Engelsflügel von Alaiya (Eine Geschichte von Wind und Meer) ================================================================================ Kapitel 6: Wolken ----------------- Oh gott, oh gott, schon wieder diese bösen Charaktere. Das Kapitel war komplett anders geplannt, aber die Charaktere haben sich einfach selbstständig gemacht. Merren ist sehr dickköpfig >.< Naja, das Kapitel ist ein fall von: "Wenn die Charaktere selbst handeln ohne das der Autor was dagegen machen kann" Zumindest sieht man jetzt auch mal eine andere Seite von Merren und der Hintergrund kommt zum Vorschein ^^ Und noch mehr komische Namen... Teil 06: Wolken Die Zeit verging weiter. Ich blieb bei Merren. Wir waren glücklich. Der Winter war kurz und ging schnell vorbei und dann kam der Frühling und damit wieder viel Regen. Aber es störte mich nicht mehr. Ich war einmal wirklich zufrieden mit meinem Leben. Es machte mich glücklich, wenn er mich küsste, wenn er mich umarmte, wenn ich in seinen Armen einschlief... Doch ich hätte eigentlich ahnen müssen, dass das Leben so nicht bleiben konnte. Es war Mitte März, als Fiora und Merren am Felsstrand etwas abseits von jenen Stränden, die bereits jetzt schon mit Touristen und anderen Leuten bevölkert waren saßen. Seit langem war es wieder ein sonniger Tag, wenngleich der Wind vom Meer noch sehr kalt war. Merren hatte an diesem Tag frei und so waren sie hierher gegangen, um zu Picknicken und zu üben, wenn man denn so wollte. Wider Erwarten hatte Fiora in den vergangenen zwei Monaten große Fortschritte gemacht, was das Heraufbeschwören und die Kontrolle des Windes anging. Trotzdem war es für sie noch immer anstrengend. Sie atmete schwer nachdem sie es für fast eine Minute lang geschafft hatte, die Richtung des Windes zu ändern. Seufzend ließ sie sich auf den Felsen zurücksinken und wischte sich über die Stirn. „Überanstreng dich nicht“, warnte Merren sie zum mindestens sechsten oder siebten Mal an diesem Tag und ging zu ihr hinüber. „Mach dir keine Sorgen“, meinte sie nur. „Ist nicht so schlimm“ Er lächelte, küsste sie auf die Stirn und setzte sich neben sie. „Doch, natürlich mach ich mir Sorgen um dich. Ich muss ja schließlich auch auf dich aufpassen, meinst du nicht?“ „Glaubst du nicht, dass ich das selber kann“, erwiderte sie gespielt schmollend und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nicht immer“ Er beugte sich vor und küsste sie sanft, woraufhin sie ihren Kopf gegen seine Schulter lehnte und die Augen schloss. „Siehst du“, meinte er die Arme um sie legend. Er lachte leise. Fiora genoss es so mit ihm da zu sitzen. Zwischen den Felsen, die diesen Strand bildeten, rauschte das Wasser hindurch. Die Flut kam und Fiora liebte das Geräusch der Wellen – das Rauschen des Meeres über alles. Da berührte sie auf einmal etwas Feuchtes an der Wange und sie zuckte zusammen. „Was...“ Sie sah zur Seite, erkannte dann aber, dass es nur ein Wassertropfen war, den Merren hatte in der Luft schweben lassen. „Oh, Merren“, schnauzte sie ihn an, wurde aber sofort wieder ruhig, als er anfing zu lachen. „Hast du dich erschreckt?“, fragte er lachend. „Ja, das habe ich“, murrte sie. Das war bei Weitem nicht das erste Mal gewesen, dass er sie mit so was erschreckte. Nur schaffte sie es trotzdem nicht, wirklich böse auf ihn zu sein und lachte nun mit ihm. „Du bist so gemein.“ Sie machte ein leidendes Gesicht, woraufhin er sie noch einmal küsste. Dann stand er auf und hielt ihr die Hand hin, um sie ebenfalls hochzuziehen. Er grinste. „Wollen wir zum Haus zurück?“, fragte er. Sie nickte zur Antwort. „Ja, können wir“ Damit nahm sie den Korb, in dem das Picknick – welches aus ein paar Sandwichs und Kaffee bestanden hatte – aufbewahrt hatte, griff dann nach seiner Hand und machte sich so mit ihm auf den Weg zurück zu Merrens Haus. Als sie jedoch am Haus ankamen, fanden sie dieses wider Erwarten nicht verlassen vor. An die Wand neben der Tür gelehnt stand dort ein Mann, vom Äußeren her Ende Zwanzig, und sah sie nun an. Fiora spürte seinen Blick und wurde langsamer. War dieser Mann von der Polizei oder vom Jugendamt? Er sah bedrohlich aus, trug aber keinerlei Uniform. Doch das mochte nichts heißen. Auch Merren sah den Mann an, ging jedoch zielstrebig auf ihn zu, wobei er Fiora mit sich zog. „Nerion“, murmelte er. Nun sah sie verwirrt zu ihrem Geliebten. „Du kennst den Mann?“, fragte sie unsicher. Eigentlich hätte sie erleichtert sein sollen, weil sie so ziemlich sicher sein konnte, dass er von keiner staatlichen Einrichtung kann und sie nicht von Merren wegholen wollte. Doch sie war es nicht. Irgendwas an diesem Mann wirkte bedrohlich, machte ihr Angst, erweckte die Ahnung in ihr, dass sein Auftauchen hier nichts Gutes verhieß. Schließlich hatten sie den Mann erreicht, welcher Merren die Hand entgegenstreckte. Um diese Geste zu erwidern ließ dieser Fioras Hand los. Sie zuckte zusammen. Indem Moment, wo der junge Mann ihre Hand losgelassen hatte, hatten sich für einen kurzen Augenblick eisige Kälte und Angst in ihrer Brust breit gemacht. Ganz so, als hätte er ihre Hand für immer losgelassen – dabei nahm er diese im nächsten Augenblick schon wieder. Doch etwas von dieser Angst blieb trotzdem... „Was machst du hier, Nerion?“, fragte Merren, wobei Fiora der kühle Unterton seiner Stimme genauso wenig entging, wie seine linke Hand, mit der er sich durchs Haar fuhr. Ein klares Zeichen, dass ihm etwas nicht behagte oder er nervös war. „Nette Begrüßung“, brummte der Mann und nahm beiläufig die Sonnenbrille ab, die er bis dahin getragen hatte. Merren verdrehte die Augen. „Entschuldige, willst du nicht reinkommen?“ Seine Stimme war gereizt und ohne ein weiteres Wort ging er mit Fiora zur Tür um diese aufzuschließen. Ohne darauf zu antworten, ging der Fremde an ihnen vorbei ins Haus und ließ sich auf dem Sessel nieder. „Lange nicht gesehen, Merren“, meinte er scheinbar gleichgültig. Der Angesprochene seufzte nur und zuckte mit den Schultern. Dann zog er seine Jacke und seine Schuhe aus, was Fiora ihm gleichtat, ehe sie sich zusammen aufs Sofa setzten. Nun erst begann sie den Furcht einflössenden Fremden zu mustern. Er war sehr groß und muskulös gebaut, hatte einen dunklen Teint – jedenfalls im Gesicht – und trug einen langen schwarzen Ledermantel. Sein kurzes Haar war dunkel, seine Augen grau und kalt. Vielleicht war es das, was ihr Angst machte. Er wirkte unberechenbar. So als könnte er einfach jemanden umbringen ohne nur darüber nachzudenken. „Was willst du, Nerion?“, fragte Merren nun wieder gereizt. „Darf ich nicht-“ setzte der Mann an, doch Merren unterbrach ihn. „Du bist nicht ohne Grund hier, Nerion“, meinte er. „Also versuch erst gar nicht, mir das weiß zu machen. Du kannst mich nicht leiden, das wissen wir beide und wir wissen genauso, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Also sag mir, was du willst und dann verschwinde von hier. Das ist mein Haus!“ „Was ich immer noch nicht verstehe“, murmelte der Fremde, der wohl Nerion hieß. „Warum Peppol das Haus ausgerechnet dir und nicht dem Clan vermacht hat“ Fiora meinte einen Vorwurf aus seiner Stimme heraus zu hören, verstand aber nicht was er da redete. Wer war der Clan? Und wer war Peppol? Und dieser Fremde? Langsam wurde ihr bewusst, dass sie nur sehr wenig über Merren wusste. Dieser war nun wirklich wütend, auch wenn er versuchte dies zu unterdrücken. „Was willst du?“, fragte er ein weiteres Mal. „Nun, um es kurz zu machen...“ Als wollte er ihn ärgern machte Nerion eine längere Pause. „War ich zu dir gekommen, um dich darüber in Kenntnis zu setzen, dass der Schatz der Engel, das Windsiegel nun ebenfalls aufgetaucht ist. Und ich komme hier an, um es dir mitzuteilen, und was finde ich: Das Windsiegel. Warum weiß der Clan...“ Merren unterbrach ihn schnaubend: „Der Clan, der Clan... Was interessiert mich der Clan? Ihr habt Meister... Ach, vergiss es. Ich gehöre nicht zum Clan. Ich bin dir nicht hörig, Nerion. Das weißt du auch! Also sei ruhig! Wenn das alles war was du zu sagen hast, dann geh endlich!“ Nun lachte der Mann. „Du bist nach wie vor ein Kind, Merren, mein Kleiner“, meinte er scheinbar amüsiert. „Nun, dich kann keiner zwingen uns zu akzeptieren, aber letzten Endes ist dies auch egal... Nur würde ich über die Kleine nachdenken. Du weißt doch was sie ist und was sie für die Engel bedeutet...“ „Die Engel interessieren mich genauso wenig“, erwiderte Merren verächtlich. „Und ihr, was würdet ihr für sie tun? Was habt ihr für mich getan?“ „Wir haben...“, setzte Nerion an, doch der andere ließ ihn nicht weiterreden. „Ihr habt nichts getan“, zischte er. „Alles was ich habe, was ich noch bin habe ich Meister Peppol zu verdanken! Das einzige was dich an ihr – an uns – interessiert ist, dass du Macht über die Engel haben könntest. Du bist...“ Er brach ab. In dem Moment verstand ich gar nichts mehr. Windsiegel? Schatz der Engel? Was hatte das zu bedeuten. Mir war klar, dass sie mich damit meinten, aber was das hieß verstand ich nicht. Sie redeten von Engeln, als wären diese real, oder war dies nur eine Bezeichnung für irgendwen oder irgendwas? Und warum hatte mir Merren davon nichts erzählt? Ich verstand überhaupt nichts mehr. Ich hatte Angst... „Wie du meinst, Merren... Wassersiegel“ Nerion grinste mit einer ungeheuren Häme im Gesicht. „Aber die Engel suchen sie. Der Tag an dem die Magie zurückkehrt wird schon bald kommen und früher oder später werdet ihr verschwinden, dem könnt ihr nicht entkommen“ Er stand auf. „Wenn du die Hilfe des Clans nicht akzeptieren willst, Merren, dann lass es. Aber dann bist du für ihren Tod verantwortlich.“ „Ich kann sie selbst beschützen“, flüsterte der Jüngere nun. „Wenn das alles war, dann geh“ „Wie du willst, Kleiner“ Der Mann zuckte mit den Schultern. „Ich habe meine Aufgabe als Anführer des Clans erfüllt, ich habe dich gewarnt, ich habe dir Hilfe angeboten, der Rest ist dein Problem.“ Er wandte sich zum Gehen, doch als er an der Tür war blieb er noch einmal stehen. „Aber eins solltet ihr noch wissen: Es ist bereits einer der Schicksalswächter wieder aufgetaucht und es wird nicht mehr lange dauern, bis auch sie erwacht.“ Mit diesen Worten öffnete er die Tür und ging hinaus. Als er endlich weg war seufzte Merren und ließ sich gegen die Lehne des Sofas zurücksinken. „Verdammt...“, flüsterte er. „Dieser Mistkerl“ Fiora erschrak, als sie eine Träne über seine Wange laufen sah. Trotzdem konnte sie ihre Frage einfach nicht länger zurückhalten: „Was hat das zu bedeuten? Was hat er... Was habt ihr damit gemeint?“ „Nichts“, flüsterte Merren und schüttelte den Kopf. „Es ist nichts...“ Noch immer weinte er, wenn auch leise und ohne zu schluchzen. „Merren, du...“, begann sie, als er sie auf einmal in den Arm nahm. „Es tut mir so leid“, hauchte er und küsste ihren Hals. „Es tut mir leid“ Nun schluchzte er doch leise und Fiora wusste nichts zu tun, außer vorsichtig die Arme um ihn zu legen und ihn weinen zu lassen. „Was soll das alles heißen, Merren?“, fragte sie nach einer Weile noch einmal. „Windsiegel... Warum hat er mich Windsiegel genannt? Und was meint ihr mit Engeln... Es gibt doch keine Engel oder...“ Sie brach ab, als er sie mit verweinten Augen ansah. „Ich will dich beschützen“, murmelte er und küsste sie kurz. „Ich hab geträumt...“ Er schüttelte den Kopf. „Vielleicht hast du Recht und ich hätte es dir von Anfang an erzählen sollen – direkt als ich dich gefunden habe, hätte ich es dir erzählen sollen...“ Erwartungsvoll und verwirrt sah sie ihn an. „Du bist das Siegel des Windes, wie ich das Siegel des Wassers bin“, begann er vorsichtig. „Ich... Du... Ich habe dich damals im Wasser gefunden und dich gerettet, aber als du dann am Strand lagst, da wusste ich es schon... Die Linien auf deinem Körper... Die Zeichnung eines Siegels, aber du warst einsam und verzweifelt und gleichzeitig so süß und ich konnte es dir nichts sagen.“ „Merren“, unterbrach sie ihn. „Was ist ein Siegel?“ „Als Siegel bezeichnet man Menschen, die einen Teil der Magie in sich tragen, um ihn wieder zum Ursprung zurück zu führen“, versuchte er es zu erklären. „Menschen oder Wesen die geboren werden um für die Erneuerung der Magie zu...“ Er brach kurz ab. „... sterben.“ „Was heißt das? Und wieso Schatz der Engel?“, fragte sie weiter. Auf einmal spürte sie, wie sie zitterte. „Die Engel sind die Wächter der Magie des Windes“ Merren sah sie an. „Du wurdest als eine von ihnen geboren, doch deine Eltern brachten dich zu den Menschen... Du solltest leben und es sollte so sein, wie es war. Man brachte deine Eltern um, doch du bliebst verschwunden. Damals fingen die Engel an Menschen zu töten, deswegen sind sie nun verstoßen... Das ist zumindest die Geschichte, die ich von Meister Peppol kenne.“ Er seufzte und nahm sie dann wieder in den Arm. „Aber sie haben dich wohl gefunden... Deine Tante, die Frau die dich aufgenommen hat, sie ist sicher nicht bei einem Unfall gestorben oder besser: Der Unfall war kein solcher“ Vorsichtig drückte er sie an sich. „Sie suchen dich, genau so wie sie mich und die anderen Siegel suchen...“ Als er nun schwieg wollte Fiora schon wieder zu einer neuen Frage ansetzen, doch da begann er wieder zu reden: „Die Magie wurde seit mehreren Jahrhunderten nicht mehr erneuert. Die Siegel haben gelebt und sind gestorben, eines normalen Todes. Die Schicksalswächter sind nicht mehr aufgetaucht und die Magie verschwand langsam. Das war – das ist das Zeitalter der Menschen, doch wie es aussieht wird sich bald einiges ändern...“ Er seufzte lang gezogen. „Wenn die Engel...“ Ein weiteres Mal brach er ab. „Ich will dich nur beschützen, Fiora. Ich... Ich liebe dich und ich will, dass du glücklich bist. Das alles darf nicht passieren...“ Als er mich so im Arm hielt verstand ich noch nicht, was das alles bedeutete. Ich konnte es nicht verstehen. Ich spürte nur seine Hoffnung und seine Angst und vertraute ihm doch. Aber Nerion hatte Recht gehabt: Wir hätten dem Clan vertrauen müssen. Doch vielleicht hatte das Schicksal es damals anders gewollt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)