Thesedays ... von whitePhobia (*KaRe*) ================================================================================ Kapitel 1: Eine Momentaufnahme ------------------------------ Kai, eine Momentaufnahme Das Feuer im Kamin des Arbeitszimmers war fast erloschen. Rot und Orange glomm die letzte Glut zwischen den verkohlten Holzresten und warf ein mattes Licht in den spärlich eingerichteten Raum. Ein junger Mann mit auffallend grauem Haar, das eher zu einem Greis gepasst hätte, saß an einem großen Eichenschreibtisch. Bis auf einen schweren Silberring am linken Zeigefinger war seine Kleidung schlicht aber stilvoll. Ein schwarzer Pullover betonte seine hageren aber muskulösen Züge. Das schulterlange Haar fiel ihm ins Gesicht wann immer er sich nach vorn beugte, sodass er es sich aus den rotbrauen Augen streichen musste. Ein Bewegung, die er so oft wiederholt hatte, dass sie schon unbewusst geschah. Hohe Wangenknochen zierten ein schmales Gesicht, das angespannt und übermüdet aussah. Die dunklen Augenringe, die auf der hellen Haut deutlich zu sehen waren ließen den achtundzwanzigjährigen deutlich älter erscheinen, als er war. Das auf Hochglanz polierte Holz des Schreibtisches schimmerte matt im weißen kalten Licht der zwei nebeneinander aufgestellten Computerbildschirme. Tabellen mit hunderten von Zahlen und Daten liefen über einen der Bildschirme, während auf dem Anderen die neusten Börsennachrichten angezeigt wurden. Der Blick des jungen Mannes huschte aufmerksam zwischen den beiden Bildschirmen hin und her. Ab und zu tippt er ein paar Zahlen in ein Feld am unteren Bildschirmrand. Der Ledersessel knarrte leicht, als sich Kai nach vorn lehnte. Er fuhr sich mit den Fingern durch sein Haar. Der Silberring blitzte im fahlen Licht der beiden Computerbildschirme kurz auf. Kai hielt seine Hände vor sich ausgestreckt um sie zu betrachten und sein Blick blieb an dem Ring hängen. Ein Phönix war, wie in einem alten Siegelring, in das Metall hinein geprägt worden. Der Vogel stieß mit ausgebreiteten Schwingen auf einen imaginären Feind hinab. Kai drehte den Ring einige Momente an seinem Finger. Dann drückte er mit drei Fingern an verschiedene Stellen des Rings und das Bildnis des silbernen Vogel klappte auf und gab ein Geheimfach frei. Ein kleiner runder Chip, auf dem ein in bunten Farben schillerender Zwillingbruder des silbernen Phönix zu sehen war, kam zum Vorschein. „Dranzer.“, sagte Kai und strich fast liebevoll über das bunte Abbild. Für einen Moment schien es als leuchtete der Chip auf, doch ein Klopfen an der Tür des Arbeitszimmers ließ Kai hochschrecken und das Geheimfach des Rings schnappte wieder zu. „Herein.“, sagte er und eine rundliche ältere Dame mit mausgrauen Locken betrat das Zimmer. Sie blinzelte mehrmals heftig, als müsse sie sich erst an die schwache Beleuchtung in dem Raum gewöhnen bevor sie sprach. „Ich habe jetzt alles erledigt und wollte ihnen nur Bescheid geben, dass ich gehe.“ Kai nickte nur stumm. „Sie sollten auch nicht mehr arbeiten Kai, es ist fast einundzwanzig Uhr. Sie sind zu jung um sich an der Arbeit aufzureiben.“ Die ältere Frau lächelte Kai mütterlich an. Natascha war eine fünfzigjährige liebenswürdige Frau. Ihre eigenen Kinder waren schon lange aus dem Haus und ihr Mann verbrachte mehr Zeit mit seiner Angel, als mit seiner Familie. Kai hatte sie als seine Putzfrau eingestellt. Doch nach und nach hatte sie immer mehr Aufgaben für ihn übernommen. Inzwischen kaufte sie auch für ihn ein und kochte hin und wieder für ihn, da sie der Meinung war: Kai sein viel zu dünn. Kai nahm ihre Fürsorge wortlos hin. Manchmal genoss er sogar die Bequemlichkeit, die solch eine mütterliche Umsorgung mit sich brachte. Natascha hatte einen großen Vorteil, den er auf keinen Fall verlieren wollte. Sie war uneingeschränkt loyal. Sie stahl weder, wie Kai es schon bei früheren Hausmädchen erlebt hatte, noch tratschte sie. Diese beiden Eigenschaften machten sie so ungeheuer wertvoll als Hausangestellte, sodass Kai auch ihre fürsorglichen Ratschläge über sich ergehen ließ. „Ich habe mir erlaubt ihnen ein Stück von dem Geburtstagskuchen meines Mannes in den Kühlschrank zu stellen. Wir hatten noch soviel von der Feier übrig. Arbeiten sie nicht mehr zu lang. Gute Nacht.“ Kai wünschte ihr ebenfalls eine gute Nachte bevor Natascha wieder verschwand. Er arbeitete noch einige Minuten bevor er den Computer ausschaltete. Nachdem das rhythmische Surren des PCs verklungen war, war es totenstill im Haus. Dunkle Schatten der letzten Glut tanzten durch das Zimmer. Er hörte den Wind um das Haus heulen. Vielleicht war es nicht klug ganz allein in dem viel zu großen Haus zu leben, überlegte Kai. Doch er hatte sonst niemanden. Sein Großvater war vor ein paar Jahren gestorben und er selbst hatte sich ganz allein ein ziemlich erfolgreiches Unternehmen hier in Moskau aufgebaut. Er hatte nicht viel Zeit für sein Privatleben. Meist fuhr er früh ins Büro und kehrte erst spät abends nach Hause zurück. Wenn er nicht noch mit Geschäftspartnern Essen ging, arbeitete er zu Hause noch ein paar Stunden weiter. Das war eben der Preis, den man für den Erfolg zu zahlen hatte. Kai stand auf und verließ das dunkle Zimmer. Er ging gemächlich die langen holzvertäfelten Gänge in Richtung Küche. Hohe Fenster ließen das graue Licht der Nacht hereinfallen und erhellten schwach die Gänge. Er wurde bereits erwartet. Zwei giftgrüne Augen, mit zu senkrecht stehenden Schlitzen verengten Pupillen sahen ihn erwartungsvoll an. Kai streichelte sanft über den Kopf der Katze, die sich sogleich schnurrend im Kreis drehte. Kai lächelte und zupfte ihr liebevoll am Ohr. Er öffnete den Kühlschrank und nahm eine Flasche Wodka aus dem Gefrierfach. Kai goss sich zwei Finger breit in ein Glas und stellte die Flasche zurück, dann sah er sich nach etwas Essbarem um. Natascha hatte den Kühlschrank gut gefüllt und einige Sachen bereits für ihn vorgekocht, die er sich nur noch aufwärmen musste. Sein Blick blieb an dem Stück Kuchen hängen. Er nahm den Teller aus dem Kühlschrank. Der Kuchen duftete angenehm nach Honig und Sahne. Kai überlegte kurz, dass man wohl einen ganzen Kuchen in höchstens acht Teile zerschneiden konnte um solch große Stücke zu bekommen, doch ein nahm sich einen Löffel aus der Besteckschublade und ging mit Kuchen und Wodka ins Wohnzimmer. CNN fing gerade einen neuen Nachrichtenblock an als er den Fernseher einschaltete. Eine junge Nachrichtensprecherin verkündete soeben, dass die Brown University sich ab kommendem Semester mehr auf den Schwerpunkt der Ingenieurswissenschaft stützen wolle und eigens dafür ein neuer Lehrstuhl eingerichtet werden sollte. „Sport und Technik heißt der neue Studiengang, für den sich Studenten ab kommendem Semester einschreiben können. Er soll zunächst als Bachelor- später auch als Masterstudiengang angeboten werden.“, verkündete die Nachrichtensprecherin „Um Studenten für den neuen Studiengang zu interessieren wurden Sportstars wie der ehemalige Beybladeweltmeister Max Tate als Gastdozenten engagiert. Weitere Informationen und ein Interview mit Mister Tate finden sie auf unserer Website. In New York streiken seit heute die U-Bahn-Fahrer, nachdem keine Einigung in dem Schlichtungsverfahren am Freitag erzielt wurde, …“ Kai stockte kurz als Max Name erwähnt wurde. Er hatte schon seit einiger Zeit nicht mehr an seine alten Freunde gedachte. Max unterrichtete also. Kai dachte kurz darüber nach ob er sich das Interview von Max auf der Website ansehen sollte, doch er entschied sich dagegen. Er hob sein Wodkaglas an seinen Mund, als ein scharfer Schmerz seine linke Hand durchzuckte. Um ein Haar hätte er sein Glas fallen lassen. So schnell wie der Schmerz gekommen war verschwand er auch wieder. Er betrachtete seine weiße Hand und sein Blick blieb wieder an dem schweren Silberring hängen. Kai runzelte die Stirn… *** Tyson, eine Momentaufnahme Er sprintete die letzten zwei Häuserblocks zurück zum Dojo. Das lange blaue Haar flatterte im Wind. Er wollte auf keinen Fall zu spät zu dieser Unterrichtsstunde kommen. Heute war die erste Unterrichtsstunde der neuen Anfängerklasse. Obwohl er sonst, als Leiter des Dojos, nur die Besten der Abschlussjahrgänge unterrichtete, nahm er sich jedesmal Zeit die Anfänger in den Unterricht einzuführen. Tyson hatte vor einigen Jahren die Kampfkunstschule seines Großvaters übernommen, nachdem er selbst den Titel eines Kendomeisters errungen hatte. Nachdem er dem Beybladesport den Rücken gekehrt hatte, hatte er seine gesamte Aufmerksamkeit auf den Kampfsport gerichtet und damit die Familientradition fortgeführt. Sein Großvater streifte noch durch das Dojo und Tyson musste sich trotz seiner Erfolge im Schwertkampf noch immer Belehrungen vom ihm anhören. Tyson grinste und legte die letzten Meter zurück. Sein Großvater würde sich nie ändern. Er schob die Tür des Dojos auf und trat ein. Eine kleine Gruppe von Jungen und Mädchen wartete dort bereits. Im Hintergrund standen ein paar Mütter und Väter der Kleinen, die beim ersten Training ihrer Schützlinge dabei sein wollten. Er schälte seinen muskulösen Oberkörper aus der Lederjacke. Der Sprint hatte ihn kaum Kraft gekostet. Das grüne Shirt, das mit dem Zeichen der Kendoschule bestickt war, spannte sich um seine Oberarme, als er seine Haare mit einem Haargummi zusammenband. Das jahrelange Training hatte Tysons Körper geformt. Er wusste dass er gut aussah. Die Blicke der anwesenden Mütter und älteren Schwestern der Erstklässler verrieten es ihm. Er lächelte freundlich zu der kleinen Gruppe von Schülern, die nervös zu ihm aufblickten. „Willkommen bei eurer ersten Trainingsstunde. Ich bin Tyson Granger, Kendomeister und Leiter dieser Schule.“, begrüßte er sie herzlich. „Um euch einen kleinen Einblick von dem zu geben, was ihr hier lernen könnt, wenn ihr immer fleißig trainiert, gebe ich euch eine kleine Kostprobe der Kampfkunst.“ Tyson streckte seine rechte Hand zur Seite aus und die Gestalt eines älteren Schülers, der unauffällig an der Wand gelehnt hatte, legte ein Schwert hinein. Tyson nickte ihm zu, es war immer derselbe Ablauf. Tyson ließ das Schwert umher wirbeln und Sonnenlicht, das durch die Fenster fiel, glitt über die Klinge. Die Umstehenden traten ein paar Schritte zurück um ihm Platz zu machen. Elegant bewegte er sich durch den Raum und glitt dabei von einer Schwertkampffigur in die nächste. Er erkannte noch wie ein anerkennendes Raunen durch den Raum ging ehe alles andere aus seinem Kopf verbannte. Er wurde eins mit seinem Schwert. Doch etwas war dieses Mal anders. Tyson spürte wie sich in seinen Händen, die das Schwertheft hielten, ein warmes Kribbeln ausbreitete. Das Kribbeln kroch ihm die Arme hinauf, floss in seinen Brustkorb und breitete sich in den letzten Winkel seines Körpers aus. Ein merkwürdiges Gefühl von Euphorie durchflutete ihn. Er spürte wie ein Wind aufkam, ein Wind der eindeutig von ihm erzeugt wurde. Ein Wind, der die Kleidung der Anwesenden flattern ließ. Er beendete seine Vorstellung und der Wind flaute sofort ab. Es war so schnell vorbei wie es gekommen war. „Was war das denn, Meister? So etwas hab ihr uns noch nie gezeigt.“, fragte der junge Mann, der Tyson das Schwert gereicht hatte. Ein weiterer älterer Schüler verteilte derweil Holzschwerter unter den Erstklässlern. „Ich weiß es nicht genau.“, antwortete Tyson abwesend. Er strich mit den Fingern über das Heft des Schwertes. In den Griff war das Symbol eines Drachen eingelassen. Das Symbol glühte merkwürdig blau. Dragoon war damals aus dem Familienschwert in seinen Beyblade gewandert. War er jetzt in die Waffe zurück gekehrt? Tyson nahm sich vor nach seinem alten Beyblade zu sehen und zu überprüfen ob der Chip mit dem Bitbeast noch da war. „Muzuo, du hältst heute den Unterricht für die Erstklässler.“, sagte er zu dem jungen Mann, der neben ihm stand. „Ich muss noch einmal weg.“ Er steckte das Schwert in eine lederne Scheide und hängte es sich über die Schulter. „Natürlich Meister.“ Tyson verließ das Dojo und er machte sich auf in Richtung seiner Wohnung in der Innenstadt. Er lebte schon seit einiger Zeit nicht mehr im Dojo. Er war zu alt um sein Haus noch mit seinem Großvater zu teilen. Außerdem war die Schule gewachsen seit Tyson sie leitete und bot kaum noch Platz, damit zwei Leute in ihr wohnen konnten. Die Menschen auf der Straße warfen ihm neugierige Blicke hinterher. Sie sahen wohl nicht jeden Tag jemanden mit einem Schwert auf dem Rücken durch die Straßen eilen. In seiner Wohnung angekommen trat er in sein Schlafzimmer und kramte in seinem Kleiderschrank nach einer kleinen braunen Kiste. In ihr fand er neben ein paar Medaillen seinen alten Beyblade. Der Chip, in dem das Bitbeast sich befinden sollte, war verblasst und grau… *** Max eine Momentaufnahme „So das war`s für heute. Ich wünsche ihnen allen schöne Semesterferien. Vergessen sie bitte nicht dass nächste Woche noch ein Tutorium zur Prüfungsvorbereitung gehalten wird. Die Termine finden sie im Internet“, beendete Max seine Vorlesung. Ein hundertfaches Klopfen auf Holz erfüllte den Hörsaal, als sich die Studenten beim Professor bedankten und verabschiedeten. Max grinste als er seine Sachen zusammenpackte und die Studenten beobachtete, die aus dem Hörsaal strömten. Ein paar von ihnen kamen auf ihn zu um ihm Fragen zu seiner Vorlesung zu stellen. Ab nächstem Semester hätte er endlich seine eigene Juniorprofessur und war nicht mehr nur eine Vertretung. Er wusste jetzt schon, dass seine Vorlesung im nächsten Semester sehr gut besucht sein würde. Bereits jetzt während seiner Vertretung war der Hörsaal sehr gut besetzt, obwohl seine Vorlesung keine Pflichtveranstaltung war. Er beantwortete die Fragen der Studenten, ließ seinen Laptop in die Tasche gleiten und ging in sein Büro. Max hatte sich gerade an seinem Schreibtisch niedergelassen und tippte die Termine für die Tutorien in eine Exceltabelle, als die Tür zu seinem Büro geöffnet wurde. Eine junge Frau mit rostrotem Haar und einem etwas fleckigem Laborkittel betrat den Raum. „Max. Wie geht’s dir? Ich habe gerade dein Interview gesehen. Ich muss schon sagen das war sehr professionell.“ Sie streifte den Kittel ab und ließ sich in den Stuhl gegenüber vom Schreibtisch sinken. Max grinste und wuschelte sich verlegen durch sein blondes Haar das ihm sogleich in allen Richtungen vom Kopf abstand. „Na ja.“, sagte er gedehnt und suchte nach Worten. „Haben sie dein Auto eigentlich schon mit Klopapier eingewickelt? Schließlich machen sie das mit jedem neuen Professor.“, plapperte die junge Frau weiter und schielte zu der Schale mit Bonbons, die auf Max Schreibtisch stand. „Nein. Das machen sie wahrscheinlich erst nächstes Semester. Im Moment bin ich ja noch nicht offizieller Dozent… Ich hoffe sie vergessen es.“ „Hmm.“, stimmte die junge Frau ihm zu und fischte sich ein gelbes Bonbon aus der Schale. „Sag mal sind die Forschungsmittel für die neue Anlage eigentlich schon bewilligt worden?“ Max stöhnte. Er hatte schon jetzt mehr Arbeit, als ihm lieb war. „Ich werde nachher noch anrufen. Ich hatte heute noch keine Zeit dazu.“ „Mit deinem Charme wirst du die Gelder für uns schon bekommen.“, sie zwinkerte ihm lächelnd zu. Das Handy der jungen Frau klingelte und nach einem kurzen Gespräch verabschiedete sie sich von Max, nachdem sie sich noch ein paar Bonbons in die Tasche ihres Laborkittels gesteckt hatten. Max stöhnte erneut, als er den Posteingang seines Emailpostfaches öffnete und die Zahl der neuen Mails sah. Er freute sich schon auf das nächste Semester, wenn er einen Mitarbeiter für solche Büroarbeiten haben würde und er sich endlich seinen Forschungsvorhaben widmen konnte. Max stand auf und goss sich ein Glas Wasser ein, bevor er sich an die Beantwortung seiner Emails machte. Er nippte an seinem Glas und dachte über das kommende Semester nach als sein Telefon plötzlich klingelte. Heftig schreckte er aus seinen Gedankengängen. Während er zusammenzuckte kippte sich die Hälfte seines Mineralwassers über sein Hemd. Genervt stöhnte er aus und strich sich ein paar Mal über den dunklen Wasserfleck auf seiner Brust bevor er zum Hörer griff. Doch als er sich am Telefon meldete hatte der Anrufer schon wieder aufgelegt. Max ging zu dem Spiegel der neben einem schmalen Stahlschrank in seinem Büro hing und betrachtete den Fleck. Ein spürte ein merkwürdig heißes Gefühl auf seiner Brust und knöpfte die obersten Knöpfe seines Hemdes auf. Eine schmale silberne Kette mit einem bläulich schimmernden Anhänger kam zum Vorschein. Der Anhänger zeigte das Bild einer Schildkröte. Max besah sich den Anhänger im Spiegel. Ihm war als würde sich das Bild der Schildkröte auf dem Anhänger bewegen. Er nahm die Kette ab und betrachtete die Plakette. Die Hitze, die von ihr ausging, schien sich stetig zu steigern. Aus dem kleinen Anhänger in seiner Hand brach plötzlich ein blaues Licht und Max machte einen Satz nach hinten. Das helle blaue Licht blendete ihn so stark, dass er seine Augen mit den Händen abschirmen musste. Dabei ließ der den Anhänger fallen. Das Licht verblasste und als Max die Hände von den Augen nahm stand Draciel vor ihm. In allen Grün- und Brauntönen schimmerte der Panzer der Schildkröte im hereinfallenden Sonnenlicht. Die glänzenden schwarzen Augen schauten Max sanft aus dem schuppigen Kopf heraus an. Max stockte der Atem. Draciel reichte ihm bis zur Hüfte. Unsicher streckte er eine zittrige Hand nach der Schildkröte aus. Wie lange war es her seit sich Draciel das letzte Mal materialisiert hatte? Jahre? Konnten ein paar einfache Tropfen Wasser so etwas verursachen. Mit seinen Fingerspitzen berührte er den rauen, geschuppten Kopf des Tieres. Langsam schlossen sich die Augen der Schildkröte und sie streckte den Kopf in seine Richtung als ob das Tier die Berührung genoss. „Hi.“, stammelte Max mit belegter Stimme. *** Ray eine Momentaufnahme Die Rasenfläche um die kleine Pagode im Park war festlich geschmückt. Große Vasen mit roten und weißen Rosen umstanden einen weißen Pavillon, dessen Außenwände zurückgebunden waren um den Gästen der Hochzeit genug Platz zu bieten. Girlanden aus schimmernden Laternen säumten die Kieswege und kleine Tische waren über das smaragdgrün des Rasens verteilt. Der Wind trug den süßlich schweren Geruch der blühenden Fliederbüsche über die Wiese. Die weißen Stuhlreihen vor dem Altar waren voller Gäste. Männer in schwarzen Anzügen und Frauen in pastellfarbenen Kleidern tuschelten aufgeregt miteinander. Auf einer kleinen Bühne spielte eine Jazzband im nachmittäglichen Sonnenlicht. Alle warteten auf die Ankunft der Braut, damit die Zeremonie beginnen konnte. „Sie verspätet sich.“ Lee sah auf erst auf seine Uhr und reckte dann den Kopf über die Stuhlreihen hinweg. Er wartete bereits, wie es sich für einen guten Traumzeugen gehörte, vorne am Altar. Nervös spielte er mit der kleinen schwarzen Samtschachtel in der Tasche seines Jacketts. In dieser Schachtel befanden sich die Ringe, die sich das Brautpaar später anstecken würde. „Lass Mariah doch ihren Auftritt. Sie ist schließlich nur heute eine Braut und in Zukunft nur noch Ehefrau. Komm mal wieder runter“ Ray, der neben Lee am Altar wartete stieß seinem Freund einen Ellenbogen in die Rippen. Sein Grinsen zeigte eine Reihe blendend weißer Zähne, gerade und scharf, wie die einer Raubkatze. Das lange schwarze Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden, der ihm bis zur Hüfte reichte. Er trug wie Lee einen schwarzen Anzug. „Bist du denn gar nicht aufgeregt?“ „Natürlich bin ich aufgeregt. Ich war nicht mehr so nervös seit …“ Ray bis sich auf die Unterlippe und überlegte kurz „ … seit meinen ersten Schultag.“ Lee schnaufte empört. „Seit deinem ersten Schultag? Fällt dir denn kein anderes Ereignis ein? Wer erinnert sich denn schon an seinen ersten Schultag?“ Ray grinste, auch sein Herz hämmerte vor freudiger Erregung, aber er war kein solches Nervenbündel wie Lee. „Wenn dir mein Vergleich nicht gefällt, dann nenn mir einen besseren.“, forderte er seinen Freund auf. „Die Abschlussprüfung in Chemie für die Oberstufe vielleicht. Oder, unseren ersten internationalen Beybladekampf vor großem Publikum…“ Lee schwieg einige Moment und versuchte angestrengt einen passenden Vergleich zu finden, musste sich aber schlussendlich eingestehen, dass er keinen fand. „Es gibt einfach nichts.“, sagte er schließlich „Sie ist meine Schwester und sie heiratet heute. Da kommt einfach nichts heran.“ Lee zupfte ein paar imaginäre Fusseln von Rays Anzug. „Sie wird dich dafür umbringen.“, sagte er und zog Rays gelbe Fliege zu Recht. „Wieso?“, fragte Ray scheinheilig und grinste diabolisch. „Ich habe genau das an, was Mariah gesagt hatte: Anzug und Fliege.“ „Aber deine Fliege ist gelb, nicht schwarz. Sie wollte ausdrücklich Nichts, was aus der Reihe tanzt.“ „Na und? Ich finde gelb passt sehr gut zu meinen Augen.“ Autoreifen knirschten auf Kies und Lee sah sich wieder nervös um. „Na endlich.“, er seufzte erleichtert auf. Ray rückte auch Lee die Fliege zurecht und umarmte dann seinen Freund. Sie grinsten sich gegenseitig an und schauten dann zu der schwarzen Limousine, die gerade vorfuhr. Mariah entstieg der Limousine und alle Augen richteten sich auf sie. Ihr pinkes Haar wurde von einem weißen Haarreifen zurück gehalten, fiel ihr locker über die Schulter und bewegte sich leicht im Wind. Das weiße Seidenkleid, das sie trug umschmeichelte ihre Gestalt und floss in sanften Falten zu Boden. Sie strahlte über das ganze Gesicht und ob der vielen Aufmerksamkeit legte sich ein leichter Rotschimmer über ihre Wangen. Zwei Brautjungfern stiegen nach ihr aus der Limousine, richteten sich die Kleider und gaben Mariah ihren Brautstrauß. Die Band spielte die ersten Takte des Hochzeitsmarsches an und Mariah begann auf den Altar zuzuschreiten. Ein strahlendes Lächeln bedeckte ihr Gesicht, als sie an den Stuhlreihen vorbeischritt. Am Altar küsste sie Lee und Ray auf die Wangen. „Du siehst wunderschön aus.“, flüstert Ray ihr ins Ohr. Mariah lächelte und ging dann an ihren zwei Freunden vorbei, um sich neben ihren zukünftigen Ehemann zu stellen. *** Rays Augen brannten und er hielt sie angestrengt offen um nicht zu weinen. Mariah war für ihn immer wie eine Schwester gewesen und dass sie jetzt heiratete berührte ihn sehr. Die Zeremonie ging nahtlos in die abendliche Feier über und die Laternen verbreiteten mit den kerzenbeleuchteten Beistelltischen ein angenehmes Licht. Er tanzte an diesem Abend gerade zum zweiten Mal mit Mariah. „Wann wirst du heiraten?“, fragte sie ihn sanft und ließ sich vom ihm herumwirbeln. „Ich brauche erst einmal jemanden, der lange genug bleibt.“, Ray lächelte traurig und dachte an die vielen gescheiterten Beziehungen zurück. Vor vier Jahren hatte er angefangen, nur noch mit Männern auszugehen. Doch leider waren diese Beziehungen zwar in sexueller Hinsicht sehr viel erfüllender gewesen, doch sie waren dennoch zerbrochen ehe sich eine richtige Vertrautheit aufbauen konnte. „Du hast zu hohe Ansprüche, Ray. Was war an dem letzten falsch gewesen? Wie hieß er noch, Johann?“ „Ich weiß nicht.“, wich Ray ihr aus. Er wollte sich heute nicht mit Mariah über seine Beziehungsprobleme zanken. Ray erinnerte sich an Johann, an seine verblüffend rotbraunen Augen, das warme Lächeln, sein braunes ständig zerzaustes Haar. Die Erinnerung machte ihn traurig. „Wir können nicht alle soviel Glück haben wie du.“, er lächelte sie versöhnlich an und hoffe dass sie das Thema wechselte. „Ach Lee ist ja auch nicht besser. Als ob er auch nur einen Blick auf eine meiner Brautjungfern geworfen hätte. Er unterhält sich den ganzen Abend nur mit Gary.“ „Du hast zu hohe Ansprüche.“, imitierte Ray nun Mariahs frühere Aussage mit schelmischen Grinsen. Mariah streckte ihm die Zunge raus und sie tanzten schweigend weiter … http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/audiobooks/30/ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)