Eiszeit von PenAmour (Wichtelgeschichte für White_Angel) ================================================================================ Prolog: Das Flüstern des Universums ----------------------------------- *** Ein leises Glockenspiel ertönte und ließ eine wohlbekannte Melodie erklingen – aus Noten gemacht, die den Flügelschlägen eines Schmetterlingsschwarmes glichen. Die Schmetterlinge flatterten durch den Raum, getragen von der Musik, bis sie die Blumentapete ihres Zimmers bedeckten und die Rosenstöcke Stück für Stück auflösten. Die Melodie verstummte und die Schmetterlinge hinterließen nur ein schwummriges Glimmern, während sich das Universum in seiner ganzen Größe vor ihr ausbreitete. Die Planeten zogen ihre Kreise und rotierten lautlos in die Stille hinein, gefolgt von ihren Trabanten, während Meteoriten mit stoischer Gelassenheit an ihnen vorbeirauschten und einen schimmernden Schweif hinter sich herzogen, der langsam im Nichts verglimmte. Und dann fanden ihre Augen ihn. Zwischen all den Planeten, groß und klein, befand er sich wohlbehütet wie ein kostbarer Schatz – der Blaue Planet selbst, mit seinem Mond als treuen Begleiter. Das Sonnenlicht leckte am Mondstein, der es in einen silbrigen, märchenhaften Glanz verwandelte und zur Erde schickte, als Wegweiser in der Nacht. Doch ein Schatten legte sich auf die glänzende Oberfläche. Das Schimmern verblasste und die Dunkelheit vermischte sich mit den Schatten der Mondpalastruine, während die blauen Meere erstarrten und sich eine gefräßige Eisschicht über den Planten ausbreitete und das kühle Eis an den Städten nagte. Eiskristalle reckten sich empor und spitze Eiskrater brachen aus dem Boden, so dass ein kühler, glänzender Schleier das schillernde Blau der Erde verdeckte. Für einen Moment war nur das Rumoren der Eisplatten, die aufeinander krachten, und das spitze Klirren dieser eisigen Treffen zu vernehmen. Trostlos wirkte die Eiswüste, während das Universum seinen Trott fortsetzte und die Meteoriten durch die Schwerelosigkeit sandte. Bis ein warmes Funkeln zwischen den Eisbergen zu erkennen war. Ein Funkeln, das sich zu einem goldenen Strahl verdichtete und das Eis langsam zum Schmelzen brachte. Und als sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hatten, erkannte sie ein goldenes Diadem, eingebettet in einer Wiege aus Eiskristallen. Hotaru Tomoe öffnete die Augen und die Stille und Schwere des Universums wich ihrem Herzschlag, während das Blut durch ihre Venen schoss und ihre Schläfen aufgeregt pochten. Das schwarze, seidige Haar, welches ihr bis zu den schmalen Schultern reichte, klebte an ihren bleichen Wangen und die dunklen, beinahe schwarzen Augen suchten die Rosenstocktapete, während sich ein Lächeln auf ihre schmalen Lippen schlich. „Es hat begonnen…“ *** Kapitel 1: Im Zeichen des Neumondes ----------------------------------- *** Die Stadt wirkte, als habe man sie mit einer funkelnden Glasur überzogen. Ein Netz aus Eiskristallen hatte sich in den Asphalt eingewebt, so dass der Verkehr ungewöhnlich bedacht voranschritt und die Menschen sich mit höchster Vorsicht über die vereisten Gehwege wagten. Immer wieder geriet einer unter ihnen ins Wanken und ruderte hastig mit den Armen, um das Gleichgewicht halten zu können oder mit einem dumpfen Knall auf dem gefrorenen Boden zu landen. Doch all das schien in diesem Moment weit weg. Ihr Seufzen wurde vom Stadtlärm verschluckt, während sie sich mit hängendem Kopf in der Menschenmasse einreihte und ihre Winterstiefel über die glatte Oberfläche schob. Und abermals gab ihr Bauch ein bedrohliches Grummeln von sich und erinnerte sie schmerzlich an ihren fatalen Fehler, den gesamten Inhalt ihres Bentōs bereits zum Frühstück verschlungen und nicht einen Bissen für einen Mittagssnack übrig gelassen zu haben. Nicht einmal die bunten, lockenden Schaufenster, die den Gehweg säumten, konnten sie von dieser Tatsache ablenken. Hinzu kam diese bleierne Müdigkeit, die an ihren Gliedern zerrte, während die beißende Kälte ihr Gesicht bereits in einen tauben Zustand versetzt hatte. „Meteorologen streiten weiterhin über den Einfluss der extremen Kälte, die sich über die gesamte östliche Hemisphäre ausbreitet und seit Wochen das öffentliche Leben bestimmt“, dröhnte eine monotone Stimme aus einem Elektrogeschäft. Sie gehörte dem Nachrichtensprecher, der auf dem Fernsehbildschirm im Schaufenster zu sehen war. „Es ist noch immer ungeklärt, was diesen rapiden Temperatureinbruch hervorruft oder wie lange diese „Eiszeit“ noch andauert…“ Sie verzog eine Grimasse, während der Nachrichtensprecher mit Zahlen und Fakten um sich warf und sich über die himmelblaue Krawatte fuhr. Sie hatte die ewigen Diskussionen satt und wollte einfach nur in ihr warmes Heim, wo auch ein Bett auf sie wartete – und Mamoru. Für einen Augenblick verschwand die Kälte und sie strich über ihren Ringfinger. Unter den dicken Wollhandschuhen zeichnete sich der Ring mit dem rosafarbenen Diamanten in Herzform, eingerahmt von silbernen Ornamenten, schwach ab. Er hatte nun schon seit einigen Jahren dort seinen Platz und erinnerte sie an den schönsten Tag ihres Lebens. Viel war seitdem geschehen und gleichzeitig doch so wenig. Mit dem Sieg über das Chaos und Galaxia war tatsächlich Frieden auf der Erde eingekehrt und die Sailor Kriegerinnen führten endlich das normale Leben, das sie sich immer gewünscht hatten. Doch so ein Leben war recht zeitintensiv und während Ami ihr Medizinstudium mit eiserner Beharrlichkeit und viel Fleiß in Angriff nahm, hatte Makoto eine Stelle als Floristin in einem Blumengeschäft angetreten und verbrachte jede freie Minute zwischen Blumenerde und Düngemittel. Und auch Rei war mit ihrer Arbeit im Tempel und der anstehenden Hochzeitszeremonie sehr beschäftigt. Selbst wenn sie bereits ein Duzend Mal gedroht hatte, ihre Verlobung mit Yuichiro, dem ehemaligen Tempelgehilfen, aufzulösen. Minako dagegen hetzte von Casting zu Casting, in der Hoffnung bald den großen Durchbruch als Schauspielerin feiern zu können – unterdessen hielt sie sich als Kellnerin über Wasser, sehr zum Missfallen von Artemis, dem weißen Mondkater, der noch immer auf einem Kissen neben Minakos Bett schlief. Und sie selbst? Sie hatte ihren Traumprinzen bekommen. Doch Mamoru Chiba bestand darauf, dass sie sich nicht nur darauf ausruhte, Ehefrau zu sein. „Wenn du einmal dieses Land regieren willst, dann musst du lernen Geschicklichkeit und Verstand zu gebrauchen und für dein Volk einzusetzen. Es ist wichtig, dass du dich mit Sachverhalten beschäftigst, sie untersuchst und prüfst“, hatte er ihr gesagt, während sie ihn empört angestarrt hatte. Natürlich stritten sie, doch so sehr sie den Gedanken auch von sich schieben wollte, die Tatsache, dass die Zukunft, von der Chibiusa ihr erzählt und die sie mit eigenen Augen gesehen hatte, unweigerlich nahte, blieb. Dabei war sie sich nicht einmal sicher, ob sie wirklich über andere herrschen wollte oder eine gute Königin sein konnte. Sie mochte die wiedergeborene Mondprinzessin sein, doch eigentlich war sie nur ein Mädchen, eine Frau, die es mit dem Erwachsenwerden nicht so genau nahm. Vielleicht hatte sie auch aus diesem Grund eingelenkt und sich für ein Hauswirtschaftsstudium eingeschrieben. Vielleicht war es an der Zeit die Mondprinzessin hinter sich zu lassen und ihr Schicksal als Königin anzunehmen… Abermals seufzte sie ihr Leid hinaus in die klirrend klare Luft. Außer den Atemwölkchen, die sich durch die Nacht schlängelten, ging auch dieser Seufzer im Tokioter Rauschen unter. Doch ehe sie sich weiter in ihrem Selbstmitleid suhlen konnte, stieß ihre Stirn gegen etwas Hartes. Ihre Füßen gerieten aus dem sicheren Takt und taumelten über die vereisten Pflastersteine, während lange, schlanke Finger sich um ihr Handgelenk schlangen und sie mit eisernem Griff davor bewahrten, auf dem kalten Boden zu landen. Sie blickte in zwei schmale, regengraue Augen, die sie durchdringend musterten. Ein Schaudern überkam sie, während sie sich langsam aufrichtete und den Jungen beobachtete. Er trug einen pechschwarzen Wintermantel und sein Haar war seltsam farblos, während es ihm schlaff in das schmale Gesicht hing. Er reckte das spitze Kinn und eine gewisse Arroganz ließ sich in seinen Bewegungen erahnen. Seine Finger lösten sich von ihrem Handgelenk und sie konnte eine schwarze Sichel auf der Handaußenseite erkennen. Das Halbmond-Tattoo verschwand jedoch so rausch aus ihrem Blickfeld wie es aufgetaucht war und erschrocken richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Gesicht des Jungen, der um einiges größer war. „Danke“, versuchte sie und lächelte, doch er zuckte nur mit den Schultern und verschwand bereits in der Menschenmasse, die über die Straße steuerte, als die Ampel auf Grün umschaltete. Verwirrt versuchte sie das unheimliche und zugleich vertraute Gesicht einzuordnen. Sie konnte jedoch nicht ausmachen, wo sie diesen Jungen schon einmal gesehen hatte – ob sie diesen Jungen schon einmal gesehen hatte. *** Die Nacht breitete ihren dunklen Mantel unerbittlich über der Stadt aus, während sie auf den Hauseingang des Gebäudekomplexes zutrat, der von einer flackernden Lampe beleuchtet wurde, die schwummrige Schatten auf die Wände warf. Die Sterne funkelten am Firmament, das ungewöhnlich dunkel war in dieser eiskalten Nacht. Ihre Augen suchten das schützende, silbrige Licht, doch der Mond war mit einem dunklen Schatten überzogen, so dass sich nur seine vagen Umrisse erahnen ließen. „Neumond“, stellte sie fest und das Schlüsselbund klimperte erwartungsvoll in ihrer Hand. Sie gab dem Drängen nach und die massive, metallenen Eingangstür öffnete sich und gab den Weg in das dunkle, stille Treppenhaus des Appartement-Trakts frei. Müde erklomm sie die Treppenstufen, als ihr Magen erneut laut aufheulte und das Grummeln durch das Treppenhaus hallte. Peinlich berührt, presste sie die Hände auf den Bauch und hoffte, dass der Rebell nun Ruhe gab, bis sie ihre Wohnung erreicht hatte. Ein schmaler Lichtstreif lugte unter ihrer Wohnungstür hervor. Mamoru war bereits zu Hause. Erfreut öffnete sie die Tür und ließ ihre Schuhe an der Schwelle zurück, während sie sich ins Warme drängte und das taube Gefühl aus ihren Wangen langsam wieder verschwand. Der Duft von kochendem Gemüse waberte durch den Raum und sie konnte die Umrisse ihres Mannes erkennen, der in einer Dampfwolke gehüllt mit einem Kochlöffel hantierte. Ihr Herz machte einen Sprung. In diesen Momenten wusste sie, dass, wann immer die Zukunft zur Gegenwart würde, er ihr Zuhause war, ihre Stütze, immer und immer. Und so beunruhigend die Vorstellung auch war, Königin zu sein, so schön war es, ihn als König an ihrer Seite zu wissen. Ihre Arme schlangen sich um seine Taille. „Mamo-chan“, säuselte sie und atmete den Duft von Lauch ein. „Ich bin wieder da~a!“ „Gut, dann deck schon mal den Tisch“, gab er zurück, ohne sich umzudrehen oder sie, wie es sich für einen liebenden Ehemann gehörte, gebührend zu begrüßen. „Szenen einer Ehe, geprägt von der Gefühlskälte des Mannes“, empörte sie sich und runzelte die Stirn, während sie die beiden Reisschalen demonstrativ laut auf der Tischplatte abstellte. Die Essstäbchen klirrten, als sie gegen das Porzellan stießen, doch Mamoru ließ sich, zu ihrem Entsetzen, nicht aus der Ruhe bringen. Vorsichtig trug er den Kochtopf zum Esstisch und legte die Schürze beiseite, bevor er sich setzte und sich etwas Reis in seine Schüssel füllte. Sein schwarzes Haar fiel ihm ins Gesicht, während er sich über das Schälchen beugte. Mit verschränkten Armen beobachtete sie ihren Gatten. Sie würde nicht eher mit ihm zu Abend essen, bis er sich für sein unhöfliches, liebloses Verhalten… Ein lautes Brummen ertönte und ließ sie erstarren. Mamoru blickte kurz auf, amüsiert und spöttisch zugleich, während ihr das Blut ins Gesicht schoss und sie ihren Magen verfluchte. Ihre Blick wanderte zum dampfenden Gemüse und den saftigen Reiskörnern und ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Selbst wenn sie gewollt hätte, ließen sich ihre Füße nicht aufhalten und setzten sich in Bewegung, direkt auf den Esstisch mit dem Reis und dem Gemüse zu. Ohne Mamoru eines Blickes zu würdigen, nahm sie die Reiskelle und füllte ihr Schälchen bis zum Rand. Nur weil er kein Feingefühl besaß, hieß es ja nicht, dass sie verhungern musste, das wäre nicht fair! *** „Ich habe dir gesagt, du sollst nicht so schlingen!“ Sie verfluchte Mamorus tadelnde Stimme auf der anderen Seite der Badezimmertür, während sie die Spülung betätigte und sich über das Waschbecken beugte. Das kühle Wasser plätscherte über ihre Lippen und hinterließ nasse Spuren auf ihrem Gesicht, während ihr Magen sich langsam beruhigte und der Boden unter ihren Füßen das Drehen einstellte. Sie lehnte den Kopf zurück und berührte den Wasserhahn, doch dieser bewegte sich kein Stück, sondern verharrte in seiner Position. Das Wasser lief und lief und ganz plötzlich erstarrte es, Eiskristalle wuchsen heran zu einem dichten Netz tauchten das weiße Porzellan in einen unnatürlichen Schimmer aus Frost. „Mamoru!“ Ihre Stimme klang schrill, während sie einen Schritt zurückwich und beobachtete, wie das Eis wuchs und über den Waschbeckenrand lugte. Ihre Hände suchten blind nach dem Türgriff, während sie auf das Eisspektakel starrte, das sich an den Fließen hinaufschlängelte. Rückwärts stolperte sie aus dem Bad und stieß gegen Mamoru, der mit aufgerissenen Augen auf die Wohnungstür starrte. Sie folgte seinem Blick, während sich ihre Fingerspitzen zaghaft berührten. Ein dichter Teppich aus weißen Eiskristallen fraß sich durch die Maserung und ließ das Holz unter dem Druck des gefrorenen Wassers bersten. Und plötzlich wurde alles in einen goldenen Lichthauch getaucht und das einzige, was sie spürte, war Mamorus Hand. *** Zur selben Zeit strich Makoto Kino über einen Strauß Rosen, die sie in einer Vase im Schaufenster platzieren wollte. Sie wusste den Dornen dieser Blumen geschickt auszuweichen und strich sanft über die seidig roten Blüten. Als sie auf die Straße blickte und sah, wie der Brunnen urplötzlich Eisfontänen spie. Erschrocken ließ sie das Blumenbündel fallen, das daraufhin klirrend zu Boden ging. Als Makoto an ihren Füßen herabblickte, sah sie, wie die Blumen in tausende Scherben zersprungen waren und dann wurde alles um sie herum in einen Goldschimmer getaucht und der Boden unter ihren Füßen löste sich auf. Minako Aino war gerade von einem Vorsprechen zurückgekehrt und schmunzelte, als sie Luna und Artemis zusammengerollt auf einem Kissen vorfand. Die beiden Mondkatzen schienen sie nicht bemerkt zu haben, doch als Minako ihnen über das Fell streichen wollte, bemerkte sie, die Eiszapfen die an den Schnurbarthaaren klebten und fuhr erschrocken zurück. Noch bevor sie wusste, wie ihr geschah, riss sie ein Strudel aus goldenem Licht von den Füßen. Nervös kniete Rei Hino vor dem Feuer und schloss die Augen. Sie hatte schon den gesamten Tag ein mulmiges Gefühl gehabt, das nicht mit der herannahenden Hochzeit zu tun hatte. Als die Wärme des Feuers plötzlich nachließ und Rei die gefrorenen Flammen sah, wusste sie das sie recht hatte. Das goldene Licht überrumpelte sie daher nicht besonders. Als Ami Mizuno die Blutproben überprüfen wollte, gefror ihr buchstäblich das Blut in den Adern und der goldene Wirbelsturm überraschte sie, noch bevor sie die Situation analysieren konnte. Haruka Tenoh fluchte, als sie die festgefrorenen Bremsklötze begutachtete, während Michiru Kaioh die Stirn runzelte und Setsuna Meiho unruhig auf dem Rücksitz hin und her rutschte. Nur Hotaru Tomoe schien gelassen, als das Licht die vier erfasste. *** Kapitel 2: Die Zukunft des Mondes --------------------------------- *** Es war, als wäre sie ins Licht getaucht. Sie badete in den Strahlen, die ein wohliges Prickeln zurückließen, obwohl sie völlig losgelöst von ihrem Körper und der Welt war. Doch das Licht ließ keinen Platz für Angst – wenn sie also von der Welt gegangen war, so fühlte es sich nicht falsch, nicht bedauerlich an. Vielleicht war es dieser Seelenfrieden, den man nur mit dem Tod erfahren konnte. Keine Zweifel darüber, ob sie ihr Leben richtig gelebt hatte oder ob sie etwas hätte ändern sollen. Sie – Usagi Chiba ehemals Tsukino – war zufrieden mit dem vielen Leben, das hinter ihr lag. Die Freundschaften, die sie begleitet hatten, im Kampf wie im Frieden. Gelacht hatte sie, viel sogar, und gestritten, aber selbst das bereute sie nicht, während sie an das warme Lachen ihrer Freunde dachte, das leise Kichern der fünf jungen Mädchen in ihren Stammlokal. Das Bild wurde abgelöst von dunklen, leicht zerzausten Haaren, die der Wind streifte, während er sich an die Brüstung lehnte und hinaus auf das Meer blickte, mit diesen dunklen Augen, die wie das Meer selbst waren und in denen sie sich regelmäßig verloren hatte. Und es durchzuckte sie wie ein Blitzschlag, der ihr Herz wieder in Gang setzte. Geliebt hatte sie so sehr, das es schmerzte. Nein, unterbrach sie sich, sie liebte… Und dann spürte sie, wie sich eine warme Hand um die ihre schloss und ihre Füße Halt fanden. Eine Stimme hallte durch Zeit und Raum. „Willkommen, Mondprinzessin“, flüsterte sie und der Goldschleier, der sich über ihre Augen gelegt hatte, verblasste. Ein kühler Windhauch streichelte ihre Wangen und zupfte an ihren Zöpfen und als sie die Augen öffnete, konnte sie ein Meer aus roten Rosen sehen. Sie durchzogen die weißen Marmorsteinplatten zu ihren Füßen, die aufgebrochen und marode waren und kletterten an den schneeweißen Säulen hinauf, auf denen königliche Löwen thronten, die sich von den dornigen Rosen nicht einschüchtern ließen und stattlich ihre Mähnen in den Himmel reckten. Über ihr waren die Überbleibsel einer ehemals stattlichen Glaskuppe zu erkennen, die einen prächtigen Festsaal zwischen all den Rosenranken und den Gesteinsbrocken erahnen ließ. Palastruinen, stellte sie bestürzt fest, und erinnerte sich an den Mondpalast, das Zuhause eines früheren Lebens, dessen Ruinen im Schatten des Mondes ihr Dasein fristeten. Sie wandte ihren Kopf zur Seite und stellte erleichtert fest, dort Mamoru vorzufinden. Er trug seinen schwarzen Anzug und den glänzenden Zylinder. Und auch sie hatte sich verwandelt, wie sie bemerkte, als sie an sich hinunterblickte. Ihre Finger umschlossen die goldene Herzbrosche, als sich Schritte auf den vibrierenden Steinplatten näherten. „Sailor Moon!“ Sailor Mars durchdringende Stimme schellte über das stille Palastgrab hinweg, während sie, dicht gefolgt von Venus, Merkur und Jupiter, heraneilte. Ihr seidenes, schwarzes Haar wippte aufgeregt auf und ab, während sie nach Luft schnappte. Sie schloss ihre Freundinnen in die Arme und vergaß für einen Moment die Fragen. „Und was ist mit uns?!“ Sailor Uranus verschränkte spöttisch die Arme, während sie sich gemächlich mit Neptun, Pluto und Saturn in einigen Metern Abstand positionierte und sich durch das kurze, mandelbraune Haar fuhr. Sie hatte die vier Krieger überhaupt nicht kommen sehen, aber sie wusste nur zu gut, dass Uranus gerne betonte, schneller als jeder Windhauch sein zu können. „Was macht ihr denn hier?“, brachte sie hervor, nachdem der erste Überraschungsmoment verklungen war. „Neue Feinde“, vermutete Uranus ohne Zögern. „Es war, als würde plötzlich die Welt vor meinen Augen gefrieren“, erzählte Jupiter und ihre Finger drehten an den Rosenohrsteckern, die sie trug, seit sie sie kannte. „Und dann war da plötzlich dieses Licht…“ „So war es bei mir auch“, bestätigte Venus und ein Schatten huschte über ihr porzellanfarbenes Gesicht, während sie sich gedankenverloren über den orangefarbenen Rock strich. „Ich hoffe Artemis und Luna geht es gut…“ „Aber wo sind wir hier?“ Mars warf Merkur einen fragenden Blick zu, die damit beschäftigt war, wild auf ihren Mini-Computer einzutippen, der ein störrisches Piepen von sich gab. Merkur öffnete unzufrieden das Visier und schüttelte den Kopf. „Ich kann keine Gefahren ausmachen, noch feststellen, wo genau wir uns aufhalten.“ *** „Wir sind in Elysion.“ Mamoru durchbrach das Schweigen und strich mit der Hand über eine der Säulen. „Dem Zentrum des Goldenen Königreiches…“ Ihre Hände schlossen sich tröstend um seinen Arm, während sie gemeinsam auf die Überreste des einstmaligen Erdkönigreichs blickten. Trauer erfüllte sie, wenn sie an den Untergang des Reiches dachte, der so sehr mit dem Niedergang des Mondkönigreichs verknüpft war, wie ihre beiden Herzen. „Mondprinzessin…“, abermals rief die Stimme nach ihr und zwischen den Ruinen des Palastes tauchte ein junger Mann auf, dessen silbrige Locken wild tänzelten, während seine goldenen Augen sie ins Visier nahmen. „…es ist an der Zeit…“ „Helios?“ Erstaunt und verwirrt zugleich trat sie auf den alten Bekannten zu, der vor ihren Füßen in die Knie ging und sich verbeugte. „Warst du es, der ins hierher gebracht hat?“ „Eure Träume haben euch zu mir geführt…“, erklärte der Hüter der Träume und lächelte. „Aber wie ist das möglich?“, meldete sich Neptun zu Wort und strich sich eine Locke aus dem Gesicht. „Ihr seid in einen tiefen Schlaf gefallen.“ Helios richtete sich auf und wandte sich nun wieder direkt an sie. „Es ist soweit. Die Erde wurde von einer Eiszeit heimgesucht, so wie es ihr vorbestimmt ist – so wie es dir vorbestimmt ist, Mondprinzessin.“ Verzweifelt suchte sie Mamoru, der schützend seinen Arm um ihre Schultern legte. „Viele Jahrhunderte regiert nun schon das Eis, doch es ist an der Zeit, dass der rechtmäßige Herrscher seinen Platz einnimmt.“ „Jahrhunderte?“, echote Jupiter fassungslos und der nussbraune Pferdeschwanz bebte erschrocken. „Soll das heißen, wir schlafen seit tausend Jahren unter einer Eisschicht, während wir hier herumtrödeln und Zeit verlieren?“, ungeduldig fuhr Uranus dazwischen und wandte sich nun direkt an Helios, den sie mit drohendem Blick musterte. Der Wächter über Elysion und die Träume der Menschen schüttelte besänftigend den Kopf. „Der Zeitpunkt ist genaue der richtige, um Sailor Moon hinter sich zu lassen, für den neuen Stern, der kommen wird. Die Mondprinzessin muss nun ihren Platz einnehmen, den ihr das Schicksal zugeteilt hat und zur Königin der Erde werden. Neo Queen Serenity.“ All ihre Blicke waren auf sie gerichtet. Sie schluckte, wusste nicht, was sie sagen oder tun sollte, denn die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Von einem Augenblick auf den anderen war aus der Zukunft die Gegenwart geworden und die Last wog schwer auf ihren Schultern. Die Erwartungen, die auf ihr ruhten, die Angst zu versagen, und all die verdrängten Fragen, brachen aus ihrem Unterbewusstsein hervor. Doch bevor sie in eine Strudel aus Angst und Panik geraten konnte, strichen warme Hände über ihre Wangen. „Usa-ko“, hörte sie Mamoru, „Hab keine Angst. Ich werde immer bei dir sein“, flüsterte er, so dass nur sie seine Worte hören konnte, „Wir wussten immer, dass dieser Tag kommen würde, nun ist er da und wir müssen einfach das Beste daraus machen – für die Menschen, die auf uns zählen. Für uns. Für Chibiusa.“ Er lächelte sein warmes Mamoru-Lächeln und wischte die heimlichen Tränen beiseite, die sich in ihre Augenwinkel verirrt hatten. „Für Chibiusa.“, wiederholte sie mit pochendem Herzen und lächelte. Leise verabschiedete sie sich von Sailor Moon und ihren Abenteuern. Es war an der Zeit erwachsen zu werden, mutig zu sein und für Liebe und Gerechtigkeit einzutreten. Ihre Hände reckten sich in den Himmel, während ihre Freundinnen sich an den Händen hielten und sie in die Mitte ihres Kreises aufnahmen. Sie spürte, wie der kurze Rock und die Schleife vor der Brust verschwanden und wallende Stoffschwaden sich ihren Weg bahnten. „Macht des Silberkristalls…“ ENDE Anmerkung: Und hier endet dieser kleine Ausflug auch schon. Ich gehe gerne mit einem Knall und alles was ich erzählen wollte, wurde erzählt. Übrigens ist der Junge, dem Usagi in Kapitel 1 begegnet einer derjenigen, die später von ihr auf den Planten Nemesis verbannt werden, als Strafe für ihren Verrat. Dort wird Black Moon gründen, welches die zentralen Antagonisten der zweiten Staffel stellt. Der Junge ist quasi ihr Vorahne, daher scheint Usagi sein Gesicht so vertraut zu sein. Was die Zukunft bringt, wissen wir alle... Bis dahin PenAmour Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)