Mirrors World - Dornenfluch von CharleyQueens (Winterwichteln 2012/13) ================================================================================ Kapitel 7: Der Fluch der Schlafenden Schönheit ---------------------------------------------- Sie landeten vor einer Dornenhecke. Vorsichtig rappelten sie sich auf und Erik trat an die Hecke heran. „Meinst du, wir schaffen es dadurch?“ Er erinnerte sich daran, dass im Märchen die Dornenhecke sich erst nach hundert Jahren öffnete. Was wohl wäre, wenn diese hundert Jahre noch nicht vorbei waren? Christopher trat nach vorne und berührte vorsichtig einen der geschlossenen Blütenköpfe. Sofort öffnete sich die Rose und nach und nach machten auch alle anderen ihre Köpfe auf. Wie von Zauberhand öffneten die Dornen einen Weg hinein ins Innere. Christopher schritt voran und Erik folgte ihm. „Sag mal, wie fühlst du dich eigentlich?“, fragte der Prinz nach einer Weile und sah Erik an. Der Junge seufzte. „Besser!“, antwortete er und biss sich auf seine Unterlippe. „Danke, dass du mich daraus geholt hast!“ Er lächelte ihn erkenntlich an. „Du hast dein Leben riskiert, um mich zu retten!“ „Na ja, wir sind ja Freunde!“, meinte Christopher verlegen. „Bist du sicher, dass du es schaffst?“ Erik nickte zuversichtlich. „Ich hab bisher alles geschafft, den Rest werde ich auch noch hinter mich bringen!“, meinte er zuversichtlich. „So kurz vor dem Ziel können wir doch nicht einfach aufhören!“ Christopher nickte schmunzelnd. „Na dann, stürzen wir uns ins Abenteuer!“ Sie gelangten an das Ende der Dornenhecke und vor ihnen kam ein altes Schloss in Sicht. Es ähnelte mehr einer Burgruine als einem Schloss. Es musste bestimmt schon mehrere Jahrtausende alt sein, denn so eine Baukunst hatte Christopher noch nie gesehen. Entschlossenen Schrittes ging er darauf zu und öffnete die Tür. „Was meinst du, wo finden wir die Prinzessin?“ „Lass uns zum höchsten Turm gehen!“, meinte Erik, sich an das Märchen erinnernd. Sie traten in den Burghof und wandten sich dann zu dem höchsten Turm. Die Tür war von Dornen bedeckt, doch Christopher schlug sie weg und öffnete die Tür. Eine Wendeltreppe führte steil nach oben. Vereinzelte Stellen waren mit Spinnweben bedeckt. Sie rannten nach oben und hielten sich am Geländer fest. „Beeilen wir uns!“, rief Christopher ihm zu und seine Hände strichen über die Steine an der Wand. „Dann lauf schneller!“, drängte Erik ihn, was sich dieser nicht zweimal sagen ließ und sein Tempo erhöhte. Schließlich erreichten sie das Ende der Treppe. Nach Luft schnappend lehnten sie sich an das Geländer. „Puh, das war anstrengender als erwartet!“, rief Christopher auf und trat zur Tür. „Wollen wir?“ Erik nickte und der Prinz drückte die Türklinke nach unten. Sie betraten das Burgzimmer, in dessen Mitte eine umgefallene Spindel stand. An der Wand stand ein Himmelbett mit dunkelrotem Bezug. Vorsichtig näherte sich Christopher dem Bett und entdeckte tatsächlich eine junge, schlafende Frau. Blauschwarzes, glänzendes Haar umrahmte ein ebenmäßiges Gesicht. Lange Wimpern waren zu sehen und ein blutroter, sinnlicher Kussmund. Die Decke war halb verschoben, sodass er einen Blick auf die Hälfte ihres Oberkörpers erhaschen konnte. Eine wohlgeformte Brust war unter einem weißen Kleid versteckt. Er lächelte und strich durch ihre Haare. „Wer kann so einer Schönheit denn nur so etwas antun?“, flüsterte er in ihr Ohr und beugte sich zu ihr herunter. „Es wird Zeit aufzuwachen, Dornröschen!“ Er näherte sich vorsichtig ihren Lippen. Und dabei verrutschte die Decke, sodass sie zu Boden fiel. Mit seinem Fuß schubste er die Samtdecke weg. „Oh! Mein! Gott!“ Erik schrie erschrocken auf. „Christopher, sieh doch mal!“ Der Prinz sah irritiert auf und folgte Eriks Blick, der auf das deutete, was vor den Füßen des Bettes lag. Ein junger Mann, möglicherweise in Christophers und Eriks Alter lag dort. Er trug ein Hemd, über welches er ein halbzugeknöpftes Sakko angezogen hatte. Sein Gesicht war recht hübsch, ein dünner Schnurrbart war über seiner Oberlippe. Seine Hose hatte er in Seidenstrümpfe gesteckt und dazu trug er braune Halbschuhe. Dieser Mann musste schon lange dort liegen, denn seine Kleidung entsprach nicht mehr dem heutigen Stil. Für Männermode interessierte sich Christopher nicht und so suchten seine Augen weiter nachdem, was Erik so erschreckt hatte. Ein blutroter Fleck war auf der Brust des jungen Prinzen zu sehen. Christopher strich darüber und stellte fest, es war ein Loch. So, als hätte jemand mit der Hand da reingegriffen und etwas herausgeschnitten. „Wer ist das bitteschön?“, fragte Erik nach. Er konnte Blut nicht sehen und blieb im Türrahmen stehen, während er krampfhaft versuchte, sich nicht zu übergeben. Als Christopher bemerkte, dass Erik den Anblick nicht ertragen konnte, schmiss er die Decke wieder über den Leichnam. „Ich habe keine Ahnung!“, erklärte Christopher und trat von der Leiche weg. „Denkst du, er könnte auch schon versucht haben, die Prinzessin zu wecken?“ Erik zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung!“, meinte er und sah sich im Raum um, als plötzlich ein lautes Pochen an sein Ohr drang. „Hörst du das?“, fragte er nach. Christopher lauschte. „Der Herzschlag der Prinzessin!“ Er trat an sie heran und legte eine Hand auf ihre Brust. Das Herz pochte darunter, doch der Körper bewegte sich nicht. Verwundert knöpfte der Prinz das Oberteil des Kleides auf und legte ihren Oberkörper frei. „Du sollst sie küssen, nicht flachlegen!“, rief Erik aus, doch Christopher winkte ihn her. Neugierig trat er zu den beiden ans Bett und entdeckte die Fäden, die quer durch die linke Brust genäht waren. „Was ist das?“, fragte er. „Es wirkt, als hätte jemand etwas zugenäht!“, meinte Christopher und zupfte an einem Faden. Er stockte und blickte für einen Moment gedankenverloren in die Luft. „Wusstest du, dass Feen keine Herzen besitzen? Sie atmen auch nicht und diese Schönheit hier scheint auch nicht zu schlafen!“, erklärte der junge Prinz. „War es nicht eine Fee, die den Todesfluch in einen Hundertjährigen Schlaf gewandelt hatte?“, erinnerte sich Erik an das Märchen. „Du denkst doch nicht etwa, dass das dort eine Fee ist?“ „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass dem so ist. Und wenn mir mein Gefühl etwas sagt, setze ich alles daran, die Wahrheit herauszufinden!“, meinte Christopher und zückte sein Schwert. „Schneiden wir das Herz heraus und finden es raus!“, sprach er grinsend und setzte die Schwertspitze an ihre Brust. Mit einer einzigen, raschen Bewegung trennte er die Fäden auseinander und griff mit seiner Hand ins Innere hinein. „Bääh, das ist ja widerlich!“, rief Erik angeekelt aus, als Christopher seine Hand herauszog und tatsächlich ein pochendes, menschliches Herz herausholte. „Boah, mir wird schlecht!“ Christopher grinste. „Komm, so eklig ist das doch gar nicht!“ „Wenn du das nicht eklig findest, dann dreh dich doch mal um!“, meinte Erik angsterfüllt. Verwundert sah Christopher hinter sich. Die junge Frau hatte die Augen geöffnet und erhob sich nun langsam. Ihr schwarzes Haar fiel wie ein Schleier in ihr Gesicht und doch konnte Christopher ein diabolisches Lächeln erkennen. Vorsichtig trat er einen Schritt zurück. „So, ihr seid also hinter mein Geheimnis kommen?“ Eine sanfte Stimme erfüllte den Raum und ihre blutroten Augen fixierten Christopher. Erik trat nach vorne, zitternd doch bereit, seinen Freund zu schützen. „Meine Schwester hat euch gewarnt. Ihr hättet auf sie hören sollen!“, meinte sie lächelnd. „Deine Schwester?“, erkundigte sich Erik. „Etwa, die Schneekönigin?“ „Ja, meine Schwester. Die weiße Fee, unter euch Menschen auch als Schneekönigin bekannt!“, erklärte sie nickend. „Und die einzige Fee, die sich nicht von mir abgewandt hat!“ Sie stand auf und trat achtlos auf den Leichnam, der vor ihr lag. Erstaunt blickte sie nach unten. „Ich hatte ganz vergessen, dass er dort lag. Nun ist es schon so lange her, dass ich ihn tötete. Vielleicht hätte ich seine Leiche schon früher loswerden sollen!“, überlegte sie laut. „Was meinst du damit?“, wollte der Prinz wissen. „Rate doch einfach!“, meinte sie mit einem kalten Lächeln im Gesicht. „So habe ich wenigstens Zeit mir eine Strafe für euch auszudenken. Dafür, dass ihr nicht in meine Falle geraten seid!“ Erik und Christopher warfen sich einen fragenden Blick zu. „Wenn du eine Fee bist, warst du dann die Fee, die die echte Prinzessin töten wollte?“, hakte Erik nach. „Nein, das war ich nicht!“, entgegnete sie. „Dann, dann warst du die, die den Fluch umgeändert hat, oder?“, kombinierte der Junge verwundert. „Aber weshalb hast du das dann getan?“ „Weil ich betrogen wurde!“, gab die schöne Fee zur Antwort. „Ich habe den Fluch geändert und war auf der Suche nach dem Mann, der den Fluch von ihr lösen würde.“ „Aber, du hast ihn nicht gefunden?“, fragte Christopher. „Oh doch, ich fand ihn. Was meint ihr wohl, wer der Mann dort unten ist?“ Sie deutete mit ihrem nackten Fuß auf die Leiche. „Er ist der Prinz gewesen!“, schlussfolgerte Erik. „Weshalb hast du ihn dann getötet?“ „Weil er mich betrogen hat!“, erklärte die Fee. „Ich habe ihn geliebt und trotzdem hat er dieses dumme Dornröschen gesucht und wollte sie zur Frau nehmen. Eine Frau, die er nicht einmal kannte. Ich jedoch war ständig für ihn dagewesen. Also habe ich es herausgerissen, sein dummes, achtloses Herz und es mir eingesetzt. Und das Dornröschen selbst fiel in einen Schockzustand. Sie sieht immer und immer wieder, wie ich ihren Liebsten vor ihren Augen töte…“ Ein erbarmungsloses Lachen erfüllte den Raum. „Liebe ist etwas für Blinde. Das Gute existiert doch gar nicht. Und so habe ich jedes Mal die Legende der Schlafenden Schönheit verbreitet und darauf gewartet, dass irgendein dummer Jüngling ankommen würde und ich ihm wieder sein Herz herausreißen könne. So ging es Jahrhunderte lang… Und dann musstet ausgerechnet ihr auftauchen!“ Etwas veränderte sich an ihr. Und eindeutig nicht zum Besseren. „Ihr musstet hier auftauchen und mir das Herz herausschneiden. Ohne Herz, wie soll ich dann meine Opfer einsammeln? Ich brauche es, also gebt es mir wieder!“ Und wie eine Schlange sauste sie nach vorne und schnappte mit ihren krallenartigen Fingern nach Christopher, der gerade noch zurückweichen konnte. Er umklammerte sein Schwert und hob es an, bereit sich einem Kampf zu stellen. „Denkst du wirklich, dieses Spielzeug könnte mich aufhalten?“, lachte sie boshaft und flog wieder auf ihn zu. Gerade noch rechtzeitig wich der junge Prinz ihrem Angriff aus, doch geriet er dabei ins Stolpern und ließ beinahe das Herz fallen, welches er noch immer in seiner Hand hielt. Die Fee schnappte nach dem Organ und Christopher wurde klar, dass es ihr gar nicht um ihn ging, sondern viel mehr um das Herz. Im hohen Bogen warf er es Erik zu. „Fang!“, rief er ihm zu. „Du weißt, was du damit zu tun hast!“ Verdutzt fing dieser es auf und die Fee griff nun ihn an, doch Christopher stellte sich dazwischen. „Ich bin dein Gegner, also kehre mir nicht den Rücken zu!“, verlangte er und hob das Schwert in ihre Richtung. Christopher schlug nach der Fee und ließ ihr keine Zeit. Er griff an, bluffte, parierte. Erik nutzte die Zeit und stürzte auf den Leichnam zu, der unter der Decke versteckt war. Ihm war klar, dass er das Herz wieder seinem rechtmäßigen Besitzer wiedergeben musste. Er schlug die Decke weg und würgte, als er den Toten erblickte. So etwas war widerlich, einfach nur widerlich. Mit zitternden Händen drückte er das Herz in das Loch hinein. „Wie kannst du es wagen?“, schrie die Fee verzweifelt, als sie sah, was Erik getan hatte. Er zog seine Hand zurück und kaum hatte er den Leichnam des toten Prinzen losgelassen, fing die Fee auf einmal an zu brennen. Stumm sahen Christopher und Erik dabei zu, wie sich die Flammen um die Fee schlossen und sie schließlich verschwand. Eine Rose segelte zu Boden, dort wo sie stand. „Ist es jetzt vorbei?“, fragte Erik nach und erhob sich. „Ja, ist es!“ Christopher schob sein Schwert zurück in die Spitze. „Ich glaube, ich werde niemals heiraten.“ „Aber Heiraten ist etwas Wunderschönes!“, erklang auf einmal eine männliche Stimme. Ein junger Mann, der Prinz der dort zu Boden lag, schwebte vor ihnen. Er war durchsichtig und beiden war klar, dass dort ein Geist vor ihnen stand. Und durch die Tür kam ein zweiter Geist geschwebt. Eine junge Prinzessin, gekleidet in einem alten, zerrissenen Kleid. Sie schwebte auf den Prinzen zu und Erik und Christopher erkannten in ihr das echte Dornröschen. „Vor allem, wenn man den heiratet, den man von ganzem Herzen liebt!“, sprach sie aus und berührte mit ihren Fingern das Gesicht des Prinzen. Sie drehte sich um und als Eriks Blick den ihren traf, erkannte er sie mit einem Male. „Du warst das!“, rief er aus. „Du warst die Zigeunerin im Park! Und du warst diese Frau, die mir im Traum erschienen ist. Weshalb hast du mich gerufen?“ „Weil du der Einzige bist, der in der Lage war, den Fluch zu brechen!“, erklärte sie mit einem glücklichen Lächeln auf dem Gesicht. „Du und der junge Prinz hier. Gemeinsam habt ihr den Fluch gebrochen und uns endlich wieder vereint. Wir sind euch zu Dank verpflichtet!“ „Sag, wenn du mich hierher gebracht hast, kannst du mich dann auch wieder zurückbringen?“, wollte Erik wissen. Dornröschen nickte. „Du musst das Amulett öffnen, dann wird es dich zurückbringen!“, erklärte sie ihm. „Jetzt wird es Zeit, sich zu verabschieden. Mein Liebster und ich waren schon viel zu lange voneinander getrennt.“ Und sie umarmte den Prinzen und beide lösten sich in Sternenstaub auf. Erik und Christopher blieben alleine in dem Zimmer zurück. „Du wirst jetzt auch gehen?“ Der Prinz blickte Erik fragend an. „Ich muss!“, entgegnete dieser. „Ich gehöre nicht in diese Welt hinein, das weißt du. Und außerdem, mein Vater wartet auf mich. Du hast selbst gesagt, ich solle mit ihm reden!“ Christopher seufzte. „Ich weiß, und doch fällt es mir schwer, nun Abschied zu nehmen!“, gestand dieser. Erik lächelte zuversichtlich. „Mir doch auch!“, gestand dieser. „Du bist wirklich ein guter Freund geworden. Und deshalb werde ich dich auch nie vergessen!“ „Tja, ich bin zu männlich, um jetzt los zu flennen!“, meinte Christopher grinsend und umarmte Erik. „Mach’s gut, du Spinner. Und solltest du mich vergessen, mach ich dir Feuer unterm Hintern!“ „Jemanden wie dich kann man nicht vergessen!“, entgegnete Erik lachend und öffnete das Amulett. „Auf Wiedersehen, Christopher!“ Er schlug die Augen auf. Er saß auf der Parkbank, dort wo er sich hingesetzt hatte. Verwundert sah sich Erik um und stellte fest, dass es schon Abend geworden war. War er etwas eingeschlafen und hatte das Ganze nur geträumt? Verwundert stand er auf und ging nach Hause. Den Weg über ließ er die Geschehnisse Revue passieren. War das alles tatsächlich nur ein Traum gewesen? Es hatte so real gewirkt. Erik kam an und schloss die Tür auf. Stille empfing ihn, wahrscheinlich war sein Vater vor dem Fernseher eingeschlafen. Er wollte auf sein Zimmer gehen, doch als er an der Wohnzimmertür vorbeiging, sagte ihm ein Gefühl, dass er die Tür öffnen müsse. Verwundert öffnete er die Türe. Alles wirkte so, wie es ausgesehen hatte, als Erik gegangen war. War das wirklich erst Stunden her? Es kam ihm eher vor, als wären schon Tage vergangen. Und dann sah er ihn. „Vater!“ Erik trat an das Bett. Sein Vater blickte ihn an und lächelte, als er seinen Sohn entdeckte. „Du bist gekommen!“, sagte er und griff nach der Hand seines Kindes. „Das macht mich wirklich glücklich!“ Nachdem Erik abgehauen war, hatte sein Vater einen Anfall bekommen. Erik war fast schon zu spät gekommen, es war ein Wunder gewesen, dass sein Vater so lange durchgehalten hatte, hatten die Ärzte im Krankenhaus gemeint. Jedoch müsste sein Vater nun für mehrere Untersuchungen in der Klinik bleiben. Und außerdem eine Reha, um vom Alkohol runterzukommen. Es musste sich dringend etwas ändern. „Ich weiß, du bist böse auf mich!“, meinte sein Vater. „Ich kann verstehen, wenn du mich nicht sehen wolltest!“ Er hustete laut. „Aber, ich muss dich darum bitten mir zuzuhören. Das ich dir verbieten wollte, an der Prüfung teilzunehmen, war dumm von mir. Ich weiß doch ganz genau, dass du das Zeug hast, diese Uni zu besuchen!“ „Und wieso hast du es dann getan?“, fragte Christopher verwundert nach. „Wieso wolltest du es mir verbieten?“ Sein Vater seufzte. „Weil ich Angst hatte, dass du dem Druck nicht gewachsen bist. Weißt du, du erinnerst mich oft an deine Mutter. Auch sie war klug und wollte auf die beste Universität im Lande. Wir lernten uns durch Zufall kennen und verliebten uns ineinander. Ich war bloß der dumme Fußballspieler von nebenan. Nicht halb so klug wie sie. Und doch, sie entschied sich ausgerechnet für mich. Damals hielt ich es für das Schönste und Beste, was mir je geschehen konnte. Heute bereue ich es, dass sie sich für mich entschied, denn dann würde sie noch am Leben sein… Als sie erfuhr, dass sie schwanger war, war es ein schrecklicher und wundervoller Moment zugleich für mich. Denn diese Schwangerschaft zog sie runter. Sie hielt dem Druck nicht mehr stand und bei der Prüfung verlor sie ihr Bewusstsein und schwebte in Lebensgefahr… Sie mussten dich rausholen, denn sonst hättest du nicht überlebt. Jedoch…“ Seine Stimme versagte und Tränen füllten sich in seine Augen. „Mutter hat es nicht überlebt?“, fragte Erik nach. „Ja!“, nickte sein Vater. „Es konnte nur einer von euch beiden überleben. Und sie hat sich für dich entschieden.“ Erik atmete erschrocken ein. Er wusste, dass seine Mutter wegen ihm gestorben war. Doch nicht, dass sie eine Wahl gehabt hätte und sich für ihn entschieden hatte. „Ich war dumm und blind und habe keinen anderen Weg gesehen, als zu trinken. So konnte ich den Schmerz vergessen, doch wenn ich nüchtern war, war der Schmerz auch wieder da. Und du hast gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen. Weil dir gar nichts anderes übrig blieb. Wie oft hast du gelogen? Und das nur um nichts über mich zu verraten? Dabei war ich dir so ein schlechter Vater.“ Er weinte und drückte Eriks Hand. „Bitte, mein Sohn kannst du mir denn verzeihen?“ Erik nickte weinend. „Ja, Vater. Das kann ich!“ Das Taxi hielt und Erik zahlte dem Fahrer die Summe, die dieser ihm nannte. Er stieg aus und trat auf das große, moderne Gebäude zu. Tief einatmend ging er auf den Campus zu. Heute würde er seine Prüfung abhalten. Und er hatte sich vorgenommen, sie mit Bestnoten zu bestehen. An das moderne, fast nur aus Glas bestehende Gebäude fügte sich ein altes Bauwerk an. Dieses ehemalige Schloss war zur zur Universität umgeändert worden. Das Gebäude stammte aus dem 14. Jahrhundert und war an einigen Stellen schon verbessert worden, der Stil war jedoch gleich geblieben. Auf dem Campus liefen Studenten und Studentinnen und beachteten ihn kaum. Wenn er das Stipendium bekommen würde, würde auch er zu dieser Gemeinschaft gehören. Erik lächelte zuversichtlich. Er würde alles geben. Vor ihm ging ein junger Student mit schwarzen Haaren. Erik rannte auf ihn zu. „Entschuldigung, kannst du mir sagen, wie ich zu Gebäude C, Raum 309 komme?“, sprach er ihn an. „Na klar!“ Der Student drehte sich um und Erik erschrak, als er in die blauen Augen sah, die ihm so bekannt vorkamen. „Du bist wohl wegen der Aufnahmeprüfung hier, oder?“ „Ja!“ Erik nickte verdutzt. „Ähm, und du?“ „Ich bin schon seit einem Jahr hier auf der Universität!“, erklärte der junge Student. „Übrigens, mein Name ist Chris!“ The End Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)