Boundless friendship von Anyi (NaruSasu) ================================================================================ Kapitel 7: Ich will dich nicht verlieren! ----------------------------------------- Von Anfang an war da immer nur ein Gedanke. Einer! Verlass mich nicht! Ja, genau das habe ich gedacht… Geh nicht, sag nicht Auf Wiedersehen, sag nicht Goodbye, sag nicht, dass du mich allein lässt. Ich hab die Augen offen und sehe trotzdem nicht mehr als graue Schatten, verschwommen im grellen Licht des Sonnenscheins, weil etwas passiert, weil etwas geschieht, mit dem ich nicht fertig werde. Ich kann es nicht verhindern, bin nutzlos und schwach. Aber ich bin nicht blind! Ich sehe, was du tust. Ich sehe, wie du dich zerstörst. Ich bin eben nur so schrecklich machtlos, so unbrauchbar… Ist es meine Schuld? Hab ich dich dazu getrieben? Nachts weine ich, am Tag lache ich den Menschen entgegen… Was spielen wir für ein dummes Spiel? Wann haben wir angefangen nicht mehr miteinander zu reden? Wieso sind da so viele Fragen? Weshalb gibst du mir keine Antworten? Warum liegst du im Sterben? Bitte, verlass mich nicht! Ich will dich nicht verlieren, bleib bei mir und kämpfe… Siehst du die Tränen, spürst du sie? Ich will dich nicht verlieren! Ich war wütend! Richtig wütend und unsagbar enttäuscht, als ich die Tür hinter mir zuschlug und das riesige Anwesen der Uchihas verließ. Es zerrte und nagte, es kochte innerlich in mir, während ich über den feinen, gepflegten Rasen rannte, auf dem ich mit Sasuke früher, als seine Eltern noch lebten, gespielt hatte. Das satte Grün würde in wenigen Tagen ebenso verblassen, wie die Farbe des Himmels. Grau und trostlos hingen vereinzelte Regenwolken über der Stadt. Sie verdeckten gelegentlich das müde Sonnenlicht, das bereits seinen wärmenden Glanz verloren hatte. Eine unangenehme Gänsehaut überzog meine Arme, als mich ein kalter Windzug streifte und mir unbegreiflich hart ins Gesicht schlug. Da bemerkte ich auch die nassen Spuren auf meinen Wangen, weil die klirrende Kälte mich erfasste und die Spuren schmerzhaft deutlich hervorhob. Ich wollte nicht weinen, nein, das wollte ich nicht. Ich sehe ihn… Ich höre ihn… Und alles was ich fühle ist Schmerz… Vielleicht, wenn die letzte Nacht nicht so schwer gewesen wäre, wenn sie nicht so schockierend und ernüchternd gewesen wäre, vielleicht wäre unser Gespräch dann anders verlaufen. Vielleicht… Nur, was kann ich sagen, ohne ihn zu verletzen? Was kann ich sagen, dass er mir Glauben schenkt? Ich möchte nicht sauer, oder wütend sein. Aber ich bin es. Ich schimpfe gedanklich über diesen dummen Teme, weil er Ihn mir vorzog. Er verteidigte diesen Kerl, obwohl er doch wissen musste, dass ich mit allem Gesagtem recht hatte. Ich hatte die Unschlüssigkeit doch deutlich in seinen Augen gesehen. Es hätte vielleicht nur noch einen einzigen Satz benötigt, um ihn bei mir zu halten. Wieso entzog er sich mir auf diese schmerzliche Weise? Was hatte ich angestellt, dass Sasuke lieber mit diesem Gaara Zeit verbrachte, als sie mit mir in gewohnter Art und Weise auszuleben? Ich versteh das alles nicht mehr. Weiß nicht, wo es begonnen hat. Bin ratlos, wenn ich ihm gegenüberstehe und seine Augen sehe. Jedes Mal trifft mich die starre Leere, die sie widerspiegeln. Die dunklen Schatten, die ihn seit weniger als ein paar Tagen umgeben, sind so undurchdringlich. Sie versperren mir den Weg. Bilden seinen Schutz und hüllen ihn ein in einsames Schweigen. Warum? Was hab ich getan, dass er nicht mehr mit mir reden kann? Wieso fühle ich mich schlecht und schuldig, wenn ich ihn sehe? Es zerreißt mir das Herz, wenn ich bemerke wie er zittert. Es verletzt mich, wenn ich merke, wie er sich in Lügen und Ausreden verstrickt. Er knüpft ein Band, dessen Knoten zu fest für mich sind. Zu lösen vermag ich sie nicht mehr. Das hab ich nie. Meine Umwelt schwimmt lautlos und undeutlich an mir vorbei. Dass ich einmal so nah an meiner Verzweiflung sein würde, hätte ich nie gedacht. Ich fühle zu viel. Viel zu viel. Ich wollte ihn bei mir haben. Wollte wissen was er denkt und macht. Ich wollte in seiner Nähe sein und mit ihm reden. Ganz gleich, ob es ein gutes Thema wäre. Meinetwegen müssen wir auch nicht reden, solange ich ihn spüren kann. Solange ich weiß, dass es Sasuke gut geht, geht es auch mir gut. Was ich wollte, war einzig und allein, dass Sasuke mich sah. Er sollte mich sehen, so wie ich ihn sehe. Er sollte meine Wut bemerken, so wie ich seine bemerke. Er sollte meine Verzweiflung erkennen, so wie ich seine erkenne. Er sollte meine Verwirrung spüren, so wie ich seine spüre. Gelegentlich fuhren meine Hände über mein Gesicht. Leicht benetzten meine Tränen die Fingerkuppen, als ich die erneut aufkommende Flüssigkeit wegzustreichen versuchte. Wahrscheinlich hätte ich mich erleichtert fühlen müssen, als ich im Wohnheim ankam und die Stufen zu meinem Zimmer hinauf stieg, ohne, dass mich jemand bemerkte. Doch das tat ich nicht. Alles drückte so verletzend schwer auf meinen Körper, dass ich keine Erleichterung verspürte, als mir klar wurde, dass mir keiner den Weg kreuzte. Schon komisch, da um diese Zeit eigentlich immer mal jemand auf den Fluren unterwegs war. Aber vielleicht sah ich sie auch einfach nicht, weil mir meine brennenden Tränen die Sicht verschleierten. Eine gefühlte Ewigkeit hatte der Weg gedauert, bis ich endlich vor der Tür zu meinem kleinen Zimmer stand. Ohne wirklich zu bemerken, dass ich wieder einmal vergessen hatte meinen Schlüssel sinnvoll zu benutzen, schloss ich auch schon wieder die Tür, nachdem ich mitten in den kargen Raum getreten war. Im Moment sah mein Bett unglaublich verlockend aus, weshalb ich kurzerhand die vielen Unterlagen mit einem Ruck von der weichen Decke auf den Boden beförderte und mich gleich darauf in die Kissen warf. Zielsicher griff ich nach dem Schwarzen, welches Sasuke gehörte. Er benutzt es, wenn er die Nächte bei mir verbringt. Nur sein Geruch war schon lange verflogen, weil die letzte Nacht, die er zusammen mit mir hier gewesen ist, jetzt schon viel zu viele Tage her war. Haltsuchend klammerte ich mich an diesen weichen Gegenstand, während ein klägliches Schluchzen meiner Kehle entwich. Immer heftiger wurde mein Körper von diesen mitleidserregenden Lauten geschüttelt. Zum Glück blieben sie an diesem Abend ungehört. Ich schlief ein, als mich die Last meiner Trauer erschöpft die Augen schließen ließ. Als ich sie wieder aufschlug, sah ich Sasuke. Er lag neben mir. Ich spürte seine Wärme und hörte seinen leisen Atem. Er war nackt, entblößt und wunderschön, wie er da lag. So locker und lässig in den Kissen. Sein Haar, schwarz und glänzend verteilte es sich auf dem seidigen Kissenbezug. Es schimmerte leicht, als sich die ersten Sonnenstrahlen durch den Vorhang meines Zimmers kämpften. Es fühlte sich gut an neben ihm zu sein, ihn zu sehen. Seine Augen zu sehen, die voller Leben steckten. Selbst das weiche, kaum sichtbare Lächeln auf seinen Lippen zwang mich dazu ebenfalls zu Lächeln. Alles war unbeschwert und ungezwungen in diesem Moment. Echt und unverbraucht. Er kam mir näher, um mir etwas zu sagen. Sein warmer Atem schlug auf meine Haut. Kitzelte angenehm in meinem Gesicht. Aber ich hörte ihn nicht, verstand nicht, was er mir sagte. Ich wusste, es war ein Flüstern und nicht mehr als ein anregendes Hauchen, ohne Klang, ohne Bedeutung. Sein Körper fiel zurück. Hinterließ eine kalte Leere. Ich hatte das Gefühl mich zu drehen. Schnell und immer schneller, wie ein Kind in einem Karussell. Ich sah Farben an mir vorbeiziehen. Bunte, leuchtende Farben. Sie verschwimmen in einem trostlosen Grau. Existieren nicht, werden schwarz. Sasuke liegt immer noch da, schläft. Regungslos, starr, friedlich und ruhig. Er hat seine Augen geschlossen und sieht dabei so erregend schön aus. Seine helle, makellose Haut zieht mich an, zieht mich in einen Bann aus Leidenschaft und Lust. Dieses Mal bin ich es, der ihm näher kommt. Ich beuge mich über seinen Körper, streiche sanft über seine Seiten. Vorfreudig taste ich über die geschmeidige Haut und fühle die Wärme, die sie an mich abgibt. Er wacht auf, öffnet seine wundervollen Augen um mich anzusehen. Sanft und ehrlich, als würde es nur mich geben, als hätte er nie jemand anderen so angesehen. Wieder zeigt er dieses schwungvolle, herzliche Lächeln. Berührt mich. Seine Hand legt sich auf meinen Rücken. Sie drückt mich runter, zärtlich und bestimmend. Ich folge, kann nicht anders als meinen Kopf auf seine Brust zu legen und seinem rasendem Herzen zu lauschen. Verfolge jeden schnellen Herzschlag. Doch da ist kein Ton, kein einziger Laut. Es schlägt nicht. Kein wildes, kein langsames, kein beruhigendes Herzklopfen erfüllt meine Ohren. Es ist einfach nur still und kalt. Seine Hand ist eisig, seine Augen sind tot. Haben ihren Glanz verloren. Unruhig und erschrocken weiche ich zurück. Verstehe nicht. Kann sehen, wie er sich entfernt. Wie sein Körper geht, schwankend und steif. Will rufen und ihn aufhalten. Versage. Versuche verzweifelt ihm zu folgen, laufe ihm nach. Schaffe es nicht ihn einzuholen, obwohl er einfach nur da steht. Am Rande der Klippe. Steinig und scharf ragen die Kanten empor. Bilden ein bedrohliches, zerstörendes Bild. Zeigen mir die Gefahr, zeigen, dass er fällt. Unwiderruflich fällt er in den Abgrund. Höre kein Schreien, kein beängstigendes Bitten und Flehen. Höre nichts, sehe nur sein trauriges Gesicht. Sehe sein Leben in den Fängen der Schlucht verschwinden. „Sasuke“ Schweißgebadet reiße ich meine Augen auf und höre seinen Namen, der heiser über meine Lippen kommt. Panisch gleitet mein Blick durch mein dunkles Zimmer. Nebenbei suche ich sogar fahrig mein Bett ab. Aber da ist keiner. Niemand. Es ist hier genauso grausam Still wie in dem vergangenen Traum. Nur das stetige Klopfen des Regens zerreißt sie. Durchbricht sie, als wäre sie nur dünnes Glas. Meine Atmung ist schnell und gehetzt. Dieser Traum war so real, erschreckend und schockierend, dass es mir einen Moment den Kopf verdrehte. Es war nicht das erste Mal, dass ich von mir und Sasuke träumte. Genau genommen träumte ich fast ausschließlich von ihm und von dem, was ich so gerne mit ihm tat. Und doch war es so anders. Sonst träumte ich schöne, angenehme Dinge, die ein aufregendes Prickeln hinterlassen, wenn ich wieder aufwache. Jedes Mal habe ich die Hitze mit in die Realität genommen. Doch dieses Mal empfand ich den Traum so verwirrend und verworren, so echt und realitätsnah. Es lähmte mich und meine Gedanken, bis Angst meinen Körper überflutet, der marionettenähnlich meine Tasche durchsucht und das bereits mitgenommene Telefon herausholt. Zu oft hatte ich es in der letzten Zeit gegen Wände, Türen und Böden geworfen. Zahlreiche Schrammen zierten das Gehäuse aus Plastik. Ungeduldig hielt ich mir das Gerät an das rechte Ohr, nachdem ich eilig und mit zitternden Fingern Sasukes Nummer gewählt hatte. Wie so oft ertönte das nervenaufreibende Freizeichen und endete in der monotonen Bandansage seines Anrufbeantworters. „Scheiße“, kam es fluchend aus meinem Mund, während ich erneut ungestüm die Tasten drückte und das Freizeichen erwartete. „Warum gehst du nicht endlich ran?“, keuchte ich verzweifelt, da ich schon wieder die bittere, unbeugsame Flüssigkeit in meinen Augen aufsteigen verspürte. Schluckend hielt ich sie zurück und entschloss mich kurzerhand umzudenken. Es war nicht verwunderlich, dass Sasuke nicht auf meine Anrufe reagierte, wenn er meine Nummer identifizieren konnte. Warum war ich da nicht früher drauf gekommen? Schnell war diese Funktion ausgeschaltet und ich wählte erneut, nur, um anschließend meinen Kopf enttäuscht hängen zu lassen. Er ging nicht ran. Wie gewöhnlich diese Tatsache jetzt geworden war. Es traf mich härter als sonst, weil ich fühlte, dass etwas nicht stimmte. Diese Unruhe breitete sich immer mehr in meinem Körper aus und machte mich zusehends nervöser. Gedankenlos sprang ich von meinem Bett und lief zu dem überfüllten Schreibtisch. Verbissen kämpfte ich gegen das Brennen in meinen Augen, während meine Hände unkontrolliert ein Schriftstück nach dem anderen zu Boden warfen. „Irgendwo muss sie doch sein“, rief ich ungeduldig und suchte weiter fahrig nach der Hausnummer von Sasuke. Eingespeichert hatte ich sie nicht, da ich sie einfach zu selten benutzte. Wozu auch, wenn Sasuke bisher immer an sein Handy gegangen war, wenn ich was von ihm wollte. Aber jetzt empfand ich es als meine letzte Chance. Ich war schon drauf und dran mich wütend wieder auf mein Bett zu schmeißen, als ich den kleinen zerknitterten Zettel fand, der die Nummer fein säuberlich enthielt. Sasuke hatte sie mir damals mit einem genervten Lächeln auf den Lippen aufgeschrieben. Erleichtert seufzte ich und nahm erneut mein Telefon in die Hand, um eilig die Nummer einzutippen. Es dauerte länger und während ich wartete, dass irgendwer abnahm, keimte in mir wachsende Unsicherheit auf. »Hallo und herzlichen Willkommen! Sie haben es tatsächlich geschafft, bei dem netten Herrn Sasuke Uchiha anzurufen... Naruto, du bist albern… tragischer Weise ist er nicht zu Hause, weil er höchstwahrscheinlich etwas mit seinem besten Freund Naruto, das wäre eindeutig ich, unternimmt... ach ja? wär mir aber neu, dass ich immer, wenn ich nicht zu Hause bin, ausschließlich mit dir... Aber, wenn sie intelligent genug waren, diese Nummer: 9574312… wow! Du kennst ja meine Nummer!... zu wählen, dann schaffen sie es bestimmt auch, eine Nachricht hinter dem Piepton zu hinterlassen. Sind sie bereit?... Naruto... übertreib nicht... Hier kommt das "Piep"!!« Schon als diese blöde Bandansage begonnen hatte, hätte ich am liebsten aufgelegt. Wenn ich so zurück denke, dann war das wirklich die schönste Zeit meines Lebens. An diesem Tag hatte ich Sasuke richtig auf die Palme gebracht. Er war richtig aufgebracht, als ich auch noch begonnen hatte, bei etlichen Klassenkameraden anzurufen um sie zu verarschen. Jedes Mädchen, dass ich mit Sasukes Nummer anrief, kreischte mir erstmal wie ein verrückt gewordenes Brülläffchen ins Ohr, da sie mir wirklich abgekauft hatten, Sasuke würde sie zu einem Date einladen wollen. Wie dumm sie doch waren. Seine Stimme, die immer mal wieder aus dem Hintergrund zu hören war, jagte mir einen wohligen Schauer über die Arme. Ich glaube, genau deshalb habe ich mir auch die ganze Ansage angehört. Nur, um mal wieder seine angenehme Stimme zu hören und in Erinnerung an die schönen gemeinsamen Stunden zu schwelgen, was ich beides ernsthaft vermisst hatte. Nicht einmal Itachi hatte so eine angenehm tiefe Stimme. Bei ihm war sie einfach schon zu reif und rau. Wenn ich daran dachte, was ich Sasuke über die Stimme seines Bruders erzählt hatte, nachdem ich sie zum ersten Mal gehört hatte, dann könnte ich darüber jetzt nur noch meinen Kopf schütteln. Itachi hatte… Plötzlich erkennend, was die ganze Zeit so nahe liegend gewesen ist, schlug ich mir gegen die Stirn und suchte nach der Nummer von Itachi, die ich mir ebenfalls eingespeichert hatte. Es war das erste Mal, dass ich sie benutzt, um ihn anzurufen. „Hm?“, meldete sich Itachis verschlafene Stimme. Vor Aufregung wäre mir beinahe das Handy wieder aus der Hand gefallen. „Endlich, Itachi. Warum geht denn bei euch keiner ran?“, rief ich hastig in das Handy. „Naruto?“, entgegnete er fragend und leicht verwirrt. „Jah“, sagte ich gedehnt. Itachi schien einen Moment zu verdutzt um zu antworten, denn er schwieg, bis er leise lachte. „Warum rufst du so spät an? Hast du Sehnsucht nach mir?“, fragte er amüsiert und klang jetzt auch schon etwas wacher. Ich schnaubte unterdrückt. „Lass den scheiß. Wir hatten die Sache immerhin geklärt“, zischte ich zurück und daraufhin verstummte auch sein verhaltenes Lachen. „Schon gut, Naruto. Also was ist denn nun so wichtig, dass es nicht bis morgen warten kann?“, wechselte er geschickt zum eigentlichen Thema. Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe herum, bis ich mich entschloss ihn einfach direkt zu fragen. „Itachi, wann hast du Sasuke zuletzt gesehen?“ Wieder folge kurzes Schweigen. „Ich weiß nicht genau“, meinte er leise. „Schau nach ihm, bitte!“, rief ich laut und drängend, während ich das Handy mittlerweile ziemlich krampfhaft festhielt. „Wieso? Beruhig dich erstmal. Wahrscheinlich schläft er, oder so. Wäre nicht ungewöhnlich zu dieser Zeit“, erwiderte Itachi gelassen, was mir ehrlich gesagt gerade mächtig auf die Nerven ging. „Mach endlich. Als ich ihn zuletzt gesehen hatte, sah er verdammt schlecht aus. Bitte, Itachi. Geh und sieh nach ihm.“ Anschließend hörte ich, wie er seine Bettdecke zurück schlug und das leise Quietschen seines Bettes, als er aufstand und sein Zimmer verließ. „Abgeschlossen“, nuschelte Itachi nach einer Weile und wirkte auf mich nun auch etwas nachdenklich. „Wie, abgeschlossen?“, schrie ich beinahe panisch und lief in meinem Zimmer auf und ab. „Na, abgeschlossen eben. Ich vermute mal, dass Sasuke unterwegs ist. Wäre ja nicht das erste Mal“, erklärte Itachi ruhig. Zu ruhig für meinen Geschmack, was ich ihm auch gleich mitteilen wollte. „Verdammt Itachi, geh in dieses Zimmer. Wie kannst du nur so ruhig bleiben?“, fuhr ich ihn an. Er machte nichts weiter als einmal tief einzuatmen. „Beruhig dich Naruto. Sasuke ist alt genug um nachts mal wegzubleiben. Es gibt keinen Grund sich so aufzuregen. Geh schlafen und komm morgen früh hier vorbei.“ Wild schüttelte ich auf diese Aussage meinen Kopf. „Ich kann mich nicht beruhigen, solange ich nicht weiß wie es Sasuke geht“, meinte ich erstickt, da mir jetzt doch wieder Tränen über die Wange liefen. „Naruto, ihm geht’s gut. Mach dir nicht so viele Gedanken“, redete Itachi auf mich ein. Ich wusste, dass es beruhigend klingen sollte. Aber das tat es nicht. Ich war jetzt innerlich nur noch aufgewühlter. Das änderte sich auch nicht, als Itachi aufgelegt hatte und mich mit meinen Gedanken und Gefühlen allein ließ. Zwischen Traurigkeit und Unsicherheit bildete sich unglaubliche Wut auf Itachi, weil er mich einfach so unverrichteter Dinge allein ließ. Er ging ins Bett und schlief seelenruhig weiter, während ich mir hier die schlimmsten Vorstellungen ausmalte. Innerlich kochend warf ich das Telefon gegen die gegenüberliegende Wand. Es zerschellte mit einem dumpfen Knacken und mir sprangen nun endgültig irgendwelche wertlosen Plastikteile entgegen. Es kümmerte mich herzlich wenig. Ich bemerkte nur am Rande, dass ich soeben mein einziges Mittel zerstört hatte, um mit anderen in Kontakt zu treten. Jetzt stand ich wirklich allein da. Erzürnt über mich selbst und meine Impulsivität schnappte ich mir meine Jacke und ließ mein unordentliches Zimmer hinter mir zurück. Zielsicher suchte ich diesen schmierigen Gemeinschaftskeller auf, der von uns schon so oft für nächtliche Partys benutzt wurde. Mein billiges, klappriges Fahrrad stand hinten in der Ecke. Spinnweben bildeten schon ein zweites Netz aus Speichen, weil ich es einfach zu selten benutzt hatte. Zornig riss ich es an mich und schleppte es hinaus. Sofort peitschte mir der feine Nieselregen ins Gesicht. Es war windig und feucht, als ich losfuhr. Die Straßen waren glatt und jede Pfütze durch die ich fuhr, benetzte meine Hosenbeine mit dreckigem Regenwasser. Es war unangenehm die eigene, nasse Kleidung auf seiner Haut zu spüren. Schwer atmend trat ich in die Pedale, von der ich mehrmals wieder mit dem Fuß abrutschte. Hektisch schaltete ich einen Gang runter, weil ich mir einbildete, dass ich so noch schneller gegen den starken Gegenwind ankam. Immerhin hatte ich ein klares Ziel vor Augen. Das konnte mir auch die schlechte Sicht nicht nehmen. Ich wollte zu Sasuke. Jetzt. Ohne abzubremsen rauschte ich um die scharfe Kurve. Die hohe Geschwindigkeit schleuderte mich beinahe aus der Bahn, doch ich setzte rechtzeitig meinen linken Fuß auf, um nicht gänzlich aus dem Gleichgewicht zu geraten und balancierte geschickt die Schräglage aus. Quietschend, und vor klammer Kälte zitternd, erreichte ich das große Anwesen meines besten Freundes. In diesem schummrigen Licht und diesen grauen Nebelschleiern, die sich durch die Luft zogen, sah es fast schon ein bisschen unheimlich aus. Ich ignorierte den lästigen Regen so gut ich konnte und warf mein Rad kurzerhand einfach beiseite. Es fiel klappernd auf den schönen Rasen. Wenn ich Zeit gefunden hätte, dann wäre mir aufgefallen wie unpassend und hässlich es in diesem riesigen Garten aussah. Ungestüm stolperte ich über den Weg zur Tür. Wäre beinahe noch über meine eigenen Füße gestolpert, da es mir auf einmal vorkam als hätte ich Watte in den Knien. Zielsicher fand mein Finger den kleinen Knopf der Klingel und blieb einfach ungerührt auf diesem kleben. Ich wartete angespannt auf Itachi, der mir die Tür öffnen sollte, damit ich endlich sehen konnte, ob Sasuke da war. Ich wollte mich einfach vergewissern. Dieser dumme Traum hat mich vollkommen aus der Bahn geworfen. Schrill und nervig klang das Geräusch der Klingel in meinen Ohren und ich fragte mich innerlich gereizt, warum Itachi nicht schon längst hier unten war. Ein Poltern und ein mehr als unfreundliches Fluchen konnte ich von Innen hören und stieß erleichtert die angehaltene Luft aus. Na endlich, dachte ich, als ich mir bewusst wurde, dass man mir gleich diese hinderliche Tür öffnen würde. „Wer…“, grummelte Itachi verstimmt und verstummte gleich wieder als er mich sah. Sein Gesichtsausdruck wurde finster, doch mich konnte er damit nicht einschüchtern. „Naruto, was machst du hier?“, fragte er genervt und stand weiterhin unnütz in dem Türrahmen rum. „Ich will zu Sasuke!“, erklärte ich und versuchte mich an seinem breiten, muskulösem Körper vorbeizuschieben. „Hör mal, ich hab dir doch gesagt…“, begann er belehrend, während er mich an meiner Schulter zurück hielt. „Es ist mir aber völlig egal was du gesagt hast und jetzt geh mir verdammt nochmal aus dem Weg“, schrie ich ihn an und stieß ihn gleich darauf hart von mir weg. Meine Schritte fanden eilig den Weg die Treppe hoch und schwer einatmend stand ich schließlich vor Sasukes Zimmer. Itachis Blick brannte sich förmlich in meinen Rücken. Er würde mir nicht folgen. Das verriet mir die Stille, die sich hinter mir ausbreitete. Er beobachtete nur und ließ dann ein halbherziges und belangloses Seufzen verlauten. „Sasuke?“, rief ich gegen das Holz seiner Tür und packte ungeduldig die Türklinke, um sie immer wieder hinunter zu drücken und daran zu rütteln, als ob sich dadurch irgendwas vereinfacht öffnen ließe. „Sasuke?“, kam erneut sein Name über meine Lippen und dabei bearbeitete ich drängender die Tür. Panisch vor Angst schlugen meine Hände abwechselnd auf das harte Holz ein, das unbeschreiblichen Widerstand leistete. „Naruto, jetzt komm mal wieder runter“, raunte Itachi mir zu, der von mir unbemerkt hinter mich getreten war. „NEIN“, platzte es unkontrolliert aus mir heraus. Wütend funkelte ich Itachi an, der augenblicklich einen Schritt von mir zurückwich. Als meine Hände begannen schmerzhaft zu pochen und zu brennen, da dieses unbeugsame Holz meinen Schlägen nicht nachgeben wollte, trat ich aus Hoffnungslosigkeit mit dem rechten Fuß dagegen, gefolgt von meinem linken. Es tat weh. Aber es überdeckte nicht den Schmerz und das Bangen um Sasuke, das sich um mein Herz gelegt hatte. „Schlüssel“, flüsterte Itachi hinter mir benommen und als ich ihm verwundert ins Gesicht sah, bemerkte ich die nachdenkliche Stirnfalte. „Was?“, fragte ich neugierig, da ich Hoffnung in mir aufwallen spürte, die sich momentan so unglaublich schön anfühlte. „Schlüssel“, wiederholte er, noch immer mit diesem Ton in der Stimme, dass er sich nicht gänzlich sicher war, ob er den richtigen Gedankengang verfolgte. „Sasuke hat einen Zweitschlüssel“, gab er mir dann endlich zu bedenken. Seine bedeutsamen Worte sickerten beschwerlich zu mir durch, doch als ich sie endlich verstand, riss ich übereilt mein Schlüsselbund aus meiner Hosentasche. „Warum sagst du das erst jetzt?“, fuhr ich Itachi anklagend an, obwohl ich ja selbst darauf hätte kommen können. Wenn ich meine Schlüssel auch nur einmal Zweckgemäß gebrauchen würde, wäre mir der Einfall vielleicht auch gekommen, bevor ich mir meine Hände blau geschlagen hätte. Jetzt waren sie taub und steif. Ungelenk kämpfte ich mit dem Schlüssel. Es gelang mir nach einer gefühlten Ewigkeit die Tür zu öffnen. Nach einem erlösenden Klick stolperte ich geradezu in den Raum. Das erste, was mir an seinem Zimmer auffiel, war die ungewöhnliche Unordnung. Überall lagen benutzte Kleidungsstücke herum. Meine äußerliche, aufgedrehte Art war verschwunden. Sie ist einem geschockten, betäubten Zustand gewichen. Nur innerlich, da war ich noch immer so unglaublich nervös und aufgewühlt. Die verbrauchte, stickige Luft in diesem Raum nahm mir den Sauerstoff zum Atmen. Jegliches Gefühl für Zeit schien ich verloren zu haben, als mir Sasukes Körper ins Auge fiel. Ich schnappte unwillkürlich nach Luft. Wieder und wieder. Realisierte nicht, dass er da lag. So ruhig und friedlich, als würde er schlafen. So wunderschön blass war seine Haut. Ähnlich wie die in meinem Traum. Genauso anziehend und verführerisch. Aber es gab Ecken und Kanten an diesem Bild, die mich lähmten und meine Angst bestärkten. Es war die kaum sichtbare Atemfunktion, das leblose, schlaffe herunterhängen seines Armes und die unschöne, beinah hässliche Wahrheit, die mir wie auf dem Servierteller präsentiert wurde. Ein gnadenlos schrecklicher Zustand, der sein Antlitz beschmutzte. „Siehst du? Er schläft“, flüsterte Itachi neben mir und holte mich damit aus meiner starren Lethargie heraus. Ich war mir nicht sicher ob er gerade wirklich diese Worte über seine Lippen gebracht hatte. Aber sein fragender, begriffsstutziger Blick, den er mir zuwarf, weil ich ihn ungläubig und fassungslos mit Abneigung strafte, bestätigte mir, dass er wirklich an seine eigenen Worte zu glauben schien. Mechanisch, fast wie in Trance, ballte ich meine rechte Hand zur Faust und holte aus. Hart und unvorbereitet traf ich Itachis Kiefer. Ich sah teilnahmslos dabei zu, wie er anschließend benommen zurück taumelte und erschrocken aufkeuchte. Seine Hand legte sich an die Stelle, die ich getroffen hatte. „Wach endlich auf. Sieh doch nur einmal hin was um dich herum passiert. Mach die Augen auf und bemerke endlich, dass in deiner Umwelt gar nichts richtig läuft“, verließ es bedrohlich ruhig meine Lippen, während ich auf Sasukes ohnmächtigen Zustand deutete. „Er schläft nicht“, hauchte ich atemlos und steuerte nun selbst stumm auf das Bett zu. Meine Hände zitterten, als ich vorsichtig Sasukes Hand in meine nahm. Diese unwirkliche Kälte raubte mir jegliche Hoffnung. Schluckend und realisierend brach ich vor seinem Bett zusammen. „Er stirbt“, flüsterte ich. Hörte nur am Rande, dumpf Itachis Stimme, der allem Anschein nach irgendwen am Telefon hatte. Itachi war nur noch einmal neben mir, um meine Hand leicht wegzustreichen und seine eigene an diese Stelle zu legen. Ich hörte ihn nahe meinem Ohr, wie er leise und beherrscht mit der Stimme am Telefon sprach. „Schwach“, sagte er und unter bitteren Tränen wandte ich meinen Kopf zu Sasuke. Nahm sein Handgelenk wieder in meine Hand und spürte, was Itachi meinte. Er würde sterben. Flatternd und unregelmäßig spürte ich seinen Puls gegen meine Finger schlagen. „Verlass mich nicht“, hauchte ich matt und tonlos gegen seine erkaltete Haut. Hatte das Bedürfnis ihn zu wärmen und für ihn da zu sein, auch wenn sich der Gedanke seines Todes immer mehr in meinem Kopf festsetzte. Ich umklammerte seine Hand. Drückte sie fest und fing an seine Haut zu reiben, als würde die Wärme auch seinen restlichen Körper wieder fürs Leben erwärmen. „Stirb nicht“, flüsterte ich verzweifelt und bemerkte kaum, wie Itachi versuchte mich von ihm zu ziehen. „Ich brauch dich doch“, rief ich nun laut und deutlich, in der Hoffnung er würde mich hören, würde seine Augen aufmachen und mich ansehen. Wieso glaubte ich an einen dummen Scherz? Wieso wollte ich, dass er lachend aufstehen sollte? Wieso wollte ich in diesem Moment nichts mehr, als seine Stimme hören, wie sie dieses unverschämte Usuratonkachi aussprach? Ich wusste die Antwort. Sie war so einfach. Sasuke war mir wichtig und ich wollte ihn nicht verlieren! Mit meiner Kraft am Ende wehrte ich mich nicht gegen Itachis festen Griff, der mich von Sasuke trennte. Er zog mich an die gegenüberliegende Wand, sodass die eingetroffenen Sanitäter Platz hatten um sich um meinen besten Freund zu kümmern. Seit wann waren die da? Wie lange hatte ich jetzt ihre Arbeit behindert? Schluchzend sah ich zu, wie sie ihm irgendein Mittel gaben. Dann verschwamm meine Sicht. Itachis T-Shirt drückte sich gegen mein Gesicht und seine Hand ruhte beruhigend auf meinem Rücken. „Er wird es schaffen, ganz sicher“, sagte Itachi leise und strich mehrmals über meinen Rücken. Er hörte sich nicht danach an, als würde er aus tiefster Entschlossenheit sprechen. Aber ich wollte ihm glauben. Wollte daran festhalten, dass es schon wieder alles gut werden würde, auch wenn es momentan nicht wirklich gut aussah. Itachis Umarmung wurde eine Spur fester und ich spürte das bestimmte Nicken, welches mich augenblicklich erwartend und unsicher aufsehen ließ. Er lächelte mir traurig und betroffen entgegen, als sie hinter mir eine Trage in den Raum brachten und bereits dabei waren Sasukes starren, leblosen Körper darauf zu platzieren. Ich sah aus dem Augenwinkeln dabei zu und spannte unbemerkt meinen Körper an. „Was soll das?“, rief ich ungehalten in den Raum hinein und spürte, wie Itachi mich noch fester an sich drückte. „Bleib ruhig, Naruto“, bat er und sah selbst betroffen dabei zu, wie sie Sasuke aus seinem Zimmer transportierten. „Wo wollen sie mit ihm hin?“, schluchzte ich ahnungslos und war drauf und dran zu glauben, dass ich ihn bereits verloren hatte. Itachis Stimme jedoch sagte, dass sie ihn nur ins Krankenhaus brachten, um ihn besser und umsichtiger behandeln zu können. Als auch der letzte Sanitäter dieses Zimmer verlassen hatte, lockerte sich auch Itachis Griff wieder. Er schob mich hinüber zum Bett und drückte mich leicht hinunter. Ich kann mich überhaupt nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal in seinem Bett gelegen habe. „Wer ist Gaara?“, riss mich Itachis Stimme mit einem Mal aus meiner Nachdenklichkeit. „Jemand, der Sasuke sehr nahe stand“, erwiderte ich abwesend. Nicht einmal eine scharfe, anstößige Bemerkung hatte ich für diesen Gaara übrig. „Wieso?“, hakte ich dann noch nach, als ich merkte, wie sprachlos und angespannt Itachi in dieses Buch sah. „Weil dieser Gaara tot ist“, erklärte er mir und hielt mir die aufgeschlagene Seite vor die Nase. Da stand es. Ich hatte sogar mühe Sasukes zittrige Schrift als seine zu erkennen. Bedächtig nahm ich das Buch an mich und bat Itachi leise, mich für einen Moment allein zu lassen. Er befolgte, auch wenn ich seinem Gesicht anerkannte, dass er sich damit sichtlich schwer tat. Sam, Ich weiß zum ersten Mal nicht genau was ich dir schreiben soll. Ich weiß nicht mehr was ich fühle. Ich weiß nicht mehr wer ich bin. Er ist tot. Heute, eben, vor nicht weniger als ein paar Stunden. Vielleicht ist es auch nur ein paar Minuten her. Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass er tot ist. Gaara, er ist gegangen. Ist es falsch zu glauben, dass er es geschafft hat? Ist das falsch? Er ist jetzt da wo er Frieden hat. Wo keiner ihm mehr Vorwürfe machen kann. Wo keiner mehr mit Vorschriften und Regeln kommen kann. Aber er ist tot. Er wird nie wieder neben mir stehen und mich anlächeln. Er wird auch nie wieder da sein, um mir zuzuhören. Er ist weg. Er ist tot. Diese Erkenntnis kann ich noch so oft sagen, noch so oft schreiben, sie füllt diese Leere in mir nicht. Was wäre… Wann und wo… Kann es schlimmer kommen? Ich suche und finde… Ich finde und verliere… Der Tod ist grausam und gleichzeitig so wunderschön. Befreiend und endgültig. Ist es falsch so zu denken? Gaara ist tot… Mir wurde kalt bei diesen Worten. Niemals hätte ich gedacht, dass ich sowas mal lesen müsste. Es klang wie ein Abschied. Ein Abschied von dieser ungerechten Welt. Ein Abschied von mir und allen die ihm jemals etwas bedeutet hatten. Warum gab er sich auf? Ich war ratlos an dieses Buch gebunden, dass mir Aufschluss über Sasuke und dessen Gefühlswelt geben konnte. Aber irgendwas in mir sträubte sich gewaltig dagegen zum Anfang zu blättern und anzufangen zu lesen. Was würde ich erfahren? Ich kann nicht beschreiben welches Gefühl sich in mir ausbreitete. Irgendwas zwischen Furcht, Angst und mutloser Neugier. Es war unglaublich schwer das Buch zu schließen und umzudrehen. Schluckend und mit geschlossenen Augen schlug ich die erste Seite auf. Zögerlich sah ich hinab und hielt den Atem an. Schon die ersten Worte hatten die Macht mich zu zerbrechen. Ich fing an zu weinen und hätte mich am liebsten selbst Verurteilt für meine Dummheit. Dafür, dass ich nicht einmal diese Wendung in Betracht gezogen hatte. » … Mit meinem besten Freund geht es nicht mehr, denn er ist mein größtes Problem. Er ist meine Schwäche. Er ist meine Liebe. Er ist mein Leben. Und er hat es eben geschafft, mein Herz zu brechen. … « Warum hab ich das nur nicht bemerkt? Warum haben wir so stumm aneinander vorbeigeredet? Jetzt plötzlich machten auch seine Worte so viel Sinn. Wie konnte ich sie derartig missverstehen? Wie konnte ich dafür sorgen, dass er sich in sein Unglück stürzte? Er hatte mir auf mein Drängen hin gesagt, er hätte sich verliebt. Ich hab nicht verstanden, wen er meinte. Ich war so blind und dumm. Bin es die ganze Zeit über geblieben. Und jetzt? Jetzt sitz ich hier allein. Dabei er ist er mir immer genauso wichtig gewesen. Immer. Dieses ganze Gerede über Freundschaft kam mir mittlerweile so irreal und abstrakt vor. Hatte er wirklich den Irrglauben, eine Freundschaft würde seine Gefühle vernichten? Es tat weh, seine Worte lesen zu müssen, wie er sich allem Anschein nach gequält hatte. Wie er versucht hat vergeblich alles auszublenden und zu vergessen. Sichtlich ohne Erfolg. Meine Augen schwammen in bitterer Tränenflüssigkeit, die zaghaft über meine Wangen lief. Sie würden wohl von allein vorerst nicht versiegen. Kraftlos ergab ich mich und las alles. Und mit jedem weiteren Eintrag sank mein Mut, meine Entschlossenheit und mein Schuldeingeständnis bekräftigte sich. Seine Worte rissen mich in ein uneingeschränktes Schuldgefühl. Jedes vorher erteilte Schuldgefühl war nichts gegen dieses enthauptende Gefühl in meinem Inneren. » Hörst du auch diese Stimmen, Sam? Hörst du sie? Sie kommen vom Flur. Sind ganz nah. Sie sollten nicht hier sein. Ich sollte sie nicht hören, weil ich auch nicht hier sein dürfte. Niemand sollte hier sein! Ich muss leise sein, darf mich nicht verraten. Würde nur Fragen aufwerfen und anschließend keine Antworten finden. Sie denken, ich wäre nicht hier. Sie wissen nicht was sie anrichten. Sie glauben, ich sei unterwegs. Das hatte ich Naruto geschrieben, als er mich fragte, ob er mich besuchen kommen konnte. Sam, du hörst die Stimmen nicht, oder? Aber ich kann sie hören, jedes Wort was sie sagen kann ich verstehen. Du aber leider nicht. …« Als ich an dieser Stelle war, konnte ich beinahe nicht glauben, was er dort geschrieben hatte. Ich hatte ja keine Ahnung, dass er mich belogen hatte. Ich konnte doch absolut nichts dafür, dass ich mich so schwach und willenlos meinem Bedürfnis hingegeben hatte. Er wusste es. Das war ein Gedanke, der mir jetzt schmerzlich ins Herz fuhr. Es schnürte mir brennend und ziehend die Kehle zu. » … „Schlaf mit mir, Itachi!“, meint Naruto. Er klingt sicher und selbstbewusst. Ungefähr so wie damals bei mir. Seine Stimme enthält nicht die Verliebtheit, die ich von ihm erwartet hätte. Wieso, Sam? Wieso? Braucht er es so dringend? Will er einen Vergleich. Will er wissen, worin der Unterschied zwischen mir und meinem Bruder liegt? Ist es der Reiz? Ein Kick, weil es mein Bruder ist? Wieso kann ich ihn nicht verstehen? … « Er hatte mitbekommen, was ich mit seinem Bruder angestellt hatte. Was für einen dummen Fehler ich begangen hatte. Er wusste nicht, dass ich ihn bereits bereue, dass ich nichts empfunden habe, während ich unter seinem Bruder lag und seine Hände gespürt hatte. Sasuke war die ganze Zeit so ahnungslos gewesen. Hatte sich festgebissen an einer Tatsache, die für mich mittlerweile so unwichtig geworden war. » … Ich verabscheue, ich verachte, ich leide… Sam, ich fange an mich zu hassen. Kann diesem Drang nicht widerstehen. Kann die Sehnsucht nach Naruto nicht mehr ertragen. Will den Schmerz nicht mehr spüren. Kann ohne nicht mehr vergessen! Ich verliere, Sam! Versinke immer mehr im Sumpf von unterdrückten Gefühlen. Werde auf den Boden gedrückt und festgehalten. Kann mich nicht wehren. Bin kraftlos und schutzlos meiner Schwäche ausgeliefert. Ich kann nicht kämpfen. …« Ich nahm diese Zeilen nur noch verschwommen wahr. Das Wissen, ihn an den Rand seiner Gefühle gebracht zu haben, zerfraß mich innerlich. Auf mir bildete sich eine drückende, vernichtende Last. Konnte nur erahnen, wie Sasuke sich in all dieser Zeit gefühlt haben musste. Dabei habe ich nie gewollt, dass er leiden muss. Ich wollte das nicht. Niemals. »Sam, Du weißt nicht wie das ist, oder? Weißt du wie das ist, wenn man zu Boden geht? Von null auf hundert, rasend schnell Von null auf hundert und zurück, geht schneller... Und ich… ich stehe jetzt hier mit nichts… Fühle nicht, sehe nicht, lebe nicht... und doch ist da alles so intensiv... weiß nicht mehr wo oben und wo unten ist… Du weißt nicht wie das ist...« Ich auch nicht, Sasuke. Das hätte ich ihm jetzt gerne gesagt. Mir war auch nicht klar, wie schnell jemand abrutschen konnte. Wie sehr man sich in dieser Situation jemanden wünscht, der sieht wie es einem geht. Ich schwöre, dass ich es bemerkt hatte. Wirklich. Nur, wie kann man dagegen vorgehen, wenn man sich selbst so verdammt hilflos vorkommt? Wie geht man damit um, wenn man verstoßen wird? Was kann man tun, um wieder ein fester Bestandteil im Leben des Betroffenen zu werden? All die Versuche sind ungenutzt an mir vorbeigezogen. Jetzt, wo ich weiß, dass es falsch war, diese Versuche vorbeiziehen zu lassen, wünschte ich mir, ich hätte sie genutzt. Während ich gelesen hatte, zog der Rest der Nacht langsam an mir vorbei. Das viele Weinen hatte mich Kraft gekostet. Schwach und müde legte ich mich nach hinten in sein Bett. Ich zog die Beine an und hielt das Tagebuch meines Freundes aufgeschlagen an meine Brust gedrückt fest. Auf der Seite standen die wohl schönsten und ehrlichsten Worte, die ich seit langem gehört hatte. Sie erweckten zwiespältige Gefühle in mir. Zum Einen machten sie mich unglaublich glücklich, weil sie direkt und unverwaschen aus seiner Seele kamen und zum Anderen machten sie mich traurig, weil es zu lange gedauert hatte, bis ich sie erfahren durfte. » … „Ich liebe Naruto. Ich liebe ihn“ … « Ich würde vieles Rückgängig machen. Viele meiner Taten oder Aussagen ungeschehen machen. Aber ich kann es nicht. Mir blieb nur die Zukunft. Das andere lag in der Vergangenheit. Mit dem letzten Gedanken an Sasuke schlief ich ein. „Naruto, wach auf.“ Itachis Stimme riss mich am Morgen unsanft aus dem Schlaf. Ich hatte nicht geträumt und trotzdem fühlte ich mich, als hätte mich irgendein Lastwagen überfahren. Meine Glieder schmerzten und mein Kopf war unnatürlich schwer. Es puckerte unangenehm und ein leicht stechender Schmerz zog sich von meinem Hinterkopf vor zu meiner Stirn. Noch immer fühlte ich die feuchten Spuren auf meinem Gesicht, während ich erschrocken feststellte, dass meine Hände nicht mehr das kleine Buch festhielten. Mit einem Schlag hellwach setzte ich mich auf und starrte in Itachis tiefe Augen. Er lächelte verhalten und deutete mit einem seichten Kopfnicken auf den kleinen Nachtschrank. Dort lag das schwarze Buch, welches auch gleich wieder den Weg in meine Hände fand. „Ich möchte ins Krankenhaus und ich fände es gut, wenn du ebenfalls mitkommen würdest“, sagte er leise und nahm aus dem Schrank ein paar Sachen von Sasuke, um sie in eine Reisetasche zu packen. Ich sah ihm abwesend dabei zu. „Er liebt mich“, brachte ich mit brüchiger Stimme hervor, wobei seine Frage unbeachtet blieb. Viel zu sehr schwebte ich in meinen Gedanken an eine Zukunft mit Sasuke, dass ich mich einfach fertig machte und wenig später schon leicht abwesend lächelnd in Itachis Auto saß. Die Bedeutung der Reisetasche war einfach an mir vorbeigegangen. Die ersten Minuten zogen still und stumm an uns vorbei, nur durchbrochen vom Aufheulen des Motors. Erst als wir aus der Einfahrt fuhren, erhob Itachi wieder seine Stimme. „Ich werde Sasuke nicht wieder mit nach Hause nehmen“, erklärte er ruhig. Erschrocken und fassungslos starrte ich ihn an. „Was? Warum nicht? Wie kannst du sowas sagen? Er ist dein Bruder!“, rief ich aufgebracht und rutschte unruhig auf meinem Sitz hin und her. Dabei krallte ich mich an das Tagebuch von Sasuke. „Beruhig dich und lass mich erstmal ausreden“, entgegnete er gelassen und hielt an einer roten Ampel an. Sein Blick strahlte Entschlossenheit und Ruhe aus, dass ich mich auch wieder etwas entspannte und still seiner Erklärung lauschte. „Ich glaube nicht, dass wir Sasuke zu Hause helfen können. Nicht nachdem was alles passiert ist. Er muss viel verarbeiten und ich denke, dass er dafür Hilfe braucht. Professionelle Hilfe, Naruto“, sagte er eindringlich, da er aus meinem Blick wohl ablesen konnte, dass ich eine Sekunde daran gedacht hatte, Sasuke selbst zu helfen. Letztendlich stimmte ich ihm aber mit einem leichten Nicken zu. „Ich möchte, dass du mit ihm redest. Er muss verstehen, dass es für ihn besser ist, wenn er eine Therapie macht, oder so. Ich kenne mich damit nicht aus, Naruto, aber ich glaube, wenn er es von sich aus macht, wird es vielleicht leichter für ihn sein. Hilfst du mir?“ In meinem Kopf hallten seine Worte lange nach. Wir befanden uns bereits auf dem Parkplatz des Krankenhauses, als ich ihm schließlich meine Unterstützung zusagte und mit ihm und Sam ins Gebäude lief. Wir gingen durch die Halle und erreichten zielstrebig den Empfang. Itachi sprach kurz mit der Frau, die ihn mit entzückten Augen betrachtete. Ihr langes, braunes Haar lag locker über ihrer Schulter. Sie lächelte so freundlich und unbeschwert, dass es auf mich so unsagbar falsch und grotesk wirkte, wenn ich daran dachte, wie es meinem Freund im Moment ging. Mein eigenes, zuversichtliches Lächeln, das ich vorhin noch auf meinen Lippen hatte, als ich in das Auto gestiegen war, war bereits mit Itachis ersten Worten und seiner Bitte verschwunden. Wie stellte er sich das überhaupt vor? Was sollte ich Sasuke denn sagen, um ihn zu einer Therapie zu überreden? Bisher war für mich doch auch kein rankommen an ihn möglich gewesen. Ich schreckte zusammen, als mich Itachi sanft an die Hand nahm, um mit mir den Gang entlangzulaufen und anschließend die Treppe nach oben in den zweiten Stock zu nehmen. Wir liefen direkt an der Intensivstation vorbei. Ein erleichtertes Seufzen verließ meine Kehle, da ich wirklich froh war, dass ich ihn nicht dort besuchen musste. Keine Ahnung wie ich es gefunden hätte, wenn ich ihn an Schläuchen und Geräten angeschlossen betrachten hätte müssen. Ich wusste ja nicht einmal, welche Maßnahmen man bei Drogensüchtigen überhaupt durchführte. Und wenn ich ehrlich war, wollte ich es im Moment auch gar nicht mehr wissen. Jetzt zählte für mich nur noch seine Gesundheit. Ich wollte ihn sehen und von ihm hören, dass er kämpfen würde. Er sollte um sein Leben und unsere Zukunft kämpfen. Vielleicht waren das die Worte, die ich ihm sagen sollte, wenn er seine Augen aufschlug. Vielleicht. Sasuke lag schlafend in seinem Bett. Man hatte die Vorhänge zugezogen, sodass der Raum in einem kargen Licht lag. Itachi stand schweigend hinter mir und sagte nichts, als ich kurzerhand beschloss mir einen der Stühle zu nehmen und mich neben das Bett setzte. Zögerlich nahm ich Sasukes Hand und es legte sich kurz ein schmales Lächeln auf meine Züge, als ich bemerkte, dass sie dieses Mal nicht so erschreckend kalt war. Ich hielt sie fest und genoss für einen Moment die Stille, die mir Zeit gab meine Gedanken und Gefühle zu ordnen, was allerdings alles nichts nützte, denn als er seine Augen flatternd öffnete und sich zaghaft begann zu regen, war mein Kopf schlagartig leer. Ich fühlte mich so unsicher und unbeholfen wie schon lange nicht mehr. Weil mir nichts Besseres einfiel, drückte ich sachte die Hand von Sasuke, um auf mich und Itachi aufmerksam zu machen. Seine erste Reaktion fiel nicht wirklich positiv aus. Er zog überrascht und verwirrt seine Hand von meiner weg und legte sie versteckend unter die Decke. „Ich werde euch besser allein lassen“, flüsterte Itachi bedächtig und klopfte mir einmal kurz bestärkend auf meine Schulter, bevor das leise Klicken der Tür verriet, dass er den Raum verlassen hatte. Unbeholfen legte ich meine Hand auf meinen Schoß, wo ich auch das Tagebuch von Sasuke abgelegt hatte. Kurz schweiften meine Gedanken zu dem erdrückenden Inhalt. Unwillkürlich schnappte ich schnell nach Luft und beschloss, einfach zu reden. Ganz egal, was dabei herauskommen würde. „Sasuke“, hauchte ich brüchig mit viel zu leiser Stimme, jedoch schien sie Sasuke zu bemerken, denn seine matten Augen sahen kurz, viel zu kurz, in meine Richtung. Ihr Glanz war verflogen. Jetzt strahlten sie nur eine unglaubliche Leere und Teilnahmslosigkeit aus, die ich noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Dieser Moment, diese eine Sekunde, nahm mir schlichtweg den Mut erneut zu sprechen. Es kostete mich unglaublich viel Überwindung meine nächsten Worte hervorzubringen. „Ich wollte dir so gerne helfen“, erklärte ich zusammenhangslos, da es mir wirklich schwer fiel sinnvolle Wortgruppen zu erstellen. „Weißt du, dass es nicht leicht war, ohne dich in der Uni zu sitzen? Ich hab mir so unglaublich viele Gedanken gemacht, darüber mit wem du zusammen bist und mit wem du sprichst, mit wem du lachst. Und ich habe viel verdrängt. Wollte nicht glauben, dass du dich von mir entfernst“, versuchte ich ihm ehrlich zu sagen, doch Sasuke schien das alles nicht wirklich zu interessieren. Oder er nahm es nicht wahr, weil er es nicht wollte. Schweigend und abwesend lag er auf dem Rücken und starrte an die weiße Zimmerdecke. Er sah mich nicht ein einziges Mal an. „Man Sasuke, sag mir was ich tun soll? Du hast dich doch nun lange genug verschlossen. Ich brauch dich doch“, rief ich unbedacht und griff mir anschließend fahrig an den Kopf. Stürmisch fuhr ich mir durchs Haar und bemerkte zu spät, dass Sasukes kleines Tagebuch von meinem Schoß rutschte und dumpf auf dem Boden aufschlug. Hart schluckte ich mein aufkeimendes Unbehagen herunter und fischte mit zittrigen Fingern das Buch vom Boden auf. Ich bemerkte aus den Augenwinkeln, dass Sasuke mich dabei beobachtete. Minimal, und wieder nur für den Bruchteil einer Sekunde, weiteten sich geschockt und betreten seine Augen, bevor er sie erschöpft schloss. „Ich hab es gelesen“, gestand ich reumütig und sah nachdenklich auf meine Hände hinab. „Alles?“, kam es realisierend von Sasuke und ich sah verwundert aber auch erleichtert auf. Mein kurzes bestätigendes Nicken entlockte ihm ein aufrichtig verzweifeltes Seufzen. „Es tut mir leid“, flüsterte er benommen und fing plötzlich an hemmungslos zu weinen. Er verbarg seine Tränen nicht hinter seinen Händen oder unter der Bettdecke. Viel eher sah er mich hilfesuchend an. „Mir auch“, nickte ich schnell und rutschte von dem Stuhl hinüber auf sein Bett. Blieb auf der Bettkante hocken und zog seinen Kopf zu mir, um meine Arme beruhigend um ihn zu legen. Intensiver drückte ich ihn an mich, als das erste tiefe Schluchzen seinen Körper schüttelte. Einfühlsam streichelte ich über seinen Kopf und wartete geduldig, bis er sich wieder etwas beruhigt hatte. Die gesamte Zeit über verhielten wir uns stumm. Ich beschloss einfach, dass es im Moment wichtiger war, Sasukes Gefühlsausbruch abzuwarten, bevor ich ihm beichten würde, wie seine Zukunft aussehen sollte. „Naruto“, hauchte Sasuke plötzlich traurig und schmiegte seine Wange an meine Brust. Es erfüllte mich mit einem angenehmen, kribbelnden Gefühl, jetzt wieder so in seiner Nähe zu sein, dass ich es einfach genoss, obwohl mir meine bevorstehenden Worte Kopfschmerzen bereiteten. „Ich bin da, okay?“, flüsterte ich ihm rücksichtsvoll ins Ohr und spürte zufriedenstellend, wie Sasuke leicht darauf nickte. „Es war dumm. Ein Fehler. Ein Leben am Limit. Gaara war nicht schuld, dass musst du mir glauben. Ihn trifft keine Schuld. Nur mich. Ich war naiv und unwissend. Naruto, glaub mir, wenn ich es gewusst hätte…“, stammelte er tonlos und ließ seinen Satz unbeendet im Raum stehen. Ich vermutete, dass er selbst nicht sicher war, ob er die folgenden Worte auch so gemeint hätte. „Ich weiß", flüsterte ich in Gedanken vertieft und hörte wenig später meine Stimme etwas sagen, was mich selbst erstaunte. "Ich denke, du hast noch die Chance alles hinter dir zu lassen, wenn du das willst." Ich wunderte mich über die Gelassenheit mit der ich diese Worte aussprach und darüber, wie dämlich und dumm ich sie fand. So unbeholfen mir die Worte vorkamen, hatten sie sich in meinen Ohren auch angehört. Aus Verlegenheit ließ ich meine Aussage eine Weile still und unbeantwortet im Raum stehen, da ich Sasuke zu keiner Erwiderung drängen wollte. Er brauchte gefühlte 5 Minuten, bis er sich wieder einigermaßen gefangen hatte und nun ruhig und nachdenklich in meiner Umarmung lag. Er machte keine Anstalten, sich von mir in baldiger Zukunft zu entfernen und ich war ihm unsagbar dankbar dafür. „Wie… meinst du das?“, fragte er schließlich hoffnungslos nach. Mein Körper spannte sich leicht an und ich strich etwas unruhiger über seinen Rücken. „Naruto“, hakte er beinahe ängstlich nach, als er bemerkt hatte, dass mir die nächsten Worte nicht sehr leicht über die Lippen kommen wollten. „Es ist kompliziert“, begann ich dann und überlegte fieberhaft, wie ich es ihm schonend und gefühlvoll sagen konnte. „Ich habe die letzte Nacht viel erfahren und ich vermute, dass ich und Itachi nicht ausreichen werden um dir zu helfen. Wir allein können dich nicht retten“, sagte ich besonnen und versuchte vergeblich in die Augen von Sasuke zu sehen. Noch immer genoss er meine wärmende Umarmung, obwohl sich sein Körper merklich anspannte. "Was genau willst du mir damit sagen?", fragte er mit rauer Stimme nach und krallte seine Finger fast schmerzhaft in meine Brust. "Ich meine damit eine Therapie, Sasuke", erklärte ich und schloss nun selbst meine Augen, nur um ihn nicht ansehen zu müssen. Meine Umarmung verstärkte ich, weil ich ihm nicht das Gefühl geben wollte, dass ich ihn von mir schob. "Du lässt mich allein?", hauchte er erkennend und es schmerzte, dass er glaubte, ich würde leichtfertig die Verantwortung abschieben wollen. Plötzlich fing er an sich gegen meine Arme zu drücken und sich zu wehren. Ich spürte, wie er von mir weg wollte. Er wollte flüchten, wie er es gewohnt war. Wieder versuchte er den einfachsten Ausweg zu nehmen. "Lass mich los und verschwinde. Ich komm ganz gut allein klar", rief er aufgebracht und kämpfte immer noch gegen meine starke Umarmung an. Ich ließ nicht locker, weil ich das Gefühl hatte, wenn ich es machen würde, wäre er schneller aus diesem Zimmer verschwunden, als ich nach Itachi rufen könnte. "Nein", erwiderte ich schlicht. Mittlerweile kratzte er über die wenige Haut, die mein Hemdkragen frei gab. "Warum nicht? Du schiebst mich weg. Du willst mich nicht. Du hast selbst gesagt, dass du mir nicht helfen willst", schrie er mir entgegen. Seufzend sah ich ihn an. Mich trafen seine missverstandenen Worte innerlich. "Das hab ich nie gesagt, Sasuke. Ich will dir helfen, nur ich kann es nicht alleine. Du musst erst lernen auf das Zeug zu verzichten, was dich beinahe zerstört hätte. Wie soll ich dir deiner Meinung nach dabei helfen? Soll ich dich zu Hause einsperren, bis du mich aus tiefstem Herzen anfängst zu hassen? Glaub mir Sasuke, mir fällt das auch nicht leicht, aber es ist für dich eine Chance und für uns eventuell eine Zukunft." Noch während ich sprach spürte ich, wie er seinen Widerstand aufzugeben schien. „Ich verstehe“, meinte er dann bedrückt. „Ich möchte dich einfach nicht nochmal verlieren. Ich möchte dich bei mir wissen. So einen Schrecken wie in der vergangenen Nacht möchte ich einfach nie wieder erleben müssen. Du bist mir wichtig, Sasuke.“ Ich spürte, wie sich sein Körper endgültig entspannte und er sich willenlos an mich legte, um die verbleibende gemeinsame Zeit auszukosten und zu genießen. Fassungslos starrte ich den Mann an, der neben Itachi stand und mir gerade eine ziemlich schockierende Nachricht überbracht hatte. Hätte ich davon gewusst, hätte ich vielleicht niemals eingewilligt Sasuke zu überreden, dass er freiwillig einer Therapie zustimmt. Damit hatte ich mir nun selbst keinen wirklich großen Gefallen getan, denn wie es aussah, würde ich Sasuke die nächsten Monate nicht mehr sehen. Er war bereits verlegt worden, sodass ich nicht einmal die Gelegenheit bekommen hatte, mich von ihm zu verabschieden. Gerade jetzt empfand ich unglaubliche Wut auf Itachi, weil er mich hintergangen hatte und mir nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. "Aber warum darf ich ihn denn nicht besuchen?", fragte ich aufgelöst und wütend zugleich. "Das ist Teil der Therapie. In den ersten Monaten kein Kontakt zu Familie und Freunden", erklärte mir der Arzt sachlich und ich brachte meinen Unmut durch ein lautes Zischen zum Ausdruck. "Das ist unfair und ungerecht", schrie ich ungehalten und stürmte aus dem Krankenhaus. Ich lief geradewegs zum Anwesen der Uchihas und verzog mich auf Sasukes Zimmer. Es sah ehrlich gesagt noch genauso unordentlich aus wie zu dem Zeitpunkt, wo ich ihn halb tot aufgefunden hatte. Nur um meine Wut zu vergessen und mich abzureagieren, fing ich an aufzuräumen. Ich fand Dinge unter seinem Bett, die ich nicht unbedingt gern finden wollte. Gewissenhaft und ordnungsgemäß entsorgte ich diese widerlichen Sachen und putzte mir sprichwörtlich die Seele aus dem Leib, bis Itachi an die Tür klopfte. "Was machst du, Naruto?", fragte er ruhig, wie immer, nach. "Aufräumen, siehst du doch", antwortete ich bissig und griff nach der Tür, um diese vor seiner Nase zuzuschlagen. Ab diesem Tag gingen wir uns weitestgehend aus dem Weg. Die meiste Zeit verbrachte ich ohnehin in der Uni und sinnierte dort vor mich hin. Durch lernen lenkte ich mich davon ab, ständig an Sasuke zu denken. Nur wenn ich zurück in seinem Zimmer war, kam die Sehnsucht wieder und ich blieb meistens grübelnd auf seinem Bett liegen. Für mich verging unendlich viel Zeit, bis Itachi mit einer angeblich dringenden Nachricht vor meiner Tür stand und darauf wartete, dass ich ihn herein bat. "Er hat dir geschrieben", sagte er, worauf ich ihn mürrisch ansah. "Wer hat mir geschrieben?", fuhr ich ihn unsanft an und erstarrte, als seine Lippen den ersten Buchstaben des Namens formten. "Sasuke!" Für einen Moment glaubte ich an Herzversagen zu sterben, weil es plötzlich aufhörte zu schlagen, nur, um dann doppelt so schnell seine Tätigkeit wieder aufzunehmen. Stürmisch und ungeschickt sprang ich vom Bett hoch und riss den Brief aus den Händen von Sasukes Bruder. Beherzt schob ich Itachi aus dem Zimmer und knallte die Tür zu. "Na danke", hörte ich ihn beleidigt murmeln, bevor er die Treppe runter ging. Aufgeregt hielt ich den zugeklebten Brief in meinen Händen und drehte ihn ein paar Mal von einer Seite auf die andere, bevor ich ihn vorsichtig öffnete, als könnte ich dabei irgendetwas wichtiges zerstören. Mit angehaltenem Atem begann ich zu lesen. Hallo Naruto, ich muss mich bei dir entschuldigen, weil ich dir erst so spät schreibe. Eigentlich hatte ich vorgehabt, mich recht bald bei dir zu melden. Aber ich habe kaum eine ruhige Minute Zeit gefunden, dir etwas zu schreiben. Jetzt, wo ich angefangen habe frage ich mich, was du jetzt wohl gerne von mir hören würdest? Ich geb ehrlich zu, ich weiß es nicht. Ich könnte dir jetzt sagen, dass es mir ganz gut geht, dass das Wetter hier ganz angenehm ist. Die Sonne scheint. Die Frage ist nur, ob du mir das auch glauben würdest. Wahrscheinlich nicht, dafür hab ich schon zu viel Mist geschrieben. Wenn ich es geschafft habe, die vergangenen Wochen und Tage zu verarbeiten, dann werde ich bestimmt auch fähig sein, dir davon zu berichten. Ich möchte es gerne. Ich möchte dir gerne sagen wie es mir geht, auch wenn ich befürchte, dass du dir dann noch mehr Schuld zuschreiben wirst, als du es jetzt vielleicht schon tust. Das will ich nicht, glaub mir. Im Übrigen sind die Leute hier ganz in Ordnung. Einige ähneln dir. Sie sind genauso verbissen und hartnäckig in ihrer Art wie du. Sie geben nicht auf, egal wie sehr man sich weigert. Ich vermisse ein wenig mein Zimmer. Hier teile ich es mir mit einem anderen Jungen. Er ist noch etwas jünger als ich. Wenn ich die Zeit finde, werde ich dir auch von ihm erzählen, denn jetzt muss ich los. Wir haben Pläne an die wir uns halten müssen. Ich werde dir wieder schreiben, wenn du mir versprichst nicht zu antworten. Warum du das nicht tun sollst, werde ich dir auch erklären, wenn ich dafür Zeit finde. Ach, Naruto? Ich vermisse dich. Sasuke "Ich vermisse dich auch", war das erste was mir leise geflüstert über die Lippen kam, als ich den deutlich zu kurzen Brief durchgelesen hatte. Danach formte sich ein unausgesprochenes "warum?" auf meinen Lippen, weil meine Gedanken nun an dem letzten Satz hingen. Ich verstand seine Bitte nicht so ganz, was mich nachdenklich dazu brachte, seinen Brief immer und immer wieder zu lesen. Stunden verbrachte ich mit dieser Tätigkeit und reagierte nicht einmal auf Itachis Versuch mich zum Essen zu holen. Trotzig zog ich den Stuhl zurück und nahm darauf Platz, um anschließend mit bemühter Schrift zu beginnen, ein leeres Blatt Papier zu beschreiben. Eigentlich enthielten die ersten Zeilen nur meine Fragen, die mir schon seit ewiger Zeit im Kopf herum schwirrten. Danach folgten Ermutigungen und ich fing an alltägliches Zeug aufzuschreiben, was mir in der Zwischenzeit passiert ist. Ehe ich richtig darüber nachdenken konnte, hatte ich den Brief schon gefaltet in einen Umschlag gesteckt und sicher zugeklebt. Aufgeregt schrieb ich die Adresse ab und befand mich kurze Zeit später schon unten im Flur. "Wo willst du hin, Naruto?", rief Itachi und steckte dabei seinen Kopf aus der Küche. Schnell hatte ich meine Schuhe angezogen und meine Jacke gegriffen, als ich auch schon aus der Tür trat. "Briefkasten", antwortete ich noch knapp auf seine Frage und lief mit eiligen Schritten los. Den ganzen Weg über, dachte ich darüber nach, ob es wirklich die richtige Entscheidung war, ihm jetzt ebenfalls einen Brief zu schicken. Immerhin hatte er darum gebeten, dass ich es nicht tun sollte. Warum also missachtete ich seine Bitte? Noch während ich darüber nachdachte, welchen Grund er dafür hatte, verlangsamten sich meine Schritte, bis ich schließlich gänzlich mitten auf der Straße stehen blieb. Der entscheidende Schritt zum Briefkasten war nur noch wenige Meter entfernt. Ich hätte nur noch um die nächste Ecke gehen müssen und hätte dann genau vor ihm gestanden. Aber ich tat es nicht. Stattdessen lief ich in die entgegengesetzte Richtung zurück zum Anwesen, dass ich seit Sasukes Aufenthalt in der Klinik mein Zuhause nannte. Ich beschloss, auf seinen nächsten Brief zu warten, weil mir das Risiko zu groß war, dass er nicht mehr schreiben würde, wenn er erstmal meinen Brief bekommen hätte. Seine Beweggründe würde ich später hinterfragen, solange wartete ich sehnsüchtig jeden Tag auf Post von meinem Freund. Und dieses Mal ließ sie nicht sehr lange auf sich warten. Wieder total nervös und mit wild schlagendem Herzen begann ich zu lesen, was mir Sasuke mitzuteilen hatte. Hallo Naruto, ich kann mir vorstellen wie schwer es dir gefallen sein muss mir nicht zu antworten. Aber ich bin dir dankbar dafür, weil ich vermute, wenn du mir antwortest, würde es mir schwerer fallen hier zu bleiben und die Sache durchzustehen. Es sind schon so viele Wochen vergangen, dass ich mittlerweile anfange, nicht mehr jede Minute daran zu denken, wie es jetzt wäre mir wieder einen Schuss zu setzen. Die ersten Tage ohne Zeug waren wirklich schlimmer als die Hölle. Sowas sollte man keinem wünschen. Eigentlich sollte man meinen, dass ein Entzug ausreichen müsste, um für ewig von diesem Zeug loszusagen. Aber du kannst mir glauben, dass das nicht so ganz stimmt. Es ist nicht realistisch, wenn du weißt, wie viele von den jungen Menschen die hier sind, schon mehrere Versuche unternommen haben, um endlich mit dem Heroin aufzuhören. Das macht einem richtig Angst. Erst gestern wurde jemand eingeliefert, der erst vor einem Jahr entlassen wurde. In der Gruppe sagten sie, er wäre clean gewesen und hätte nun einen Rückfall erlitten. Ganz sachlich hatte man darüber geredet, fast so, als wäre es normal, dass sowas passiert. Ich fand das furchtbar, ernüchternd und beinahe makaber. Das muss schrecklich sein, für den Jungen. Er schreit hier rum, weil ihm alles weh tut. Jeder von uns weiß, dass er unglaubliche Schmerzen hat. Keiner von uns kann ihm wirklich helfen. Wir sehen zu, wie er sich unter Schmerzen am Boden krümmt. Wir hören zu, wie er beginnt zu betteln und zu flehen, man solle ihm endlich etwas Erlösung spritzen. Das Personal ist hart und unbarmherzig. Sie lassen uns leiden, obwohl sie genau wissen, dass wir von innen heraus aufgefressen werden. Es schmerzt, tut weh, zerstört... Es fühlt sich an, als würde etwas zerfetzt und zerrissen. Dann fängt es an zu brennen. Deine Glieder, dein ganzer Körper verkrampft sich, unwillkürlich. Kann nichts tun, niemand kann das. Kein anderes Gefühl herrscht vor, nur der unbegreifliche Schmerz. Hilf mir, lass mich los, nimm mich mit, gib mir halt, rette mich vor dem Feuer meines eigenen Körpers, weil es mich umhüllt und quälend langsam seine rötlichen Flammen ausstreckt und hässliche Spuren zurücklässt, die ein normales Auge nicht erfassen kann. Es sind merkwürdige Gedanken, bodenlose Gedanken die durch deinen überstrapazierten Kopf jagen und ätzendes Pochen zurücklassen, was dich wahnsinnig macht. Aber weißt du, irgendwann ist es dann vorbei. Plötzlich ist alles still und ruhig, innerlich herrscht eine so grausame Leere, dass sie dich fast wieder nervös macht. Ein Kampf, ein unbeugsames Hin und Her, bis du gänzlich aus dem Schatten deiner Sucht trittst. Momentan ist es gut, momentan ist es weder still noch schmerzhaft. Momentan kann ich klar denken und fühlen. Momentan wollen sie, dass ich rede, über alles und jeden. Momentan tut es mir gut dir zu schreiben und ich werde es wieder tun, wenn es mein Terminplan zulässt. Vielleicht werde ich nächstes Mal genau darüber etwas erzählen. Bis bald Naruto. PS: Der Zettel ist für Itachi, mehr habe ich ihm momentan noch nicht zu sagen. Sasuke Ganze drei Mal las ich seinen Brief durch, bevor ich verdutzt nach dem Zettel suchte, den ich wohl irgendwie übersehen haben muss. Kurzerhand riss ich den Umschlag auseinander, weil ich glaubte, dass er noch immer dort drinnen sein musste. Zu meiner Verwunderung fand ich nichts, weshalb ich gleich nochmal die letzte Zeile des Briefes las. Also verlesen hatte ich mich ganz sicher nicht, dementsprechend musste irgendwo ein Zettel sein. Suchend kauerte ich auf dem Boden. Mein erster Blick ging unter das Bett, wo ich auch tatsächlich einen kleinen zusammengefalteten Zettel fand, der in meinem Eifer vorhin mit herausgezogen wurde und dann geradewegs unter das Bett gesegelt war. Ächzend streckte ich meine Finger aus und angelte das feine Papier mit zwei Fingern, um es anschließend zu mir zu ziehen. Ausatmend hielt ich es vor meine Nase und verspürte eine nagende Neugierde in mir, welche mich beinahe dazu trieb, den Zettel auseinanderzufalten und zu lesen, was Sasuke seinem Bruder geschrieben hatte. Es war schwer dem Drang zu widerstehen, doch es wäre einfach nicht fair. Schließlich hatte Itachi auch die Chance gehabt, die Briefe zu lesen, die Sasuke eindeutig an mich adressiert hatte und er hatte es nicht getan. Also sollte ich es auch nicht tun. Aufgeregt stand ich auf und verließ das Zimmer. Beherzt flog ich die Treppe herunter und kam schlitternd vor der Küchentür zum Stehen. Itachis breiter Rücken kam in mein Sichtfeld, weil er sich vor den Herd gestellt hatte und in einem Topf herumrührte. Der liebliche Duft von dampfender Nudelsuppe schlich sich in meine Nase und zauberte mir ein vorfreudiges Lächeln ins Gesicht. "Nudelsuppe", rief ich begeistert, was Itachi erschrocken zusammenzucken ließ. "Naruto", tadelte er mich, doch ich ignorierte seinen Ton und schnappte mir frech einen Löffel aus dem obersten Fach, um gleich mal zu probieren. "Hey", empörte er sich. Ich schmunzelte nur verwegen und schmatzte genüsslich vor mich hin. "Von Sasuke", meinte ich um ihn abzulenken und hielt ihm den kleinen Zettel vor die Nase, während ich erneut meinen Löffel einsetzte. Zögerlich nahm er ihn mir ab und ließ mich ungeachtet stehen. Aufatmend setzte er sich an den Küchentisch und begann langsam das Papier auseinander zu falten. Ich sah nicht, was Sasuke geschrieben hatte, doch es mussten angenehme Worte sein, denn Itachis Lippen verzogen sich zu einem erleichterten Lächeln, welches einem wohlige Wärme ums Herz legen konnte. "Und?", hakte ich ungeduldig nach, worauf er mir schweigend den Zettel reichte, den ich gleich an mich nahm. Wenn ich nicht ohnehin schon glücklich gelächelt hätte, dann bestimmt nach diesen Worten. Itachi, es tut mir leid. Ich bin dir nicht böse und ich gebe dir auch keine Schuld. Ich verzeihe dir, ich glaube, dass ist das wichtigste. Wir brauchen einen Neuanfang, aber erst, wenn ich wieder zu Hause bin. Sasuke Seine Nachricht hatte mich verwundert und gleichzeitig so gerührt, dass ich Itachi glücklich strahlend angesehen hatte. Selbst der sonst so harte Gesichtsausdruck des älteren Uchihas war kaum noch vorhanden. Sanft und mit leichtem Schmunzeln, erwiderte Itachi meinen Blick. "Er hasst mich nicht, oder?", fragte er mich ungläubig und brachte mich dazu herzhaft zu Lachen, während ich wild mit meinem Kopf schüttelte, um seine Frage zu beantworten. In den nächsten Tagen hatte ich zunehmend das Gefühl viel leichtfüßiger meinem alltäglichen Leben nachgehen zu können, obwohl mir die Vorstellung bei einigen Textstellen seines letzten Briefes, den ich mir täglich mehrmals durchlas, Bauchschmerzen bereitete. Auch wenn er kaum von sich gesprochen hatte, so war mir klar, dass er mir mitteilen wollte, was er durchgemacht hatte und ich konnte nur erahnen, wie schlecht er sich gefühlt haben musste, als er in der Situation des rückfällig gewordenen Jungen gewesen war. Seufzend stieß ich meine Tasche neben den Schreibtisch und warf mich auf Sasukes Bett. Noch immer bewohnte ich sein Zimmer, weil ich ihm auf irgendeine Weise nah sein wollte. Erschöpft vom Tag drehte ich mich in den Kissen und schloss meine Augen. Es brannte ein wenig, weil ich die letzten Nächte mehr mit Lernen verbracht hatte als mit ausgiebigem Schlaf. Eigentlich war ich nie jemand, der unglaublich viel Zeit mit dem Lernstoff der Uni verbrachte. Das war immer Sasuke gewesen, doch nun war er weg und ich wollte ihn stolz machen, dass ich trotz seiner Abwesenheit etwas erreicht hatte, ohne seine ermahnenden Worte. Sehnsüchtig erreichte ich schon nach kurzer Zeit mein Traumreich, wo mich ein anregend grinsender Sasuke empfing, dem ich wieder einmal nicht widerstehen konnte. Keuchend wachte ich auf und schaute beschämt an meinem Körper hinunter, weil ich spürte, dass meine Hose diesen Traum nicht unbeschadet überstanden hatte. Resigniert, aber meiner Last erleichtert, ließ ich mich einfach zurück fallen und genoss das nachwehende Prickeln in meinem Lendenbereich. Wie ich es doch vermisste diese Sachen auch in Wirklichkeit mit ihm zu tun. Außerdem war es etwas anderes, jetzt wo ich seine Gedanken und Gefühle kannte. Schlagartig hatte ich seine geschriebenen Worte wieder vor Augen und wunderte mich, dass er darüber bisher weder bei unserem letzten Gespräch im Krankenhaus, noch in einem seiner Briefe, ein Wort verloren hatte. Bisher hatte ich mir selbst aber auch noch keine großen Gedanken darüber gemacht. Es kam mir eher so vor, als hätte ich es einfach so hingenommen, dass sich mein bester Freund in mich verliebt hatte. Jetzt, wo ich so klar darüber nachdachte, spürte ich auch die leichte Wärme in meinem Gesicht. Vielleicht war es nun wirklich an der Zeit, dass ich mir ebenfalls eingestand, dass Sasuke nicht mehr länger nur ein Freund war. Wenn ich es mir genau überlege, dann war er es die ganzen Jahre über nie gewesen. "Ich liebe Sasuke", flüsterte ich erkennend und spürte, wie es in meinem Magen begann zu kribbeln, weil sich diese Worte einfach unbeschreiblich schön anhörten. Und ich beschloss, dass Sasuke sie bald zuhören bekommen sollte, nur müsste ich mich bis dahin noch etwas in Geduld üben, wie mir sein neuer Brief aufzeigte. Hey Naruto, seit meinem letzten Brief sind nun zwei Wochen vergangen und es herrscht hier immer noch derselbe Ablauf. Jeder Tag beginnt gleich und hört genauso auf wie der vorherige. Am Anfang war es zum Kotzen, weil sie ständig noch vor dem Aufstehen vor der Zimmertür standen und uns antrieben aus dem Bett zu steigen. Zuhause war das immer anders gewesen. Da war es mir nie schwer gefallen aufzustehen und den Tag zu beginnen. Hier fängt er jedoch mit regelmäßigen Urinproben und Alkoholtests an. Die erste Zeit fand ich diese Prozedur mehr als unnötig. Ich konnte die Notwendigkeit einfach nicht nachvollziehen. Ehrlich mal, wieso mussten sie uns mit diesen Untersuchungen demütigen? Als ob wir nicht genau wussten, weshalb wir hier waren. Außerdem hatte ich gedacht, dass man in dieser "Hochsicherheitsabteilung für Suchtkranke" ohnehin nicht an potentielle Drogen kommen konnte. Immer, wenn wir uns in die Öffentlichkeit begaben und dadurch die bewachten Räumlichkeiten der Klinik verließen, wurden wir anschließend beim Zurückkommen durchsucht und getestet. Es ist wirklich ein unangenehmes Gefühl so unter Beobachtung zu stehen. Ich konnte es gar nicht glauben, wie jemand plötzlich zugedröhnt neben mir auf der Bank saß. Das war drei Wochen nach meinem Einzug. Zu diesem Zeitpunkt durfte ich noch nicht alleine das Gelände verlassen und hatte mich deshalb in den angrenzenden Garten verzogen, weil ich Abstand brauchte und Ruhe dringend nötig hatte. Die schlimme Entzugsphase hatte ich gerade hinter mir. Den Garten durfte man auch ohne Begleitung von Personal besuchen, weil sie die Zäune zu hoch gebaut hatten, als das man einfach hinüberspringen konnte. Dieser Junge, Rinji hieß er, glaube ich, hatte sich einfach neben mich gesetzt und mich angestarrt, bis er plötzlich breit anfing zu grinsen. "Du passt hier auf, richtig?", hatte er mich dann begeistert gefragt, worauf ich ihn verdutzt angesehen hatte. Mir fielen sofort seine wässrigen Augen auf, die diesen unverwechselbaren Glanz hatten. "Nein, ich warte und ruhe mich aus, mehr nicht", meinte ich, wobei ich geglaubt hatte, dass diese Unterhaltung damit beendet war. "Ach, ich verstehe schon, du passt hier auf uns alle auf. Das find ich gut. Dich mag ich, du bist anders als die Kittelträger da drinnen. Sie verbieten mir gut drauf zu sein und wollen mich einsperren." Beinahe wäre ich ihm wütend mit einem "Nein ich passe hier nicht auf" in seine überschwängliche Rede gefallen, doch hielt ich mich gerade noch zurück. "Wie meinst du das?", fragte ich den Jungen stattdessen und sah überlegend nach vorne. "Najaa", holte er gedehnt aus, um mehr Gewicht in seine Aussprache zu legen. "Es ist eben so, dass die alle nur neidisch sind. Sie wollen nicht, dass ich glücklich bin und mich gut fühle. Sie verbieten immer alles, aber heute habe ich sie ausgetrickst. Ich habe einen Freund, der besorgt mir alles was ich brauche. Nur so viel, dass es bei den Kontrollen nicht auffällt. Ich hab es gut versteckt." Interessiert sah ich ihn an und wusste bei seinem Anblick sofort, wovon er gesprochen hatte. Dieser Junge beherbergte hier etwas, was uns allen so unglaublich viele Schmerzen bereitet hatte. Für eine Sekunde hatte ich ihn verflucht, weil er ausgerechnet mir davon erzählte und ich der Verlockung Widerstand leisten musste. Er hatte etwas Verbotenes irgendwo in seinem Zimmer. Jedoch rückte er auf mein Nachfragen nicht mit der Sprache raus, was vielleicht auch mein Glück gewesen war. Schon am nächsten Tag gab es einen riesen Aufruhr. Alle Zimmer wurden gründlich durchsucht, die Kontrollen verschärft und die Blutproben noch häufiger am Tag durchgeführt. Rinji sah ich nicht wieder. Ich weiß nicht was mit ihm passiert ist. Vielleicht haben sie ihn woanders unter gebracht. Oder er ist wieder nach Hause. Mir war es egal, aber ab diesem Zeitpunkt verstand ich die verschärften Bemühungen des Personals, uns clean zu halten. Wir waren wohl alle Rückfallgefährdet, das ist etwas, was man sich selbst nur sehr schwer eingestehen will. Weißt du Naruto, es gibt schon wirklich schlimme Situationen. Es gibt diese, die man vergisst, weil sie einfach unbedeutend und belanglos waren, aber in dem einen Moment, wo sie eintreten, schocken sie dich und versetzen dich in eine leblose Starre, bis du sie selbst aus Furcht und Angst aus deinem Gedächtnis verbannst, weil du dir selbst eingestehen müsstest, dass es dein eigener Fehler war, dass es deine eigene Schuld ist, dass du nun dieser entsetzlichen Situation ausgeliefert bist. Und dann gibt es Situationen, die du einfach nie los wirst. So sehr du dich auch bemühst, du kannst sie nicht vergessen. Für immer werden sie in deiner Erinnerung bleiben, als hätten sie sich tief und unwiderruflich in deinem Kopf eingebrannt. Ich kann dir nicht genau sagen, welche Arten von Situationen ich bisher häufiger erlebt habe. Wahrscheinlich wäre die Waage ausgeglichen. Aber darum geht es nicht. Es war letzten Mittwoch, als ich mit einem der Psychologen ein Einzelgespräch führen musste. Bisher hatten wir meistens Gruppengespräche gehabt, aber letztendlich kommen alle an den Punkt, wo sie in den tiefgründigen Gesprächen landen, um ihre Vergangenheit aufzuarbeiten. Es hat lange gedauert und es ist mir schwer gefallen alles zu erzählen. Mein Leben vor den Drogen zu beschreiben war erstaunlicherweise schwieriger, als die Darstellung meines Drogenverlaufes. Jedoch schien ihm an meinem Drogenkonsum einiges zu beunruhigen, was mir vorher gar nicht richtig bewusst gewesen ist. Die Sache mit Karin damals war ein Fehler, ja, aber ich hätte nicht gedacht, dass es für mich ernsthafte Konsequenzen haben könnte. Ich hatte gedacht sie wäre gesund gewesen, genauso wie Gaara und ich. Ich war gesund, trotz der Drogen. Und dennoch wollten sie, dass ich einen HIV-Test mache. Eine wirklich beschissene Situation. Ebenso schrecklich und beschissen wie die Feststellung, dass ich die ganze Zeit von Nichts eine Ahnung hatte. Ich war dumm und naiv genug gewesen, die Warnung von Gaara zu ignorieren. Mein Glaube an meine eigene unangefochtene Gesundheit hatte genau einen Tag angehalten, bis ich in Panik fiel. Ungewissheit ist quälend. Ungewissheit erzeugt Unruhe und Nervosität. Ich war verzweifelt und verängstigt. Die Aufklärungs- und Aufmunterungsversuche meines Betreuers nahm ich gar nicht richtig wahr. Es gibt keinen anderen Begriff dafür, was in den Tagen der Unwissenheit in mir vorgegangen ist, als Angst. Ich hatte einfach nur Angst. Riesengroße Angst durch mein unbedachtes Verhalten krank zu sein. Angst davor Aids zu haben. Und ich hatte Angst davor, den ganzen Mist nie wieder hinter mir lassen zu können. Das Testergebnis kam heute früh. Der Umschlag liegt vor mir. Ungeöffnet... Naruto, ich habe Angst und ich merke, dass ich noch lange nicht bereit bin, wieder nach Hause zu kommen. Ich denke an dich! Sasuke Gespannt und fassungslos zugleich nahm ich jedes seiner geschriebenen Worte in mich auf und verspürte wieder einmal den Drang aufzuspringen und sofort zu ihm zu fahren. Aber das ging nicht. Sowohl Itachi als auch Sasuke selbst hatten es mir verboten. Ich durfte ihn nicht sehen. Nicht einmal die Antwort auf seinen Brief wollte er haben. Wie bei jedem anderen nahm ich mir auch dieses Mal einen Stift und schrieb das, was mir als erstes durch den Kopf ging auf. Vielleicht würde ich ihm doch irgendwann mal diese Briefe zeigen, wenn sich alles wieder geregelt hatte. Es schockierte mich zutiefst, als ich von seinem momentanen Alltag las und noch entsetzter war ich, als ich von seinen Problemen erfuhr. Nicht nur er war naiv gewesen. Ich war es auch, weil ich ernsthaft geglaubt hatte ein Vierteljahr Therapie würde ausreichen und Sasuke würde wieder neben mir im Bett liegen. Ich sehnte mich bereits danach neben ihm einzuschlafen und anschließend am nächsten Morgen wieder mit seinem Anblick aufzuwachen. Gerade als ich meine Antwort in den Umschlag steckte, hörte ich, wie unten die Tür zufiel. Schnell schrieb ich noch das heutige Datum auf den Umschlag und warf ihn zu den anderen in die Schublade, bevor ich aus dem Zimmer lief und unten Sasukes Bruder antraf, der gerade mit zwei vollen Einkauftüten in der Küche verschwand. Schweigend folgte ich ihm und ohne ein Wort zu sagen half ich ihm dabei, die Einkäufe auszupacken. "Was hat Sasuke dieses Mal geschrieben?", fragte mich Itachi mit besorgtem Tonfall, woraufhin ich erschrocken zusammenzuckte. "Wie kommst du darauf, dass er geschrieben hat?", versuchte ich auszuweichen und wusste bereits, wie seine Antwort ausfallen würde. "Naruto, du bist ruhig, nachdenklich und siehst ehrlich gesagt etwas bedrückt aus. Das kann ja nur mit Sasuke zusammenhängen. Also, was hat er dir geschrieben?", hakte er unbeugsam nach und brachte mich mit einem eindringlichen Blick dazu, ihm von dem letzten Brief zu erzählen. Es tat gut darüber zu sprechen. So gut, dass ich Itachi von jedem weiterem Brief berichtete. Ich tat es mit gutem Gewissen, weil ich eine Familie hatte. Jetzt und für immer würde ich Itachi und Sasuke als meine Familie ansehen. Und ich beschloss dafür zu sorgen, dass das so blieb. Das Papier lag in meinen zitternden Händen. Auch ohne auf die Zeilen zu sehen wusste ich die Uhrzeit und den Ort, an dem er mich das erste Mal nach mehr als einem Jahr treffen wollte. Viel zu früh und deutlich angespannt kam ich im Park an. Wie er vereinbart hatte setzte ich mich auf die Bank und beobachtete das verspielte Treiben der Äste, die im seichten, warmen Wind bewegt wurden. Es war mehr ein Versuch mich abzulenken und mir das Warten zu erleichtern, als eine Tätigkeit aus Leidenschaft. Mit jeder Sekunde die verstrich schlug mir mein Herz schneller und kräftiger gegen die Brust. Und ich war enttäuscht, als ich feststellen musste, dass er nicht überpünktlich wie ich erscheinen würde. Er kam um genau zu sein nicht einmal pünktlich. Er ließ mich warten und weil immer mehr Zeit verstrich, wuchs in mir das Gefühl heran, ihn nie wieder gehen zu lassen, wenn er hier auftauchen sollte. Eins stand definitiv fest. Ich wollte Sasuke nie verlieren! Sasuke war mein Freund. Sasuke war aber auch meine große Liebe. Aber am bedeutsamsten für mich war, dass ich Sasuke als meine Familie ansah. Sasuke war der Mann, den ich liebte und auf den ich ewig warten würde. Er war es, der mit einer einstündigen Verspätung wie aus dem Nichts plötzlich vor mir stand und mir mit seiner Erscheinung, seinem Aussehen, seinem Anblick den Atem raubte. Er war es, der mein Herz wieder zum Schlagen brachte und meinen Körper vor Erwartung lähmte, bis seine Stimme mir endgültig die Bodenhaftung raubte. 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