☾ Mikadzuki von Mimiteh ================================================================================ Kapitel 27: Medizinische Versorgung ----------------------------------- Sesshoumaru zwang sich, ein Knurren zu unterdrücken, als er erkannte, dass InuYasha seine wertvolle Klinge als Krückstock missbrauchte um mühsam wieder auf die Beine zu kommen. Wie er seinen ungeliebten Halbbruder kannte, hatte der nahezu sämtliche verbliebene Kraft in diesen Angriff gesteckt und das zeigte sich nun darin, dass der Hanyô kaum noch aufrecht stehen konnte. Langsam ließ der Inuyôkai sich absinken, kam weich auf dem Boden auf und schritt, ohne InuYasha weiter zu beachten, auf die weißgoldene Kuppel zu, unter der sich Kirin offenbar gemeinsam mit dem Initiator dieses Gemetzels verschanzt hatte. Auch sagte er nichts, als InuYasha sich prompt an seine Seite gesellte. Im selben Moment ließ Kirin seinen Bannkreis langsam fallen und kam ihnen beiden einen Schritt entgegen. Ein wenig senkte er den Kopf. „Eure Kraft ist erstaunlich“, sagte er ruhig und musterte dabei nicht nur Sesshômaru, sondern auch InuYasha. Er sah den Hanyô jetzt zum ersten Mal in gesunder, halbdämonischer Form und er sah auch seit langer Zeit zum ersten Mal Tessaiga wieder, zudem mit einer Technik, die ihm nicht bekannt gewesen war. Das war eine durchaus interessante Mischung. Und der Älteste des ehemaligen Inu no Taishô? Der hatte ja schon in seiner Kindheit eine Macht besessen, die andere Yôkai blass werden ließ, aber offenbar stimmten auch die Gerüchte, dass er inzwischen seinen Vater um ein Gutteil übertroffen hatte. Und dieses Schwert… es schien nicht nur eine eigene Seele zu besitzen, wie es Tessaiga und Tenseiga taten, sondern annähernd eins mit ihm zu sein. War es etwa die Insignie, die bewies, dass er ein wahrer Dai-Yôkai geworden war? Passen würde es zu ihm. Doch jetzt waren andere Dinge wichtiger. Er drehte den Kopf, sah hinab auf die liegende Gestalt eines Affendämons mit schwarzbraunem Haar. Die Hals- und Schulterpartie des Yôkai erschien wie verätzt und er atmete nur schwach, sein Yôki war, dafür, dass er menschenähnliche Gestalt annehmen konnte, sehr, sehr niedrig. Er musste sehr geschwächt sein. Allerdings wies er keine weiteren Verwundungen auf. Also woher kam diese Schwäche? Sesshômaru ließ sich nicht anmerken, dass genau diese Fragen ihm durch den Kopf gingen. Er war sich sicher, Kirin würde von sich aus berichten. „Er hier ist für das Chaos verantwortlich. Und gleichzeitig kann er auch nichts dafür. Alles weitere später, er ist leider sowieso nicht mehr zu unterstützen. Entweder er erholt sich wieder und regeneriert sein Yôki schnell genug, oder es ist aus. Da kann weder ich etwas tun, noch jemand anderes. Suche wir erst einmal eure Begleiter. – Sesshômaru-sama, ich fürchte, Eure Begleiterin ist schwer verletzt, ihr Yôki fühlte sich zuletzt sehr schwach an“ Der Inuyôkai antwortete nicht, aber er pflichtete Kirin da bei. Natsu war sowieso schon gehandicapt gewesen, durch ihre verwundeten Beine, unwahrscheinlich, dass sie so vernünftig hatte kämpfen können. Zumal ihr Kampfgeschick ihn zwar überrascht hatte, er aber noch immer nicht richtig abschätzen konnte, wie gut sie tatsächlich war. „Wo sind sie eigentlich?“, mischte sich da InuYasha ein, der sich nun zwar wieder aus eigener Kraft auf den Beinen hielt und Tessaiga weggesteckt hatte, aber doch sehr erschöpft wirkte. „Kurz bevor ihr zum Rundumschlag angesetzt habt, habe ich Yutaka befohlen, sie auf Sicherheitsabstand zu bringen. Vermutlich sind sie da hinten, in dem Dickicht“, gab Kirin souverän zurück und deutete mit seiner Hornspitze auf den Wald, durch den sie weitergezogen wären, hätten diese Oni sie nicht aufgespürt. Bis auf die erste Baumreihe wirkte dort alles noch recht unangegriffen, obwohl die Energiewelle des parallelen Angriffs zwei solch starker Schwerter wie Tessaiga und Bakusaiga ansonsten eine ziemliche Verwüstung hinterlassen hatte. Aber das war nicht weiter tragisch, Hauptsache es war niemand Wichtiges zu Schaden gekommen. Der Ansicht war ganz offensichtlich auch InuYasha, denn der hatte sich ebenfalls zu dem Wald umgedreht und nur ein Wort verließ besorgt aber hoffnungsvoll seine Lippen: „Kagome…“ In der tiefen Dunkelheit war keine wirkliche Silhouette auszumachen und auch die Augen der Gestalt waren so nachtschwarz, dass sie mit der Umgebung verschmolzen, aber dennoch war das Wesen kaum zu übersehen. Die eisige Kälte an diesem Ort rührte weder von Jahreszeit und Wetter noch von einem Zauber, es war pure, dämonische Macht, die hier so geballt war, wie an keinem anderen Ort der Welt. Und wer die Auren trennen konnte, erkannte die dünne Trennlinie, die die Gestalt von seiner Umgebung unterschied. Menschähnlich, doch spitze Ohren, abstehende, halblange Haare – ein Yôkai. Eine fiese Grimasse war wie in das Gesicht gemeißelt, aber das war nun wirklich nicht zu erkennen. Der betreffende aber, der wusste es genau. Endlich hatte er wieder Hoffnung. Gut sechshundert Jahre hatte es gedauert, sechshundert Jahre, die er hier unten hatte verbringen müssen. Aber nun hatte er seine Diener wieder. Und ob sie wollten oder nicht, sie versorgten ihn mit der Macht, die er brauchte um hier endlich auszubrechen. Viel brauchte es nicht mehr. Oh ja, der Tag der Abrechnung war nah… Als sie das Dickicht betraten, konnten beide Halbbrüder bereits die Witterungen ihrer Reisegruppe wahrnehmen und Sesshômaru ertappte sich dabei, dass er genauer witterte, ob der allgegenwärtige Blutgeruch zu einem großen Teil von Natsu stammte, oder nicht. Er sollte langsam wirklich zusehen, dass er diese Hirngespinste abwürgte, das war doch wirklich nicht seine Art, über die geforderten Verhältnisse eines politisch korrekten Schutzversprechens hinaus zu handeln. Aber es fiel ihm schwer, seine Gedanken auf etwas andere zu lenken und da kam es ihm ganz recht, dass plötzlich etwas vor ihnen raschelte und Kagomes schlanke Gestalt sichtbar wurde. „InuYasha!“ Im nächsten Augenblick hatte sie sich in InuYashas Arme geworfen, mit einem Schwung, den sein malträtierter Körper ganz offensichtlich nur schwer abfangen konnte, denn er stolperte einen Schritt nach hinten, ehe er sie an sich zog. „Kagome…“ Pure Erleichterung klang diesmal aus seiner Stimme. Sesshômaru war einen Schritt beiseitegetreten, um nicht von ihr über den Haufen gerannt zu werden, aber was sich nun tat, machte es ihm schon schwer, einfach weiterzusehen. Er hatte ja gewusst, oder besser geahnt, dass die beiden inzwischen wirklich ein Paar waren und das was da eben geschah, war nicht der erste Kuss der beiden, den er beobachten musste, aber dieser hier war dann doch noch etwas Neues. InuYasha war da ähnlich überrumpelt, wenn auch aus gänzlich anderem Grund. Als Kagome sich ihm entgegenwarf, musste er ein schmerzvolles Aufstöhnen unterdrücken. Der Schwung war dann doch ein wenig zu viel für seinen verwundeten Körper, denn vor allem vermochten ihn auch die Feuerrattenhaare nicht zu schützen, schon gar nicht, wenn er vollkommen wehrlos war, wie zu Beginn des eben überstandenen Kampfes. Sie ließ ihn aber nicht zu Wort kommen, sondern versiegelte seinen Mund mit dem Ihren – und brachte ihn damit für einen Herzschlag aus dem Konzept. Es war ja nun nicht das erste Mal, dass sie sich küssten, aber mal ganz abgesehen davon, dass Sesshômaru keine zwei Schritte entfernt stand, waren die bisherigen Küsse doch eher zaghaft, fast verschreckt gewesen. Das hier war… stürmisch, ja, so konnte man es beschreiben. Und InuYasha musste zugeben, dass ihm das nur zu gut gefiel. Viel zu schnell ging ihnen die Luft aus und sie mussten sich voneinander lösen. In den Augen des Hanyô lag ein ganz neues Strahlen, aber er verzog doch kurz das Gesicht, als sich Kagome von ihm löste und dabei mit der Hand seine Schulter streifte, die mit am schwersten verletzt war. „Autsch. Vorsicht, Kagome…“, murrte er, hob aber abwinkend die Hand, als Schreck in das Gesicht der Miko kam, sie schon zu einer Entschuldigung ansetzte. Ihre Wangen waren gerötet, vermutlich aus Verlegenheit und wegen der Atemnot zugleich. „Schon gut“, beruhigte er sie wieder und zauberte damit ein kleines Lächeln auf ihre Züge. Schon besser…, dachte er bei sich, ehe er aufsah, weil nun auch die anderen hinterher kamen. Shippô, dessen kleine Freundin, Shiori und Tián, Yutaka, Kohaku und Kirara – letztere wieder in kleiner Form. Nur eine fehlte. Und InuYasha glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, als er einen kleinen Funken Sorge in dem Tonfall vernahm, mit dem Sesshômaru nun den Namen der Vermissten aussprach: „Natsu…“ Auch Kirin legte für einen Sekundenbruchteil den Kopf schief, ließ sich aber ansonsten nicht anmerken, dass er sich langsam Gedanken über das Verhalten des Inuyôkai machte. „Yutaka! Wo ist sie?“, wollte er wissen. Der Pferdedämon sah ihn an. „Auf der Lichtung da hinten. Ich habe sie hergetragen, aber sie ist schwer verletzt. Sie kann aus eigener Kraft nicht aufstehen“, berichtete er sachlich und auch er warf einen augenaufschlagkurzen Seitenblick zu Sesshômaru hinüber. Dessen Gesicht hätte aus Stein gemeißelt sein können, aber der Hundedämon wusste nur zu gut, dass er soeben Bestätigung erhalten hatte: Zu mindestens die beiden hatten ihn durchschaut. Aber das musste ja noch lange nicht heißen, dass er ihrer Ahnung Folge leisten musste. Wortlos machte er sich auf den Weg. Der Rest schloss sich ihm sofort an. Die Lichtung war nicht schwer zu finden. Umrahmt von einer Ansammlung Findlinge, die fast einen Kreis bildeten, lag sie geschützt im tiefsten Dickicht. Vor Kopf, an einem der Findlinge lehnte tatsächlich Natsu, hielt die Augen geschlossen, ihre Schultern und Gesichtszüge wirkten verkrampft. Von ihrer Umgebung schien sie nichts mitzubekommen. Fast gleichzeitig witterten InuYasha und Sesshômaru und ersterer zog scharf die Luft ein. Letzterer hatte sich besser im Griff, aber auch er hatte es natürlich gerochen. Zu dem schweren Blutgeruch, der von Natsu ausging, war der ekelhaft süße Gestank von Wundsekret gekommen. Ihre Verletzungen waren auf dem besten Weg sich zu entzünden. Und ehe das bei einem Dämon vorkam, musste er sehr schwer verletzt sein. Sesshômaru erinnerte sich daran, dass das nicht einmal der Fall gewesen war, als InuYashas Windnarbe ihn getroffen hatte, wohl aber bei der Sache mit seinem Arm. Mochte Tensaiga ihn beschützt haben, auch bei der Sache mit dem Kaze no Kizu war er reichlich schwer verwundet gewesen. Die gegenwärtige Situation war also alles andere als gut. Er bemerkte kaum, dass der Rest sich wieder niedergelassen hatte und InuYasha im Flüsterton mit Kagome darüber diskutierte, ob die seine Wunden versorgen dürfe oder nicht. Da riss ihn etwas aus seinen Gedanken , auch die restliche Gruppe wurde von dem leisen Stöhnen aufgeschreckt. Es war schnell klar, von wem es kam. Natsu. Die Yôkai wand sich etwas hin und her, ohne die Augen zu öffnen. „Hat sie Fieber?“ Die leise Frage war von Kagome vermutlich an niemand bestimmten gerichtet gewesen, aber Kirin antwortete trotzdem: „Scheint so. Und das ist gar nicht gut“ „Warum? Fieber ist doch eigentlich ein Schutz für den Körper“, wandte Kagome ein. „Nicht bei Dämonen. Selbst bei mir wäre es ein Zeichen von großer Gefahr“, mischte sich InuYasha ein. Die junge Miko zog eine Grimasse. Für einen Moment sah es so aus, als wollte sie aufstehen, dann setzte sie sich mit einem kurzen Blick auf Sesshômaru wieder hin. „Was ist?“ InuYashas Stimme war so leise, dass sie ihn kaum verstehen konnte, obwohl er ganz nah an ihrem Ohr sprach. Offensichtlich sollte Sesshômaru seine Nachfrage nicht hören. „Ich überlege, ob ich nach ihr schauen soll. Aber ich glaube kaum, dass er das gut findet. Von wegen Stolz der Dämonen und menschliche Hilfe und so…“, antwortete sie ebenso leise wispernd. „Tu es!“, befahl eine harsche Stimme, noch ehe InuYasha überhaupt reagieren konnte. Sesshômaru hatte sie also doch gehört. „Keh! Seine Ohren sind eindeutig zu gut“, brummte InuYasha diesmal klar verständlich, sagte aber nichts mehr, als die junge Miko sich daraufhin erhob und sich Natsu näherte. Selbst sie konnte erkennen, dass es der jungen Yôkai nicht gut ging, aber das Bild, dass sich ihr bot, als sie näher kam, erschreckte sie doch. Der Lederharnisch und die Hakama der RaionYôkai waren vollkommen zerfetzt und in die Beine hatten sich tiefe Wunden gegraben, die nicht nur heftig bluteten, sondern auch schon zu eitern begannen. Wenn schon Fieber kein gutes Zeichen bei Dämonen war, was bedeutete dann erst eine handfeste Entzündung? Sie wollte es lieber gar nicht wissen. Stattdessen sah sie wieder auf. „Kohaku!“ „Ja?“ Der junge Dämonenjäger reagierte sofort. „Bist du heftig verletzt?“ Er schüttelte etwas den Kopf, zeigte dann auf die kleine Platzwunde auf seiner Stirn. „Das ist das einzige. Kirara ist gut im Ausweichen“, gab er schlicht zurück. Er ahnte schon, warum die junge Miko das wissen wollte. „Dann schnapp sie dir und sucht das nächste Dorf. Wir brauchen Verbandszeug und das nicht gerade wenig. Und vielleicht ein paar Kräuter zur Wundheilung, auch wenn ich nicht weiß, ob die bei Dämonen helfen“, trug Kagome ihm auch sogleich auf. Der junge Taijiya wartete gerade noch ab, bis Kirara sich verwandelt hatte, ehe er mit seiner vierbeinigen Gefährtin loszog. Kagome wusste, dass er sein Bestes tun würde. Also wandte sie sich wieder der fiebernden Dämonin zu. Die Wunden bluten immer noch… irgendwie muss ich das abbinden… aber ich hab‘ nichts… obwohl… Ihr Blick war auf das meeresgrüne Tuch gefallen, dass Natsu um die Hüfte geschlungen hatte. Aber da hing das Schwert drin. Vorsichtig streckte sie die Hand danach aus, berührte die Schwertscheide. Keine Zurückweisung. Obwohl sie eine Miko war und das dort ein dämonisches Schwert wehrte es sich nicht. Etwas verwundert, aber mit einer schnellen Bewegung zog sie das Schwert aus dem Tuch, legte es direkt neben Natsu wieder ab, damit die es beim Aufwachen in ihrer Nähe wusste. Dann lockerte sie vorsichtig das Tuch. Allerdings bemerkte sie bald, dass dadurch auch der Haori lockerer fiel, wohl durch das Tuch mit zusammengehalten worden war. Aber ohne das Tuch zum Abbinden konnte es für die Yôkai noch gefährlicher werden, als ohnehin schon. Die junge Miko hob wieder den Kopf, sah sich um. Sesshômaru hatte sich an einen Findling gegenüber gesetzt, ein Bein ausgestreckt, das andere angewinkelt, die Augen geschlossen. Seine übliche Haltung, soweit sie das beurteilen konnte. Der Rest lagerte noch ebenso, wie vor zwei Minuten. „Alles was männlich ist, verzieht sich bitte!“, sagte Kagome und es klang weniger nach einer Bitte, als nach einem Befehl. Wortlos wandte Yutaka sich um, verließ, gefolgt von Kirin, als erster die Lichtung. InuYasha zuckte kurz mit den Ohren, murmelte sein übliches „Keh!“ vor sich hin, ehe auch er tat, wie ihm befohlen. Er kannte das reizbare Temperament seiner Freundin nur zu gut und wollte im Moment wirklich nichts provozieren. Er war erschöpft und verletzt und außerdem musste er sich vor seinem Bruder nicht noch extra blamieren, also gehorchte er lieber. Tián schloss sich ihm an. „Shippô, du auch!“, setzte Kagome nach. Der kleine Kitsune sah sie entrüstet an. „Aber ich bin doch noch ein Kind!“, protestierte er, durchaus verstehend, warum Kagome die anderen weggeschickt hatte. „Ach plötzlich. – Trotzdem, Shippô! Abflug“ Der junge Fuchsdämon verschränkte trotzig die Arme vor der Brust und rührte sich nicht von der Stelle – bis jemand ihn von der Seite schubste. Gerade noch auf den Beinen bleibend wandte Shippô sich sauer um. Kyoko stand da vor ihm, die türkisfarbenen Augen funkelten. „Auf geht’s! Oder soll die Frau verbluten, die gestern dein Schlaflied gespielt hat?“, fragte sie stichelnd. Murrend und ohne eine verständliche Antwort wandte Shippô sich ab und beeilte sich nun, die anderen wieder einzuholen. Kagomes Blick fiel derweil auf Sesshômaru. Er sah noch immer reglos am anderen Ende der kleinen Lichtung und machte keine Anstalten, ihrer Aufforderung Folge zu leisten. So wie er dasaß, hätte man denken können, er schlafe tief und fest – wenn man es nicht besser wusste. „Sesshômaru, würdest du bitte…“, versuchte Kagome es noch einmal, aber da sie keine Antwort bekam, gab sie es auf. Auch wenn sie normalerweise keinen Disput mit dem Hundedämon scheute und selten Respekt zeigte, so wusste sie doch, dass sie ihm schlecht etwas befehlen konnte. Wenn er da sitzen bleiben wollte, würde er das tun. Egal, was sie hier hantierte. Kopfschüttelnd wandte Kagome sich wieder Natsu zu, öffnete das Tuch nun vollends und zog den Haori rasch wieder so zu Recht, dass er möglichst viel bedeckte. Unter dem dünnen Unterkimono darunter zeichnete sich sonst eindeutig zu viel ab. Jetzt aber kam der schwierigere Teil. Zwar war die Hakama sowieso schon vollkommen zerfetzt, aber an einigen Stellen hing sie noch so sehr zusammen, dass man nicht richtig an die Wunden heranreichte. Kurzerhand packte Kagome zwei der Risse und zog sie gegeneinander, aber es gelang ihr nicht, dass noch heile Stück zu durchtrennen. Dieser Stoff war sehr robust, obwohl er so leicht wirkte. „Hat jemand einen kleinen Dolch oder so etwas?“ Das war zwar schwieriger als mit einer Schere, aber eine Schere hatte sie hier eben nicht. „Tián hat einen. Warte kurz“ Ehe Kagome reagieren konnte, war Shiori aufgesprungen und in die Richtung davongeeilt, die der männliche Teil der Gruppe genommen hatte. Keine Minute später kehrte sie mit einer kleinen, rötlichschwarzen Waffenscheide zurück, aus der der dunkelgraue Griff eines Aikuchi lugte. Sie übergab es Kagome, ehe sie sich neben der jungen Miko hinkniete. „Kann ich helfen?“, wollte sie wissen. „Ja. Schau mal, ob das andere Bein genauso schwer verletzt ist und ob die Wunden noch bluten“, bat Kagome, ehe sie vorsichtig nach Tiáns Kampfmesser fasste und es aus seiner Scheide zog. Die Klinge war rasiermesserscharf, dass konnte selbst sie erkennen, ohne großartig Ahnung von Waffen zu haben. Sie würde vorsichtig sein müssen, wollte sie Natsu nicht noch mehr verletzen. Behutsam begann sie die noch zusammenhängenden Stellen an der Seite der Hakama aufzutrennen. Als sie fertig war, reichte sie das Aikuchi weiter an Shiori, die inzwischen festgestellt hatte, dass die linke Seite ebenso schlimm, wenn nicht noch schlimmer aussah. Auch Kagome verzog das Gesicht, als sie nun die gesamte Bescherung freilegte. Jeder Mensch wäre längst zu Grunde gegangen und auch die Dämonin hatte hart zu kämpfen, sonst würde sie kaum fiebern. Langsam winkelte Kagome das eine Bein der jungen Yôkai etwas an, um das Tuch darunter durchschieben zu können und drückte es dann wieder zurück auf den Boden. Natsu schien es in ihrem Delirium nicht einmal zu bemerken. Dann band Kagome das Tuch fest zusammen. Nicht prompt, aber langsam ließ die Blutung ein wenig nach, sickerte der für Natsu nun mehr als wertvolle, rote Saft nur noch spärlich aus den Wunden. Zu mindestens auf der einen Seite. Die andere Seite war noch immer genauso wenig behandelt, wie zuvor. Und etwas anderes zum Abbinden hatten sie nicht. Es sei denn… Selbst Kagome zögerte, als sie erneut aufsah. „Sesshômaru…?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)