch ziemlich unbequem sein, so eine Pose, findest du nicht?“ Pikachu ließ die Kinnlade fallen. Was war denn in Ash gefahren? Wieso war er plötzlich so locker? Erneut ging Ash einen Schritt wieder auf Misty zu, die ihre Beine etwas aneinander kniff. „Wäre das in Ordnung? Oder ist es dir lieber, wenn ich weg bleibe?“ „Bleib besser, wo du bist… Ich hab ein ungutes Gefühl…“ „Warum?“ Verwundert legte Ash den Kopf schief und schielte sie an. „I-Ich meine noch zu wissen, dass es nicht gut wäre, wenn du mir zu nahe kämst…“ Wie bitte? Was sagte sie da? Sie meinte sich an etwas zu erinnern? „An was erinnerst du dich?“ Wie sie es wollte, ging Ash wieder ein paar Schritte zurück, damit sie sich beruhigen konnte. „Um ehrlich zu sein“, zuckte Misty enttäuscht von sich selbst mit den Achseln, „ich kann es dir auch nicht genau sagen. Ich hab es einfach im Gefühl, verstehst du? Und obwohl ich dich nicht kenne – habe ich das Gefühl, dass ich dich warnen muss…“ Aufmerksam hörte Ash ihr zu und beobachtete sie. Je mehr sich ihre Blicke ineinander vertieften, desto mehr spürte jeweils der eine wie der andere lockerer und vertrauter gegenüber dem anderen wirkte. „Du scheinst nett zu sein… Wie heißt du?“ Mit einer sanften kleinen Röte und leicht verträumten konzentrierten Augen sah sie Ash intensiv an. Auch ihre Haltung schien nun endlich mehr Vertrauen ihm gegenüber zu bringen. Ash lächelte sanft. „Ash… Ash Ketchum.“ „Ash…“ Misty nickte kurz. „Woher – kennst du meinen Namen? Du hast ihn vorhin erwähnt.“ Ash stutzte. Ob er Misty jetzt einfach so sagen sollte, dass sie schon ewig zusammen rumreisten, sich besser kannten als Bruder und Schwester – und dass sie füreinander mehr fühlten, als sie es vielleicht gewollt hatten? „Ich… Also weißt du…“ Kurz ließ Ash den Kopf sinken, schaute zu Boden. „Das wird für dich jetzt komisch klingen, aber…“ Er musste sie einfach dabei ansehen. „Wir beide – kennen uns eigentlich schon ziemlich lange. Gestern aber wurdest du entführt und zwar hierher. Ich weiß nicht, wieso und was dir passiert ist – aber seit diesem Tag hast du deine Erinnerung verloren.“ Neugierig und auch etwas aufgeregt besah Misty den schwarzhaarigen Jungen aufrichtig. Sie studierte ihn schon fast und versuchte seine Geschichte in die Realität umzusetzen. „Es tut mir Leid…“ Ash wollte sich beschämt von ihr wegdrehen, als… „Nein, das muss es nicht! Ich glaube dir…“ Überrascht wirbelte Ash mit dem Oberkörper zu ihr zurück und sah sie gebannt an. Vertraute sie ihm etwa? „Ich weiß nicht, warum und wieso – aber irgendwas sagt mir, dass ich dir vertrauen kann und – dass du etwas ganz Besonderes bist…“ Mit einem Mal wurden beide rötlich um die Wangen, mussten sich auch kurz etwas voneinander wegdrehen. „Woher – willst du das wissen? Ich bin dir doch völlig fremd…“ „Anfangs schon, aber jetzt… Wo du das gerade erzählt hast, da hab ich gespürt, dass da irgendwas ist, was mich glücklich, fröhlich und vertraut gestimmt hat und ich…“ Wieder trafen sich kurz die Blicke. Und für einen kurzen Moment war es trotz der Entfernung totenstill. Bis Misty sich verlegen räusperte und dann etwas mutiger meinte: „Also, was ist jetzt? Hilfst du mir oder nicht?“ Stutzig starrte Ash sie an. Wieso das denn auf einmal? „Weißt du, die Haltung hier wird langsam wirklich etwas unbequem…“ Peinlich berührt grinste sie kurz übers ganze Gesicht und Ash wäre wohl umgeknickt, wenn diese Situation nicht so todernst wäre. „Du hast gesagt, du vertraust mir, nicht wahr?“ Verdutzt blickte das Mädchen kurz auf, nickte dann aber einmal direkt. „Gut, dann erschreck dich jetzt nicht, ok? Ich bin bei dir…“ Verlegen merkte Misty, wie sie bei dem letzten Satz etwas rot wurde. Sie konnte sich nicht erklären, warum, aber es war definitiv so. „Glurak?“ Ash bat sein Pokémon zu sich. „Meinst du, du kannst die Ketten aufschlitzen?“ „Glu!“, nickte dieser und baute sich vor Misty auf. Diese fuhr erschrocken zusammen. „Hab bitte keine Angst! Glurak wirkt zwar groß, aber er ist ganz sanft.“ „I-Ich sagte, ich vertraue dir und das tu ich auch, klar?!“ Auf diese Aussage hin musste Ash kurz lächeln. Auch, wenn sie ihr Gedächtnis verloren hatte, so war ihr Temperament immer noch dasselbe geblieben. „OK, Glurak, Schlitzer!“ Mit vier fast unbemerkbaren Prankenhieben zerschnitt Glurak die vier Ketten, die Misty an der Wand festgehalten hatten. Zwar kam Misty auf beiden Beinen auf dem Boden an, jedoch hatte sie wohl schon zu lange dort gehangen, um sich komplett halten zu können. „WAAH!“ „VORSICHT!“ Schnell fing Ash sie auf – und gleichzeitig bemerkten beide, was eben passiert war. Beide kauerten auf dem Boden und während Ash Misty im Arm hielt und etwas mehr als nur schüchtern auf sie starrte, tat sie genau dasselbe, nur, dass sie zu Boden blickte. Nachdem sich die zwei erholt hatten und Ash merkte, dass Misty langsam wieder zu Kräften kam, ließ er sie vorsichtig los. „Alles in Ordnung?“ „Ja… geht schon…“ Dann wagte sie doch kurz einen Blick auf den seinen, wendete sich aber schnell wieder ab. „D-Danke…“ Dabei schaute sie zu Glurak, der wieder ein Stück weggegangen war. „Glu“, meinte dieser nur etwas gelangweilt. „Dann ist ja gut.“ Erleichtert seufzte Ash einmal. Als er seine Augen wieder öffnete, bemerkte er, dass Misty ihre Hände begann zu begutachten. Die Handgelenke waren rot angeschwollen und blaue Flecken unterstrichen die Stellen, an der sie gefesselt war. „Geht’s?“ Schon streckte Ash seine Hand aus und wollte danach fühlen. Misty war so perplex auf diese Reaktion, dass sie ihn nur anschauen konnte. – Wieder durchströmte sie bei seinem Anblick so ein Gefühl… Voller Vertrauen, voller Hoffnung – und wie nannte man das? Sehnsucht…? „E-Entschuldige!“ Schnell zog Ash sie zurück. „Das – ist OK, wirklich…“ Als danach wieder Stille zwischen den beiden einkehrte, tapste ein kleines eiförmiges Pokémon direkt vor Mistys Füße. Es stellte sich vor die am Boden Kniende und hüpfte fröhlich auf und ab mit einem Grinsen auf dem Gesicht. „Togepi, prui!“ „Hm?“ Misty sah das Kleine verdutzt an. „Ist was?“ „Toge, toge!“ Bei diesem Strahlen musste Misty lächeln. Auch dieses Pokémon und seine Gesten erweckten in ihr ein sehr schönes Gefühl, das sie sich nicht erklären konnte. „Na, mein Kleines, wer bist denn du?“ Obwohl Misty es nicht kannte, wirkte das Pokémon immer noch glücklich auf sie. Togepi schien es wohl nur wichtig zu sein, dass Misty lebte und gab sich mit dieser Erkenntnis mehr als zufrieden, während Ash und Pikachu entsetzt feststellten, dass Misty sogar das, was ihr am Allerwichtigsten war, vergessen hatte: Ihr kleines Baby-Pokémon, das sie wie einen Augapfel hütete, nachdem sich das Kleine für sie als Mama und nicht Ash als Papa entschieden hatte. Das, was Ash und Misty auf irgendeine Weise miteinander verband, weil es zwar Ashs Pokémon war, er es ihr aber mehr oder weniger freiwillig in die Obhut geben musste. „Pika pi…“, sah Pikachu Ash mitfühlend an, dem mehr als bewusst wurde, was gerade vor sich ging. „Ja, ich weiß, Pikachu. Wir müssen ganz von vorne anfangen…“ „Chu…“ Ob Misty sich wohl jemals wieder an irgendetwas erinnern können würde, was vor ihrem Aufenthalt hier in der Arena geschehen war? Würde sie sich jemals daran erinnern können, wie sie all ihre Pokémon, Freunde und vor allem Ash und Pikachu getroffen hatte, wie sie zu Togepi gekommen war und wer sie für es selbst war? „Ich hab Angst…“ Rasch musste sich Ash von Misty abwenden, sonst hätte sie vielleicht seine Tränen gesehen. „Chu!“ Pikachu starrte ihn erschrocken an. Angst wovor? Davor, dass er Misty verlieren würde? Dass alles nie wieder so sein würde, wie sie es kannten? Dass die Beziehung und die Bindung, die er zu Misty hatte, für immer verloren seien? „Hm?“ Kurz blickte Misty von dem Spiel mit Togepi auf und beäugte Ash aufmerksam. „Hey…“ Vorsichtig rückte sie das kleine Stück Abstand, das sie noch hatte, zu ihm vollends auf und kam ihm überraschend nahe. „Was hast du denn?“ „Nichts, alles OK, ich…“ Ash zuckte. Was geschah hier? Misty hatte vorsichtig ihm eine Träne von der Wange gewischt. Schüchtern wendete er sich ihr zu und wagte einen Blick in den ihren. Nach ein paar Sekunden, die für beide hätten ewig halten können, realisierte Misty, was sie eben getan hatte. „E-Entschuldige!!“ Blitzschnell drehte sie sich weg. „Es tut mir Leid! Aus irgendeinem Grund tut es mir verdammt weh, wenn du leidest… Das ist, als wäre ich es selbst, die da leidet…“ Errötet und berührt von ihren Worten hob Ash vorsichtig eine Hand und fühlte an seine Wange. Ihm kam das alles so bekannt vor… – Und Misty schien sich auch irgendwo zu erinnern, sonst hätte sie nicht so vertraut reagiert. Sanft lächelte er tapfer. „Du musst dich nicht entschuldigen. Ich bin froh, dass du das gemacht hast und dass du so ehrlich zu mir bist.“ „Noch mal danke, dass ihr mich befreit habt.“ Misty war mindestens genau so aufgeregt wie Ash, wenn nicht noch mehr. Sie kannte diesen Jungen doch überhaupt nicht, wieso machte sie dann so etwas? „Das war selbstverständlich, also musst du dich nicht bedanken.“ „Nein, das war es nicht. Jemand anderes wäre weggegangen und hätte weggesehen.“ „Das hätte ich nicht können.“ Neugierig wagte Misty nun doch wieder einen Blickkontakt zu Ash. „Warum nicht?“ Ash wartete einen Moment. Dann lächelte er lieb und sagte: „Weil du mir sehr wichtig bist.“ Misty zuckte zusammen. Ihr wurde schlagartig bewusst, wie sehr sie Ash weh getan haben musste, als sie vor wenigen Minuten ihm gesagt hatte, dass sie ihn nicht kenne. Verdammt noch mal, wenn sie so ein wichtiger Mensch für ihn war – war er das dann vielleicht auch für sie? Aber warum konnte sie sich dann nicht erinnern, warum nur?! Wer hatte ihnen das angetan? Was war passiert? Misty spürte mit einem Mal, wie sie sich dafür hasste. Sie hasste sich dafür einfach alles vergessen zu haben, was ihr vielleicht wichtig war und vor allem – was Ash vielleicht wichtig war. Sie wusste ja nicht einmal, wer sie wirklich war und wie sie überhaupt war, welches Ego sie hatte. Sie wollte nur eines. Sich entschuldigen. Mit einem Mal hing sich Misty an Ashs Hals, drückte ihn fest an sich. „Es tut mir so leid…“ „W-Weinst du?“ Wieder einmal war Ash in eine Situation geraten, mit der er sich überhaupt nicht auskannte. In ihm lebte eine Erinnerung auf. Gestern – am Fluss… Das Déjà Vue war für ihn unverkennbar. Genau dieselben Worte, dieselbe Situation hatten sie gestern schon einmal erlebt, als sie ganz allein waren, als sie kurz davor waren, sich sehr nahe zu kommen. Misty… Da war es wieder. Die Gefühle, die ihn fast erdrückten, weil er sie nicht loslassen konnte. Doch er WOLLTE sie loslassen. Sanft drückte er sie an sich, dann ganz fest. Er roch an ihr, merkte, wie sie wie er aufgeregt atmete und sie sich einfach nur nahe waren. Und das obwohl – sie in Wahrheit doch einfach nur sehr gute Freunde waren. „Vielen Dank, Misty. Das werde ich dir nie vergessen…“ „Tut mir leid, dass du meinetwegen so leiden musst.“ „Das tu ich nicht, ich…“ Langsam lösten sich die beiden aus ihrer Umarmung, wischten sich beide die Augen etwas trocken und lauschten den Lauten des kleinen Pokémons, das neben ihnen piepste. „Toge, toge prui!“ „Ja, was hast du denn?“, fragte Misty es. Daraufhin hüpfte Togepi ihr auf den Schoß. „Was…?“ Gleich danach geschah etwas, das weder Ash, noch Pikachu, noch Misty sonst wann in ihrem Leben gesehen hatten: Togepi begann mit psychokinetischen Kräften Mistys Wunden zu heilen. Da blieb nicht nur Misty der Mund offen stehen, sondern auch allen anderen. „Ash, was tut es da?“ „Ich hab – keine Ahnung… Ich sehe das auch zum ersten Mal… Ich wusste nicht, dass Togepi so etwas kann!“ Nachdem Togepi von Misty abgelassen hatte, besah sie sich erstaunt. „Das ist unglaublich… Es hat nicht nur die Wunde verheilen lassen, sondern auch der Schmerz ist verschwunden…“ „Prui, prui!“ Togepi hüpfte wie eh und je wie ein Flummi vor Freude. Misty lächelte es sanft an. „Ich danke dir, kleiner Freund.“ Lieb streichelte es Misty kurz mit dem Zeigefinger über die Stirn. „Weißt du…“, begann Ash vorsichtig, als er sich Misty und Togepi zuwendete, „Togepi hilft dir nicht nur, weil es dich kennt, sondern weil du für ihn etwas ganz Besonderes bist.“ „Etwas ganz Besonderes?“ Ash nickte einmal und biss sich kurz auf die Unterlippe. „Es hält dich für seine Mama. Und das warst du früher für es auch – verstehst du?“ „Das Kleine… gehört zu mir?“ Verdutzt schaute sie das kleine hüpfende Etwas an. „So ist das also…“ „Keine Sorge. Du hast wirklich alle Zeit der Welt dich wieder zu erinnern. Aber zuerst müssen wir hier raus! So lange wir hier sind, sind wir vor nichts und niemandem sicher.“ Misty nickte ihm energisch zu. Ihr war dieser Ort auch unheimlich. Während Ash und seine Freunde so vertraut auf sie wirkten, machte dieser Raum ihr mehr als nur einen eiskalten Schauer über den Rücken. „Kommt, lasst uns die anderen suchen und dann verschwinden wir hier!“ „Die anderen?“ „Ja, unsere Freunde. Die Menschen, die dich entführt haben, haben auch all unsere Gefährten und Freunde gefangen.“ „Du meinst, es gibt noch mehr?“ „Mhm. Allerdings.“ Schon wieder wurde Misty bewusst, wie sehr es sie selbst anfing zu schmerzen, dass sie wirklich überhaupt nichts mehr wusste, nicht mal ein winzig kleines bisschen. Nicht einmal ein Hauch davon. Aber wieso hatte sie denn dann eines nicht vergessen? Ihren Namen… „Komm jetzt!“ Ohne groß zu überlegen, nahm Ash Misty am Handgelenk, zog sie so sanft es ging auf die Beine und wollte mit ihr Richtung Ausgang rennen, als sie von einer großen Luftwelle zurückgeschleudert wurden und hart mit dem Rücken auf dem Betonboden landeten. Sofort schlugen bei Pikachu, Glurak, Starmie und Schiggy die Alarmglocken und stellten sich gebannt vor dem, was kommen würde, vor die zwei am Boden Liegenden auf. „Was? Ihr wollt schon gehen?“ Pikachu fing an zu knurren. Kleine Blitzfunken zuckten aus seinen roten Wangen und auch Glurak tat es ihm gleich und ließ ein paar Flammen auflodern, während das Feuer auf seiner Schwanzspitze etwas größer wurde. „Das ist aber sehr schade…“ „Wer ist da?!“, fragte Ash gereizt und sprang auf, stellte sich der Stimme wie seine Pokémon mit geballter Faust und Spannung in jedem Muskel seines Körpers. Vor ihnen erstreckte sich eine große Rauchwolke, aus der allmählich drei dunkle Gestalten zu erkennen waren. „Wir hatten gehofft, ihr bleibt noch ein bisschen“, säuselte nun eine männliche Stimme, die tiefer war als die weibliche davor. „Team Rocket!“ Ash brauchte nun wirklich nicht mehr lange herumzuraten bis er dieses Chaotentrio aus tausend anderen heraus erkennen würde. Wütend biss er die Zähne zusammen und schaute dennoch etwas erstarrt auf sie, als sie vollkommen zu sehen waren und ihr mieses Grinsen vermischt mit einem ebenso fiesen Lachen den Raum durchschallte. „Was für ein Wiedersehen, Knirps. Bist wohl in Lichtgeschwindigkeit hier her gekommen, nur um deine ach so geliebte kleine Knirpsin zu retten…“ Leise kicherte Jesse kurz. „Nicht einmal Giovanni hatte derartig früh mit dir gerechnet. Aber im Grunde genommen, kann es ihm egal sein, denn er ist dir immer einen Schritt voraus.“ Ash war total überrumpelt. Nicht nur die Art und Weise wie die drei plötzlich redeten, machten ihn komplett perplex, sondern noch mehr ihr Aussehen. Sie hatten plötzlich pechschwarze Team-Rocket-Kleidung an, kein bisschen weiß mehr, dafür umso stärkeres dunkles Rot. Und nicht nur die Kleidung war es, noch schlimmer – waren die Augen. Sie waren ebenfalls Blutrot und zeigten keinerlei Lichteffekte mehr, ebenso wenig glänzten sie oder zeigten in irgendeiner Weise, dass sie lebten. „Was – ist passiert?“ „Pika…!“ Sogar Pikachu und den anderen Pokémon waren die neuen Gesten, die Ausstrahlung und die anderen Veränderungen aufgefallen und wussten dementsprechend nicht, wie sie sich verhalten sollten. Waren das wirklich noch ihre alten Gegner, ihre Feinde, die sie vielleicht gar nicht mehr wirklich als solche angesehen hatten, sondern sie eher nur eine kleine Unterhaltung für Zwischendurch waren? „Pika pi!“, warnte Pikachu Ash mit einem mehr als nur besorgten Blick und Ash verstand. Sie hatten es hier mit etwas zu tun, was ihnen mindestens genau so fremd war wie Mistys Verhalten. „Ihr habt doch wohl nicht ernsthaft geglaubt, dass wir euch mit unserem neuen Teammitglied einfach so abhauen lassen?“, lachte Mauzi laut und unbeherrscht. „WAS?!“ Ash wurde kreidebleich und riss geschockt die Augen auf. Meinten sie DAS etwa mit dem Experiment, das sie an Misty ausprobieren wollten? Nein, das konnte einfach nicht sein! Misty würde es niemals zulassen, dass man ihr ihren Willen nimmt. Auch ohne Gedächtnis war sie doch wie eh und je…! „Ihr Narren, hütet eure Zungen!“, ertönte plötzlich eine laute Stimme, die Ash zusammen zucken ließ und er irritiert um sich blickte. „Endlich!“ Wieder erschallte ein hämisches Lachen. „Endlich begegnen wir uns persönlich - Ash Ketchum aus Alabastia!“ … Kapitel 7: Freund oder Feind? (23.02.2008) ------------------------------------------ Kapitel 7 - Freund oder Feind? (23.02.2008) Schützend stellte Ash sich vor Misty. Sein Gesichtsausdruck bekam einen finsteren, aber dennoch auch angsterfüllten Blick und er starrte permanent auf den großen, gut gebauten Typen, der Misty mächtig Respekt einfließen ließ. Diese zitterte stark, kauerte sich auch schon etwas zusammen. Ihr war die Ehrfurcht deutlich ins Gesicht geschrieben. „Woher wissen Sie, wer ich bin? Was wollen Sie von mir?!“ Giovanni unterdrückte ein schamloses Lachen, grinste dafür umso breiter. Seine Augen wurden etwas kleiner und sahen Ash permanent scharf und durch dringlich an. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken, dennoch wollte er nicht aufgeben, den Augenkontakt zu verlieren. „Wer kennt dich nicht? Du bist weltberühmt, fast schon ein Pokémonmeister. Und du hast es, seit du auf Reisen bist, immer wieder auf eine unerklärliche Weise geschafft, meinem Team im Weg zu stehen.“ „Ihrem – Team?“ Irritiert wagte Ash einen Blick zu Jesse, James und Mauzi. „Sie sind…“ „Mein Name ist Giovanni. Ich bin der Boss des berühmt berüchtigten Team Rocket! Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast, mir dauernd in die Quere zu kommen, aber glaub mir, das wird sich jetzt ändern. Wenn man etwas richtig gemacht haben will“, wieder wurde sein Grinsen breiter und er erhob sein Haupt etwas mehr, „muss man es bekanntlich selbst machen.“ Er sagte das in derartigem Hochgenuss, dass es Ash schon fast schlecht wurde. Pikachu an seiner Seite machte sich immer mehr auf einen nahe bevorstehenden Kampf bereit, machte schon fast eine Art Katzenbuckel und fing an leise zu fauchen. Eigenartig…, dachte Ash, als er seinen kleinen Freund genau beobachtete. So hat er sich noch nie benommen. „Ich wusste, du würdest kommen.“ Schnell wandte Ash sich Giovannis Stimme erneut zu. Was meinte er damit? „Aber glaube mir – du kommst viel zu spät! Ich habe bereits gesiegt, bevor der Kampf richtig begonnen hat.“ Mit diesen Worten traten James und Jesse wie von fremder Hand getrieben, total willenlos und mit immer noch demselben Gesichtsausdruck wie zuvor neben ihren Boss und gingen in die Knie. „Mit meinem neuen unberührbaren Team werde ich dich endgültig aus dem Weg räumen!“ „So ein Unsinn!“ Ash musste sich fast schon ein ironisches Lächeln verkneifen. „Auch wenn Jesse und James zu Team Rocket gehören, so könnten sie nie einer Fliege etwas wirklich zu leide tun. Glauben Sie mir, die sind nicht wirklich böse.“ „Mir scheint, du hast nicht richtig zugehört, mein Kleiner. Diese beiden“, damit richteten sich Jesse und James auf. Der Boden unter ihnen verschob sich ein paar Zentimeter und aus dem entstehenden Loch erhob sich eine Art Säule, auf denen Waffen bereit lagen, die Jesse und James gehorsam sofort an sich nahmen. „… sind ganz bestimmt nicht mehr die, die du kennst. Inzwischen haben sie eine Ausbildung genossen, von der du nur träumen kannst. – Jedoch…“ Mit diesen Worten erlaubte sich Giovanni kurz eine Pause und schritt etwas auf Ash zu. Wieder spürte er einen kalten Schauer an seiner Haut entlang gleiten. Und mit jedem Schritt, jede Bewegung, die er tat, wurde es inniger uns intensiver. Mit diesem Kerl stimmte eindeutig etwas nicht! Dieselben Emotionen schienen auch auf seinen kleinen Freund überzugehen, denn er wurde immer aggressiver und unberechenbarer. „Pikachu, was hast du?“, zischte er ihm flüsternd besorgt zu, aber Pikachu weigerte sich seine Konzentration gegenüber Giovanni aufzugeben. Egal, was geschehen würde, oder was ihm dieses ungute Gefühl letztendlich sagen wollte, er wollte mit allen Mitteln Ash und auch Misty beschützen. „Ich könnte dir einen Handel vorschlagen.“ „Was?!“ Erneut waren Ashs Gedanken jetzt wieder komplett bei Giovanni. „Ich könnte dich ebenso ausbilden. Du wärst das letzte Glied, was mir zu meiner Perfektion in meinem Team fehlen würde. Wenn du annimmst, werde ich sie gehen lassen, wenn nicht – ist sie für immer mein und dein Schicksal ist besiegelt.“ „Was reden Sie da für einen Unsinn? Wer ist ‚sie’?!“ Immer mehr zuckte Misty zusammen. Sie konnte nicht mit ansehen, was gleich geschehen würde. Keine Ahnung, warum, aber sie wusste und spürte ganz deutlich, was passieren würde, würde dieser Junge nicht auf die Anforderungen von Giovanni eingehen. „Mach keinen Blödsinn! Tu, was er dir sagt!“ „SCHWEIG!“ Befehlend starrte Giovanni Misty wütend an. „Hüte deine Zunge! Du weißt, was dich erwartet, wenn du dich mir widersetzt!“ „Es tut mir leid, Sir! Ich wollte nicht ungehorsam sein…“ Misty… Was geht hier vor? Ash verschlug es kurz die Sprache. Er wusste, er musste jetzt genau aufpassen, wenn er herausfinden wollte, was dieses ganze Theater plötzlich sollte. „Ich weiß auch nicht, warum ich das tue, aber… Ich flehe Sie an, tun Sie diesem Jungen nichts! Er hat doch nichts Böses getan.“ Misty faltete die Hände und hätte sie nicht so zittern müssen, wäre sie wohl vor aller Augen vor Giovanni auf die Knie gefallen. Was im Namen aller Pokémon ging hier vor?! Misty kannte diesen Typen doch gar nicht! – Oder etwa doch? Hatte sie ihm vielleicht deshalb immer ihre Vergangenheit verschwiegen, weil sie das alles – IHN – vergessen wollte? „Misty, was redest du denn da? Woher kennst du Team Rockets Boss?“ Er konnte nicht anders, er wollte ihr dabei in die Augen sehen, packte ihr etwas grob an die Schultern. „Wieso hast du MICH dann vergessen?!“ Es hörte sich verzweifelt, wütend und auch unbeholfen an. Ash konnte es nicht fassen. Irgendetwas musste doch hier passiert sein! Misty war ihm so fremd. Nie – nie im Leben hätte sie sich früher so unterdrücken lassen! Das konnte alles einfach nur ein böser Traum sein. „Hör auf, lass mich los!“, zappelte Misty etwas. Erschrocken auf ihre Reaktion tat er dies auch sofort und wich ein wenig zurück. „So.“ Mit diesem kleinen so unbedeutenden Wort war die Aufmerksamkeit aller wieder auf Giovanni gerichtet. „Du denkst also, dieser Junge hätte nichts getan? Dann lausche und staune, was ich dir gleich zu berichten habe.“ Damit wandte er sich wieder Ash zu. „Bevor du allerdings möchtest, dass ich dir das Liebste nehme, was du besitzt, teile mir noch deine Antwort auf mein Angebot mit. Ich kann dir nur raten, wähle gut, wenn du nachher nicht Leid und Schmerz erfahren möchtest.“ Ash schüttelte nur angewidert den Kopf. „Was reden Sie da nur für psychischen Schwachsinn?! Sie sind KRANK! Weder werde ich mich jemals in ein Team wie Ihres begeben, noch werde ich zulassen, dass Misty hier bleiben muss!“ Giovannis Augenbraue zuckte leicht. „Soso. Dann hast du also verstanden. Du denkst also, du könntest mich einfach so abweisen? Mein lieber, kleiner, ahnungsloser Junge, lass dich eines Besseren belehren. Nur damit du es weißt: Was du schon so lange geliebt hast, ist nun auf ewig mein!“ „Was…“ „Hören Sie bitte auf, Sir!! Lassen Sie ihn gehen! Ich weiß nicht, warum ich das tue, aber ich weiß, dass es falsch wäre, ihn zu bestrafen, ganz egal, was er getan hat!“ In jenem Moment packte Giovanni Misty am Arm und zog sie an sich heran, schaute ihr bitterböse in die Augen. „Du hast KEINE AHNUNG, wer er ist, habe ich Recht?!“ Misty verschlug es die Sprache und ihr Atem wurde unruhiger und schneller. Unterworfen löste sie ihren Blick von dem seinen und schaute angeschlagen zu Boden. „Ich kann dir nur raten, aufzupassen, wen oder was du glaubst zu verteidigen!“ „Aber er…“ „Schweig endlich!“ Damit schubste er sie hinter sich, so dass Jesse Giovannis Handgriff entgegennahm und Misty an sich zog. Beschwichtigt legte sie einen Arm um ihren Hals, nahm sie somit in den Schwitzkasten, damit sie keine Anstalten mehr machen konnte, abzuhauen oder sich einzumischen. „Misty, nein!“ Als Ash Misty befreien wollte, wurde er ebenfalls von Giovanni mit einem Handgriff rücklings zu Boden geschupst. „Vergiss es! Ich hatte dir doch gesagt, es ist zu spät! Sie gehört schon längst mir!“ „Sie haben sie einer Gehirnwäsche unterzogen! Wie konnten Sie ihr das nur antun?! Sie mieses, verlogenes…!“ Plötzlich richtete James seine Waffe auf Ash, so dass dieser kurzzeitig kreidebleich wurde. Giovanni begann erneut zu grinsen. „Ich an deiner Stelle würde aufpassen, welche Worte ich im Moment in den Mund nehmen würde. Soll ich dir mal was verraten? Deine kleine ‚Freundin’, wie du denkst, hat dich schamlos verraten und dich mir ausgeliefert.“ „Wie…?!“ „Hättest sie besser hängen lassen sollen, wo sie war, so wäre ich gar nicht auf dich aufmerksam geworden, aber nein, klein Ashy muss sich ja einmischen und den großen Spielverderber spielen!“ Was Giovanni die ganze Zeit vor sich hinbrabbelte, gab Ash eine Erinnerung zurück in den Kopf, die vorgefallen war, kurz nachdem Misty zu sich gekommen war. Hatte sie nicht… Sie sagte doch, sie wisse nicht, warum, aber keinesfalls dürfte er sie berühren. Deswegen also… Deswegen sagte Misty zu ihm, er solle ihr auf keinen Fall zu nahe kommen… Team Rocket hatte sie dermaßen manipuliert, dass sie all ihre Berührungen, Gedanken und Gefühle aufzeichnen und ausfindig machen konnten und somit alles, was sie tat, genau überprüfen und kontrollieren konnten. Jedoch irgendwie musste Misty sich doch erinnert haben – sonst hätte sie ihn doch nicht warnen können… Nein, er durfte sie nicht aufgeben! Die alte Misty – seine Misty – musste irgendwo noch vorhanden sein. „Egal, was Sie auch versuchen“, fuhr er Giovanni an, „aber unsere Freundschaft werden Sie niemals brechen können!“ „Hm. Soll ich das als Herausforderung sehen? Gut, einverstanden! Dann werden wir ja gleich mal sehen, wie sehr eure Freundschaft noch an einem Tau oder einem seidendünnen Faden hängt!“ Damit schnipste Giovanni mit den Fingern. Sowohl Jesse als auch James erhoben die Waffen, zückten den Auslöser und… „Wartet!“, befahl Giovanni und sah zu Ash herüber, der genauso überrascht war. Ohne lange zu überlegen, hatte sich Misty vor Ash gestellt und die Arme ausgebreitet. „Was denn nun schon wieder?“, fragte Giovanni schon fast gelangweilt. „Das dürfen Sie nicht tun. Unschuldige Leute erschießen und dann auch noch reinen Gewissens das Blutbad hinterher wegräumen. Das kann doch nicht ihr Ernst sein! Macht das etwas Spaß? Ich sehe mir das nicht länger an!“ „Ts, ich fang gleich an zu weinen. Jetzt hör endlich mit diesem Blödsinn auf!“ „Nein!“ „Langsam ist meine Geduld mit dir am Ende. Du bist zwar süß und unschuldig, aber das bringt dir langsam auch nichts mehr. Ich könnte dich auf der Stelle zerquetschen wie eine Schmeißfliege!“ „Aber Sie würden es nicht tun.“ Giovannis Augen weiteten sich. „Wie bitte…?!“ „Sie haben mir die ganze Zeit etwas verschwiegen. Sie brauchen mich und zwar wegen ihm! Sir, was verbindet mich mit ihm? Warum ist er mir so wichtig? Was ist an ihm so schlimm, dass sie Ihn umbringen wollen? Woher kennt er mich?!“ Tränen begannen aus Wut in ihren Augen zu blitzen, aber sie verbarg sie und unterdrückte sie mit aller Macht. „Irgendetwas muss uns verbinden und diese Verbindung wollen Sie zerstören! Ich bin nicht ihre Marionette! Ich lebe, weil ich geboren wurde, nicht, weil sie mich besitzen wollten!“ Giovanni fing schamlos an zu lachen. „Du dummes Gör! Glaubst du echt, du wurdest aus Liebe geboren?“ Sowohl Misty als auch Ash schreckten auf. „Glaubst du wirklich, deine Eltern haben dich geliebt? Denkst du echt, man zeugt Kinder aus Liebe? Oh nein! Du weißt genau, deine Eltern haben dich damals an mich verkauft und ich habe dich aufgezogen. Ohne mich wärst du schon lange irgendwo ertrunken oder verhungert! Und es hätte niemanden interessiert!“ „Nein, bitte hören Sie auf… ich hab das schon oft genug gehört…“, bettelte Misty mit verzweifelter Stimme, dennoch gab sie die Schutzposition für Ash nicht auf. „Sie verschweigen mir trotzdem etwas. Und zwar die Beziehung, die ich zu diesem Jungen hege. Wieso sollte ich Ihnen sonst plötzlich so wichtig sein, dass Sie mich nicht gleich umbringen lassen, wie all die Anderen auch?!“ „Hey, Moment mal, ich versteh gar nichts mehr!“ Kurzerhand stellte sich Ash vor Misty, nahm sie diesmal sanft an den Schultern, schaute ihr tief und sanft in die Augen und doch mit etwas ernster Miene fragte er sie ruhig: „Was ist passiert? Wovon redet Giovanni da?“ Misty sah seinen vertrauensvollen warmen Blick. Tapfer schluckte sie die Tränen runter und meinte dann: „Ich weiß genau, was meinen Schwestern passiert ist, nachdem sie zu vorlaut zu unserem Boss waren. Er hat sie getötet, eine nach der anderen. – Nur mich hat er verschont und ich weiß jetzt auch, warum.“ „Misty, alles, was Giovanni dir da eingetrichtert hat, ist purer Blödsinn!“ „Was?“ Geschockt aber auch erwartungsvoll sah sie Ash an. „Er hat dich einer Gehirnwäsche unterzogen! Weder hat er dich aufgezogen, noch sind deine Schwestern tot! Sie leben in Azuria City, da wo auch DU herkommst, wo du groß geworden bist, wo wir uns kennen gelernt haben! Und glaub bloß nicht, dass du nur geboren wurdest, um seine Marionette zu werden. Ich habe deine Eltern nie gekannt, aber ich bin mir sicher, du warst gewollt und sie haben dich mehr geliebt, als alles andere auf der Welt! … Wer könnte das nicht…“ Den letzten Satz wisperte er einfach nur vor sich hin. Er konnte es nicht sehen, wie Misty litt. Plötzlich schreckte er auf. Sanft spürte er eine Hand an seiner Wange. Als er aufblickte, sah er in ein sanftes, schwaches Lächeln. Obwohl die Situation total unpassend für eine solche Szene war, wurde er leicht rötlich um die Wangen und nahm diese Berührung als neue Energie auf. „Ich wünschte, ich könnte dir glauben…“, gab Misty ihm darauf mit zitternder Stimme zurück und musste sich erneut zwingen, nicht zu weinen. Mit einem Mal wurde die Stimmung ins Gegenteil umgewandelt. Pikachu und Glurak sprangen vor die zwei und attackierten Team Rocket, die gerade dabei waren, Ash ohne Vorwarnung feige von hinten zu erschießen. „Seid vorsichtig!!“, schrie Ash ihnen noch zu. Schnell umklammerte er Mistys eine Hand, mit der anderen gab er seinen Pokémon erneut Befehle zum Angriff. Doch ehe er sich versah, wurden Pikachus und Gluraks Bewegungen eingefroren und eine Konterattacke schleuderte sie an die nächste Betonwand über Ashs und Mistys Köpfe hinweg. „Pikachu! Glurak!“ Nachdem die beiden sich wieder aufgerappelt hatten, wirbelte Ash wütend herum. „Was zum Tauboss noch mal, war das?!“ „Oh, überrascht?“ Endlich verzog sich die entstandene Staubwolke und Giovanni und dessen Pokémon kamen zum Vorschein. Team Rocket hatte keinen einzigen Kratzer abbekommen. „Darf ich dir einen guten Freund von mir vorstellen, Ash? Das hier ist Traumato! Wie du vielleicht weißt, ist es ein Psychopokémon, aber ich wette eines wie dieses hast du noch nie zuvor gesehen und es wird auch das Einzige bleiben!“ Lange starrte Ash das Pokémon an. Das konnte einfach nicht sein. „Und ob – ich es kenne…“ Eine sehr schmerzvolle Erinnerung kam Ash ins Gedächtnis. Diesen Tag würde er niemals vergessen. „Dieses Pokémon – hätte mir beinahe meinen besten Freund genommen! Dieses Ungetüm hat Pikachu damals einer Gehirnwäsche unterzogen, es gegen mich aufgehetzt und völlig wehrlos gemacht!“ „Schön, dass ihr schon Bekanntschaft miteinander gemacht habt. Dann wird dir jetzt auch sicher klar sein, was ich mit ihm gegen dich ausrichten werde, oder?“ „Sie können mir gar nichts!“, drohte Ash und ballte seine Hände zu Fäusten. „Ich habe schon mit Mewtwo und Lugia gekämpft! Ich habe keine Angst vor Psychopokémon!“ „Dann wird es Zeit, dass du in deinem Leben noch eine neue Erfahrung machst.“ Erneut war ein Schnipsen zu vernehmen. Es ging alles so schnell. Misty wurde plötzlich ganz komisch. Bevor er sich versah, wurde Ash von dem grell-blauen Leuchten, das Misty begann zu umhüllen, weggeschleudert und riss sie auseinander. „ASH!“, schrie Misty wie aus der Pistole geschossen. Ihr Blick zeigte Besorgnis und Angst. Dabei weiteten sich Giovannis Augen kurz. Das war absolut nicht geplant gewesen… Einige Sekunden später wurde Misty dann zum Rücken hin an die nächste Wand geschleudert und schrie vor Schmerz kurz auf. „PIKAAAA!“, ertönte es plötzlich neben ihr. Pikachu war von der Psychokineseattacke ebenfalls erwischt worden und hing nun genau neben Misty, gefangen im grellen Licht von Traumato. „Pikachu, Misty!!!“ Schnell rappelte Ash sich auf, sprintete auf die beiden zu, wurde jedoch von einer Glaswand abgehalten und fiel rücklings zu Boden. „Nein!!!“ „Auf die sanfte Tour wolltest du ja nicht mitspielen, also versuchen wir es eben mit Gewalt. Macht sowieso viel mehr Spaß, wenn der Gegner Widerstand leistet und sich nicht so leicht abschütteln lässt.“ Wie er diesen Sarkasmus hasste! Wenn er nicht so ein sanftes Gemüt hätte, so hätte Ash Giovanni spätestens in dem Moment am liebsten umgebracht! „Was wollen Sie eigentlich von mir?! Was hab ich Ihnen getan, dass sie dafür bereit sind, meinen Freunden diese Schmerzen zuzufügen?!“ „Du willst echt wissen, was du mir angetan hast? Kommst du da nicht selbst drauf?!“ Ash stutzte kurz. Sollte er wirklich einen Grund haben ihn zu verurteilen? „Deinetwegen wurde meine alte Arena in Vertania City komplett zerstört! Nur deinetwegen ist meine millionenschwere Pokémon-Giganten-Insel den Bach runter gegangen! Und nur DEINETWEGEN habe ich mein bestes Pokémon verloren! Du bist Schuld, dass Mewtwo abgehauen und unauffindbar ist!!! Glaubst du, ich habe Geld wie Heu oder was?! Warum denkst du wohl, lasse ich seit Jahren diese drei Chaoten da hinter dir her laufen? Du dachtest doch wohl bestimmt nicht, wegen deiner dummen kleinen Elektroratte! Dass ich nicht lache! Wieso sollte ich an so einer Missgeburt, die es an jeder Straßenecke zu fangen gibt, jahrelang eines meiner teuren Teams dir auf den Hals hetzen?“ „Noch ein Wort…“ Nicht mehr lange und Ash wäre der Kragen endgültig geplatzt, „… Noch ein verdammtes falsches Wort über meinen besten Freund und Sie würden wirklich darum beten, mich NIE kennen gelernt zu haben!! Niemand beleidigt Pikachu und stellt ihn bloß! Er ist der beste und unersetzlichste Freund, den es gibt!!!“ „Ja!“ Giovanni ließ ein kurzes, ernstgemeintes „Ha“ von sich, so dass er Ash zeigte, was er davon hielt. „Er ist dir so wichtig, dass du sogar deine beste Freundin im Stich lässt.“ Urplötzlich zuckte Ash zusammen. Seine Pupillen wurden kleiner und sein Atem schwerer. „Du bist echt erbärmlich! Rennst die ganze Zeit deinem Pikachu hinterher – und was ist mit IHR?! Lässt sie einfach in Azuria City sitzen und naiv wie du bist, hast du die ganze Zeit gehofft, dass sie dort für immer auf dich warten würde. Lässt sie alleine im Wald zurück, nur um den Ballon meines Versagerteams zu verfolgen und zum millionsten Male dein Pikachu zu retten. – Du hast keine Ahnung, wie sehr sie sich für dich einsetzt. Sie würde für dich sterben!“ „Hören Sie auf!“ „Sie würde alles tun, nur damit du deinen Traum verwirklichen kannst! Sie nimmt keine Rücksicht auf ihre Wünsche und Hoffnungen, weil sie dich liebt und dadurch alles tun möchte, damit DU glücklich sein kannst!“ „Halten Sie endlich den MUND!“ „Ja, was denn?! Hast du Angst vor der Wahrheit?! SIEH IHR ENDLICH INS GESICHT, DU FEIGLING!!!“ Ash spürte genau, wie sehr er Team Rockets Boss hasste. Er wusste jedoch genau, dass er Recht hatte. Aber er hatte nie eine Wahl gehabt! Er konnte sie nicht beide beschützen. Er konnte nicht beide immer wieder auf einmal beschützen! Die jetzige Situation bewies es schon wieder… Sie hingen da, wegen ihm, starrten ihn hoffnungsvoll und besorgt an, wie er da auf Knien saß, sich auf den Händen abstützte und sich von Giovanni zusammen schreien ließ. Wieso machte ihn das alles nur so fertig? Er mochte sie doch beide. Sie waren seine besten Freunde. Pikachu war alles für ihn, aber Misty… ja Misty… es war nicht zu leugnen. Misty war… er liebte sie… Langsam fing Ash sich wieder. Mit zitternden Beinen richtete er sich auf, atmete noch einige Male tief ein und aus. Dann richtete er sich erneut an Giovanni. „Lassen Sie sie gehen. Sie haben doch damit überhaupt nichts zu tun! Nur weil sie zu meinem Freundeskreis gehören, haben Sie noch lange nicht das Recht dazu, sie so zu behandeln!“ „Ash, nicht, lass das!“ Sofort waren Ashs Blick und der von Giovanni auf Misty gerichtet. Sie nannte ihn beim Namen… und das ganz gezielt! „Er wird uns sowieso alle umbringen! Wir wissen zu viel! Hör auf, nur an dich selbst zu denken! Hau ab, so lang du noch kannst! Hör dieses eine Mal auf mich!“ „Aber, Misty, du…“ Hatte sie das nicht schon zu ihm gesagt, kurz bevor Team Rocket sie entführt hatte? Aber wieso… „Kannst du dich… wirklich erinnern…?“ „Verfall nicht schon wieder in einen Tagtraum! Ist doch ganz egal, was mit mir ist! Lauf endlich weg!!!“ „Pika PIKA!!“, stimmte Pikachu Misty zu und war immer noch dabei, sich aus der Konfusionsattacke zu befreien. Ash wusste nicht, ob er sich im Moment freuen oder das tun sollte, was die beiden ihm sagten. Aber… Nein! Niemals würde er seine besten Freunde im Stich lassen! „Glurak, Flammenwu…“ „So nicht…“, murmelte Giovanni und befahl Traumato eine Attacke. Bevor Ash seine Attacke aussprechen konnte, vernahm er laute Schreie von Pikachu und Misty. „PIKAAAAAAAAAAAAA!!!!!!!!!!!!“ „AAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHH!!!!!!“ „Nein, nicht, aufhören!!!“, schrie Ash verzweifelt den beiden entgegen. „Es ist alleine deine Entscheidung. Du bist verantwortlich dafür, ob die beiden lebend hier rauskommen, oder ob sie sterben!“, erklärte Giovanni in einem ekelhaften desinteressierten Ton. „Was?“ „Werde Mitglied meines Teams – und ich werde den beiden ihre Freiheit schenken. Verweigerst du das Angebot, ist sie dran.“ Mit jenen Worten fing Misty besonders laut an zu schreien. Davon wurde Pikachu dermaßen wütend, dass seine Glieder begannen zu zucken, er konzentrierte sich, versuchte den Schmerz von sich abzulenken und ließ einen Donnerblitz von sich, den noch nie jemand zuvor gesehen hatte. Dieser war so grell, dass er Traumato kurzzeitig blendete und somit Pikachu und Misty aus seiner Kontrolle befreit wurden. Unsanft knallten die beiden zu Boden. Pikachu keuchte erschöpft. Mit einem verschwommenen Blick sah er neben sich. Misty war bewusstlos und als er den Kopf drehte, bemerkte er, dass Ash ihm etwas zurief. Verdammt, er durfte jetzt nicht aufgeben. Ash brauchte ihn – und Misty ebenso. Tapfer richtete sich der Kleine auf seine vier Pfoten, knickte erneut noch ein paar Mal ein, bis er denn endlich wieder alle Kräfte gesammelt hatte. Glurak hatte indessen die Glaswand, die Pantimos zuvor errichtet hatte, um Ash aufzuhalten, zum Schmelzen gebracht. So schnell ihn seine Beine trugen, rannte Ash auf Pikachu und Misty zu. Pikachu hörte noch irgendetwas von, ob er OK sei oder verletzt. Er schüttelte einfach nur den Kopf und machte sich daran, Giovanni zusammen mit Glurak, Starmie, Schiggy und Togepi entgegenzutreten. „Pikachu pika!“ Wir müssen die beiden beschützen! Jetzt geht es um alles oder nichts, erklärte er seinen Freunden, die ihm entschlossen zunickten. Gezielt stürmten sie auf Traumato zu, versuchten ihn mit aller Macht von den beiden abzulenken, bis Misty wieder zu sich gekommen war. „Misty, Misty!! Oh, bitte, komm doch endlich zu dir!“ Etwas grob, in der Hoffnung, sie dadurch wieder wach zu bekommen, rüttelte Ash an Misty. „Komm schon! Du darfst jetzt nicht aufgeben, bitte!“ vorsichtig hob er ihren Kopf etwas vom Boden ab, schlang einen Arm um ihren Oberkörper und rüttelte noch einmal an ihr. Langsam begann sie wieder lauter zu atmen und schlug zaghaft die Augen auf und zu. Letztendlich schaffte sie es, wenigstens einen Spalt aufzubekommen. „Misty, komm schon, lass mich nicht im Stich!“ Diese Stimme… Immer wieder hallte sie durch Mistys Kopf. Dieser Satz… „Ich habe dir versprochen, dass wir immer zusammen bleiben! Ich lass dich nicht im Stich, das kann ich nicht!“ Ja, genau… Die Stimmen waren dieselben… Aber wieso wirkte die eine so weit weg und unerreichbar? Und wieso schmerzte ihr Kopf so sehr? – Und wieso wurde ihr dauernd stärker ins Gesicht geschlagen? War sie dabei zu sterben? „Jetzt… hör doch mal… auf damit…“ Scheinbar lebte sie noch. Endlich erkannte sie einen schwarzen Umriss. Die Silhouette wurde immer deutlicher und klarer. Aber das ist doch… „Wieso schlägst du mich denn?!“ „Misty? Bist du OK?!“ Ash konnte es kaum fassen. Misty war wach – und sie erkannte ihn auf Anhieb und ohne Probleme. „Misty – sag mir, wo du wohnst.“ „Was soll diese dämliche Frage? In Azuria City natürlich!“ Schmerzvoll hielt sich Misty etwas den Kopf, dann schwenkte ihr Blick einmal rundum. „Wo sind wir denn hier? – Uh?!“ Mit einem Mal wurde Misty stark umarmt. Zuerst wusste sie nicht, ob sie träumte, oder wach war. Doch je stärker und verkrampfter die Umarmung wurde, auch der Griff in ihren einen Oberarm, war sie sich sicher, dass sie wach war. „A-Ash… was… was hast du denn?“ „…“ Nichts kam über seine Lippen – bis Misty ein kurzes Schluchzen vernahm. „Ash – weinst du…?!“, fragte sie etwas erschrocken und unsicher. „Was ist denn passiert?“ „Ich… ich dachte… - Ich dachte, ich hätte dich für immer verloren…“ „Was? Aber wieso denn? Was ist passiert?“ „GLUUUURAK!!“ „Pikachu pika! Pi… ka… CHUUUUUU!“ „Togepi, was machst du denn da?!“, schrie Misty entsetzt, als sie ihr Kleines inmitten eines gewaltigen Schlachtfeldes wieder fand. „Komm da weg! Togepi!!“ Schnell drückte Ash Misty zurück auf den Boden, begutachtete sie kurz von oben bis unten. „Was machst du denn da?!“, zischte sie etwas errötet. „Hast du Schmerzen? Bist du verletzt?“ „So ein Unsinn, ich… Ah!“ Mit einem Mal spürte sie sehr wohl etwas. Ash bemerkte auch sofort, wo. Ihre linke Schulter war komplett aufgerissen und unzählige Kratzer säumten einen Teil ihres Bauches. Kein Wunder. Mit dem ultrakurzen Top und ihrer kurzen Hose konnte man sich bei solchen Aktionen und betongesäumten Umgebungen schnell verletzen. „Es tut mir so leid…“ Ash zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und verband schnell Mistys Schulter. „Wieso? Was tut dir leid?“ Ash erwiderte nichts. Stillschweigend beendete er sein Vorhaben, kämpfte immer noch mit den letzten Tränen. Misty verstand es einfach nicht. „Jetzt ist aber Schluss. Genug gespielt, Traumato. Setz dem ein Ende.“ „Traumaaaatoooooo!“ „CHA!!!“ „GLU!!!“ „SCHIGGYYY!!!“ „PRUIII!!!“ Mit einem winzigen Stoß wurden die fünf Pokémon mit einem Schlag außer Gefecht gesetzt. Völlig erschöpft fielen sie zu Boden und rührten sich nicht mehr. „NEIN!!!“, schrien Ash und Misty gleichzeitig. Für beide war dieser Anblick unerträglich. „Sie Verrückter, was tun Sie denn da?! Haben Sie überhaupt keinen Respekt vor Lebewesen?!“ Wutentbrannt stand Misty auf. Ash folgte ihr, stellte sich sicherheitshalber aber wieder vor sie, falls Giovanni jetzt vorhaben sollte, Mistys Schwachstellen auszunutzen. „Wie niedlich“, säuselte Giovanni spöttisch. „Wieder vereint, was?“ „Fall nicht darauf rein!“, beschwichtigte Ash Misty. „Das ist hundertprozentig wieder einer seiner miesen Tricks!“ „Nun, Ash, du weißt ja, wo wir vorhin stehen geblieben sind, oder? Also, wie hast du dich entschieden? Oder ist das Leben all deiner Freunde“, er deutete rings um sich, wo sämtliche seiner Gefährten lagen, „für dich keinen Pfifferling wert?“ Langsam senkte Ash den Kopf. Er konnte das alles nicht mehr länger mit ansehen. Seine Freunde hatten so viel für ihn riskiert, ihm so viel gegeben. Jetzt war es Zeit, dass er ihnen zeigte, wie sehr er dies zu schätzen wusste. „Sie haben mein Wort.“ „Ash, was hast du vor? Was ist hier los?“, fragte Misty ihn verzweifelt, bekam aber keine gescheite Antwort. „Ich werde tun, was Sie von mir verlangen. Aber lassen Sie sie gehen, alle!“ „Hm, das ließe sich vielleicht noch arrangieren“, grübelte Giovanni gespielt. „Das ist meine einzige Bedingung. Danach können Sie mit mir machen, was Sie wollen. Ich kann es nicht länger ertragen, sie leiden zu sehen… Das haben sie nicht verdient…“ „Ash, verdammt, was ist los mit dir?!“ Ohne groß zu überlegen, zog Misty Ash das Cappy vom Kopf, drückte seinen Kopf nach oben und starrte ihn scharf an. „Was tust du da?! Glaubst du, deine Freunde sind besser dran, wenn du jetzt aufgibst und dich ihm auslieferst? Sie sind verloren, ohne dich! Ihr seid ein Team, du kannst sie nicht sich selbst überlassen, hast du den Verstand verloren oder was? Sag jetzt nicht, du tust das nur, weil du es nicht länger ertragen kannst!“ „Das verstehst du nicht. Du hast das alles nicht gesehen. Du hast nicht mitbekommen, was er mit Pikachu und dir angestellt hat! Ich will euch nicht noch einmal verlieren!!“ „IDIOT!“ Mistys Ohrfeige schallte durch die ganze Halle. „Wie kannst du nur sagen, dass du uns nicht verlieren willst! Glaubst du etwa, WIR wollen DICH verlieren? Er will dich doch nur umbringen, weil er weiß, dass du der Mensch bist, der allen Pokémon und Trainern Hoffnung gibt, der das Gleichgewicht zu Mensch und Pokémon immer wieder herstellt. Verdammt, du bist nicht umsonst schon so oft der Auserwählte genannt worden, denn du bist es immer und wirst es immer bleiben! Wenn du dich aufgibst, stirbt die Hoffnung aller auf ein friedliches Leben und auf eine gemeinsame Zukunft! – Ich dachte, du wolltest Pokémonmeister werden, um nicht nur deinen Traum zu erfüllen – sondern um auch die Kraft zu erhalten, Team Rocket zu besiegen… Hast du vergessen, was sie dir schon alles angetan haben? – Was sie anderen Pokémon angetan haben?“ Mitten in ihren Worten wagte Ash noch einen Schritt. Sanft nahm er Misty in seine Arme. Diese verlor plötzlich alle Worte und hätte am liebsten angefangen zu weinen. Warum konnte sie sich selbst nicht erklären. „Alles, was ich je wollte, war euch zu beschützen. – dich zu beschützen.“ Ihre Augen weiteten sich bis zum Äußersten und die Tränen konnten nicht mehr zurückgehalten werden. „Es tut mir leid, dass ich dich erneut verraten habe…“ „Nein, Ash… Das… das darfst du nicht…“ „Vergiss nicht, du bist meine allerbeste Freundin.“ Dabei ließ er von ihr ab, schaute ihr einmal tief in die Augen, begann sanft zu lächeln als eine einzige Träne seine Wange streifte. „Und noch viel mehr…“ Der letzte Satz versetzte Misty einen riesigen Frosch in die Kehle, der diese zuschnürte und sie es nicht mehr wagen wollte, ohne Tränen zu atmen. Sie schüttelte nur noch den Kopf, als Ash sie vollends los ließ und er vor Giovanni trat. Sie einfach stehen ließ. „Ich bin bereit!“, gab Ash nur noch von sich und ging auf Giovanni zu. „Wurde aber auch Zeit“, gab dieser kühl von sich, wollte Ash schon abführen lassen, als… „Halt!“ Jesse, James und Ash blieben reglos stehen, während sich Giovanni hochnäsig an Misty wandte. „Was ist denn noch? Der Ausgang ist auf der anderen Seite, falls du das wissen möchtest.“ „Sie wissen genau, was ich möchte.“ Endlich drehte sie sich um. Wie sie im Moment aussah und was sie für einen Eindruck machte, war ihr gerade so was von egal. „Sie handeln doch gerne. Ich habe einen Tausch vorzuschlagen.“ Ash spitzte geschockt die Ohren. Er kannte Misty. „Gut, ich höre.“ „Nehmen Sie mich anstelle von ihm!“ Ihre Augen wurden darauf etwas kleiner. Letztendlich schaute sie zu Boden. „Ich habe sowieso nichts zu verlieren.“ „Hör auf so einen Blödsinn zu quatschen!!!“, riss sich Ash von Team Rocket los und schnaubte Misty an. „Du hast eine Menge zu verlieren!“ „Ach ja? Sag mir nur eines, dann bin ich schon zufrieden.“ Ash atmete einmal tief ein und aus und sein Blick verfinsterte sich streng. „Mich.“ Eine kurze, knappe und präzise Antwort mit einem harten, aber doch bettelnden und warnenden Unterton. Jedoch lächelte Misty nur sanft, als sie erwiderte: „Das habe ich doch schon längst.“ Diese Worte trafen Ash wie einen Blitz. Wie kam sie nur auf so etwas?! Dachte sie wirklich immer noch, sie wäre ihm egal? Hatte er ihr nicht gerade klar und deutlich gesagt, was sie ihm in Wahrheit bedeutete? Oder war es am Ende zu spät… „Verdammt, nein!!! Wieso kannst du mir nicht verzeihen?!“ Misty schüttelte nur den Kopf. „Ich hatte dir nie etwas zu verzeihen, Ash. Sondern du mir.“ „Was? Aber ich habe doch…“ „Ich möchte, dass du mir verzeihst, dass ich nie den Mut dazu hatte, dir zu sagen, was ich wirklich empfinde. Es ist mir egal, ob du mich jetzt hasst. Alles, was ich wollte, war, unsere Freundschaft nicht zu verlieren. Denn das wäre schlimmer gewesen als alles Übel dieser Welt.“ Ashs Blick wurde noch verzweifelter, noch verletzter. Dies nutzte Giovanni schamlos aus. „Es tut mir leid.“ Danach war wieder nur ein Schnipsen zu hören und Misty erhielt wieder einen grell-blauen Schimmer um ihren gesamten Körper. „NEIN! Giovanni, das war nicht so ausgemacht! Ihr habt mir versprochen, sie frei zu lassen, alle miteinander! Ihr habt doch mich schon, gebt ihnen ihre Freiheit zurück!“ „Ach, weißt du, deine kleine Freundin hat so darum gebettelt, dich frei zu geben – ich kann ihr doch schlecht eine solche Bitte abschlagen, findest du nicht?“ „Sie mieser, dreckiger…!“ Schnell wurde Ash von James in die Mangel genommen. „Außerdem – macht es mir viel mehr Spaß, dich und sie leiden zu sehen, als dass ihr einfach mit ein wenig Sehnsucht getrennt werdet. Oh nein, lass uns doch lieber ein kleines Spiel spielen.“ „WAS?!“ Immer noch zappelnd versuchte sich Ash aus James’ Klammergriff zu befreien. „Oh ja, spielen wir doch ‚Wie rette ich meine Freundin aus den Fängen meines ärgsten Feindes, ohne sie zu verlieren, wie ich sie kannte’?“ „Was?! NEIN!!!“ Das konnte nicht sein. Das hatte Misty nicht gewollt. Sie hatte fest damit gerechnet, wenn sie sich Giovanni ergeben würde, wären die anderen gerettet. Nun jedoch wurde sie von Traumatos Psykräften völlig zerrissen. Höllische Schmerzen durchzuckten ihren Körper, immer wieder schrie sie verzweifelt auf, bis sie ihr Bewusstsein verlor. Derweil versuchte Ash noch mehrmals alles daran, Giovanni zu hindern, sein böses Werk fortzusetzen. „Verdammt, nein, Misty! MISTY!!!“ Bitte… Ich habe dich schon einmal verloren! Ich möchte das nicht noch mal!! Bitte sag mir, wie ich das stoppen kann! Irgendwer… Kapitel 8: Verloren (02.03.2008) -------------------------------- Kapitel 8 - Verloren (02.03.2008) Immer noch hielt Team Rocket Ash zurück, als er permanent versuchte, sich loszureißen und auf Misty loszusprinten. Irgendwann war es ihm zu bunt. Er sammelte all seine Energie und stieß zuerst Jesse, dann James von sich weg. „Misty! Bitte halte durch! Du darfst jetzt nicht aufgeben, hörst du mich?!“ Schwach wandte Misty ihren Kopf in Ashs Richtung. Ob sie ihn verstehen konnte, wusste sie nicht. Alles um sie herum war so dunkel. „Ash“, wisperte sie leise vor sich hin. „Wo bist du?“ „Hör auf damit! Kämpf dagegen an! Du darfst dich ihm nicht ergeben, das ist doch alles, was er wollte! Hör auf so stur zu sein!“ „Ich – habe dir versprochen, dass ich… dass ich dich niemals im Stich lasse“, gab Misty schon ganz schwach von sich. „Mach, dass du weg kommst.“ „Nein, niemals! Nicht ohne dich, das weißt du ganz genau!“ Pikachu hörte durch sein Bewusstsein die verzweifelten Schreie seines Trainers. So wie Glurak kam er allmählich wieder zu sich, nachdem Starmie und Schiggy ihnen Wasser ins Gesicht gespritzt hatten. „Pika pi…“ Wackelig und mit zittrigen Pfoten stellte sich Pikachu erneut auf. Alles, was er erkennen konnte, war, dass Misty seltsam leuchtete und über dem Boden zu schweben schien. Ihre Arme waren weit ausgestreckt und sie ließ den Kopf hängen, direkt darunter stand Ash. Brüllte er sie etwa schon wieder an? Lernte er denn nichts dazu? Kopfschüttelnd, um zu versuchen wieder einen klaren Blick zu bekommen, schritt Pikachu auf die zwei zu. Misty lächelte schwach. „Komm schon, machen wir uns nichts vor. Du hast jetzt endlich die Gelegenheit, Pikachu und die anderen hier wegzubringen. Das ist mir im Moment viel wichtiger, als dass du dir Gedanken darum machst, was mit mir passiert.“ „Du bist wahnsinnig! Was ist nur los mit dir?! Bist du jetzt schon so willenlos, dass du es zulässt, dass dieser Bastard die volle Kontrolle über dich und deinen Körper erhält? Hast du dich wirklich schon komplett aufgegeben?“ Langsam wurde er sauer. Was war nur in Misty gefahren? Er erkannte sie überhaupt nicht wieder. Sie schien sich wirklich damit abgefunden zu haben, dass Ash für sie nie mehr als Freundschaft empfinden würde und sie ihm dermaßen egal wäre, dass er sie einfach hier zurücklassen würde. „Jetzt hör mir mal genau zu!“ Mit diesen Worten machte Ash einen Satz, klammerte sich an Mistys Beine und zog sie auf den Boden. Dabei schlug Misty mit dem Kopf auf und begann sofort danach Ash geschockt in die Augen zu blicken, als er sich keuchend über sie beugte und sie mit einem dermaßen aggressiven Blick anschaute, dass sie zusammen zuckte. „Wenn DU schon denkst, dass dich keiner mehr braucht und dass du nichts zu verlieren hast, dann lass dir gesagt sein, dass du mir sehr viel bedeutest! Verdammt, du bist meine beste Freundin! Glaubst du echt im Ernst, ich hatte mit Absicht vor, dich alleine in Azuria City zu lassen?“ „Ash, nicht…“ Misty überfiel ein sehr ungutes Gefühl. Sie hatte Ash in ihrem ganzen Leben noch nie so verzweifelt und kraftlos gesehen. Zwar hatte er schon öfters offen und ehrlich seinen Freunden gegenüber geweint – aber dieser Gesichtsausdruck und vor allem der Grund für seine Tränen machten sie absolut hilflos. Normalerweise konnte sie mit solchen Situationen umgehen, aber… In jenem Moment konnte sie es komischerweise nicht. „Hör auf damit! Wieso fängst du immer wieder mit der Vergangenheit an?! Ich habe dir schon hundert Mal gesagt, dass ich dir nicht böse bin.“ Mit jenen Worten schlug Ash direkt neben Mistys Kopf mit der flachen Hand auf den kalten Betonboden, so dass sie sofort erstarrte. Zuerst starrte sie den Brustkorb panisch auf und ab lassend auf die Hand, dann direkt schüchtern und erschrocken in seine Augen. „Du weißt ganz genau, dass ich genau darauf nicht hinaus wollte“, sagte er nur mit ernster und zittriger Stimme, als die Tränen begannen, auf Mistys zerrissenes Top zu fallen und auch ihre Haut entlang zu streifen. Misty beobachtete sie genau. Am liebsten hätte sie selber geweint, weil sie Ash so absolut nicht kannte und schon gar nicht sehen wollte. Jedoch war sie zu kraftlos und auch gefühlsmäßig zu fertig, um ihm so demonstrativ beizustehen. „Was hast du?“, flüsterte sie nur, weil sie nicht sicher war, ob er diese Frage in jenem Moment akzeptieren wollte. „Du bist frei. Was willst du eigentlich noch hier?“ „Ich möchte jetzt von dir klare Worte, Misty“, gestand er plötzlich nach einigen Sekunden der Stille. „Wieso tust du das alles? Wieso tust du das für mich? Merkst du nicht, was du mir – deinen Pokémon – damit antust?“ Ash schluckte getroffen. „Ich…“ „Du hast mich gerade angeschrieen, als ich sagte, ich möchte für euch mein Leben geben… Weißt du noch, was du gesagt hattest?“ „Ich möchte doch nur verhindern, dass es euch so ergeht wie meinen Eltern… Ich möchte euch nicht auch noch verlieren, begreif das doch!“ Verzweifelt kniff Misty die Augen zu. „Beantworte meine Frage!“, schrie Ash sie genauso fertig an. Daraufhin versuchte Misty krampfhaft ihm in die Augen zu schauen und gab alles darauf, sich zu konzentrieren, soweit das in ihrem Zustand eben möglich war. Denn obwohl sie es nicht offenbaren wollte, wurden die Schmerzen im Innern ihres Körpers immer schlimmer. „D-Dass du dein Team nicht im Stich lassen darfst…“ „Und?“ „Dass du – dich nicht aufgeben darfst…“ Langsam fiel ihr das Atmen schwer. „UND?!“ Jetzt hätte es nicht mehr lange gedauert und Ash hätte Misty an ihr Top gegriffen. Was wollte er denn von ihr hören? Kein einziges Wort kam über Mistys Lippen, als sie Ash so fordernd, so nah an ihrem Gesicht seinen Atem spürend sah, wie er auf sie starrte und auf eine Antwort hoffte, die sie ihm nicht geben konnte. „Ich… was hatte ich…“ Sie war total verwirrt, total irritiert. Lag das daran, dass Traumato ihr ihre Kraft fast komplett genommen hatte? Oder war es die Tatsache, dass sie ganz plötzlich und ohne Vorwarnung von Ash einfach so berührt und angestarrt wurde? „’Hier sind so viele, die dich brauchen. WIR wollen DICH nicht verlieren!’ – Waren das nicht ganz genau deine Worte?“ Misty musste kurz schlucken, als Ash mit einem Mal sanft lächelte, gläserne Augen bekam und ihr doch eine kleine ungewollte Träne von der Wange strich. „Oh nein. Auf keinen Fall, Misty. Niemals.“ Damit beugte er sich zu ihr herunter, legte seine Wange an die ihre und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich möchte dich niemals verlieren. Ich brauche dich… Hast du mich verstanden, Misty?“ Ash hatte ja keine Ahnung, was für eine Art Energie er mit jenen Worten in Misty hervor rief. Ihr Herz klopfte so laut und ihre Farbe wurde unheimlich rötlich, nachdem sich Ash langsam von ihr löste. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, die Ash sie anstarrte, immer noch sanft lächelte und sich die letzten Tränen aus dem Gesicht wischte. „Ash, ich…“ Misty wünschte sich in diesem Moment nur eines: Dass sie aufstehen könnte und Ash fest in die Arme schließen – doch sie konnte nicht. Ihr Körper war nach wie vor gelähmt und immer noch spürte sie, wie Traumato sich immer mehr in sie hineinfraß. „Es tut mir so le…“ Bevor sie zu Ende sprechen konnte, legte Ash ihr seinen Zeigefinger an den Mund. „Mir auch.“ Endlich. Sie lächelte. Sehr schwach, aber sie lächelte. „Danke, Ash… Vielen Dank, dass wir Freunde si…“ In jenem Moment wurden beide von einem erneut grellen Licht geblendet. Bestürzt hielt sich Ash einen Arm vor die Augen und spürte noch in derselben Sekunde, wie ein heftiger Windstoß aufkam, der versuchte, ihn von Misty los zu reißen. „NEIN!“ Schnell schlang Ash seine Arme um Mistys Hals und drückte sie fest an sich. „Giovanni wird keine Macht über dich bekommen, dafür sorge ich schon! Halte bitte durch, Misty!“ Plötzlich stutzte Ash. Er spürte Mistys Atem nicht mehr. „Was?“ Geschockt wagte Ash einen Blick in Mistys Gesicht. Sie hatte die Augen erneut geschlossen und von den Emotionen bis vor einer halben Minute war absolut nichts mehr zu sehen. „Was hast du?!“ Ash geriet in Panik. Er bemerkte wieder die blaue Psychoaura, die Misty umgab und stellte fest, dass er sie nicht einmal mehr anfassen konnte. „Komm schon! Kämpf dagegen an! Ich weiß, dass du es kannst! Misty!!!“ Als sie ihren Namen hörte, riss Misty abrupt die Augen auf und versetzte Ash einen Schock, den er sein ganzes Leben nicht mehr vergessen würde: Die Augen zeigten nichts! Keine Emotionen, keine Lichtreflexe, in keiner Weise etwas, dass sie lebten. – Sie waren leer und blutrot. Noch bevor Ash sich von dem Anblick erholen konnte, spürte er wie Misty ihn an den Oberarmen packte und sich ihre Fingernägel gezielt in sie hineinkrallten. Ash konnte darauf einen schmerzerfüllten Schrei nicht unterdrücken. „Pika pi!!!“, schrie Pikachu entsetzt und rannte auf Ash zu. Er wusste auf die Schnelle keine andere Lösung, als Misty einen satten Donnerblitz zu verpassen. Zwar ließ sie Ash daraufhin los, der sofort auf die Knie fiel und erst einmal verarbeiten musste, was er da eben erlebt hatte, aber Misty selbst verzog keine Miene, würdigte Pikachu nicht einmal eines Blickes. „Pikachu pika?“, fragte Pikachu Ash panisch, als er ihn besorgt anschaute. „Ich bin ok“, gab Ash nur knapp von sich, biss nach wie vor die Zähne zusammen. „Was ist passiert?“ „Pikachu pi…“ Ash folgte Pikachus Handbewegung und schaute zu Misty. Diese bewegte keinen Muskel, wurde jedoch von Traumatos Psychokräften auf die Beine gehievt. Ihre Augen zeigten immer noch den Wahnsinn, von dem Ash gedacht hatte, er hätte es sich nur eingebildet. Was sagte Giovanni doch gleich? Er wollte – ein „Spiel spielen“? „Das ist ein böser Traum, nicht wahr, Pikachu? Ich wache doch sicher gleich auf…“ Pikachu merkte genau, wie Ash gerade von der Rolle war. Er wusste genau, die Schmerzen, die er gerade erlitten hatte, waren realer als die aufgehende Morgensonne. Das Einzige, was es nicht begreifen wollte, was momentan mit Misty geschah, war Ashs Unterbewusstsein. „Pikachu, Pika pi!“ Wir müssen sie da rausholen! „Glu!“ Glurak versperrte Pikachu den Weg. „Pikachu pika, Pikachu!!“ Auf Pikachus Protest hin, sie könnten nicht mehr warten, wies Glurak auf Misty hin, ebenso machte er Pikachu klar, sich genau auf Ash zu konzentrieren. Dieser konnte es immer noch nicht verstehen, was Misty da tat. Wie als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, schritt sie mit gleichmäßig ruhigen Schritten und der aufrechten Bewegung einer willenlosen Marionette auf Giovanni zu. „MISTY!“ Dieses Mal musste Glurak seinen Trainer persönlich aufhalten. Hätte er sich in jenem Moment in das Geschehen eingemischt, hätte das sein Leben gekostet. „Nein…“ Wieder konnte Ash nur fassungslos starren. Jetzt kniete sie auch noch vor ihm nieder. Was sollte das alles? „Hier bin ich“, waren ihre ersten Worte. Es war einfach unerträglich. Mistys Stimme war total verzerrt und all ihre Emotionen, die ihre Stimme sonst so einzigartig machten, waren wie weggeblasen. „Ich bin hier, um Euch zu dienen. Was begehrt Ihr von mir?“ „So ein Unsinn! Misty, wach auf!!! Lass dich nicht von ihm so behandeln!“ Permanent versuchte Ash sich von Glurak loszureißen, aber dieser beschwichtigte ihm, noch etwas zu warten. „Fühle dich geehrt, von nun an ein Teil des berühmtesten Teams in ganz Pokémon-World zu sein. Ich bin sehr stolz auf deine Entscheidung.“ Immer noch kniete Misty vor ihrem jetzigen Meister und wartete auf ihre erste Anweisung. „Nimm dies als ein Geschenk der Organisation.“ Mit diesen Worten schnipste Giovanni mit einem fetten Grinsen auf seinem Gesicht und erneut wurde Misty in die Luft gehoben. Ein starker Wind umhüllte sie, wie zuvor Ash, wirbelte ihre Kleidung wild umher, als Ash bemerkte, dass sich Misty begann, komplett zu verändern. Ihre sonst so schönen orangenen Haare wurden plötzlich von blutrot bis pechschwarz gesäumt. Sämtliche dunkle Schatten machten sich in ihrem Gesicht breit und ihr gelbes Top mit den roten Hosenträgern und der dunkelblauen Jeans wurden ersetzt durch pechschwarze Team Rocket Kleidung. Sie bekam genau wie Jesse und James ein schwarzes kurzes Oberteil mit einem großen roten unverkennbaren „R“ darauf, darunter ein weißes Top, gefolgt von weißen Handschuhen, die beim Übergabepunkt in das Schwarz rot-weiße Streifen hatten und ebenso eine schwarze Hose, die über den schwarzen Lackstiefeln dasselbe Muster am Ende die Hosenbeine zierte. Als die Umkleidung vollbracht war, ließ Traumato Misty los, so dass sie zu Boden fiel. Sie schien erneut bewusstlos, jedoch als Giovanni vor sie trat und befehlend sagte: „Erhebe dich, Team Rocket Mitglied, Misty!“, stand sie sofort langsam und atemberaubend beherrschend auf, öffnete die Augen und erwiderte mit einem ekelhaften bitterbösen Blick Giovannis schamloses Grinsen. „Das… Das kann nicht sein…“ Pikachu und Glurak merkten genau wie nahe Ash diese Verwandlungsaktion in die Adern schoss und ihn von innen heraus angriff, als wäre es das Ende einer Freundschaft, die Ash nie und nimmer hätte aufgeben wollen. Wäre Misty nicht noch vor wenigen Minuten direkt vor ihm auf dem Boden gelegen, hätte er es niemals geglaubt, dass dieses – „Monster“ dort, was sich mit Wohlhaben an Giovanni schmiss, seine Misty sein sollte. „Pika pi!!! Pikachu pi pika Pikachu!“, schrie Pikachu Ash an. Und ja verdammt, Ash wusste, dass er Recht hatte. Auch wenn in jenem Moment alles verloren schien, so durfte er nicht den Fehler machen und Misty aufgeben. – Nicht nach dem, was sie ihm gesagt hatte… „Ich möchte, dass du mir verzeihst, dass ich nie den Mut dazu hatte, dir zu sagen, was ich wirklich empfinde. Es ist mir egal, ob du mich jetzt hasst. Alles, was ich wollte, war, unsere Freundschaft nicht zu verlieren. Denn das wäre schlimmer gewesen als alles Übel dieser Welt.“ Oh ja, sie hatte Recht! Und momentan war dieses Übel Giovannis Traumato, das es gewagt hatte, Misty derartig zu verunstalten und zu entfremden, dass Ash und die anderen alles dafür tun mussten, sie zurück zu holen. Ihre Misty war da irgendwo noch. Und egal, was es kosten würde, sie würden sie da raus holen! Stolz nahm Giovanni Mistys Hand und ließ sie sich erheben. Das bitterböse und tiefe Grinsen war ihr nach wie vor ins Gesicht geschrieben, als hätte man es ihr direkt auf die Haut gebrannt. Als Giovanni Misty auf seine Tribüne steigen ließ, bemerkte er, wie Ash auf ihn zu rannte, kurz zuvor stehen blieb und abwartete. Gemächlich drehte Giovanni sich ihm zu, setzte sich auf seinen von ihm selbst benannten „Thron“ und schaute Ash einfach nur an. Als beide nichts gegenseitig erwiderten, grinste er ihn an und meinte mit seinem üblichen herablassenden Ton: „Du bist ja immer noch hier. Hatte deine Freundin nicht ihre Seele an mich verkauft, damit du und eure Pokémon frei kommt? Glaub mir, früher oder später kriege ich euch alle sowieso. Deine kleine süße Freundin ist der best Beweis dafür.“ Als Giovanni Ash bei seiner kleinen Rede so beobachtete, fiel ihm auf, dass sich nach und nach auch auf dessen Blick ein selbstsicheres Grinsen bildete. „Sie wissen doch genau so gut wie ich, dass ich ohne meine kleine süße Freundin ihre Arena keinesfalls verlassen werde, oder?“ Mit diesen Worten zuckte Giovanni kurz ein wenig überrascht mit einer Augenbraue. Worauf wollte dieser kleine Rebelle denn hinaus? „Sagten Sie nicht, wir wollten ein kleines Spiel spielen?“ Ash blickte zielsicher um sich, als seine fünf Pokémon sich neben ihm beiderseits aufbauten und einen ebenso sicheren und selbstbewussten Blick aufwiesen. Sie zeigten Bereitschaft, egal, was sie nach Ashs Frage gleich erwarten würde. „Also? Wie sind die Spielregeln?“, verschränkte Ash letztendlich seine Arme, behielt sein Grinsen bei und wartete einfach ab, wie Giovanni reagieren würde. Zuerst war es still. Dann jedoch musste Giovanni einmal herzhaft und laut lachen. „Soso, Spielregeln, hm? Du forderst mich also echt zu einem kleinen Spiel heraus? Was würdest du denn fordern, solltest du gewinnen?“ „Sollte ich gewinnen – geben Sie uns allen unsere Freiheit zurück und lassen uns zukünftig in Ruhe ziehen.“ „Und was, wenn ich gewinne?“ Ash schluckte, versuchte aber den nächsten Satz überzeugt und ohne Angst rüberzubringen. „Dann bin ich zu allem bereit.“ „Nun denn. Sagtest du nicht, du wolltest der beste Pokémontrainer der Welt werden?“ Ash grinste siegessicher. Jetzt war er in seinem Element. „Ich werde der beste und größte Pokémonmeister der Welt, darauf können Sie sich verlassen!“ Giovanni schmunzelte, rieb sich kurz nachdenklich am Kinn, als er ein knappes „Hm!“ hervorbrachte. „Und du glaubst, du kannst es mit jedem aufnehmen, was?“ „Davon können Sie ausgehen!“ Mit diesen Worten ballte Ash seine Hände zu Fäusten und so wie Pikachu stellte er die Beine etwas weiter auseinander, als hätte er im nächsten Moment damit zu rechnen, dass Giovanni Steine auf sie schmeißen würde. „Das wollte ich nur hören“, säuselte Giovanni herausfordernd und die Arena unter Ashs Füßen begann zu beben. Irritiert blickte er hinter sich und aus der Arena selbst entstand eine komplett neue. Ash kannte dieses System und zwar von der Indigo-Liga. Je nach Bewährungsprobe musste man sich einem anderen Element entgegenstellen, um später ins Finale zu gelangen. Jedoch konnte man bei Giovannis Arena nicht erkennen, welches Element nun gemeint war. Teils waren es Felsen, andererseits Wasserbereiche und sogar eine kleine Wiese, dazu etwas Sand – im Grunde genommen alle Elemente auf einem Haufen. Momentan war es Ash noch egal, was er damit bezwecken wollte, aber insgeheim machte er sich Gedanken. „Die Spielregeln“, daraufhin wandten sich Ash und seine Pokémon wieder Giovanni zu, „sind einfach. Du weißt ja wohl, was ein Pokémonkampf ist?“ Ash lief hochrot an. Niemand beleidigte sein Wissen gegenüber Pokémon und mit allem, was damit zusammen stand. „Sie Vollidiot!!! Natürlich weiß ich das!!! Ich war unter den besten 16 in der Indigo-Liga!!!“ „Ja, weiß ich“, winkte Giovanni mit einem gelangweilten Gähnen ab, „ich kenne deine Karriere in- und auswendig. Sagen wir es so – ich kenne dein ganzes Leben!“ Ash wusste, er durfte sich nicht einschüchtern lassen, aber das gab ihm dann doch zu denken. Er würde schon raus finden, was Giovanni damit meinte. „Zurück zum wichtigen Teil.“ Jetzt erhob er sich sogar. Welche Ehre für Ash! Ungeduldig rollte er mit den Augen. Er hasste es, wenn jemand solch eine Show abzog. „Wie ich sehe, hast du dein Team bereits ja gewählt.“ „Ja, und glauben Sie mir, ich werde mein ganzes Team wieder zurückholen!“, fuhr er den Team Rocket Boss an. Er hatte es satt vor diesem zu groß geratenen Typen ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Das hatte er sonst auch nicht nötig. Gemächlich schritt Giovanni an den Rand der Arena. „Drei gegen Drei. Wer zuerst zwei Gegner besiegt hat, gewinnt automatisch. Soweit verstanden?“ „Klar!“, knurrte Ash Giovanni an und hatte sich bereits auf eine der Seiten gestellt, wartete nur noch darauf, dass auch Giovanni seinen Platz einnehmen würde. Jedoch machte er nicht den Anschein, etwas dergleichen tun zu wollen. „Was ist? Haben Sie Angst, gegen mich anzutreten, oder was?“ Ash konnte es sich in jenem Moment nicht verkneifen zu übermütig zu werden und sich – wieder einmal – selbst in den Himmel zu loben. „Bin wohl zu gut für Sie, wie?!“ „Hm. Dummer Junge.“ „Was?!“ „Glaubst du echt, ich mache mir deinetwegen die Hände schmutzig? Denkst du echt, dass in der Vertania City Arena faire und legale Regeln herrschen? Für normale Trainer ja – aber nicht für solche Rebellen wie dich!“ Nach jenen Worten verschränkte Giovanni seine Arme hinter seinem Rücken. „Ich bin nur der Schiedsrichter. Dein Gegner – erwartet dich bereits.“ Damit machte er eine Handbewegung in Richtung Ashs Gegenseite und als die Scheinwerfer der Arena angingen, weiteten sich Ashs Augen geschockt. Giovannis eben neu gewonnenes Spielzeug stand dort, hatte die Beine weit auseinander und die Hände an den Hüften. Widerwärtig lachte Misty Ash entgegen, als würde sie ihn von vornherein verachten und auslachen. „Du hattest Recht. Du bist meiner nicht würdig.“ „Das kann doch nicht ihr Ernst sein“, lächelte Ash gespielt. „Sie lassen echt einen so schwachen Trainer gegen mich antreten? Sind nicht mal Mann genug, mir persönlich gegenüber zu treten? Müssen das jetzt schon Mädchen für sie erledigen?“ Erneut lachte Giovanni hemmungslos. „Oje, als Schauspieler würdest du von mir gerade noch eine gnädige fünf bekommen! Ich kann dir ansehen, wie du zitterst, weil du genau weißt, dass deine Freundin dir nicht mehr vertraut, nicht mal mehr deinen Namen weiß! Oh ja, du hast Angst, sie zu verlieren. Und du hast Angst, sie zu verletzen.“ „Was?“ Giovanni hatte Ash tatsächlich durchschaut. „Und - was meinen Preis betrifft... Solltest du verlieren…“ Seine Stimme wurde überheblich herausfordernd und unberechenbar. Unüberhörbar ließ er seine rechte Hand knacken und ballte sie zu einer Faust. „… wird Misty sterben.“ Ashs Atem stockte. Mit allem hätte er gerechnet, dass Giovanni ihn oder seine Pokémon töten würde – aber nicht DAS! Er wusste, er durfte nichts erwidern, aber sein Ego ließ es nicht anders zu. „Das können Sie nicht von mir verlangen! Hier geht es doch um MICH! Wieso ziehen Sie Misty da immer wieder mit hinein?! Ist es nur, weil sie meine beste Freundin ist? Weil sie mir immer beisteht und weil Sie wissen, dass sie mich“, er schluckte kurz, zögerte, ob er es laut aussprechen sollte… Doch dann wisperte er es doch. „… mich liebt…?“ „Tja, kleiner Ashy. Mit Misty wird alles anfangen – denn mit ihr hat alles angefangen.“ „Was? Was wollen Sie damit sagen?!“ Immer noch starrte Ash fassungslos in Giovannis Richtung. „Du hattest deine Pokémonreise noch nicht mal richtig angetreten, da stand sie vor dir. Dieses Mädchen war der erste Mensch, der dir auf deiner Reise begegnet war. Sie hatte dich aus einem Fluss geangelt, dein armseliges Leben gerettet und dir sogar eine gescheuert, weil du dein Pikachu in solche Gefahr gebracht hattest, dass es fast sterben musste. Du hast ihr Fahrrad gestohlen und geschrottet und weil du es nicht ersetzen konntest, hast du sie mit dir ziehen lassen. Am Anfang war sie nichts weiter als ein Klotz am Bein für dich, ein Hindernis dafür, alle Pokémon fangen und trainieren zu können – doch irgendwann hattest du gemerkt, dass sie viel mehr war. Sie war eine Reisegefährtin, eine Freundin, mit der man alles erreichen konnte, die immer für dich da war, immer zu dir stand. – Und bei dem plötzlichen Abschied, der euch bevorstand, hast du erfahren, dass sie dich liebt. Zuerst hattest du es ignoriert, dass dich euer Abschied schmerzte, aber irgendwann hat es dich innerlich zerrissen. Dir wurde bewusst, dass du sie mehr liebst, als dein eigenes Leben. Du wolltest sie wieder bei dir haben. Sie zurückholen!“ Ash wich ein paar Schritte zurück und schüttelte den Kopf. „Wieso – erzählen Sie mir das alles?“ „Ich hatte dir ja gesagt, dass ich dein Leben in- und auswendig kenne. Ich kenne DICH, mit allen Fehlern und Erlebnissen, die du je gemacht und überlebt hast. Wieso sollte ich dich töten, wenn es doch…“ Sein Grinsen kam wieder überdeutlich zum Vorschein, als er die letzten Worte genüsslich hauchte, „etwas viel Schlimmeres gibt als den Tod.“ „Nein…“ „Was ist jetzt? Fangen wir endlich an?“, schallte es von Misty aus herüber zu Ash, wobei dieser sie geschockt anblickte. „Und jetzt muss sie dafür gerade stehen.“ Sein fieses lautes Lachen ertönte durch die gesamte Arena, als sich Giovanni langsam umdrehte und zurück auf seine Tribüne schritt. Dort ließ er sich wieder in seinen Sessel fallen, während Jesse und James in standhafter Position links und rechts von ihm verharrten. „Glu!“ Glurak stieß Ash etwas unsanft mit der Schnauze von hinten an. Er durfte sich jetzt nicht mit dem Gedanken aufhalten, dass Mistys Leben in seinen Händen lag. Das war es doch nur, was Giovanni wollte. Ernst schaute er in seine Augen, sie begannen zu blitzen, so dass Ash sich wieder in der Realität befand. Pikachu, Schiggy, Starmie, Togepi und Glurak zeigten ihm bereitwillig, dass sie alles für ihn tun und zu ihm stehen würden. „Ihr habt Recht…“ Ash sah jeden einzeln an. Dann packte ihn sein Selbstbewusstsein am Schopf und er bekam seinen bekannten, übereifrig entschlossenen Blick. „Machen wir Team Rocket fertig!“ Die Pokémon jubelten dem zu. „Ist es in Ordnung, wenn ich mit dir beginne?“ Sein Gefährte nickte ihm zu. „Gut, also dann. Ich wähle dich, Glurak!“ Mit diesem Satz erhob sich Glurak in die Lüfte und kam in der Mitte der Arena zum Stehen. „Na, endlich. Ich dachte schon, wir würden nie zu Potte kommen“, meinte Misty hochnäsig und zuckte die Schultern. „Hier kommt mein erstes Pokémon! Garados, du bist dran!“ Aus einem pechschwarzen rot umrandeten Pokéball kam Mistys alter Bekannter zum Vorschein. Wie Glurak es erwartet hatte, wurde auch jener von Traumato kontrolliert, denn seine Augen waren genauso leer und mit Hass erfüllt wie die von Misty. „Endlich! Nach all den Jahren wird es Zeit, dir heimzuzahlen, was du mir angetan hast!“ Ash zuckte kurz zusammen. Von einem Moment auf den anderen verschwand Mistys hinterhältiges Lächeln und wie die Augen ihres Pokémons wurden ihre Augen mit Hass gefüllt und richteten sich auf Ash, so dass dieser tot umgefallen wäre, hätten Blicke töten können. „Garados, Hyperstrahl, los!“ Mit diesen Worten zögerte Garados nicht lange und griff Glurak mit seiner stärksten Attacke an, noch bevor irgendetwas anderes passieren konnte. Normalerweise benötigte Hyperstrahl einige Sekunden, um auf Hochtouren zu kommen, deswegen war Glurak auch nicht darauf gefasst, wie schnell Mistys Garados war und wurde mit voller Wucht getroffen. „Glurak! Schnell flieg hoch! Flammenwurfattacke!“ Zum Glück kannte Ash Mistys Garados schon eine ganze Weile und wusste deshalb auch, wie er in etwa vorgehen musste. Aber dass das nicht ganz zu hundert Prozent funktionieren konnte, wusste er, denn auch er hatte sofort erkannt, dass Garados nicht er selbst war. „Lock Garados aus dem Wasser!“ Während die Pokémon aufeinander losgingen, grinste Ash Misty entgegen. „Und, was ist? Willst du mir nicht langsam mal sagen, was ich dir so Schlimmes angetan habe?“ „Du…!!“ Ihre Faust zuckte bedrohlich, als er dies derartig sagte. „Du Scheusal hast meine Eltern getötet!!!“ ... Kapitel 9: Wahre Gefühle (23.04.2008 / 24.04.2008 / 25.04.2008) --------------------------------------------------------------- Kapitel 9 – Wahre Gefühle (23.04.2008 / 24.04.2008 / 25.04.2008) Ash war im ersten Moment wie erstarrt, als Misty diese Worte ausgesprochen hatte. Er wusste genau, egal, was er jetzt erwidern würde, Misty würde es permanent abstreiten. Giovanni schien sie perfekt manipuliert zu haben. Da Ash so gut wie gar nichts über Mistys Vergangenheit, geschweige denn über ihre Eltern, wusste, musste er es anders angehen. Nur wie? Vielleicht war es dennoch eine gute Gelegenheit endlich die Wahrheit über Mistys gut behütetes Geheimnis zu erfahren. Inständig hoffte er, dass die Informationen, die er dadurch gewinnen würde, wahr wären. Jetzt fehlte es ihm an guten Ideen. Egal, er musste es einfach versuchen! Zu viel stand im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Spiel. „Ach so, habe ich?“, begann er und versuchte wie Giovanni ein falsches Lächeln aufzusetzen. Momentan blieb ihm nichts anderes übrig, als die Spielregeln zu befolgen. „Und wie soll ich das bitte angestellt haben?“ „Blubbstrahl! Ziel auf die Flamme!“ Ash erschrak zutiefst, als er erblickte, dass Glurak gerade dabei war, seine Landung vorzunehmen und dadurch überhaupt nicht auf den Gegner achtete. „Flieg höher, Glurak, schnell!“ Glücklicherweise hatte Glurak durch sein vieles Training ein hohes Reaktionsvermögen erhalten und konnte sofort reagieren. Im letzten Augenblick sah er die Attacke auf sich zukommen, wich aus und konterte gleichzeitig mit einem Flammenwirbel. „Lass diese miesen Tricks!“, fuhr Ash Misty an. Auch wenn diese nicht wirklich etwas dafür konnte, konnte er diese Aggressivität in seinem Ton nicht unterdrücken. „Willst du Glurak umbringen, oder was?!“ „Als wenn du es damals anders gemacht hättest!“, gab Misty etwas zickig zurück, verschränkte die Arme und sah Ash bitterböse an. Wahrlich – wenn sich Misty an ihre Vergangenheit zurückerinnerte, hatte sie doch wieder etwas von ihrer alten Art. Vielleicht war das ja Teil einer Lösung? „Pikachu pi!“, warnte Pikachu Glurak vor, als Garados seine Attacke wiederholte. Ein wenig schien es wohl doch angegriffen zu sein. Seine Zielsicherheit ließ etwas nach und Glurak hatte die Möglichkeit wieder etwas mehr an Kraft und Geschicklichkeit aufzuholen. Ash derweil versuchte sich sowohl auf Glurak als auch Misty zu konzentrieren. „Ganz genau so hast du es damals getan! Plötzlich, hinterhältig und unberechenbar! Du hast uns nicht mal den Hauch einer Chance gelassen, um zu fliehen. Meine Schwestern und mich hast du Dreckskerl damals nur nicht erwischt, weil wir uns versteckt hatten! Arrogant und feige, DAS bist du!“ „Jetzt bleib mal locker“, gab Ash kühl von sich, wobei ihn die Geschichte innerlich aufwühlte. Er wollte gar nicht mal so genau wissen, wie ihre Eltern zu jener Zeit starben. „War ich allein oder was willst du damit sagen? Erinnerst du dich nicht an meine Komplizen?“ Inständig hoffte Ash, dass er mit seiner Vermutung Recht hatte. Woher sollte Giovanni sonst so genau über Mistys Vergangenheit bescheid gewusst haben? „Natürlich“, ein klein wenig grinste Misty, schloss kurz die Augen, fuhr dann mies kichernd fort. „Sicher hast du Recht. Wie kam ich nur auf die dumme Idee, dass du das alleine gepackt hättest? Dir Feigling hat es doch lediglich nur Spaß gemacht, daneben zu stehen und dem Gemetzel zuzusehen. Was anderes hättest du gar nicht machen können!“ Ash merkte regelrecht wie Misty Tränen herunterschluckte. Eigentlich sollte man meinen, dass Traumato sie komplett unter Kontrolle hatte – aber wieso ließ er dann Gefühle zu? Wieso verdammt konnte Misty den ganzen Schmerz noch spüren, der in ihr war? Sicherlich war das nur ein Trick, damit er meinen würde, sie wäre leichter zu besiegen, aber da täuschte sich Giovanni! „Glurak, Geowurf, jetzt!“ Als Glurak versuchte, Ashs Attacke auszuführen, bekam er von Garados eine Aquaknarre direkt auf den Rücken ab, so dass wirklich seine Schwanzspitze getroffen und er sogleich um einiges geschwächt wurde. „Glurak, nein! Ist alles ok?!“ Ash musste sich bremsen nicht zu weit in das Spielfeld vorzudringen, da er sonst disqualifiziert werden würde. Er musste gezwungen mit ansehen, wie Glurak mit dem Rücken voran auf den Boden fiel, an einem der kleinen Felsbrocken inmitten des Feldes aufstieß und sich somit einige Schrammen zu zog. Dabei schrie er kurz auf. Stur wie er jedoch war, rappelte sich Glurak sogleich wieder auf und ging mit einem schmerzerfüllten Blick ein paar Schritte auf Garados zu. „Gluuuuuuuuurak!!“, brüllte er, musste danach aber ein paar Mal laut ein- und ausatmen. „Hm, das dauert nicht mehr lange“, grinste Misty innerlich. „Garados, ein letztes Mal Hyperstrahl! Gib diesem zu groß geratenen Salamander den Rest!“ Sofort führte Garados die gewünschte Attacke aus, jedoch machten sich Ash und Glurak bereit. „Gib alles, Glurak… Ich weiß, du schaffst es!“, murmelte Ash noch kurz bis er dann fordernd schrie: „Raserei!“ Die beiden gewaltigen Attacken prallten aufeinander, als wäre es nichts. Die entstehen Luftwellen ließen die Erde beben und Ash fiel kurz gegen Starmie, weil er sich nicht komplett halten konnte. Misty dagegen war steif wie ein Fels. Sie hatte immer noch die Arme verschränkt und sah einfach nur mit einem sturen, fast schon gelangweilten Blick inmitten des Schlachtfeldes, wo sich die Staubwolke allmählich verzog. Zum Vorschein kamen beide Pokémon. Keiner wollte aufgeben. Sie schnaubten sich einfach nur an. – Bis Glurak nichts mehr durch seine verschwommenen Augen sehen konnte. Seine Flamme war zu einem zehn Zentimeter hohen Flämmchen geworden, als er plötzlich auf ein Knie fiel und anschließend unter der Last zusammen brach. Der Länge nach ließ er sich nun in die grüne Wiesenfläche des Kampffeldes in den Staub fallen und rührte sich nicht mehr. „Glurak, nein!!! Bitte sag was, steh auf! Glurak nicht!“ Ash wollte schon auf ihn zu rennen, doch Pikachu hielt ihn zurück. „Pika pi!!!“ Ash, du wirst verlieren, wenn du da jetzt rein rennst! „Nein, wir können ihn da nicht liegen lassen! Verdammt!“ „Pikachu pi, Pika pi!“ Glurak schafft das schon! Du darfst nicht aufgeben! Immer noch zerrte Pikachu permanent an Ashs Hosenbein. Er wollte doch genau so wenig, dass Glurak in dieser Verfassung dort liegen blieb, aber ohne seinen Pokéball konnte Ash seinen Freund nicht zurückholen. „Er ist verletzt! Siehst du nicht, dass er Hilfe braucht!“, flehte Ash Misty – oder besser gesagt Traumato – an, jedoch mit einem befehlerischen und verzweifelten Ton. „Er wird sterben! Bitte!!!“ „Hm, wenn du mich so sehr darum bittest“, grinste Misty hochnäsig, die Augen geschlossen und ihren Pony mit einer Kopfbewegung aus dem Gesicht streifend. „Dein Wunsch sei mir Befehl.“ Damit streckte sie eine Hand aus, direkt in Richtung Giovannis Tribüne. Anschließend warf Jesse ihr etwas zu. „Glurak“, sagte Misty gemächlich und doch beherrschend, „komm zurück!“ Mit diesen Worten richtete Misty den schwarzen Pokéball in Gluraks Richtung und holte ihn ein. „Wie – was tust du da?!“ „Oops, hat Giovanni dir vergessen eine klitzekleine Regel zu erklären?“, fragte Misty eingebildet und hielt sich gespielt verwundert eine Hand vor den Mund. „Und die wäre?!“ Allmählich wurde Ash sauer. Er knurrte Misty regelrecht an und ballte die Faust. „Verliert ein Trainer einen Teil des Kampfes, erhält der Gewinner das Pokémon des Verlierers.“ „Was?! Das kann nicht…“ Bitterböse sah Misty ihn an. „Wer gegen die Regeln protestiert oder sie nicht einhält, wird ebenfalls disqualifiziert!“ Schweigend ging Ash zurück, jedoch war er immer noch angefressen und wollte dies auf keinen Fall akzeptieren. Keine Angst, Glurak, wir holen dich da wieder raus! Das schwöre ich dir! Währenddessen nahm Misty noch einen Pokéball. Ohne, dass man es gemerkt hatte, war Garados ebenfalls zusammen gebrochen, dennoch wurde Misty automatisch zum Sieger erklärt, weil ihr Pokémon länger durchgehalten hatte. Diese Regel kannte Ash. Nur wenn die Pokémon gleichzeitig aufgaben, war es ein Unentschieden. „Jetzt bist du dran!“ Daraufhin warf Misty erneut einen Pokéball. „Los, Quaputzi!“ Zum Vorschein kam eines von Mistys Lieblingspokémon, das wie alle anderen blutrote Augen und sogar schwarze Augenringe hatte. Zum Kampf bereit schlug es eine Faust in die andere flache Hand. „Gut, dann wähle ich Schiggy!“ „Schiggy!“ Das flinke Wasserpokémon sprang vor seinen Trainer. „Da machen wir doch nicht lange weiter herum! Schiggy, Aquaknarre Quaputzi, jetzt!“ „Quaputzi, schütze dich.“ Sofort legte Quaputzi seine Arme vor seinen Kopf und blockte die Attacke so gut es ging ab. „Blubberattacke!“ „Schädelwumme!“ Geschickt wie Schiggy war, wich es den attackierenden Händen von Quaputzi aus und traf es direkt in den Bauch. Mit dieser Wucht landete es im nächstgelegenen Schlammfeld. „Sehr gut!“, gab Ash von sich und machte einen kurzen Satz, begann danach sofort aber wieder sich zu konzentrieren. „Quaputzi, nimm etwas Schlamm und benutze Aquaknarre!“ Mit diesen Worten schleuderte Quaputzi diese in Richtung Schiggys Gesicht. Ash wusste, sie versuchte dessen Sicht zu versperren, um ihn wehrlos zu machen. „Panzerschutz“, schnell zog sich Schiggy in seinen Panzer zurück, „und Hydropumpe!“ Anschließend drehte er sich so schnell es ging um seine eigene Achse und bespritzte das überraschte Quaputzi im Schlamm mit einer gewaltigen Masse an Wasser. Nur mit Kraft sind diese Pokémon nicht zu schlagen, dachte Ash angestrengt. Wir müssen also etwas anderes versuchen. „Schiggy, komm zu mir!“ Zuerst stutzte Schiggy kurz, ging dann aber in Richtung Ash, bis dieser ihn beschwichtigte, stehen zu bleiben und sich umzudrehen. Was hat er vor?, dachte Misty kurz, ließ dann aber Quaputzi erneut angreifen. „Megahieb!“ Perfekt! „Schiggy, noch mal Schädelwumme!“ Als die beiden Pokémon aneinander gerieten, hatte Schiggy einen derartigen Schwung, dass er Quaputzi aus dem Ring schleuderte. „Sehr gut!!! Du hast es geschafft, Schiggy!“, jubelte Ash. „Freu dich nicht zu früh!“, grummelte Misty vor sich hin. „Quaputzi, Megahi…!“ „Blubbstrahl!“ Ash hatte so etwas schon geahnt. Selber durfte er nicht schummeln, aber Giovanni hatte ihn ja vorgewarnt, dass ‚es für ihn in dieser Arena keine legalen Regeln gibt’. Mit jener Attacke zwang Schiggy Quaputzi nun doch in die Knie. „Gib endlich auf. Ich hab gewonnen!“, grinste ihr Ash frech entgegen und deutete auf sein Gesicht. „GRRR!“ Misty wurde kurz hochrot im Kopf, rief dann ihr Quaputzi zurück. „Hier fang!“ Mit jenen Worten schmiss sie Ash Quaputzis Pokéball entgegen. Schnell fing Ash ihn auf. „Ärgere dich nicht zu sehr, Misty. Sobald du wieder normal bist, bekommst du ihn zurück.“ „Was redest du da für einen Schwachsinn?! Ich BIN normal!“ „Ts“, winkte Ash ab. „Mir ist schon klar, dass du das nicht merkst.“ „WAS?!“ Genau das wollte Ash erreichen. Je mehr er versuchen würde, Misty Gefühle zeigen zu lassen, desto leichter könnte er vielleicht Traumato verwirren. Es konnte sogar gut sein, dass Traumato Mistys Temperament nicht lange Stand halten konnte und das wäre seine Chance! „Du hast doch vorhin selbst gesagt, dass jemand wie ich nie im Stande wäre, jemand anderes zu töten, ich würde nur gerne dabei zusehen. Ist dir schon mal aufgefallen, dass dein Meister Giovanni sämtliche Lakaien um sich hat?“ „Was willst du damit sagen? Und überhaupt: Wer hat dir erlaubt, mich so unverschämt bei meinem Namen zu nennen! Du bist der Mörder meiner Eltern und… Wieso rede ich eigentlich mit dir?!“ Wieder ließ Misty ein lautes Knurren von sich, dann griff sie an ihren Gürtel. „Ich warne dich, spiele nicht mit mir! Ich lasse mir das nicht länger gefallen!“ „Der Einzige“, unterbrach Ash sie, die Ruhe selbst, „der hier Spiele mit dir spielt, ist Giovanni. Hast du ihm vorher nicht zugehört?“ „Natürlich, jedes einzelne Wort!“ „Und es ist dir ganz egal, dass, wenn ich verliere, er dich umbringen lässt?“ Plötzlich zuckte Misty zusammen. Worauf wollte dieser Typ jetzt schon wieder hinaus? Ash lächelte sanft. „Glaubst du wirklich, ich würde mir hier solche Mühe geben, wenn ich wüsste, dass ich keinen Finger krumm machen müsste, um dich los zu werden? Wenn ich dich wirklich töten wollen würde“, nun sah er sie direkt und mit ehrlichen Augen an. „… würde ich es dann zulassen, dass dieser Typ dich umbringt?“ „Ich…“ Misty wurde noch ein wenig kleiner. Ash meinte sogar, er hätte kurzzeitig einen grün-blauen Schimmer in ihren Augen entdeckt. „Glaub mir, ich würde alles tun, damit du wieder bei mir bist… damit wir wieder zusammen sein können… und damit du mir verzeihen kannst.“ „Verzeihen? – W-Was verzeihen?“ Langsam senkte Ash den Kopf. „Die Dinge, die ich wirklich getan habe.“ Und damit erhob er ihn wieder und schaute Misty ruhig und geduldig an. „Ich wollte dich nicht verletzen.“ Mit einem Mal durchzuckte etwas Mistys Körper. Sie fiel kurz ein paar Schritte vorwärts und glühte wieder stärker in grellem Blau auf. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, sie machte sich kurz etwas kleiner, doch breitete sie anschließend ihre Arme weit aus und ließ einen Schrei los. „Schweig endlich STILL!!!“ Daraufhin feuerte sie regelrecht aus ihren Händen eine Art Psystrahl und zwang Ash auf der gegenüberliegenden Seite kurzzeitig in die Knie. Schwer atmete Misty ein paar Mal ein und aus, bis sie erneut anfing, Ash anzuschreien. „Gar nichts weißt du! Du lügst doch nur, wenn du den Mund aufmachst! Ich fall darauf nicht rein, nicht noch einmal! Vergiss es!!!“ „Glaub… was du willst…“ Ash hatte Schwierigkeiten nach diesem Angriff wieder Kontrolle über seinen Körper zu erhalten und versuchte alles, um sofort wieder aufzustehen. „Ich werde dich trotzdem nicht aufgeben! Du kannst mich nicht täuschen. Irgendwo in dir ist noch der Mensch, der mir mehr bedeutet, als sie es sich wahrscheinlich vorstellen kann und ich werde keine Ruhe geben, bis du endlich die Wahrheit kennst und akzeptierst!“ „Quatsch so viel du willst! Ich hör mir das nicht länger an! Kämpfe endlich! Du hast doch nur Angst zu verlieren! Mich wirst du niemals schlagen, auf keinen Fall!“ „Ich würde das auch nicht wollen“, keuchte Ash weiter, hielt eine Hand an seinen Bauch, der höllisch schmerzte. Misty hatte ihm eine größere Brandwunde verpasst, als er vielleicht selbst realisiert hatte. Nie hätte er gedacht, dass Traumato nicht nur Mistys Körper übernehmen, sondern sogar seine Attacken durch sie weitergeben und verstärken könnte. „… wenn davon nicht dein Leben abhinge. Egal, was du momentan von mir denkst… Ich lasse dich nicht sterben!“ Plötzlich begann Misty leise zu kichern, zeigte anschließend ihre Zähne und musste danach so schamlos wie noch nie lachen. Der Zeitpunkt war gekommen, wo Ash einsehen musste, dass Traumato Misty wieder komplett unter seiner Willenskraft hatte. Die Augen waren wieder blutrot, leer – und mit ihr war absolut nicht mehr zu reden. Sie nahm nichts mehr so wahr wie er es eigentlich gewollt hätte. „Es wäre für dich besser, du würdest aufgeben, daran zu glauben, dass ich dich gewinnen lasse, nur weil du denkst, du könntest mir mit dieser Aussage Angst machen! Nicht ich werde sterben, mein Lieber, sondern du! – Und dabei helfe ich dir doch wirklich gerne.“ Den letzten Satz ließ sie mit einer Art Hexenlache von sich, die an den Wänden der Arena in verschiedenen Tönen abprallten und in noch schrilleren Reflektionen zurückkamen. Ab sofort war nicht mehr mit ihr zu spaßen. Sie schien ihre Vergangenheit komplett abgelegt zu haben und war nur noch auf eines programmiert: Ash nicht nur in dem Kampf zu besiegen – sondern ihn auch umzubringen. „Und jetzt – mach dich auf deinen Untergang gefasst! Ich brauche dich nicht, verstehst du?! Ich brauche nur mich und Team Rocket! Endlich bin ich so, wie ich es immer wollte! Unverletzlich, stark und unbesiegbar! Keines meiner Pokémon ist mehr ein Schwächling und ich habe alle Macht, die ich brauche, um die größte Wasser-Pokémontrainerin aller Zeiten zu werden! Du stehst mir dabei nur im Weg!“ Mit diesen Worten stellte sie sich in Kampfposition, löste einen Pokéball von ihrem Gürtel und wäre wohl darin kein Pokémon gewesen, hätte sie ihn aus lauter Wut in ihrer Hand zerquetscht. „Und bekanntlich soll man Probleme, die einem im Weg stehen, aus der Welt räumen!“ Zuerst war Ash starr wie ein Fels. Er verstand nicht, wieso Misty plötzlich wieder eine totale Verwandlung durchlebte. Er wusste genau, egal, was Misty im Moment sagte, durfte er keinesfalls ernst nehmen. Und doch schmerzten ihn diese Worte. Er stand ihr im Weg? Er war – ein ‚Problem’? Auf einmal ließ er langsam den Kopf sinken. Gespielt lächelte er dabei, versuchte es so gut wie möglich zu überspielen, wie sein Herz momentan schmerzte. Er durfte auf dieses Geschwätz nicht reinfallen, er durfte Glurak nicht im Stich lassen – und er durfte nicht aufgeben, an der Hoffnung fest zu halten, Misty wieder aus diesem Schlammassel heraus zu holen. Beruhigend legte er eine Hand auf seine Brust, fühlte seinen Herzschlag, als er sagte: „So ist das also… Ich bin also dein Problem.“ Dann musste er kurz ungewollt kichern. „Als wenn ich das nicht schon längst wüsste.“ „Wurde auch Zeit, dass du mal aufwachst. Glaubst du echt im Ernst, jemand, der mir alles, was ich je geliebt habe, genommen hat, könnte mir etwas bedeuten?! Alles was ich will, ist Rache, Rache an DIR!“ Jetzt musste Ash fast schon Lachtränen weinen. „Oje, Misty! Alles, was du je geliebt hast, ist hier!“ Kurz wischte er mit der Hand sich einmal quer durchs Gesicht. Anschließend ließ er schlaff seine Hände auf die Seite fallen. Pikachu sah Togepi und Starmie, dann aber vor allem seinen besten Freund total irritiert und verzweifelt an. War er jetzt völlig verrückt geworden? Hatten Traumato und Misty ihm jetzt endgültig den Verstand geraubt? Wieso lachte er darüber?! Wieso ließ er das alles über sich ergehen, vergaß sogar den gesamten Pokémonkampf, einer, der vielleicht der Wichtigste in seinem ganzen Leben sein würde? War ihm denn nicht mehr bewusst, was er gerade tat? Was er damit anrichtete, wenn er nicht konzentriert bleiben würde? „Hör gefälligst auf zu lachen!!! Mach dich nicht über mich lustig! Du spinnst ja total! Niemals würde ich…“ Misty wusste selbst nicht, was sie in jenem Moment dazu brachte, dass sie vergaß, was sie sagen wollte. Sie begriff überhaupt nicht, was gerade passierte. Ash, der eben noch total ausgelassen und sicher war, sackte plötzlich zusammen. „Hey, ich rede mit dir, du Heulsuse!“ In der Tat. Ash weinte. Aus seinen Lachtränen waren echte geworden und er konnte einfach nicht aufhören. „Steh auf und kämpfe wie ein Mann! Oder hast du vergessen wie es ist einer zu sein?“ Erneut grinste Misty, aber es war unsicherer. Irgendetwas hinderte sie erneut daran, die böse, unberechenbare Person zu sein, die ihr vorgegaukelt wurde, dass sie es war. „Verdammt, ich mach dich fertig!!!“ „Wie konnte ich das nur zulassen…“ „Hh?!“ Noch einmal brachte Ash Misty dazu, zu stutzen und erneut vergaß sie, ihr Pokémon aus dem Pokéball zu rufen. „Wieso habe ich es nie bemerkt?“ „Red keinen Stuss! Los, lass es uns zu Ende bringen!“ „Ich… ich kann nicht…“, murmelte Ash. „Was?!“ Misty taumelte einen Schritt zurück, behielt aber ihren bitterbösen Blick und ihre auffordernde Haltung bei. „Ich lasse nicht zu, dass man dich mir wegnimmt! Du bist nicht irgendwer!“, schrie Ash Misty entgegen, als er aufsah und unter den Tränen sich ein verzweifeltes und doch entschlossenes Gesicht bildete. „Quatsch nicht! Rede nicht so einen Unsinn! Ich bin dir völlig egal! Du willst mich doch nur loswerden! Ich fall auf deine miesen Tricks nicht mehr rein!“ „Es tut mir leid, dass du so von mir denken musst…“ Allmählich rappelte Ash sich wieder auf. Er wusste, er musste es tun. Wenn er aufgeben würde, würde er automatisch Mistys Schicksal besiegeln und auch das all seiner Freunde. Er wusste, es gab hier kein Zurück mehr. Der letzte Kampf würde entscheiden. „Aber ich werde es wieder gut machen.“ Nach jenem Satz riss Ash seine Augen auf, stellte sich ebenso in Kampfposition und zeigte auf das Kampffeld. „Ihr seid meine letzte Hoffnung! Meine besten Freunde! Pikachu und ich werden dir zeigen, wer du wirklich bist, Misty aus Azuria City!“ Pikachu machte einen Satz an Ashs Arm vorbei und kam auf dem Arenaplatz zum Stehen. „Pikachu pi!“ „Na endlich“, grinste Misty nun wieder sicher und selbstbewusst. „Wäre das nicht auch ohne dieses Theater gegangen? Hier kommt mein bestes Pokémon! – Und es wird dich in den Boden rammen!“ Ash wusste nicht, was auf ihn warten würde. Pikachu und er hatten zu jenem Zeitpunkt noch keine Ahnung, von welchem Pokémon Misty sprach. Ihr stärkstes Pokémon war seit je her eigentlich Garados gewesen. Als das grelle Licht des Pokéballs Mistys Befehl nachgab, nahm Misty ihn wieder an sich, steckte ihn weg und sprach, ohne dass man das Pokémon auch nur ansatzweise gesehen hatte, ihre erste Attacke aus. „Psychokinese!“ Sogleich wurde Pikachu von einer grellblauen Aura getroffen und in die Luft gehoben, so dass seine normalen Attacken in dem Überraschungsmoment die Kraft verloren. „Cha!“, schrie er kurz erschrocken auf, obwohl ihm noch nicht wirklich etwas passiert war. Allein die Tatsache, dass er sofort angegriffen wurde, ohne seinen Gegner zu kennen, machte ihn ganz und gar unsicher. „Pikachu!! Sei vorsichtig!“, rief ihm Ash genau so perplex entgegen und fühlte, wie er panische Angst bekam. Zuerst dachte er schon, dass nun auch Pikachu unter Traumatos Kontrolle war, jedoch… „Was?! Das gibt’s nicht!“ „Pikaaa!!!“, gab auch Pikachu total irritiert von sich, als sich endlich das grelle Licht komplett von dem gegnerischen Pokémon löste und es zu erkennen gab. Dort stand wirklich Enton! Mistys sonst so trotteliges und untrainiertes Pokémon, was normalerweise nur durch Kopfschmerzen und Zufälle seiner Trainerin gehorchte und verstand, was sie von ihm wollte. Allerdings war er ganz anders. Nicht nur, dass er nun ein unglaublich schnelles Reaktionsvermögen hatte, er hatte auch eine gewaltige Kraft in sich, ebenso schien er voraus sehen zu können, was Ash und Pikachu vorhatten, denn er begriff sofort, dass Pikachu als erstes eine Agilität-Attacke anwenden wollte. „Pi-ka-chu!“ Stur machte Pikachu sich immer mehr daran, sich aus Entons Psykraft zu befreien. Zuerst versuchte er es mit Gezappel und kleinen Donnerblitzen. „Nein, Pikachu! Verschwende nicht deine Energie!“, warnte ihn Ash. „Das wollen sie doch nur erreichen.“ Misty lachte laut und unbeherrscht. „Siehst du? Ich habe nicht zu viel versprochen! Jedes meiner Pokémon ist absolut robust, stark und gehorchend! Nichts kann sie aufhalten. Und Enton könnte deine kleine Ratte mit einem kleinen Handgriff in der Luft zerquetschen.“ „Eeen…“, gab Enton in totaler Konzentration von sich. Man konnte sehen, wie er seine aufrechte Hand immer mehr begann, zu einer Faust zu falten, worauf Pikachu immer mehr Schmerzen durchzuckten und er Atemprobleme bekam. „Na, kleine Kostprobe gefällig?“ „Pikachu…“ Was soll ich tun? Schweißperlen rannen Ashs Stirn herunter. Er war zu besorgt um seinen kleinen Freund, als dass er groß hätte schreien und rumzappeln können. Sein ganzer Körper zitterte und er hatte Angst unter dieser Last zusammen zu brechen. Es ist alles meine Schuld! Ich werde alle in den sicheren Tod führen! Verdammt, ich habe keine Kraft mehr! „Hör auf!! Stopp diesen Wahnsinn, bitte!!!“ „Noch einen Schritt weiter und ich werde deinen kleinen Freund zerfetzen!“, keifte Misty ihn mit blitzenden bitterbösen Augen an und einem derartig dunklen Gesicht, dass es Ash durch Mark und Bein fuhr. „Nie hätte ich gedacht, dass du sogar einmal fähig wärst, mit unfairen Mitteln deine Gegner zu besiegen!“ Mistys Gesicht verdunkelte sich immer mehr. Durch ihre Wut, die durch Ashs Worte in ihr aufkamen, fing sie wieder an zu knurren. „Unfaire Mittel?!“, damit machte sie eine Handbewegung, die Enton dazu brachte, Pikachu auf der Stelle hart auf dem Boden aufschlagen zu lassen. „Niemand beleidigt mich so! Ich kämpfe immer fair! Was glaubst du eigentlich, wen du vor dir hast?“ Erleichtert seufzte Ash kurz, als er sah, dass Pikachu trotz des Griffs unverletzt geblieben war und sich nun gleich wieder mit einem Kopfschütteln und entschlossenem Blick auf die Beine hievte. „Das weiß ich ganz genau.“ „Wenn du den Mut dazu hast, dann sag es mir hier und jetzt ins Gesicht!“, forderte Misty mit ballender Faust, während sich in ihrer anderen Hand wieder eine gewaltige Ansammlung von Psywellen nieder ließ. Ash ließ sich kurz Zeit, schaute Misty ernst und doch ruhig in die Augen bis er antwortete: „Die beste Wasser-Pokémontrainerin, die ich kenne.“ Daraufhin stutzte Misty wie so oft in dieser Stunde und ihre verfinsterte Miene wurde zu einer mehr als nur verwunderten. „Allerdings sehe ich sie nur tief in deinem Innern. Momentan bist du eine willenlose Kampfmaschine, die alles tut, um ihr Ziel zu erreichen, aber ganz bestimmt nicht, um fair zu gewinnen!“ „Du mieser, kleiner…!“ „Nein. Du bist niemals Misty. Du magst vielleicht so aussehen – aber aus deinem Mund spricht Giovannis Stimme. Meine Misty würde niemals ein Pokémon des Gegners nach dessen Verlieren anfordern, geschweige denn es versuchen zu töten! Das ist einfach nur widerlich, abstoßend und verstößt gegen alle Regeln sämtlicher Pokémonkampfregeln! Ich verachte dich dafür!“ „Du – wagst es meinen Meister derartig zu beleidigen?!“ „Siehst du?!“ Gezielt starrte Ash sie an. „Du gibst es ja selbst schon zu! Ich habe nicht ihn beleidigt, sondern dich, aber du hast sofort gemerkt, dass ich es mehr zu ihm gesagt habe! Du weißt tief in deinem Innern, wer du bist!“ Daraufhin wurde er kurz lockerer, atmete einmal kurz tief ein. Dann sah er sie entschlossen an. „Und du weißt ganz genau, wer ich bin.“ „Ja, du Mörder!“ „Misty… Du weißt ganz genau, wer ich wirklich bin.“ Kurz hielt Misty sich den Kopf. Sie wollte das nicht hören! Seine Worte lösten in ihr einen Konflikt aus, den sie nicht wusste, wie bewältigen und schon gar nicht, warum sie plötzlich das Gefühl hatte, nicht in einem Pokémonkampf zu kämpfen, sondern gegen sich selbst einen Kampf auszutragen. „Halt den Mund…“ „Du erinnerst dich. Du weißt, was wirklich war, als wir uns das erste Mal getroffen haben.“ „Sei still…“ „Als du mich kennen gelernt hast.“ „Lass mich in Ruhe…“ „In deiner Erinnerung bin ich jemand ganz anderes. Und das weißt du.“ „Lass mich endlich in Ruhe!“ „Das werde ich erst tun, wenn du mir zuhörst und endlich damit aufhörst zu glauben, ich sei ein Lügner und Mörder!“ „Ich will das nicht hören!“ Immer und immer wieder schüttelte sie ihren rot-schwarzen Haarschopf und immer wieder schrie sie ihn an. „Und ich weiß genau, wer du bist! Egal, was du sagst, ich weiß, wie du zu mir stehst und ich weiß, was du für mich empfindest!“ „Egal, was du denkst, ich will es nicht hören! Ich habe das niemals gesagt! Du lügst! Du lügst immer mehr!“ Je mehr Ash und Misty sich gegenseitig auseinander setzten, desto mehr begann Giovanni Traumato Befehle zu geben. „Mach dich bereit. Es wird nicht mehr lange dauern, dann machen wir dem ein Ende.“ Daraufhin nickte Traumato. Ganz langsam ließ er Misty etwas mehr Spiel, worauf sich ihre Gedanken immer mehr im Kreis drehten und sie überhaupt nicht mehr durchschauen konnte, was wahr und falsch war. Das ging soweit, dass sie anfing, ins Taumeln zu geraten und sogar letztendlich auf die Knie zu sacken. „Enton!“, kreischte sie plötzlich drauf los, immer noch verwirrt und verzweifelt den Schopf schüttelnd. „Sorge dafür, dass dieser Trainer den Mund hält! FÜR IMMER! Psystrahl los, sofort!!!“ „Pikachu, jetzt!!!“ Noch im selben Moment deutete Ash auf einen Punkt, den Pikachu schon die ganze Zeit im Visier hatte. Während Enton statt Pikachu Ash angriff, sprang das Elektropokémon hoch in die Luft. Durch den entstehenden Donnerblitz wurde die gesamte Arena in ein Blitzgewitter getaucht und der Mittelpunkt dieser Kraft konzentrierte sich auf einen einzigen Punkt. „Traaaaaaaaaaaum!!!“ Mit voller Wucht krachte sämtliche Energie aus Pikachus Körper mit der von Traumato zusammen. „WAAAAAAAH!!!“ Erschrocken riss Ash die Augen auf. Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte zwar geplant, zusammen mit Pikachu Traumato anzugreifen, aber er hatte keine Ahnung, dass Misty alles genau so schlimm abbekommen würde, wie als wäre sie es, die da angegriffen werden würde. Giovanni grinste schamlos. „Du Narr. Damit hast du dein Schicksal selbst besiegelt.“ Ash, immer noch etwas benommen von der Attacke, die er von Enton abbekommen hatte, starrte mit jenen Worten mit verschwommenem Blick auf die Tribüne, auf der Giovanni und Team Rocket standen. „Was…?“, gab er nur irritiert von sich, schüttelte kurz den Kopf. „Du willst der größte Pokémonmeister aller Zeiten werden, aber hast keine Ahnung, was für spezielle Fähigkeiten ein Traumato hat?“ „Was – soll das heißen?“ Allmählich bekam Ash seine Sinne wieder zusammen und wartete mit unruhigem Atem auf das, was Giovanni ihm gleich sagen würde. „Sieh dir genau an, was du da gerade angerichtet hast.“ Damit deutete er auf Misty, die kurz aufstand und dann mit geschlossenen Augen kurzzeitig zu Boden fiel. „Misty! Was hast du?!“ Immer wieder schrie Ash zu ihr herüber, aber es passierte nichts. Wieso stand sie nicht wieder auf? „Was haben Sie ihr angetan?! Was sollte das?!“ „Das hast du auf dein eigenes Konto zu schreiben! Du bist quasi für ihren Zustand verantwortlich. Darüber würde ich mir Gedanken machen.“ „Ich verstehe nicht…“ Verzweifelt wich Ash ein paar Schritte zurück. Man sah ihm immer mehr an wie er innerlich allmählich kleiner wurde. „Traumato ist ein Pokémon, das Psykraft verwendet. Trainiert man eines so, dass es sich komplett in das Traumzentrum eines jeden Lebewesens schleichen kann, erzielt man, dass es die gesamte Kontrolle über dessen Bewusstsein und Körper erhält.“ Kurz machte Giovanni eine Pause. Pikachu, das sich ebenfalls dazu bereit erklärt hatte, diesem zuzuhören, machte erstarrt ein paar Schritte rückwärts, Ash entgegen, ließ dabei aber Giovanni nicht aus den Augen. Irgendetwas sagte ihm, dass er es nicht hören wollte, was Giovanni gleich von sich geben würde. „Die Geschichte geht so lange gut, wie Traumato sich selbst, aus eigener Kraft dazu bereit erklärt, sich wieder von dem Lebewesen zu lösen. Sollte er aber aus Zwang aus seiner Konzentration gerissen werden, hat das für das kontrollierte Wesen böse Konsequenzen.“ Ash schluckte. Er hoffte inständig, dass Giovanni jetzt nicht das aussprechen würde, was er befürchtete. „Nein…“, entglitt es ihm nur kurz schwach von seinen Lippen, während sein Blick geschockt und die Augen weit aufgerissen immer noch auf Giovannis Visage verharrte. „Während seiner Kontrolle frisst Traumato immer mehr die Träume seines Opfers bis dieses anschließend all seine Wünsche und Hoffnungen, die in den Träumen verborgen waren, aufgibt und sich ihm voll und ganz hingibt, es ihm völlig und widerstandslos dient.“ Während Giovanni das alles erzählte, kam Traumato allmählich wieder zu sich, schüttelte seinen Kopf und begann erneut, sich zu konzentrieren. „Wird ein Traumato innerhalb dieser Zeit gedanklich von dem Lebewesen getrennt, verliert es somit den letzten Halt, den es eigentlich durch Traumato erhalten hat. Wie du vielleicht weißt, ist ein Mensch ohne Träume wie eine leere Hülle…“ Immer mehr begann sich auf Giovannis Gesicht ein Grinsen zu bilden. „Du weißt ganz genau, was das heißt, habe ich Recht, Ash?“ „Misty!!“ Ohne an irgendetwas anderes zu denken, rannte Ash quer über das Kampffeld, über alle Hürden, jeden Stein bis er auf der anderen Seite angekommen war. Das kann nicht sein! Das darf einfach nicht sein!!! Abrupt ließ er sich vor Misty auf die Knie fallen, hob ihren Körper sanft auf, so dass sie sich auf seinem Schoß abstützen konnte. Sanft nahm Ash ihren Kopf in seinen einen Arm, mit dem anderen stützte er ihren Oberkörper. „Nein…“ „Ganz Recht“, stimmte Giovanni zu, den Kopf weiter erhebend. „Misty, bitte… Sag mir, dass das nicht wahr ist… Das kann nicht sein…“ Immer wieder rüttelte er an ihr, sah ihr dabei ins Gesicht, hoffte, bangte darum, dass sie ein Lebenszeichen von sich gab. „Tu mir das bitte nicht an!!“, flehte er sie still und doch bettelnd an. „Menschen ohne Träume sind wie eine leere Hülle. Ohne Träume können sie nicht überleben. Sie sterben.“ Fassungslos schallten diese Worte durch Ashs und Pikachus Ohren, durchzuckten ihre Körper und gaben ihnen ein Stechen in ihre Glieder, das sie nicht mehr kontrollieren konnten. „MISTY NEIIIIIIIN!!!!!!“ „PIKACHU PIIIIII!!!!“ Verzweifelt rüttelte Ash weiter an Misty, immer stärker bis er nichts anderes mehr wusste, als sein Gesicht in ihrer Schulter zu vergraben und sie fest an sich zu drücken. Pikachu jedoch wusste nicht mehr, wohin mit seiner Wut und Trauer und ließ Ashs Schmerz in sich übergehen. Er bildete um sich herum eine starke Aura, die gewaltige Donnerblitze aus seinem Körper strahlen ließ, die sogar Giovanni das Grinsen aus seinem Gesicht nahmen, so dass er geschockt schaute und sich die Hände vor das Gesicht hielt. Seine Augen begannen zu brennen und seine beiden Psychopokémon wurden derartig verwirrt, dass sie aufhörten ihre Bannkreise aus Psywellen weiter in Takt zu halten. In jenem Moment geschah etwas, mit dem keiner zuvor gerechnet hatte: Sämtliche grell-weiße Lichter erhellten die Arena und genauso viele unterschiedliche Pokémonstimmen waren in jener Sekunde zu hören. Keiner hatte bemerkt, dass Togepi durch seinen ganzen Schmerz um seine „Mom“ die gesamte Psychoenergie in sich aufgenommen und zu einer vereint hatte, so dass alle Pokémon von Ash und Misty aus Giovannis Fängen befreit und aus den Pokébällen gelassen wurden. Nun standen sie da, mit bitterbösen Blicken zu Giovanni, der immer noch mit seinen Augen zu kämpfen hatte. Sogar Jesse, James und Mauzi rieben sie sich und begriffen im ersten Moment gar nicht, was vor sich ging, geschweige denn wo sie waren und warum sie andere Klamotten trugen. Jedoch hatten sie kaum Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, denn wären sie nicht sofort von der Stelle verschwunden, wo sie zu jener Zeit standen, hätte sie das vielleicht ihr Leben gekostet. Togepi schloss zu Pikachu auf. Beide waren in einem Tränenmeer, das alle anderen Pokémon dazu brachte nicht lange zu brauchen, um zu begreifen, was sie jetzt zu tun hatten. Sogar Glurak, der mit Garados, Schiggy und Quaputzi eben noch total erschöpft und angegriffen von dem Kampf war, stand wieder mit lodernder Flamme und neuer Energie durch die Wut, die sich in ihnen allen gestaut hatte, erneut auf dem Kampffeld. Ash jedoch vernahm nichts von all dem. Immer noch vergrub er sein Gesicht tief in Mistys Schulter, zitterte und drückte sie immer mehr an sich. Seine Tränen konnte er nicht zurück halten, obwohl er inständig hoffte, noch eine Chance zu haben, Misty zurück zu holen. Er würde alles dafür tun, da war er sich sicher! „Misty, du darfst nicht gehen! Nicht jetzt! Du weißt, dass wir dich…“ Kurz schluchzte er, „… dass ich dich brauche! Bitte – lass mich nicht allein! Ich flehe dich an!“ Total fertig sah er auf, keuchte unter seinem Tränenfluss und blickte in ihr Gesicht. Mit zitternder Hand streichelte er ihr kurz über die Wange, ließ sie dann zögernd aufliegen. Sie war eiskalt. Nie hätten es die Pokémon gewollt, jemanden anzugreifen, ohne den Befehl ihrer Trainer vernommen zu haben, doch diese Situation war eine Ausnahme, die nur alle zu ungern wahrnehmen mussten. Die Schmerzen, die ihnen und ihren Trainern zugefügt worden waren, ließen sie wohl plötzlich instinktiv so handeln und ob es nun falsch oder richtig war, so wussten sie doch, was sie zu tun hatten. „Pika, pika!!!“ Pikachu hielt die Pfote hoch und gleichzeitig forderte er zusammen mit Togepi unter Tränen die jeweils stärkste Attacke jedes von Ashs und Mistys Pokémon zum Angriff auf. „Traumato – Pantimos! Los, Konterattacke!“, befahl Giovanni, doch weil in seiner Stimme Zweifel waren, versuchte er dennoch etwas gegen den bevorstehenden Angriff zu tun. Die Verwirrtheit, die aber nach wie vor in den beiden Psychopokémon herrschte und sich Snobilikat schon wohlweißlich aus dem Staub gemacht hatte, hinderten sie daran, rechtzeitig und vollkommen zu reagieren. Innerhalb weniger Sekunden ließen die Pokémon der beiden Trainer Giovanni und sein Team in einen kurzen bewusstlosen Scheinschlaf fallen. „James?“, fragte Jesse ängstlich, nachdem sie sich mit ihrem Partner in eine der Ecken der Arena verkrochen und diesen mehr als ungewöhnlichen Kampf beobachtet hatten. „Was geht hier vor?“ Etwas lehnte sie sich an ihn, krallte sich an seinen Arm. „Ich weiß es nicht, Jesse. Aber ich möchte es ehrlich gesagt auch gar nicht so genau wissen… Hm?“ Kurz hielt sich James eine Hand über die Stirn, machte kleine Augen und deutete auf eine Seite des Arena-Kampffeldes. „Sag mal, sind das nicht die Knirpse?“ „Was?“ Nun wandte auch Jesse ihren Kopf in James Richtung, in die er sah. Kurz stutzte sie. „Ja, du hast Recht! – Meinst du, sie sind verletzt?“ „Es gibt nur einen Weg, das raus zu finden! Los, komm mit.“ Ohne lang zu überlegen, packte James Jesses Handgelenk und zog sie vorsichtig an der Wand der Arena entlang durch das Schlachtfeld. „Was hast du vor?“ Jesse war regelrecht benommen. Immer noch hatte sie keinen Durchblick, während James das fast egal schien. „Und wo ist Mauzi?“ „Ihm wird’s schon gut gehen! Ich weiß nur, dass wir helfen müssen!“ „Aber, du weißt doch gar nicht…“ Mit diesen Worten hielt James inne und drehte sich zu Jesse um, packte sie sanft an den Schultern und sah ihr tief in die Augen. „Ich habe es satt, Giovannis Sklave zu sein und alle um mich herum zu verletzen! Es reicht, findest du nicht?“ Im Moment konnte Jesse nichts erwidern. Nur verwundert sah sie ihren Teamkollegen an. „Die Knirpse haben uns schon so oft geholfen! Egal, was hier passiert ist, wir sind es ihnen schuldig, ihnen zu helfen. Ich hab’s satt deren Feind zu sein! Sie sind viel zu nett dafür. Außerdem sind mir diese miesen Fassaden von Team Rocket schon lange zu wider. Ich möchte endlich raus, wieder frei sein!“ Kurz wartete James, dann sah er Jesse mit einer Art Bettelblick an, suchte ihr Verständnis. „Also was ist, bist du dabei?“ Nach kurzer Zeit des Schweigens musste Jesse nun doch den Kopf schütteln, sanft lächeln und meinte letztendlich: „Du hast Recht! Giovanni wird uns nicht länger unterdrücken! Tun wir einmal in unserem Leben das Richtige.“ Daraufhin lächelte James erleichtert, nahm noch einmal Jesses Hand und führte sie mit deren Willen erneut durch die Arena. „Traumaaatooo!“ „Pruiii!“ „Pi-ka-CHUUUU!“ Langsam aber sicher schafften es die Pokémon mit vereinten Kräften die beiden Psychopokémon nun doch in die Knie zu zwingen. Bisasam und Schiggy schnappten sich ein Seil, das an einer Kette der Betonwand gehangen hatte und begannen den nun bewusstlosen Giovanni zu fesseln. Glurak, Enton und Togepi, ebenso Quaputzi und Seeper taten es ihnen gleich, indem sie die sich nun ergebenden Traumato und Pantimos kampfunfähig machten. Selbstverständlich blieb auch das Snobilikat, welches zu guter Letzt versucht hatte, unter Giovannis Sessel ein Versteck zu finden, wurde nicht übersehen und zur Strecke gebracht. Als die selbsternannten Bösewichte endlich gut verschnürt am Boden lagen, von Bisasam in einen kleinen Tiefschlaf versetzt wurden, fingen die Pokémon an zu jubeln. Jedoch sollte diese Freude nicht lange bestehen bleiben… Ganz langsam tapste Pikachu etwas in Ashs Richtung, kam aber einige Meter zuvor zum Stehen. Er konnte es nicht ertragen, wie Ash so da saß, der immer noch nicht fassen konnte, dass das wirklich Realität war, was sich eben vor seinen Augen abspielte. – Und er wollte seinen besten Freund auch nicht so sehen! „Pika pi…“, wisperte er nur und versuchte mit aller Macht gegen neue Tränen anzukämpfen, die sich immer mehr ihren Weg seine Wangen hinab bahnen wollten, als er hinter sich ebenfalls Trauergeräusche und Schluchzer vernahm. Alle Pokémon hatten sich nun ihren beiden am Boden liegenden Trainern zugewandt – jedoch wagte es keiner auf sie zuzugehen. Jeder tat es… Jeder fühlte mit… Jeder weinte, egal, ob er nun Misty gemocht hatte oder nicht. Doch das lauteste und am meist getroffene Schluchzen ging nur von einem aus. Von ihm allein. Auch, wenn alles um ihn herum still war und so gesehen der ganze Spuck ein Ende hatte, konnte Ash es immer noch nicht realisieren, was gerade vor sich ging. Und akzeptieren wollte er es schon gar nicht! Warum nur?! Wieso musste ihr das geschehen? Warum um alles in der Welt hatte man ihr das angetan? Sie hatte ihn geliebt… Nur deswegen. Nur er hatte Schuld daran! Er allein… „Verzeih mir… Bitte vergib mir…“ Er sagte dies immer wieder. Erneut und noch einmal. Er wusste einfach nicht wohin mit seinen Schuldgefühlen und diese Leere, die nun in ihm war, machte ihn ganz und gar fertig, kalt und lustlos. Was sollte nur geschehen? Wie sollte er weitermachen? Ash wusste darauf absolut keine Antwort, wobei er im Moment eh nicht daran denken wollte. Er wollte einfach allein sein. Diese ganzen Gedanken, Gefühle – und vor allem diese wunderschönen, traurigen, einzigartigen Erinnerungen, die ihn an sie banden, machten ihn seelisch kaputt. „Misty… Warum nur…?“ Dann, plötzlich, ohne Vorwarnung überkam es ihn. „MISTY, NEIN!!!“ Laut hallte seine Stimme durch die ganze Arena, ließ sie unter sich beben, zittern um seiner Trauer, seinem Schmerz und seiner Wut auf sich selbst freien Lauf zu lassen. Es war zu spät. Misty in seinen Armen wurde immer kälter. Sie bewegte keinen Muskel mehr, lag einfach schlaff in seinen Armen und ihr Herzschlag war erloschen. Aber verdammt noch mal, irgendwas musste er doch tun können! „Verdammt, ich hätte es dir sagen sollen! Wenn du meinetwegen nicht solche Zweifel gehabt hättest, wegen mir nicht jede Nacht hättest leise weinen müssen, von mir denken müssen, du wärst mir egal, wäre das alles niemals passiert! Wir wären zusammen gewesen, glücklich, frei! Nichts hätte uns aufhalten können! Wir wären unbesiegbar gewesen und… und…!“ Ash musste kurz inne halten, seine Tränen herunterschlucken und schniefte leise. Es war so schlimm, dass er Schwierigkeiten mit dem Atmen bekam, aber das war ihm egal, so egal! „Es tut mir alles so leid, Misty… Ich wusste genau, was du für mich fühlst… aber ich hatte Angst…“ Mit jenen Gedanken dachte Ash an Mistys Worte zurück, die sie ihm sagte, kurz bevor sie sich selbst aufgab und zu Giovannis Sklavin wurde… Sie hatte vollkommen Recht als sie sagte: „Alles, was ich wollte, war, unsere Freundschaft nicht zu verlieren. Denn das wäre schlimmer gewesen als alles Übel dieser Welt.“ „Verdammt, ja! Genau so ging es mir doch auch!!! Ich hätte niemals unsere Freundschaft aufgeben wollen! Ich hatte Angst, nicht nur unsere Freundschaft sondern auch dich zu verlieren! Und nur WEIL ich es nicht eingestanden habe, weil ich dir nicht gesagt hatte, was ich tief in meinem Innern für dich empfinde – nur deshalb HABE ich dich jetzt verloren! Warum nur?! Wieso verdammt habe ich dir nicht gesagt, dass ich… dass ich dich…!“ Ash stoppte einfach. Hielt einfach inne. Zärtlich streichelte er ihr erneut über die Wange, strich ihr ein paar verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht. Je mehr er sie ansah, desto mehr bekam er das Gefühl, dass ihre Haare wieder ihre gewohnte Farbe annahmen. Sie erhielten allmählich einen sanften Gelb-Ton hinzu, der ihre blutrot gefärbten Haare wieder zu den sanften Orange-roten Farben wandelte. Genau so, wie er es liebte. Genau so, wie er seine Misty in Erinnerung hatte. Kurz drehte er schwer sein Gesicht von dem ihren weg, schaute auf ihre Hand. Langsam griff er danach, umschlang sie und im selben Augenblick tropfte erneut eine kleine unbedeutende Träne von seiner Wange, direkt auf ihre Handfläche. Behutsam legte er nun seine Hand in die ihre, die andere stützte ihren Unterkopf, so dass er seine Stirn an die ihre lehnte und seine restlichen Tränen mit ihr teilte. „Sei ehrlich… Würdest du noch leben… würdest du mir verzeihen?“ Noch einmal schluchzte er laut auf. „Alles, was ich je wollte, war, dich nicht zu verlieren… Ich bin so ein Idiot!“ „Ash?“ Eigentlich wollte Ash nicht reagieren, aber er tat es doch, als er seinen Namen hörte. Langsam wandte er sich der Person zu, der die Stimme gehörte. Er weigerte sich aber permanent, Misty loszulassen. Verwundert sah Ash auf. „Jesse? James?“ Beschämt sahen die beiden auf ihren so genannten Erzfeind. Ohne Zweifel, auch sie waren gepeinigt von diesem Anblick. Ash erkannte sofort, dass sich in ihren Augen Schuldgefühle spiegelten. „Was haben wir getan?“ Jesse musste sich das erste Mal in ihrem Leben eine Hand vor ihren Mund halten. Freilich war sie oft böse gewesen und gab auch gerne damit an, dass sie es war, jedoch hätte sie niemals gedacht, dass James und sie dazu fähig wären, einen Menschen zu töten. James konnte nur den Kopf schütteln und total geschockt mit offenem Mund auf Mistys reglosen Körper starren. Nach all den Jahren wurde den beiden offen gezeigt, was sich wirklich hinter dem Namen ‚Team Rocket’ und dessen Organisation verbarg. Nach einigen Sekunden des Schocks kniete James zu Ash nieder, sah ihn direkt an und meinte mit reuvollem Blick: „Es tut uns so leid! Das hatten wir nicht gewollt!“ Ohne, dass er es selbst wirklich realisierte, musste Ash unter seinen Tränen kurz ein sanftes Lächeln widerspiegeln. Leicht und mit geschlossenen Augen schüttelte er langsam den Kopf. „Redet keinen Unsinn. Ihr wart in Giovannis Gewalt. Euch trifft ebenso wenig Schuld wie Giovannis Pokémon. Sie taten nur, was ihr Trainer ihnen befahl und sind ihm bis zum Schluss treu geblieben.“ „Nein, du musst uns nicht in Schutz nehmen! Wir wissen, dass es falsch war, was wir getan haben!“, keifte Jesse ihn an. Zum ersten Mal sah Ash, wie sie sich bockig Tränen verkneifen musste, weil sie mit dieser Situation nicht fertig wurde. „Wir hätten schon längst aus dem Team aussteigen sollen – aber wir waren zu schwach und zu feige!“ Man merkte deutlich, wie viel Wut James gerade auf sich selbst hatte. „Das wäre alles nicht passiert, wenn wir längst zu Officer Rocky gegangen wären und uns gestellt hätten!“ „Es ist OK.“ Langsam wandte sich Ash wieder Misty zu. „Ich bin nicht böse auf euch. Ihr seid in der Zeit, wo ihr mir gefolgt seid, immer mehr zu meinen Freunden statt zu meinen Feinden geworden. Ich kenne euch gut genug, um zu wissen, dass ihr so etwas, was Giovanni hier getan hat, niemals tun würdet. Dazu seid ihr viel zu nett!“ Auch wenn er grinste und Jesse und James in irgendeiner Weise erleichtert und froh darüber waren, dass er das sagte, wollten sie ihn nicht lange anlächeln. Zu sehr fühlten sie mit dem angehenden Pokémonmeister mit, der momentan kraftlos, total mit den Nerven am Ende auf dem Boden kniete und seine beste Freundin immer noch treu in den Armen hielt. „Pika pi…“, tönte es plötzlich neben Ash. Pikachu konnte nicht länger einfach nur zusehen und war an seine Seite gesprungen, streifte ihm kurz über seinen Arm. Ash lächelte ihn warm und so gut es ging an. „Ist schon gut, Pikachu. Ich weiß, dass es meine Schuld ist.“ „Pika, pika!“, protestierte Pikachu, aber Ash wies das ab. „Ich habe noch etwas gut zu machen…“, fing er plötzlich an, so dass er von den Personen um sich herum verwunderte Blicke erntete. Jedoch erwiderten sie nichts, sondern warteten einfach nur ab. Währenddessen kamen auch Mistys treuste Pokémon, Togepi und Enton, die ebenfalls total aufgewühlt und fassungslos waren, an Mistys leblosen Körper, hofften ebenso noch auf ein letztes Lebenszeichen. Vorsichtig hob Ash noch einmal Mistys Kopf, sah in ihr immer noch zerkratztes und mit blauen Flecken übersätes Gesicht, das aber dennoch unglaublich schön und atemberaubend war wie zu jenen Zeiten, als sie mit Ash und dessen Freunden auf Reisen war. Ungeniert, ausgelassen und lebensfreudig. Ja… genau so war sie. Und in den Herzen aller, die sie geliebt hatten, wird das wohl ewig so bleiben. „Misty…“, fing Ash plötzlich mit einem unglaublich hellen und zitternden Ton inmitten der Stille an, auf sie einzureden, wie als könnte sie nach wie vor jedes Wort verstehen und ihm zuhören. „Auch, wenn du vielleicht nicht mehr alles so hören kannst, wie ich es mir wünschen würde, so wollte ich es dennoch endlich einmal über meine Lippen gebracht haben. Bitte verzeih mir, dass ich früher nicht den Mut und die Kraft hatte, dir das zu sagen…“ Kurz hielt er inne, schloss die Augen als er einen tiefen leisen Atemzug nahm. Danach sah er sie unglaublich verträumt und total auf sie fixiert an, wie als wären es nur sie beide, die gerade hier auf dem Betonboden knieten und beieinander waren. Ash hörte das leise und aufgeregte Atmen der anderen fast schon nicht mehr, weil er sich voll und ganz auf das konzentrieren wollte, das er schon viel eher hätte tun wollen. „Mir ist egal, was die anderen von dir denken… Ich weiß, dass du für mich der wichtigste Mensch auf Erden bist. Bitte verzeih mir, dass mir das erst jetzt vollkommen bewusst wird! – Immer warst du an meiner Seite, hast mich bei allem, was ich getan habe, egal, ob es nun richtig oder falsch war, unterstützt, hast mir deine Meinung gesagt und mit deinem Tun all die Kraft gegeben, die ich benötigt habe, um in allem, was ich tat, zu gewinnen und unbesiegbar zu sein. Durch dich habe ich auch teilweise gelernt, mit Pokémon umzugehen. Du hast mir immer mehr bewiesen, wie weit eine Freundschaft gehen kann, wenn man es nur wirklich möchte. – Und du hast mir gezeigt, was es bedeutet, einem anderen Menschen voll und ganz zu vertrauen, so sehr, dass man ihm alles erzählen und teilen kann. Für all diese Dinge bin ich dir sehr dankbar.“ Wieder musste er kurz eine Pause machen. Er war sehr froh, dass die Anderen Rücksicht auf jene Situation und seinen letzten Wunsch nahmen und die ganze Zeit Mucksmäuschen still keine einzige Bewegung machten oder unnötig neugierige Fragen stellten. Auch als sie ihn beobachteten – so machte ihm das nichts aus, so lange er nur eines durfte… und das war Misty in jenem Moment ganz nah zu sein. Es war wie als wollte er Abschied nehmen. Es schmerzte. „Jedoch“, jetzt war er endlich bereit den letzten Schritt zu tun, „gibt es da etwas, das mir nie jemand anderes hätte beibringen können… und für diese Erkenntnis werde ich dir immer dankbar sein, denn du hast mir etwas gegeben, das ich niemals vergessen oder anderweitig verwenden werde.“ Immer mehr kam sein Gesicht dem ihren näher. „Du hast mir beigebracht und gezeigt, was es heißt einen Menschen nicht nur zu mögen…“ Wieder spürte er wie Tränen aus seinen Augen rannen. „… sondern ihn auch zu lieben…“ Mit diesen Worten schmiegte er eine Wange an die ihre, kniff die Augen zu und drückte sie ganz fest an sich. „Ich liebe dich, Misty! Ich habe dich immer geliebt! Bitte – verzeih mir!! Das hab ich nicht gewollt!!“ Mitleidig sahen Pikachu, Jesse, James und die anderen auf den jungen Trainer. Sie mussten sich beherrschen nicht von seinem Wehklagen angesteckt zu werden. „Ich würde alles dafür geben, wenn du wieder bei mir sein könntest! Ich würde alles dafür tun, es dir endlich sagen zu können!“ Mit diesen Worten legte er beide Hände an ihre Wangen, führte sein Gesicht zu dem ihren, als er noch einmal nur ihr zuflüsterte: „Ich liebe dich… so sehr…“ Sogleich berührten seine Lippen die ihren und er hätte sich nichts sehnlicher in jenem Augenblick gewünscht, als irgendeine Reaktion von ihr zu erfahren. Ihm wäre es sogar egal gewesen, wenn sie ihm für diese peinliche Aktion vor all den gaffenden und überraschten Gesichtern eine Ohrfeige verpasst hätte. Das wiederum hätte ihn nur an seine erste Begegnung mit ihr erinnert, als sie ihn aus dem Fluss gefischt und Pikachu und ihn gerettet hatte. Unbemerkt nickten Togepi und Enton sich auf einmal zu. Niemand wusste bis zu jenem Moment, dass die beiden so viel Liebe für Misty empfanden, dass sie besondere Fähigkeiten in sich geheim hielten. Total konzentriert und gezielt, legten sie ihre Pfoten direkt auf Mistys Herz und schlossen sanft die Augen. Noch im selben Moment konnte man kurzzeitig einen kleinen Lichtblitz durch Mistys Körper zucken sehen, der vom Kopf an bis zu den Füßen wie ein Scann durch ihre Gliedmaßen fuhr. Was danach geschah, konnte keiner so wirklich wahrnehmen. Mit einem Mal erhob sich Mistys Brustkorb kurz stark auf und ab. Ihre Arme zuckten, ebenso ihre Augenbrauen. James sah kurz erschrocken auf und zupfte Jesse am Ärmel, deutete auf dieses eigenartige Ereignis, so dass auch sie einen kleinen Schreckmoment erlebte. Den Pokémon ging es nicht anders. Jedes von ihnen schaute zuerst den Gegenüber, dann wieder Ash und Misty verblüfft und auch schockiert an. Pikachu, der seine zwei Freunde Enton und Togepi kurzzeitig beobachtet hatte, sah genauso verwirrt drein wie die zwei selbst, als ob sie gar nicht bemerkt hätten, was sie gerade angestellt hatten. Nach jenem Augenblick geschah alles ganz schnell. Zaghaft erhob Misty ihre Arme und umschloss sanft Ashs Oberkörper, so dass sie sich ganz nah an ihn heran zog. Dieser war dermaßen überrascht, dass er die Augen aufriss, gerade etwas erwidern wollte – als Misty ganz von allein den warmen, sanften Kuss auf ihren Lippen mit einer Leidenschaft erwiderte, die sie wohl selbst niemals so intensiv hätte geben können. Eine ganze Weile blieb es still. Nichts regte sich mehr so lange bis Misty total errötet von Ashs Gesicht abließ. Sofort bemerkte sie beschämend wie sowohl sie als auch er sich gegenseitig in des anderen Armen total verlegen anstarrten. Keiner wusste so recht, ob ihnen die Sache einfach nur peinlich war oder ob sie schlicht nur verwundert waren, dass Misty plötzlich und ohne Vorwarnung wieder unter den Lebenden weilte. Unter all diesen verschiedenen, neuen und unbekannten Gefühlen spürten Ash und Misty augenblicklich wie schnell ihre Herzen schlugen, als sie nicht aufhören konnten, sich anzusehen. „A-Ash…“, waren Mistys ersten Worte, als sie sich einigermaßen wieder gefangen hatte. „W-Wieso hast du… ich meine…“ Verwirrt blinzelte Ash Misty immer noch total benommen an. War denn keiner da, der ihn mal ohne Vorwarnung kneifen konnte?! Oder war er selbst einfach schon tot?! „Ich liebe dich…“, kam es plötzlich zwischen seinem halb offenen Mund und den weit aufgerissenen Augen heraus. „Was – hast du da gerade… gesagt?!“ Mistys Herzklopfen wurde schier unerträglich und ihre Augen wurden immer größer, während die Röte in ihrem Gesicht immer mehr anstieg. Mit einer Sekunde auf die andere machte sich in Ashs Blick ein unglaublich strahlendes und unberechenbares, überglückliches Lächeln breit. Ohne auf die anderen Rücksicht zu nehmen, sprintete er auf die Beine, Misty immer noch auf dem Arm haltend, umschloss ihren Oberkörper und wirbelte sie einmal vor lauter Übermut durch die gesamte Arena. „Sag mir, dass ich nicht träume!!!“ „Ash, lass das, mir wird ganz schwindlig!“ So hatte sich Misty nicht mehr gefühlt, seit Ash damals, ganz am Anfang ihrer Reise, sein erstes Raupy gefangen und sich wie ein kleines Kind, was er damals auch irgendwo noch war, gefreut hatte. In jenem Augenblick zog er Misty genau so in seinen Bann wie er es jetzt tat, nur diesmal war etwas anders: Misty strahlte und auch wenn sie noch nicht so wirklich realisieren konnte, was eigentlich passiert war, so freute sie sich mit ihm, schlang ihre Arme um seinen Nacken und drückte ihn ganz fest. Nachdem die beiden sich etwas beruhigt hatten, ebenso die Pokémon, die wie Ash ziemlich lange gebraucht hatten, um wirklich zu glauben, was sie eben gesehen hatten, setzte er sie vorsichtig wieder auf dem Boden ab. Eine Zeit lang sahen sie sich in die Augen. Bis Misty zögernd eine Handbewegung machte und Ash die letzten Tränen aus den Augen wischte. Sanft streichelte sie über seine Wange und ihre Augen schienen in den seinen zu versinken. Es schien für beide eine Ewigkeit allein in diesen wenigen Sekunden zu vergehen. Zaghaft kam Misty Ashs Gesicht näher und küsste ihn kurz auf die Lippen, sah ihn dann sofort wieder an und meinte in einem leisen, aber dennoch deutlichen Ton: „Bitte weine nicht. Ich kann es nicht ertragen, dich so zu sehen…“ „Tut mir Leid…“, lächelte Ash tapfer und strich sich ebenfalls noch einmal selbst über die Augen. „Ich bin nur so überglücklich, dass du…“ Schnell legte Misty einen Finger an seinen Mund, sah ihn bedrückt an. „Ash, war… war ich tot?“ Ihre Augen waren so unglaublich gläsern und verrieten, dass es ihr unheimlich Leid tat, was sie Ash und den anderen angetan haben musste. „Bist du schwer verletzt?“ Auf ihre erste Frage hin nickte Ash. „Verdammt, was hätte ich gemacht, wenn du nicht mehr da wärst?! Ich hätte dir nie sagen können…“ „Ich liebe dich…“ „Genau, ich…“ Ash starrte sie mit großen Augen irritiert an. „… W-Was?“ Stürmisch hing sich Misty an Ashs Hals und küsste ihn – diesmal so lange er es eben zuließ. „Ja!“ „Ja…?“ „Ja, du Trottel, ich liebe dich!“ Gerade als Ash glauben wollte, was er da hörte, ertönten vor der Arena plötzlich sämtliche Sirenen. Durch den Haupteingang sah man plötzlich einen großen Vogelpokémonschwarm auf die Truppe zufliegen, dahinter Officer Rocky zusammen mit ein paar anderen Polizisten von Vertania City. Ohne groß lange herum zu reden, schnappten diese sich den am Boden gefesselten Giovanni, der bei der Festnahme langsam das Bewusstsein wieder erlangte und erst einmal mit Handschellen geschmückt wurde. Traumato und Pantimos wurden in ihre Pokébälle zurückgeholt und vorerst sicher verwahrt. „Bist du Ash?“, fragte Rocky, als sie auf den Schwarzhaarigen zustürmte, hinter sich zwei Sanitäter mit einer Trage. Ash nickte nur verwundert. „Man hat uns gesagt, hier gäbe es einen ärztlichen Notfall. Seid ihr verletzt?“ Erleichtert seufzten Ash und Misty auf. „Nein“, schüttelte Ash den Kopf und umschloss Mistys Hand. „Uns geht es gut. Vielen Dank.“ „Ihr seht mir aber nicht so aus“, stutzte die Polizistin etwas und zuckte mit der Augenbraue. „Ich werde euch trotzdem alle zusammen erst einmal in ein Krankenhaus fahren lassen. Ihr seid ganz schön lebensmüde, das muss ich euch schon sagen.“ „Wieso?“ Neugierig schaute Misty sie an. „Giovanni ist der größte Verbrecher der Pokémongeschichte. Wir sind schon seit Ewigkeiten hinter ihm her. Aber Dank eurer Hilfe konnte Team Rocket endlich gefasst werden. Allerdings hätte euer Übermut euch das Leben kosten können, ist euch das eigentlich klar?!“ Entschuldigend und verlegen lächelnd nickten die beiden nur. Als ob sie das nicht wüssten. Immerhin war Misty ja wirklich nur knapp dem letzten Atemzug entkommen. „Also, verratet mir mal, wie ihr zu dieser willkürlichen Idee gekommen seid!“ Somit musste Ash wohl oder übel die ganze Geschichte, die ihn ohnehin schon fertig genug gemacht hatte, noch einmal ganz von vorne erzählen. In der Zwischenzeit gaben er und Misty die Pokébälle ihrer Pokémon Schwester Joy mit, damit sie sich umgehend um die verletzten Pokémon kümmern konnte. Vor allem Glurak musste sich höchstwahrscheinlich in den nächsten Tagen ziemlich zurückhalten. Als letzter der ankommenden Masse flog Ashs Tauboss zur Tür herein, direkt auf Jesse und James zu und setzte zur Landung an. Von seinem Rücken sprang das letzte Teammitglied des Ex-Team-Rockets. „Oh Mann, da sind wir ja gerade noch rechtzeitig gekommen“, keuchte Mauzi, auch total fertig mit den Nerven. „Mauzi, da bist du ja!“ „Wo hast du gesteckt?“ Aufgeregt starrten sie diesen an und warteten ungeduldig auf eine Antwort. „Naja, irgendwer musste doch die Polizei und den Krankenwagen rufen, sonst wäre hier bestimmt noch Schlimmeres passiert.“ „Bin ich froh, dass das alles vorbei ist!“, jammerte Jesse und wischte sich den letzten Angstschweiß von der Stirn. „Dieser Rotschopf hätte fast unsere letzten Nerven ruiniert!“ „Schön und gut…“, gab James darauf zurück, „aber ist euch schon mal aufgefallen, dass wir jetzt arbeitslos sind?“ „Und eine Bleibe haben wir auch nicht“, heulte Mauzi schon fast drauf los. „Dazu kommt noch, dass wir total pleite sind.“ Wie immer hatte Jesse das letzte Wort. „Kommt doch einfach mit uns.“ Verwundert wirbelten die Drei herum. Misty und Ash standen da, sie mit Togepi auf dem Arm und er mit Pikachu auf seinem Kopf, jedoch eines war anders: sie hielten sich die Hände. „Was? Wie bitte? Meint ihr das ernst?“, fragte Mauzi verblüfft. „Wir waren doch immer eure Feinde. Wie könnt ihr uns so einfach vertrauen?“ „Wenn man es genau nimmt, wart ihr doch schon seit langer Zeit mehr unsere Freunde als Feinde, oder nicht?“, kicherte Misty, worauf Mauzi sie beneidenswert anschaute. „Hey, du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt“, schielte James sie nett gemeint an und wuschelte ihr mit einer Hand kurz durch die Haare, woraufhin Misty verlegen lächeln musste. „Tut mir echt Leid!“ „Also, was ist jetzt? Kommt ihr nun mit oder wollt ihr in Depressionen verfallen?“ Mies grinsend verschränkte Ash die Arme und Pikachu fing laut an zu lachen. Das ließen sich die Drei nicht zwei Mal sagen und willigten froh über dieses Angebot ein. Währenddessen beugte sich Misty zu ihrem kleinen Enton, das die ganze Zeit brav neben ihr hergewatschelt war, herunter, streichelte ihm lieb über den Kopf und meinte: „Vielen Dank, Enton. Ohne dich und Togepi wäre ich verloren gewesen.“ Sanft umarmte sie ihr kleines ungeschicktes Pokémon, so dass dieses ganz rot wurde und über den ganzen Schnabel weg strahlte. „Misty?“ Auf ihren Namen hin wirbelte Misty zu Ash herum und sah ihn gespannt an. „Was hast du denn, Ash?“ Einen Augenblick lang zögerte er, dann jedoch sah er ihr in die Augen. „Kannst du mir verzeihen?“ Zuerst blinzelte Misty ihn verwundert an, überlegte dann aber. „Hm – ich weiß noch nicht genau.“ „Ich meins wirklich ernst! Mir geht das alles sehr nahe. Ich weiß genau, wenn ich dir früher gesagt hätte, was Sache ist, dann… Ich möchte dich nicht noch mal verlieren! Bitte, Misty…“ Mit gläsernen Augen sah er sie bitterernst an. „Verzeih mir…“ Innerlich musste Misty kurz seufzen. Dieser Blick schmerzte sie nach wie vor und sie wollte auf keinen Fall, dass Ash denken musste, dass sie ihm seine Fehler nie vergeben könnte. „Nur“, fing sie genau so ernst an und hob den Zeigefinger, „wenn du mir ebenso verzeihst!“ „Was? Aber…!“ „Keine Widerrede! – Wir haben beide viel Mist gebaut. Es wird Zeit, dass wir uns das eingestehen und damit leben. Nur dann können wir so weitermachen, wie wir es bisher gehandhabt haben.“ Ihre Augen wurden leicht kleiner und in ihrem Gesicht bildete sich erneut ein Lächeln, das in Ash sämtliche Anspannung abfallen ließ. Langsam kam sie auf ihn zu und faltete ihre Hand in die seine, ohne dabei seinen Blick zu verlieren. „Ich bin sehr froh, dass ich noch lebe, denn jetzt konnte ich dir endlich sagen, was ich wirklich empfinde und ich muss keine Angst mehr haben, dass du mich deswegen abstößt. – Wir bleiben immer beste Freunde. Das hast du mir versprochen, nicht wahr, Ash?“ Erleichtert erwiderte Ash Mistys Lächeln, nickte sanft, als er seine Arme um ihren Oberkörper schlang, sie leicht an sich zog und antwortete: „Das wird auch immer so bleiben. – Und noch viel mehr…“ Wieder kamen sich ihre Gesichter langsam näher bis… „Was ist? Kommt ihr dann?“ Jesse, James und Mauzi winkten ihnen zu. Übermütig und mit einem lauten „Klar!“ rannten Ash und Misty zusammen mit Pikachu und Togepi ihnen nach, der Sonne entgegen. "Rescue – Rache an Ash" – The End --- OMG Ende des 9. und letzten Kapitels von "Rescue - Rache an Ash"! Ich bin ja so glücklich ;____; Vielen lieben Dank an alle, die RaA lieben, es gelesen haben, gefavt oder sogar Kommis hinterlassen haben! Ich bin froh, dass ich diese Geschichte endlich beenden und vollständig zu Papier bringen konnte. In Sachen AaMl bedeutet mir diese nämlich hier am allermeisten etwas, weil sie Teile aus dem ersten und zweiten Film wiederspiegelt und doch ne Story is, die es bei Pokémon niemals geben wird. Vielen, vielen Dank! Eure , 25.04.2008, 23:50Uhr Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)