Walk on the Edge von Yamato_ (Erste deutschsprachige Taito in Romanlänge) ================================================================================ Kapitel 8: Kokoro no Yami ni ---------------------------- Disclaimer: Moshi Moshi. Hier ist Yama-chan’s anrufbeantwortendes Digimon. Yama-chan muß leider die nächsten 3000 Jahre im Knast verbringen, weil er die Rechte an Digimon Adventure nicht bezahlen kann, und es trotzdem gewagt hat, Fanfics dazu zu schreiben. Autor: Yamato Spoiler: Spielt während der Folgen 43-45. Nach dem Kampf gegen MetalSeadramon lauert Pinocchimon auf die Digiritter. Und als Yamato dem unheimlichen Jureimon begegnet, sieht die Zukunft gleich noch düsterer aus. Archive: Ähnlich wie für Amicus Draconis, hab’ ich jetzt auch für WOTE einen kleinen Schrein in meinem LJ angelegt. ( http://yamato--ishida.livejournal.com/72604.html ) Dort gibt es die Story mit Bildern, Hintergrundmaterial und kleinen Spoilern für noch nicht gepostete Folgen * * * Kokoro no Yami ni (In der Dunkelheit meines Herzens) Sore ni shite mo ano futari no kokoro no kizuna ga kore hodo to wa. Wer hätte gedacht, daß die Gefühlsbande zwischen diesen beiden Herzen so stark sind. – Jureimon über Yamato und Taichi – “Ist Whamon tot?“ “Ja, Takeru.“ Ich wünschte, ich müßte ihm auf diese Frage keine Antwort geben. Ich wünschte, ich müßte eine solche Frage nie wieder mit ’Ja’ beantworten. Ich wünschte, es würde nie wieder Opfer geben und wir müßten nie wieder so dumm und hilflos dastehen wie jetzt. Was sind wir doch für ein armseliger Haufen! Unsere Didschis digitieren von einem Bonzlevel aufs nächste, aber wir selbst bleiben immer dieselben lahmen Trottel. MetalSeadramon haben wir besiegt, aber um welchen Preis? Um welchen Preis? Schweigend sahen wir zu, wie sich das Meer nach und nach ins Dunkel zurückzog. Wenn einer der Dark Masters vernichtet worden war, dann wurde sein Herrschaftsgebiet vom Spiral Mountain aufgesaugt wie flüssiger Zuckerguß. Es verschwand einfach und war nicht mehr da. Als hätte es nie existiert. Irgendwo in all dem Blau lag wie eine winzige halbmondförmige Cashewnuß die Insel, auf der Taichi und ich den größten Teil der letzten Nacht verbracht hatten. Kaum zu glauben, daß es gerade mal zwölf Stunden her war, daß wir dort... Es kam mir alles viel länger vor. Eine Ewigkeit. Die letzte Idylle vor dem großen Sturm. Ich wandte die Augen ab, ich wollte nicht dabei zusehen, wie sie verschwand. Vielleicht war es keine gute Idee am Strand zu bleiben, wenn die Welt sich nur wenige Meter von uns entfernt im Nichts auflöste. Aber die einzige Alternative wäre gewesen, weiter landeinwärts zu marschieren und wir wußten nicht, welche Gefahren dort noch auf uns lauern würden. Wir brauchten Ruhe, wir hatten jetzt nicht die Kraft, gleich dem nächsten Gegner in die Arme zu rennen. Taichi hatte wieder angefangen, uns zuzutexten, aber ich schaltete auf Durchzug. Eigentlich wünschte ich mir nichts weiter, als daß unser ach-so-toller Anführer mal für fünf Minuten den Rand halten möge. Vielleicht will ich ja mal darüber reden, wie’s MIR geht und von jemandem, der sich mein Freund schimpft, kann ich doch wohl ein winziges bißchen Interesse erwarten. Oder ist das etwa zuviel verlangt? Ach, egal. Ich kann ihm da jetzt keinen Strick draus drehen, ihm geht’s garantiert genauso dreckig wie mir. Vielleicht haben wir später noch die Gelegenheit, in Ruhe zu reden. Gedankenverloren starrte ich auf den Boden. Warum können wir Kinder nicht auch mal digitieren? Stärker werden, klüger, erwachsener. Ein Dröhnen, ein strahlendes Licht, gefolgt von einem fetzigen Digitiersong, und schon wachsen uns Klauen, Hörner und Fühler und wir können anfangen, sinnlose Attacken in schlechtem Englisch in der Gegend rumzubrüllen. Joumon digitiert zu: BlackMäkelMotzmon, Typus: Schwarzseher, Attacke: Ewiges Genörgel. Mimimon digitiert zu: PowerPinkPrinzessinmon, Typus: Kichererbse, Attacke: Wimpernklimpern. Taichimon digitiert zu: MegaWarMetalTaucherbrillenbrainmon, Typus: Spack, Attacke... was für ’ne Attacke? Da muß man nur mal draufhauen, dann geht das schon. Ach, meine Sprüche war’n auch schon mal besser... Aber nein, bei uns muß das natürlich alles im Schneckentempo laufen. Ich bückte mich nach einem Stein, um ihn ins nicht mehr vorhandene Meer zu werfen. Wir Menschen brauchen Wochen, Monate und sogar Jahre, nur um uns mal ein winziges Stück weiter zu entwickeln. Ich hielt mitten in der Bewegung inne, denn vor mir im Sand lag eine wirklich wunderschöne Muschel. Nachtschwarz und glänzend wie die Oberfläche eines frischlackierten Motorrads. Beide Hälften waren noch intakt, und als ich sie aufhob, schillerte sie in allen Farben des Regenbogens. Dieses Ding war schon fast zu kitschig, um wahr zu sein. Einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, die Muschel zu behalten und eine Hälfte davon Taichi zu schenken. Sozusagen als Glücksbringer oder Talisman oder wie auch immer man das nennen mag. Man könnte ein kleines Loch reinmachen und das Teil um den Hals tragen. Er die eine Hälfte und ich die andere. Quatsch, das ist albern. Sowas tun doch nur Mädchen. Aber andererseits, wir geh’n jetzt miteinander. Da ist es doch in Ordnung, oder? Zu blöd, daß es hier niemanden gibt, der Ahnung von sowas hat und den ich da fragen könnte. Jedenfalls steckte ich die Muschel mal ein und schnorrte mir den Rest Schnur, den Jou noch in seinem Wunderkoffer hatte. Nur für alle Fälle. Jou nickte nur abwesend, als ich ihn fragte, er war viel zu beschäftigt, so zu tun, als höre er Taichi’s Gequassel zu. Sora, Koushirou und die Didschis dagegen gaben sich immer noch alle Mühe, aufzupassen. Ebenso Brüderchen und Schwesterchen, obwohl die wahrscheinlich nicht mal die Hälfte von dem verstanden, was er da zusammenplapperte. Und Mimi... wo steckte die eigentlich? Sie war doch nicht etwa verschwunden. Nein, zum Glück nicht. Sie hockte ein paar Schritte weiter landeinwärts und war damit beschäftigt, irgendetwas ein- oder auszugraben. Moment mal... Mimi, die mit ihren zarten Fingerchen im Dreck wühlte? Was war denn da los? Als ich nähertrat, konnte ich erkennen, daß sie am Boden kniete und kleine Hügel aus Erde formte. Ich wollte schon wieder verschwinden, um ihr in einem so privaten Moment nicht auf den Geist zu gehen, da fiel mir die Schnur wieder ein. Wir könnten damit Zweige aneinanderbinden und Kreuze bauen. Holz lag genügend herum, da der Wald sich direkt an den Strand anschloß. Dann würden die Gräber zumindest ein bißchen wie Gräber aussehen und nicht wie schief geratene Sandburgen. Als Mimi sah, was ich vorhatte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, wenn auch nur ein ganz kleines. Sie sprang sofort auf, um mir zu helfen. Natürlich wurde es dadurch nicht besser, aber zumindest konnten wir uns von unseren Freunden auf diese Weise verabschieden. Und das war ein Trost. “Gibt es in eurer Welt auch eine Stadt wie Hajimari no Machi?“ fragte Palmon. Sie hielt zwei von den Ästen mit ihren Tentakeln fest, damit Mimi sie aneinander binden konnte. Ich mußte dann die Schnur durchreißen, weil Mimi nicht soviel Kraft hatte. Ich überlegte kurz. “Nein, bei uns Menschen läuft das alles ein bißchen anders. Wir werden zwar auch wiedergeboren so wie ihr Digimon, aber nicht alle in einer Stadt. Und wir sind danach auch nicht mehr dieselben wie vorher. Wir haben einen ganz anderen Körper, es ist nur der Geist, der wiedergeboren wird.“ Gabumon und Palmon guckten mich hoffnungslos verwirrt an. Hoffentlich fangen die jetzt nicht an zu fragen, ob wir Menschen auch aus Eiern schlüpfen. Aber wenn man’s genau nahm, waren unsere beiden Welten gar nicht so unterschiedlich. Nur, daß die Digimon ganz genau wissen, was mit ihnen geschieht, während wir es einfach nur glauben können. Es gibt zwar jede Menge Berichte von Typen, die behaupten, sich an ein früheres Leben erinnern zu können, aber wie viel davon wahr ist, weiß man nicht. Tja, so düster wie die Dinge momentan laufen, kann’s gut sein, daß wir’s bald rausfinden werden. Vielleicht früher, als uns lieb ist. “In meiner Familie glauben wir, daß unsere Seelen nicht in diese Welt zurückkehren, sondern an einen ganz besonderen Ort kommen,“ erzählte Mimi. “Dieser Ort heißt Himmel und es ist dort wunderschön und es gibt Engel.“ “So wie Angemon und Angewomon?“ Gabumon überreichte Mimi zwei neue Zweige, die er grad mit seinen Klauen glattgeschliffen hatte. “Oh... vielleicht nicht ganz, aber so ähnlich.“ Das letzte Kreuz war jetzt fertig. Mimi und ich steckten es gemeinsam in den Boden und traten einen Schritt zurück, um unseren kleinen Friedhof zu begutachten. “Gibt es hier irgendwo Blumen?“ brach Mimi schließlich das Schweigen und blickte sich suchend um. “Was in aller Welt wollt ihr mit Blumen? Wir können hier nicht rumtrödeln, wir müssen weiter!“ Verdammt Taichi, du schaffst es auch echt immer wieder! Kannst du nicht einmal... ach, vergiß es, ich sag’ schon gar nix mehr. Hätt’ ich auch nicht, wenn Mimi nicht in diesem Moment wieder angefangen hätte zu heulen. Ich weiß ja, daß Taichi das nicht mit Absicht macht, aber manchmal ist der Typ so ein Trampel, man kann nur darüber den Kopf schütteln. Wobei, Trampel ist da noch die Untertreibung des Jahrhunderts. Selbst MegaWarMetalTrampel kommt da nicht ran.. Der Typ hat die Unsensili... sensibidingsda echt mit Löffeln gefressen. “Sag mal, checkst du überhaupt, was hier los ist?“ unterbrach ich seinen Redefluß, bevor er sich noch tiefer ins Fettnäpfchen versenken konnte. “Siehst du nicht, was wir hier machen? Du hast doch Augen im Kopf.“ “Das... das sind ja Gräber!“ Boah, du Schnellchecker, und ich dachte schon, du brauchst den Telephonjoker. “Das ist für Whamon,“ schluchzte Mimi, “und das für Wizahmon. Und Sukamon und Chuumon haben eins zusammen, weil sie sich doch nie trennen wollten. Und eins für das liebe Piccolomon. Sie sind alle gestorben, um uns zu...“ Die Stimme versagte ihr und sie konnte nicht mehr weiterreden. “Sie sind gestorben, um uns zu retten,“ beendete Sora den Satz an ihrer Stelle. “Ja, das sind sie und genau deswegen müssen wir uns noch viel mehr anstrengen und noch viel viel härter kämpfen!“ Taichi ballte die Fäuste. “Wir machen Kleinholz aus den Mistkerlen, die unseren Freunden das angetan haben. Das sind wir ihnen schuldig!“ “Nein!“ Mimi schüttelte heftig den Kopf. “Ich will nicht mehr kämpfen! Ich will nicht! Ich will nicht, daß noch mehr Leute sterben, ich kann das nicht ertragen!“ “Doch, wir müssen kämpfen!“ Taichi redete weiter auf sie ein, aber Mimi hielt sich die Ohren zu und schluchzte hemmungslos in ihr Kleid. “Nakanaide, Mimi!“ Palmon schlang ihre Tentakelärmchen um ihre Digi-Partnerin, aber auch ihr gelang es nicht, sie zu trösten. “Taichi, es reicht.“ Warum kann dieser blöde Spack nicht einmal, nicht ein einziges Mal auf die Gefühle anderer Leute Rücksicht nehmen? “Du hast Recht damit, daß wir weiterkämpfen müssen, aber checkst du nicht, daß wir jetzt ’ne Pause brauchen? Kannst du uns nicht einfach etwas Zeit zum Trauern geben?“ “Aber die Zeit haben wir nicht,“ protestierte Taichi. “Wir müssen die Welt retten!“ “Ich weiß das. Wir alle wissen das. Aber nur weil man etwas mit dem Kopf weiß, heißt das noch lange nicht, daß man ganz einfach seine Gefühle abstellen und es tun kann. Verstehst du das?“ Früher hätt’ ich meine Geduld mit dem Kerl verloren und ihm ganz einfach eine reingehauen, aber die Zeiten sind vorbei. Das Letzte, was ich jetzt will, ist ein Krach mit meinem Freund. Ich weiß, daß er manchmal etwas schwer von Begriff ist, aber das wußte ich schon, bevor er überhaupt mein Freund wurde, also werd’ ich mir verdammt noch mal die Zeit nehmen, ihm zu erklären, was los ist. Sonst hätt’ ich das mit der Freundschaft auch gleich sein lassen und mich heulend und zähneknirschend in mein Selbstmitleid vergraben können. Ich will das hinkriegen mit uns und ich weiß, daß ich dafür ein paar von meinen schlechten Gewohnheiten opfern muß. Aber ich hab’ gesagt, daß ich das machen will und es waren nicht nur leere Worte. Ich wünschte nur, er würde sich auch mal ein bißchen Mühe geben, so zur Abwechslung. Bevor Taichi dazu kam, mir zu antworten, bat Sora uns darum, uns nicht zu streiten. Sie klang echt verzweifelt, also verschoben wir das Gespräch doch lieber auf später. Auch wenn’s als Diskussion und nicht als Streit gedacht war, so konnte es doch leicht einer werden. Ich kenn’ Taichi und ich kenn’ mich. Mimi weinte noch immer, Blumen fanden wir auch keine, und Taichi drängte zum Aufbruch. Also schmückten wir die Gräber schnell noch mit ein paar Muscheln und da uns nicht viel Zeit blieb, welche zu suchen, opferte ich auch die schöne schwarze Muschel, die ich gefunden hatte. Für unsere tapferen Freunde ist das Beste gerade gut genug. Außerdem war das mit dem Muschelamulett eine doofe Idee und Schnur hatt’ ich eh keine mehr. Und weiter ging’s mit dem fröhlichen Sinnlos-in-der-Gegend-Rumrennen. Darin sind wir gut. Irgendwas müssen wir schließlich tun, wenn es uns schon nicht vergönnt ist, zu digitieren und alberne Attacken in schlechtem Englisch rumzubrüllen. Der Wald war so dicht, daß er sich bereits nach wenigen Schritten hinter uns schloß. Wir marschierten stur geradeaus und die Bäume zogen an uns vorbei. Einer nach dem anderen. Müssen wir die ganze Zeit so rennen? Können wir nicht mal anhalten und ’ne Pause machen? Moment mal, irgendwas stimmte hier nicht. Von wegen Bäume vorbeiziehen, die Dinger rasten ja wie vom wilden Affendidschi gebissen. Oder waren wir es, die rasten? Langsam raffte ich echt nix mehr ab. “Es ist der Boden!“ rief Koushirou. “Er bewegt sich und nimmt uns mit. Wir müssen abspringen.“ “Hier rüber!“ Taichi deutete nach links. “Auf drei!“ Auf drei? Warum nur klingt das nach einem typischen Taucherbrillenbrainplan! Wir hechteten ein paar Mal hin und her, aber es war und blieb wie verhext. Egal, an welcher Stelle wir landeten, immer setzte sich der Boden sofort wieder in Bewegung und transportierte uns vorwärts wie auf einem Fließband. Es war völlig klar, daß unsere Feinde uns entdeckt, und jetzt irgendwas mit uns vorhatten. Und es war ebenso klar, daß es nichts Gutes sein konnte. Wir mußten sofort etwas unternehmen. Wir mußten uns verstecken, aber wo? “Hier, auf den Baum rauf!“ Taichi hob Hikari hoch und setzte sie auf den untersten Ast. “Jou, du hilfst Mimi, Yamato, du Takeru! Palmon, nimm deine Tentakel für die Digimon, die nicht klettern können! Sora, Koushirou-kun, ihr kommt klar?“ Die beiden nickten. Ich wollte Takeru ebenfalls hochheben, aber mein Brüderchen zappelte und strampelte und protestierte: “Laß mich, ich kann das alleine!“ “Sei still und kletter’!“ Normalerweise bin ich nicht so unfreundlich zu ihm, aber wir waren in einer echten Notlage und hatten keine Zeit für solche Mätzchen. Zum Glück war die Baumkrone äußerst dicht bewachsen, also vielleicht funktionierte wirklich einmal in hundert Jahren ein Taucherbrillenbrainplan und wir waren hier drin sicher. “Uns wird nicht viel Zeit bleiben, also sollten wir sie nutzen, um den Schlachtplan zu besprechen,“ begann Taichi. “Koushirou kannst du die Karte aufrufen und uns sagen, wo wir sind? Erstmal müssen wir rausfinden, welchem von den Dark Masters dieses Gebiet gehört. Dann suchst du ihn in deinem Analyzer, wir gucken nach, welche Schwächen er hat und planen danach unsere Strategie.“ “Du denkst also, einer der Dark Masters ist für das hier verantwortlich?“ fragte Sora. “Es wäre das Wahrscheinlichste,“ stimmte Koushirou zu. Verdammt, ich wußte es. Wir hätten am Strand bleiben und uns ausruhen sollen. Stattdessen rennen wir wie die Irren weiter und unseren Feinden direkt in die Arme. Vielen Dank auch, Taichi! Hast du echt toll hingekriegt, oh großer Anführer. “Also sind wir schon wieder im Gebiet des nächsten Feindes,“ Jou warf einen besorgten Blick zu Mimi hinüber. “Mit Ruhepause wird das dann wohl nichts.“ “Irgendwann müssen wir uns dem Feind sowieso stellen, also können wir es ebenso gut jetzt tun.“ “So schlau sind wir selbst, du Schnellchecker!“ Gott, wie der Typ mich aufregt. Erst bringt er uns in diese Scheiß Situation und dann glaubt er, er guckt einmal bei Koushirou im Laptop nach und alles ist geritzt. Klar, alles überhaupt kein Problem. Du wirst die Viecher fertigmachen und dann auf deinem Didschi in den Sonnenuntergang reiten. Vielleicht hätten wir einfach alle zu Hause bleiben sollen, um dir und deinen großartigen Plänen nicht im Weg zu stehen. “Onii-chan, das reicht! Hör endlich auf zu streiten.“ Klar, was hätt’ ich auch anderes von Takeru erwarten sollen. Nur weil ich ihn einmal angeschnauzt habe, schlägt er sich sofort wieder auf Taichi’s Seite. Taichi ist ja sein großer Held, was braucht er da noch mich! “Keine Sorge, Takeru-kun, wir streiten nicht. Dein großer Bruder und ich haben eben manchmal unterschiedliche Ansichten. Das ist überhaupt kein Problem.“ Natürlich ist es kein Problem für dich, Taichi. Du hast nie Probleme. Du würdest ein Problem ja nicht mal erkennen, wenn es dir digitierend ins Gesicht springt, mit den Ohren wackelt und dabei eine Attacke in schlechtem Englisch plärrt. Taichi? Taichi, verdammt, wo bist du? Er war weg. Fort, verschwunden, als habe er sich in Luft aufgelöst. Wir waren gerade noch dabei, erschrocken hochzuspringen und seinen Namen zu rufen, da machten auch Mimi, Sora und Koushirou ’nen Abgang. Und als ich mich zu Jou und dem Psychokind umdrehte, waren sie ebenfalls verschwunden. Die kalte Panik stieg mir in der Kehle hoch. Unser Feind hatte uns gekriegt, verdammt was hatte er Taichi und den anderen angetan? Wo waren sie hin? Ich würde es rausfinden, das schwor ich mir, aber zuerst mußte ich irgendwie dafür sorgen, daß er mein Brüderchen nicht auch noch in die Finger kriegte. “Takeru, hör mir zu, bleib’ in meiner Nähe. Egal, was passiert, ich werd’ alles tun, um dich zu beschützen. Du mußt keine Angst haben, hörst du?“ “Nein, Onii-chan, du hörst mir jetzt mal zu.“ Energisch hob mein Brüderchen den Kopf und sah mich an. “Wir sind nur soweit gekommen, weil wir alle zusammen ein Team sind. Ich hab’ mit euch allen zusammen gekämpft. Bin ich für dich etwa nur ein Klotz am Bein? Glaubst du, man kann sich auf mich nicht verlassen?“ Himmel, was redet der denn da? “Takeru, so mein ich das doch überhaupt nicht.“ “Wie meinst du es dann? Erklär’s mir!“ “Ich... ich.“ Verdammt, was muß ich hier so rumstottern? Und was soll ich ihm überhaupt erklären. Er ist mein Brüderchen, er ist noch so klein, und natürlich beschütz’ ich ihn. So ist das immer gewesen, unser ganzes Leben lang. Bevor ich überhaupt noch irgendwas sagen konnte, löste sich die Welt auf und setzte sich wieder zusammen. Ich saß jetzt nicht mehr auf dem Baum, sondern stand am Rande eines großen schillernden Teiches. Uralte Baumriesen und hohe Trauerweiden säumten das Ufer. Einige davon tauchten ihre Blätter ins Wasser. Verwirrt blickte ich mich um, aber mir blieb keine Zeit einen klaren Gedanken zu fassen, denn der Teich verschwand und ich befand mich wieder mitten im Wald. Vor mir stand, mindestens ebenso verwirrt wie ich, mein Brüderchen. “Takeru!“ Ich stürzte auf ihn zu und riß ihn in meine Arme. Den Göttern sei Dank, dem Kleinen ist nichts passiert, ich dachte schon einer der Dark Masters hätte ihn verschleppt. “Takeru, geht’s dir gut? Haben sie dir was getan? Bist du verletzt?“ “Mir geht’s gut, wirklich.“ Takeru zappelte und versuchte, sich aus meiner Umarmung zu befreien. “Ich wurde nur plötzlich gekitzelt und mußte furchtbar lachen und ich weiß nicht, wer das gemacht hat.“ Aber was, wenn ihm was zugestoßen wäre? Dann hätt’ ich als großer Bruder auf der ganzen Linie versagt. “Takeru, ist auch wirklich alles in Ordnung mit dir?“ “Ich hab’ doch gesagt, es geht mir gut,“ maulte er. “Hör endlich auf, mich wie ein Baby zu behandeln! Ich bin schon groß und kann alleine auf mich aufpassen.“ Was für ein Schwachsinn! Nur weil Taichi ihn so anstachelt, hält er sich jetzt für den Größten. Er hat überhaupt keine Vorstellung davon, wie gefährlich es hier wirklich ist. Wenn diese Didschis uns so einfach in der Gegend rumschmeißen können, dann können sie uns auch ohne weiteres ’nen Arm abreißen. Oder den Kopf. Sie könnten sonstwas mit uns anstellen und mein Brüderchen in seiner kindlichen Unschuld behauptet einfach... “Asobu!“ “Dare?“ Beide fuhren wir herum und spähten zwischen die dichten Baumwipfel. Aber man konnte nichts erkennen. “Asobu!“ Diesmal klang es schon ein ganzes Stück näher. “Sei vorsichtig,“ ermahnte ich Takeru, der in Richtung der seltsamen Stimme loslaufen wollte. “Asobu!“ Blitzartig sprang ein undefinierbares Etwas von einem Baum und hielt Takeru die Augen zu. Ich packte ihn und riß ihn von dem Ding weg, und in diesem Moment wußte ich auch, mit wem wir es hier zu tun hatten. Pinocchimon, die quäkende Marionette mit den langen Fäden und der langen Nase, und wenn dieses Vieh mit dir spielen will, dann ist das ungefähr ebenso einladend wie eine Partie Organpoker mit Sadako, dem Devilman und Ichi the Killer. “Laß bloß Takeru in Ruhe!“ Ich stellte mich schützend vor mein Brüderchen, während das Marionettendidschi aufgeregt vor uns herumhüpfte. “Spiel mit mir, komm spiel mit mir! Wir werden jede Menge Spaß haben. Machen wir ein Kriegsspiel, komm, du kriegst auch die große Knarre!“ Es warf mit einem Maschinengewehr nach uns, welches vor uns zu Boden fiel und laut ratternd in die Büsche feuerte. “Das ist ja ein Echtes,“ schrie Takeru entsetzt, “ich kann sterben, wenn ich mit so was spiele.“ “Natürlich kannst du das, sonst macht es ja keinen Spaß,“ quäkte Pinocchimon. “Aber keine Angst, ich werd’ dich schon nicht gleich am Anfang umbringen. Sonst wär’ das Spiel ja sofort vorbei und das wäre langweilig.“ “Takeru, wir müssen weg hier!“ Verdammt, wo sind unsere Didschis, wenn man sie am dringendsten braucht. Vielleicht schaff’ ich es ja, das Vieh irgendwie abzulenken, während er sich in Sicherheit bringt, nur wie? Mit der Knarre vielleicht? “Du hältst dich da raus!“ Das Vieh schleuderte etwas nach mir, das ich nicht sehen konnte und als mir klar wurde, daß es seine Marionettenfäden auf mich geworfen hatte, war es schon zu spät. Die Fäden wickelten sich um meinen ganzen Körper und beim ersten Versuch, sie zu zerreißen, kippte ich vornüber und fiel Gesicht voran in den Dreck. Verdammt, Takeru, du darfst nicht mit ihm mitgehen. Tu’s nicht! Lauf weg, Takeru! Lauf so schnell du kannst! “Wenn du nicht mitkommen willst, macht es ja gar keinen Spaß,“ quäkte das Marionettendidschi. “Ich glaube, dann werd’ ich den hier ein bißchen umbringen.“ “Nein.“ Mein Brüderchen stellte sich vor mich. “Ich komme mit! Ich mach’ alles, was du willst, aber bitte tu meinem großen Bruder nicht weh.“ Takeru... Ich glaub’, ich hab’ mich noch nie in meinen Leben so ohnmächtig und hilflos gefühlt. Ich zappelte und wand mich am Boden und schrie Takeru’s Namen, aber die Marionette machte nur eine kleine Handbewegung und die Fäden wickelten sich auch um meinen Mund, so daß ich nicht mehr reden konnte. Es war, als hätte ein Alptraum vor meinen Augen Gestalt angenommen. Mein kleiner Bruder wurde vor meinen Augen entführt und es gab nicht das Geringste, was ich dagegen tun konnte. Ich weiß nicht wie lange ich da gelegen hatte, bis sich auf einmal der Boden wieder in Bewegung setzte und mich forttrug. Kurze Zeit später hörte ich die Stimmen der anderen. Sie alle wurden Zeugen meiner Niederlage. “Pinocchimon war hier, es hat Takeru mitgenommen!“ schrie ich, kaum daß Gabumon mich von meinen Fesseln befreit hatte. “Es hat... sie sind...“ “Wo hat es ihn hingebracht?“ fragte Taichi. Verdammt, wie kann der Typ in einer solchen Situation nur so ruhig bleiben? Als ob es ihn überhaupt nichts anginge! Mein kleiner Bruder ist irgendwo da draußen und vielleicht hat dieses miese Vieh ihn schon... nein, ich darf das nicht denken. Ich darf das nicht denken! “In welche Richtung sind sie gegangen?“ Taichi wollte mir die Hand auf die Schulter legen, aber ich wich ihm aus, faß’ mich jetzt bloß nicht an, du blöder Kerl! “Du mußt doch irgendwas gesehen haben.“ Verdammt, nein, ich weiß nicht, wo sie hin sind, ich weiß es doch nicht! Wie soll ich denn irgendwas sehen können, wenn ich mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden liege. “Yamato,“ redete Taichi auf mich ein, “du mußt dich jetzt zusammenreißen.“ Ich muß gar nichts, du Blödmann, hör auf, mich rumzukommandieren! Ist klar, daß dir das alles am Arsch vorbeigeht, es ist schließlich nicht deine kleine Psychoschwester, die das Vieh verschleppt hat. Du kannst hier den Coolen spielen, während... “Wir könnten zurück zu dem Weg gehen, den wir vorhin langgelaufen sind,“ schlug Koushirou vor. “IMHO ist es ziemlich wahrscheinlich, daß er sich in Pinocchimon’s Richtung bewegt hat. Vielleicht wollte es uns zu sich herholen. Schließlich fuhr der Weg immer in dieselbe Richtung, egal wohin wir gesprungen sind.“ Ich rappelte mich hoch, doch bevor ich auch nur einen einzigen Schritt machen konnte, hagelte es hackende und pickende Schnäbel auf uns hernieder. Ein häßliches Vogelvieh hockte über uns im Baum und beschoß uns mit seiner Attacke. Wir gingen in Deckung und unsere Didschis machten sich daran, die Attacken abzuwehren. “Ihr könnt jetzt nicht zu Pinocchimon-sama?“ kreischte das Vogelvieh. “Der Meister ist beschäftigt... mit seinem neuen Spielzeug.“ Damit konnte es nur Takeru gemeint haben. Dieses Digimon wußte, wo Takeru war. Wir hatten eine Spur! “Sag’ uns, wo Takeru ist!“ schrie ich es an. “Antworte mir, wo ist er?“ Anstelle einer Antwort brach das Vogelvieh jedoch in ein höhnisches Lachen aus. “Yamato, laß es sein, Kiwimon wird dir nichts sagen,“ versuchte Taichi sich über den Kampfeslärm Gehör zu verschaffen. “Konzentrier’ dich lieber darauf, es anzugreifen!“ “Interessiert dich echt ’nen Dreck, wie’s mir grade geht, oder?“ fauchte ich zurück. Ich hab’ seine arrogante, gefühllose Art so satt. Immer nur blöd daherreden und anderen Befehle erteilen und erwarten, daß alles nach seiner Pfeife tanzt. Ich halt’s echt im Kopf nicht aus. “Aber wir müssen es doch besiegen, wenn wir an ihm vorbei wollen, um Takeru zu finden!“ Nein, müssen wir nicht, verdammt. Es kann uns sagen, wo Takeru sich befindet, aber soweit denkst du ja nicht, du hirnloser kleiner Spack! Dir ist das alles schnurzpiepegal, Hauptsache, du kannst dich wichtig machen. Du bist nur ein blöder Angeber, den ich Idiot für meinen Freund gehalten habe. Du bist nicht mehr mein Freund, Taichi! Genaugenommen bist du’s nie wirklich gewesen. Ich brauch’ dich nicht, ich brauch überhaupt NIEMANDEN! Los, Gabumon, mach’ endlich Kleinholz aus dem Vieh! Gabumon... warp shinka... “Yamato, es geht nicht.“ Was? “Es geht nicht,“ schniefte Gabumon. “Ich kann nicht digitieren.“ Mein Digivice reagiert nicht. Mein Wappen bleibt kalt und dunkel. Das.. das kann überhaupt nicht sein. Mein Gabumon hat mich doch noch nie im Stich gelassen. Warum kann es nicht digitieren? Gerade jetzt, wo ich seine Hilfe so verflucht nötig brauche. Mein kleiner Bruder ist in Gefahr. Piyomon... shinka.. Birdramon Und ich bin ebenso hilflos wie in dem Moment, als ich noch gefesselt war. Alles ist schiefgelaufen Warum? Verdammt, warum? “Meteor Wing!“ Das Vogelvieh zerspringt in tausend kleine Pixel und damit verschwindet unsere letzte Chance, Takeru zu finden. Sora, du dämliche Kuh! Ist dir überhaupt klar, was du angerichtet hast? Ich weiß nicht mehr, was ich ihr entgegenplärre, als ich wütend auf sie zurenne, aber im nächsten Moment steht Taichi neben mir und hält mich fest. “Yamato, komm, beruhig’ dich,“ sagt er zu mir und dann sagt er gar nichts mehr und hält mich einfach nur fest und einen Moment lang will ich einfach nur losheulen und das Gesicht in seinen Haaren vergraben. Ich hab’s nicht so gemeint, daß er nicht mein Freund ist, ich hab’ das nicht so gemeint... “Oy! Minna!“ Takeru? Er war es, er war es tatsächlich! Er kam aufgeregt auf uns zugewetzt und wir liefen ihm entgegen. Er war nicht verletzt, er lächelte uns zu, und sein kleiner Flatterhamster trudelte neben ihm her. “Ich hab’ auf mich aufgepaßt,“ rief er. “Ich hab’ ganz alleine auf mich aufgepaßt. Niemand mußte mich beschützen. Ich bin jetzt schon groß!“ Es fühlt sich an, als ob etwas in mir zerbricht. Ich war immer für ihn da, ich hab’ mich immer um ihn gekümmert. Aber jetzt hab’ ich einmal versagt und er braucht mich nicht mehr. Mein kleiner Bruder braucht mich nicht mehr. Ich wende mich ab, ich kann es nicht ertragen, ihnen allen weiter zuzuhören. Alle finden es toll. Alle klopfen ihm auf die Schulter und gratulieren ihm, weil er ja so erwachsen geworden ist. Mein kleiner Bruder braucht mich nicht mehr... ich muß ihn nicht mehr beschützen. Wozu bin ich dann überhaupt noch gut? Ich bin ein verfluchter Versager! “Yamato, was ist denn mit dir los?“ plärrt mein Didschi mir hinterher. “Warum antwortest du nicht? Yamato, was hast du denn? Sag’ doch was!“ Aber ich antworte nicht. Ich laufe einfach weiter. Irgendwann blieb ich doch stehen und ließ mich erschöpft zu Boden sinken. Ich hob den Kopf und erkannte den See wieder, an dem ich vorhin schon mal war, den See mit den Trauerweiden. Vielleicht sollte ich mich hinsetzen und ein bißchen Mundharmonika spielen? Aber diesmal würde es mich nicht trösten. Diesmal nicht. Alles konnte ich ertragen, nur das nicht. “Gabumon... ich denke die ganze Zeit über Takeru nach.“ Natürlich konnte er auch nichts dagegen machen, daß es mir so dreckig ging, aber zumindest würde er mir zuhören. “Weißt du, ich hab’ gedacht, daß Takeru ohne mich hilflos ist. Ich hab’ gedacht, daß er mich braucht. Aber das stimmt nicht. Er ist viel stärker und klüger geworden. Jetzt braucht er seinen großen Bruder nicht mehr.“ Er ist so viel erwachsener geworden und ich Trottel hab’ es gar nicht gemerkt. “Und es ist nicht nur Takeru. Auch Taichi, Sora, Mimi, Jou und Koushirou, sie alle haben sich sehr verändert. Seit wir die Digiwelt zum erstenmal betreten haben, sind alle stärker und klüger geworden.“ Alle, sogar Taichi. Ganz besonders Taichi. Ich bin vorhin fast durchgedreht und er hat versucht, mich zu beruhigen und die Situation unter Kontrolle zu halten. Und zum Dank dafür schnauz’ ich ihn an und die arme Sora gleich dazu. Weil ich das immer so mache. Weil ich Sündenböcke brauche, an denen ich meine miese Laune auslassen kann. Ich bin in der ganzen Zeit, in der wir jetzt in dieser durchgeknallten Welt rumrennen, nicht ein Stück erwachsener geworden. “Versteh’ doch, was ist mit mir, Gabumon? Ich habe mich überhaupt nicht verändert. Ich bin immer noch der alte geblieben.“ “Nein, das stimmt nicht,“ protestierte mein Didschi. “So kann man das wirklich nicht sagen.“ “Oh doch, Gabumon und ob das stimmt. Was ist, soll ich etwa ewig derselbe bleiben?“ Ich wollte mich doch ändern, verdammt. Ich hab’s mir so fest vorgenommen, schon damals im Restaurant, als Jou mir das von den Wölfen erzählt hat.. Und dann wieder, als die Sache mit den Liebespfeilen passiert ist und Taichi mich gefragt hat, ob ich mit ihm zusammensein will. Ich wollte alles besser machen und ein ganz anderer Mensch werden. Aber es hat nicht geklappt. Gar nichts hat geklappt. “Yamato.“ Mein Didschi rieb seine Schnauze an meiner Schulter. Ich sprang auf, ich konnte das jetzt nicht ertragen. “So geht das nicht weiter. Ich hab’ es echt satt! Ich will mich auch verändern, wie die anderen. Ich muß stärker werden und klüger, genau wie sie! Und damit ich es schaffe, muß ich mich von ihnen trennen. Auch wenn es schwerfällt.“ Takeru war auch allein, als er Pinocchimon ausgetrickst hat. Nur wenn man auf sich gestellt ist, kann man wirklich über sich hinauswachsen. Ansonsten verläßt man sich darauf, daß die anderen einen schon irgendwie rausboxen. “Ho ho ho!“ “Wer ist da?“ Ich fuhr herum, als ich das Lachen hörte, konnte aber niemandem erkennen. Einer der uralten Bäume, die das Ufer des Sees säumten, zog seine Wurzeln aus der Erde und war plötzlich ein Digimon. In Alarmstimmung sprang Gabumon vor mich, aber das Riesending lachte nur und reckte seine knorrigen Zweige, während es auf uns zustapfte. “Meine bescheidene Wenigkeit wird Jureimon genannt.“ Jureimon? Erinnert mich irgendwie an so ’nen Horrorfilm über Baumgeister, die Bäume lebendig machen, die Amok laufen und kreischende Schulmädchen killen, die Zombies werden und noch mehr kreischende Schulmädchen killen. Na ja, falls die Organpokerrunde noch Gesellschaft braucht... Ich jedenfalls hab’ keinen Bock, mich von einem sprechenden Baum zuquatschen zu lassen. “Wartet und hört mir zu. Glaubt mir, ich komme in friedlicher Absicht; ich bin nicht hier, um gegen euch zu kämpfen. Ich bin nur hergekommen, weil ich gerne ein bißchen mit euch plaudern möchte.“ Und welchen Teil von ’Ich jedenfalls hab’ keinen Bock, mich von einem sprechenden Baum zuquatschen zu lassen’ hatte das Vieh jetzt nicht verstanden? “Tut mir leid, aber ich hab’ überhaupt keine Lust zu plaudern. Ikuso, Gabumon!“ Wir wandten uns zum Gehen, doch das Mon knallte uns seine Monsteräste in den Weg. “Aber was hast du denn, ich bitte dich doch nur höflich, mir zuzuhören. Warum so unfreundlich, man sollte Älteren gegenüber ein wenig Erfurcht zeigen.“ Gibt’s denn an einem Ort voller Feld-, Wald- und Wiesendidschis nicht irgendein anderes williges Opfer, das sich das Gelaber von dem ollen Onkel reinziehen will? Hallo? Würde vielleicht mal irgendjemand ’Hier’ schreien. Schon wieder diese Lache. “Ich will mich auch verändern wie die anderen! Ich muß stärker und klüger werden, genau wie sie.’ Manchmal ist es sehr wichtig, innezuhalten und sich die Zeit zu nehmen, über sich nachzudenken.“ “Du hast mich belauscht,“ stellte ich fest. Nicht genug damit, daß es mir so dreckig ging, jetzt mußte ich auch noch für das Amüsement sprechender Baumdidschis sorgen. Na ja, selbst schuld, wenn ich hier an einem öffentlichen See so ein Geschrei veranstalten muß. Ich hätte lieber die Klappe halten und meine Harmonica spielen sollen. “Unsinn, ich muß niemanden belauschen, ich weiß auch so, was auf dieser Welt vor sich geht,“ prahlte das Baumdidschi. “Mir entgeht gar nichts.“ Das wurde ja immer besser. “Wenn du wirklich so viel weißt, dann sag’ mir doch einfach mal, was ich jetzt machen soll!“ Jetzt hat’s ihm endlich die Sprache verschlagen, dem Angeber. Niemand kann MIR erzählen, daß er Ahnung von meinen Problemen hätte. “Du fragst mich, was du jetzt machen sollst?“ Wie es schien, hatten meine Worte ihn lediglich amüsiert. “Ach je. Die Kinder wollen heutzutage anscheinend immer sofort auf alles eine Antwort haben. Selbst mal nachzudenken ist euch offenbar viel zu mühsam. Traurig, traurig.“ Von wegen nicht nachdenken, der Kerl hat doch überhaupt keine Ahnung! Ich hab’ über mich nachgedacht. Und wie! Ich hab’ schon so oft darüber nachgegrübelt, was mit mir nicht stimmt und wie ich das in Ordnung bringen kann. Kann ich was dafür, daß ich die Lösung einfach noch nicht gefunden hab’? “Vorsicht, Yamato, rede lieber nicht mit ihm!“ Mein Didschi schien ziemlich mißtrauisch was Onkel Baum anging. “Jureimon wird dir keinen guten Rat geben. Geh’n wir.“ Nun, mach mal halblang, Gabumon. Wann ich gehe, entscheid’ ich immer noch selbst und ebenso mit wem ich rede. Vorschriften lass’ ich mir keine machen, auch von meinem Digi-Partner nicht. Trotzdem wandte ich mich ab, was sollte Jureimon mir denn schon groß erzählen? Wahrscheinlich wollte es sich ohnehin nur über mich lustig machen und den geheimnisvollen Allwissenden spielen. Ein Digimon kann schließlich gar nicht wissen, womit sich ein Mensch so alles rumschlagen muß. Die digitieren einfach und damit sind alle Probleme gelöst. “Du kannst nur eins tun.“ Das Vieh hatte endlich aufgehört zu lachen und klang jetzt auf einmal ernst. “Wenn du wirklich stärker werden möchtest, dann wirst du wohl an dir arbeiten müssen.“ “Was, an mir arbeiten?“ Du Scherzkeks, was glaubst du denn, was ich seit Monaten mache? Hast du eine Ahnung, wie oft ich es schon versucht hab’? Du tust ja so, als wäre das alles ganz einfach! “An dir arbeiten, genau, aber das ist sehr viel leichter gesagt als getan. Damit es funktioniert, mußt du dazu auch wirklich bereit sein.“ “Ich bin bereit. Zu allem bereit.“ Was verdammt hab’ ich denn falsch gemacht? Ich hab’ mich doch so sehr angestrengt. Hab’ ich das wirklich? Oder war ich vielleicht die ganze Zeit auf dem Holzweg? “Dann sag mir doch auch mal, wie ich an mir arbeiten kann,“ fauchte ich das Baumdidschi an. “Was soll ich jetzt machen?“ Hundertpro, jetzt kam wieder irgendsoeine kryptisch verschlüsselte Antwort. So Zen-Weisheits-mäßig, oder Märchen aus der Mottenkiste vom ollen Onkel. Ach, ich verschwende hier nur meine Zeit. Gabumon hat recht, wir sollten wirklich geh’n. Aber es kam keine kryptische Antwort, sondern eine ganz einfache. “Du mußt nur deinen Rivalen besiegen.“ “Meinen Rivalen?“ Mir fiel die Klappe soweit runter, daß ich befürchten mußte, mir das Kinn am Ellenbogen aufzuschlagen. Was für einen Rivalen soll ich denn haben? Und warum soll ich mich weiterentwickeln, wenn ich gegen jemanden kämpfe? Ich bin doch kein Digimon! “Los, geh zum See und betrachte dein Spiegelbild!“ Jureimon deutete mit seinen Zweigen auf die schillernde Wasseroberfläche. “Dort wirst du deinen Rivalen sehen, den, den du ausschalten mußt.“ Andererseits, werden nicht auch wir Menschen durch Kämpfe und Schwierigkeiten stärker? Wenn die Digiwelt ein fröhliches Paradies voller Blümchen und Häschen wäre, dann hätte sich bestimmt keiner von den anderen weiterentwickelt. Insofern konnte der alte Tatterbaum durchaus recht haben... Ich mußte wieder an Takeru denken. Ist nicht auch er über sich hinausgewachsen, als er von Pinocchimon bedroht wurde? Er hat das Puppendidschi ausgetrickst, das ist doch auch eine Art von Kampf. Soll ich etwas Ähnliches vollbringen? Eine Aufgabe, die mich stärker und klüger macht? Wer ist überhaupt dieser Rivale, den ich besiegen soll? Im Moment seh’ ich im Wasser nichts als mein eigenes Spiegelbild. Doch dann verändert sich das Bild. Das Wasser wird trüb und schummerig und plötzlich sehe ich ein anderes Gesicht vor mir. Große braune Glubschaugen. Haare, die in alle Richtungen abstehen. Und eine Tau... Aber... das ist ja... Nein, das kann nicht sein! Im ersten Moment bin ich entsetzt, aber im nächsten fang’ ich zu lachen an, denn über so was Albernes und Lächerliches kann man doch nichts anderes tun außer lachen. Ausgerechnet Taichi soll mein Rivale sein. Sorry, aber wie peinlich ist das denn? “Ich will dich ja nicht enttäuschen, aber ich fürchte, da irrst du dich gewaltig.“ Anstelle einer Antwort zuckt Onkel Baum lediglich mit seinen Astachseln. “Der See spiegelt nur das wider, was du tief in dir verborgen trägst. Er eröffnet dir die Wahrheit.“ “Das glaub’ ich nicht. Nein, das ist nur einer deiner schmutzigen Tricks, nichts weiter!“ Von wegen Wahrheit! Wenn dieses Dummdischi wüßte! Aber es weiß gar nichts! “Sieh’ nicht weg, stell dich der Wahrheit. Tu es, auch wenn es dir unangenehm erscheint. Ich weiß genau, was in dir vorgeht.“ Nein, weißt du nicht, du alter Trottel. Du hast doch keine Ahnung, wer ich bin und wie ich mich fühle. Keiner versteht mich! Warum solltest ausgerechnet du die große Ausnahme sein? “Du und Taichi ihr seid zwar beide Digiritter, aber das ist auch schon das Einzige, was euch verbindet.“ Nein, das ist es eben nicht! Wir sind nicht einfach nur zwei Digiritter; uns verbindet viel viel mehr. Wir sind... ja was genau eigentlich? Auf jeden Fall ist er mein Freund. Aber wir geh’n auch miteinander. Heißt das, wir sind so was wie ein Liebespaar? Aber das können wir eigentlich auch nicht sein, denn er ist schließlich ein Junge und ich auch. Aber das, was Jou mir erzählt hat über die Schmetterlinge und Reiskuchen, das ist doch verlieben, oder nicht? Genauso fühlt sich das an. Und ich hab’ ja auch andere Freunde, bei denen fühlt sich das nicht so an. Nur bei ihm. Bin ich in Taichi verliebt? Ist Taichi dann auch in mich verliebt? Und was heißt das dann jetzt? Langsam dämmert es mir, daß wir uns mit dieser ’Miteinander-Gehen-Sache’ auf etwas eingelassen haben, von dem wir beide nicht den geringsten Peil haben. Daß Taichi sich darüber keine Gedanken macht, ist klar. Er macht sich ja nie über etwas Gedanken. Aber ich bin anders. Ich hätte sehr viel früher darüber nachdenken sollen, was das eigentlich für uns bedeutet. Was da mit uns passiert. Und wie wir damit umgehen sollen. “Ansonsten habt ihr absolut nichts gemeinsam, ihr zwei seid wie Tag und Nacht.“ Ach ja richtig, hier stand ja noch irgendwo ein Baum rum und der textete mich zu. Auf einer Skala von eins bis zehn, wobei eins ganz normal ist und zehn reif für die Klapse bedeutet, liegt ’sich von Bäumen zutexten lassen’ bestimmt noch über ’sich in einem Jungen verlieben’. Also, wenn ich mir hier schon Gedanken über meine geistige Gesundheit mach’, kann ich mich ebenso gut gleich in die nächste Gummizelle sperren lassen. “Wie oft seid ihr zwei schon aneinandergeraten, habt euch furchtbar gestritten? Bist du nicht häufig anderer Meinung als Taichi und lehnst ab, was er sagt und was er tut?“ Ja, klar streiten wir uns, aber es ist doch schon viel besser geworden. Damals auf der Schneeinsel haben wir uns noch geprügelt. Damals in DigiTamamon’s Restaurant, da haben wir uns nur beinahe noch geprügelt. Moment, das stimmt nicht, wir hätten uns geprügelt, wenn nicht das faule Ei aufgetaucht wäre. Aber das ist doch alles Schnee von gestern. Na ja, es stimmt schon, er treibt mich immer noch in den Wahnsinn und zur Weißglut. Gerade wenn er so drauf ist wie in der letzten Zeit. Aber er kann auch total lieb sein. Er kann mich zum Lachen bringen, wenn’s mir dreckig geht. Und wenn er mich so ansieht, mit seinen großen braunen Glubschaugen, dann könnt’ ich einfach nur noch... “Taichi nimmt in deiner Gedankenwelt bereits einen viel zu großen Platz ein, er ist übermächtig geworden. Und wenn du das nicht überwindest, wirst du nie stärker und klüger werden.“ Aber warum soll ich es denn überwinden? Warum soll es falsch sein, diese Gefühle für ihn zu haben? Gut, natürlich wollt’ ich die Gefühle zuerst nicht haben. Ich hab’ versucht, sie zu verdrängen, hab’ mir monatelang eingeredet, daß ich ganz gut allein klar komm’ und daß ich niemanden brauche. Niemanden außer mir selbst. Aber das war falsch. Und durch Taichi hab’ ich das erst wirklich verstanden. Er hat unsere Gruppe wieder zusammengebracht, als wir uns alle zerstritten haben. Er hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, Freunde zu haben, auf die man zählen kann. Sind es meine Gefühle für Taichi, die mich die ganze Zeit geschwächt haben? Sind sie der Grund, warum ich auf der Stelle trete und nicht vorankomme? Ich meine, irgendwas muß da doch dran sein, wenn die Erwachsenen sagen, daß Jungs sich nicht in Jungs verlieben. “Also gibt es nur einen Weg: Du mußt gegen Taichi kämpfen! Nur so wird dein Herz zur Ruhe kommen und du wirst ein neuer Mensch werden.“ Nein, nein, das stimmt nicht, das ist so nicht, was redete der denn da? Ich will nicht gegen Taichi kämpfen. Das kann doch nicht die Lösung für meine Probleme sein. “Du lügst!“ Auch mein Gabumon konnte sich diesen haarsträubenden Unsinn nicht länger anhören. “Du bist ein verdammter Lügner! Hör’ nicht auf ihn, Yamato! Taichi ist dein Freund. Laß dich bitte nicht von Jureimon täuschen, das ist bestimmt nur eine Falle.“ “Stimmt, da hast du recht, Gabumon.“ Ganz egal, was passiert und wie das mit Taichi und mir weitergeht, er ist vor allen Dinge eins: mein Freund. Ich werde mich nicht gegen ihn wenden, nur weil ich mit meinen eigenen Problemen nicht klarkomme. “Freunde kämpfen nicht gegeneinander. Niemals!“ “Er soll dein Freund sein?“ höhnte Jureimon. “Ach vergiß es, das glaubst du doch selbst nicht.“ Ich will es aber glauben, verdammt, ich will an unsere Freundschaft glauben. Ich will, daß wir das hinkriegen. “Sei ehrlich, versuch’ dich nicht zu belügen. Gib doch zu, daß ich recht habe.“ Verdammt, eigentlich kriegen wir überhaupt nichts hin. Wir streiten noch genauso schlimm wie früher und wie wir es auch anpacken, am Ende läuft doch alles schief. Ich hab’ mir die ganze Zeit was vorgemacht. Wir haben uns beide was vorgemacht. “Große Freundschaft oder Freunde, was für nette Worte. Aber diese Worte sind nichts weiter als eine kurzlebige Illusion. Sie sind Schall und Rauch. Du kannst nicht auf sie zählen, also solltest du dich von ihnen nicht allzu sehr beeindrucken lassen.“ Raus aus meinem Kopf, du Mistvieh! Wie kannst du diese Gedanken kennen? Woher weißt du, was in mir vorgeht? Verschwinde! Aber es sind meine Gedanken, die Jureimon da runterrattert. Es sind die Gedanken, die immer dann in mir hochsteigen, wenn ich total am Ende bin und es mir so richtig dreckig geht. Daß alles keinen Sinn hat. Daß man sich auf niemanden verlassen kann. Daß man allein sein muß, um stark zu bleiben. Ihr könnt mich doch alle mal kreuzweise mit eurer beschissenen Superkickerfreundschaft!“ Freundschaft? Was ist das schon? Wie oft muß ich denn noch auf die Schnauze fallen, um zu kapieren, daß das alles nix bringt? Wenn's drauf ankommt, ist man immer allein. Darum ist es besser, andere nicht liebzugewinnen, denn dann tut es auch nicht weh, wenn man sie verliert. Dann tut einem nämlich überhaupt nichts weh und dann ist man auch stark. Und cool. “Was ist? Mußt du nicht zugeben, daß ich recht habe, Yamato-kun?“ Nein, nein, das sind doch genau die Gedanken und Gefühle, die ich überwinden wollte. Ich wollte an mir arbeiten und diese trüben Gedanken loswerden. Um mich weiterzuentwickeln, um stärker zu werden. Um ein besserer Mensch zu sein, ein besserer Freund, ein besserer Bruder. Ich wollte... Ist doch ganz egal, was ich wollte, es hat eh nicht funktioniert. Mein Wappen hat nicht geleuchtet und ich konnte Takeru nicht beschützen. Und die Sache mit Taichi ist eine einzige Katastrophe. Alles ist schiefgelaufen. Ich bin so ein Versager. “Hat es recht?“ fragte Gabumon kleinlaut “Was meinst du?“ Was, wenn ich die ganze Zeit in die falsche Richtung gelaufen bin? Wenn ich mit dieser Freundschaftssache einer fixen Idee hinterher jage, die es gar nicht gibt? Was, wenn diese innere Stimme, die mich davor gewarnt hat, die ganze Zeit recht hatte? “Ich.. ich weiß nicht, Gabumon.“ Aber das kann nicht sein. Es war doch real. Alles, was ich gedacht und gefühlt und durchlitten habe, ist doch wirklich passiert. Ich war einsam. Ich hab’ die Einsamkeit überwunden und Freunde gefunden. Zu allererst Jou in Digitamamon’s Restaurant. Dann auch die anderen Digiritter. Und schließlich Taichi. Ich hab’ mich noch nie jemandem so nahe gefühlt... Und was ist dabei rausgekommen? Jetzt hab’ ich mich in ihn verknallt und lauf’ ihm hinterher wie ein liebeskrankes Hündchen! Was ist nur aus dem einsamen Wolf geworden? Ich war mal so stark, ich war mal so cool! Und jetzt bin ich nur noch ein Wrack... “Also, ich werde es dir noch ein letztes Mal erklären. Wenn du wirklich stärker und klüger werden möchtest, mußt du gegen Taichi kämpfen. Wenn du dazu nicht bereit bist, wird sich nie etwas ändern. Dann wirst du es nie schaffen, dich weiterzuentwickeln. Dir bleibt nichts anderes übrig, sonst wirst du nie zu dem werden, der du gerne werden möchtest.“ Hätt’ ich nur von Anfang an auf meine innere Stimme gehört und mich nie auf diesen Mist eingelassen. Aber nein, ich mußte ja auf IHN hören. Auf sein dummes Gelaber von Freundschaft und Miteinander Gehen und überhaupt... ich hab’ mich total von ihm einlullen lassen und gar nicht gecheckt, was er da eigentlich mit mir macht... Ich sollte gehen. Einfach nur gehen und ihn seinen Scheiß alleine machen lassen. Dann kann er von mir aus rumrennen und rumplärren und den großen Anführer spielen, es ist mir alles egal.. Aber Weglaufen bringt nichts. ich kann vor diesen Gefühlen nicht davonlaufen. Sie sind da, sie sind in mir drin und wenn ich keine Möglichkeit finde, sie rauszureißen, werden sie überall sein, wo ich hingehe. Ich werde mich niemals weiterentwickeln, solange sie mich zurückhalten. Ich werde auf ewig ein jammernder Schwächling bleiben. Meine Beine geben unter mir nach und ich breche in die Knie. Nein, verdammt, ich werd’ jetzt nicht anfangen zu heulen. Das nicht. Taichi mag einen Schwächling aus mir gemacht haben, aber so tief bin ich noch nicht gesunken. Ich will mir einen letzten Rest an Würde bewahren. Verdammt, was soll ich denn jetzt machen? Das Wappen der Freundschaft. Warum muß ausgerechnet ich das Wappen der Freundschaft tragen? Ein Windstoß fährt durch die Zweige des Baumdigimons und tanzende Blätter wehen mir entgegen. Ich fühle den kühlen Hauch des Windes an meinen heißen Wangen und weiß, daß ich mich im Grunde meines Herzens schon entschieden habe. “Yamato! Ich weiß, was du grade durchmachst.“ Natürlich wird Gabumon jetzt auf mich einreden und versuchen, mich davon abzubringen. Aber ich will und ich kann so nicht weitermachen. Die Grenzen dessen was ich ertragen kann, sind erreicht. “Du solltest einfach das tun, was du für das Beste hältst.“ Was? Diese Reaktion war echt das Letzte, was ich jetzt von ihm erwartet hätte. “Wie meinst du das, Gabumon?“ “Nun ja...“ Mein Didschi sieht mich nachdenklich an. “Taichi ist ziemlich unbesonnen und stürmt oft einfach los, das ist nicht immer der beste Weg. Du verfügst über ganz andere Talente und Fähigkeiten, die nur dir zu eigen sind.“ “Meinst du wirklich?“ Ich kann nicht glauben, was ich da höre. “Ist das dein Ernst?“ “Laß uns deine Fähigkeiten gemeinsam entdecken. Und eins verspreche ich dir, Yamato: Wann immer es notwendig sein sollte, werde ich für dich kämpfen.“ “Gabumon...“ “Ich bin auf deiner Seite, selbst wenn es bedeutet, dass wir alleine gegen die anderen kämpfen müssen.“ “Ich danke dir.“ Wenigstens ein wahrer Freund ist mir geblieben. Ein einziger. Ich senke den Kopf und als ich auf mein Wappen blicke, leuchtet es so hell, daß ich geblendet die Augen schließen muß. “Gabumon... warp shinka... MetalGarurumon.“ Es ist Zeit. Ich schwinge mich auf seinen Rücken und er läuft los – mit langen federnden Schritten durch das Unterholz. Zweige schlagen mir ins Gesicht und gegen meinen Körper, aber dieser Schmerz ist nichts im Vergleich zu dem, der in meiner Brust tobt und mich innerlich zerreißt. Der Kampf, der uns jetzt bevorsteht, wird ein ganz anderer Kampf sein, als diejenigen, die wir bisher durchgestanden haben. Aber ich muß wissen, ob Jureimon die Wahrheit gesagt hat. Ich muß wissen, ob es wirklich diese Gefühle für Taichi sind, die mich daran hindern, mich weiterzuentwickeln. Ich muß diese Gefühle an der Wurzel packen und sie mir aus dem Herzen reißen, damit ich endlich frei sein kann. Ich muß stärker sein als meine Schwäche, ich muß stärker sein als er! Stärker als Taichi! Die anderen waren nicht schwer zu finden, man hörte den Kampfeslärm durch den halben Wald schallen. Offenbar war eine Horde hüpfender Mülltonnendidschis über sie hergefallen und bombardierte sie jetzt mit Misthaufen und Blech. Nicht, daß Taichi das nicht verdient hätte, aber wenn er damit beschäftigt war, den Helden zu spielen und seine kleine Psycho Schwester zu retten, dann konnte er auch nicht gegen mich kämpfen. “Cocytus Breath!“ Das war’s auch schon wieder mit den Horden hüpfender Misthaufendidschis. Daß diese Loser auch nicht einmal, nicht ein einziges Mal was alleine hinkriegen können. Und so was will mit mir befreundet sein. Lächerlich! “Yamato, na endlich, wo bist du gewesen?“ Taichi kam auf mich zugewetzt, während MetalGreymon auf sein Rookie Level zurückdigitierte und zu MetalGarurumon hinüberlaufen wollte. “Thank you, thank you!“ quäkte Agumon. “Du hast uns alle gerettet!“ Ich brauch’ Taichi nur anzusehen und schon fühl’ ich die Wut in mir hochsteigen. Dieser blöde kleine Spack! Nur ihm hab’ ich diesen ganzen Schlamassel zu verdanken. Nur wegen ihm bin ich in so einer verdammten Scheiß Situation. Aber jetzt ist entgültig Schluß damit! Doch ich muß überhaupt nichts sagen. MetalGarurumon feuert seine Raketen auf Agumon ab und sie schlagen nur wenige Millimeter neben ihm in den Boden ein. Agumon sprang erschrocken zur Seite und die anderen warfen mir entsetzte Blicke zu. “Yamato, was soll das? Sag’ ihm, daß er damit aufhören soll.“ “Nein.“ Trotz der Wut, die in meinem Innersten tobt, ist meine Stimme eiskalt. “Nein, das werd’ ich nicht tun.“ “Yamato-kun!“ Hoffnungslos verwirrt sah Sora mich an. “Was hat das alles zu bedeuten?“ “Los, Agumon, mach’ die Warp Digitation zu WarGreymon.“ MetalGarurumon baut sich vor dem kleinen orangefarbenen Dinosaurier auf und Agumon ist winzig im Vergleich zu seiner Stärke. “Wir müssen gegeneinander kämpfen! Das nächste Mal schieße ich nicht vorbei!“ “Du meinst es wirklich ernst?“ fragte Agumon zurück. “Onii-chan!“ schrie Takeru entsetzt auf. “Yamato, komm’, beruhig’ dich,“ versuchte Jou es mit der Stimme der Vernunft. “Du willst doch hier keinen Streit anfangen oder? Schließlich sind wir alle Freunde.“ “Freunde?“ Ich hätt’ drüber lachen können, wenn das alles nicht so verdammt beschissen wär’. “Aber natürlich sind wir Freunde,“ plapperte Jou weiter. “Wir sind alle auserwählte Digiritter. Wir sind ein Team.“ Freunde, Team, auserwählte Digiritter! Himmel, was für ein Gelaber! Wir sind nichts als ein Haufen blöder Kinder, die hier seit über vierzig Folgen plan- und hirnlos in der Gegend rumrennen und keine Ahnung haben, was da eigentlich mit uns geschieht. Nur weil da plötzlich ein paar fiepende Dinger vom Himmel fallen und irgendein häßlicher alter Opa uns erzählt, wir müssen die Welt retten, machen wir brav diesen ganzen Schwachsinn mit. Sonst noch was? Kommt eigentlich keiner außer mir mal auf die Idee nachzufragen, was das alles soll? “Wenn es stimmt, was du sagst, dann beantworte mir doch mal eine Frage, Jou: Wer hat uns auserwählt?“ Er weiß es nicht, Oh, Mann, natürlich weiß er es nicht. Er hat genauso wenig einen Plan wie ich oder sonst irgendwer. “Wenn du nicht einmal weißt, wer uns auserwählt hat, wie kannst du dann behaupten, daß dieses Auserwähltsein uns zu Freunden macht?“ Jetzt hab’ ich ihn und er weiß es. Jetzt gibt es kein Buch, in dem er nachlesen, kein vorgekautes Wissen, das er nachplappern kann. Jetzt steht er einfach nur da und stottert rum. “Jou, gib’s auf! Wenn Yamato seine Launen hat, dann bringt’s nix, mit ihm vernünftig reden zu wollen. Er ist eben so.“ So, ich bin eben so? Wie bin ich denn, du Schlaumeier? “Tu nicht so, als ob du auch nur die geringste Ahnung von mir hättest,“ fauch’ ich Taichi an. Das fehlte grade noch, daß dieser Dummschwätzer mir wieder mit seinem blöden Gelaber kommt. “Du kennst mich überhaupt nicht!“ “Ich kenne dich.“ Taichi warf mir einen durchdringenden Blick zu. “Ich kenn’ dich nur zu gut. Du bist grad kurz davor, einen deiner typischen Zickenanfälle vom Stapel zu lassen. Irgendwas paßt dir mal wieder nicht und jetzt brauchst du jemanden, an dem du deine schlechte Laune auslassen kannst. Das sind wir von dir doch schon gewohnt.“ Ach so ist das. Jetzt will sich Taucherbrillenbrain auch noch als Psychologe aufspielen. “Na, bist du nicht ein toller kleiner Held! Ich hab’ keine Ahnung, wer ich bin und was mit mir los ist, aber du weißt natürlich alles ganz genau.“ “Jungs, jetzt ist es wirklich genug,“ mischte Sora sich ein. “Ihr beide hört jetzt bitte auf mit dieser sinnlosen Streiterei.“ “Wieso erzählst du mir das?“ fragte Taichi zurück. “Yamato ist doch derjenige, der sich unbedingt streiten will. Aber ich hab’ keinen Bock auf dieses Gezicke. Ich muß mir das echt nicht geben.“ Mit diesen Worten drehte Taichi sich von mir weg und lief in die andere Richtung. Was glaubt der eigentlich, wer er ist? Wenn dieser blöde Idiot denkt, er kann mich einfach so stehen lassen, dann hat er sich echt verrechnet. Ich werd’s ihm zeigen, dem verdammten Feigling! “So geht’s aber nicht!“ MetalGarurumon macht einen riesigen Satz und stellt sich Taichi in den Weg. Verdammt noch mal, er ist ein verdammter Feigling! Er läuft vor mir weg, weil er Angst hat, Angst sich mir zu stellen. Angst, daß ich vielleicht doch der Stärkere von uns beiden sein könnte. Und so was will das Wappen des Mutes tragen! Es ist einfach nur peinlich. “Yamato, hör auf, mir auf’n Sack zu geh’n!“ “Kämpf gegen mich, verdammt!“ “Ich habe ’Nein’ gesagt. Du checkst es echt nicht, oder?“ “Nein, ihr seid diejenigen, die hier nichts verstehen!“ MetalGarurumon knurrt und springt mit einem riesigen Satz auf Taichi los. Jetzt hat Agumon keine Wahl, er muß digitieren. Sein innerer Drang, Taichi zu beschützen, zwingt ihn dazu. Noch während ihn das grelle Licht der Digitation einhüllt, springt er vor Taichi, um MetalGarurumon’s Angriff abzufangen. Sekunden später erheben sich beide Digimon hoch in die Lüfte und verschwinden über den Baumkronen. Der Kampfeslärm läßt alle erschrocken zusammenfahren. “Bist du jetzt endlich Manns genug, die Sache zwischen uns auszutragen?“ fauch’ ich Taichi an, der mit Killerblick in den Augen auf mich zugestapft kommt. “Oder willst du dich lieber feige verkriechen?“ Anstelle einer Antwort hab’ ich plötzlich eine Faust mitten im Gesicht. Autsch! Anscheinend hat er endlich verstanden, daß ich recht habe und daß es keinen Sinn hat, sich dem Schicksal entgegenzustellen. Irgendwann mußte dieser Tag einmal kommen. Endlich Schluß mit dem albernen Gelaber, jetzt sprechen die Fäuste! Jetzt wird sich zeigen wer recht hat und wer nur blöd daherredet. Jetzt wird sich endlich zeigen, wer von uns beiden der Stärkere ist. “Weißt du warum ich dich gerade geschlagen habe?“ “Ja, weil du gegen mich kämpfen willst!“ Wurde auch verdammt noch mal Zeit, daß er es endlich einsieht. Im Grunde seines Herzens weiß er genau, daß es keinen anderen Weg gibt. Er hat nur Angst gegen mich zu verlieren, das ist alles! “DU VERDAMMTER IDIOT!“ brüllt er mich an und sein nächster Schlag läßt mich zurücktaumeln. In einer solchen Rage hab’ ich ihn noch nie erlebt, auch damals nicht, als wir uns auf der Schneeinsel geprügelt haben. Trotzdem wirkt er irgendwie beherrscht. Fast hätt’ ich cool gesagt, aber cool ist hier nur einer und zwar ich. “Wer von uns beiden ist denn der Idiot?“ schreie ich zurück und diesmal ist es meine Faust, die mittenrein in seine blöde Fresse kracht. Seinem nächsten Schlag weiche ich aus, aber dann erwischt er mich am Kinn. Rasender Schmerz explodiert in meinem Kieferknochen. Aber ich gebe mich nicht geschlagen, ich werd’ ihn besiegen! Ich hab’ gerade erst angefangen! Ich mach’ ihn fertig, diesen Mistkerl! Alle um uns herum fangen an zu plärren, daß wir aufhören sollen. Mir ist’s egal, was sie plärren, sie haben doch alle keine Ahnung. “Hört auf damit!“ “Bitte tut das nicht!“ Blablabla. “Taichi, laß das und beruhig’ dich endlich!“ Sora. Klar, daß die blöde Kuh sich wieder dreinmischen muß. Ihr Taichi tut doch so was nicht. Sich einfach so mit jemandem prügeln. “Ihr versteht überhaupt nicht, warum ich das tue, oder?“ Selbst jetzt, wo ich ihn nach Strich und Faden vermöbel’, hört der Kerl nicht auf, sich wichtig zu machen. “Ich tu das nicht für mich selbst! Dieser Schlag ist für Piccolomon! Dieser ist für Chuumon! Und dieser ist für Whamon!“ Noch ein Schlag und ich taumele, noch einer und ich lieg’ am Boden. Meine Wange brennt, mein Magen fühlt sich an wie Brei, mein ganzer Körper ist ein einziger Schmerz. Irgendwas blutet... meine Nase, meine Lippe... ich kann es nicht sagen. “Yamato!“ Taichi packte mich am Pulli und versuchte, mich vom Boden hochzuziehen. Seine Stimme klang eindringlich, fast bittend. “Die ganzen Digimon, die alle für uns gestorben sind – glaubst du, sie würden wollen, daß wir uns hier so sinnlos prügeln? Was immer du für ein Problem mit mir hast, so können wir das doch nicht lösen. Verstehst du das denn nicht?“ Nein, ich verstehe gar nichts. Ich weiß nur, daß Taichi hier ist und mich festhält und alles kommt wieder hoch, damals die Schneeinsel und beim Sender, wo wir den Reis gegessen haben und seine Hand in meiner... sein Geruch... seine Wärme... seine Berührungen... ich will ihm einfach nur nahe sein und dieses Gefühl haben, so wie die Reiskuchen und die Krabbelkäfer, bis alles in mir ganz warm wird und Jureimon hatte recht... Es hatte mit allem recht. Ich darf diese Gefühle nicht haben. Sie sind falsch, sie machen mich zu einem Schwächling. Warum muß ich so etwas fühlen? Warum kann ich nicht wieder so sein wie früher, als ich so was noch überhaupt nicht kannte? Verdammt, warum kann ich nicht einfach die Zeit zurückdrehen und wieder der sein, der ich früher war? Nein, ich will nicht, das stimmt nicht... ich wollte mich doch weiterentwickeln... es paßt alles nicht zusammen und ich versteh’ überhaupt nichts mehr.. Verdammt! Verdammt! Verdammt! Ich springe hoch, stoße ihn weg und schlage einfach nur noch auf ihn ein. Ich seh’ nicht einmal mehr wohin ich ihn treffe, die ganze Welt liegt verborgen hinter einem roten Schleier aus Wut, Verzweiflung und Tränen. Bis sie irgendwann vollkommen verschwunden ist. Und alles wird gleißend hell... Im ersten Moment dachte ich, er hat mich k.o. geschlagen oder schlimmer. Schließlich kann die Welt nicht so einfach verschwinden, oder? Aber ich war voll da, ich spürte noch alle Schmerzen von unserem Kampf, und Taichi war auch da, ich hörte ihn neben mir atmen. Nur sehen konnte ich nichts mehr. “Wo Licht ist, muß es auch Dunkelheit geben.“ Hikari’s Stimme. Und irgendwie doch nicht ihre Stimme, denn sie klang ganz anders als sonst. “Dunkelheit und Licht sind wie zwei Seiten einer Münze, eine kann ohne die andere nicht bestehen. Aber wenn die Macht der Dunkelheit immer mächtiger und mächtiger wird...“ Eine gewaltige Finsternis breitete sich um uns herum aus. In ihr konnte man ebenso wenig erkennen wie in dem grellen Licht, aber ich hörte die Stimmen der anderen. Sie alle, Mensch wie Digimon waren in dieser seltsamen Dimension gefangen. Was hatte das zu bedeuten? Und wo befanden wir uns überhaupt? Inmitten der durcheinanderplappernden Stimmen hörte ich plötzlich Sora rufen. “Seht mal nach unten! Dort sind Lichter!“ Im ersten Moment dachte ich, die vielen kleinen leuchtenden Punkte unter uns seien Sterne, aber einige von ihnen waren viereckig, und viereckige Sterne sind ein absolutes No-Go, selbst für eine Welt, die so durchgeknallt ist wie die Digiwelt. Brüllende Büschel, rosa Elephanten und meinetwegen auch menschenfressende Säbelzahntigerdidschis, aber viereckige Sterne? Nix da! Das verschwommene Lichtermeer unter uns wurde langsam deutlicher, formte sich zu einem großen Ganzen. Konturen von Häusern und Straßen bildeten sich heraus und plötzlich schwebten wir über einer Stadt. Aber nicht irgendeiner Stadt. Alles kam mir seltsam bekannt vor. “Das ist doch Hikarigaoka!“ rief Taichi. Er hatte recht; direkt unter uns lag der Häuserblock, in dem wir früher gelebt hatten. Früher, als Mama, Papa, Takeru und ich noch eine richtige Familie waren. Aber auch alle anderen aus unserer Truppe hatten in diesem Stadtteil gelebt. Damals vor vier Jahren, als wir zum ersten Mal die Digimon gesehen hatten... Eine Lichtsäule schoß vor uns herunter, es war als habe sich inmitten des dunklen Himmels ein Tor geöffnet. Innerhalb der Säule waren zwei riesige Gestalten in einem heftigen Kampf verstrickt. Ein grüner Vogel und ein orangefarbener Dinosaurier – Parrotmon und Greymon! “Vor vier Jahren,“ begann Hikari zu erzählen, “fiel aus Versehen ein Digi-Ei durch einen Dimensionsriß in eure Welt.“ Huh? Was zum Teufel meinte sie denn mit ’eure Welt’? Sie kam doch selbst aus dieser Welt? Oh! Oh! Ganz schön gruselig. “Das ist nicht Hikari, die hier zu uns spricht.“ Tailmon hatte es ebenfalls geschnallt und klärte jetzt einen hoffnungslos verwirrten Taichi auf. “Es ist ein anderes Wesen, das Hikari-san’s Körper verwendet, um mit uns Kontakt aufzunehmen,“ fügte Koushirou hinzu. “Ich bin ein Wesen, welches sich Harmonie und Ausgleich für die Digiwelt wünscht.“ Noch geheimnisvoller geht’s ja nicht. “Bist du dann so was wie der Gott der Digiwelt?“ stellte Sora die Frage, die mir ebenfalls auf den Lippen brannte. “Nein, ich bin kein Gott“, antworte Hikari, die nicht Hikari war. “Genau wie alle anderen Digimon bestehe ich aus Daten, aber im Gegensatz zu den anderen können wir keine feste Form annehmen, besitzen also keinen physischen Körper. Deshalb habe ich den Körper dieses Mädchens ausgewählt, um durch sie zu euch zu sprechen.“ “Aber warum Hikari?“ fragte Taichi mißtrauisch. Klar, daß er sich Sorgen um seine Schwester machte. “Sie war als Einzige von euch in der Lage, meine Stimme zu hören. Die Wahrheit ist, ich wollte schon damals mit euch Kontakt aufnehmen, als ihr das erste Mal auf File Island gelandet seid.“ Aber offenbar hatte das nicht geklappt, weil wir das seltsame Digimon nicht hören konnten. Schon merkwürdig, wieso konnte ausgerechnet Hikari es hören und wir nicht? Hatte das wieder was mit dem Krempel von Wizahmon zu tun? Aber wieso konnte Takeru dann nichts hören? Es ergab alles keinen Sinn! Nichts von alledem ergab einen Sinn. Nur wieder ein Haufen neuer Rätsel und ein Schwall von geheimnisvollem Gelaber. Ich hatte es so satt! Mir blieb nicht einmal genügend Zeit darüber nachzugrübeln, denn plötzlich wurden wir von einer Art Windstoß in die Höhe gehoben und flogen über Hikarigaoka hinweg. Jetzt konnte ich es deutlich erkennen, das war unsere Straße. Wie oft bin ich sie langgelaufen, wenn ich zur Schule mußte! Da unten, in den Büschen hab’ ich mit Takeru Verstecken gespielt. Und hinter dem Häuserblock lag der Supermarkt. Den konnte ich zwar nicht erkennen, weil wir jetzt ein ganzes Stück tiefer flogen, aber mein Kopf setzte die Bruchstücke mühelos zusammen. Es war, als wäre die Vergangenheit wieder lebendig worden. Dort unten auf der Straße, das war eine Mini-Ausgabe von Taichi, komplett mit Wuschelhaaren, aber natürlich noch ohne Taucherbrille. Neben ihm krabbelte eine noch kleinere Hikari in einem rosa Häschen-Pyjama. Und darüber, über die Brüstung des Balkons lehnte sich eine kleine Sora. Noch eins drüber, vor der nächsten Wohnungstür, eine kleine Mimi. Und noch ein Stockwerk höher versuchte ein kleiner Jou ein Telephon zu halten, welches viel zu groß für ihn schien. Und gegenüber, das war ein kleiner Koushirou. Hatte er damals wirklich nur ein Stockwerk über uns gewohnt? Ich war mir plötzlich sicher, daß ich ihn damals öfter gesehen hatte, ich wäre nur nie auf den Gedanken gekommen, daß es Koushirou sein könnte. Aber das würde ja bedeuten, daß... Und richtig. Takeru und ich drängten uns ebenfalls an die Brüstung und blickten zu den beiden kämpfenden Digimon hinüber. Wir standen auf unserem Balkon, vor unserer Haustür, vor der Wohnung unserer Familie. Damals, als wir noch eine richtige Familie waren. Die Vergangenheit war zurückgekehrt. Nein, das war sie nicht. Was geschehen war, war vorbei, unwiederbringlich vorbei. Niemand konnte die Zeit zurückdrehen. Ich konnte nicht wieder zurück in dieses alte Leben, wo wir noch eine richtige Familie waren, wo es keine durchgeknallten Monster gab, die uns umbringen wollten, keine seltsamen Gefühle, die in tief meiner Brust brannten und alles durcheinander brachten. Ich war jetzt in einem neuen Leben, in einer fremden Welt, in der alles anders war und nichts mehr zusammenpaßte. Vergangenheit. Noch nie hab’ ich die Bedeutung dieses Wortes so deutlich begriffen wie jetzt, da mir mein altes Leben vor Augen geführt wurde. Vergangen. Vorbei. Für immer verloren. “Was sind das für Lichtstrahlen?“ fragte Koushirou. “Eure Daten werden gescannt,“ gab das seltsame Wesen zur Antwort. “Und was wollt ihr damit?“ Mir war vollkommen klar, daß ich unhöflich war, aber ich hatte die Schnauze gestrichen voll. Von körperlosen Wesen als Versuchobjekt mißbraucht zu werden, stand nämlich nicht unbedingt auf der Liste der Dinge, die ich unbedingt mal gemacht haben wollte, ehe ich sterbe. “Gestattet mir bitte, daß ich euch alles von Anfang an erkläre.“ Das tat er/sie/es dann auch, als wir durch das virtuelle Tor zurück in die Digiwelt flogen, und – oh Wunder – in den nächsten Minuten gab es tatsächlich einmal Antworten. Gut, keine ausführlichen Antworten und wirklich zufriedenstellend waren sie auch nicht, da sie immer noch großteils aus bruchstückhaften Bildern und geheimnistuerischen Gelaber bestanden, aber es waren zumindest mal Antworten. Offenbar hatte es vor langer, langer Zeit im gar finsteren Kellerloch unter Vamdemon’s Schloß ein ultrageheimes Versuchslabor gegeben, in dem seltsame Jedi-Ritter in langen braunen Mönchskutten panisch umherrannten, und in futuristisch aussehenden Glaskästen irgendwelche Didschi-Eier ausbrüteten. Diese Didschi-Eier gehörten, oh Wunder, unseren Didschi-Partnern, die nur darauf warteten, auszuschlüpfen, mit unserer Hilfe zu digitieren und die Didschi... uhm Digiwelt vor den finsteren Mächten zu beschützen. Die finsteren Mächte allerdings hatten da entschieden was dagegen. Sie erschienen in Gestalt der Dark Masters, hauten das gesamte Labor kurz und klein, und versuchten, sich die Eier, Digivices, Amulette und Wappen unter den Nagel zu reißen. Enter Oberjedi Gennai, der aus unerfindlichen Gründen mindestens vierzig Jahre jünger aussah als das Hutzelmännlein, welches wir kannten. Er stellte sich den Angreifern heldenhaft mit einem Schwert entgegen. Hätte er mal besser die Bazooka genommen. Oberclown Piemon nämlich stürzte sich grinsend auf Oberjedi Gennai und schon ihm ein schwarzes Zahnrad zwischen die Rippen. Was das für Auswirkungen hatte, erfuhren wir nicht, aber Gennai gelang es doch tatsächlich, mitsamt den Digi-Eiern und -Vices zu flüchten. Alle bis auf eines konnte er in Sicherheit bringen. Das rutschte nämlich aus den Klauen des Guardromon, welches Gennai für seine Flucht benutzte. Tailmon... das also war der Grund, warum sie nicht mit den anderen Digimon auf die File Insel kam, sondern Vamdemon in der Hände fiel. Offenbar hatte Vamdemon mit den Dark Masters zusammengearbeitet und das Schloß mit dem Labor später als Stützpunkt erhalten. Vielleicht hatten die Viecher krassen Deal gemacht. Die Take That World Apart Boyz sollten die Digiwelt kriegen und die Zombiefresse dafür unsere. Hatte aber alles nicht so funktioniert wie es sollte, weil wir da auch noch ’n Wörtchen mitzureden hatten. Allerdings eher unfreiwillig. Tja und wie kamen dann wir Kinder ins Spiel? Offenbar war es tatsächlich die Kraft unserer Herzen, welche die Digimon auf ein höheres Level digitieren ließ. Taichi und Hikari war es damals gelungen, das Digi-Ei innerhalb weniger Stunden bis zu Greymon hochzupowern. Deshalb hatten die körperlosen Lichtwesen unsere Daten gescannt und festgestellt, daß auch andere Menschen diese Fähigkeit hatten. Die Wappen und Digivices dienten lediglich als Hilfsmittel, um die Kräfte zu bündeln, die wir bereits in uns trugen. Sie hatten die Wappen nach unseren herausragendsten Eigenschaften erstellt. Licht, Hoffnung, Aufrichtigkeit, Reinheit, Wissen, Liebe, Mut... Und... Freundschaft... Wie es schien, waren auch körperlose Lichtwesen nicht unfehlbar. Denn hier hatten sie definitiv eine schlechte Wahl getroffen. “Und jetzt, nachdem wir das alles wissen, was wird von uns erwartet?“ fragte Taichi. “Was sollen wir tun?“ “Darauf kann ich dir leider keine Antwort geben,“ sagte das Lichtwesen in Hikari’s Körper bedauernd. “Aber ich bin mir sicher, eure besonderen Eigenschaften werden euch auf den richtigen Weg führen und euch dabei helfen, unsere Welt zu retten. Wir vertrauen auf euch.“ Als ich aufwachte, hatte ich Kopfschmerzen. Die kamen allerdings nicht von meinem Trip, sondern von der Rauferei mit Taichi. Mühsam rappelte ich mich hoch und betastete mein Gesicht. Schien noch alles dran zu sein, auch wenn’s weh tat. Die blauen Flecken und ganz besonders der Kiefer würden mich noch eine Zeitlang quälen. Neben mir im Gras lag Tsunomon. Ich nahm es vorsichtig hoch, es war zum Glück unverletzt. Wenn ihm durch meine Dummheit etwas passiert wäre, ich hätte mir das nie verzeihen können... Taichi hatte mehr abgekriegt als ich. Seine aufgeplatzte Lippe und das blaue Auge sahen echt schlimm aus. Er kümmerte sich allerdings nicht im Geringsten darum, sondern kniete neben seiner Schwester, die gerade zu sich kam. Sie blinzelte verwirrt, schien die Reise aber unbeschadet überstanden zu haben. Bis auf die Tatsache, daß sie sich an nichts erinnern konnte. Zumindest stimmte, was das Wesen gesagt hatte. Hikari hatte ihm freiwillig ihren Körper überlassen, damit es zu uns sprechen und uns alles erklären konnte. “Yamato.“ Ich hatte gehofft, mich nicht sofort mit ihm beziehungsweise meiner eigenen Dummheit auseinandersetzen zu müssen, aber wie immer verlor Taichi keine Zeit. “Jetzt wissen wir, warum wir auserwählt wurden. Du hast es jetzt auch verstanden, nicht?“ “Ja.“ Ich konnte ihm kaum in die Augen sehen, sosehr brannte das schlechte Gewissen in mir. “Es scheint also tatsächlich so zu sein, daß wir die Einzigen sind, die die Störungen in dieser Welt wieder beheben können.“ Er lächelte und verzog gleichzeitig das Gesicht, wahrscheinlich wegen der Schmerzen. Dann trat er einen Schritt auf mich zu und streckte die Hand aus. “Yamato, laß uns wieder Seite an Seite kämpfen.“ “Tut mir leid.“ Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Der Kloß in meinem Hals schien sich soeben verdreifacht zu haben. Es war schlimm genug, daß ich mich wie der letzte Idiot aufgeführt hatte, aber daß Taichi so einfach bereit war, mir zu verzeihen... dafür gab’ es keine Worte mehr. Er hätte mir wenigstens noch eine reinhauen können. Oder mich mit Verachtung strafen, wie ich es eigentlich verdient hätte. Stattdessen wollte er einfach weitermachen, als wäre nichts gewesen. Wie kann er so sein, wie kann jemand so sein, daß es ihm so leicht fällt, zu verzeihen. Ich hab’ ihn angegriffen, ihn, meinen Freund, hab’ alles mit Füßen getreten, was wir uns in den letzten Wochen und Monaten so mühsam zusammen aufgebaut haben. Und er will unseren Streit einfach so zu den Akten legen und wieder gut mit mir sein. Aber ich kann so nicht weitermachen. Ich komm’ nicht mit mir selbst klar, nicht mit ihm, nicht mit meinen Gefühlen. Was immer das zwischen uns war, jetzt ist es kaputt. Und ich bin daran schuld. Wie kann ich denn jetzt noch von mir behaupten, daß ich ihn mag, wenn ich ihn sosehr verletzt hab’? Wahrscheinlich wäre es besser für Taichi gewesen, wenn ich nie in sein Leben getreten wäre... Taichi guckt mich an. Zuerst verwirrt, dann ungläubig, und schließlich total fassungslos, als ihm langsam klar wird, daß ich’s ernst meine, daß es zwischen uns wirklich aus ist. “Was hab’ ich denn falsch gemacht?“ fragt er, und ich will einfach nur noch im Boden versinken. Du hast gar nichts falsch gemacht, Taichi. Ich bin dran schuld, nur ich allein! “Das mein’ ich jetzt nicht.“ Offenbar redet er gar nicht mehr über unsre Prügelei. “Ich mein’ davor. Wie ich mich verhalten habe, war das nicht in Ordnung?“ Ich bin so verdammt blind gewesen. Natürlich wollte er, daß das mit uns klappt. Er wollte es ganz genauso wie ich, und er hat sich mindestens ebenso viel Mühe gegeben. Er wollte mir ein guter Freund, der kleinen Hikari ein guter Bruder und der Gruppe ein guter Anführer sein, und anstatt daß ich ihn unterstütze, fall’ ich ihm in den Rücken. Aber wir sind halt einfach so total verschieden. In einem Punkt hatte Jureimon recht, wir haben echt nichts gemeinsam. Wir sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht. “Nachdem ich mich so schrecklich danebenbenommen hab’, steht’s mir eigentlich nicht zu, das zu sagen... “ begann ich vorsichtig und ich konnte sehen, wie wieder ein Fünkchen an Hoffnung in seinen Augen aufglomm. “Aber weißt du, manchmal gibt es vielleicht gar keinen richtigen oder falschen Weg, Dinge zu tun.“ Ich holte tief Luft. Das tat jetzt verdammt weh, aber es mußte gesagt werden, bevor er sich noch mehr falsche Hoffnungen machte. “Es ist einfach so, daß ich meinen Weg hab’ und du deinen.“ So, jetzt isses raus. Und Taichi hat mich verstanden, das seh’ ich an der Art wie er mich anschaut.. Er sieht zwar aus, als ob er gleich losheulen will, aber er tut’s nicht. Er nickt nur stumm und hörte mir weiter zu, wie ich mir armselige Rechtfertigungen aus den Fingern sauge, warum ich Trottel es geschafft habe, unsere Beziehung innerhalb von nicht ganz zwei Tagen in den Sand zu setzen.. “Ich hab’ keine Ahnung, wohin mein Weg mich führen wird. Ich dachte, wenn ich gegen dich kämpfe, kann ich es vielleicht rausfinden. Eine Entschuldigung wird wahrscheinlich nicht ausreichen, damit du mir verzeihen kannst, aber... es tut mir ehrlich leid.“ Schluß ist Schluß, die blöde Entschuldigerei bringt’s jetzt auch nicht mehr. Und das Schlimmste steht mir sowieso noch bevor. Ich muß ihm und den anderen erklären, daß sich das Schlußmachen nicht nur aufs Miteinander-Gehen bezieht. “Aber ich will meinen eigenen Weg finden. Nein, ich muß es sogar. Deshalb hab’ ich beschlossen, dich und die anderen zu verlassen und ab jetzt alleine weiterzugehen. Ich nehme nur Tsunomon mit.“ Taichi schweigt immer noch, wahrscheinlich ist er einfach zu fertig, um irgendwas zu sagen. Immerhin hab’ ich ihm gerade zum x-tenmal an diesem schwarzen Tag eine reingehauen, wenn auch diesmal nicht mit den Fäusten. “Bitte denk’ noch mal drüber nach, Yamato-san. Dein Wappen... ich meine, deine ganz besondere Eigenschaft, das ist schließlich...“ Niemals hätt’ ich gedacht, dass es ausgerechnet Koushirou ist, der mich zum Bleiben überreden will. Dabei hatte er doch immer die meiste Angst, daß ich ihm Taichi’s Freundschaft wegnehmen könnte. Aber jetzt will er nicht, daß ich gehe. “Es ist die Freundschaft, ich weiß. Aber Freundschaft ist so ein leeres Wort, denkst du nicht auch? Nein... wahrscheinlich kommt nur mir das so vor, weil ich nicht weiß, was wahre Freundschaft wirklich bedeutet.“ Nein, ich weiß es tatsächlich nicht. Ich weiß gar nichts mehr. Alles, was ich zu wissen glaubte, hat sich in den letzten Minuten in Nichts aufgelöst. “Hey... wie wäre es damit, wenn wir uns ab jetzt in zwei Gruppen aufteilen?“ schlägt Sora vor. Wahrscheinlich denkt sie, daß etwas Abstand zwischen Taichi und mir das Problem lösen könnte. Aber es geht ja nicht nur um Taichi. Wenn ich für ihn kein richtiger Freund sein kann, dann kann ich das auch für niemanden sonst sein. “Nein, ich muß das allein durchziehen,“ murmele ich zurück. Am besten geh ich irgendwohin, wo ich nie wieder einem Menschen begegne. “Ich weiß, du wirst es schaffen,“ versucht Sora mir Mut zu machen. “Ich glaub’ an dich.“ Ist ja schön, daß es wenigstens irgendjemand tut. Ich selbst tu’s nämlich nicht. Kein Stück. Ich will einfach nur irgendwohin, wo ich nie wieder jemanden sehen muß und nie wieder jemandem wehtun kann. “Nii-chan, was soll ich nur ohne dich machen?“ fragt mich Takeru. Takeru ist doch schon groß, er braucht mich nicht mehr. Damit hat ja alles angefangen, daß ich als großer Bruder überflüssig geworden bin. “Du kannst jetzt selbst auf dich Acht geben,“ versichere ich ihm. Als er protestieren will, wendet Sora sich ihm zu. “Du hast ja noch uns Takeru-kun. Yamato braucht jetzt etwas Zeit für sich, damit er nachdenken kann. Laß ihn gehen!“ Taichi sagt immer noch nichts. So sprachlos hab’ ich ihn noch nie erlebt. Lieber wäre es mir, er würde sauer werden, mich anschnauzen, irgendwas. Aber nicht einmal das kann er noch. Ich hab’ ihn genauso kaputtgemacht wie mich selbst. Und nein, damit mein’ ich nicht sein blaues Auge. Ich kann seinen verzweifelten Blick nicht mehr ertragen, ich kann nicht, ich will nicht, verdammt noch mal, ich muß hier raus. Wenn ich jetzt nicht gehe, dann hau ich irgendwas in Stücke. Oder ich fang’ an zu heulen und verlier’ den letzten Rest Selbstachtung, den ich noch habe. “Bis dann.“ Ein letztes Mal schau ich in diese großen braunen Glubschaugen. Ich werd’ sie wohl nie wiedersehen Dann dreh’ ich mich um und gehe weiter, einfach weiter, irgendwohin. Tsuzuku... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)