Schillern von KaethchenvHeilbronn ================================================================================ Kapitel 18: Generationenvertrag ------------------------------- Karl lag noch im Bett – er hatte gestern noch bis spät in die Nacht bei Kerzenschein gezeichnet – als August zu ihm kam. Der Ältere nahm auf dem Bett Platz und beugte sich zu seinem Freund hinab, um ihm einen sanften Kuss zu geben. „Willst du nicht endlich mal aufstehen, Schlafmütze?“ Karl reckte sich nur für einen weiteren Kuss dem anderen entgegen. Schmunzelnd blickte August ihn schließlich an. „Dein Großvater ist da. Er möchte, dass du zu ihm kommst.“, meinte er. Karl seufzte auf und fuhr dem Kleineren durch die Haare. „Ob er es weiß?“ Er küsste den Hals des Älteren. „Er weiß es schon längst.“, flüsterte August und schloss einen Moment genießerisch die Augen. „So?“ „Bestimmt.“ Er drückte Karl noch einen Kuss auf die Lippen, bevor er sich erhob. Karl blieb noch ein paar Minuten liegen und starrte an die Decke, dann stand er endlich auf, um sich zu waschen und anzuziehen. Im Wohnzimmer traf er nicht nur seinen Großvater, sondern auch seinen Vater an. Friedrich Schiller jedoch sah ganz und gar nicht zufrieden aus. „Was gibt es?“, fragte Karl. Bevor Schiller Senior antworten konnte, sprach sein Vater: „Wieso hast du August nicht mitgebracht?“ „Ähm…“ Sein Großvater schnaubte. „Wieso sollte er – “ „August gehört zur Familie. Wir sollten vor ihm nichts verheimlichen.“, unterbrach ihn Schiller energisch. „Dieser Unglücksstifter gehört nicht zur Familie!“ „Vater!“ Schiller packte den Alten an den Schultern. „Sag mir, was hast du gegen ihn?!? Einen plausiblem Grund will ich hören!“ Das blasse Gesicht Caspar Schillers färbte sich ungesund rot. „Das weißt du ganz genau! Er hat mir meinen Enkelsohn verführt, genauso wie sein Vater meinen Sohn verdorben hat!“ Kompromisslos schleuderte der Alte Schiller von sich. Da konnte Karl nicht länger zuschauen. „Herr Großvater, hören Sie zu!“, sagte er mit fester Stimme und trat an den anderen heran. „Sie wollen doch, dass Ihr Sohn glücklich ist.“ „Natürlich will ich das, aber mit einer Frau! Mit einer Frau soll er glücklich sein!“ „Und wenn ich das nicht kann?!“ Schiller rieb sich den Arm, an dem ihn sein Vater grob von sich gestoßen hatte, und blickte trotzig zu ihm auf. „Was ist, wenn ich nur mit Goethe glücklich sein kann? Nur einzig und allein mit ihm?“ Caspar Schiller schäumte vor Wut. „Eine Schande ist das! Eine Schande für die ganze Familie!“ Er wedelte drohend mit seinem Zeigefinger, versuchte sich zu fassen, Worte zu finden. „Ich werde…! Ich werde diesen Ehrbeschmutzer von hier verbannen! Und wenn er nicht gehen will, werde ich ihn eigenhändig töten!“ Karl starrte den Alten entsetzt an. Der Alte meinte doch wohl nicht August…! Er biss die Zähne aufeinander, dass sie knirschten. „Das wirst du nicht!“, schrie er und wutentbrannt stürmte er auf den Mann zu, doch sein Vater schmiss sich zwischen sie und zog seinen Sohn zu sich. „Karl. Karl beruhige dich.“ Zornig sah Schiller zu seinem Vater auf. „Gut. Ich schlage dir einen Handel vor.“, fing er an, „Ich will meinen Sohn nämlich nicht unglücklich sehen.“ Schiller Senior richtete sich seinen Kragen. „Was soll das für ein Handel sein?“, fragte er. Karl sah unwillig zu seinem Vater auf, der ihn immer noch festhielt. Es kostete Schiller einige Überwindung, das merkte der Dunkelhaarige, bevor er antworten konnte. „Du wirst die Beziehung von Karl und August dulden, Vater. Im Gegenzug will ich deinen Wunsch erfüllen und zum ersten Vollmond nach der Sommersonnenwende im Jahre 1816 eine Frau heiraten, mit der ich einen Schiller zeugen werde, der ganz deinen Vorstellungen entsprechen wird.“ Entsetzt blickten Karls blaue Augen auf. „Aber, Vater…!“ „Kein Aber.“, unterbrach ihn sein Vater sanft, „Es ist sowieso zu spät für mich, glücklich zu werden. Deshalb möchte ich es wenigstens dir gewähren, mein Sohn.“ Karl wollte widersprechen, aber da meldete sich Schiller Senior zu Wort. „Einverstanden“, sagte er. „Schenke mir einen Schiller, der unsere Familie weiterführen wird, und ich werde dies…“ Er sah abfällig zu Karl. „…dieses Vergehen dulden.“ „Abgemacht.“ Vater und Sohn gaben sich die Hand, woraufhin Karl sich seinem Vater an die Brust warf und zu weinen begann. Sie hatte lange schwarze Haare. Ein glänzendes, seidiges Schwarz. Ihre Augen waren grün und ihre Haut typisch blass. Sie hatte ein aufgesetztes Lachen, neigte zur Extravaganz und war das eindrucksvolle Gegenteil zu Karls Mutter. „Ich hasse sie.“ August legte Karl einen Arm um die Schultern. „Das ist selbstverständlich, dass du sie hasst. Aber dein Vater kommt doch gut mit ihr aus.“ Der Jüngere gab nur ein Grummeln von sich. Tatsächlich benahm sich Schiller, zwar nicht wie ein Frischverliebter, aber doch immer zuvorkommend seiner zukünftigen Angetrauten gegenüber. Er unternahm zahlreiche Ausflüge mit ihr, verbrachte einige Nächte mit ihr zusammen auf den Felsen, wo sie gemeinsam den Sonnenuntergang bewunderten. Während Karl sich sicher war, dass sein Vater das alles nur ihm zuliebe tat, war Caspar Schiller momentan der glücklichste Schiller in Korinth, vielleicht sogar des ganzen Erdballs. Er konnte manchmal richtig lächeln, war zu Späßen aufgelegt und behandelte alle höchst gütig, nur August schien er immer noch zu verachten. „Es tut mir Leid“, hatte Karl einmal seinem Freund gegenüber angefangen, über dieses Thema zu sprechen, aber das wollte der Blonde gar nicht hören. „Es muss dir nichts Leid tun, Karl, du kannst nichts dafür. Nur mir muss es Leid tun, dass dein Vater wegen mir solche Strapazen auf sich nimmt.“ Madame Cordes, so hieß die Glückliche, begann gerade im Nebenraum schrill zu lachen, und machte so noch einmal überdeutlich, um welche Strapazen es sich hier handelte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)