Alice's Return To Wonderland von NamiHeartphilia (- The Nightmare Goes On -) ================================================================================ Kapitel 5: Through the window ----------------------------- Kopfschmerzen. Kälte. „Du bist sowas von bescheuert, weißt du das?!" Jemand riss sie mit. Eine Höhle. „Argos?“ Allein gelassen. Gefahr. „Sinsira?“ Alice riss die Augen auf. Dann brauchte sie eine Weile, um sich daran zu erinnern, was in der Nacht passiert war. Als die Erinnerungen aber endlich ankamen, wünschte sie sich, sie hätte einfach weitergeschlafen. Die Nacht war der größte Alptraum seit langem gewesen und wenn der Hutmacher sie nicht da rausgeholt hätte, wäre sie wohl der Zerstörung verfallen. Seltsam war es jedoch, dass sie überhaupt etwas gefühlt hatte. Immerhin konnte sie mittlerweile nur wenig Positives fühlen. Die Angst und die Verzweiflung waren aber präsent gewesen. Und dann dieser andere Traum. Eine schwindelerregende Collage aus Gedanken und Bildern. „Sinsira?“ Sie fuhr herum. //Hatte der Hutmacher gerade den Namen aus dem Traum erwähnt?// „Was hast du gesagt?!“, rief sie und er sah sie erstaunt an: „Ich fragte den Julihasen ‚Sin’se hier, ja?‘ und damit meinte ich die Teetassen. Was hast du denn verstanden, meine Liebe?“ „Ach nichts.“, schüttelte sie den Kopf, der immer noch dröhnte. //Wahrscheinlich bin ich noch im Halbschlaf. Seltsam ist das. Völlig unlogisch alles … Aber gut, ist ja auch nichts Neues.//, dachte sie, während sie ihre Stiefel schnürte. Jemand hatte sie aus dem Zimmer geholt und runtergebracht. Das Mädchen hatte den Rest der Nacht in einem Sessel eingekuschelt verbracht, nachdem MadHatter es aus dem Chaos gerettet hatte. Ein weiterer Punkt, den es nicht verstand. Warum wurde es von einer Kreatur des Wunderlands gerettet? Es hatte sich doch in der Nacht zusammen mit der sonst so vertrauten Dunkelheit gegen Alice verschworen. //Egal. Auch wenn mich dieser komische Typ rausgeholt hat, ist das noch lange kein Grund, ihm zu vertrauen. Am besten ich mach mich vom Acker. Das Haus ist irre.// Da sie praktischerweise weder Hunger noch Durst verspürte, beschloss sie sich heimlich davonzustehlen, bevor einer der Hausbesitzer etwas merken würden. „Warum denn so eilig, meine Dame?“ Dieser Hutmacher konnte scheinbar Gedanken lesen. „Ich äh …“, fing sie zuerst stotternd an, gewann aber dann sogleich ihre Selbstsicherheit wieder. „Ich muss nun gehen. Vielen Dank für die Gastfreundschaft und … ich weiß nicht, ob das üblich ist, aber könntest du BITTE aufhören, an mir zu schnüffeln!“ Der Hutmacher schien einen sonderbaren Fetisch zu haben, was Gerüche anging, denn er war während des kurzen Gesprächs erstaunlich nahe gekommen und das Mädchen hatte das Gefühl, er versuchte ihren Duft zu absorbieren. „Verzeihung … ich bin jedes Mal einfach nur hin und weg.“, sagte er in höflichem Ton, was man bei seinem Aussehen zunächst nicht vermuten würde. „Wie auch immer, ich gehe jetzt.“, entgegnete Alice schroff und verließ das Haus, wobei der Hutmacher ihr folgte und an der Türschwelle stehen blieb. //Tja und wohin nun?// Der Gedanke tauchte zwar auf, war aber auch gleich wieder unwichtig, weil man aus einem der Sträucher plötzlich ein ‚Nanananaaa nanana …‘ vernahm und kurz darauf das bösartige Kaninchen seine fiese Fratze herausstreckte. „Gleich hab ich dich!“, stieß die Braunhaarige aus und wollte dem kleinen Ungeheuer schon folgen, als MadHatter fragte: „Warum verfolgst du das, wovor du eigentlich immer wegrennst?“ Nach ein paar Schritten blieb sie abrupt stehen. //Was …?// Eigentlich wollte sie etwas antworten, aber als sie sich umdrehte, war das Haus schon sehr weit entfernt. //Aber … ich bin doch nur ein paar Schritte gegangen …// Nun war hatte sie das Haus und das Kaninchen aus den Augen verloren, was sie insgesamt sehr verärgerte. „Also langsam … hab‘ ich echt keinen Bock mehr! Das ist ja unglaublich …“ Mit diesem Ausruf und weiteren Beschwerden schlug sie irgendeine Richtung ein, um den Wald, der unendlich riesig schien, zu verlassen. „Mwahha~ weißt du, was unglaublich ist?“ Das Raubtiergrinsen erschien wieder und diesmal unangenehm nahe an Alices Gesicht. Dieses Tier konnte manchmal lästig werden. Damals hatte es sie im Zusammenhang mit der Herzkönigin in Schwierigkeiten gebracht und seine scharfen Zähne und Klauen machten auch keinen sehr freundlichen Eindruck. „Was denn …?“, fragte sie zurück, während der Kater wieder langsam erschien. „Iiiich kenne da eine Frau, weißt du was sie tut? Sie wohnt in einem mehrstöckigen Haus mit vieeelen Türen und trotzdem verlässt sie das Haus durch das Fenster!“ „Durch das Fenster …? Alles klar.“, erwiderte sie und dachte sich dabei: //Dein Hirn hat deinen Kopf wohl auch durch ein Fenster verlassen, wie es scheint.“ „Ohh jaaa~ mwhahaa~ und jedes Mal stürzt sie sich in den Tod, aber es ist ihr völlig egaaaaaaal!“ Das Tier saß nun mit seinem aufgeschraubten extremen Grinsen da. „Genau. Vor allem ‚jedes Mal‘ haha. Bestimmt.“ So eine schwachsinnige Geschichte kam auch nur Cheshire Cat in den Sinn. „Ach … du tust nur so, als ob du tust, als würdest du mir glauben, was an sich unnötig ist, weil es dasselbe ist, wenn du gar nicht so tust und wenn du so tust, als ob du nur so tust!“ Nach diesem Satz war die Verwirrung perfekt. „Sag mal, wo nehmt ihr alle diese extrem seltsamen Sätze her? Das erinnert mich so an dieses komische Gerede der Herzogin … Irgendwas mit ‚scheinen‘ – da habe ich ja auch gar nichts verstanden!“, beschwerte sich das Mädchen und der Kater grinste immer weiter. „Jaaaaaa, ich weiß schon: ‚Glaube ja nicht, wen du vor dir hast, sonst scheinst du, was du bist, oder du scheinst, was du glaubst, wen du vor dir hast.‘ Das hatte sie gemeint!“ „Ähm … genau. Es lag mir quasi auf der Zunge.“, bemerkte Alice spitz und machte Anstalten weiterzugehen. „Sieh doch selbst! … Daaaaaa steht sie!“, rief Cheshire Cat und umkreiste sie einmal mit geschmeidigen Bewegungen und schnurrte. Tatsächlich spähte sie durch die Bäume hindurch und bemerkte ein mehrstöckiges Haus, das an sich sehr einfach gebaut und von einigen Dornenhecken umgeben war. Als sie sich ihm näherte, erkannte sie eine Frauenfigur am Fenster des vierten Stockwerks. Diese war recht zierlich, machte jedoch einen äußerst selbstsicheren Eindruck. Der Wind spielte mit dem dunkelblauen, weiten Kleid und wehte ihr die langen blonden Locken aus dem Gesicht, dessen eindrucksvollstes Merkmal wohl die lila Augen waren. Entspannt blickte sie in die Weite und tat einen Schritt nach vorn … Reflexartig drehte sich Alice weg, weil sie wusste, die Frau würde fallen, was auch in der Tat auch geschah. Das Geräusch war nicht gerade prickelnd. //Uh. Die hat sich bestimmt so einiges gebrochen …//, dachte das Mädchen und verzog das Gesicht. „Wer bist du denn?“, hörte es dann auf einmal. Es war eine helle, sanfte Stimme und sie kam von niemand anders als der Frau, die eben aus dem vierten Stockwerk gestürzt war. Blut und Wunden, die sie nun zierten, verschwanden in Sekundenschnelle, was Alice erneut aus der Fassung brachte. „Wie … Sie … aber … Müssten Sie nicht tot sein?“ „Wer behauptet das?“, lächelte die Frau, die bereits keinerlei Verletzungen aufwies. „Warum … verlassen Sie Ihr Haus durch das Fenster?“ „Warum nicht? Ich muss ja nicht immer das tun, was andere tun.“ Ihre Augen funkelten wie zwei Edelsteine. „Es ist mir egal, dass ich dabei stürze. Ich tu das, was ich will. Damit erreicht man so Einiges, weißt du. Aber ich sehe schon, wir sind da wohl verschieden, oder?“ „Naja … ich denke schon.“, erwiderte Alice nachdenklich. „Sieh mal her ... ich zeige dir eine Geschichte.“ Die Frau legte ihr die Hände über die Augen und es wurde dunkel … + Zögernd setzte das kleine Ding einen nackten Fuß vor den anderen und bei jedem Schritt kam erneut die Kälte die zarte Haut entlang gekrochen. Bald würde das Mädchen vor Kälte nichts mehr fühlen, aber dennoch watete es weiter durch das Nass und den Schlamm. Hinzu kam die Dunkelheit, die das Klopfen des Herzens vorantrieb, sodass es alles andere übertönte. Das zerzauste Haar, einst goldene Locken, musste beim Umherirren andauernd aus dem beschmutzten Gesicht gestrichen werden. Die Hoffnung, das Ziel sei nahe, jagte die Kleine durch die Nacht und schenkte kein Erbarmen. Keuchend erreichte sie einen kleinen Hügel und war erst einmal froh, wieder auf dem Trockenen zu sein. Ihr Kleid war so gut wie durchnässt und sie fror umso mehr, als der kalte Wind sich erhob. Zitternd sah es sich um. War dies nicht der Ort? ... Das Mädchen suchte schon länger nach dem einzigartigen Licht, das aus der Ferne nach ihr rief. Es schwankte leicht und ließ sich auf die kahle Erde nieder. Lautlos wiederholten die schmalen Lippen Worte, sowie die bleichen Ärmchen Gesten, die den Eindruck verschafften, die Kleine sei in einem Zustand des Wahnes. "Wo bist du? ... Du bist ganz nah - ich weiß es ..." Als sie aus ihrem Bett gestiegen war, hatte sie ihn gesehen, in seiner vollen Pracht. Wo war er jetzt? Sie war so weit gelaufen. Er musste hier sein. Die schweren Wolken verzogen sich langsam und ein zunächst spärlicher Lichtstrahl fiel auf die kleine dürre Gestalt. "Du ... bist es ..." Doch statt der Erleichterung und Freude, die das Mädchen hätte verspüren sollen, füllten sich seine Augen plötzlich mit bittersten Tränen, die heiß und unaufhörlich an den kalten Wangen herunter zu rinnen begannen. Die Finger in die Erde gegraben starrte es hinauf in den Himmel, an dem der Mond von den vielen Sternen bewundert thronte. "So ein weiter Weg ... und ich bin kein Stück näher.", wisperte das Mädchen und schüttelte im Zuge des Anfalls hysterisch den Kopf. "Du bist zu weit weg ..." + Mit einem Mal war es wieder hell und Alice hatte immer noch Gänsehaut. Die ganze Geschichte hatte sie so miterlebt, als steckte sie in der Haut der Hauptfigur. „Und jetzt sage mir, wie würdest du an Stelle des Mädchens tun?“, fragte die Frau herausfordernd. „Ich denke, ich … würde ganz einfach aufgeben. Was kann man denn noch tun?“, kam als Antwort. „Weißt du, was ich tun würde? Ich würde eine Leiter nehmen und versuchen den Mond zu erreichen!“ Diese Aussage brachte Alice zum Lachen: „Das ist doch Blödsinn. Wie soll man denn den Mond mit einer Leiter erreichen? Das funktioniert doch nie!“ „Und wenn schon – aber wenigstens weißt du, dass DU alles versucht hast und es nicht deine Schuld ist, dass etwas nicht klappt. Der Wille und der Versuch zählen.“ Das Mädchen kam langsam wirklich ins Grübeln. Während sie die Frau eingehend betrachtete, fiel ihr das Zeichen auf deren Hals auf: XI – Die Kraft. © Nami, 2007 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)