Thesedays ... von whitePhobia (*KaRe*) ================================================================================ Kapitel 3: Briefe ----------------- 3. Briefe Ray hatte versprochen ab und zu in Mariahs Wohnung nach dem Rechten zu sehen, die Post hereinzuholen und die Blumen zu gießen, während sie und ihr Mann in den Flitterwochen waren. Maui . Ray beneidete seine Freundin, die sich sicherlich jetzt bei 30°C im Schatten am weißen Strand der Südseeinsel sonnte, während es bei ihm in Shanghai schon seit zwei Tagen ständig regnete. Ray schüttelte sich das Wassers aus den Haaren, bevor er mit der Post in der Hand Mariahs Wohnung betrat. Der böige Wind, der vom Meer her durch die Straßen der Stadt wirbelte, machte es fast unmöglich sich vor dem Regen zu schützen. Graue Wolken hingen am Himmel und versperrten den Blick auf die Sonne. Naja, hier in Shanghai blickte man sowieso nur selten in einen strahlend blauen Himmel. Meisten hing ein schwacher, grauer Dunst von den Abgasen der Autos über der Millionenstadt. Der Regen hatte somit wenigstens ein Gutes. Er spülte den Smog aus der Luft und den Abfall von den Straßen. Ray öffnete ein Fenster und der Wind wirbelte einen feinen Nebel aus Regentropfen zu ihm herein. Das stetige Rauschen, der auf der Straße vorbeifahrenden Autos drang zu ihm herauf. Er ließ seinen Blick über die Skyline schweifen. Ray liebte diese Stadt die niemals schlief, niemals zur Ruhe kam. In der um drei Uhr morgens in fast jeder Nebenstraße noch irgendeine kleine Küche offen hatte, die gedämpfte Spieße oder Dumplings anbot. Shanghai war die Schnittstelle zwischen traditionellem China und Moderne. Man sah Karren mit Maultieren neben Nobelkarossen aus Europa auf den Straßen. Auch wenn diese beiden Puzzelteile nicht immer passten, konnte er sich im Moment keinen schöneren Ort zum Leben vorstellen. Ray sortierte die Briefe aus der Post und stapelte sie ordentlich auf dem weißen Küchentisch. Das meiste mussten wohl Glückwunschkarten zur Hochzeit sein, vermutete er. Er ging auf den Balkon und goss das Wasser aus ein paar Übertöpfen in denen durch den andauernden Regen zu viel Feuchtigkeit stand. Sein Handy klingelte. Ein Kunde wollte seinen Termin mit ihm vorverlegen. Ray willigte ein sich früher mit ihm zu treffen. Manchmal hasste er diese reichen Schnösel, die dachten Ray würde jeder Zeit zu ihrer Verfügung stehen. Zen war etwas, das man nicht nur praktizierte, weil man mal eben zwei Stunden Zeit hatte. Doch solche Kunden sorgten dafür, dass Ray sich ein großes Apartment mit Blick über die Stadt leisten konnte. Also gab er ihnen Lektion in Meditation, Lebensführung und Tai-Chi. Wenigstens hatte Ray durch diese Terminverlegung den Abend frei. Ray beeilte sich. Selbst wenn er sofort eine Metro erwischte, würde er fast ein Stunde durch die Stadt brauchen. Trotzdem die U-Bahn voller Menschen war schaffte es Ray noch einen Platz neben einer alten Dame mit runzeligem Gesicht und schlohweißem Haar zu bekommen. Ray kramte in seiner Tasche und zog ein Bündel Papiere heraus. Als er heute Morgen in sein Emailpostfach geschaut hatte, war er ganz überrascht gewesen eine Nachricht von Max, seinem alten Freund aus Teenagerzeiten, zu sehen. Ray hatte sich den vier Seiten langen Brief ausgedruckt und sich vorgenommen ihn im Laufe des Tages zu lesen. Er hatte lange keine Post mehr von seinen ehemaligen Teammitgliedern bekommen. Ray musste sich allerdings auch eingestehen, dass das vielleicht daran lag, das er ihnen auch schon sehr lange nicht mehr geschrieben hatte. Er ordnete die Blätter, die sein Drucker mal wieder in der falschen Reihenfolge ausgespuckt hatte und begann zu lesen. Ray las den Brief gerade zum dritten Mal, als ihn die alte Dame neben ihm bat aufzustehen, damit sie am nächsten Halt aussteigen konnte. Ray tat es wie in Trance. Er konnte nicht glauben was da schwarz auf weiß auf Papier vor ihm stand. *** Es war fast drei Monate her, seit Drigger sein letztes Lebenszeichen von sich gegeben hatte. Seitdem trug Ray das Armband nur noch aus Gewohnheit. Der Chip war ganz langsam verblasst. Ray hatte sich eine Zeitlang schwach und ausgezehrt gefühlt, als hätte er eine schwere Grippe auszukurieren. Doch er wusste, dass der Schmerz daher kam, dass die Verbindung zu seinem Bitbeast langsam abriss. Ray hatte keine Ahnung wie er daran etwas ändern könnte. Hatte sich Drigger auf die Suche nach einem anderen Besitzer begeben? Rays Ideale hatten sich im Laufe der Jahre geändert. Vielleicht war es Zeit seinen ehemaligen Freund gehen zu lassen. Der Gedanke hatte Ray weh getan, er hatte ihn sogar zum Weinen gebracht, doch er hatte sich schließlich damit abgefunden. Nun schrieb ihm Max, dass das bei Draciel und Dragoon auch passierte? Das sie diesen Prozess umkehren konnten, durch ein schnödes Ritual? Warum hatte sich Drigger nicht materialisiert, wie Draciel es für Max getan hatte? Rays Verbindung zu dem weißen Tiger war immer sehr eng gewesen. Warum verlor er als erster sein Bitbeast? Die Welt war nicht fair. War es überhaupt noch möglich Drigger auch zurück zu holen? Drei Monate waren eine lange Zeit. Was war das überhaupt für ein Ritual? Ray war ein religiöser Mensch, doch er konnte sich nicht daran erinnern, dass eines seiner alten Teammitglieder jemals den Hang zum Okkultismus gezeigt hätte. Schon gar nicht Max. Hunderte von Fragen schossen durch Rays Kopf. *** Kai stellte seinen Wagen auf der Straße vor seinem Haus ab. Rotgoldenes Licht, das durch die Blätter der Bäume fiel, kündete von der hereinbrechenden Dämmerung. Er stieg aus dem Auto und ging zu seinem Gartentor. Die rostigen Scharniere verursachten ein leises Quietschen, als er die Tür aufstieß. Als er den Briefkasten öffnete fielen ihm die Tageszeitung und zwei Briefe entgegen. Einer der beiden trug seine Adresse mit lateinischen, statt kyrillischen Buchstaben. Kai runzelte die Stirn. Er bekam so gut wie nie Post aus dem Ausland an seine Privatadresse. Der Poststempel kam aus Amerika. Kai presste die Lippen missbilligend aufeinander, dann drehte er den Brief um den Namen des Absenders zu lesen. Max. Hatte er es sich doch gedacht. Kai hatte in den letzten zwei Wochen fünf Emails von Max gelöscht. Er konnte sich nicht erklären, wie Max an seine Adresse gekommen war. Nun schien der Amerikaner auf anderem Weg zu versuchen Kai zu terrorisieren. Kai warf Max Brief in eine der Mülltonnen neben dem Haus und schloss dann die Tür auf. In der Küche öffnete Kai den anderen Brief. Es war eine Einladung zur Ausstellungseröffnung von Tala. Tala hatte zwar an der Moskauer Universität Physik studiert, aber schon während des Studiums angefangen zu malen. Nach dem Ende seines Studiums hatte Tala es geschafft mit Hilfe einiger vermögender Gönner, zu denen auch Kai gehörte, ganz von seiner Kunst zu leben. Dies war nun schon die dritte Ausstellung die Tala zusammen mit einigen anderen Künstler organisiert hatte. Kai lächelte und zog den gelben Klebenotizzettel von der Einladungskarte. „Dein Bild ist fertig.“ , stand auf der Notiz in Talas hoher enger Handschrift. Tala hatte darauf bestanden Kai zu porträtieren, ohne das Kai auch nur einmal für ihn Modell gesessen hatte. Kai fragte sich allerdings ob er sich auf seinen Porträt wieder erkennen würde. Tala hatten einen ganz eigenen Malstil. Die Figuren auf Talas Bildern waren dünn und die Länge gestreckt, wie durch einen Zerrspiegel betrachtet. Düstere Bilder mit lasziven Motiven. Er fragte sich wie sein Porträt wohl aussehen würde, durch Talas Sichtweise der Dinge verfremdet. *** Max schaltete seinen Computer ein. Das rhythmische Surren erfüllte sein Apartment als der PC hochfuhr. Er schaute aus dem Fenster in die sternenfunkelnde Nacht hinaus. Hinaus auf die Bucht, die in den Atlantik mündete. Schiffe schaukelten als helle Lichtpunkte auf der unruhigen See. Max setzte sich an seinen Computer und öffnete das Programm seines Instant-Messengers. Er hatte sich mit Tyson und Ray zu einer Videokonferenz verabredet. Die Statusleisten der beiden standen bereits auf online. Sie warteten schon auf ihn. Max machte ein paar Klicks und Sekunden später tauchten Rays und Tysons Gesicht vor ihm auf dem Bildschirm auf. „Hi.“, begrüßte er seine alten Freunde. Er konnte erkennen, dass es bei Ray und Tyson bereits heller Tag war. „Hey Max. Hast du schon was von Kai gehört?“, grüßte ihn auch Ray. „Nein leider nicht. Dabei bin ich mir ganz sicher, dass ich seine richtige Adresse habe.“ Max seufzte. Sie alle wussten wie wichtig es war, das Kai an dem Ritual teilnahm. Dass er jetzt nicht auf die Versuche mit ihm Kontakt aufzunehmen reagierte machte Max stutzig. „Der ignoriert uns absichtlich. Ganz sicher.“ Tysons Stimme knackte etwas und Max sah wie der Japaner an seinem Mikrofon herumspielte um die Interferenzen zu beheben. Einige Sekundenlang knisterte es sehr laut, danach war Tyson Stimme wieder klar hörbar. „Ich denke es wird Zeit, dass wir dem werten Herrn Hiwatari mal ein wenig auf die Füße treten.“, fuhr Tyson fort. „An was hast du da gedacht?“, fragte Max und sah Tyson erwartungsvoll an. „Na wir statten ihm einfach einen kleinen Besuch ab.“ Tyson grinste. Ray wiegte seinen Kopf hin und her, als ob er nicht wusste ob er diese Idee gutheißen oder ablehnen sollte. Auch Max war sich nicht sicher ob so ein Vorschlag klug war. „Er wird es doch sicherlich als ziemlich anmaßend empfinden, wenn wir bei ihm einfach so aufkreuzen. Falls er unsere Nachrichten bekommen hat.“, wandte Ray ein, der wohl zu dem Schluss gekommen war, die Idee abzulehnen. „Komm mal wieder runter Ray. Was haben wir denn sonst noch so für Optionen? In einer Woche ist Vollmond. Wir können das Ritual genauso gut in Russland, wie sonstwo abhalten.“, versuchte ihn Tyson zu überzeugen. „Ich bin dafür.“, sagte Max und nickte ehe Ray etwas erwidern konnte. Max erinnerte sich, dass es besser war nicht zu zögern. „Okay.“, lenkte nun auch Ray ein. „Aber ich kann frühestens morgen Abend oder übermorgen fliegen. Ich muss noch ein paar Termine verschieben.“ „Ich muss mich auch noch um eine Vertretung kümmern.“, sagte Tyson. Max nickte und schaute auf seinen Kalender. „Ich buche für uns Hotelzimmer und schicke euch noch die Adresse. Wie sehen uns dann am Donnerstag in Moskau.“ Max verabschiedete sich von seinen Freunden und beendete das Telefonat. Er hatte selbst noch sehr viel zu erledigen. *** Der russische Zoll meinte es nicht gut mit Tyson. Der Japaner verbrachte geschlagene drei Stunden damit russischen Zollbeamten, die wenig Englisch verstanden und noch weniger sprachen, zu erklären, dass er als Kendomeister dazu berechtigt war ein Schwert nach Moskau einzuführen. Es war Tyson schon schwer gefallen die Waffe nicht als Handgepäck mit Flugzeug zu nehmen, sondern sie als ein normales Gepäckstück aufzugeben zu müssen. Es machte Tyson irgendwie nervös sich von dem Schwert zu trennen und sei es auch nur ein paar Stunden lang. Er fühlte sich Dragoon so nah, wie schon seit Jahren nicht mehr und wollte ihn am liebsten gar nicht aus der Hand geben. Tyson war erleichtert als er endlich das Büro des Zollbeamten mit seinem Schwert verlassen durfte, nachdem sein gesamtes Gepäck noch einmal einer gründlichen Durchsuchung unterzogen worden war. Er winkte sich ein Taxi heran und nannte dem Fahrer die Adresse des Hotels die Max ihm geschickt hatte. Tyson nahm auf dem Rücksitz Platz. Den langen, schmalen Kasten aus schwarzem lackiertem Holz, der sein Schwert beinhaltete, legte er neben sich. Er würde sich sicherlich nicht noch einmal von ihm trennen. Während der Fahrt zum Hotel spürte Tyson wie der Taxifahrer ihm immer wieder missmutige Blicke durch den Rückspiegel zuwarf. Tyson seufzte. Dieses Land schien nur Menschen mit Kais Temperament hervorzubringen. Wortkarge, griesgrämige Stoiker. *** „Wann fahren wir zu Kai?“, fragte Ray. Er hatte es sich auf dem Bett in Max Hotelzimmer gemütlich gemacht und spielte mit dem Zipfel der Bettdecke zwischen den Fingern. Tyson saß auf einem der Holzstühle neben den Fernseher und Max schritt langsam im Zimmer auf und ab. Sie hatte sich in Max Hotelzimmer getroffen um ihr weiteres Vorgehen zu besprechen. „So bald wie möglich würde ich sagen.“, beantwortete Tyson entschlossen die Frage. Der Japaner wäre sofort in das nächste Taxi gestiegen und zu Kai gefahren, er wusste nicht warum die anderen beiden noch zögerten. „Ja.“, Max nickte und ging weiter langsam durch das Zimmer. „Wie sollten vielleicht vorher nochmal bei ihm anrufen.“, sagte er gedehnt und zog einen kleinen weißen Zettel mit einer Telefonnummer aus seiner Hosentasche. „Ich mach das.“ Tyson war schon aufgesprungen hatte sich den Zettel geschnappt und griff zum Hoteltelefon. http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/audiobooks/30/ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)