☾ Mikadzuki von Mimiteh ================================================================================ Kapitel 50: Im Schloss ---------------------- Es dämmerte gerade erst, da riss plötzliches, reges Treiben Rin aus ihrer Konzentration. Das Kanji, an dem sie gerade geschrieben hatte, geriet krumm und schief, aber sie kümmerte sich wenig um die Grimasse ihrer Zofe und Lehrerin. „Sie sind da!“, informierte sie nur und stürmte bereits aus dem Raum. Arisu beeilte sich, hinterher zu kommen. „Halt! Rin, Ihr könnt doch nicht einfach…“ Kopfschüttelnd brach die Sika-Yôkai ihren Ruf ab, weil Rin bereits die Schiebetür aufgerissen hatte, die zu Sesshômarus Privatgemächern führte. „Sesshômaru-sama! Sie sind da!“, jubilierte ihre helle Stimme. „Ich weiß“, antwortete Sesshômarus kühle Stimme bloß, keinerlei strafender Ton lag darin. Arisu wagte, hinterherzukommen. Der Fürst stand auf dem Balkon seines Gemachs und blickte in den Hof hinunter, Rin direkt neben sich. „Arisu!“, sprach Sesshômaru sie an, ohne den Kopf zu wenden. „Ja, Herr?“, fragte sie pflichtbewusst zurück. „Begleite Rin hinunter. Sie wird ihre Freunde begrüßen wollen“ „Natürlich, Herr. – Wenn ich bitten darf, Rin-hime?“ In Sesshômarus Gegenwart wagte Arisu dann doch nicht, ihre Herrin beim Vornamen allein anzureden. Mit einem fröhlichen: „Oh danke, Sesshômaru-sama!“, wirbelte Rin herum. „Rin! Warte“ Sofort erstarrte das junge Mädchen in der Bewegung, wie früher so oft, balancierte auf einem Bein. „Richte InuYasha aus, das ich ihn und seine Miko zu sprechen wünsche, im Arbeitszimmer. – Geh jetzt“, trug der Inuyôkai ihr noch auf, Rin nickte heftig und stürmte so urplötzlich davon, dass Arisu einen Moment brauchte, um sie einzuholen. Erst als sie am Hauptportal waren, verlangsamte Rin ihre Schritte, ordnete im Gehen ihren Kimono. „Richtig so, Arisu?“, fragte sie verschmitzt. „Ja, Herrin“, gab die Sika-Yôkai zurück und erlaubte sich ein Schmunzeln, als Rin natürlich nicht auf die Wachen wartete, sondern die große Flügeltür eigenmächtig aufstieß und hinaus trat. Einige Diener, die herumwieselten, verbeugten sich rasch, aber Arisu brauchte nicht einmal genau hinzusehen, um den Wiederwillen der Yôkai zu erkennen. Sie versuchte es zu ignorieren, zumal ihre arglose Herrin wieder einmal tat, als habe sie nichts bemerkt. Stattdessen lief sie jetzt dem Tor in der Schlossmauer entgegen, vor dem eine ganze Gruppe aufmarschiert war. Erstaunt erkannte Arisu, das mehrere Menschen darunter waren und zwei… Hanyô? Die einzigen Dämonen waren Jaken, AhUhn und eine kräftige Nekomata, die zwei der Menschen trug. Seltsame Bande…, beschloss sie für sich, blieb aber knapp hinter Rin, als die das erst zu einem Spalt geöffnete Tor nutzte um hindurch zu schlüpfen und zu der Gruppe zu rennen. Unbefangen umarmte sie eine junge, schwarzhaarige Menschenfrau im hellblauen Kimono, dann eine weitere im altrosa-gemusterten Kimono. Unschlüssig blieb Arisu stehen. Rin war derweil vor InuYasha stehen geblieben. „Sesshômaru-sama will dich und Kagome sprechen. Komm, ich zeige euch den Weg zum Arbe-“ „Halt, halt, Rin, langsam. Lass uns erst einmal ankommen“, bremste Miroku sie und glitt von Kiraras Rücken. Die Nekomata mauzte belustigt, ehe sie sich in ihre kleine Form verwandelte. „Genau, Rin. Es ist eine Schande, dass du keine Geduld lernst. Wenn Sesshômaru-sama wüsste, dass du dich nie im Griff haben kannst, er wür-“ „Ich weiß es, Jaken“, erstickte Sesshômaru die Litanei des Krötendämons, indem er ungerührt über ihn hinüber lief. Der Krötendämon nuschelte etwas Unverständliches in den Erdboden und blieb dann geplättet liegen. Sesshômaru drehte sich wieder halb zum Schloss um. Da seine Dienerschaft offenbar nicht erkannt hatte, mit wem sie es bei den Gästen zu tun hatten – obwohl die Gerüchteküche seit Tagen heißlief – musste er eben doch persöhnlich für Disziplin sorgen. Dabei ignorierte er die neugierigen Blicke von InuYashas Bande, wusste er doch, dass sie ihn nie im Kimono und ohne die Rüstung und die Schwerter gesehen hatten. „Willkommen, InuYasha, auf dem Schloss deiner väterlichen Familie…“, ließ er dann demonstrativ verlauten und verkniff sich ein Schmunzeln, als die Diener auseinanderstoben. Nur wenige waren geistesgegenwärtig genug, stattdessen Haltung anzunehmen und die gaffenden Blicke sein zu lassen. Sesshômarus Mimik ließ wie so oft nicht verlauten, welche Mischung aus Belustigung und Ärger die nicht vorhandene Ordnung in ihm hervorrief. InuYasha kommentierte sein Verhalten nur mit einem ungläubigen Blick, ehe er das riesige Gemäuer musterte. Er wirkte, gelinde gesagt, erschlagen. Auch die anderen versuchten nicht einmal ihr Staunen zu verbergen. Einzig Jaken, der sich gerade schwankend wieder aufrappelte, störte das Bild. Der Inuyôkai wartete einen Moment, ehe er sagte: „Arisu, zeige den Gästen den Besuchertrakt. Dort sind drei Gemächer vorbereitet. – Rin, du kannst AhUhn wegbringen. – Jaken? Such‘ Arata und bestell‘ ihn zu Masa“ Dabei dachte er nicht daran, dem Krötendämon zu erklären, was er mit letzterer Anweisung bezweckte, aber alle anderen schienen zufrieden. Inklusive AhUhn, der sein Buhlen um Rins Aufmerksamkeit jetzt endlich erfüllt sah. „InuYasha, Kagome. Lasst euch den Weg zu mir weisen, sobald ihr euch eingerichtet habt“, schob der Daiyôkai dann noch nach und wandte sich ab. Mit einem einzigen Sprung war er wieder auf dem Balkon seines Gemachs gelandet. Kagome starrte ihm nach. „Hat er mich gerade ersthaft vor versammelter Mannschaft beim Namen genannt?“, fragte sie entgeistert. ~*~ „Ich glaub‘s einfach nicht, ich hab’s tatsächlich geschafft!“ Jubelnd tanzte Shippô im Kreis. Kyoko warf lachend den Kopf in den Nacken, als er sie mit sich zog. Sie selbst hatte schon am Morgen die Bestätigung erhalten und war wieder etwas zur Ruhe gekommen, aber jetzt freute sie sich für Shippô mit. Er hatte es verdient, die Prüfung geschafft zu haben, ebenfalls in den zweiten Rang aufgestiegen zu sein. Jetzt hörte das immer gleiche, pure Streichespielen auf. Etsuko, die dritte Geprüfte heute, saß in der Nähe. Auch sie hatte bestanden, wenn auch nur knapp, aber sie wirkte weniger begeistert, als ihre Schulkameraden. Kurzerhand ließ Shippô Kyoko mit einer Hand los und hielt die freie Hand Etsuko hin. „Na komm!“ Doch das ältere Kitsunemädchen schüttelte den Kopf und blieb sitzen. Shippô zuckte die Schultern. Wer nicht will, der hat schon… „Na komm, Kyoko“, rief er stattdessen und zog die heimliche Prinzessin mit sich aus dem Akademiegebäude und auf die Wiese hinaus. Dort ließ er sich keuchend und lachend ins Gras sinken. „Ich kann’s immer noch nicht glauben!“, japste er. „Glaub’s ruhig. Ab Morgen hast du das Zertifikat“, lachte Kyoko und warf sich neben ihn ins Frühlingsgrün. Als sie etwas Atem geschöpft hatte, setzte sie sich auf. „Aber nimm Etsuko ihr Verhalten nicht übel, die Arme hat ihre Gründe. Ihr älterer Bruder ist der bisher Jüngste, der die Prüfungen geschafft hat, bei Bestehen der ersten Prüfung war er, glaube ich, noch zwei Jahre jünger als du jetzt. Sie wird zuhause kein Lob bekommen, sondern nur vorgehalten kriegen, wie langsam sie doch ist“ „Wäh, das ist ja schrecklich“, gab Shippô zurück und setzte sich jetzt auch auf, seine Stimme klang nicht mehr ganz so selig. „Ich weiß. Aber was sollen wir machen. Ich hab ihr Gemurmel nur manchmal mitgekriegt, deswegen weiß ich es überhaupt. Ehrlich gesagt glaube ich, jeder hier hat so seine Geheimnisse, die er zu verbergen versucht. Du deine Freunde, ich meine Abstammung, Etsuko ihre lieblose, ehrgeizzerfressene Familie. Wir Kitsune glauben immer, wir müssen neckisch und albern sein und vergessen, das auch wir ein ganz normales Leben haben, das nicht immer schön ist“ Kyoko achtete nicht darauf, dass Shippô sie ansah, als sei sie von einem anderen Stern, ihre Stimme klang ernst. Dann aber verzog sie das Gesicht zu einem Schmunzeln. „Aber wie dem auch sei, ich hab‘ eine Überraschung für dich! Vater hat versprochen, dass wir, wenn wir die Prüfung bestehen, mit zum Fürstentreffen dürfen – beide!“ ~*~ Amaya verharrte im Lauf, als sie Tôrans harsche Stimme vernahm. Gleich darauf antwortete Shuran, nicht weniger heftig. Amaya runzelte die Stirn und blieb stehen. „Es wäre die perfekte Gelegenheit! Wann willst du es sonst machen?“, schnappte Tôran gerade wieder. „Beruhige dich, Onee-san. Ich habe dir versprochen, dass ich ihn anspreche, aber jetzt überlass es gefälligst auch mir, wann ich es tue“ Selten hatte Amaya den einzigen Mann des Fürstenquartetts so grimmig gehört. Agressiv, ja, bestimmt, ja, aber so kiebig? Sie spitzte die Ohren, als das Gespräch leiser weitergeführt wurde. „Tôran, deine Spielchen fallen langsam ein paar Level zu hoch aus. In weniger als drei Jahrzehnten geht es um die Macht unserer Rasse, wir können uns nicht leisten den Verdacht zu wecken, du würdest dich in Themen einmischen, die dich nichts angehen. Tôran, Katzenrecht hin oder her, die Außenpolitik untersteht mir“ Amaya wusste, was der Fürst da ansprach. In drei Jahrzehnten würde wieder das große Turnier stattfinden, das in regelmäßigen Abständen darüber entschied, welcher Katzenclan für den nächsten Zeitabschnitt die Fürstenposten besetzen würde. Und diesmal konnte es eng werden, für die Panther, denn die Luchse hatten einen vielversprechenden Kandidaten. Tôran schien das aber wenig zu interessieren, als sie zurückgab: „Aber die Wahl meines Gefährten obliegt mir!“ „Nicht wenn du jemanden aus einem anderen Clan willst und schon gar nicht, wenn du jemanden aus diesem Clan willst, verdammt nochmal!“ Amaya biss sich auf die Unterlippe. Sie konnte unschwer nachvollziehen, von wem da die Rede war. „Drei Jahrzehnte sind nicht viel, ja, Shuran. Aber sie wären genug, die Lage zu stabilisieren, wenn du dich endlich mal beeilen würdest!“, konterte Tôran gerade. Keine Antwort des Fürsten, es war still im Arbeitszimmer. Amaya verspannte sich. Sah ganz so aus, als habe Tôran den Bogen überspannt. Unwillkürlich wich sie ein wenig von der Schiebetür von Shurans Arbeitszimmer zurück. Dort herrschte noch immer Stille. Und dann sagte Shuran ein Wort, zischend wie ein zum Angriff geduckter Kater: „Raus!“ Amaya wartete lieber nicht mehr, bis Tôrans wütende Schritte ertönten. Sie sah lieber zu, dass sie weg kam. Oh, Natsu, jetzt haben wir noch ein Problem mehr. Um dein Leben und das Leben deines Sohnes Willen, bete, das es mit der Selbstbeherrschung des Hundefürsten so weit her ist, wie man immer sagen hört… ~*~ „Und dir geht es gut hier?“, fragte Sango in Rins Richtung. Das junge Mädchen sah sie an. Ihre fröhliche Miene sagte alles, ohne das sie den Mund aufmachen musste. Sango lächelte etwas. Ja, Rin war glücklich hier, das sah man. „Ich habe es dir gesagt. Sesshômaru ist für sie ein zweiter Vater, ihre Familie. Wenn sie sich in seiner Nähe weiß, ist sie selig“, flüsterte Miroku an ihrer Seite und erhob sich. „Was hast du denn in den letzten Monden alles gemacht, hm?“, fragte er dann. „Arisu hat mir das Schreiben beigebracht!“, antwortete Rin fröhlich und zeigte dabei auf die Sika-Yôkai, die in der Nähe der Tür kniete. „Also hast du eine Freundin gefunden, ja?“ Rin nickte. „Eigentlich ist sie ja meine Zofe“, fügte sie dann hinzu, aber ihre lachenden Augen zeigten, dass sie das nicht ganz so ernst nahm. „Ihr solltet Euch Gästen gegenüber nicht so freigiebig verhalten“, ließ sich eine sanfte Stimme vernehmen. „Warum denn, Arisu? Das sind meine Freunde, genau wie du. Außerdem haben sie sich in den letzten Jahren um mich gekümmert!“ „Das habt Ihr mir bereits erzählt, Hime“, antwortete Arisu und stand auf um näher zu kommen. „Aber sofern ich vorhin richtig gehört habe, gehört auch ein Familienmitglied des Fürsten zu dieser Gruppe hier, oder?“ „InuYasha, ja und?“ Rin schien etwas ausgebremst. „Dann sind sie alle sicher nicht ohne Grund hier, oder?“ „Natürlich nicht. Aber… gomen nasai, Arisu, aber darüber darf ich selbst dir nichts sagen“, erwiderte Rin ernsthaft und für einen Moment war der Schalk aus ihren Augen verschwunden. Sango und Miroku wechselten einen vielsagenden Blick und Shiori, die am Fenster stand und den stummen Zaungast spielte musterte die Szenerie ebenso aufmerksam wie Kirara. „Ich verstehe schon, Hime. Aber dass der Fürst – dieser Fürst – menschlichen Besuch auf dem Schloss empfängt, ist – abgesehen von Eurer Ankunft – noch nie geschehen. Die Dienerschaft hat sicher längst dafür gesorgt, dass die Wände Ohren haben“, sagte Arisu und zog sich dann wieder auf den Platz zurück, der ihr als momentan einziger Bediensteter im Raum zugewiesen war. „Wir könnten das ja verhindern, aber damit erregen wir nur Aufmerksamkeit. Besser, wir zähmen unsere Zungen wirklich, Rin. Einverstanden?“, nahm Miroku den Faden wieder auf. Seine unwillkürliche Handbewegung zu den Falten seines Gewandes, während Arisu sprach, hatte gezeigt, dass er seine Bannzettel meinte. Die würden vorwitzigen Dienern ein Lauschen sicher schnell verleiden. Rin nickte allerdings und auf ihrem Gesicht breitete sich schon wieder ein Lächeln aus. „Wir könnten in den Garten gehen! Da sind wir ungestörter!“, schlug sie vor und als die Freunde nickten, strahlte sie schon wieder. „Ich bleibe hier. Ich kann InuYasha und Kagome ja dann sagen, wo ihr seid“, meinte Shiori nur und drehte sich zum Fenster des Gemachs herum, stützte sich auf das breite Fensterbrett. Sango blickte einen Moment mitfühlend in ihre Richtung, ehe sie sich den anderen anschloss. Sie wusste, im Moment konnte niemand Shiori wirklich helfen. Ungewissheit konnte niemand heilen. Das ist ein Problem, das momentan viele haben… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)