Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz von Yamato_ (Shinji x Kaworu) ================================================================================ Kapitel 4: 4. Bis die Schatten schwinden ---------------------------------------- Anmerkungen: Der Ausdruck "Achtfacher Zaun der Provinz Izumo" stammt aus einem alten japanischem Haiku, und ist ein Symbol für die Schutzbarriere, die ein Mensch um sich herum aufbaut. Das AT-Field scheint eine Tradition in der japanischen Geschichte zu haben :) Noch ein Danke an Kaji, den Beta-Reader für diesen Teil der Story, und an Merc, der mich rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht hat, daß das Eis an den Polen weg ist. (Peinlich, peinlich, wie ich das vergessen konnte. *schäm*) * * * Kapitel 4: Bis die Schatten schwinden Wo du hin gehst, da will ich auch hin gehen; wo du weilst, da weile ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der HERR tue mir dies und das, aber nur der Tod kann mich und dich scheiden. Ruth 1.16-1.17 Ruth’s Treueschwur zu Naomi UNS MENSCHEN WAR ES NICHT BESTIMMT, GOETTER ZU SEIN Aus der Dunkelheit erhoben sich zwölf schwarze Monolithen, schwärzer als das Dunkel selbst. Die rotglühenden Nummern auf ihrer Oberfläche waren die einzige Lichtquelle. Nein, die wahre Quelle des Lichts war sein schwebender Geist, der zwischen ihnen leuchtete. Seine Seele, die sich für einen kurzen Moment aus dem Lilimkörper erhoben hatte, denn der Körper war zu schwer. Er hatte ihn auf der Erde zurücklassen müssen. Aber er würde ihn auch nicht mehr lange brauchen. Schon bald würde sich sein Schicksal erfüllen. Bei ihrer ersten Begegnung war seine Seele noch rein gewesen. Unberührt von anderen Seelen, so als ob sie noch nie mit einer anderen Seele verschmolzen wäre. In ihm lebte nur die Erinnerung, daß es nicht immer so gewesen war. Einmal war er ein Teil eines Ganzen gewesen. Von einem anderen Wesen genommen, aus einem anderen Wesen geschaffen. Ein Wesen, das aus vielen Seelen bestand, verschmolzen zu einer einzigen. Dieses Wissen in ihm war sehr alt, und sehr mächtig. Aber es war alles, was er hatte. Ansonsten wußte er weder, wo er war, noch warum er in diesem Etwas steckte. War dieser Körper ein Teil von ihm? Warum schien er dann so ungewohnt? War die Welt, in der er sich nun befand anders, als die Welt, in die er gehörte? Oder war es dieselbe Welt, und er nahm sie nur komplett anders wahr. Um ihn herum war Dunkelheit. Es gab hell und dunkel, also befand er sich nicht in dem Urzustand seiner Erinnerung. Es gab auch oben und unten, denn er lag auf einem harten, kalten Untergrund. Hart und weich. Kalt und warm. Gegensätze. Sie bedeuteten Trennung. Getrennt sein. Nicht eins mit dem Ganzen. Nicht ganz. Nicht ganz? Nein. Wenn es Gegensätze gibt, gibt es keine Einheit, sondern Verschiedenheit. Ist das schlecht? Es ist nicht so, wie es im Urzustand war. Mir fehlt etwas. Was fehlt dir? Ich bin ein Teil von etwas. Etwas Großem. Etwas Ganzem. Ein . . .Wesen? Was ist deine Bestimmung? In den Urzustand zurückzukehren. Dieses Wesen finden und mich mit ihm verbinden, damit alles wieder eins ist. DANN ERFÜLLE DEINE BESTIMMUNG! Erfülle deine Bestimmung! Erfülle deine Bestimmung! Die Dunkelheit wurde zur Helle, ein Licht, das so grell war, daß der Körper Schmerz verspürte und die Augen sich schlossen. Reaktion. Bewegung. Reflexartige Bewegung. Verbundenheit mit etwas Seelenlosem. Informationsfluß. Wachstum. Zeit. Atem. Er konnte nicht atmen, weil die Lungen des Lilimkörpers sich mit etwas Ungewohntem füllten. Er hustete, und schnappte nach Sauerstoff. "Es ist nur Luft," sagte eine Stimme in einer der Sprachen der Lilim. "Sie enthält genügend Sauerstoff, wenn auch in gasförmigem Zustand. Du mußt dich nur daran gewöhnen. Atme einfach ganz ruhig, Junge!" "Junge?" Die Worte klangen noch etwas unbeholfen, da er mit dem Lilimkörper noch nicht vertraut war. Aber er gewöhnte sich schnell an das Sprechen. "Ja, natürlich. Das bist du, so lange du dich in diesem Körper befindest, denn wie ein Engel siehst du jetzt nicht mehr aus. Und ein Mann wirst du wohl nicht werden, dafür reicht die Zeit nicht. Du hast auch einen Namen, er steht in dem Ausweis, den du noch erhalten wirst. Du solltest dich beizeiten daran gewöhnen, ihn zu benutzen, um keinen Verdacht zu erregen. Und -" er wechselte in eine andere Sprache der Lilim, "du solltest dich auch an diese Sprache gewöhnen, denn du wirst sie die meiste Zeit sprechen. Sie klingt zwar gräßlich, aber wir können ja nicht alle immerzu in der Sprache des Herrenvolkes reden. Auch wenn es einmal so aussah, als würden wir ein Reich begründen." Es war kein grelles Licht mehr um ihn herum, langsam öffnete er die Augen. Sein Körper lag auf einem metallenen Tisch, inmitten eines Labors, halbbedeckt mit einer Plastikplane. An ihm klebten Spuren der Flüssigkeit, die er bis vor kurzem noch geatmet hatte. Die Person, die vor ihm stand, war ein Mensch, jedenfalls der Seele nach zu urteilen. Oder besser gesagt, ihrer Schutzbarriere nach, denn die Seele selbst war natürlich weggeschlossen. An dem Körper des Menschen war so gut wie nichts menschlich, auch wenn es für die Augen keinerlei Unterschied machte. Er bestand zwar zum größten Teil aus denselben Materialien wie ein echter Menschenkörper, war aber anders zusammengebaut. Der Lilimkörper war nicht von Dauer. Er zerfiel, und ihn mit Ersatzteilen auszustatten, bedeutete nur diesen Zerfall zu verlängern, nicht ihn aufzuhalten. Er blickte an sich hinunter, sah seinen eigenen Lilimkörper an. "So zerbrechlich..." "Du wirst ihn nicht lange benötigen. Nur so lange, bis deine Aufgabe erfüllt ist." Er fühlte einen kurzen Schmerz, als sein Gegenüber eine Spritze aus seinem Arm zog. Der Schmerz war anders als alles was er kannte, er machte ihm bewußt, daß dieser Körper tatsächlich ein Teil von ihm war. Er konnte ihn nicht nur bewegen, er fühlte ihn, um sich herum, und in sich selbst. Er bekam ein weißes Stückchen Mullbinde in die Hand gedrückt, das nach Desinfektionsmittel roch. "Halte es für ein paar Minuten auf deinen Arm. Es müßte gleich aufhören zu bluten." Ohne ein weiteres Wort verließ der Mann den Raum und er blieb sich selbst überlassen. Er hob das Stoffstückchen, die kleine Verletzung hatte tatsächlich aufgehört zu bluten. Es war kaum noch etwas von dem Einstich zu sehen. Dieser Körper hatte die Fähigkeit sich selbst zu regenerieren. Zerbrechlich, doch von einer großen inneren Kraft erfüllt. Wunderschön, und vergänglich. Eine andere Möglichkeit, die Welt wahrzunehmen, und somit eine andere Wirklichkeit. Nur so lange, bis seine Aufgabe erfüllt war. Dann brauchte er ihn nicht mehr. Seine Aufgabe. Dieses Wesen finden, und mit ihm verschmelzen. Es befand sich nur noch ein einziges anderes Wesen in dem Labor, er erkannte es sofort als das seelenlose Wesen mit dem er kurz zuvor noch verbunden war. Von diesem Wesen kamen all die Informationen über die Lilim, ihre Sprachen, ihre Verhaltenweisen, ihre Art zu sein. Diese Informationen machten es ihm möglich, nicht nur wie einer der ihren auszusehen, sondern auch wie einer der ihren zu leben. Er versuchte, den Kontakt zu diesem Wesen ein zweites Mal herzustellen. Sein Geist tastete sich voran. Kein Schutzfeld, keine Seele. Nur Daten in Form eines Binärcodes. Nullen und Einsen. "Ein Mensch würde die konventionelle Weise benützen, um einen Computer einzuschalten. Drück den Power Button!" Die bekannte Stimme hinter ihm ließ ihn aufhorchen. Es war niemand anderes als der Wissenschaftler, der ihn in dieser Form zum Leben erweckt hatte. * * * In den nächsten Stunden wurden ihm viele Dinge klarer, auch wenn er nicht mehr genau unterscheiden konnte, zwischen den Informationen, die in sein menschliches Gehirn eingespeist worden waren, und dem Wissen, welches er schon immer hatte. Denn für jedes Wissen mußten erst einmal Worte gefunden werden, Worte in der Sprache der Lilim. Lilim, die Kinder der Lilith, Engel, die Kinder Adams. Er saß vor dem Computer und betrachtete das Diagramm auf dem Bildschirm. Der Baum des Lebens. Siebzehn Stufen, siebzehn Engel. Einer von ihnen Adam, der Ursprung. Der Wissenschaftler mit dem künstlichen Körper hatte die Dateien aufgerufen, und dabei seinen Namen und diverse Kennwörter eingegeben. Er wußte jetzt, wie der Mann hieß, aber ein Name sagte ihm nichts. Über die Lilim war nur schwer etwas in Erfahrung zu bringen, wegen der Schutzbarriere um ihre Seelen. Ob sie bei allen Lilim genau gleich aussah? Was wohl dahinter steckte? "Diese Informationen stammen von den Qumran Rollen, die vor über 50 Jahren am toten Meer gefunden wurden," erklärte Dr. Kiel. "Der Baum des Lebens stellt die Schöpfung dar. Die siebzehn Stufen sind Endformen, die sich von allein nicht mehr weiterentwickeln können. Die einzige Möglichkeit zur Weiterentwicklung besteht, wenn es einer dieser Endformen gelingt, sich wieder mit dem Ursprung zu verbinden." Seine Worte ergaben Sinn. Daher also kam das Bedürfnis sich mit diesem Wesen, Adam zu verbinden. Trotzdem irgendetwas an diesem Diagramm war nicht in Ordnung. Er konnte nicht sagen was, es war nur ein unbestimmtes Gefühl. Er verzog das Gesicht, als er angestrengt nachdachte. "Du bist vermutlich mit den Informationen in dieser Form nicht vertraut, deshalb kommt es dir alles etwas merkwürdig vor." Dr. Kiel war die Veränderung in seinem Blick nicht entgangen. "Natürlich sind alle Diagramme, Schriften, und Formeln nur ein unvollkommener Versuch etwas in Worte zu fassen, für das es genaugenommen keine Worte gibt." Er öffnete ein Schreibprogramm, und begann eine komplizierte Formel einzutippen. "Sagt dir das etwas?" Als er den Kopf schüttelte, fuhr Dr. Kiel fort. "Es ist eine Formel, mit der man die Stärke eines AT- Fields berechnen kann. Sagt dir immer noch nichts? Du mußt wissen, wir Menschen sind gewohnt zu erforschen, und zu konstruieren, alles auseinander zu nehmen, und wieder zusammenzusetzen. Deshalb müssen wir alles auch immer in technische Begriffe fassen. AT-Field! S2-Kikan! LCL! Lauter Schnickschnack! Aber wenn man sich auf diese Weise ausdrückt, wird man verstanden und ernstgenommen. So einfach ist das! Man kann einem gebildeten Menschen doch nicht mit seltsamen Begriffen wie 'Achtfacher Zaun der Provinz Izumo' und 'Schutz vor seelischer Verletzung' kommen." "Aber konzentrieren wir uns auf das Wesentliche!" Er schloß das Programm, und das Diagramm erschien wieder auf dem Bildschirm. "Alle Engel haben versucht, den Weg zum Ursprung zurückzufinden. Aber keinem von ihnen ist es bisher gelungen." "Wenn dies einem Engel gelänge, würde er damit alle anderen Engel auslöschen. Denn nur eine Form kann die Vollkommenheit erreichen." "Es ist ein bißchen zu spät, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn die anderen Engel sind bereits ausgelöscht. Du bist der letzte. In den Schriftrollen erscheinst du als Tablith, der Engel des freien Willens. Du bist damit der einzige Engel, der selbst entscheiden kann, ob er diese Vereinigung wirklich will. Alle Engel vor dir hatten diese Wahl nicht. Ihr Bedürfnis mit Adam zu verschmelzen war stärker als alles andere." Was konnte mächtig genug sein, um einen Engel auszulöschen? Nur ein anderer Engel hätte diese Kraft. Hatten sie sich gegenseitig vernichtet? Oder gab es noch etwas anderes, von dem er nichts wußte? "Die Menschen haben Gott gespielt!" Schon wieder hatte Dr. Kiel seine Gedanken erraten, ohne daß er sie ausgesprochen hatte. Die Lilim hatten die Fähigkeit anhand ihres Körpers etwas über den Zustand der Seele abzulesen. Trotz der Schutzbarriere hatten die Seelen also viele Möglichkeiten miteinander in Kontakt zu treten. Der Lilimkörper war ein Kommunikationsmittel, ebenso wie Schrift oder Sprache,und die Daten auf dem Computer. "Und Gott der Herr baute ein Weib aus der Rippe, die er von Adam nahm und brachte sie zu ihm," zitierte Dr. Kiel. "Und Adam nannte sein Weib Eva, denn sie wurde die Mutter alles Lebendigen." "Kluges Kind!" Auf dem Bildschirm erschienen weitere Daten. "Ihr Name ist tatsächlich Eva. Um genau zu sein: Hanyou Ninkei Kessen Heiki Jinzou Ningen Evangelion, wobei wir wieder bei den technischen Begriffen wären. Eine menschenähnliche Kampfwaffe, in der Form eines riesigen Androiden. Sie ist die einzige Möglichkeit um die Engel zu besiegen. Unsere Tochterorganisationen GEHIRN und NERV haben sie gebaut." Tablith überflog die Daten. "Wie kann sie ein AT-Field erzeugen, wenn sie keine S2-Kikan hat? Und woher nimmt sie ihre Energie?" Dr. Kiel zog überrascht die Augenbrauen hoch. Die rasche Auffassungsgabe seines Gesprächspartners schien ihm sehr zu mißfallen. "Sie braucht keine eigene Seele, denn die Seele des Piloten ist vollkommen ausreichend, für ein AT-Field," knurrte er. Und ihre Energie erzeugt sie nicht selbst, sondern sie bezieht sie über ein Verbindungskabel." "Wenn sie eine eigene Seele hätte, bräuchte sie weder einen Piloten noch ein Verbindungskabel," hakte Tablith nach. Zum ersten Mal spürte er deutlich, daß Dr. Kiel Angst vor ihm hatte. Er lernte nun ebenfalls die Sprache des Lilimkörpers zu verstehen, obwohl es bei einem künstlichen Körper um einiges schwieriger war. "Wenn sie eine eigene Seele hätte, könnte man sie nicht mehr kontrollieren. So kann man jederzeit die Verbindung unterbrechen, und dann hat sie nur noch für fünf Minuten Energie. Wenn diese Energie verbraucht ist, schaltet sie sich automatisch ab. Und für dich hat das alles noch eine ganz besondere Bedeutung." Dr.Kiel erklärte ihm seinen Plan, einen Plan der in sich vollkommen logisch erschien. Adam befand sich in einer unterirdischen Kammer, unter dem NERV Hauptquartier. Alle Engel hatten versucht, mit Gewalt in diese Kammer einzudringen, jeder in einem anderen Körper, und auf andere Weise. Alle waren sie gescheitert, trotz ihrer gewaltigen Kräfte. Tablith würde in menschlicher Form dorthin geschickt werden, als Pilot für Eva Nigoki, die zweite Eva-Einheit. Damit rechnete NERV am allerwenigsten. Da Eva keine Seele hatte, würde er sie problemlos übernehmen können. Dann konnte er mit ihrer Hilfe in die unterirdische Kammer vordringen, und mit Adam verschmelzen. "Es gibt zwei Dinge, die du zu deinem Vorteil nutzen kannst. Das erste davon ist deine menschliche Form. In dieser Form kannst du zwar nur einen geringen Teil deiner Macht entfalten, dafür aber unbemerkt ins NERV Hauptquartier gelangen, um Adam zu finden. Und wenn du mit Adam verschmilzt, bedeutet es die Vollkommenheit für dich. Das zweite ist für den Fall, daß es dir nicht gelingen sollte, und dein Körper zerstört wird, bevor du Adam erreichst. Deine Vorgänger haben in diesem Fall versucht in Adam's Kopie, die Evas einzudringen, wurden aber vom AT-Field des jeweiligen Piloten zurückgeworfen. Du bist ein Eva-Pilot, das bedeutet, daß deine Seele schon mit Eva verbunden ist. Wenn also dein Körper zu früh zerstört wird, wird deine Seele komplett mit Nigoki verschmelzen, und damit bist du ebenfalls unsterblich, denn Eva ist unzerstörbar. Es kann also überhaupt nichts schiefgehen." "Und in dieser Form?" fragte Tablith vorsichtig, "bin ich sterblich?" "Ja, allerdings. Wenn dein Körper zerstört wird, und du bist nicht mit etwas verbunden, was dich halten kann, wird sich auch deine Seele auflösen, wie bei allen anderen Engeln. Das Ende deiner Existenz. Nicht gerade eine verlockende Alternative, nicht wahr? Aber die Entscheidung liegt natürlich ganz bei dir! Wir zwingen dich zu nichts." Dr. Kiel stand auf, und schickte sich an das Labor zu verlassen. Mit großen ruhigen Schritten ging er auf der Tür zu. Tablith's Augen blieben auf den Bildschirm gerichtet. "Woher wissen Sie das?" "Was weiß ich?" fragte Dr. Kiel, ohne stehenzubleiben, oder sich umzudrehen. "Das Ende meiner Existenz. In diesen Schriften steht nichts davon. Es heißt, wenn der Körper eines Lebewesens stirbt, kehrt seine Seele in die Hallen von Gaph zurück, bis sie in einer anderen Form wiedergeboren wird." Jetzt blieb Dr. Kiel stehen, drehte sich um, und verzog das Gesicht zu einem höhnischen Lächeln. "Was hast du denn erwartet? Diese Schriften sind von Menschenhand verfaßt worden, und Menschen fürchten nichts so sehr wie den Tod, das Ende der eigenen Existenz. Sie werden ihn nie akzeptieren, all ihre Gedanken, und Taten sind nur darauf ausgerichtet, ihm ein Schnippchen zu schlagen. Sie wollen unsterblich sein, und das ewige Leben besitzen. Natürlich wird jede Schrift, die jemals von Menschen verfaßt wurde, den Tod leugnen. Du solltest lieber nicht alles glauben, was geschrieben steht, Junge!" 'Das sollte ich wohl nicht', dachte er. 'Denn irgend etwas stimmt nicht mit diesem Diagramm! Etwas fehlt, ich bin mir sicher. Wenn ich mich nur daran erinnern könnte!' * * * Er wußte genug über die Welt der Menschen, um sich problemlos darin zurechtzufinden. Womit er nicht vertraut war, waren die vielen Eindrücke, die auf den Lilimkörper einströmten. Auf diese Art wahrzunehmen, war etwas Besonderes. Diese Wahrnehmung war so intensiv, daß sie sogar die eigentliche Wahrnehmung überlagern konnte. Als er zum ersten Mal nach draußen blickte, wußte er, was ihn erwartete, aber nichts hätte ihn auf diesen Anblick vorbereiten können. Eine Welt, die nur aus Wasser bestand, so dunkel, daß die Lilimaugen keinen Meter weit sehen konnten. Er wußte daß allein die Berührung mit diesem Wasser einem Lilimkörper den Tod bringen konnte. In diesen Tiefen herrschte eine Temperatur, von exact 4 Grad Celsius, und das seit Millionen von Jahren. Die Welt an der Oberfläche, die er einige Stunden später kennenlernte, war das genaue Gegenteil. Durch die Dunkelheit leuchtete die Illusion ewiger Weite, ein düsterer Himmel reflektierte sich im blutfarbenen Meer, wie in einem riesigen unheimlichen Spiegel. Eine Schicht aus Wasserdampf verbarg die Sterne, und am Horizont war nicht erkennbar, wo Himmel und Meer sich trafen. Vor dem Second Impact hatte es hier Tag und Nacht gegeben. Einen Sommertag, und eine Winternacht. Jetzt gab es nichts mehr. Ein Wasserflugzeug landete, um ihn abzuholen. Zwei Mitarbeiter von SEELE brachten ihn zu einer Basis auf dem Festland, wo er ein anderes Flugzeug bestieg, das ihn zum NERV Hauptquartier in Japan flog. Inzwischen hatte er einen Ausweis mit dem Namen Nagisa Kaworu, und einem Geburtsdatum, das dem biologischen Alter des Lilimkörpers entsprach. Die vielen neuen Eindrücke machten ihn schwindelig. Von der Welt, die das Flugzeug überflog, war nicht mehr viel übrig geblieben, und doch faszinierte sie ihn. Als das Flugzeug aus der Polarzone flog, verwandelte sich das Dämmerlicht in Nacht, und zum ersten Mal sah er den Mond. Über die Kopfhörer an seinem Sitz hörte er zum ersten Mal Musik. Als er hungrig wurde, aß er seine erste Mahlzeit, und als er müde wurde, schlief er zum ersten Mal ein. Als er aufwachte, war es immer noch Nacht, denn das Flugzeug hatte bereits mehrere Zeitzonen durchquert, und die Sonne dabei immer auf der anderen Seite der Erde gelassen. Die verbleibende Stunde bis zur Landung las er in einer Mappe mit Informationen über NERV, und die Eva Serie. NERV war gegründet worden, um die Menschheit vor der außerirdischen Bedrohung zu schützen, und die Evas waren Superwaffen im heroischen Kampf für das Gute. Interessant. Neu waren nur die Informationen über das NERV Personal, und die Namen der anderen Piloten, die Eva Shogoki, und den Prototyp steuerten. Und den Namen des Mädchens, das er als Pilot ersetzen sollte. War es Zufall, daß sie nicht mehr mit Nigoki synchronisieren konnte? Oder Absicht? Mit was genau sollten die Piloten eigentlich synchronisieren, wenn Eva doch keine Seele hatte? Noch einmal landete das Flugzeug zwischen, und die SEELE Besatzung wurde mit viel militärischem Tamtam gegen eine Besatzung von NERV ausgetauscht. Als sich der Himmel im Osten grau färbte, erreichten sie NERV Japan. Der Junge, der nun Kaworu hieß, ging seinem ersten Sonnenaufgang entgegen. Tsuzuku... Hosted by Animexx e.V. 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