Der blaue Stern von _Delacroix_ (Türchen Nr. 8) ================================================================================ Der rote Stern -------------- Sinbad fühlte sich beobachtet und das war schlecht, immerhin lag er nackt im Bett und würde sicherlich auch noch schlafen, wäre nicht irgendeine ausnehmend rücksichtslose Person „En-nii“ brüllend, an seinem spontan erworbenen Zelt vorbei gerannt. Leider hatte sie es getan und so war er sich überraschend bewusst geworden, dass er nicht alleine war. Vermutlich verdankte er es all den Jahren mit Ja'far, dass er die fremde Präsenz bemerkt hatte und sie ohne einen genaueren Blick als „Person am Eingang“ identifizieren konnte. Das war gut, denn immerhin konnte er so zumindest einen Dieb ausschließen. Diebe standen normalerweise nicht länger als nötig in Eingängen herum, das wusste er. Schließlich konnte jederzeit Jemand zurückkommen oder ein Diener seine neugierige Nase hereinstecken und das hieß, sein Gast war kein Dieb und vermutlich auch kein Meuchelmörder, denn dafür stellte er sich eindeutig zu blöde an. Sinbad holte tief Luft. „Zu meiner Zeit hat man noch angeklopft, bevor man in fremde Zelte marschiert ist“, behauptete er. Das stimmte so strenggenommen natürlich nicht und zugegeben war es auch ganz schön schwierig an einem Zelt etwas zu finden, das sich zum Klopfen eignete, aber das überraschte Zusammenzucken seines Gastes war ihm die Lüge wert. Scheinbar hatte er sich nicht einmal richtig umgesehen, bevor er zu ihm ins Zelt gestolpert war. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. „En, nehme ich an.“ Zugegeben, er hätte es sich denken können. Die Nähe seines Zeltes zu dem eines gewissen Generals und der Klang des Spitznamens waren Hinweise, die man nur schwer ignorieren konnte. Wussten die Meeresschnecken wieso er bis eben geglaubt hatte, General Kouen wäre über solche Dinge erhaben. Vielleicht weil er auf dem Schlachtfeld so gewirkt hatte und irgendwie auch am vergangenen Abend vor dem Zelt. Er hätte es nicht zugegeben, aber er hatte ihn am Vortag eine ganze Weile vom Eingang seines Zeltes aus beobachtet. Er hatte gesehen wie er nach draußen geschlichen war, hatte halb angenommen, dass er auf der Suche nach einer Liebschaft war und war dann seinerseits überrascht gewesen, als er bemerkt hatte, dass er einfach nur in die Sterne starren zu wollen schien. Kurz um, Kouen Ren kam ihm seltsam vor. Ziemlich seltsam und das nicht nur, weil er uneingeladen in seinem Zelt aufgetaucht war und das wohlgemerkt noch vor dem Frühstück. „Verzeiht die Störung. Ich war mir nicht bewusst, dass das hier Euer Zelt ist“, versicherte sein Gegenüber mit einer Verbeugung, die ihm persönlich ein klein wenig zu steif vorkam. „Ich werde natürlich umgehend -“ „En-nii!“ Kouen zuckte zusammen und Sinbad hatte Mühe nicht darüber zu lachen. Anscheinend war der Verfolger hartnäckig. Schritte kamen näher, Rufe wurden lauter. Unwillkürlich hielt er den Atem an während eine Silhouette am Zelt vorbeieilte. Das war wirklich knapp gewesen. „Was will er von dir?“ Kouen blickte zum Eingang zurück, schien seine Möglichkeiten abzuwägen, dann erkannte er, dass er sprichwörtlich in der Falle saß und seufzte schwer. „Meine Brüder glauben, ich wäre krank und bräuchte einen Arzt“, gestand er ohne sich über die vertrauliche Anrede zu beschweren. Sinbad richtete sich auf. „Und? Brauchst du einen?“ Kouen schüttelte den Kopf. „Ich habe kein Fieber“, erklärte er im Brustton der Überzeugung und brachte ihn so dazu, spontan die Beine aus dem Bett zu schwingen. Eigentlich hatte er nicht aufstehen wollen, aber jetzt hatte ihn der Andere doch neugierig gemacht. Ein Schauer lief ihm über den Rücken als er sich von seiner wärmenden Decke trennte und nackt einen ersten Schritt in sein provisorisches Schlafgemach tat. Es war nicht mehr so kalt wie letzte Nacht aber eigentlich immer noch zu kühl für seinen Geschmack. Ein klares Zeichen dafür, dass er noch nicht hätte aufstehen sollen. „Zeig mal“, verlangte er und schloss den Abstand zwischen ihnen. Vielleicht wurde ihm so ja ein bisschen wärmer und wenn nicht, dann würde ihm da bestimmt auch noch was anderes einfallen.      ★ ★ ★ ★ ★   In einem anderen Zelt zog sich Koumei Ren die Decke über den Kopf, nur um sich kurz darauf stöhnend wieder unter selbiger hervor zu wühlen. Es hatte einfach alles keinen Sinn. Egal ob er unter dem Kissen oder unter der Decke verschwand, er konnte einfach nicht mehr schlafen. Es war viel zu laut dafür! Dabei war er sich so genial vorgekommen als er Kouha abgeschüttelt hatte, indem er ihm erzählt hatte, dass Kouen dringend zu seinem Leibarzt musste. Der Kleine war begeistert losgezogen um eins zum Anderen zu bringen und er war glücklich zurück in sein Bett gefallen. Nein, nicht in sein Bett. In Kouhas Bett. Er wollte so ein Teil ganz sicher nicht besitzen, schon gar nicht mit den viel zu dünnen Wänden ringsherum. Koumei gähnte und dachte an seinen Traum von letzter Nacht. Sein Bruder, völlig neben sich stehend, in diesem dämlichen Zelt und das seltsame Gebrabbel über irgendwelche Sterne. Da hatte er sich ja schönen Unsinn zusammengesponnen, wenngleich er zugeben musste, dass es ihn immerhin zu der Geschichte inspiriert hatte, die er Kouha aufgetischt hatte. Kouen in einem Zelt. Wer träumte schon von einem Zelt? Das war doch völlig abwegig, aber wenn er es nicht geträumt hatte, dann war auch das laute „En-nii!“ echt gewesen, das ihn ständig gestört hatte und dann rannte Kouha wirklich gerade wie ein Irrer durch die Gegend und brüllte sich die Seele aus dem Leib! Stöhnend zog er sich das Kissen über den Kopf. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Vielleicht sollte er einfach - Nein, sollte und konnte er nicht. Und ausnahmsweise war es nicht Kouhas Schuld. Es war der Lärm aus dem Zelt nebenan, der ihn davon abhielt. Er hatte keine Ahnung was die dort trieben - Nein, halt, hatte er schon, aber er hatte keine Ahnung wieso und überhaupt war er viel zu müde um solche Aktivitäten auch nur anzudenken und das war in erster Linie deren Schuld. Er fand, es sollte ein Gesetz geben, das solche Aktivitäten verbot, zumindest zu nachtschlafender Zeit. Er würde eins erlassen. Aber zuerst würde er … Ja, er würde sich beschweren. Jetzt, sofort und noch vor dem Frühstück. Dann konnte er vielleicht noch ein Stündchen ruhen, bevor die große Rückreise begann. Denn eines stand ja wohl mal fest: Er konnte unmöglich noch eine Nacht in diesem fürchterlichen Zelt verbringen.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)