Heartrock* von AKIHIRO (Zoro ♥ Sanji) ================================================================================ Kapitel 13: Liar? ----------------- 13. Liar? Er hörte, wie die große, schwere Haustür ins Schloss fiel, die knirschenden, schleppenden Schritte in der Auffahrt, das Brummen des Motors. Dann konnte er einfach nicht mehr an sich halten. Sanji schrie laut los, er war außer sich. Die Zeitschriften, die Zigarettenschachtel und der leere Aschenbecher aus Steingut fegte er mit einer Handbewegung vom Tisch. Der Lärm war ihm egal. Er trat in den Haufen aus Papier. In seiner Rage warf er mit allem, was ihm in die Finger kam. Er verteilte die Sofakissen im Zimmer. Alles Dinge, die keinen Schaden anrichteten. Bis auf diese Glasvase. Mit voller Wucht schmiss er sie auf den Boden. Sie zersprang mit einem ohrenbetäubenden Klirren in tausend kleine, feine Teile. Das Wasser bahnte sich seinen Weg auf dem gefliesten Boden, hinein in den teuren Teppich. Es war ihm egal. Sogar, dass sich einige Splitter in die nackte Haut seiner Füße und Beine gebohrt hatten, oder ihm oberflächliche Schnittwunden zugeführt hatten. Es war doch alles egal. Dieses Bild entsprach der Wirklichkeit. Er stand vor den Scherben seiner... Ja, was hatten sie gehabt? Nichts. Nach einer Woche schon von Liebe zu sprechen war ihm zu früh gewesen, und jetzt hatte sich alles in Wohlgefallen aufgelöst. Alles war vorbei. Es tat so unendlich weh. Besonders wenn er daran dachte, mit wem er ihn hintergangen hatte. Sicher, jede andere Person wäre ebenfalls furchtbar gewesen, aber ausgerechnet dieser Ace, von dem Zoro doch wusste, dass er in ihn verliebt war. Wunderbar. Und dann kam er zu ihm, und hatte nichts gesagt. Nein, lieber nutze er noch die Gelegenheit aus, um ihn zu vögeln. Dieser verdammte Bastard. Er hasste ihn. Nie wieder wollte er ihn sehen. Sollte er doch vom nächsten Bus überrollt werden! Er spürte einen Stich im Herzen bei diesem Gedanken. Sanji konnte seine Gefühle nicht leugnen. Nach dieser einen, intensiven Woche hatte er schon so etwas wie Liebe empfunden. Dieses wärmende Gefühl in der Magengegend, dass ihn alles rosa sehen ließ. Und jetzt? Nun sah er vor lauter Tränen gar nichts mehr. Doch in ihm ließ sich all das nicht so einfach begraben. Es war die richtige Entscheidung gewesen, Zoro wegzuschicken. Ansonsten hätte er seinen Wutausbruch miterlebt, und wie er Dinge durch sein Haus warf. Und die hätten dann garantiert den Jüngeren getroffen. Sanji besah sich die Wunden an seinen Beinen. Nichts besonderes eigentlich. Er hatte sich sogar damals als Koch schlimmer verletzt. Einmal, als es übermäßig hektisch in der Küche zuging, fiel eines der Tranchiermesser aus der Halterung an der Wand, und aus Reflex griff er danach. Der Schnitt musste genäht werden, und noch heute hatte eine feine, silberne Narbe auf der Handinnenfläche. Präzise zog er jeden einzelnen Splitter aus seiner Haut. Es waren nicht mal zwanzig gewesen. Die kleinen Schnitte reinigte er ausgiebig mit Desinfektionsmittel. Es überraschte ihn selbst, wie er in einer solchen Situation eine ruhige Hand behalten konnte, und sich nicht mit einer großen Scherbe ganz dramatisch die Handgelenke zerschnitt. Nein, so ein Egoist war er nicht. Sanji setzte sich, nachdem er die Scherben entsorgt, und sich eine Flasche teuren Rotwein geholt hatte, auf sein Sofa. Er brauchte ein Ventil, um nicht gleich in seinen Volvo zu springen, und Zoro den Hals umzudrehen. Sanji war niemand, der lange weinte, und in Selbstmitleid zerfloss. Er war der Typ, der zu der Person, die ihm wehgetan hatte, nach Hause fuhr, und ihnen einen kräftigen Tritt verpasste. So leicht konnte und durfte er sich durch seine eigene Traurigkeit nicht unterkriegen lassen. Sanji musste etwas anderes tun. Er trank einen großen Schluck aus der Flasche. Es war eine Schande, so mit einem guten Tropfen umzugehen. Egal, er wollte einfach nur betrunken werden. Berauscht war er kreativer. Auch wenn der Alkohol nach dem ersten Schluck noch nicht ansetzte, nahm er sich Stift und Papier, dass immer griffbereit auf der Ablage unter dem Glastisch war. Dieser war ja jetzt komplett abgeräumt, also hatte er genug Platz, um energisch auf die erste Seite zu schreiben. Nach wenigen Minuten schmerzte ihm die Hand. Er beschaute sein Werk. Sanji hatte den Stift, einen fast leeren Kugelschreiber, völlig verkrampft gehalten, und mit der Spitze durchgedrückt. Allerdings musste er feststellen, dass er nichts anderes als Schimpfwörter auf das Blatt geschrieben hatte. Und die reichten von noch ganz netten Umschreibungen bis hin zu Wörtern, bei denen er sich fragte, ob er bei dessen Erwähnung in der Öffentlichkeit schon ins Gefängnis kam. Achtlos warf er das Blatt vom Tisch. All die wüsten Beschimpfungen hätte er ihm gern von Angesicht zu Angesicht mitgeteilt. Doch nicht jetzt. Nachdem er sich den Frust von der Seele geschrieben hatte, besann er sich. Wenn er schon voll mit diesen Gefühlen war, die von Melancholie bis Raserei reichten, würde er diese doch sicher gut verwenden können. Auch wenn ihre Liebschaft zu Ende sein sollte, sie mussten doch den Song schreiben und aufnehmen. Sanji würde all seine Professionalität zusammennehmen, sie mit einer kräftigen Priese Arroganz würzen, und Zoro einen Text vorlegen, bei dem er in Tränen ausbrach vor Ehrfurcht. Trotz all seiner Wut konzentrierte er sich darauf, Worte ohne Aggression zu finden, was gar nicht so leicht war. Ein Duett sollte es werden. Aber worüber sollten zwei Männer singen? Als Paar auftreten. Schon allein die Idee daran wäre lächerlich gewesen. Worüber also als betont heterosexuelle Männer singen? Frauen. Das war doch schon mal etwas. Doch was genau? Schöne Frauen. Sanji schreib eifrig diese Worte auf. Weiter. Warum sollten sie also über schöne Frauen singen? Nur weil es zum guten Ton gehörte? Nein. Vielleicht kein Lobeslied auf alle Frauen. Der Blonde kritzelte >auf eine Frau beschränken< auf seinen Schmierzettel. Gut soweit. Sanji nahm einen großen Schluck vom >Kreativ-Elixier<. Langsam spürte er den Alkohol in sich. Das konnte seiner Stimmung nur zuträglich sein. Plötzlich musste er an Zoro denken, auch wenn er sich geschworen hatte, es nicht zu tun. Er fragte sich, wieviel der Jüngere wohl getrunken haben musste, dass er Ace mit ihm >verwechselte<. Und das er dann noch in der Lage war, Sex zu haben. Fast schon erstaunlich. Er kam sich albern vor bei diesem Gedanken. Wie konnte er denn jetzt, in seinem Zustand, an Zoro denken? Besonders bei so etwas. Sanji trank, die Flasche war bereits nur noch bis zur Hälfte gefüllt. Offenbar verdunstete der Wein hier. In seinem Kopf sah er noch immer der Jüngeren. Furchtbar. Wenn er so weitermachte, würde er sich selbst ohrfeigen müssen. Er musste sich doch auf den Song konzentrieren. „Los, Sanji! Dichte einen Love Song!“, sagte er zu sich, die Flasche fest umklammert. Den ganzen Tag hatte er noch nichts gegessen. Auch wann er das letzte Mal feste Nahrung zu sich genommen hatte, wusste er nicht mehr. Kein Wunder also, dass der Wein so schnell anschlug. Bestimmt musste er deswegen an den Blödmann denken, mit seinen blöden breiten Schultern und den dämlichen festen Muskeln. Und erst recht dieser Hintern... Sanji lachte, und stellte die Flasche ab. Sie war leer. Er fühlte sich erbärmlich. War er etwa schon so abgestumpft, dass er sich benutzen ließ, ausgerechnet von einem Grünschnabel, und dann noch so an ihm hängen? Sein Lachen erstarb, und wandelte sich in ein Schluchzen. Obwohl er kaum etwas sehen konnte, schrieb er auf seinem Zettel weiter, voller Elan. Tränen tropften aufs Papier, ließen es an diesen Stellen weich werden. Nach einer Stunde, oder mehr oder weniger, waren all seine Gedanken auf dem Blatt niedergeschrieben. Mit einem fast zufriedenen Lächeln sah er es sich an. Dann legte er sorgfältig den nun leeren Schreiber nieder, und flätzte sich auf die Couch. Er hatte sein Tagewerk vollbracht. Und mit leichter Übelkeit entschwand er kurz darauf in einen schweren, traumerfüllten Schlaf. Zum wiederholten Male an diesem Tag erbrach er sich. Doch dieses Mal in seinen eigenen vier Wänden. Ob das nun besser war, wusste er auch nicht. Zumindest konnte er sich hier den Mund ausgiebig ausspülen. Nicht nur mit Wasser. Er holte sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank, und trank sie in wenigen Minuten leer. Er war schließlich allein, da konnte er über niemanden herfallen. Beinahe musste er lachen. Über seine eigene Dummheit, und Unfähigkeit. Er war dumm, weil den größten Mist fabriziert hatte, den er nur tun konnte. Und unfähig, sich einfach damit abzufinden, dass alles vorbei war, was je zwischen ihm und Sanji gewesen war. Nur noch der Vertrag und die Arbeit würden sie jetzt miteinander verbinden. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn sie so etwas wie eine Beziehung hatten, hatte Sanji nun Schluss gemacht. Diese Worte waren wie Gift in seinen Adern. Es brannte sich in jede Faser seines Körpers. Zoro verlor sein Zeitgefühl, und auch das Gespür dafür, wann er genug getrunken hatte. Auf seinem Wohnzimmertisch standen vier leere Flaschen, und die fünfte ruhte schon an seinen Lippen. Er war niedergeschlagen und angewidert, von seinem eigenen Verhalten. Zoro starrte auf die Bierflasche, die er auf den Tisch stellte. Erbärmlich war noch geschmeichelt, sollte man ihn beschreiben. Er konnte hier nicht herumsitzen und in Selbstmitleid zerfließen. Doch was tun? Dann fiel es ihm wie Schuppen aus den Haaren. Er sprang auf, und holte sich einen Schreibblock und einen Bleistift. Die Arbeit, die sie verband. Wenn er etwas geschrieben hätte, dann musste er Sanji kontaktieren. Er würde ihn vielleicht anhören, wenn er ihn anflehte, ihm zu verzeihen. Das der Blonde dies nie tun würde, wusste er genau, doch er müsste es wenigstens versuchen. Doch wie sollte ein rein männliches Duett sein? Worüber sang man, wenn man keine Liebesballade machen wollte? „Streng dein besoffenes Gehirn an...“, sagte er laut, und rieb sich über seine Stirn. Er musste Sanji mit seinem Text begeistern, das war klar. Er würde all sein Herzblut in diese verdammten Zeilen stecken, er würde das auch alles mit seinem eigenen Blut schreiben, wenn der Blonde es verlangt hätte. Wenn er ihm nur dann verzeihen würde. Zoro würde sich von ihm alles gefallen lassen, ob nun körperliche oder seelische Schmerzen, Verachtung, alles. Nur eines wollte er nicht von ihm erfahren. Ignoranz. Er wollte nicht, dass Sanji sich wünschte, er wäre nie in sein Leben getreten. Er wollte bei ihm sein. Als hielte er einen Holzstumpf, umklammerte er den Bleistift, und schrieb auf das Blatt Papier. Er zerriss es durch den enormen Druck, doch er konnte immerhin noch entziffern, was er geschrieben hatte. Also machte er unerbittlich weiter, und traktierte den Block. So lange, bis er alle seine Ideen festgehalten hatte. Zoro schaute auf die mittlerweile sechs leeren Bierflaschen. Sie waren ihm eine gute Inspirationsquelle gewesen. Er lehnte sich zurück. Zoro wusste, dass er morgen früh furchtbare Kopfschmerzen haben würde, doch der Alkohol und das Schreiben hatten ihn davon abgehalten, an Sanji zu denken. Er war so eiskalt zu ihm gewesen, als er ihn hinausgeworfen hatte. War es ihm etwa alles egal gewesen? Diese Frage stellte er sich erst jetzt, und sie bohrte sich in seinen Schädel. Das konnte nicht sein. Wäre es dem Blonden gleichgültig gewesen, dann würde er jetzt mit ihm zusammen auf dem Sofa sitzen, wahrscheinlich wieder hier bei ihm, sie würden sich betrinken, und später die ganze Nacht über Sex haben. Und was für welchen. Trotz seines Zustands, kurz vor einer Depression zu stehen, dachte er an Sanji. Nackt. Wahrscheinlich stimmte irgendwas mit ihm nicht, wenn er in einer solch traurigen Situation an das Eine denken konnte. Was für ein schrecklicher Mensch er doch war... Sein Atem wurde regelmäßiger und ruhiger. Es fiel ihm immer schwerer, einen klaren Gedanken zu fassen. Der Schlaf übermannte ihn. Und er hatte absolut nichts dagegen einzuwenden. Sein seliger Schlaf hielt nur wenige Stunden. Sanji war kein Langschläfer, auch nicht unter Alkoholeinfluss. Und besonders dann nicht, wenn er die Nacht auf seinem Sofa verbracht hatte. Seine Gelenke fühlten sich steif an, und jeder Muskel war verspannt. Oh Gott. Wurde er etwa alt? Sein Spiegelbild an diesem Morgen sprach deutlich dafür. Er hatte einen ungesunden Teint, und sein Haar, ohne jeglichen Glanz, stand wirr ab. Schön war anders. Nach einer heißen Dusche würde hoffentlich alles anders aussehen. Besonders sein Gesicht und seine Haare. Er fühlte sich erst wieder wohl, als er sich eingecremt hatte, die Haare noch einmal extra geglättet und frisiert hatte, und er wieder saubere, gepflegte Kleidung trug. Den Satinkimono hatte er so schnell wie möglich außerhalb seines Sichtbereichs gebracht. Er wollte nicht daran erinnert werden, wie er sich gestern dem grünhaarigen Volltrottel dargeboten hatte. Das kratzte doch schon sehr an seinem Ego. Endlich wieder in menschlicher Gestalt bewegte er sich zu seinem Arbeitsplatz von gestern. Die Papiere lagen verstreut auf dem Tisch und dem Boden. Ein besonders dicht beschriebenes Blatt Papier erkannte er gut wieder. Seine Hasstirade war darauf geschrieben. Er hob sie auf, überflog sie kurz, und legte sie dann zu den anderen Blättern. Etwas unschlüssig las er sich die Zeilen wiederholt durch. Der Text war wirklich gut. Und jetzt? Sanji hatte seinen Teil der Arbeit etwas erfüllt, und was war mit Zoro? Er hoffte, dass dieser auch etwas zu Stande gebracht hatte. Aber auch dann hatte er kein großes Bedürfnis, ihm zu begegnen. Er griff nach seinem Handy. Eigentlich wollte er Usopp-san anrufen. Doch er wusste, wie er seine Bitte auffassen würde. Er hätte ihn gern gefragt, ob sie nicht in getrennten Tonstudios aufnehmen könnten. Aber sein Manager hätte ihn schallend ausgelacht. >Was denkst du, was das für Kosten wären?< Und noch schlimmer wäre es, wenn er ihn danach fragen würde, aus welchem Grund sie nicht wie vorher zusammenarbeiten wollten? Dann hätte er sich eine unglaubliche Lüge ausdenken müssen, um nicht zugeben zu müssen, dass sie mit Freuden den Vertrag gebrochen hatten. Und einen Lügner wie Usopp-san zu täuschen, war ein unmögliches Vorhaben. Sanji seufzte. Irgendwann müsste er sich bei dem Blödmann melden, um mit ihm die Arbeit über die Bühne zu bringen. Irgendwann eben. Jetzt würde er erst einmal ausgiebig frühstücken, und- an sein lärmendes Telefon gehen. „Morgen, Usopp-san.“, sagte er in gespielt fröhlichem Ton. Konnte der Kerl Gedanken lesen? „Guten Morgen. Wie läuft es?“ „Danke, mir geht’s auch gut.“ Er brauchte ein Opfer, an dem er seine schlechte Laune auslassen konnte. „Also?“ Sein Manager war definitiv der Falsche dafür. „Es läuft hervorragend“, meinte Sanji knapp. „Das heißt?“ „Der Text steht wohl so weit... denke ich...“ Usopp-san seufzte. „Also ist noch nichts fertig?“ „So ähnlich.“ Ein stummer Schrei der Verzweiflung am anderen Ende der Leitung. „Was habt ihr die ganze Woche über gemacht? Meine Güte, andere Künstler haben einen Song in wenigen Stunden fertig geschrieben...“ „Wir hatten ein paar künstlerische Differenzen.“ ,log Sanji drauflos. „Deshalb hat sich das alles etwas in die Länge gezogen.“ „Künstlerische... okay. Und wann dürfen wir mit einem Ergebnis rechnen?“ „Bald.“ Wieder gab der andere Mann einen Seufzer von sich. „Na schön. Schließlich haben wir euch drei Monate gegeben. Dann werde ich Robin-san mitteilen, dass ihr beiden den gesamten ersten Monat zum Schreiben benötigt.“ „Vielleicht auch weniger!“, warf Sanji ein. Er glaubte seinen Worten nicht einmal selbst. „Schon klar, Sanji. Ruf mich an, wenn was vorliegt.“ „Du bist der Erste, der es erfährt.“ „Haha. Aber glaub ja nicht, dass ich nicht ab und zu nach dem Rechten sehe.“ „Sicher, Mama.“ „Bis dann.“ Und schon klappte er sein Handy zu und schob es in die Hosentasche. Also blieben ihnen noch drei Wochen, den Song fertigzustellen. Das sollte doch ausreichend Zeit sein. Hoffte er. Nervös kaute er an seiner Unterlippe. Sein Appetit war ihm gründlich vergangen. Stattdessen schob er sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Sanji hielt sich immer für zuverlässig. Ob nun damals noch als Koch, oder jetzt als Musiker. Doch mit diesem Zoro an der Seite fühlte er sich daran gehindert. Er wollte es nicht laut aussprechen, doch der Gedanke drängte sich in den Vordergrund. Bremste er ihn aus? Möglicherweise nicht karrieretechnisch, aber seine Kreativität hatte sich erst gezeigt, nachdem sie auseinander waren. Verflucht. Okay, zumindest stand der Text. Der Jüngere und er mussten ihn bloß noch ein letztes Mal bearbeiten, den >Feinschliff< ansetzen, schon wäre er fertig. Das bedeutete jedoch, er würde ihn anrufen müssen. Nicht irgendwann, sondern so schnell wie möglich. Jetzt? Einem Tag nach ihrem Ende. Mit zitternden Händen holte er sein Handy hervor. Am Liebsten hätte er es gegen eine Wand geworfen, als er es aufklappte, und ihm der Displayhintergrund in den Blick fiel. Er hatte in Foto gemacht, als Zoro geschlafen hatte, und dies als Hintergrund gespeichert. Super Idee. Doch jetzt müsste er den Kerl auch noch anrufen. Warum hatte er den Idioten auch schon auf der Schnellwahltaste? Sanji hörte das Freizeichen. Schnell zündete er sich die nächste Zigarette an. Vielleicht hatte er Glück, und Zoro würde nicht ans Telefon gehen. „Hallo?“ Seine aufgelöste Stimme ließ sein Herz schneller schlagen. Offenbar war der Jüngere grade erst aufgewacht. „Hallo.“ Fast hätte er sich zu einem >Wie geht’s?< hinreißen lassen. „Ich rufe nur an, um dir mitzuteilen, dass ich den Song geschrieben habe.“ Sanji hörte ein Rascheln, wahrscheinlich von Papier. „Ich hab auch was geschrieben.“ Zoros Stimme klang brüchig. „Oh. Du und ich sollten uns treffen. Um alles durchzugehen.“ >Du und ich<, und kein >wir<. „Und wann?“ Der Blonde sah auf seine schmale Armbanduhr. „Schaffst du es in einer Dreiviertelstunde in deinem Proberaum zu sein?“ Das >ja< oder eventuelle Wiederworte wartete er gar nicht erst ab. Mit einem „Bis dann“ beendete er das Telefonat. Scheiße. Sie würden sich gleich wiedersehen. Er musste sich dringend etwas anderes anziehen. Etwas, dass den Anderen auf die Knie zwang. Zoro sollte sich ruhig grämen, ihn hintergangen zu haben. Sanji machte sich in seiner engsten, schwarzen Jeans, einem weißen, nicht mal zur Hälfte zugeknöpftem Hemd (er wollte >Dekolleté< zeigen), und schwarzen, italienischen und fast schon aufdringlich glänzenden Schuhen auf den Weg. Dem Jüngeren würde die Luft wegbleiben. Sanji wusste, dass Zoro pünktlich sein würde. Daher verspätete er sich absichtlich um zehn Minuten. Er fuhr auf das Gelände des ehemaligen Bürogebäudes. Der Toyota stand schief in einer Parktasche, offensichtlich hatte er sich keine Mühe gemacht, ordentlich einzuparken. Ihm flatterte das Herz, als er die staubigen Treppenstufen erklomm. Sanji stand vor der Tür. Vorsichtig drückte er sie auf. Zoro hatte nicht abgeschlossen. Das holte er nun nach. Die Zwischentür war geschlossen. Ein letztes Mal richtete Sanji Frisur und Kleidung, dann betrat er den Proberaum. Nun hielt er den Atem an. Vor ihm saß Zoro, blass, und wirkte irgendwie kränklich. Er trug die gleichen, hastig zusammengesuchten Klamotten wie immer. Er sah vom Tisch auf. Der Hauch eines Lächelns war auf seinem Gesicht auszumachen. „Du siehst toll aus.“ So nah klang seine Stimme noch schlimmer. „Und du siehst echt beschissen aus.“ „Danke.“ Er hatte vorgehabt, mit einem Hüftschwung den Raum zu betreten, und sich galant zu ihm zu setzen. Stattdessen schlich er nun betreten zum Sofa. Zögerlich setzte er sich neben Zoro. Sanji räusperte sich. „Also. Das ist mein Entwurf.“, sagte er und legte die Zettel vor ihm auf dem niedrigen Tisch. „Das ist meiner.“ Zoro schob ihm ein Papier zu. Beide nahmen die Kladde des jeweils anderen und lasen. Zoro hatte Talent zu schreiben, das merkte er. Doch das war nicht der Grund, weshalb ihm der Kiefer von Zeile zu Zeile weiter aufklappte. Natürlich benutzte der Jüngere andere Worte als er, und auch sein Satzbau unterschied sich von seinem. Und doch, es war unbestreitbar das gleiche Thema, dass Zoro und er gewählt hatten. Im Groben ging es darum, dass zwei Männer, also sie beide, unglücklich verliebt waren, wie sie beide, und nun diesen Schmerz besangen. Alles war schwammig und nur angedeutet, und der geneigte Hörer konnte sich nun aussuchen, ob sie sich gegenseitig meinten, oder von einer Frau sagen. Soviel zu seiner Idee, über das weibliche Geschlecht zu singen. Ihnen war klar, was sie damit sagen wollten, und wen sie meinten. „Ich befürchte, du hast geistigen Diebstahl begangen.“, meinte Sanji mit einem matten Lächeln, als er das Papier auf den Tisch sinken ließ. Zoro schaute schon fast schüchtern zu Blonden. „Und was ist mit dir? Ich fürchte, es steht Aussage gegen Aussage.“ Sanji schüttelte den Kopf. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit gewesen, dass sie unabhängig voneinander einen thematisch gleichen Text schreiben würden? Schwindend gering. Aber nicht unmöglich. „Du verfluchter, dämlicher, absolut verabscheuenswerter Halbaffe. Was fällt dir ein?“ Sanji schlug dem Jüngeren mit der flachen Hand ins Gesicht. Er sah ihn unverändert an. „Das musste sein, weißt du?“ Zoro nickte. „Ich hätte noch mehr verdient.“ Sanji lachte kurz auf. „Jetzt werd' bloß nicht zum Masochisten... Volltrottel.“ „Ich weiß.“ Er war noch immer wütend und enttäuscht von ihm. Dennoch. War es ein Zeichen, dass sie beide den gleichen Text schrieben? Schicksal? Daran glaubte Sanji nicht. Zufall? E wusste es nicht. Als ob es da groß etwas zu erklären gab. Zoro bereute seine Schandtaten zutiefst, die er dem Blonden angetan hatte. Er war eben doch ein guter Mensch, oder? Und er selbst? Sanji fühlte sich grade wie eine melancholische Drama Queen, die ohne ihren >Lover< keinen ganzen Tag aushielt. „Das alles ist noch beschissener und kitschiger als in so einer dämlichen Daily Soap...“, sagte Sanji. „Hast du grade vor mir geflucht?“ Überrascht sah er Zoro an. Tatsächlich hatte er sich eigentlich immer vor ihm gezügelt. Doch da jetzt sowieso alles anders zwischen ihnen war, konnte er auch auf seine Zurückhaltung pfeifen. „Damit eins klar ist: Du bist noch immer ein Arschloch.“, sagte Sanji und boxte Zoro auf den muskulösen Oberarm. „Das werde ich ewig sein.“ „Schön.“ „Sanji, ich weiß, dass keine Entschuldigung den Mist entschuldigen kann, den ich gemacht habe...“ Er griff nach der Hand des Anderen, der die Augenbrauen zusammenzog. „Rede doch nicht so furchtbar gestelzt...“ „Ich weiß nicht, was ich tun soll, um dir zu beweisen, dass ich mich selbst für das hasse, was ich getan habe.“ Sanjis Mund verzog sich zu einer strengen Linie. „Rede weiter.“ „Das, was ich dir angetan habe...“ „Mit deinem besten Freund in der Kiste zu landen...“ „...ist unentschuldbar, das weiß ich selbst. Und doch, ich würde alles tun, damit du mir nur irgendwie verzeihst.“ Zoros Stimme brach ab. „Ich hoffe, du bist dir bewusst, wie unglaublich abgeschmackt das alles klingt?“ Der Jüngere nickte. „Wunderbar. Dann sieh mich jetzt an.“, sagte Sanji scharf. Zögerlich hob Zoro den Kopf, und blickte in das Paar funkelnder blauer Augen. „Wenn du dir auch nur einmal einen weiteren, ähnlichen Fehltritt erlaubst, werde ich dich öffentlich vierteilen. Höchstpersönlich.“ Der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben. Offenbar waren seine Drohungen noch immer überzeugend wie eh und je. „Wir müssen diesen Song fertigstellen. Schließlich haben wir einen Vertrag unterschrieben. Also lass uns wie zwei erwachsene Menschen miteinander umgehen.“ Kaum hatte er den Satz beendet, schlang Zoro seine Arme um seinen schlanken Körper. „Du bist ein totales Weichei, weißt du das?“, fragte Sanji und legte ihm eine Hand auf den Kopf, der energisch an seiner Schulter nickte. „Glaub ja nicht, diese ganze Sache ist vergessen.“ Zoro blickte in sein Gesicht. „Nein...“, sagte er bloß. „Fang ja nicht an zu weinen, klar?“ Sanji tätschelte ihm die Wange. „Du großer starker Kerl...“ Alles war so unglaublich lächerlich. Wie konnte er ihm jetzt schon wieder auf diese Art begegnen? Fakt war, dass Zoro ihn betrogen hatte. Mit Ace. Und dass er, bevor er es ihm gebeichtet hatte, erst noch einmal mit ihm geschlafen hatte. Doch Fakt war auch, dass er in ihn verliebt war. Warum war alles nur so ekelhaft kitschig? „Zoro, hör zu.“ Der Jüngere sah ihn aufmerksam an. „Da wir ja beide so unfassbar dumm sind, uns noch immer zu mögen. Hast du Interesse daran, es noch mal zu probieren? Ich meine, vorher war es ja eine lockere Was-auch-immer.“ Zoro fuhr ihm mit der Hand durch das blonde Haar. „Wenn du akzeptierst, dass ich ein dämlicher Trottel bin, der für immer Buße tun wird?“ „Letzteres setze ich voraus, Baka.“ Sie lächelten sich an. „Ich hasse dich...“, sagte Sanji, und beugte sich zu ihm vor. „Ich weiß...“ So leicht käme ihm Zoro nicht davon. Er würde sich noch erproben müssen, bevor der Ältere sich wie vor diesem Theater auf ihn einlassen konnte. Ihre Lippen berührten sich, und es kribbelte angenehm. Zumindest das fühlte sich noch so gut an wie immer. Doch dieser Moment währte nicht lange. Ein lautes Klopfen erstickte jegliche Romantik im Keim. „Erwartest du jemanden?“, fragte Sanji. „Nein. Robin hat sich auch nicht angemeldet.“ Tat sie schließlich nie. Zoro stand auf und ging zur Tür. Das Klopfen wurde immer heftiger und lauter. Er schloss auf, und bevor er sehen konnte, wer sie mit einem Besuch beehrte, wurde die Tür von außen aufgedrückt. Eine rothaarige Frau mit endlos langen Beinen und eng anliegender Kleidung stürmte in den Flur. „Ist er hier?“, keifte sie Zoro an. „Wer?“ Sie rollte mit den Augen, als ob es dem Grünhaarigen klar sein müsste, von wem sie sprach. Die Frau verschränkte die Arme vor der Brust. „Verzeihung Lady, wen suchen Sie?“, fragte Zoro höflich, aber komplett verwirrt. „Sanji, wen sonst?“ Der Mann sah sie irritiert an. „Darf ich fragen, wer Sie eigentlich sind? Sie rümpfte die Nase. Offenbar war sie von dem kleinen Vorraum nicht besonders angetan, und von ihm ebenfalls nicht. Die Frau hob die Augenbrauen und blickte den Anderen an. „Ich bin Nami. Sanjis Ehefrau.“ Zoro war, als hätte er einen heftigen Tritt in den Magen bekommen. Ihm wurde sofort schlecht. Wo war er hier nur hineingeraten? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)