Schillern von KaethchenvHeilbronn ================================================================================ Kapitel 9: Im Lichte des Mondes ------------------------------- Die Maske des Mädchens war golden und mit rotem Glitzer verziert, sodass es den Anschein hatte, sie würde die ganze Zeit über Blut weinen, während ihre Lippen aber ein echtes Lächeln formten. Karl wollte August schon danken, für diesen weisen Vorschlag, da ihn das Mädchen, das er in seinen Armen über die Tanzfläche führte, voll und ganz von seinen verwirrenden Gefühlen ablenkte, aber das war nur dem ersten Anschein nach so gewesen. Denn als es an seiner Tanzpartnerin und ihrem Kostüm nichts Neues mehr zu entdecken gab, fing der Dunkelhaarige an, sie mit August zu vergleichen, wieder an ihn zu denken. Er stellte sich vor, wie es wäre, hier jetzt ihn in den Armen zu halten und mit ihm übers Parkett zu gleiten. Ein weiteres Gefühl mischte sich zu dem bisherigen und zwang Karl sogar dazu, innezuhalten. Das italienische Mädchen sah ihn mit ihren weinenden Augen fragend an. Ein Unbehagen war es, das Karl in sich spürte, das seinen Magen verdrehte, der sowieso schon voll von Irrlichtern war, die nur um das Thema „August“ kreisten. Ein paar Meter weiter, auf dem Weg von der Tanzfläche hinunter, kam ihm endlich eben dieser zur Hilfe. „Sag ihr, ich brauch eine Pause.“, bat Karl seinen Freund. Unter Augusts Maske blitzte die Schadenfreude auf, da der Jüngere anscheinend doch nicht nur mit Gesten auskam, bevor er der Bitte folgte, und schließlich auch seine Tanzpartnerin vom Parkett führte. Als die vier vor dem Porträt einer der früheren Dogen ankamen, wo sie vorhin die Freundin der beiden Frauen zurückgelassen hatten, war diese dort nicht mehr aufzufinden. „Dove si è Lucia?“ „No so…“ August sah sich mit den besorgten Mädchen um, die nach ihrer Freundin fragten, als ihn Karl plötzlich am Arm packte, um Halt zu suchen. „August, ich glaub…ich…mir ist…er…“ Der Ältere kam nicht dazu, sich irgendeinen Reim aus dem Gestammel des anderen zu machen, außer dass es ihm sicherlich nicht gut ging, da stieß Karls Tanzpartnerin ein erleichtertes „Ah!“ aus: Sie hatte ihre Freundin auf der Tanzfläche entdeckt. „Lucia ha trovato un compagno di ballo!“ August zeigte an Karl gewandt hinüber zu dem Mädchen und dem Mann in schwarzem Umhang und silberner Maske, der sie in den Armen hielt. „Sie sagt, Lucia hätte nun auch einen Tanzpa– “ „Das ist Iffland.“ „Was?!?“ Entsetzt starrte August den Jüngeren an, der sich jetzt fast panisch im grünen Ärmel seines Kostüms festkrallte. „Das ist Iffland, ich weiß es!“, zischte Karl. „Lucia!“ Aufgeschreckt registrierte August, was seine Tanzpartnerin gerade im Begriff war zu tun. „Nein! No, Signorina! Non devi– !“ Doch da sah der Mann mit der Silbermaske, aufmerksam gemacht durch die freudigen Rufe der jungen Frau, schon zu ihnen herüber, und Karl war sich sicher, er hatte sie erkannt. „Ver– !“ Er nahm August am Arm und zog ihn durch die Menge. „Iffland?! Wieso ist er hier? Wie hat er uns gefunden?!?“ „Lauf, August!“ Mit wehendem Umhang folgte ihnen der maskierte Mann durch die kostümierten Leute, schob jeden grob zur Seite, der ihm im Weg stand. Karl duckte sich und zog seinen Federbusch vom Kopf, um unterzutauchen. „Gib her.“, meinte August, und schneller als der Dunkelhaarige schauen konnte, hatte sein Freund den Hut schon mit ein paar netten italienischen Worten einem anderen der Gäste aufgesetzt. „Raus auf den Balkon!“, zischte Karl und schob den anderen um die Ecke. So stolperten sie hinaus in die Nacht und drückten sich neben der Balkontür an die Steinwand. August sagte nichts, der Jüngere konnte nur sehen, wie sich unter dem grünen Samt seine Brust schnell hob und senkte. Auch Karl schwieg, er hätte keinen anständigen Satz zustande gebracht. In seinem Inneren spielte es verrückt, die Bedrohung durch Iffland schien sich in seinen Eingeweiden niederzuschlagen, aber anderswo war dieses Kribbeln; sein Körper verlangte nach August. Mehr von dieser Nähe, mehr von diesem Geruch… Abrupt wandte sich der Dunkelhaarige vom anderen ab. Wie in einem Rausch kam er sich vor, als er sich Halt suchend auf der Balustrade abstützte und hinab auf die Stadt blickte, die nur noch verschwommen vor ihm lag. August beobachtete seinen Freund besorgt, machte schließlich einen Schritt auf ihn zu. „Karl…?“ Der Jüngere zitterte, seine Atmung war unregelmäßig geworden. „Karl, du…du brauchst keine Angst zu haben. Iffland wird uns hier nichts antun können, und…und wir könnten ihm doch gar nicht verraten, wo dein Vater ist. Er wird ihn nicht finden.“ Voller Zutrauen kam August noch näher, legte dem Größeren einen Arm um den Körper – Da packte ihn Karl und drückte ihn gegen die Wand, und als er sein Gesicht in die Halsbeuge des Älteren presste, den Mund geöffnet, spürte er die langen Eckzähne in seinen Mundwinkeln, und wie ein Blitz schlug die Erkenntnis ein. Starr vor Schock verharrten beide, August mit dem Rücken an der Wand und seinen Händen in Karls Griff, Karl mit dem Mund über Augusts von grünem Samt bedeckter Halsschlagader. „A…August, i-ich…ich bin ein Vampir.“, keuchte Karl, „Iffland ist nicht hinter meinem Vater her, er – er will mich. …Und ich will…“ Da packte August den Dunkelhaarigen an den Schultern und zog ihn von sich, um ihm ins Gesicht zu sehen. Tatsächlich. Da war es wieder. Die goldene Maske verdeckte zwar die Hälfte Karls Gesichts, aber die blauen Augen stachen hervor, glitzerten im Mondschein von violett bis grün. „Deine Augen…sie schillern wieder…“ Da war von drinnen hinter den Palmenblättern plötzlich ein Fluchen in deutscher Sprache zu hören. „Iffland.“, erkannte August, plötzlich mit viel mehr Angst in seiner Stimme. Gerade als die schwarzen Schuhe hinter den Blättern erschienen, packte Karl den anderen ein weiteres Mal, nahm ihn in den Arm, und sprang mit einem Satz vom Balkon hinab in die schwarze Nacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)