Thesedays ... von whitePhobia (*KaRe*) ================================================================================ Kapitel 4: Wiedersehen mit Freu(n)den ------------------------------------- 4. Wiedersehen mit Freu(n)den Am frühen Abend brachen die drei zu Kais Anwesen auf. Das Taxi fuhr sie fast eine Dreiviertelstunde durch das enge Straßengewirr Moskaus, bis es endlich vor einer düster aussehenden, alten Villa hielt. „Vielleicht hätten wir doch vorher anrufen sollen.“, meinte Ray, dessen Blick über die vielen unbeleuchteten Fenster glitt. Das eiserne Tor quietschte leise in den Angeln, als sie es öffneten um durch den Vorgarten zu gehen. Der Kiesweg zum Haus war mit niedrigen immergrünen Sträuchern gesäumt, die im Abendlicht silbern schimmerten. „Wir haben doch vorher angerufen. Zweimal.“, erinnerte ihn Tyson und drückte den Klingelknopf. Gleich drauf hörten sie wie irgendwo im Haus ein altmodischer Gong ertönte. „Aber der werte Herr Hiwatari“, fuhr Tyson fort „hat ja gleich wieder aufgelegt, nachdem er mitbekommen hat wer ihn da sprechen wollte.“ Ray seufzte ergeben. Schritte erklangen auf der anderen Seite der Tür und sie wurde geöffnet. *** „Du meine Güte!“, sagte die Frau mit mausgrauen Locken auf Russisch, als sie den drei jungen Männern die Tür aufmachte. Sie erkannte die Gesichter wieder, in die sie da blickte. Sie hatte sie schon sehr oft gesehen. Eines der wenigen Fotos in Kais Anwesen zeigte sie alle im Teenageralter, wie sie mit lachenden Gesichtern an einem sonnigen Nachmittag auf einem grasbewachsenen Abhang eines Hügels saßen. Natascha hatte dieses alte Foto schon hunderte Male abgestaubt und sich jedesmal darüber gewundert, dass alle Personen auf dem Bild, bis auf Kai selbst, lächelten. „Hallo. Das sind Max Tate und Ray Kon. Und ich bin Tyson Granger.“, sagte der junge Mann mit dem einnehmenden Lächeln und dem dunkelblauen Haar und deutete nacheinander auf die Personen, deren Namen er nannte. „Wir sind alte Freunde von Kai Hiwatari und würden ihn gern sprechen, wenn er hier noch wohnt.“ Die Englischkenntnisse von Kais Haushälterin reichten gerade aus um zu verstehen, was Tyson zu ihr sagte. „Ja, kommen sie herein.“, sagte sie in etwas abgehacktem Englisch und bedeutete ihnen ihr zu folgen. Geschäftsmäßig wuselte die ältere Frau vor den drei Männern her und führte sie durch dunkle, holzgetäfelte Gänge in ein großes, sehr spärlich eingerichtetes Wohnzimmer. Eine große, dunkle Couch gruppierte sich mit drei Sesseln auf einem orientalischen Teppich um einen Flachbildfernseher. Zwei hohe Regale, vollgestopft mit Büchern und Holzkisten, waren an eine Wand gestellt. An einer anderen Wand gähnte die dunkle Öffnung eines kalten Marmorkamins. Die wenigen Möbel wirkten einsam und verloren in diesem großen, düsteren Zimmer. Es fiel kaum Licht durch die bodenlangen Fenster. Durch das Geäst der Bäume vor den Fenstern fiel nur dunkelgrüner Schein. Das dunstige Licht eines schmiedeeisernen Kronleuchters reichte kaum aus um die schwarzen Schatten aus den Winkeln des Raumes zu vertreiben. „Gemütlich hier.“, sagte Ray nicht ohne sarkastischem Unterton, als sein Blick durch den Raum glitt. „Bitte warten sie hier, ich hole Mister Hiwatari.“, sagte die ältere Frau in ihrem abgehackten Englisch und verbeugte sich halb, was ein Stirnrunzeln auf den Gesichtern der Besucher hervorrief. Natascha war es offensichtlich nicht gewohnt, dass Kai soviel Besuch bekam. *** Kai hob den Kopf von seiner Arbeit, als es an der Tür klopfte. Natascha trat mit einer seltsam freudigen Miene ein. „Sie haben Besuch.“, sagte sie. Kai hatte sich schon so etwas gedacht, als er die Türglocke gehört hatte. „Tala?“, fragte er, weil ihm sonst niemand einfiel der ihn heute besuchen konnte. „Nein, ein Mister Granger, Mister Kon und Mister Tate, Kai. Ihre alten Freunde.“, sagte sie mit einem Lächeln, das gefror, als sich Kais Blick bei ihren Worten verdüsterte. „Sag ihnen, dass ich heute leider keine Zeit habe. Ich habe zu viel zu tun.“ „Aber … aber sie warten bereits im Wohnzimmer.“, meinte die alte Frau, die Kais Reaktion auf seine alten Freunde nicht einordnen konnte. Eine Minute verging ehe Kai antwortete. „Ich komme.“, sagte er gepresst und Natascha verschwand wieder aus seinem Büro. Kai starrte auf die Papiere, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen, doch er nahm sie nicht wahr. Seine Gedanken waren bei den jungen Männern, die in diesem Moment in seinem Wohnzimmer saßen. Seine ehemaligen Freunde. Sein ehemaliges Team. Sehr viel Zeit war vergangen seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Er hatte sich seitdem verändert. Sie alle hatten sich seit diesem Zeitpunkt verändert. Was machten sie hier in seinem Haus? Verstanden sie denn den Wink mit dem Zaunpfahl nicht, wenn er nicht auf ihre Mails und Briefe antwortete und bei ihren Telefonanrufen einfach auflegte? Sie waren nicht mehr Teil seines Lebens. Kai spielte mit dem Gedanken das Haus durch die Hintertür zu verlassen. Wie lange würden die drei schon auf ihn warten? Ein paar Stunden? Einen Tag vielleicht? Und dann konnte er zurückkommen und … Kai schollt sich selbst einen Feigling. Er würde doch nicht aus seinem eigenen Haus fliehen. Er würde nach unten gehen und sie einfach bitten ihn in Ruhe zu lassen. Sie bitten zu gehen. Schließlich war er ein erfolgreicher Geschäftsmann. Er brauchte sich nicht vor einem Wiedersehen zu fürchten, er hatte in all den Jahren viel erreicht. Und doch ergriff ihn aus irgendeinem Grund latente Panik, als er sein Arbeitszimmer verließ und durch die Korridore ins Wohnzimmer ging. Es war die Angst, die man vor einem herannahenden Unwetter spürt. Seine Schritte schienen unnatürlich laut durch die holzvertäfelten Gänge zu hallen. *** Natascha hatte bereits Tee für sie alle bereit gestellt und ein Feuer im Kamin entfacht, als er in das trübe Licht des Wohnzimmers trat. „Hallo.“, begrüßte er seine Gäste und die Köpfe der drei Männer drehten sich zu ihm. Kai bemerke wie ausdruckslos und gefasst seine Stimme klang und war zufrieden damit, wie wenig man ihm seine Panik anmerkte. Er bemerkte, wie die Blicke der Anderen ihn unverhohlen musterten. Außer Max lächelte Niemand. Sie sahen ihn mit ernsten Gesichtern an. Max trug anders als auf dem Bild, das Kai vor ein paar Wochen im Fernsehen gesehen hatte eine Brille mit viereckigen Gläsern. Mit seinem blassblauen Pullover und seiner weißen Hose leuchtete er förmlich vor dem Hintergrund des dunklen Mobiliars. Wie er vor Kais Bücherregalen stand und die wenigen englischen Titel auf den Buchrücken studierte war er der Inbegriff des Akademikers. Kais Blick glitt weiter zu Tyson, der gemütlich in einem der Sessel lümmelte. Kai vermutete dass Tyson ihn jetzt um ein paar Zentimeter überragen musste, so hünenhaft wie seine Erscheinung jetzt wirkte. Das breite Kreuz und die muskelbepackten Oberarme ließen auf intensives Training schließen. Tyson trug das Haar jetzt länger als früher und der Pony seines blauen Haares fiel ihm frech in die Stirn, was ihm etwas Lausbubenhaftes verlieh. Die für ihn früher so markante Kappe fehlte. Die Frauen rannte Tyson sicher scharenweise hinterher. Ein langer, schmaler, schwarzer Kasten, der neben Tyson an dem Sessel lehnte zog Kais Aufmerksamkeit auf sich und er fragte sich was dieser Kasten wohl enthielt. Porzellan klapperte auf Porzellan und Kais Blick glitt weiter zu Ray, der an seinem Tee genippt hatte. Das lange schwarze Haar trug er noch immer als Pferdeschwanz, der von einem weißen Haarband zusammen gehalten wurde. Locker lag ihm der Zopf über der Schulter. Er strich sich mit der rechten Hand seinen Pony aus den Augen, der ihm ins Gesicht gefallen war, als er die Tasse zurück auf den Tisch stellte. Das rote Band mit dem Jing-Jang-Zeichen, das früher Rays Haar zurückgehalten hatte, war um seinen rechten Unterarm geschlungen. Ein breites schwarzen Lederband, an das Driggers Bitchip gebunden war baumelt von seinem Handgelenk. Kai tastete wie automatisch mit der Hand zu dem schweren Silberring an seiner linken Hand. Rays mandelförmige Augen blitzten als er Kais Bewegung bemerkte. Rays Bewegungen schienen Kai merkwürdig fließend, wie die einer Schlange. Die schmale Gestalt schien sehnig und angespannt. Ein Pfeil, kurz bevor er den Bogen verlässt. Kais Intuition sagte ihm, dass Ray trotz seiner schmächtigen Gestalt gefährlicher als Tyson war. Kai ging durch den Raum und setzte in den letzten freien Sessel. Seine eigenen Züge waren kalt und ausdruckslos, eine Maske, die er schon seit seiner Kindheit beherrschte und die Niemandem verriet in welchem angstvollen Takt sein Herz schlug. „Was wollt ihr hier?“, fragte er, als er sich gesetzt hatte. „Du hast nicht auf unsere Nachrichten reagiert, weder auf Emails noch auf den Brief, noch auf die zwei Telefonanrufe. Da haben wir gedacht, wir kommen einfach mal vorbei.“, sagte Tyson in einem sehr provokativen Tonfall. Tysons Stimme war tiefer geworden. Rauer und zugleich angenehmer, wie Kai feststellen musste. „Nett von euch.“ Kai goss sich nun selbst eine Tasse Tee ein. Sie würden sicher schneller wieder gehen, wenn er sich nicht auf Diskusionen mit ihnen einließ. Ein angespanntes Schweigen erfüllte den Raum das erst von Max Seufzen durchbrochen wurde. „Kai, hast du auch nur eine Zeile von dem gelesen, was wir dir geschrieben haben?“, fragte er. „Nein.“, antwortete Kai wahrheitsgemäß. Die Emails hatte er ohne zu zögern gelöscht und der Brief war ungeöffnet in den Papiermüll gewandert, nachdem er den Absender gelesen hatte. Kais Panik wuchs, eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf fragte sich was wohl in den Nachrichten so Wichtiges gestanden haben musst, dass sie ihn hier besuchten. „Ich habe keine Lust auf eine Bladebreakers-Weihnachtsfeier, oder sonst einen sentimentalen Quatsch.“, fuhr Kai mit unberührter Stimme fort. Sein Blick glitt wieder zu dem schmalen schwarzen Kasten, der neben Tyson lehnte. Tyson lachte kalt auf. Er hatte so etwas erwartet. „Es geht um keine verdammte Weihnachtsfeier.“, sagte Max, wandte sich von den Bücherregalen ab und setzte sich auf die Couch. Kai lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust in dem Versuch möglichst genervt auszusehen. Er würde ihre Geschichte über sich ergehen lassen müssen bevor sie gingen. *** Max wollte sich eine neue Tasse Tee eingießen um seine Stimme zu befeuchten, doch die Kanne war leer. Er hatte die Geschichte viel ausschweifender erzählt, als er es vorgehabt hatte. „Ich mach schon“, sagte Ray und griff nach der Kanne. „Wo ist die Küche?“ Kai nickte in Richtung der Tür. „Zweite Rechts.“ Ray verschwand in dem Gang. Da er vom Wohnzimmer aus nicht mehr zu sehen war, schaute Ray auch in den ersten Raum an dem er vorbeikam. Er fand keinen Lichtschalter, doch das schwache Mondlicht, das durch das große Fenster fiel reichte für Ray aus um den Raum wahrzunehmen. Es handelte sich um ein Badezimmer. Grünglasierte Fliesen schimmerten sanft im Licht der Nacht. In der Mitte des Raumes stand eine ausladende Badewanne, deren Füße wie Löwentatzen aussahen auf einem hellen Teppich. Sie wirkte verloren in dem viel zu großen Raum. „Was für eine Platzverschwendung.“, dachte Ray und schloss die Tür wieder. Die Küche schien Ray der erste Raum in diesem Haus zu sein, der komplett eingerichtet war. Verchromte blank polierte Flächen blitzten im Licht einiger Lampen. Ray stellte die Teekanne neben einen kleinen weißen Zettel auf eine der Arbeitsflächen. Ray erkannte kyrillische Buchstaben. Die Haushälterin schien eine Nachricht für Kai hinterlassen zu haben. Ray studierte die Nachricht. Er konnte sie zwar nicht komplett entziffern, verstand aber dass im Kühlschrank Abendessen für sie alle stand und wohl auch Gästebetten für ihn und die Anderen hergerichtet worden waren. Ray grinste schelmisch, nach der warmen Begrüßung die Kai seinen alten Freunden bereitet hatte würde ihm diese Nachricht sicher gefallen. Er steckte die Nachricht in eine Hosentasche und ging dann hinüber zum Wasserkocher um diesen zu füllen. Ray durchsuchte die Hälfte der Schränke in der Küche ehe er Tee fand. Er war überrascht die Schränke nicht leer sondern gut gefüllt und aufgeräumt vorzufinden. Dies war eindeutig nicht Kais Werk. Ray goss das heiße Wasser über die Teebeutel in der Kanne und ging zurück ins Wohnzimmer. *** Ray stellte die Kanne auf den Tisch und warf Kai die Notiz zu. Dann ging er zum Kamin hinüber. Er nahm sich einen dicken Holzscheit von einem Stapel nahe dem Kamin und warf ihn in das heruntergebrannte Feuer. Ein Funkenregen aus Rot und Gold stob auf. Er spürte Kais Blick auf sich ruhen, nachdem dieser das Papier schnell überflogen hatte. Sicherlich fragte sich der Russe ob, und wie viel, Ray von der kurzen Notiz verstanden hatte. „Wir brauchen dich.“, sagte Max und goss sich heißen Tee in seine Tasse. Kais Aufmerksamkeit wandte sich wieder von Ray ab. Ray bemerkte, dass Max scheinbar mit seiner Geschichte geendet hatte, während er Tee holen war. „War´s das?“, fragte Kai mit ausdrucksloser Stimme. Max schaute ihn verständnislos an, nickte aber. „Gut. Ich werde euch ein Taxi rufen. Wie heißt euer Hotel?“ Max stammelte den Namen ihres Hotels und sah verständnislos zu wie Kai ein Handy aus der Tasche zog und eine Nummer eintippte. Hastig sprach Kai ein paar Worte auf Russisch in sein Handy und hörte dann demjenigen am anderen Ende kurz zu. Ärgerlich diskutierte eine weitere Minute bevor er auflegte. „Das Taxi ist in einer halben Stunde hier. Ihr wisst ja wo der Ausgang ist.“, sagte Kai kalt und ließ sein Handy zurück in seine Hosentasche gleiten. Er ging aus dem Wohnzimmer und ließ Tyson, Max und Ray allein zurück. Einige Minuten vergingen schweigend. „Ganz der Alte.“, sagte Tyson während er verständnislos den Kopf schüttelte. „Muss immer zweimal überzeugt werden. Er glaubt doch nicht wirklich, dass wir gehen? Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass ich Dragoon verliere.“, fuhr er fort und strich sanft mit der Hand über den schwarzen Kasten neben ihm. „Habt ihr Hunger?“, fragte Ray die anderen beiden und beugte sich über die Lehne der Couch. Sie sahen ihn abwartend an. „Die Haushälterin hat was vorbereitet. Stand auf dem Zettel, den ich Kai vorhin gegeben hatte.“, erklärte er ihnen. Sie gingen gemeinsam in die Küche. „Seit wann kannst du Russisch?“, fragte Max an Ray gewandt, während sie durch den Korridor gingen. „Hat mit einem Kerl zu tun, wegen dem ich mal 14 Tage in St. Petersburg gewohnt habe. Naja war keine besonders tolle Beziehung; eher eine lange deprimierende Geschichte.“ Max sah seinen Freund von der Seite her an. Hatte Ray ihnen gerade gesagt, dass er auf Männer stand? Sie wärmten sich in der Mikrowelle das vorbereitete Abendessen auf und Ray suchte Besteck für sie drei aus einer der Schubladen, als der altmodische Gong ertönte. „Ich schick den Taxifahrer wieder weg.“, sagte Ray zu den beiden und huschte schon in den dunklen Korridor davon. *** Ray sah dem wegfahrenden Taxi hinterher, bis seine Rücklichter um die nächste Straßenecke gebogen waren. Er huschte dann den kurzen Weg bis zum Haus zurück. Eine dunkle Gestalt, die im Türrahmen lehnte, erwartete ihn bereits. Ray wusste wer da auf ihn wartete. „Ihr seid noch da.“, Kais Stimme klang vorwurfsvoll. Sein ausgestreckter Arm versperrte Ray den Durchgang. „Ja, und wir plündern deinen Kühlschrank. Was willst du jetzt tun?“ http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/audiobooks/30/ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)