Yasura und Kaname von Hidaso (Merkwürdig, wie die kleinsten Entscheidungen das Leben verändern können …) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Yasura legte die freie Wand an die Hausfassaden um zu erkennen, wo sie gerade waren. Es war nun wirklich nicht mehr weit! Sie liefen den Rest des Weges zwar still zu Ende und standen schließlich vor dem Haus, in dem sie lebte, doch Yasura wollte den netten Mann doch noch so viel fragen. So viele Wörter pressten gegen ihre geschlossenen Lippen, die sich einfach nicht öffnen wollten. Wenn das Mädchen dann aber tief Luft holte und sich doch zum Sprechen brachte, hatte sie schon wieder vergessen, was sie wollte. Es war so seltsam neben ihm zu gehen – so fremd und gleichzeitig doch so schön. Wahrscheinlich einfach nur, weil er mit seinen wärmenden Händen ihre kalten hielt. Selbst wenn das Mädchen für den Rest ihres Lebens den Mund halten müsste, wünschte sie sich dann nur, mindestens genauso lang mit diesem Mann durch diese schauderhafte Dunkelheit gehen zu können. Doch sie schwieg nicht für den Rest ihres Lebens. Nur für die Minute, die die beiden an diesem Abend noch zusammen verbrachten. Eigentlich wollte Yasura noch gar nicht nach Hause, aber sie wusste, dass ihre Mutter sich Sorgen machte und wahrscheinlich, so dachte sie jedenfalls, würde sie den Fremden eh nur stören. Das Haus stand in einer Gegend, die Kaname noch nie gesehen hatte, obwohl sie seinem Haus doch so nahe lag. Ein solch starker Kontrast zwischen arm und reich... Hatte er vielleicht einfach nur die Orientierung verloren und wohnte doch ganz woanders, als er dachte? Kaname begleitete die Blauhaarige noch bis zur Wohnungstür und sah sie still eine Weile an. „Nun heißt es, auf Wiedersehen zu sagen…“, meinte er fast schon traurig, weil seine Stimme so leer war. Doch es war immer so. Man konnte sich in der Regel selber zusammenreimen, was Kaname dachte, fühlte und wirklich mit seinen Worten meinte. Im wahren Leben war er nun einmal anders als im Fernsehen. Hätte man Kaname an diesem Abend gefragt, ob er traurig sei, dass sie sich jetzt Verabschieden müssen, dann hätte er es mit Sicherheit bestritten. Es war so still, weswegen Yasura sich in den doch ständigen Gedankengängen wiederfand. Könnte sie doch bloß sehen. So oft schon hatte sie darum getrauert. Immer nur verschiedene Lichteinfalle zu vernehmen reichte ihr einfach nicht. Sie wollte dieses Bild einfach wie ein Tuch von ihren Augen nehmen, doch wenn sie nach ihrem Gesicht griff, dann war dort kein Schleier oder etwas Vergleichbares… So oft hatte sich Yasura gewünscht die Umgebung zu sehen, in der sie lebte oder einmal wirklich Farben zu sehen, um sie sich nicht andauernd vorstellen zu müssen! Doch an diesem Abend verschlimmerte etwas anderes das Verlangen nach ihrem fünften Sinn. Es war das Gesicht einer Person, dass sie unbedingt sehen wollte. Es war Kanames Gesicht. Nach seinen Worten drückte sie unsicher die Klingel, seufzte und richtete den Kopf zu Boden. Er aber lächelte Yasura eine halbe Minuten einfach nur an. Was dabei in seinem Kopf vorging, blieb nur für ihn allein… Yasura schluckte, als er ihre Hand auf einmal losließ, als im Flur das Licht anging und man Bewegungen durch das Milchglas erkannte. Die Blauhaarige zog eilig den Mantel aus und drückte ihn mit beiden Händen gegen seine Brust. Die Augen waren zusammengekniffen, ihr Gesicht hochrot, da sie sich fast schon an das wärmende Kleidungsstück gewöhnt hätte. Er nahm den Mantel an sich und legt ihn über seinen Arm. Yasuras Familie sollte ja nichts falsches denken – Oh nein, das sollte sie wirklich nicht! „Ich habe mir Sorgen gemacht, Yasura! Wo warst du nur wieder?“, erklang eine helle Stimme. Die besorgte, junge Frau öffnete die Tür und erschrak erst einmal leicht, als sie den Prominenten neben Yasura sah. Glücklicherweise erkannte sie ihn im matten Schein des Treppenhauses nicht als denjenigen, der er war und war lediglich etwas verwirrt, dass Yasura in Begleitung eines Mannes war. Eigentlich wollte Yasura noch etwas sagen, doch ihr fehlten schon wieder die Worte und konnte Kaname nicht daran hindern, dass er ging. Er sagte nichts weiter und merkte, wie ihm ihre Blicke unangenehm wurden. Er hatte nicht die Absicht zu bleiben oder so etwas, daher wich er, nicht so dass es unhöflich aussah, einen Schritt zurück. Sie heil nach Hause bringen – Das wollte er. Und das hatte er. Also brauchte er auch nicht länger hier verweilen, oder? Er sagte nichts weiter, senkte den Blick und stieg dann die kleine Stufe, die zur Tür führte, hinab. Nicht einmal zurück sehen konnte er, denn ihm war bewusst, dass er sich dann in irgendetwas hineinsteigerte. Die Blinde trat zörglich in die Wohnung ein, sah nur kurz ins Treppenhaus zurück und bewegte sich ohne ein Wort in die Richtung ihres Zimmers. „Was war das für ein Mann, Yasura?, ihre Mutter folgte ihr natürlich neugierig – dennoch sehr besorgt, denn sie wusste ja nicht, was ihre Tochter mit so einem Mann am Hut hatte. Yasura zuckte abwesend mit den Schultern, während sie ihre Zimmertür öffnete. „Sag mal, kennt du diesen Mann überhaupt?“, fragte ihre Mutter daraufhin und Yasura begann zu lächeln. Es war ein leeres und verträumtes Lächeln. „Leider nicht, Mutter... Leider nicht.“, flüsterte sie und schloss hinter sich die Tür. Kaname war nun schon ein paar Meter vom Haus entfernt, als er sich an das, was die Dame gesagt hatte, erinnerte. „Yasura...“, murmelte er leise. So nannte die Mutter das hübsche Mädchen. Kaname ging zumindest stark davon aus, dass es ihre Mutter war. Yasuras Mutter. Yasura. Nein, diesen Namen würde er niemals vergessen können. Es war langsam auch Kaname zu kalt hier draußen geworden. Er zog sich schnell seinen Mantel über und griff in Gedanken in die Manteltasche um den Schal daraus zu ziehen, doch... Yasura hatte seinen Schal noch! Er war zwar anfangs leicht erschrocken, doch dann musste er entspannt lächeln, denn es störte ihn gar nicht, dass sie jetzt etwas hatte, was sie an ihn erinnern würde. Es freute ihn. Kaname freute sich. An diesem Abend lernte Kaname, wie man sich freute. Yasura zog sich gerade um, als auch sie endlich bemerkte, dass sie seinen Schal immer noch bei sich hatte. Minutenlang verharrte sie mit Kanames Besitz in beiden Händen – Jederzeit bereit, ihn auszuziehen. Das tat sie nach einer halben Ewigkeit dann auch endlich. Nachdem sie sich ein dünnes Nachthemd angezogen hatte, ging sie noch schnell ins Bad und ließ sich anschließend im Zimmer auf die weiche Matratze fallen. Sie wollte ihn so unbedingt wiedersehen! Oder ihm zumindest noch einmal begegnen! Vorsichtig tastete sie nach dem dünnen Stoff, den sie neben sich aufs Bett gelegt hatte, und drückte ihn an sich. Es war zwar irgendwie seltsam, aber sie musste den Stoff einfach gegen ihre Nase drücken. Wenn dieser Schal wirklich von dem Mann war, dann musste dieser Mann ebenso wunderbar riechen, wie dieser Stoff. Yasura begriff endlich, dass sie gerade an einem Schal roch und wurde zum wiederholten Mal sehr rot. Doch wen störte es schon? Sie war ja allein. Nicht so, wie vorhin, wo er neben ihr-…! Und schon wieder war da dieser Drang ihn zu sehen. Wie sah er wohl aus? Hatte er dunkles Haar oder helles? Welche Augenfarbe mochte er haben? Auch wenn sie vielleicht ganz andere Vorstellungen von Farben und Formen hatte, so hatte sie doch ihre eigenen. Meistens stellte man sich Personen doch eh anders vor, als sie wirklich aussahen, nicht wahr? Mit diesen vielen Gedankengängen über Kaname, schlief Yasura dann endlich nach vielen, vielen Stunden ein. Kaname konnte die restliche Nacht über nur sehr schwer einschlafen. Um 5 Uhr suchten ihn dann aber doch so viele Gedanken heim, dass er darüber einfach nicht mehr wach bleiben konnte und in einen kurzen, aber sicheren Schlaf fiel. *** Am nächsten Morgen wachte Kaname wie gewohnt zwischen 9 und 10 Uhr auf. Er hatte eigentlich immer Zeit, noch länger zu schlafen, doch irgendwie fing er dann immer an faul zu werden und kam überhaupt nicht aus dem Bett. Das war ihm früher – Am Anfang seiner nun so erfolgreichen Karriere – andauernd passiert. Mittlerweile musste er ja sowieso nur noch Abends ins Studio. Denn er war ja jetzt der Star der Show und nicht irgendein anderer Heini, der sich eh nie an die von ihm geschriebenen Texte hielt. Zum Einen hatte es Kaname immer bis sonst wohin genervt, diese verdammten Dialoge zu schreiben und zum anderen fiel es um einiges einfacher seinen jetzigen Job zu erfüllen. Der junge Mann trank erst einmal eine Tasse Kaffee, die sein Hausmädchen, Miss Marble-Mii, wie gewöhnlich auf der Theke bereitgestellt hatte. Ein noch warmes Croissant lag daneben auf einem Teller, den er sich schnappte und damit in das Wohnzimmer ging. Kaname kannte seine Angestellte auf keinen anderen Namen. Ob das lediglich ihr Nachname war, konnte er nicht einmal sagen. Als er lethargisch Platz auf die Couch nahm nippte er nochmals an dem Kaffee und entschied sich, Fernsehen zu gucken. Die Idee ließ er dann aber auch sein, als er merkte, dass nur unnötiger Kram lief. Er schaffte es ja sowieso nicht, sich auf irgendwelche Sendungen zu konzentrieren. Statt des Fernsehers, der ihm eh eine Note zu protzig war, schaltete er das Radio ein und lauschte lieber irgendwelchen Charts und Sprechern. Während er sein Frühstück einnahm, wichen seine Gedanken ab. Er hatte sich den Abschied gestern zwar sehr leicht gemacht, aber Yasura konnte er einfach nicht vergessen. Obwohl es nur ein einziger Abend war, den er mit ihr verbracht hatte, fühlte es sich so an, als ob er sterben würde, wenn er sie nicht wenigstens noch einmal sehen dürfte. Einen Moment blieb er still so sitzen und stellte sich wieder ihr wunderschönes Gesicht vor. Er wollte sie so unbedingt wiedersehen. Irgendwann jedenfalls. Der Blonde seufzte. Alles was er hatte, waren lausige Erinnerungen. Nur Bilder in seinem Kopf, die langsam wieder zu verschwinden drohten. Da er selbst dem Gebrabbel im Radio nicht wirklich folgen konnte, erhob er sich von der Couch und trank mit wenigen Schlücken seinen Kaffee aus. Die leere Tasse und den Teller stellte er in die Spüle und wusch sich noch im selben Handgriff die Hände. Einen Moment verharrte er und musterte seine Finger. Wie hatte er ihre Hand noch gleich gehalten? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)