Senbonzakura von maiyue (A Thousand Cherry Blossoms) ================================================================================ Kapitel 1: Der Shinigami ------------------------ Ihr Leben war hart. Täglich musste sie um ihr Leben und um das ihrer kleinen Schwester kämpfen, das noch ein kleines Baby war. Eigentlich lebte sie nur in den Tag hinein ohne ein besonderes Ziel zu haben. Sie wusste nur eines: sie musste überleben. Denn wenn sie stürbe, dann wäre das Schicksal ihrer Schwester ebenfalls besiegelt gewesen. In dem Bezirk in dem sie lebte, war die Kriminalität höher als in jedem anderen. Ohne Raub oder gar Mord war das Leben in diesem düstersten aller Bezirke wohl unmöglich gewesen. Also lernte sie durch Beobachtung das Verhalten ihrer Mitmenschen und bemühte sich so gut sie konnte, ihnen nachzumachen Lebensmittel zu stehlen und auf offener Straße zu betteln. Es fiel ihr selbst jetzt noch schwer, obwohl sie schon viele Jahre an diesem Ort lebte. Der Grund war simpel: sie war ein sehr zart gebautes Mädchen, von zierlicher Statur und weichem Herzen, das Gewalt über alles verabscheute. Doch würde sie sich nicht ihrem Milieu anpassen, dann könnte sie in dieser harten Welt nicht überleben. Einmal gab es eine herzensgute Person, um genau zu sein, ein alter Mann, der sehr gebrechlich war und wohl nicht viele Jahre mehr zu leben hatte. Als sie in einer kalten Nacht mit dem keinen Baby im Arm vor seiner Hütte lag, nicht fähig, noch einen Schritt zu machen, entdeckte er sie, bekam Mitleid mit ihr und bot ihr an bei sich zu leben. Es klingt unplausibel, dass ein alter Greis einen Menschen bei sich aufnehmen konnte, und doch war es wahr. Der alte Mann hatte nämlich einen Sohn, der aufgrund seines Talents den Traum aller Menschen hier verwirklichen konnte - nämlich den Beruf des Todesgottes ausüben zu dürfen - und deshalb in den inneren Bezirk gezogen war. Er hatte seinem alten Vater etwas von den Gütern gegeben, die er als Amtsgehalt bekommen hatte, und sicherte somit dessen einsames Leben ab; doch zu mehr reichte es nicht. Denn eben dieser Sohn war von einer seiner Missionen nicht mehr zurückgekommen. Und obwohl sein Tod von Boten bestätigt wurde, wollte es der alte Mann nie wirklich wahrhaben. Er war überzeugt, dass sein Sohn eines Tages wieder vor seiner Haustür stehen würde, ihm um den Hals fallen würde und ihm von seiner glänzenden Karriere als Shinigami berichten würde. Der alte Mann entdeckte also das halbverhungerte Mädchen vor seiner Haustür und bat sie doch hereinzukommen. Sie erzählte ihre Geschichte, wie sie vor einer Gruppe von groben Männern bedrängt wurde und in letzter Sekunde entkommen konnte, indem in den nahen Fluss sprang, was ja doch eine sehr riskante Tat war, da sie ein Baby in den Armen hatte. Der alte Mann war so gerührt von ihrer Geschichte und da er sowieso immer einsam in seiner Hütte war, bot er ihr an bei sich in der Hütte zu wohnen. Das Mädchen war ihm unendlich dankbar und sie konnte sich keine schönere Zeit ihres Lebens mehr vorstellen. Doch ihr Glück war nicht von langer Dauer, denn nach einigen Monaten verstarb der alte Mann und ehe sie sich ausweinen konnte, traten grobgebaute Männer bereits die Tür ein und wenn sie nicht rechtzeitig aus dem Hinterfenster gesprungen wäre, dann wäre ihr Übles zugestoßen. Also begann ihr hartes Leben wieder von Neuem. Wieder musste sie täglich neben den Marktständen kauen und warten, bis jemand ein Stück seines Gemüses vielleicht versehentlich verlor. Man bot ihr sogar an, als Freudenmädchen zu arbeiten, doch sie war sich nicht ganz sicher bei der Sache, und entschied damit bis zu einer besonders harten Zeit zu warten und es als eine Notlösung zu betrachten. Diese Zeit sollte bald kommen, denn schon bald fand sie sich ausgemergelter denn jemals zuvor auf der Straße verzweifelt nach Essbarem suchen. Ihre kleine Schwester, die tagsüber nun in einer Kiste in einer heruntergekommenen Werkzeugslagerhütte eingebettet war, war mittlerweile ein wenig gewachsen, immerhin konnte sie schon ganz gut gehen. Gerade kam ihr der schreckliche Gedanke, sich als Freudenmädchen zu verkaufen, da fand sie eines Tages am Straßenrand einige Äpfel. Schleunigst stürzte sie sich auf sie, bevor sie jemand anderer sah. Sie hielt die schönen Äpfel in ihrer Hand und konnte ihr Glück kaum fassen und beschloss zugleich, noch einen Abstecher zu ihrer Schwester zu machen, die ja immerhin auch schon seit einigen Tagen nichts mehr zu essen bekommen hatte. Sie stürmte los, mit den eben gefundenen Schätzen fest umklammert an ihrer Brust. Und während sie so gedankenverloren lief, halb vertieft in ihrem Glück, solch Wertvolles gefunden zu haben, und gleichzeitig in ihrer Trauer, in kürzester Zeit sich stinkenden Männern anbieten zu müssen, achtete sie nicht auf Passanten und prallte glatt mit großer Wucht mit einer fremden Person zusammen. Durch den Zusammenstoß stürzte sie zu Boden und ihr fielen die großen roten Äpfel aus den Händen und sie rollten davon. Sofort griff sie nach ihnen und bat gleichzeitig um Verzeihung. In der selben Sekunde fiel ihr auf, dass die Person vor ihr eine schwarze Tracht trug. Sie traute sich kaum ihren Kopf zu heben. Als sie es dann mit großer Angst tat und der Person scheu ins Gesicht blickte, blieb ihr das Herz stehen. Der Mann war von großer Statur und schlank zugleich und hatte langes schwarzes Haar. Er blickte herab auf ihr Gesicht. Was sie am meisten neben der Tatsache, dass er die Tracht der Todesgötter trug, schockierte, war, dass etwas Silbriges an seinem Haar glänzte. Ohne Zweifel trug er jene berüchtigten Haarspangen, die nur Adeligen von höchstem Rang vorbehalten war. Sie war so entsetzt, dass sie ihn einfach nur anstarren konnte. Innerlich zwang sich mit aller Macht ihr Gesicht von seinem Antlitz abzuwenden und sich einfach zu seinen Füßen zu werfen und um Gnade zu flehen, doch aus blanker Angst war ihr Körper wie gelähmt. Plötzlich waren von allen Seiten laute Stimmen zu hören und mit noch größerem Entsetzen merkte sie erst jetzt, dass diese Schar von Todesgötter die ganze Zeit bei ihrem Gegenüber gewesen waren. Sie waren empört und wütend und schrien etwas wie "sie wagt es" und "schmutziges Weibsstück" und viele zogen ihre Schwerter und gingen bereits auf sie zu um Gesindel wie sie an Ort und Stelle zu exekutieren. Sie wusste, dass gleich alles aus sein würde und unwillkürlich schossen ihr in ihrer Todesangst Tränen in die Augen. Schon jetzt konnte sie den harten Griff einer der Leibgarde oder gar den Todeshieb eines ihrer Schwerter spüren. Doch er kam nicht. Wie durch ein Wunder schienen die Männer mit einem Male plötzlich zu verstummen, mehr aus Überraschung als aus Beruhigung. Sie wusste selbst nicht, was passiert war, und als sie ihren Kopf zögernd hob, blickte sie in das Gesicht des Shinigami mit dem langen Haar. Er sah sie immer noch an, doch etwas hatte sich in seinem Blick geändert. Statt der anfänglichen Kälte glaubte sie nun eine Spur von Wärme in seinen Augen wahrzunehmen... "Kuchiki-sama...sie ist nur eine-" "Ich weiß", unterbrach der Mann einen seiner Gefolgsmänner. Er wandte sich dem Mädchen zu: "Lebst du in diesem Bezirk?" Er hatte eine tiefe und doch sanfte Stimme. "J-ja", stammelte sie, das Gesicht aus Scheu und Furcht wieder gesenkt. "An welchem Ort?", fragte er weiter. Sie war überrascht von dieser Frage und vor Scham und mit einem seltsamen Gefühl der Angst um die Folgen ihrer Antwort sagte sie zögerlich: "L-links hinten in der Gasse." Er sagte nichts mehr, doch sie spürte, dass er in die eben beschriebene Richtung blickte. Dann wandte er sich um und die Traube von Todesgöttern folgte ihm, wobei manche etwas murmelten. Sie kniete noch eine ganze Weile am Boden, obwohl sich die Schar von Todesgöttern bereits entfernt hatte. Sie war gelähmt und überrascht davon, was ihr widerfahren war. Langsam richtete sie sich auf und mit zittrigen Fingern sammelte sie die verstreuten Äpfel ein. In jener Nacht konnte sie nicht schlafen. Sie war nun doch nicht zum Freudenviertel gegangen, stattdessen liefen ihre Gedanken immer wieder hinüber zu jenem Geschehnis mit dem gnädigen Mann, der sie entgegen aller Erwartungen laufen ließ. Immer wieder musste sie an ihn denken, an seine Tracht, dem weißen Schal, an seine langen schwarzen Haare, die in der Adelsklämme gebunden waren und vor allem - bei dem Gedanken fühlte sie immer etwas Beklemmendes an ihrer Brust - wenn sie an seine dunklen Augen dachte. Sie sagte sich ständig, es wäre nur Zufall gewesen, dass er nett zu ihr war, und dass es bestimmt auch nette Todesgötter auf der Welt gäbe. Und doch war sie gepackt von einer unbeschreiblichen Aufregung und sie fragte sich innerlich ob sie ihn jemals wieder zu Gesicht bekommen würde. Was würde sie nicht alles tun, um ihn noch einmal zu sehen, in seine sanften Augen zu blicken, mit denen er sie angesehen hatte? Bei diesem Gedanken zuckte sie zusammen, und sie hätte sich am liebsten selbst gezüchtigt für diesen törichten und fatalen Wunsch, einen adeligen Todesgott, der ihr von Rang und Status um Welten überlegen war, wiedersehen zu wollen. Es war ein Wunder, dass er sie überhaupt eines Blickes gewürdigt hatte, ja sie sogar angesprochen hatte, so schmutzig und armselig wie sie war. Es war nicht garantiert, dass er beim nächsten Treffen auch so viel Toleranz zeigte, womöglich würde er sie aus einer Laune heraus umbringen. Bei diesem Gedanken rannen ihr Tränen die Wangen herunter und sie wusste selbst nicht genau, warum ihr Herz dabei so unglaublich wehtat... Kapitel 2: Der Weg ------------------ Wochen vergingen und jenes Ereignis mit dem Todesgott wurde allmählich durch ihre Not verdrängt. Sie verschwendete kaum noch einen Gedanken an ihn, wo sie doch so hart um ihr Leben kämpfen musste. Das Ganze kam ihr sogar schon fast unwirklich vor und sie fragte sich manchmal, ob sie sich das nicht einfach erträumt hatte. Mittlerweile ging es ihr sogar wieder etwas besser; wie sich nämlich herausstellte, hatte sie eine nette Witwe zur Nachbarin, die sie immer tatkräftig in allen Notsituationen unterstützte. Tatsächlich passte eben diese ältere Frau nun tagsüber auf ihre Schwester auf, während sie selbst versuchte, Essen zu erbetteln. Die Frau hatte außerdem einen Sohn, der ungefähr im selben Alter wie sie sein musste. Er arbeitete Tag und Nacht als Warentransporter, dies war der Grund warum sie ihn so selten sah. Doch wenn sie abends manchmal zusammen beim Essen saßen und sich ihre Blicke trafen, schien er jedes Mal zu erröten und kein vernünftiges Wort kam ihm mehr über die Lippen, wenn man ihn dann etwas fragte. Seine Mutter lächelte nur jedes Mal verständnisvoll, was den jungen Mann nur noch nervöser und genervter machte. Als das Mädchen nun erschöpft eines abends nach Hause kam, erzählte ihr die Frau von ihrem glücklichen Leben, das sie mit ihrem nun verstorbenen Mann und ihrem Sohn geführt hatte und hing stundenlang alten Erinnerungen nach. "Weißt du, mein Sohn wollte sich als Leibgarde der Familie Kuchiki bewerben." Bei diesem Namen schrak sie abrupt aus ihrem Halbschlaf hoch. "K-Kuchiki?", stotterte sie. Ihr Herz pochte wie wild. "Ja, er ist gut in Form und wollte sowieso die Ausbildung als Todesgott aufnehmen. Doch als man sich ihn ansah, wies man ihn ab mit dem Argument, nur Menschen mit überdurchschnittlichem Talent würden in die Akademie aufgenommen und von denen würden wiederum nur eigens dafür ausgebildete Leibwächter gewählt. Die Familie der Kuchiki ist eine der vier alten und hochverehrten Adelsfamilien hier in der Soul Society, die für jahrtausend alte Tradition und strenge Sitte stehen. Allein der Name lässt die Menschen vor Ehrfurcht erzittern.", sagte sie mit einem Schaudern, doch dann mit einem Male packte sie die Wut: "Aber wenn du mich fragst sind sie nur ein eingebildetes Pack, das mit Füßen auf uns niederes Volk tritt! Ich wette, am liebsten würden sie uns alle den Hollows zum Fraß werfen, nur, damit wir ihr Stadtbild nicht verschandeln!" Das Mädchen wollte widersprechen, doch wusste sie aufgrund ihrer Unkenntnis über diese Welt kein Argument. Sie sah der alten Frau beim fluchen und schimpfen zu und schwieg, doch in ihrem Kopf schwirrten die Worte der Nachbarin umher. War ihr Retter wirklich solch eine grausame Person, wie alle sagten? Würde er sie wirklich ohne mit der Wimper zu zucken an die Hollows verfüttern? Unwillkürlich schoss ihr das Bild in den Kopf, in dem sie vor ihm kniete. Er blickte auf sie herab, doch von den sanften Augen war nun keine Spur zu sehen. Nein, er sah sie mit grausamen und kalten Augen an, zückte sein Schwert und- * * * Es wurde Frühling und die Tage wurden allmählich länger. Das Mädchen stieg oft mit ihrer Schwester auf das Dach ihrer Hütte um über all die Häuserdächer ihres armen Viertels zu sehen. Wenn die Sonne in der Früh aufging und sich das warme Sonnenlicht an den Häuserzinnen golden spiegelte, glaubte sie ganz weit in der Ferne am Horizont Häuser zu sehen. Häuser, die für sie Lichtjahre entfernt waren, von denen sie nicht einmal in ihren kühnsten und schönsten Träumen zu träumen wagte. Es musste eine gänzlich andere Welt dort draußen sein, eine Welt, die ihr auf ewig verborgen bleiben musste. Mit einem Seufzer wandte sie sich der schönen Szene ab und wurde mit ihrem harten Alltag konfrontiert. Sie hatte wenig Glück an jenem Tag, denn bis auf ein paar Reiskörner konnte sie nichts auf der Straße finden. Enttäuscht beschloss sie nach Hause zu gehen, doch als sie an der Reihe Kirschbäume am Weg dorthin vorbeikam, konnte sie nicht widerstehen eine kurze Rast einzulegen und sie zu betrachten. In der Tat war das einzig Schöne in diesem Bezirk und zugleich in ihrem Leben die Kirschbäume, die jedes Frühjahr für eine erschreckend kurze Zeit Blüten trugen. Die kleinen zartrosa Blütenblätter fielen wie Schnee von den Bäumen, dicht, weiß und ohne Rast; wie reine kleine Seelen verließen sie von dem sanften Wind getrieben ihren Mutterbaum und er trug sie weit weit weg von ihrem Zuhause, bis sie mit einem leisen Geräusch schließlich den harten und grausamen Boden berührten und elendlich zu Ende gingen. Es war ein tieftrauriger Anblick, der ihr Herz innerlich zu weinen brachte, doch zugleich war er von so unglaublicher natürlicher Schönheit, dass sie mit ihren wässrigen Augen ihren Tanz wie in Trance minutenlang verfolgte. Sie streckte ihre Hand aus und eine kleine zarte Blüte viel darauf. "Sie sind wunderschön, nicht wahr?", sagte eine sanfte Stimme. Vor Schreck zuckte sie so heftig zusammen, dass ihr die kleine Blume aus der Hand fiel. In ihrer Träumerei hatte sie keine Menschenseele sich annähern bemerkt und als sie sich mit einer raschen Bewegung der Stimme zuwandte, da sah sie ihn. Jenen Mann, dem sie in ihren Träumen in so unzähligen Nächten begegnet war, immer unbewusst flehend, ihn wiedersehen zu dürfen, um ihm ihre unendliche Dankbarkeit zu zeigen, und den sie doch gleichzeitig in ihrer Hoffnungslosigkeit bereits aufgegeben hatte. Er stand da, inmitten von Tausend Kirschblüten, sanft, ruhig und von übermenschlicher Schönheit. Sie schlug ihre Hand auf ihren Mund; ihr Herz raste und pochte, sie spürte, wie das Blut ihr in Sekundenschnelle mit einer unglaublichen Wucht ins Gesicht schoss. Und ohne es zu wollen, kamen ihr Tränen in die Augen, und sie schämte sich dafür, wie sie sich noch nie für etwas geschämt hatte. Er lächelte sie mit warmen sanften Augen an, dann beugte er sich langsam hinunter und hob die kleine Blüte auf, die sie soeben vor Schreck fallengelassen hatte. "Wie ist dein Name?", fragte er mit einem sanften Lächeln. "H-Hisana", sagte sie mit so leiser und schüchterner Stimme hinter vorgehaltener Hand, dass er es unmöglich gehört haben konnte. "Hisana...", wiederholte er, und als dieses Wort, das ihr näher stand als alles andere, seine Lippen verlies, glaubte sie es in seiner strahlenden Gegenwart nicht mehr aushalten zu können - zu dürfen. Sie wollte sich ihm abwenden, sich entschuldigen dafür, vor seinen Augen zu stehen, und um Nachsicht bitten. Doch bevor sie es tun konnte, streckte er seine Hand aus, nahm ihre kleine Hand in seine, und legte die kleine Blüte darauf. Sie fühlte sich warm an. "Sie sind von übernatürlicher Schönheit, Zartheit und Zerbrechlichkeit. Nur in deinen Händen findet solch Schönes seinen rechtmäßigen Platz, Hisana.", sprach er. Verwundert blickte sie zu ihm mit tränennassen Augen auf und sah ihm dabei zum ersten Mal in die Augen. Sie waren warm und sanft, doch wirkten sie mit Traurigkeit erfüllt. Im selben Augenblick wurde ihr ihre Unverschämtheit bewusst, und sie senkte rasch ihr Gesicht und versuchte sich die Tränen von den Wangen zu wischen. "E-es tut mir Leid, K-Kuchiki-sama. Ich...ich wollte nicht...", flüsterte sie. "Hisana, mir tut es Leid, dass solch hartes Leben auf deinen zarten Schultern lastet", unterbrach er sie, und nachdem er sie so eine Weile betrachtet hatte, sagte er: "ich möchte, dass du mit mir kommst." Sie musste träumen, dachte sie, doch als er seine Hand erneut ausstreckte und sanft ihre feuchte Wange berührte, wusste sie, dass dies kein Traum war. Sie vergaß alles um sich, die schmutzige Welt, in der sie jahrelang gelebt hatte, die verzweifelten Nächte, die sie schlaflos vor Hunger durchgeweint hatte, und die groben Männer, die sie in den dunklen Gassen bedrängt und missbraucht hatten, denen sie aber immer aus Glück in letzter Sekunde entkommen konnte. All diese Last fiel von ihr und sie sah nur noch ihn, jenen Mann, dem sie durch Zufall begegnet war, der freundlich zu ihr war und der zu ihr zurückgekommen war, und er erstrahlte ihre finstere Welt, unermüdlich und hell, mit sanfter Wärme. Der Weg war unglaublich weit, sie glaubte bereits einen halben Tag in der Kutsche zu sitzen. Verwundert blickte sie sich um, links und rechts schienen sich die Häuser allmälig zu verändern. Die niedrigen zerfallenen Hütten in den schmutzigen Gassen wurden ersetzt durch hübsche kleine Häuser aus Holz. Man sah nun keine elenden Bettler mehr am Boden liegen, die Gässchen waren sauber und gepflegt und man sah Männer und Frauen geschäftigt ihren alltäglichen Tätigkeiten nachgehen. Manche schoben Wägen prallgefüllt mit frischem Gemüse, und andere wuschen ihre Wäsche vor ihren Häusern in kleinen Gruppen und tauschten Neuigkeiten aus. Als ob das nicht Aufregung genug wäre, vergaß sie dabei nicht, wer neben ihr saß. Während der Fahrt traute sie sich kein einziges Mal sich zu ihm zu drehen, die einzige Gewissheit, dass er neben ihr war, war es den weichen Saum seiner Tracht an ihren nackten Knöcheln spüren. Wenn sie ehrlich war, war es ein schreckliches Gefühl, neben ihm zu sitzen. Sie merkte deutlich, dass die Menschen auf der Straße, normale Bürger, plötzlich alle verwundert nach ihrer Kutsche blickten. Allein die Präsenz eines normalen Shinigami würde die Aufmerksamkeit der Normalsterblichen wecken - auch sie selbst erinnerte sich daran, sich jedes Mal aus Neugierde umzusehen, wenn ein Shinigami in der Nähe war -, doch diesmal fuhr noch dazu eine Kutsche über die Straße, vorne und hinten begleitet von einer Gruppe von bewaffneten Leibwächtern, was einer Sensation gleichen musster. Plötzlich war sie im Mittelpunkt ihres eigenen Alltags und alle Menschen, die sie normalerweise nicht eines Blickes würdigten, blickten sie an, mit Verwunderung, Überraschung und sogar Misstrauen. Was mussten sie denken, ein schmutziges Mädchen von der Straße, eine von ihnen, plötzlich neben einem adeligen Shinigmai vorzufinden? Sie war sich sicher, viele hielten sie für ein Freudenmädchen, das soeben zufällig von einem Shinigami aufgegabelt wurde. Und während sie in dem Chaos ihrer Gedanken versank, wünschte sie sich einfach, dass dies alles aufhören könnte. Sie war es nicht gewohnt, im Zentrum der Blicke aller Menschen zu sein, sie wollte wieder das unscheinbare Mädchen auf der Straße sein, einfach wieder unsichtbar sein. Die Fahrt kam ihr vor als zöge sie sich ins Unendliche. Dann endich blieb der Wagen stehen. Verwundert und wie aus einer Trance blickte sie abrupt auf und sah sich um. Sie standen vor einem gewaltigen Tor einer hohen Stadtmauer, die sich links und rechts bis zum Horizont zog. Die ihr bekannte Stadt hatten sie schon längst hinter sich gelassen, sie sah nur eine große weite unbebaute Fläche mit Wiesen überzogen. Ganz in der Ferne hinter sich konnte sie noch die Dächer von den schönen Häusern am Stadtrand ausmachen. Es war extrem ruhig, man hörte nur das Rattern ihres Wagens, als es zum Stehen kam und die verklingenden Schritte ihrer Begleiter hinter ihnen. Nun wagte sie es zum ersten Mal, in die Richtung ihres Begleiters zu blicken. Doch er blickte sie nicht an, erhob sich und stieg aus dem Wagen aus. Sie war unsicher, was sie nun tun sollte, und beschloss, ebenso aus dem Wagen zu steigen. Schweigend stand sie neben dem Wagen, während sie beobachtete, wie einige Männer zu dem Tor liefen und man ihnen nach einem kurzen Gespräch das Tor öffnete. Noch immer sprach der adelige Shinigami nicht. Dann langsam bewegte er sich in Richtung des Tores. Sie wollte ihm folgen, jedoch drängten sich zwei Shinigami vor ihr. "Du kannst hier nicht ohne weiteres durchgehen. Folge uns, wir bringen dich zu einem Warteort.", sprach einer von ihnen. Sie erschrak und blickte sich verzweifelt nach ihrem Begleiter um. Doch er war bereits verschwunden, sie sah nur noch die Leibwächter hinter ihm hinter dem Tor verschwinden. Verloren und alleingelassen könnte sie nur noch den beiden Shinigami folgen. Sie gingen ebenfalls durch das Tor, jedoch nicht ohne zuvor einige Minuten zu warten und somit einen großen Abstand zu ihrem Gebieter zu halten. Ihre Begleiter führten sie in ein niedriges Haus in der Nähe der Stadtmauer. Dort folte sie ihnen hinein, mit einem unendlich enttäuschten und verwirrten Gefühl im Herzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)