Mirrors World - Dornenfluch von CharleyQueens (Winterwichteln 2012/13) ================================================================================ Kapitel 5: Auf den Rabenschwingen --------------------------------- Sie schlugen den gleichen Weg ein, doch redeten sie kein Wort miteinander. Während sie durch die Heide gingen, einen Fluss überquerten und das Klima dabei immer wärmer wurde, ignorierten sie den anderen, so gut es ging. Nur einmal, als Erik beinahe in den Fluss gefallen wäre, wollte Christopher ihm helfen, doch dieser schlug die Hand weg, die er ihm hingehalten hatte und half sich selbst aus der Situation. Wie lange sie nun schon wanderten, konnte keiner von beiden sagen. Sie ruhten sich nachts aus und liefen am Tag. Einmal kamen sie in ein Dorf, indem sie Nahrung kauften. Christopher kaufte auch etwas für Erik und schob es dem Jungen heimlich unter, als dieser schlief. Er konnte nicht mitansehen, dass dieser hungern musste. Erik nahm das Essen wortlos an, nur ein kurzes Lächeln in Christophers Richtung deutete er an, als er dieses am nächsten Tag entdeckte. Sie kamen an einen Strand an. Fasziniert blickte Erik über das Meer, an dessen Horizont sich die Sonne gerade ihrem Ende neigte. Er war noch nie am Meer gewesen und blickte nun über die Dünen, als er etwas entdeckte. Ein zweiter Rabe saß auf einem kleinen Sandhügel. Doch etwas an ihm war anders. „Seine Flügel deuten in zwei verschiedene Richtungen!“, bemerkte Christopher. „Welchen Weg sollen wir einschlagen?“ „Ich gehe nach Osten!“, meinte Erik bestimmt. „Und wieso denkst du, dass das richtige Weg ist? Ich bin für den Weg nach Westen!“, erklärte der junge Thronerbe. „Und deshalb ist Osten der richtige Weg“, beharrte Erik. „Denn deine Entscheidungen waren ja noch nie richtig.“ „Das sagt ausgerechnet derjenige, dem seine eigene Familie total egal ist und lieber wegläuft, anstatt sich seinen Problemen zu stellen!“, rief Christopher aus. „Halte dich aus meinen Angelegenheiten raus. Du hast keine Ahnung, wie mein Vater ist!“, sagte der junge Schüler. „Du hast jede Nacht im Schlaf gesprochen!“, stellte sein Gegenüber fest. „Darum gewimmert, dass du es nicht mehr aushältst, dass dein Vater ein Trinker ist.“ „Ja und?“ Erik blickte ihn erzürnt an. „Du fragst nicht einmal nach dem Grund, wieso er das tut!“, entgegnete Christopher. „Oder hast du ihm jemals angeboten, Hilfe für ihn zu suchen?“ „Er hätte sie doch sowieso nicht angenommen!“, schrie Erik verzweifelt. „Er denkt nur an sich, ich bin ihm doch völlig egal. Und außerdem, was kümmert dich das eigentlich? Du hattest kein Problem damit, dass sich Perona geopfert hat. Du siehst nur deinen eigenen Vorteil, die anderen interessieren dich doch gar nicht!“ „Nun, wenn du so denkst, wieso gehst du dann nicht einfach den Weg, den du für richtig hältst und ich den anderen?“, rief Christopher aus. „Dann bin ich dich wenigstens los!“ „Endlich hast du mal eine richtige Entscheidung getroffen!“, äußerte Erik und ging Richtung Osten los. „Auf Nimmerwiedersehen!“, murmelte er. „Viel Spaß hier zu versauern!“, rief Christopher ihm nach und ging dann nach Westen. Keiner der beiden bemerkte, wie der Rabe mit den Flügeln schlug und wieder gen Himmel flog. Nach Westen, er ging nach Westen. Im Westen ging die Sonne auf, es lag doch auf der Hand, dass der richtige Weg zum Schloss dort lag. Christopher war es egal, was Erik dachte. Sollte dieser doch zusehen, wo er blieb. Nie zuvor hatte er so einen starrköpfigen Typen kennengelernt. Wie konnte man einfach ignorieren, dass der Vater Probleme hatte, denn sonst würde er ja nicht trinken. Christophers Großonkel war selbst dem Alkohol verfallen, als er bei einem Brand seine ganze Familie verloren hatte. Jeder hatte sich von ihm abgewandt, als er immer peinlicher wurde, nur Christopher war bei ihm geblieben. Auf seinem Sterbebett hatte dieser dem kleinen Jungen dann anvertraut, dass er selbst das Feuer gelegt hatte. Er wäre dankbar, dass Christopher ihn nicht im Stich gelassen hatte. Der Junge hatte nie erfahren, was genau sein Großonkel eigentlich getan hatte. Doch er hatte gelernt, dass man sich nicht einfach von seiner Familie abwenden durfte, sondern ihnen Hilfe anbieten müsse. Egal, wie tief diese gesunken war. Doch Erik schien das nicht zu kapieren. Er behauptete, Christopher würde Menschen nur helfen, wenn er selbst einen Vorteil daraus schlug, doch das war gelogen. Er half Menschen, weil er es wollte. Und wenn er dann eine Gegenleistung von ihnen verlangte, was war so falsch daran? Ein Wald tauchte auf, und Christopher ging den Weg hinein. Dies hier war ein gewöhnlicher Wald, stellte er fest. Ein Baumstumpf tauchte vor ihm auf, auf dem der nächste Rabe saß. Irritiert stellte Christopher fest, dass dieser nun nach Osten deutete. Er schlug den Weg ein und fragte sich, was Erik gerade machte. Ob dieser dämliche Vollidiot irgendwann merken würde, dass seine Beschuldigungen dem Prinzen gegenüber vollkommener Schwachsinn waren? Er war immerhin ein Prinz. Er machte nie irgendetwas falsch. Niemals… Was war schlimm daran, eine Gegenleistung zu fordern? Es war ja nicht so, als würde er zuerst die Entschädigung fordern und erst danach das Leben eines Menschen retten. Er war ein Prinz. Und er sah nichts Falsches daran. … „Christopher, du bist so ein Idiot!“ Erik ging nach Osten. Er wollte einfach nur weg von Christopher, wollte die Worte des Prinzen nicht mehr hören. Es ging ihn doch überhaupt nicht an, wie Erik sich seinem Vater gegenüber benahm. Er wusste doch nicht, was es hieß, arm zu sein. Sich nie etwas leisten zu können, wenn das Geld ständig knapp war und man jeden Cent zweimal umdrehen musste, bevor man ihn ausgab. Als Prinz wurde er doch mit goldenen Löffeln gefüttert. Alles tat man, was der Adlige verlangte, denn er würde später einmal König werden. Christopher hatte doch keine Ahnung, was in Erik vorging. Er ging am Strand entlang, hatte seine Turnschuhe ausgezogen und watete nun im Meer, während die Wellen sanft seine nackten Füße umspielten. Wie gut sich das kühle Nass doch anfühlte. Er lief gerne, doch nun hatten sich an seinen Füßen die ersten Blasen gebildet und er hoffte, dass er bald endlich wieder nach Hause finden würde. Sein Vater interessierte ihn zwar nicht, es war viel mehr das Studium, das ihn lockte. Sein Vater war ihm egal, total egal. Es war ihm doch total egal, wie es seinem Sohn erging. Oder, was sein Sohn für Pläne hatte. Nie hatte er auch nur einmal gefragt, was Erik eigentlich wollte. Und wenn er es erfuhr, dann würde er dagegen sein. So wie er es Erik verbieten wollte, die Aufnahmeprüfung für die Winchester-Uni zu besuchen. Wenn seine Mutter noch leben würde, sie hätte es ihm bestimmt erlaubt, schoss es Erik durch den Kopf. Und vielleicht würde sein Vater dann auch anders sein. Vielleicht würde er dann ein liebevoller Vater sein. Einer, der seine Probleme nicht in Alkohol ertrank. Doch seine Mutter war gestorben und sein Vater war … ein Arsch! So sah es Erik jedenfalls. Und Christopher war kein Deut besser. Er hatte einfach so das Leben von Perona geopfert. Nein, er hatte einfach zugesehen, wie Perona sich opferte… Sie hatte sich geopfert und Christopher war es egal gewesen. Erik hätte sich sofort angeboten, denn er wollte das Leben Peronas nicht gefährden. Und auch Christopher war ihm wichtig gewesen. Er hätte es nicht ertragen, wenn dieser sich opfern würde. Viel lieber hätte Erik sein eigenes Leben gegeben. Vor ihm auf dem Sand entdeckte Erik den nächsten Raben. Und merkwürdigerweise deutete dieser nach Westen. Erik folgte dem Flügel des schwarzen Vogels, welcher ihn fort vom Strand in einen Wald hineinführte. Er erinnerte sich daran, wie er hier Christopher das erste Mal getroffen hatte. Der Junge hatte so freundlich gewirkt. Waren da wirklich böse Hintergedanken gewesen? Und doch, er hatte Peronas Leben geopfert… Um sein eigenes zu schützen. Und das von Erik. „Erik, du bist so ein Idiot!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)