Dragonsoul von DeaNox ================================================================================ Kapitel 15: Eine Lektion in Sachen Himmel ----------------------------------------- Kapitel 15: Eine Lektion in Sachen Himmel Ich erwachte und erschrak, als ich sah, dass Yasil verschwunden war. Leise stand ich auf und verließ das Zelt. Wo konnte er nur sein? Ich hörte jemanden sprechen und ging in die Richtung der Geräusche. Ich erblickte zwei junge Drachen, Rekruten, welche ich schon bei Yasils Training gesehen hatte. Einer von ihnen schluchzte, aber er wirkte glücklich. Ich erkannte ihn als den Rekruten, welcher Yasil verwundet hatte. Ich spitze die Ohren, wollte hören was sie sagten. Leise hörte er den Rekruten glücklich stotternd. „Meine Haare…meine Haare…“ Der andere packte ihn bei den Schultern, schüttelte ihn leicht und verlangte zu wissen, was passiert war. „Der Kommandant… er hat meine Haare geheilt…“ sagte er glücklich, doch mit Tränen überströmten Gesicht. Ich ging, denn ich musst nicht erst raten wer ihr ‚Kommandant‘ war. Es konnte nur Yasil gewesen sein. Also war er gerade noch hier gewesen. Ich schaute mich um in dieser natürlichen Festung. Plötzlich klangen fremdartige Töne an mein Ohr, magisch und seltsam, hatte ich so etwas vorher doch noch nie gehört. Welches Instrument wohl in der Lage war solche Töne zu erzeugen? Die Melodie klang traurig, leicht verzweifelnd, aber hoffend und betend. Ich schaute mich nach der Quelle der Musik um. Plötzlich setzte Gesang ein. Die Stimme war von Macht durchdrungen, und sang mit solch tiefer Traurigkeit, dass mir unweigerlich eine Träne über die Wangen rollte. Sie klang so einsam. Ich wusste gleich, dass es Yasils Stimme war. Endlich hatte ich ihn entdeckt. Auf dem Rand eines Felsvorsprunges sitzend, saß er, vom Mondschein beleuchtet da. Eine Silhouette die allein in der Nacht wachte und ihre Traurigkeit gen Himmel sang. Ich lief los, alles was ich wollte, war bei ihm zu sein. Ich konnte es nicht ertragen ihn so einsam zu sehen, so traurig. Wenn ich nur irgendetwas tun konnte, auch sei es noch so schwer, um seine Traurigkeit zu lindern, so würde ich es machen. Als ich den Platz erreichte, an dem er saß, beendete er gerade sein Lied. Jetzt konnte ich auch erkennen, was diese seltsamen Töne erzeugt hatte. Es war eine Harfe, welche nur Yasil nutzen konnte. Eine Wurzel wand sich aus dem Boden vor ihm und formte den Rahmen. Seine Haare bildeten die Seiten. Ich sah ihn die Augen öffnen, die Hände von den Seiten nehmen und stumm in den Himmel starren.  „Das war wunderschön…“ hörte ich mich selbst, sagen, noch bevor ich darüber nachgedacht hatte. Verwundert blickte er zu mir herüber. Ich setzte mich neben ihm um ebenfalls in die Sterne zu blicken. Leise begann ich zu erzählen: „Weißt du, meine Mutter hat mir immer gesagt, dass Dämonen erdgebundene Wesen sind, und unsere Seelen nach dem Tod an einen Ort namens ‚Hölle‘ kommen, in dem alle erdgebundenen Wesen in Frieden miteinander leben können. Die Seelen der Drachen, da sie an die Luft gebunden sind, gehen nach dem Tod in den ‚Himmel‘ einen Ort an dem die Kinder der Götter, mit federnen Schwingen bewandet den Frieden bewahren. Deswegen habe ich heute meine Gebete gen Himmel gesandt, mit dem Wunsch, dass du gerettet wirst. Mein Wunsch wurde anscheinend erhört.“  Ich drehte mich zu ihm, und hörte dann verwundert, wie er mir die Sicht der Drachen erklärte: „Ich weiß zwar nicht, woher dieser Gedanke kommt, aber wir Drachen sind der Ansicht, dass alle lebenden Wesen an einen einzelnen Ort zurückkehren. Denn alles um uns herum, jede Person, ja wir selbst, sind ein Teil von der Wesenheit, dir ihr als ‚Gott‘ bezeichnet. Diese Wesenheit, welche seit Anbeginn allen Lebens existiert, und mit welcher auch alles Enden wird, nennen wir ‚Tsaiht‘. Und wenn wir zur Tsaiht beten, beten wir gleichzeitig zu unseren Vorfahren und Nachkommen, zu allen Lebewesen um uns herum, dem leeren Raum zwischen den Sternen und zu uns selbst. Ein Gebet ist nichts anderes als ein Ausdruck unserer Gefühle und Wünsche, eingegraben in unsere Seelen. Wir alle kehren irgendwann zu Tsaiht zurück, sind wir doch alle ein Teil von ihm. Deswegen ist es nicht wichtig ob man ein Drache oder ein Dämon, Naga, Nymphe oder sogar eine Pflanze ist. Denn im Tode sind wir alle gleich und alle eins.“ Irgendwie war das zu schön um wahr zu sein, bedeutete das doch, das selbst wenn ich sterben würde, ich im Tode mit Yasil vereint war, ein Privileg, welches ich nach dem Glauben der Dämonen nicht haben würde. Und irgendwie ergab es auch Sinn, zerfielen die Körper von Dämonen und Drachen doch gleichermaßen zu Staub, wenn sie starben. Asche zu Asche… „Du hast Recht.“ Sagte ich dann. „Wenn wir alle Teil eines Ganzen sind, dann ist es vollkommen egal, wer oder was wir sind. Denn alles ist eins…“ Ohne es zu wissen, hatte er mich dadurch noch einmal in meinem Glauben bestärkt, dass es unerheblich war, welcher Rasse man angehörte. Und dass es mir erlaubt sein sollte, ihn zu lieben. Ich dachte an den Tag zurück, an dem ich Nilam und die Gardisten hatte im Stich gelassen um Yasil zu finden. Ich hatte etwas Ähnliches zu ihnen gesagt, um sie zur Hilfe der Dorfbewohner zu bewegen. Mit seinen Fingern begann er wieder ein Lied anzuspielen, dieses war weniger traurig, und ich hatte fast das Gefühl die Töne in der Luft leuchten zu sehen. „Kann ich eine Frage stellen?“ sagte ich ohne darüber nachzudenken. Er nickte. „Ich habe vorhin gehört, dass du die Haare von dem Drachen geheilt hast, welcher von Yakut verbrannt wurde. Wieso?“ „Weil er wegen mir verletzt wurde.“ War seine Antwort. Ich hatte es gewusst, er gab sich die Schuld dafür, und dabei hatte er weder die Flammen beschworen noch überhaupt einen Fehler gemacht. Stattdessen hatte er seine Kraft gebraucht, obwohl er selbst noch nicht vollständig bei Kräften zu sein schien. Ich ließ meine Blicke über seinen Körper streifen, doch er hatte sich einen Mantel übergeworfen und so konnte ich nur seine Arme erkennen. Die Verletzungen schienen verschwunden zu sein. Aber warum hatte der Drache das verkohlte Haar nicht einfach abgeschnitten?  „Aber es ist doch nur Haar!“ beharrte ich daher. Er schüttelte leicht den Kopf. „Eben nicht.“ Ich schaute verwundert. „Drachenhaar wächst sehr langsam. Es ist ein wertvoller Schatz, und … es zu verletzen schmerzt uns genauso sehr wie ein Schnitt in die Hand. Deswegen haben Drachen auch lange Haare.“ „Aber die Drachen hier, mit Ausnahme von Yakut und dir haben alle nur maximal schulterlange Haare!“ Der Blick seiner Augen schien sich tief in meine zu bohren „Natürlich, denn sie alle sind noch keine tausend Jahre alt.“ Ich schwieg, und versuchte zu begreifen, was ich gehört hatte. Wenn sie erst schulterlange Haare hatten, und noch keine tausend Jahre alt waren, wie alt war dann Yasil, dessen Haare bis hinab zu den Knien reichten? Das war mehr als ich mir vorstellen konnte. Und ich wollte es mir auch nicht vorstellen, war doch meine Lebensspanne nur ein Bruchteil der seinen. Er sprach weiter. „Drachen schätzen ihr Haar sehr, und es gibt nur seltene Momente, in denen sich ein Drache selbst verletzen und sich seine Haare abschneiden würde. So etwas tun wir, um bestimmte Ereignisse nicht zu vergessen, wichtige Ereignisse, traurige Ereignisse und auch freudige Ereignisse. Denn den Schmerz, den wir an den Haaren erleiden können wir nicht vergessen…“ Ich schwieg, ich wollte mit aller Macht an etwas anderes denken, nicht an das Alter meines Engels, und daran wie lange er noch leben würde, wenn ich schon lange nicht mehr war. Goldene Schulterlange Haare kamen mir in den Sinn.  „Yasil?“ fragte ich dann unvermittelt „Mhh?“ „Der goldene Drache, den ich gesehen habe als das Licht weg war, als Yakut angriff… wer war das?“ Er seufzte. „Lugh D. Ilios, der Herr des Lichts.“ Ich schaute etwas verwundert. „Mein Vater…“ fügte er  daher leise hinzu.  Ich bemerkte den traurigen Unterton in seiner Stimme, und so schluckte ich die Frage, die mir auf der Zunge gelegen hatte wieder herunter. Wenn er sein Vater war, warum hatte er dann so kurze Haare? Warum war das Licht weggewesen? Und auch Yakut… warum hatte er kürzere Haare als Yasil? Welche Ereignisse waren in ihrem Leben passiert, welche sie nicht zu vergessen wagten? Die traurige Melodie von vorhin fiel mir wieder ein. „Hey, was hast du da eigentlich am Anfang gesungen?“ fragte ich daher. Er lächelte leicht, und ich fragte mich, warum er es so selten tat, und warum es immer leicht traurig erschien. „Es war eine Hymne an den Himmel…“ Eine Hymne? „Welche Sprache war das? Die Drachensprache? Was bedeuten die Worte?“ fragte ich aufgeregt. Er lächelte wieder und begann damit, die Hymne ein weiteres Mal zu singen, diesmal in der Sprache, die auch ich verstand.       „Vater im Himmel von dort hältst du Wacht Am Tage die Sonne, als Mondschein bei Nacht Mutter im Schlafe auch weilest du dort Spiegelnd erhellst du den düsteren Ort Bruder des Morgens und Bruder der Nacht Hältst Dämmerungsträume und wiegest sie sacht Herr über alles und Herrscher im Raum Hältst Wacht über alles und wandelst im Traum.“   Als er geendet hatte konnte ich  ihn nur verwundert anstarren. Seine Stimme war einfach wunderschön. Ich hatte das Gefühl, als würde dieser Text eine geheime Bedeutung beinhalten, doch ich traute mich nicht, ihn zu fragen. Und so saß ich nur dort und betrachtete die Sterne. „Sie sind wunderschön.“ Sagte ich zu mir selbst, und wurde überrascht, als Yasil darauf sagt: „Möchtest du sie dir einmal genauer ansehen?“ Ich nickte, fragte mich jedoch, was in seinem Kopf vorging. Die Wurzel, welche den Harfenkörper gebildet hatte, war verschwunden. Er stand auf und reichte mir eine Hand um mir beim Aufstehen behilflich zu sein. Zaghaft ergriff ich sie und wurde von der ungeheuren Kraft, welche mich mit Leichtigkeit nach oben zog überrascht. „Komm. Ich weiß das du wieder fliegen kannst.“ Sagte er freundlich. Ich gab mich geschlagen, breitete die Flügel aus und flog ihm hinterher. Sein Ziel war der höchste Gipfel, der Berge, die dieses Tal umfingen. Als er unvermittelt in einen Sturzflug abstieg, fackelte ich nicht lange, und folgte ihm, auch wenn ich nicht wusste wohin die Reise gehen sollte. Nach meiner Schätzung sollte die Dämmerung bald einbrechen. Wir hielten auf eine Öffnung im Berg zu, welche ich, ohne Yasils Hilfe, nie entdeckt hätte. In den Fels waren Gänge und Räume eingehauen. Die Wände waren mit leuchtendem Moos überzogen und steinerne Stufen führten in die Höhe. Dort ging er lang und während ich staunend die Umgebung betrachtete ging ich ihm hinterher. Die Stufen endeten in einem großen weitläufigen Raum. Seltsame Geräte standen hier herum. Besonders ein großes kegelförmiges Gerät, welches bis an die Decke reichte, fesselte meine Aufmerksamkeit. „Das hier“ begann Yasil, und zeigte mit der Hand feierlich auf den großen Kegel „nennen wir ein ‚Teleskop‘. Mit ihm kann man die Sterne am Himmel etwas näher betrachten“ Er erhob den Arm in die Luft, und bewegt in dann leicht, als würde er eine etwas verschieben wollen. In diesem Moment sah ich, wie der Berg, welcher sich als Decke über uns wölbte, langsam in zwei gerissen wurde, und sich eine Gesteinsplatte abnormaler Größe wie von Zauberhand zu bewegen schien. Erst da verstand ich, was es hieß, dass Yasil mit der Erde verbunden war. Die Erde formte sich nach seinen Wünschen. Als sich über uns der klare Himmel ausbreitet, schaute er durch eine kleine Öffnung an der Spitze des Kegels, dessen Grundfläche in den nun sichtbaren Himmel zeigte. „Komm her, und schau durch.“ Rief er mir zu. Ich wusste nicht, was mich erwarten würde, und so tat ich wie geheißen. Ich musste nach Luft schnappen, als ich das Bild, gewahrte, welches der Kegel zeigte. Vor meinen Augen breite sich ein runder Körper aus, in hellen erd-und orangefarbenen Tönen gehalten. Seine Oberfläche veränderte sich, schien wie flüssig, die Farben liefen ineinander und bildeten ständig neue Muster. „Was ist das?“ fragte ich verwundert. „Das ist der Morgenstern.“ Antwortete Yasil. Ich starrte weiter in das seltsame Wunderding. Er hatte es wirklich wahr gemacht und mir die Sterne von Nahem gezeigt. „Die Sterne die weiter entfernt sind, das sind alles weit entfernte Sonnen, welche so hell strahlen, dass man sie bis hierher sehen kann.“ Es gab also mehr als eine Sonne? „Und der Morgenstern?“ Yasil erklärte weiter. „Der Morgenstern ist der Planet Venus, er dreht sich um die Sonne, genau wie der Planet, auf dem wir uns hier befinden. Sie leuchtet nur am Sternenhimmel, weil sie das Licht unsere Sonne reflektiert, wie ein Spiegel.“ Ich dachte eine Weile darüber nach, während ich die Venus betrachtete. „Sie ist so schön…“ sagte ich. Von Yasil hörte ich daraufhin ein leises Kichern, welches ich mir nicht erklären konnte. Aber ich freute mich, denn die Traurigkeit war von ihm gewichen. „Kann ich noch mehr sehen?“ fragte ich begierig, und er zeigte mir Saturn und Merkur, Jupiter und Neptun. Und schlussendlich den Mond. Ich hatte ihn noch nie so nahe gesehen. Aus der Ferne erinnerte er mich immer an Silber doch seine Oberfläche war rau und unregelmäßig. Wie Tod. Dort lebte nichts. Doch etwas beschäftigte mich schon eine Weile. „Und wie sieht dieser Planet hier aus? Die Erde?“ fragte ich Yasil. „Ihr nennt ihn also Erde, hmmm?“ Er schwieg kurz. Dann sagte er: „Soll ich es dir zeigen?“ Ich war verblüfft, es kam mir nicht in den Sinn, wie er das anstellen wollte. Schließlich konnten wir kaum bis hinauf zum Mond fliegen. „Schließ die Augen.“ befahl er sanft und ich gehorchte ohne zu zögern. Mein Herz schlug schneller, als ich merkte, wie er mir seine Hand auf die Augen legte. Ich keuchte auf, als die ersten Bilder in meinen Kopf strömten. Bilder von einem wundervollen blauen Planeten, welcher von weißen Wolken umgeben war. Ich sah so viele Ort, das Grün, das sich ausgebildet hatte. Die Schönheit war einfach überwältigend, und ich begann zu schluchzen. Schnell nahm Yasil die Hand von meinen Augen. „Ist alles okay?“ fragte er „War das zu viel?“ Wie besorgt er klang. Doch wie konnte ich ihm die Emotionen vermitteln, die mir durch den Kopf gingen, wie konnte ich ihm nur zeigen, was ich alles fühlte? Mein Körper bewegte sich wie von allein, und schon hatte ich die Arme um meinen grünen Drachen gelegt und ihn fest an mich gezogen. Ich glaubte ihn verwundert zu haben, versuchte es zu erklären. „Ich… ich … es ist nur… das alles ist so schön, so einzigartig. Und wir zerstören es. Wir führen Kriege, zerstören die Landschaft, roden ganze Wälder. Ich versteh es nicht, ich versteh einfach nicht warum wir das tun!“ Meine ganze Frustration lag in diesem letzten Satz und ich konnte nicht verhindern, dass mir schon wieder Tränen über die Wangen rannen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)