過去と現在 Kako to ima - Vergangenheit und Gegenwart von Sora-nee (Historische Liebesromanze) ================================================================================ Prolog: 序文 Jabun ---------------- 1873 - Tagebuch Drei Jahre sind nun vergangen, seit ich dieses Buch gefunden hatte. Es ist viel passiert seitdem und es fällt mir schwer, es erneut in die Hand zu nehmen. Ich erinnere mich noch genau, an den Tag, an dem ich es gefunden hatte. Es war ein kalter Tag, an dem es unaufhörlich schneite und es war meine Schuld, dass es überhaupt dazu gekommen war. Ich will meine Geschichte niederschreiben und für die Nachwelt festhalten, da ich zu feige bin, meine Fehler zu gestehen, oder dafür zu bezahlen, niemand ausser mir weiss, was an diesem Tag wirklich passierte, denn das Tagebuch, welches mit Blut befleckt im Schnee lag, habe ich an mich genommen und niemandem gezeigt. Dies ist die letzte Seite des Buchs, ich will von vorne anfangen und alles erklären, in der Hoffnung, dass ich so meine Seele bereinigen kann. Am 16. Januar 1870, beging ich wahrscheinlich den grössten Fehler meines Lebens, ein Fehler, der mich immer noch verfolgt, da mich das Gefühl der Schuld auffrisst, Stück für Stück holt es sich meine Seele und ich weiss, dass ich dass ich dafür in der Hölle schmoren werde. Es ist nich leicht für mich dies zuzugeben und niederzuschreiben, doch will ich auf diese Weise versuchen mein Gewissen zu bereinigen, mir selbst Klarheit zu verschaffen und vor allem um Verzeihung bitten, auch wenn ich weiss, dass es dafür schon lange zu spät ist. Einen Tag vorher besuchte ich das Herrenhaus des Vizeaussenministers, weil ich beauftragt wurde den Sohn eines Offiziers zu suchen, der im Boshinkrieg vermisst wurde. Durch meine Recherge führte mich die Spur schliesslich zu Hiroki Kusaka, dem Vizeaussenminister. Er stritt alles ab und behauptete von nichts zu wissen, doch ich erinnerte mich, dass er damals – kurz vor der entscheidenen Schlacht – aus England zurückgekehrt war und allen voran das Schlachtfeld stürmte, nachdem der Bombenhagel aufgehört hatte. Er suchte jemanden, das wusste ich, denn schliesslich hatte ich ihn erwischt. Dafür hasste ich ihn, dass er es noch geschafft hat diese Position in der Regierung zu ergattern, ich hasste ihn für alles! Wieso stand er nur in solcher Gunst? Meine Gedanken schweifen ständig ab, weil sich dieses Gefühl tief in mir festgesetzt hat, wie ein Anker der sich an einem Riff verkeilt und so das Schiff am Vorrankommen hindert. Meine Untersuchung im Herrenhaus blieb ergebnislos, aber ich wollte nicht aufgeben, also durchstreifte ich den Garten, der meiner Meinung nach ohnehin viel zu gross war, für dieses Haus und dann fand ich es. Das kleine Gästehaus, mit vergitterten Fenstern glich es beinahe einem Gefängnis. Natürlich drängte sich mir die Frage auf, was Kusaka dort drin verbarg. Da die Tür nicht verschlossen war, schlich ich hinein und konnte meinen Augen kaum trauen, welches Bild sich mir hier offenbahrte. Der Schock sass tief, ich glaubte mein Herz würde stehen bleiben, mein Atem stockte und ich war für einige Sekunden erstarrt, unfähig mich zu bewegen, oder von dem >Bild des Grauens< abzuwenden. Nachdem ich meine Fassung zurückerlangt hatte, rannte ich, rannte weit fort von dem Ort und beschloss diesem Verräter eine gehörige Lektion zu erteilen. Die Wut kochte in mir, ich konnte es einfach nicht glauben, dass er es geschafft hatte diesen Mann so lange zu verstecken. Keiichi Akizuki, ein Samurai des Shogunats, unser Feind! Zitternd und ausser Atem versteckte ich mich im Wald auf dem Grundstück, so dass ich das Gebäude im Blick hatte, ich wartete, dass Kusaka es verlassen würde, denn ich hatte einen Plan. Allerdings war ich mir des Ausmasses meiner Tat nicht bewusst und kehrte zu dem Haus zurück, nachdem der Kriegsverbrecher Akizuki alleine war. Er war schockiert mich zu sehen, doch sagte er kein Wort, ich war zu blind um zu sehen, was in ihm vorging, meine eigene Wut hat mich blind gemacht, wie ein Pferd das mit Scheuklappen durch die Strassen geführt wurde. Ich sah nur das, was ich sehen wollte und das war mein Fehler, ein Fehler, der nie wieder und mit nichts wieder gut zu machen ist. Ich gab ihm ein Messer und wusste, dass er es zu Ende bringen würde, der Tradition entsprechend, durch Seppuku, sofern er noch ein bisschen Samuraistolz besass. Seppuku ist keine schöne Art zu sterben, doch kann man dadurch seine Ehre, oder zumindest die seiner Familie wiederherstellen, da Akizuki ohnehin sein Gesicht verloren hatte, blieb ihm eigentlich keine andere Wahl. Er war ein Verräter und seine Existenz verboten, der Rest seines Clans verrotete im Gefängnis. Danach verliess ich ihn und war mir ziemlich sicher, dass er das Messer nutzen würde und das Ritual durchführen würde, bei dem man die Klinge mit Papier umhüllt und sie sich anschliessend unterhalb des Bauchnabels in den Bauch stösst, von links nach rechts zieht mit einer abschliessenden Aufwärtsbewegung. Eine gruselige Vorstellung, doch gab es viele Samurai, die dieses Ritual durchführten, um die Ehre ihrer Familie wiederherzustellen. Doch eigentlich war es verboten worden, nachdem Krieg also 1868, als Edo zu Tokyo wurde. Das hinderte mich aber nicht daran diesen Mann, dem ohnehin sein rechtes Bein fehlte und er wie in einem Gefängnis lebte, dazu anzustacheln. Ich wollte dass dieser Verräter starb, dafür büsste, was er und sein Clan getan hatten und gleichzeitig wollte ich Kusaka eine Lektion erteilen, doch wusste ich nichts von dem Ausmass ihrer tatsächlichen Gefühle. Unwissend und blind, anders kann ich das nicht bezeichnen. Meine Hand zittert während ich versuche diese Zeilen zu schreiben, ein dicker Knoten schnürt mir die Brust ab, da mich mein Fehler wohl bis zu meinem eigenen Ende verfolgen wird. Einen Tag später kam ich zurück, in Begleitung der Armee, wir durchsuchten das Herrenhaus und fanden natürlich nichts, aber von dem Gästehaus erzählte ich auch nichts, denn ich war mir sicher, dass Akizuki es alleine tun würde. Kusaka stürmte herbei, offenbar hatte ihn seine Amme benachrichtigt und er schlug mich nieder, nachdem ich ihm erzählte dass ich bei seinem Geliebten gewesen bin, danach rannte er in den Wald zurück. Offenbar wollte er ihn suchen, wohl um ihn davon ab zubringen. In diesem Moment fühlte ich mich einfach nur gut, eine Welle der Euphorie durchströmte meinen Körper, da ich mir sicher war, mein Ziel erreicht zu haben. Nachdem die Armee das Haus wieder verlassen hatte, blieb ich allein zurück, langam mit einem Glücksgefühl, das mit der ersten Liebe zu vergleichen ist, schritt ich durch den Schnee zurück zum Gästehaus. Es schneite immer noch und dort fand ich eine Spur, sie sah aus, als wär etwas durch den Schnee geschleift worden und in dieser Spur fand ich Fussspuren, die wohl von Kusaka stammten, der Akizuki – der sich wohl durch den Schnee geschleppt hatte, da ihm ein Bein fehlte – verfolgte. Auch ich folgte der Spur und erreichte nach einer Weile mein Ziel, doch das Bild, das sich mir dort bot, war ein anderes, als das, was ich erwartet hatte. Das war nicht das was ich wollte, auch wenn ich nach aussen immer kalt wirkte, so spürte ich in diesem Moment wie sich meine Innereien regelrecht verknoteten. Keiichi Akizuki lag im Schnee, er selbst war voller Blut und der Schnee um ihn herum hatte sich rot gefärbt, was mir sagte, dass er das Ritual durchgezogen hatte. Doch Hiroki Kusaka lag halb auf ihm, wobei er einen Arm unter ihm hatte, so als würde er ihn festhalten, auch sein Körper war voller Blut und es hatte sich schon ein Schneehaufen auf ihnen gebildet. Er war ihm also in den Tod gefolgt! Ich wollte ihm eine Lektion erteilen, ihn fertig machen, weil er unrechtmässig diese wichtige Position erhalten hatte, doch das wollte ich nicht. Trotz allem war dieses Bild friedlich, sie sahen beide sehr zufrieden aus. Eine ganze Weile stand ich reglos im Schnee und beobachtete wie der Wind ihre Haare zum Wehen brachte, ehe ich mich wieder fasste und mich den beiden näherte. Ich wusste, dass jede Hilfe zu spät kam, wenn sie Seppuku begangen hatten, gab es nichts, was sie hätte retten können, selbst wenn ich zugesehen hätte, die waren Verletzung einfach zu gross. Als ich mich den Leichen näherte, fiel mein Blick auf eine Mulde im Schnee neben ihnen, dort lag aufgeschlagen dieses Buch, Blut war auf den Seiten. Ich hob es auf und betrachtete es mir, als ich erkannte, dass es ein Tagebuch war, wollte ich es eigentlich zuerst verbrennen, da der Verfasser dieses Buches der Verräter Keiichi Akizuki war, aber meine Neugier war geweckt und ich konnte nicht anders, als es einzustecken und es später zu lesen. Ich lies die Leichen von der Armee abtransportieren und erwähnte das Tagebuch mit keiner Silbe, die Amme des Herrenhauses war mit den Nerven am Ende und brach in Tränen aus, als sie vom Tod ihres Herrn erfuhr. Bei näherer Befragung stellte sich heraus, dass sie die ganze Zeit über Bescheid gewusst hatte, dass Kusaka Akizuki im Gästehaus versteckt gehalten hatte, über zwei Jahre lang. Mir war das alles gleich, auch wenn es nicht ganz nach meiner Vorstellung verlaufen war, so konnte ich doch zufrieden sein. Wie sehr ich mich doch irrte! Nachdem ich das Buch anfing zu lesen, konnte ich nicht mehr damit aufhören, es riss mich mit, zog mich in seinen Bann, ich hatte keine Ahnung, dass man so tiefe Gefühle empfinden kann. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, wie falsch ich lag, wie falsch meine Ansichten waren und die Öffnung des Landes, die nun nach dem Krieg ohnehin stattgefunden hatte, die Richtige Entscheidung gewesen wär. Doch gehörte ich dem Clan der Gegner an, der Ausländervertreibung! Ich führte meine Befehle aus und war blind für was neues, ich verriet meinen Kameraden und gönnte ihm nichts, dafür muss ich nun gerade stehen. Auch wenn ich niemandem von meinem Geheimnis erzählen kann, so schreibe ich es wenigstens auf. Die beiden wollten einfach nur zusammen sein und das waren sie nun hoffentlich auch. Vielleicht würden sie sich ja in einem anderen Leben wieder begegnen und dann endlich glücklich zusammen sein können. Wenn ich nur darüber nachdenke, wie starrsinnig und dumm ich gewesen bin, verspüre ich einen dicken Kloss in meinem Hals, der mir die Luft zum atmen nimmt und etwas in mir auslöst, was ich nur selten zulasse. Tränen! Ich habe doch nur meine Befehle ausgeführt und versucht meinen eigenen Nutzen daraus zu ziehen, wie es wohl jeder getan hätte, doch die Zeilen des Buches haben mich eines besseren belehrt. Ich verlor meine Verlobte, getötet von den Samurai des Shogunats. Dieses Ereignis brachte die Wende in meinem Leben und schickte mich durch die Hölle, doch wusste ich nicht, dass auch Kusaka und Akizuki ihre eigene Hölle durchlebt hatten. Dies merkte ich erst, als ich das Buch gelesen hatte. Ich muss aufpassen, wenn die Tinte verwischt kann man nicht mehr lesen, was ich schreibe, weil ich schon wieder so von meinen Gefühlen überwältigt werde, wie es von mir eigentlich nicht kenne. Ich habe mir geschworen kein Schwert mehr anzurühren und habe den Titel als Samurai niedergelegt, das soll meine Busse sein, auch wenn ich eigentlich selbst das Seppuku Ritual durchführen müsste, bin ich doch zu feige dazu meinem Leben einfach ein Ende zu setzen. Mir bleibt wohl nur noch zu hoffen, dass die beiden sich eines Tages in einem anderen Leben – auch wenn ich nicht daran glaube – wieder treffem und glücklich sein können. Selbst wenn ich nichts von derartigen Beziehungen halte, so kann weiss ich, dass man gegen Gefühle nichts tun kann und nach dem was ich alles gelesen habe in diesem Tagebuch, weiss ich dass ihre Liebe zueinander nicht hätte inniger sein können. Ihre Gefühle waren echt und deswegen bereue ich meine Tat so sehr, obwohl Akuzuki selbst auch schon nicht mehr leben wollte, da er in Schande lebte und das nicht für ihn sprach. Er war definitiv ein stolzer Samurai und hatte mich einst auch gerettet. Ich habe ihm nie dafür gedankt, weil es mir egal war, er war vom Feind, aber Kusaka sah das etwas anders. Ich hätte ihm wenigstens danken sollen, nachdem Kusaka mich hinderte mein Schwert zu ziehen, zerschnitt Akizuki den Zaun, der uns den Weg versperrte und ich hatte nichts anderes im Sinn, als gegen ihn zu kämpfen. Jetzt im Nachhinein ist es leicht zu sagen, >Vielen Dank für damals!< oder >Es tut mir leid, ich bereue meinen Fehler, bitte verzeiht mir!< Doch wage ich zu bezweilen, dass sie es einfach als Gegeben hinnehmen würden und es so belassen würden. Auch wenn ich nichts anderes tun kann, als mich zu entschuldigen und dieses Buch aufzubewahren, bis die Zeit gekommen ist es weiterzugeben. Kusaka? Wir waren im selben Clan und teilten verschiedene Ansichten ... Jetzt weiss ich, dass ich falsch lag und du recht hattest, doch selbst wenn du nun vor mir stehen würdest, hätte ich nicht die Corrage dir das ins Gesicht zu sagen, deshalb schreibe ich es auf, in das Buch deines Geliebten. Akizuki? Es tut mir leid, dass ich dich dazu gebracht habe deinem Leben ein Ende zu setzen. Es war falsch von mir das zu sagen, du warst ein ehrenhafter Mann! Auch wenn es mir schwer fällt mir das selbst einzugestehen und ich lange dazu gebraucht habe, so fühle ich mich nun wirklich besser und irgendwie erleichtert. Ja genau, das ist das Gefühl, was ich ausser dem Zittern meiner Hand, dem Drücken auf meiner Brust, das ich anfühlt als würde ich in ein enges Korsett gezwängt werden, um jegliche Luft aus meinen Lungen hinauszupressen und dem Kloss in meinem Hals, der sich anfühlt, als könnte ich ihn einfach nicht hinunterschlucken, fühle. Erleichterung! Ein schönes Gefühl! Auch wenn ich nun wieder eine Pause machen musste, da meine Tränen sonst die Tinte ganz verwischt hätten, will ich nun noch eins sagen, ehe ich zum Abschluss komme. Kusaka? Akizuki? Ich hoffe wirklich, dass ihr euch in einem anderen Leben wieder begegnen werdet und zusammensein könnt, dies war einfach nicht eure Zeit. Ich gönne es euch nun wirklich und ich will sagen >Es tut mir leid!< Bitte verzeiht mir! Vielleicht begegnen auch wir uns in diesem anderen Leben wieder, auch wenn ich nicht daran glaube. Ich bewahre dieses Buch für euch auf und hoffe, dass es eines Tages wieder in eure Hände gelangt und ihr diese Zeilen zu lesen bekommt. Ich werde es verschliessen und weitergeben, ehe meine Zeit gekommen ist. Ich hoffe mit ganzem Herzen, dass dieses Buch eines Tages vor euren Augen liegt und dass ihr mir meinen Fehler vergeben könnt. Jetzt mache ich wirklich Schluss, sonst fällt meine lange Abwesenheit noch auf, es bleibt mein Geheimnis. Autor: Touma Aizawa, Tokyo – 18. April 1873 Kapitel 1: 手紙 Tegami - Der Brief -------------------------------- 2022 – Realität "Hey! Hey Akizuki! Schläfst du etwa schon wieder?" Eine laute Stimme drang an mein Ohr und liess mich aus dem Schlaf schrecken. Ich war tatsächlich wieder bei der Arbeit eingeschlafen! So ein Mist! Verwirrt schlug ich meine Augen auf und blickte in das grimmige Gesicht meines Vorgesetzten. Er war ein eher kleiner, untersetzter Mann mit einem dicken Schnauzbart, seine buschigen Augenbrauen hatte er zusammengezogen und hatte sich tief über über mich gebeugt – da ich am Tresen sass – seine Hände hatte er in die Hüfte gestemmt und funkelte mich missbilligend an. "Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du nicht bei der Arbeit schlafen sollst?!" Nun war ich schlagartig wach. "Es tut mir leid! Bitte verzeihen Sie, Mr. Nagasaki! Ich habe wieder so viel für das Studium lernen müssen, da doch nächste Woche Semesterprüfungen sind, weshalb ich diese Nacht kaum geschlafen habe. Es tut mir wirklich leid. Wenn das Semester vorbei ist, sind erstmal Ferien, dann bin ich auch bei der Arbeit wieder konzentrierter." Es war aber auch zum Auswachsen, die viele Lernerei und dann noch die Vorlesungen, dazu mein Teilzeitjob in diesem Buchladen. Ich hatte das Gefühl, dass ich das nicht schaffen würde und eiskalt durch die Prüfungen fallen würde, oder doch noch meinen Job verliere. Ich hatte relativ kurzes, rabenschwarzes Haar, doch waren diese etwas stufig geschnitten, so dass mir manchmal die Strähnen vorne in den Augen hingen, dazu war ich eigentlich ziemlich gross, zumindest waren die meisten Leute um mich herum immer kleiner. Meine Augen waren blau, was ziemlich ungewöhnlich war, doch konnte ich ja nichts dafür und mein Körper war schlank und ziemlich athletisch, trotzdem zeigten sich Muskeln an meinem Körper, da ich ein leidenschaftlicher Kendo-Kämpfer bin. Gerne trug ich einfache Jeans und lockere Shirts, ausser beim Kendo. Das war ein weiterer Grund, weshalb ich diesen Sport besonders mochte, weil man sich da völlig in der Zeit zurückversetzt fühlen konnte. Zwar trugen wir meistens die Schutzausrüstung, aber oftmal – vor allem ausserhalb der offiziellen Turniere – zogen wir echte Samuraikleidung an und bekämpften uns so wie vor 200 Jahren. Einmal hatten wir auch echte Schwerter dafür verwendet, aber das ging leider schief, ein Kämpfer wurde dabei schwer verletzt und verlor fast seinen Arm, weshalb wir wieder zu den Holzschwertern zurückkehrten. Diese taten zwar auch ziemlich weh, vor allem ohne die Schutzkleidung, aber wenigstens hinterliessen diese nur blaue Flecken und Prellungen, manchmal auch Brüche, aber das war eher selten. Ein Seufzen kam über die Lippen meines Chefs, dann schloss er seine Augen, verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. "Mensch! Was soll ich bloss mit dir machen? Wenn das nun ein Kunde gesehen hätte? Sag nichts! Sieh zu, dass du diese Prüfungen bestehst und ins nächste Semester kommst, du hast den Rest der Woche frei." Diese Worte überraschten mich so sehr, dass ich ihn total perplex anblickte und die Fähigkeit zu sprechen vergass, weshalb sich mein Mund zwar öffnete, aber unverrichteter Dinge wieder schloss. "Was ist los? Dann hast du Zeit zum lernen. Dein Gehalt bekommst du trotzdem, also geh schon nach Hause. So müde wie du bist, solltest du dich erst mal ausschlafen. Ausserdem vertreibst du mir so nur die Kunden." Es lag etwas väterliches auf seinen Zügen und ein kaum sichtbares Lächeln konnte ich erkennen. Eigentlich war er gar kein so übler Kerl und ich war ihm dafür wirklich dankbar. Schliesslich fasste ich mich wieder und verbeugte mich vor ihm. "Vielen Dank! Ich danke Ihnen wirklich, Mr. Nagasaki! Dann bis nächste Woche." Nun musste ich doch grinsen und sein Lächeln wurde breiter, er legte mir eine Hand auf die Schulter und nickte mir zu. "Nun hau schon ab, ehe ich es mir anders überlege!" Solche Dinge sagte er nur, um mich zu ärgern, denn ich wusste, dass er mich Grunde mochte, sonst würde er mir diese ständigen Schlafattacken nicht einfach so durchgehen lassen. Ich war im ersten Semester meines Studiums, doch den Job hier hatte ich schon eine Weile länger, da ich schon seit der Mittelschule immer wieder hier ausgeholfen hatte, um etwas Geld zu verdienen und mir auch mal was gönnen zu können. Da Mr. Nagasaki keine eigenen Kinder hatte und ich meine Eltern im Alter von 8 Jahren bei einem Autounfall verloren hatte, behandelte er mich fast wie einen Sohn und ich sah in ihm – trotz seines grimmigen Äusseren – einen Ersatzvater, denn eigentlich machte er sich nur Sorgen um mich und war deshalb manchmal so über streng. Er hatte mir auch schon einhundertfach das >Du< angeboten, aber ich brachte es einfach nicht über mich, da es sich einfach komisch anfühlte. Das konnte ich ihm nun wirklich nicht übel nehmen. "Ich geh ja schon, vielen Dank nochmal." Ich erhob mich wieder vollständig, nahm meine Tasche, die unter dem Tresen stand und verliess zügig den Buchladen, während Mr. Nagasaki lächelnd und mit geschlossenen Augen den Kopf, als er mir hinterher schaute. "Dieser Junge ... nein, eigentlich ist er schon ein Mann, aber ich kann nicht aufhören, ihn als solchen zu betrachten. Ein bisschen naiv, aber sehr intelligent, es wäre wirklich schade und verschwendetes Talent, wenn er die Prüfungen, wegen Schlafmangels versemmeln würde …", dachte er und begab sich dann wieder an die Arbeit. In der Zwischenzeit schlenderte ich gähnend durch die Strassen, um nach Hause zu gelangen, deshalb achtete ich auch nicht genau darauf, was vor mir war. "Autsch!" Ich krachte gegen etwas, oder vielmehr jemanden und landete unsanft auf meinen Hintern, dabei hatte ich die Augen zusammengekniffen und brauchte einen Moment, um mich zu sammeln und neu zu orientieren. Mein Blick fiel auf ein paar Beine, die halb waagrecht und halb aufgestellt waren, was wohl bedeutete, dass ich die Person – mit der ich zusammengeprallt war – ebenfalls umgestossen hatte. "Tut ... tut mir leid …", gab ich etwas kleinlaut von mir. "Ich habe nicht aufgepasst." Ohne aufzusehen, blieb ich erst mal sitzen, denn es war so schon peinlich genug, da musste ich demjenigen nicht noch ins Gesicht schauen. "Schon okay, ist ja nichts passiert. Kommen Sie, ich helfe Ihnen hoch." Diese Stimme! Sie hatte so etwas Freundliches und Liebevolles in ihrem Klang, so dass ich auf die genauen Worte gar nicht geachtet hatte, meinen Kopf dennoch hob und in das Gesicht eines lächelnden, jungen Mannes blickte, der sich halb zu mir hinab gebeugt hatte und mir eine Hand hinhielt, um mir aufzuhelfen. Seine Haare waren ungewöhnlich hell, in etwa die Farbe von Karamell, dafür hatte er tiefe, braune Augen, die mich einen Moment die Luft anhalten liessen. Noch immer etwas konfus, griff ich nach der Hand und er zog mich auf die Füsse. Nun im Stehen konnte ich ihn mir genauer betrachten, er war ein kleines bisschen grösser als ich, auch von schlanker, sportlicher Gestalt und hatte in etwa dieselbe Frisur wie ich. "Danke. Nochmals Entschuldigung, ich hab Sie nicht gesehen", sagte ich nun und verneigte mich vor ihm. "Wie gesagt es ist nichts passiert. Ich bin Shuichi! Shuichi Kusaka!", stellte er sich nun vor und brachte mich so dazu, mich wieder zu erheben und ihn anzusehen. "Ich bin ... Kazuya ... Kazuya Akizuki!" Irgendetwas an dem Kerl störte mich, ich wusste nur noch nicht was. Er hatte mich völlig aus der Bahn geworfen und nicht nur körperlich und wörtlich – meine ganzen Sinne spielten verrückt und ein eigenartiges Gefühl machte sich in mir breit, das mir gar nicht gefallen wollte. Irgendwie hatte ich das Gefühl ihm schonmal begegnet zu sein, was aber nicht möglich war, da ich mich an jemanden mit so hellem Haar ganz sicher erinnert hätte und deshalb war ich so verwirrt, weil ich dieses Gefühl einfach nicht loswerden konnte. "Ich hätte ja nicht gedacht, dass meine erste Bekannschaft in Tokyo so von statten gehen würde, aber es ist völlig okay. Sagen Sie ... haben wir uns schonmal irgendwo gesehen?" Ich spürte, dass er mich musterte, während er diese Worte sprach und mir war gar nicht wohl dabei. Etwas gequält lehnte ich mir nur auf mein linkes Bein und belastete das Rechte nicht, denn irgendwie tat es seit dem Sturz wieder weh. Ich hatte damals bei dem Autounfall wahnsinniges Glück gehabt und habe nur einen Trümmerbruch des Schienbeins ertragen müssen, wobei es abgeklemmt war und das ziemlich lange, dass die Ärzte schon kurz davor gewesen waren, es ab dem Knie zu amputieren. Aber glücklicherweise kehrte das Gefühl wieder zurück und ich konnte es nach vielen Wochen der Genesung wieder normal benutzen. Allerdings dauerte es drei Jahre, bis ich wieder Sport machen konnte und hin und wieder schmerzte es auch einfach nur so, oder eben bei Überbelastung sowie unvorhergesehenen Geschehnissen. "Erste Bekanntschaft?", fragte ich deshalb nur und blickte ihn kurz an, nachdem ich kurz die Augen zusammengekniffen hatte. "Ja, ich komme eigentlich aus Osaka und bin nun nach Tokyo gezogen, werde dort mein Studium fortsetzen, sobald das neue Semester beginnt. Aber sag ... ist sicher alles in Ordnung?" Leichte Besorgnis lag auf seinem Gesicht und vergrösserte mein Unwohlsein nur noch, so dass mir gar nicht aufgefallen war, dass er mich plötzlich mit >Du angesprochen hatte. "Ja, mir geht's gut, es ist nur eine alte Verletzung ..." Eigentlich wollte ich ihn noch was fragen bezüglich seines Studiums, doch Kusaka schnitt mir das Wort ab. "Es tut mir leid, es ist mir gar nicht aufgefallen, es war wirklich keine Absicht ... Ich wollte nicht >Du< sagen." Er verneigte sich tief vor mir und schien es wirklich ernst zu meinen. Wer war dieser Kerl nur? Etwas perplex, dass er mir das Wort abgeschnitten hatte und auch noch wegen so einem banalen Grund, war ich für den Moment etwas wortkarg und brachte nichts heraus als ein Kopfschütteln, das er nicht sehen konnte, weil er sich ja verbeugte. "Nein, schon in Ordnung, belassen wir es dabei. Ich hab kein Problem damit, vor allem nicht bei einem anderen Studenten." Kusaka erhob sich wieder und lächelte mich an, er schien wirklich erleichtert zu sein. "Danke, Akizuki. Dann kannst du es mir gleich tun." "Danke, werd ich machen ..." Diese Worte kamen einfach aus meinem Mund, ohne dass ich aufhalten konnte, denn eigentlich wollte ich was anderen sagen. "Ehm ... wenn wir schon dabei sind ... Wieso bist du denn schon hier? Die Semesterprüfungen sind doch erst nächste Woche." Langsam tat mir mein linkes Bein von der Dauerbelastung weh, weshalb ich mich an den nahegelegenen Laternenpfahl lehnte. "Ganz einfach! Wir in Osaka hatten schon letzte Woche Semesterprüfungen, auf diese Art und Weise habe ich nun zwei Wochen länger Ferien", erklärte er und lächelte dabei kurz, schien sich jedoch weiter Sorgen zu machen, was ich nicht verstehen konnte, da ich ihn ja eben erst kennengelernt hatte. "Ach so ... na ja dann sieht man sich vielleicht in der Uni. Ich wollte eigentlich gerade nach Hause gehen, denn ich bin ziemlich müde von der Lernerei, mein Chef hat mir auch frei gegeben. Also wenn du mich nun entschuldigen würdest." Eigentlich sollte das ein Abschied sein, aber als ich mich selbst von dem Laternenpfahl wegdrückte und losgehen wollte, durchzog der Schmerz mein rechtes Bein beim Auftreten, dass ich fast in die Knie gegangen wäre und mit zusammengekniffenen Augen den Atem anhielt. "Soll ich dir vielleicht helfen? Hast du es weit?" Seltsamerweise hatte er mir bereits einen Arm um den Rücken gelegt und sich meinen Arm über seine Schultern gezogen, um mich zu stützen. Was war nur mit diesem Typen los? Ich kannte ihn doch gar nicht! Wieso war er nur so hilfsbereit? Ich verstand es nicht und ich konnte es auch nicht verstehen, denn in meinem Leben habe ich bisher nichts geschenkt bekommen und musste immer kämpfen, habe bisher dennoch immer alles erreicht, was ich wollte, trotz meiner zeitweisen körperlichen Einschränkung. Dieser Kerl war einfach nur seltsam! Ich wehrte mich nicht gegen die Hilfe, da die Entlastung meinem Bein gut tat. Ich wusste, dass, wenn ich zu Hause ankommen würde, ich erst mal meine Medikamente nehmen müsste und mein Bein dann hochlegen und kühlen würde, dann würde es morgen wieder in Ordnung sein. "Nein, ich habe es nicht weit. Nur zwei Strassen weiter in einem Mietshaus. Ich will dir wirklich keine Umstände machen, oder dich von etwas abhalten." "Ach was, du machst mir keine Umstände, ich wollte mir ohnehin vorerst nur die Stadt ansehen, aber das kann ich nachher oder morgen immer noch machen, also mach dir keine Sorgen, ich werde dich jetzt nach Hause bringen." Kusaka hatte irgendwie eine seltsame Aura an sich und lächelte schon wieder so euphorisch, es sah fast so aus, als könnte er sich nichts besseres vorstellen als mich nun nach Hause zu begleiten und dabei meine Stützhilfe zu sein, weshalb ich ihm nicht widersprach, zumal ich ihm auch dankbar war, dass er mir einfach so helfen wollte. Nach einiger Zeit erreichten wir dann den Mietshauskomplex, wo sich mein Appartement befand und hatten unterwegs kein einziges Wort mehr gewechselt. Wieso war er auf einmal so schweigsam? Als schwerfällig und mühsam stellte sich noch der Treppenaufstieg heraus, denn ich musste immerhin in den fünften Stock hoch gelangen, doch zuvor warf ich noch einen Blick in den Briefkasten. Kusaka hatte mich zu diesem Zweck losgelassen und stand etwas abseits, anscheinend wollte er meine Privatsphäre nicht verletzen. Kaum, dass der Kasten offen war, fiel mir ein gepolsterter Briefumschlag entgegen, den ich nicht mehr auffangen konnte und er deshalb mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden aufkam. Doch noch ehe mich danach bücken konnte, hielt mir Kusaka den Umschlag schon hin. "Hier! Du muss dich nicht bücken, das würde dir beim Aufstehen nur wieder Schmerzen bereiten. Nicht wahr?" Leicht verwirrt nahm ich den Umschlag in die Hand und konnte nicht verhindern, dass man mir das auch ansah, denn Kusaka lächelte schon wieder auf diese eigenartige Art. Ein stummes Nicken war meine Antwort, ich wusste einfach nicht, was ich von diesem Kerl halten sollte. Er war so furchtbar vertrauensselig und das konnte ich einfach nicht verstehen, denn ich war es anders gewohnt. Es wäre noch ein wahnsinniger Zufall, wenn er das gleiche Fach studieren und dieselbe Uni besuchen würde. Diesen Gedanken verwarf ich jedoch gleich wieder, da er mir zu absurd erschien. Mein Blick fiel auf den Umschlag, er hatte keinen Absender und richtig adressiert war er auch nicht. Dort stand nur: >Für Kazuya Akizuki!< Da ich aber von Grund auf misstrauisch war, tastete ich diesen nun erst ab und stellte fest, dass es sich bei dem Inhalt wohl um ein Buch handelte, weshalb ich dachte, dass einer meiner Studienkollegen mir dieses Buch eingeworfen hatten, da ich noch in der letzten Vorlesung erwähnt hatte, dass mir ein bestimmtes Buch für meine Recherche fehlen würde. Ich studierte Geschichte und Englisch, weil mich beides schon immer fasziniert hatte. Seufzend nahm ich die andere Post noch heraus und schloss den Briefkasten wieder. Kusaka war gleich wieder an meiner Seite und stützte mich erneut, um den Treppenaufstieg zu bewerkstelligen. Ich hätte es wohl auch alleine geschafft, da ich mich am Geländer gut abstützen konnte, aber aus irgendeinen Grund, war ich froh, dass er mich nach oben begleitete und mir weiterhin half. Oben angekommen lud ich ihn dann doch noch ein, mit reinzukommen, denn es wäre nun wirklich unhöflich gewesen, ihn an der Tür abzuwimmeln, nachdem er mir so selbstlos seine Hilfe angeboten und es auch noch bis zum Schluss durchgezogen hatte. "Bitte setz dich!" Obwohl ich >Bitte< sagte, klang es fast wie ein Befehl, doch liess sich Kusaka nichts anmerken, nickte nur freundlich und liess sich dann auf dem Sofa nieder. Es war nur eine kleine Wohnung mit zwei Zimmern einer Kochniesche und einem Bad, doch war ich eigentlich ganz zufrieden damit. Schliesslich könnte es schlimmer sein. Ich legte die Post auf den Tisch und begab mich langsam ins Bad, um meine Medikamente zu nehmen, danach humpelte ich noch zum Kühlschrank, wo ich mir einen Eisbeute aus dem Gefrierfach nahm. Mit diesem in der Hand schleppte ich mich dann zum Sofa und liess mich mit einem erleichterten Stöhnen darauf nieder. Dann fiel mir mein Fehler auf und ich wollte mich schon wieder erheben, als mein Handgelenk ergriffen wurde und mich so daran hinderte. "Bitte bleib sitzen. Es ist dein rechtes Bein, oder? Mach dir bitte keine Umstände, ich brauche nichts, leg es lieber hoch, dass es sich erholen kann." Schon wieder! Schon wieder diese unbegründete Fürsorge, die mir fast den Atem raubte. "Danke ... du kannst mich trotzdem wieder loslassen ... bitte. Aber woher weisst du, welches Bein, das >Kaputte< ist?" Es war mir wirklich unangenehm, so festgehalten zu werden und ich war froh, dass Kusaka seine Hand daraufhin zurückzog. "Oh natürlich, entschuldige." Er lächelte dann wieder, wahrscheinlich wegen meiner Frage. "Ich habe es an deiner Haltung gesehen, als wir uns gegenüberstanden und uns kurz unterhalten hatten, du hast das rechte Bein nicht belastet. Aber als du dann gehen wolltest, bist du aufgetreten; dies sah ich an deiner Bewegung und habe schon geahnt, dass es dich in die Knie zwingen würde, deshalb habe ich dich gleich gestützt." Kusaka verblüffte mich immer wieder, er hatte eine erstaunlich gute Beobachtungsgabe. Allerdings wusste ich darauf nichts zu sagen und Stille trat ein, eine bedrückende Stille, die eine Ewigkeit anzuhalten schien und sich mich fast zu zerquetschen drohte, als mein Begleiter plötzlich wieder das Wort ergriff – anscheinend hatte er es auch gespürt und wollte es nicht dabei belassen. "Aber sag mal ... du sagtest vorhin, dass du auch Student bist, oder?" Diese Frage überraschte mich nun weniger und ich war froh vielleicht ein normales Gespräch mit diesem überfreundlichen Kerl führen zu können. "Eh ja, das habe ich gesagt. Ich studiere Geschichte und Englisch, ausserdem bin ich ein guter Kendo-Kämpfer. Du bist ziemlich naiv. Kam dir denn zu keinem Zeitpunkt in den Sinn, dass ich nur Theater machen könnte und dich vielleicht überfallen würde?" Ich wusste nicht, wieso ich das sagte, aber ehe ich darüber nachdenken konnte, waren die Worte einfach so herausgesprudelt, ohne dass ich sie noch aufhalten könnte wie einem Aquarium, das einen Haarriss im Glas hatte – durch den Druck des Wassers auf die Scheibe, würde diese früher oder später einfach platzen. Zum ersten Mal sah ich nun Überraschung in seinem Gesicht und schien ihn für einen Moment aus dem Konzept gebracht zu haben, wie hypnotisiert starrte er mich an, ehe er seine Mundwinkel zu einem Lächeln verzog und die Augen schloss, dabei den Kopf schüttelte und mich schliesslich wieder ansah. "Nein! Diese Idee kam mir nicht. Es mag sich vielleicht seltsam anhören, aber ich habe die ganze Zeit das Gefühl, dass wir uns schonmal begegnet sind und ich habe irgendwie auch gespürt, dass von dir keine Gefahr ausgeht. Ich kann es nicht erklären, es ist nur ein Gefühl." Seine Worte hallten in meinem Kopf wieder als wollten sie sich in mein Hirn einbrennen. Er auch? Das konnte doch nun wirklich kein Zufall mehr sein! Mittlerweile hatte ich es auch geschafft mein Bein hochzulegen und es mit dem Eisbeute zu versehen, auch die Tablette wirkte langsam und die Schmerzen klangen immer mehr ab, so dass ich mich weitestgehend entspannen konnte und den seltsamen Moment der Stille irgendwie überbrücken wollte. "Also doch naiv!" Mein Ton klang verspielt, was eigentlich nicht meine Art war und ich grinste ihn sogar an. "Das selbe könnte ich auch sagen. Denn immerhin könnte ich ja ein Einbrecher sein, dessen Masche es ist, sich so Zutritt zu verschaffen, indem er sich das Vertrauen der Leute erschleicht." Er grinste auch und obwohl mich seine Aussage nachdenklich machte, lachte ich nun sogar. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Kusaka der Typ vor so was wäre, was aber auch nur ein Gefühl war, allerdings konnte ich meinem Instinkt bisher immer trauen und dieser sagte mir, dass dieser Mann keinesfalls eine Gefahr für mich war. Er musste auch lachen und so verflog die Anspannung im Nu und ich konnte mich endlich meiner Post widmen, nachdem wir uns wieder beruhigt hatten. Zuerst öffnete ich die normalen Briefe, die wie üblich Rechnungen enthielten, dann – nachdem ich diese bei Seite gelegt hatte – widmete ich mich dem gepolsterten Umschlag. Irgend etwas sagte mir, dass das kein Studienbuch war, noch bevor ich ihn geöffnet hatte. Kusaka's Blick lag auf mir, oder viel mehr auf meinen Händen, die den Umschlag hielten, das konnte ich spüren, ohne ihn anzusehen, doch kümmerte ich mich nicht darum, denn ich war selbst viel zu gebannt auf den Inhalt. Langsam öffnete ich den Brief und weitete ihn, um einen Blick hineinwerfen zu können. Ein kleines, schwarzes Buch, das ziemlich alt aussah, befand sich im Inneren. Sofort – ohne weiter darüber nachzudenken – liess ich meine Hand hineingleiten und zog es hervor. Es war wirklich verdammt alt! Die schwarze Farbe war teilweise abgerieben und das Buch war auch ziemlich zerkratzt, allerdings war es in Folie gewickelt, offenbar um es zu schonen, da alte Bücher schnell an der Luft oxidierten und dann einfach zerfallen würden, wenn sie dieser zu lange ausgesetzt wären. Fasziniert betrachtete ich das kleine Buch in meinen Händen und hatte schon ganz vergessen, dass ich nicht alleine war. "Das sieht aus wie ein Tagebuch." Ich zuckte heftig zusammen, als die Stimme an mein Ohr drang und fuhr erschrocken herum – mein Herz hämmerte wild gegen meine Rippen und ich brauchte einen Moment um zu realisieren, dass es Kusaka war und ich ihn eingeladen hatte. "Ta-Tagebuch?" fragte ich verwirrt und blickte zwischen ihm und dem Buch hin und her. "Ja! Sieh mal, dort steht es sogar. Man kann es zwar kaum noch lesen, weil es ziemlich verblasst ist, aber es steht eindeutig da, wahrscheinlich mit Tusche und Pinsel geschrieben." "Aber wie -?", wollte ich wissen. "Ganz einfach, ich studiere ebenfalls Geschichte und dieses Buch ist sicher schon 150 Jahre alt." Die Zufälle begannen sich immer weiter zu häufen, doch wollte ich darüber nun nicht nachdenken, weshalb ich mich dem Buch widmete, dort stand wirklich noch ganz blass und kaum lesbar >Tagebuch<. Schliesslich entfernte ich vorsichtig die Folie und strich sachte über den Einband, ehe ich es langsam aufschlug. Doch was ich auf der Innenseite zu lesen bekam, liess mich für einen Moment den Atem anhalten und dann nach Luft schnappen. Das war doch mehr als nur verrückt! "Da ist etwas rausgefallen." Wieder meldete sich Kusaka zu Wort und deutete auf ein Stück Papier, das weit weniger alt wirkte und wohl beim Aufklappen zu Boden geglitten war. Schnell bückte ich mich danach und hob es auf, die Worte auf der Innenseite des Buchdeckels steckten noch immer in meinen Knochen und hielten das Adrenalin aufrecht, welches ich nun gebrauchen konnte, da ich wohl ansonsten schon längst eingeschlafen wäre. "Für Kazuya Akizuki …", las ich vor. "Dieselben Worte wie auf dem Umschlag und es ist auch dieselbe Schrift. Das muss ein Brief sein. Vielleicht erklärt er mir, was es mit diesem Buch auf sich hat." "Dann solltest du ihn lesen. Schliesslich ist es schon merkwürdig, dass der Autor des Buches denselben Namen hat wie du. Keiichi Akizuki ..." Kusaka entging aber auch gar nichts, ich hatte es nicht einmal bemerkt, dass er sich vorgelehnt hatte, um auch zu lesen. was dort stand – zu paralysiert war ich von den Worten, die dort standen. >Dieses Tagebuch ist das Eigentum von Keiichi Akizuki, Samurai des Shogunats – September 1860< Dieses Buch war wirklich schon über 150 Jahre alt und es grenzte schon fast an ein Wunder, dass es weitestgehend unbeschadet war, denn es stammte aus der Edo-Zeit. Die Edo-Zeit war eine glorreiche Zeit, in der das Shogunat regiert hatte; diese Zeit faszinierte mich an der Geschichte schon immer am meisten und nun hielt ich ein originales Tagebuch aus diesen Tagen in meinen Händen. Ich wusste, dass die Zeit acht Jahre später zu Ende war und Edo zu Tokyo wurde, weil das Shogunat abgeschafft worden war und der Kaiser wieder regierte, allerdings war dieses Buch fast wie ein Schatz von unschätzbarem Wert, zumindest für einen Geschichtsfanatiker wie mich. Es war einfach unfassbar und dieser Keiichi war auch noch ein echter Samurai gewesen, wenn man den Worten glauben konnte. Natürlich bestand noch immer die Möglichkeit, dass es eine Fälschung war, aber das glaubte ich nun nicht, dafür sag es einfach zu echt aus, auch der Geruch war mehr als echt. "Du hast recht, das ist in der Tat seltsam …", wandte ich mich nun wieder an Kusaka und klappte das Buch zu, ehe ich es vorsichtig auf den Tisch legte, da ich den Brief zuerst lesen wollte. >>> Lieber Kazuya, Ich spar mir nun die Mühe der Höflichkeitsfloskel und rede direkt mit Dir! Dieses Buch fiel vor einigen Monaten in meine Hände, als mein Vater starb, und es war ein Brief dabei, dass ich es, falls es mir möglich wäre, an >Akizuki< weitergeben sollte. Anscheinend hütete meine Familie dieses Buch nun schon fast 150 in den Händen hält. Ich muss gestehen, dass ich es gelesen habe und ich bin der Meinung, dass Du es wirklich bekommen solltest. Es dauerte zwar eine Weile, bis ich es herausfand und ich musste einiges recherchieren, um darauf zu kommen und die Verbindungen zu sehen. Schliesslich ist Akizuki nun kein so seltener Name in Japan und Du hättest wirklich überall sein können, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Du die richtige Person bist. Näher möchte ich darauf nicht eingehen, der Inhalt des Buches wird für sich sprechen und als Geschichtsstudent, sollte es Dir auch einige Erklärungen liefern, die Dir sicher nützlich sein könnten. Sei versichert, dieses Buch ist echt! Ich war nicht in der Lage es Dir persönlich zu überreichen, denn dies hätte mich in eine Lage gebracht, die mir sehr unangenehm gewesen wäre. Sobald Du das Buch gelesen hast, wirst Du es verstehen! Es tut mir leid, dass es so gekommen ist, aber nun befindet es sich endlich nach so langer Zeit wieder in den Händen des rechtmässigen Besitzers. Bitte denke nicht schlecht von mir, vielleicht begegnen wir uns doch mal, dann werde ich Dir nicht ausweichen. Doch auch meinen Namen möchte ich nicht preisgeben. Sieh es als gegeben und lass Dich in eine Zeit entführen, in der Du am liebsten selbst gelebt hättest. In eine Zeit, die näher mit Dir Verbunden ist als Du ahnst. In eine Welt voller Gefühl, Verrat und Trauer! Mich hat es sehr mitgenommen, was damals alles passiert ist und ich kann mich nur bei Dir entschuldigen und Dir sagen, wie leid mir das alles tut. Ich hoffe, sollten wir uns eines Tages wirklich begegnen, dass Du mir dann verzeihen kannst. Es tut mir leid, dass ich nur in Rätseln sprechen kann, aber Du wirst schon bald alles verstehen. Trotz deines Misstrauens dem Unbekannten gegenüber bin ich mir sicher, dass Du den Inhalt wie einen Schwamm aufsaugen wirst. Vielleicht bis irgendwann! Reumütige Grüsse Der Hüter des Buches <<< Nun war ich noch mehr verwirrt und ich konnte meinen Herzschlag hören, der das Blut durch meinen Körper in einer bahnbrechenden Geschwindigkeit schiessen liess. Mit zitternden Fingern starrte ich auf das Stück Papier und verstand nicht, was diese Person mir sagen wollte, oder wer sie eigentlich war. Was hatte das alles nur zu bedeuten? Was wollte er mir damit sagen? Und wieso entschuldigte er sich bei mir? Was machte ihn so sicher, dass ich die >richtige< Person war? Kapitel 2: 花火 Hanabi - Feuerwerk -------------------------------- "Tja!" Erschrocken fuhr ich herum, denn dieser Ausruf hatte mich glatt aus meiner Trance gerissen. "Da gibt es wohl nur eine Möglichkeit: Du musst das Buch lesen." "Kusaka?! Hast du mitgelesen?!", stellte ich fragend fest, obwohl ich die Antwort bereits kannte. "Entschuldige, du warst so hypnotisiert und ich bin ebenfalls sehr an der Edo-Zeit interessiert, ich wollte nicht in deine Privatsphäre eindringen. Es tut mir leid." Aus seiner Stimme konnte ich nur Ehrlichkeit heraushören und sein Gesicht wirkte etwas bedrückt. "Schon gut ... wahrscheinlich wirst du wohl noch auf die selbe Uni gehen wie ich und dann besuchen wir noch denselben Kurs." Ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, während ich das sagte. "Du hast recht, ich werde es lesen müssen, wenn ich das Geheimnis lüften will." Kusaka lächelte zurück. "Wäre möglich, wenn wir schon das gleiche Fach studieren, ausserdem ... ich weiss, wie seltsam das nun wirken muss, aber mein zweites Fach ist ebenfalls Englisch. Ich wollte schon immer Englisch lernen und bin froh, dass es mir möglich ist, dies zu studieren." Ich glaubte ja nicht an das Schicksal oder an Glück, aber diese Aufeinanderreihung von Zufällen, war nun wirklich mehr als suspekt. Irgendwas war mit diesem Typen nicht in Ordnung, ich wusste nur noch nicht, was es war. Auch wenn ich einerseits froh war, dass er mir so selbstlos geholfen hatte, so konnte ich nun nicht anders, als ihn einfach nur merkwürdig zu finden. Immer dieses seelige Lächeln auf den Lippen, so offenherzig und freundlich, ich hatte noch nie jemanden wie ihn getroffen gehabt und überlegte schliesslich, dass wir vielleicht ganz gute Freunde werden könnten. Gerade wenn das neue Semester beginnen würde, könnten wir zusammen lernen und uns gegenseitig helfen. "Ehm ... ja, das sind wirklich ein paar seltsame Zufälle, vor allem, dass ich ausgerechnet mit dir zusammengestossen bin. Sag Kusaka? Wieso bist du eigentlich von Osaka nach Tokyo gekommen?" Nun war es an mir, ihn zu mustern. Ich beobachtete ihn genau, ob er irgendeine Regung oder eine andere Reaktion zeigen würde, die Unsicherheit andeuten könnte – leider Fehlanzeige. Er schien zwar auf den ersten Blick überrascht zu sein, dass ich ihn das fragte, lächelte dann aber gleich wieder. "Weil meine Eltern mein Studium nicht unterstützen und sagen, es wäre Zeitverschwendung. Ich wollte etwas Abstand zwischen uns bringen und werde ihnen dann im Nachhinein beweisen, dass es keine Zeitverschwendung war, denn eigentlich möchte ich gerne Lehrer werden, in eben diesen Fächern, die ich studiere." Es war die Wahrheit, die er mir erzählte, das konnte ich ihm ansehen, doch wusste ich nicht wie es sich anfühlte, wenn einem die Eltern Vorschriften des Berufswegen machen wollten. Aus diesem Grund fühlte ich mich nun schlecht und konnte ein bedrücktes Seufzen nicht unterdrücken, als ich meinen Blick von ihm abwand und auf den Boden richtete. "Achso ... verstehe." Mehr brachte ich einfach nicht hervor und meine Stimme war kaum zu hören, da ich mich wieder an den Autounfall erinnerte als wäre es gestern gewesen. Ich liess es nur selten zu, mich von meinen Gefühlen überrennen zu lassen und dann auch nur, wenn ich alleine war und mir niemand dabei zusehen konnte. "Ist alles in Ordnung?", riss er mich erneut aus meiner Grübelei und zwang mich so reflexartig, zu ihm aufzusehen. Schnell setzte ich ein Lächeln auf und nickte. "Ja, alles in Ordnung! ... Bitte sei mir nicht böse, aber ich bin einfach nur müde und würde gerne etwas schlafen, der Stress der bevorstehenden Prüfungen, macht mich einfach fertig. Ich will dich auch wirklich nur ungern >rauswerfen<, zumal das so ein böses Wort ist und ich dir für deine Hilfe auch dankbar bin, aber ich glaube ich brauch einfach ein bisschen Schlaf." Noch bevor ich zu Ende gesprochen hatte, war Kusaka bereits aufgestanden, doch sein Lächeln hatte er nicht verloren, was mich ein bisschen verwunderte. "Ist doch völlig in Ordnung. Dann will ich mal nicht länger stören und dich in Ruhe schlafen lassen. Aber wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gerne wiederkommen und dir beim Lernen helfen, da ich die Prüfungen schon gemacht habe. In Osaka sind es zwar andere Prüfungen, aber ich denke, von der Thematik her dürfte es das gleiche sein." Es war keine Frage, sondern ein Angebot, auch wenn ich keine Hilfe beim Lernen brauchte, konnte ich nicht anders, als zu nicken. "Ich würde mich freuen, wenn du wiederkommen würdest und wir zusammen lernen könnten. Für diesen Zweck geb ich dir gerade einfach mal meine Visitenkarte, da steht meine Nummer drauf. Ruf mich doch bitte vorher an, ehe du vorbeikommst." Mit diesen Worten zog ich ein Kärtchen aus meiner Tasche hervor und reichte es ihm. Dankend nahm er es entgegen und versprach anzurufen, ehe er die Wohnung verliess. Ich war schon froh, nun wieder alleine zu sein, zumal mich die Müdigkeit langsam immer mehr überwältigte und mich eigentlich nicht mehr dagegen wehren wollte. So gern ich auch noch einen Blick in das Buch geworfen hätte, weil ich noch so viele Fragen hatte, gerade wegen dieses Briefs, ich konnte meine Augen kaum noch offen halten und blieb einfach auf dem Sofa sitzen, wobei ich lang machte und hinlegte. Einen Moment liess ich meine Augen zufallen und war fast augenblicklich eingeschlafen. Ich hatte mir in letzter Zeit wirklich zu viel zugemutet und spürte selbst, dass diese Pause meinem Körper und auch meinem Geist gut tun würde. Das Buch konnte ich ja immer noch lesen, zumal am heutigen Tag, sehr viel passiert war und ich mich von Ereignissen erschlagen fühlte. In der Zwischenzeit machte sich Kusaka auf den Heimweg in sein Appartment, das seltsamer Weise auch noch gerade bei mir ums Eck lag, was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste. "Irgendwas stört mich an diesem Tagebuch ... ich würde es auch zu gern mal lesen", überlegte er, während er die Strasse entlangschlenderte und schliesslich seine Wohnung erreichte. Drinnen angekommen liess er sich auf dem Sessel sinken und versank völlig in seinen Gedanken. "Ich frage mich, ob das wirklich nur Zufall war, dass Akizuki in mich gekracht war. Er wirkte misstrauisch und doch selbstbewusst, so als könnte ihm nichts Angst machen. Er ist ein faszinierender Typ, ich freue mich schon darauf, mit ihm zusammen ins zweite Semester zu gehen." Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und er zog meine Visitenkarte aus seiner Tasche, drehte sie eine Weile hin und her, ehe er sie auf dem kleinen Glastisch vor dem Sessel platzierte und mit undefinierbarem Blick daraufstarrte. "Akizuki? ... Akizuki? ... A-ki-zu-ki ... Wieso kommt mir das nur so vertraut vor? So bekannt, ich kann nichts dagegen machen. Mein Instinkt sagt mir, dass ich diesen jungen Mann kenne, aber mein Verstand sagt mir, dass unser heutiges Treffen unsere erste Begegnung gewesen ist." Seine Gedanken kreisten weiter und er war selbst von diesen überfordert, auch schon wegen des Gefühls, dasselbe Gefühl, welches auch ich verspürt hatte. "Das ist doch zum Verrücktwerden!", rief er nun laut aus und erhob sich wieder. Dann schritt er durch das Zimmer zum Fenster, um nach draussen zu sehen und vielleicht einen klaren Kopf zu bekommen. Denn er auch war von den Ereignissen des Tages überfordert und fühlte sich wie ein Wackelpudding, oder zumindest fühlte sich sein Hirn für ihn so an, denn er war nicht im Stande, die Zusammenhänge zu begreifen, oder zu ordnen. "Dieser komische Brief, das Tagebuch ... Wieso nur glaube ich, dass es nicht nur Akizuki allein etwas angeht? Ich spüre eine Verbindung zu dem Buch und ich werde ihn fragen, ob ich es mit ihm zusammen lesen kann. Ja! Das wird wohl das beste sein, wenn ich diesen Rätseln auf den Grund gehen möchte." Ein Seufzen kam über seine Lippen und er begann unruhig den Raum auf und ab zu gehen, ohne zu wissen, was er nun eigentlich tun sollte. Schliesslich setzte er sich wieder hin und lehnte sich zurück, atmete dabei tief durch und schloss für einen Moment die Augen. Schemenhafte Bilder tauchten vor seinem inneren Auge auf, doch waren es nur Bruchstücke einzelner Szenen, die immer nur sekundenweise anhielten, so dass er nicht wirklich etwas damit anfangen konnte. >Ein Feuer, ein Zaun, ein Samurai, der Sturz ins Meer, die Rettung!< Verwirrt schlug er die Augen wieder auf und schaute sich um, hatte dabei eine Hand auf seiner Stirn liegen und spürte wie sein Puls sich erhöht hatte und seine Atmung ebenfalls schneller ging. "Was war denn das gerade? Abgebrochene Bilder, ohne Zusammenhang ... Was hat das zu bedeuten? Es fühlte sich so an, als hätte ich selbst es erlebt, als wär ich dort gewesen, auch wenn es kein fliessender Ablauf war, den ich gesehen habe. Ich verstehe es nicht, doch erinnere ich mich an eins: Diese sagenhaften, blauen Augen!" Er liess seine Hand durch sein Gesicht gleiten und schloss die Augen erneut. >Ein Streit, Provokation, eine Schlägerei, viele Narben und blaue Flecken!< Erneut schlug er die Augen auf, doch diesmal war er sich ganz sicher, dass es eine Art Vision gewesen sein musste. Auch wenn er sie nicht verstehen konnte, oder deren Bedeutung, oder wieso er diese Bilder sah. "Ich sollte selbst auch etwas schlafen gehen, die Begegnung mit Akizuki, der Fund dieses alten Tagebuches, die vielen Gemeinsamkeiten mit ihm ... das alles ist verwirrend und doch wirkt es vertraut als wäre es normal. Mein Kopf braucht eine Pause, ein bisschen Schlaf tut mir sicher gut, dann denke ich auch nicht so viel nach", murmelte er leise vor sich hin und stand auf, dann ging er durch den schmalen Flur in das hintere Zimmer, wo sich sein Bett befand. Da es draussen bereits dämmerte, war es auch eigentlich nicht zu früh, um schlafen zu gehen, vor allem wenn man einen so verrücken Tag erlebt hatte. Kusaka legte sich zwar ins Bett, hatte jedoch Angst, die Augen zu schliessen und wieder zusammenhangslose Bilder zu sehen, weshalb er noch lange die Decke über sich anstarrte und versuchte, sich mit Nachdenken abzulenken und wachzuhalten. Allerdings konnte er nicht leugnen, dass ihn das nur noch mehr erschöpfte, und schliesslich gab er nach und liess sich von der Schwärze des Schlafs umarmen, der ihm dieses mal keine Bilder bescherte, da die Erschöpfung zu gross gewesen ist. Denn immerhin hatte er ja noch die Reise hierher angetreten gehabt und war dementsprechend auch ausgelaugt. 1858 – Traum Ich befand mich mitten in einer grossen Halle und schaute mich um. Dieser Ort war seltsam und doch vertraut, meine Kleidung war die eines Samurais und an meiner Hüfte befanden sich zwei Schwerter – Katana um genau zu sein –, um mich herum standen noch andere mit derselben Kleidung. Es war ein Treffen, um eine Strategie zu besprechen. Unser Land hatte mit unserer Regierung – dem Shogunat – zwar die längste Friedenszeit unserer Geschichte geschaffen, doch leider waren wir dadurch auch sehr von der Aussenwelt abgeschnitten. Es gab kaum Handel und es herrschte striktes Ausreiseverbot für uns und Einreiseverbot für Ausländer. Lediglich auf den kleinen Inseln gab es weniger Ausländer, die geduldet wurden, was die Lage im Land immer mehr zuspitzte und es schwierig war diese Sicht der Dinge aufrecht zu erhalten. Deswegen fand diese Versammlung statt, wie schon so oft. Die Diskussion ging darüber, dass wir unser Land öffnen müssten, den Handel zum Leben erwecken und uns weiterentwickeln mussten. Diese Isolation rief Unmut unter dem Volk hervor und sie verlangten danach, aber natürlich gab es auch Gegner, die >für< die Vertreibung der Ausländer waren. Ich war mir sicher, dass die Friedenszeit nicht mehr lange anhalten würde und es früher oder später zum Krieg kommen würde. Sie wollten unsere Kultur bewahren und verhindern, dass diese durch die westliche Zivilisation zerstört würde. Aber das war auch gar nicht unser Ziel, wir wollten nur ein wenig Fortschritt und offen sein für den internationalen Handel. "Keiichi?" Ich fuhr herum, als mein Name gerufen wurde, denn es gab nicht viele, die mich mit meinem Vornamen ansprachen und so erkannte ich meinen Vater, der sich mir näherte. "Ich danke dir, dass du dafür bist. Es bringt uns einen grossen Schritt weiter. Ich denke wir können damit auch schon bald anfangen." "Ja, das denke ich auch, der Bau ist auch schon besprochen und ich glaube es wird uns nur helfen. Wir sollten bereit sein, wenn sich das Land öffnet, auch wenn es noch dauern kann, denn zuvor müssen wir unsere Gegner davon überzeugen", gab ich zurück und konnte ein wehmütiges Seufzen nicht unterdrücken. Auch wenn ich gerade mal 15 Jahre alt war, verstand ich sehr viel von unserer Politik und den Problemen des Landes, auch war ich ein wirklich begabter Kämpfer. Ich hatte schon oft mit dem Schwert gekämpft und nie auch nur eine Narbe davon getragen, weil ich immer sehr vorsichtig war, aber auch geschickt – so schnell machte niemand was vor, weshalb ich es geschafft hatte, trotz meines jungen Alters mir Respekt zu verschaffen. Zu Anfang redeten die Clansmitglieder, dass ich bevorzugt werden würde, weil ich der Sohn des Oberhaupts war, aber ich konnte sie relativ schnell eines besseren belehren und das Gerede hörte auf. "Das schaffen wir schon, aber du wirst diese Schule auch besuchen. Du wolltest doch eh schon immer Englisch lernen, diese Schule wird uns wirklich weiter voran bringen und wir werden bereit sein", sagte mein Vater und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ein führsorgliches Lächeln lag auf seinem Gesicht, so dass ich nicht anders konnte, als es zu erwidern. "Hey Akizuki!" Reflexartig drehte wir uns beide gleichzeitig um, um nach der Ursache der Stimme zu suchen. "Sakuma?!", rief ich aus. Er war ein guter Freund von mir, wir kannten uns schon seit wir gerade so Schwerter halten konnten. Immer haben wir gemeinsam trainiert und obwohl er von etwas niedrigerem Rang war, war er ein sehr guter Samurai, zudem war er auch noch 4 Jahre älter als ich. Somit war er fast mein Lehrmeister gewesen, zumindest früher. Wir unternahmen immer noch viel gemeinsam und er war eigentlich immer an meiner Seite, wohl hatte mein Vater ihn beauftragt ein Auge auf mich zu werfen, auch wenn er wusste, dass ich sehr gut auf mich selbst aufpassen konnte. "Akizuki? Kommt wir gehen raus, die Versammung ist beendet. Ihr habt doch nichts dagegen, oder?" Seine Aufforderung war an mich gerichtet, doch die Frage galt meinen Vater und als dieser mit dem Kopf schüttelte, zeigte sich ein Lächeln auf Sakuma's Gesicht. "Super! Ich muss euch was zeigen!" Er packte mein Handgelenk und zog mich hinter sich her aus der Halle hinaus ins Freie. Da es drinnen sehr dunkel gewesen ist, wurde ich nun erst mal von der Sonne geblendet, weshalb ich die Augen zusammenkniff. "Was ist denn los Sakuma?" Ich war stehengeblieben, da ich ohnehin nichts sehen konnte und versuchte ihn zumindest zu erkennen. "Das werdet ihr gleich sehen! Es wird euch gefallen." Ich hasste es, wenn er das tat, doch beschloss ich, dass eine Diskussion keinen Sinn machen würde und folgte ihm schliesslich, nachdem ich mein Handgelenk befreien und wieder etwas sehen konnte. "Wo gehen wir hin?" Ich konnte es nicht abwarten, denn ich liess mich nicht gern überraschen, ich wusste gern was auf mich zukam, denn so wurde ich erzogen >immer wachsam sein<. "Jetzt warte es doch einfach ab!", gab er nur abwinkend zurück, grinste dabei aber die ganze Zeit. Dieses Grinsen wollte mir nicht gefallen, irgendwie hatte es was Unheimliches und ich hatte das Gefühl, dass er was ausheckte, wobei das gar nicht zu ihm passen würde. Langsam durchschritten wir die Strassen von Edo und erreichten schliesslich eine Anhöhe, von der man wunderbar nach unten blicken konnte, die Sonne war gerade im Begriff unterzugehen und färbte die Stadt in ein herrlich leuchtendes Orange. Schon allein für diesen Anblick war es wert gewesen, hierher zu kommen, doch die Frage, was Sakuma genau von mir wollte, blieb immernoch offen. Wir hatten einen guten Blick auf den grossen Platz mitten in der Stadt und Sakuma war auch stehengeblieben, schaute erwartungsvoll nach unten und schüttelte nur mit dem Kopf, als ich ihn ansprechen wollte. Also langsam nervte es mich wirklich, ich war nicht in der Stimmung für diese Geheimniskrämerei und seufzte langgezogen. "Jetzt wartet's einfach ab, das ist der Wahnsinn, sie haben mit Schiesspulver experimentiert, seht es euch an, sobald die Sonne untergegangen ist …", sagte er nun doch und grinste mich breit an. "Na schön, dann warte ich! Aber allein schon diesen Sonnenuntergang zu sehen, war es wert, herzukommen." Ich lehnte mich auf die Brüstung der Anhöhe und schaute nach unten, beobachtete das Treiben der Menschen. Seltsamerweise war eine Stelle völlig frei, eine grosse Menge hatte einen Kreis um diesen Platz gebildet und in diesem Kreis waren gerade mal zwei Leute, die irgendwas zu machen schienen, was ich aber von hier oben nicht erkennen konnte. Allmählich versank die Sonne und die ersten Sterne tauchten am Himmel auf, weshalb ich automatisch meinen Blick nach oben richtete. Ich mochte die Sterne und könnte sie manchmal stundenlang einfach nur betrachten, es war ein herrliches Gefühl, so entspannt bei Nacht dazuliegen und in den Himmel zu starren. Bei diesen Gedanken musste ich wohl einen etwas glückseeligen Gesichtsausdruck gemacht haben, denn mein Freund stiess mir sanft mit dem Ellenbogen in die Rippen. "Hey, an was denkt ihr gerade? Ein Mädchen?" Seine Worte liessen mich zusammenzucken und ich spürte zeitgleich wie mein Herz einen Schlag aussetzte und dann heftig zu rasen anfing. Es war fast, als wenn er mich bei etwas unsittlichem ertappt hätte, dabei dachte ich nichtmal an Mädchen. Schliesslich war ich verlobt, wenn dies auch von meinem Vater arrangiert worden war und ich ihr noch nie begegnet bin bisher. Ich hielt auch nicht viel von dieser Verlobung, denn ich war mir sicher, dass ich dieses Mädchen nicht lieben könnte. Wie sollte ich auch? Wenn ich sie noch nie gesehen hatte. "N-Nein! Wie kommst du denn darauf? Ich habe nur gerade über die Sterne nachgedacht. Hör auf mich immer zu ärgern." Er musste lachen und ich warf ihm einen leicht beleidigten Blick zu! Immerhin lag meine Bestimmung im Kampf und ich wusste, dass dieser früher oder später kommen würde und ich wollte darauf vorbereitet sein, da hatte ich keine Zeit über Liebe und Beziehungen nachzudenken. "Na schon okay ... Oh seht! Es geht los!" Das war ja mal wieder typisch, keine Entschuldigung, dafür aber eine Ablenkung. Leicht lächelnd schüttelte ich den Kopf und folgte mit dem Blick seinem Arm, der auf den freien Platz zeigte. Plötzlich löste sich irgendwas daraus mit einem lauten Knall und flog hoch in die Luft, wo es erneut knallte und ein bunter Feuerregen entstand. Wie hypnotisiert starrte ich auf die Stelle, obwohl das Licht längst erloschen war, denn so etwas hatte ich noch nie gesehen. "Wow!" Mehr brachte ich nicht hervor und war auch nicht im Stande mich zu bewegen, oder in das vielsagend grinsende Gesicht von Sakuma zu schauen. "Ich habe es euch ja gesagt." Erneut erklang ein Zischen und ein Knall, gefolgt von einem Surren, als es in die Luft stieg, wo es erneut knallte und wieder bunter Regen entstand. Immer schneller schossen die Gebilde in die Luft und liessen bald den Himmel in Regenbogenfarben leuchten, was wirklich ein atemberaubender Anblick war. Das Spektakel zog sich noch eine ganze Weile hin und ich spürte, wie es mich mitriss, wie mein Herz gegen meine Rippen pochte und ich mich unbewusst mit den Fingern in das Geländer der Brüstung krallte. Mit einem Satz stand ich nun auf dieser und starrte weiter zum Himmel. Wenn ich abgerutscht wäre, oder das Gleichgewicht verloren hätte, wäre es um mich geschehen gewesen, dies schien auch Sakuma zu wissen und klang nun ganz aufgeregt. "Seid ihr verrückt? Kommt bitte sofort da runter! Wisst ihr, was euer Vater mit mir macht, wenn ich ohne euch zurückkomme? Bitte tut mir das nicht an!" Nun konnte ich endlich meine Augen vom Himmel abwenden und blickte hinab in das flehende Gesicht meines Freundes, wobei ich ihn sanft anlächelte. "Okay! Beruhige dich, ich wär schon nicht runtergefallen." Schnell drehte ich mich auf dem Absatz um und sprang wieder runter, Sakuma war sehr erleichtert und seufzte schwer. Das Lichterspektakel fand auch sein Ende und ich lehnte mich nun mit dem Rücken gegen die Brüstung, so dass ich meinen Freund ansehen konnte. Er war etwas grösser als ich, hatte braune Haare und wie es die Tradition verlangte einen Zopf, da er ebenso ein Samurai war wie ich. Ich trug auch einen Zopf, wenn es mir auch nicht gefiel. An seiner Hüfte steckten zwei Schwerter und an meiner auch. Nie verliess ich das Anwesen ohne meine Schwerter. Ausser den Samurai war es ohnehin niemandem gestattet bewaffnet herumzulaufen, zumindest nicht, wenn die Waffen länger als ein Kurzschwert waren. Wir lebten wahrlich in einer friedlichen Zeit. Die Frage die offen blieb war: >Wie lange noch?< Lässig stützte ich meine Ellenbogen auf das Geländer und überstreckte meinen Kopf in den Nacken, um wieder in den Himmel zu schauen. "Sag Sakuma? Es wird zum Krieg kommen, oder?" Eine Weile schwieg er und liess meinen Kopf wieder nach vorn rucken, um ihn anzusehen. "Ich denke schon ... Unsere Gegner wollen ja die Ausländer vertreiben und das Land geschlossen halten, damit treiben sie uns aber in die Isolation. Ich denke es wird nicht ewig ruhig bleiben, die Situation wird irgendwann eskalieren." Ich war wirklich froh, dass er so ehrlich zu mir war und mir kein rosa rotes Leben vorgaukeln wollte, denn das war es bei weitem nicht. "Danke!", sagte ich und lächelte dann. "Komm! Lass uns zurückgehen, es ist schon spät und ich denke, ich würde gern etwas schlafen. Ich danke dir, dass du mir das gezeigt hast, es war wirklich herrlich." Noch ehe ich zu Ende gesprochen hatte, setzte ich mich wieder in Bewegung, um zurück zu gehen. "Keine Ursache, ich wusste, dass es euch gefallen würde", gab er zurück und folgte mir. "Ja ihr habt recht, ihr solltet schlafen und morgen trainieren wir wieder zusammen. Ihr seid wirklich begabt mit dem Schwert." Das wusste ich auch selbst, doch prahlte ich nicht mit meinen Fähigkeiten, hatte ich sie erst wenige male zum Einsatz bringen können und bin immer unbeschadet davon gekommen. "Ja, das werden wir. Ich danke dir, dass du dich immer so für mich einsetzt und immer an meiner Seite bist." "Nun ... das habt ihr eurem Vater zu verdanken, wobei ich es wirklich gerne mache, zu Anfang jedenfalls war es noch eine Pflicht, mittlerweile kann ich es mir nur noch schwer vorstellen, euch nicht zu begleiten." So war es aber wirklich, mein Vater war immer sehr besorgt, obwohl er dazu keinen Grund hatte, weshalb er mich selten alleine ausgehen liess, aber wenn Sakuma an meiner Seite war, war es egal, dann fühlte er sich sicher und sein Gewissen beruhigt. Dies brachte mich doch tatsächlich dazu, meine Mundwinkel zu einem kleinen Schmunzeln zu verziehen. "Ich weiss und dafür danke ich dir. Du bist der beste Freund, den man sich vorstellen kann." Nun zeigte sich auch ein Lächeln auf seinem Gesicht, ich wusste, dass es ihn freute, wenn ich so etwas sagte, aber ich meinte es auch ernst. So schlenderten wir noch eine Weile durch die kleinen Gassen, ehe wir das Anwesen erreichten, wo ich mich von Sakuma verabschiedete und allein in meine Gemächer zurückzog, um meinem Körper und meinem Geist eine Ruhepause zu gönnen. 2022 Realität Ich fuhr aus dem Schlaf und schaute mich verwirrt um, mein Atem ging rasch und mein Herz pochte wie verrückt gegen meine Rippen, dass es weh tat. Was war denn das gerade? Das war unheimlich real! Ich brauchte wirklich einen Moment, bis ich mir im Klaren wurde, dass ich in meinem Appartement auf meinem Sofa sass, denn ich hatte mich aufgerichtet, als ich aufgewacht war. Dieser Traum war wirklich seltsam, ich verstand nicht, wieso ich diesen Traum hatte und wieso ich mich auch noch an jede Einzelheit erinnern konnte. Ich wurde anscheinend in der Zeit zurückversetzt und habe wohl das erste Feuerwerk gesehen, allerdings fragte ich mich, ob es sich wirklich so zugetragen hatte. Reflexartig griff ich an meine Hüfte, doch dort war nichts, keine Schwerter. "Seltsam …", murmelte ich leise und rieb mir die Augen. Es war ziemlich dunkel, nur das Steckdosenlicht brachte etwas Helligkeit in den Raum, die aber für meine verschlafenen Augen ausreichend war. Mein Bein tat auch auch nicht mehr weh, weshalb ich es nun vom Sofa nahm und mich vorsichtig erhob, dabei fiel mein Blick zur Uhr, die gerade mal 2 Uhr in der Nacht anzeigte. "Wirklich seltsam ..." Langsam schritt ich durch den Raum und merkte dabei, dass das Auftreten nun auch kein Problem mehr war, weshalb ich den Eisbeutel zurück in den Kühlschrank brachte. Normalerweise wachte ich nachts nicht auf und normalerweise träumte ich nicht von meiner liebsten Zeit, wo ich mich anscheinend selbst hineinversetzt hatte. Nur war ich mir nicht sicher, ob das ein Hirngespinst war, oder tatsächlich damals so passierte. Seufzend blickte ich aus dem Fenster und betrachtete mir den Nachthimmel, an dem keine Wolke zu sehen war, weshalb man die Sterne gut erkennen konnte, trotz der vielen Lichter, die von den ganzen Hochhäusern ausgingen. Aber da ich etwas abseits wohnte und nicht mitten in der Stadt, war dies möglich. Mein Körper zuckte zusammen und meine Hand fing an zu zittern; ich spürte wie mein Herz immer schneller wurde wie bei einem Galopprennen und drehte mich mechanisch – wie in ein Zeitlupe – um, um in den Raum zu schauen. Dort war es! Das kleine schwarze Buch lag unschuldig auf dem Tisch vor dem Sofa. Wie konnte ich das nur vergessen? Hatte mein Traum vielleicht etwas damit zu tun? Immerhin wurde ich in diesem >Keiichi< genannt und das war der Name des Autors des Tagebuchs, welches nun auf meinem Tisch lag. Nun wusste ich, dass ich sicher nicht mehr schlafen können würde und begab mich deshalb schnell zurück zum Sofa, wo ich mit immer noch zitternden Fingern nach dem Buch griff und es vorsichtig anhob als wäre es etwas Zerbrechliches. Behutsam hielt ich es eine Weile fest und betrachtete es gebannt. Man hätte meinen können, ich erwarte, dass es mir seinen Inhalt von sich aus erzählen würde, wenn ich es nur lange genug anstarre. Schliesslich löste ich eine Hand von dem Deckel und schlug es auf. Wieder konnte ich den Namen lesen und zeitgleich mein Blut in meinen Ohren rauschen hören, fast so wie wenn ich mir eine Meeresmuschel an mein Ohr halten würde. Mit zunehmender Nervosität strich ich über die Zeichen des Namens, sie waren blass, aber noch gut erkennbar, liess meine Hand dann über die Seite gleiten und bewegte meine Finger so, dass ich es umblättern konnte. Es war wirklich ein unbeschreiblicher Schatz, dieses Buch! Der erste Eintrag war vom 16. August 1860! Lange starrte ich das Datum an, traute mich nicht den Text zu lesen, doch wusste ich nicht wieso. Ich wusste nicht, wovor ich Angst hatte. Vielleicht, dass sich herausstellen könnte, dass mein Traum kein Traum war, sondern eher so was wie eine Vision, eine Reise in die Vergangenheit. Doch wieso nur war es so verdammt realistisch? Und wieso passierte das ausgerechnet mir? Schliesslich liess ich meine Augen doch weiter sinken und begann zu lesen. Kapitel 3: 節子 Setsuko - Verbindung ---------------------------------- 1860 – Tagebuch Eigentlich hätte ich nie gedacht, dass ich jemals Tagebuch schreiben würde, aber die heutigen Ereignisse haben mich dazu veranlasst, es niederzuschreiben, so dass ich mich später irgendwann wieder genau daran erinnern kann. So ein Tagebuch kann durchaus praktisch sein, ausserdem macht es noch Spass die erlebten Dinge aufzuschreiben. Natürlich bleibt es geheim, da es mein Eingentum ist und ein Tagebuch nun wirklich was sehr Privates ist, aber ich denke, dass es durchaus helfen kann, um sich selbst zu ordnen. Wo fang ich denn am besten an? Achja ... Der Tag war eigentlich wie immer, die Privatschule steht bereits und ich besuche sie jeden Tag, um Englisch zu lernen. Es macht mir grossen Spass und es ist wirklich interessant. Doch leider hat sich zu allem Übel die allgemeine Situation des Landes zugespitzt, so dass die Gegener unseres Clans – des Shogunats – immer angespannter werden und zu unüberlegten Handlungen neigen. Ständig patroullieren wir durch die Strassen und versuchen sie davon abzuhalten die Auslänger einfach abzuschlachten, wie es schon einige male vorgekommen war. Sie haben es hauptsächlich auf die Engländer abgesehen und wollen diese aus unserem Land wieder vertreiben, dabei ist diese Sprache wirklich nicht schwer zu erlernen und könnte durchaus praktisch und von grossem Nutzen sein, wenn wir es endlich geschafft haben unser Land in ein neues Zeitalter zu führen. >Ein Zeitalter des Fortschritts!< Allerdings wollen wir dadurch unsere Kultur keineswegs verraten, oder verändern, ich bin nur der Meinung, dass wir einiges von der westlichen Zivilisation lernen können und auch übernehmen sollten. Leider sind nicht alle dieser Meinung und das erschwert die Verhandlungen mit den Briten sehr, doch bisher haben wir es geschafft die Aufstände niederzuschlagen und unsere Position zu behaupten. Auch wenn ich nun gerade mal 17 Jahre alt bin, so bin ich ein Meister im Umgang mit dem Schwert. In den letzten zwei Jahren habe ich unzählige Kämpfe ausgestanden und die Regierung verteidigt. Ich weiss gar nicht, ob das, was ich hier schreibe überhaupt von Belang für ein Tagebuch ist, allerdings meiner Ansicht nach gehört es dazu, dass man meinen Tag besser verstehen kann. Vielleicht werde ich dieses Buch irgendwann mal meinen Kindern geben, falls ich jemals welche haben werde. Es ist schwer zu erklären, aber ich weiss, dass der Krieg nicht mehr allzufern ist. Die kleinen Schlachten, die jeden Tag geschlagen werden müssen, sind nur ein Tropfen auf dem heissen Stein, ich denke die Flutwelle wird bald über uns hereinbrechen und alles wegspülen, was wir aufgebaut haben. In Folge dessen wird unser Land dann hoffentlich endlich offen sein und wir müssen nicht mehr so isoliert leben.Wenn ich so darüber nachdenke wird mir ganz schlecht, auch wenn ich ein Kämpfer bin – zum Kämpfen geboren wurde – so macht es mir dennoch keinen Spass Blut zu vergiessen. Allein bei dem Gedanken spüre ich wie sich mein Magen dreht ... ich glaube ich brauche eine kurze Pause, ein bisschen frische Luft, meine Hand zittert leicht, ich kann den Pinsel kaum noch führen. Das hat gut getan! Ich glaube jetzt gehts mir besser, auch wenn ich noch immer meinen Puls spüre, der wesentlich schneller als normal schlägt. Ich wollte ja unbedingt etwas bestimmtes aufschreiben, weshalb ich dieses Buch überhaupt angefangen habe und das will ich nun auch tun. Nachdem die Sonne untergegangen war, patroullierte ich wieder mit einigen anderen meines Clans zusammen, durch die Strassen von Edo, um eventuelle Aufstände, oder Kämpfe zu vermeiden. Mein Ziel war es weitesgehend Eskallationen zu vermeiden und möglichst ohne Kampf den Streit zu schlichten, was natürlich nicht immer möglich war. Es schien ein ruhiger Abend zu werden und alles war friedlich, unsere Gruppe hatte sich aufgeteilt und ich war allein unterwegs. Sonst war immer mein Freund und Aufpasser – Sakuma – bei mir, doch dies war nicht notwendig, denn ich hatte ihn in der Schwertkunst längst übertroffen und auch sonst konnte mir kaum jemand das Wasser reichen. Doch plötzlich hörte ich einen gewaltigen Knall und schaute mich suchend nach der Ursache dafür um. Dann entdeckte ich ein grosses Feuer. Hatten diese Shochu – der andere Clan – doch tatsächlich die brittische Botschaft in Brand gesteckt. So schnell mich meine Füsse trugen, eilte ich zum Ort des Geschehens und erreichte ihn auch noch vor allen anderen aus meinem Clan. Dort fand ich jedoch niemanden mehr vor, was den Schluss zu liess, dass die Brandstifter schon geflohen waren. Allerdings hatte ich Schritte gehört, trotz des Knacken des Holzes, welches unter den heissen Flammen zerbarst und dem pfeiffenden Wind, konnte ich sie hören, weshalb ich beschloss um das Gebäude herum zu gehen. Auch diesmal hatte mich mein Instinkt und mein gutes Gehör nicht getäuscht! Da standen sie, zwei Samurai der Shochu. Wie es aussah, wollten sie von der Klippe aus ins Meer flüchten, aber der Zaun versperrte ihnen den Weg. Unmittelbar vor ihnen blieb ich stehen, mit der Hand am Griff meines Schwertes, bereit zum Kampf. Der eine hatte schwarzes Haar, etwas zerzaust und zu einem Zopf gebunden, der andere hatte ungewöhnlich helles Haar, irgendwie karamell farben und ebenfalls zu einem Zopf gebunden, jedoch hingen ihm rechts und links je eine Strähne nach vorne ins Gesicht. Ich hätte zu gern gewusst was in seinem Kopf vorging, als sich unsere Blicke trafen, denn der Schwarzhaarige griff nach seinem Schwert, wurde jedoch von dem Hellhaarigen davon abgehalten es zu ziehen. Obwohl ihm klar war, dass ich sie beide hätte töten können, hinderte er seinen Begleiter daran mich anzugreifen und sich zu verteidigen. Irgendwas war anders an ihm! Ich kann mir nicht vorstellen, dass er den Brand gelegt haben soll, seine Augen sprachen etwas anderes. Allerdings war es meine Pflicht die beiden in Gewahrsam zu nehmen und verurteilen zu lassen, immerhin hatte ich sie erwischt, aber durch sein Handeln und seine Augen, konnte ich es nicht. Schliesslich zog ich mein Schwert, ganz langsam und beobachtete die Reaktion der beiden. Der Hellhaarige hatte den Arm abwehrend vor seinem Begleiter ausgestreckt, der schon wieder im Begriff war sein Schwert ebenfalls zu ziehen, anscheinend wollte er wirklich nicht kämpfen. Ich muss sagen, dass ich seinen Mut bewundere, obwohl sein Leben eindeutig in Gefahr war, vor allem in Anbetracht der Dinge, dass noch mindestens zehn weitere Samurai des Shogunats hinter mir waren und wohl gerade die Vorderseite des Gebäudes checkten, machte er keine Anstalten sein Schwert auch nur zu berühren. Schliesslich durchschnitt ich mit einem gezielten Schlag den Zaun und schlug so ein Loch hinein, das gross genug war, dass die zwei ins Meer flüchten konnten. Der Schwarzhaarige zögerte auch nicht und sprang von der Klippe, während ich mein Schwert zurück in die Scheide steckte. Jedoch blieb der Hellhaarige stehen, starrte mich wie hypnotisiert an und bewegte sich nicht. Ich muss zugeben, dass mich dieser Anblick leicht amüsierte, denn es war offensichtlich, dass er wissen wollte, wieso ich ihnen half und sie nicht verriet, obwohl sie meine Gegner waren. Langsam schritt ich auf ihn zu und er starrte mich mich weiterhin an ohne sich zu bewegen, deshalb brachte er mich sogar dazu ihn kurz anzulächeln, ehe ich ihm einen sanften Schubs verpasste, so dass er rückwärts die Klippe hinabfiel. Ich blieb am Rand stehen und schaute ihm beim Fallen zu, er hörte einfach nicht auf mich anzustarren, bis er von den Wellen verschluckt wurde. Dann wandte ich mich um und ging wieder zur Frontseite der Botschaft, erzählte meinen Clansmitgliedern, dass ich niemanden gesehen hatte, ehe ich mich auf den Weg nach Hause machte. Ich verstehe einfach nicht, was diesen Kerl dazu veranlasst hatte so zu handeln, es war mir wirklich ein Rätsel und dann noch sein Blick ... Seine Augen klebten förmlich an mir und wollten gar nicht mehr loslassen. Ich glaube, wenn ich ihn nicht hinuntergestossen hätte, würden wir immer noch dort stehen und uns anstarren. Obwohl er eigentlich mein Feind sein sollte, kann ich nicht anders, als darüber nachzudenken, denn er hatte sich nicht wie ein Feind verhalten. Mit gemischten Gefühlen schreibe ich diese Worte hier auf, obwohl ich noch nicht genau weiss wozu ich das mache, da ich nicht glaube, dass ich diesen Mann nochmals wiedersehen werden. Vielleicht hat er den Sturz auch gar nicht überlebt?! Es bringt also nichts weiter darüber nachzudenken. Es ist schon spät, ich werde nun den Eintrag für heute beenden und das Buch schliessen. Es ist allein mein Geheimnis, was bei der Botschaft passiert war und so lange niemand mein Buch liest – wozu ohnehin niemand befugt ist – wird das auch so bleiben. Allerdings bin ich schwer am überlegen es Sakuma zu erzählen! Ihm konnte ich schon immer vertrauen und alles erzählen, er hatte mich immer unterstützt und beschützt, egal was passiert war, ich konnte immer auf ihn zählen. Er ist wie ein grosser Bruder für mich und mein bester Freund, ich bin sicher, dass ich es ihm anvertrauen kann, allerdings will ich noch eine Nacht darüber nachdenken. Sollte ich es ihm sagen, werde ich es aufschreiben, denke ich. Der Mond scheint hell durch das Fenster in meine Gemächer und ein leiser Wind streichelt durch die Bäume und lässt sich Blätter tanzen. Ein wirklich schöner Anblick! Ich spüre wie sich mein Herzschlag dabei beschleunigt, ich könnte ewig so aus dem Fenster schauen, doch die Ereignisse es Tages schlagen mir aufs Gemüt, ich spüre die wie die Erschöpfung an meinem Körper nagt, wie ein Hund an einem Knochen, ich muss mich dringend ausruhen und etwas Schlaf suchen, auch wenn ich nicht weiss, ob dieser erholsam sein wird, ich muss es zumindest versuchen. Deshalb ist dies nun mein letzter Satz für den heutigen Tag! Wer bist du – unbekannter Samurai mit dem ungewöhnlich hellem Haar und den natur braunen Augen? Und wieso kann ich nicht aufhören über dich nachzudenken? Keiichi Akizuki, Edo – 18. August 1860 2022 Realität Mit leicht zitternden Händen hielt ich das Buch fest und starrte auf die Zeilen, die ich so eben gelesen hatte. Konnte das wirklich sein? Ich hatte wohl tatsächlich von diesem Keiichi geträumt. Aber wieso? Mein Herz schlug mir bis zum Hals und mein Atem ging schwer. Vorsichtig klappte ich das Tagebuch wieder zu und legte es auf den Tisch zurück, ehe mich zurücklehnte und den Kopf in den Nacken überstreckte, um mit geschlossenen Augen tief durchzuatmen. Ein seltsames Gefühl machte sich in meinem Inneren breit, das Gefühl diese Szene zu kennen, sie erlebt zu haben, denn ich hatte alles was ich gelesen hatte wie einen Film vor meinem inneren Auge abspielen gesehen, fast so als wenn ich live dabei gewesen wär. Ja, sogar die Hitze des Feuers, der brennenden Botschaft konnte ich spüren. Was war das nur für ein eigenartiges Gefühl? Woher kam es und wieso um alles in der Welt hatte ich nun dieses Buch und träumte noch – unabhängig davon, ob ich es gelesen hatte oder nicht – von dem Autor, wobei ich selbst in meinem Traum >Keiichi< gewesen bin. Das ganze machte mich so verrückt, dass ich meine Beine anzog und mir durch die Haare wuschelte, dann legte ich meine Stirn auf die Knie und beide Hände auf meinen Hinterkopf. "Kann es sein? Aber das ist unmöglich!" Ich sprach laut mit mir selbst, da es mir manchmal half die Tatsachen besser zu begreifen und zu verarbeiten. Denn das was hier gerade ablief war mehr als nur verrückt! Fehlte ja nur noch dass dieser >unbekannte Samurai, mit dem ungewöhnlich hellem Haar< Kusaka hiess. Verwirrt schüttelte ich den Kopf und richtete mich wieder auf, starrte das Buch an, das mich zurückanzustarren schien, als wollte es mir sagen >Lies weiter, dann wirst du alles erfahren!< "Nein! Verdammt ... Das ist verrückt! Das ist alles verrückt und unmöglich! Ich weigere mich!" Nun wurde ich sogar richtig laut und schleuderte das Buch in meinem Ausbruch vom Tisch, so dass es gegen die Wand prallte und aufgeschlagen auf dem Boden liegen blieb. Mit wild pochendem Herzen und angehaltenem Atem schaute ich auf die Stelle und spürte wie mein ganzer Körper zitterte. Das passte überhaupt nicht zu mir. Normalerweise war ich nicht so unbeherrscht und schon gar nicht wegen eines Buchs. Keuchend schnappte ich nach Luft und spürte zeitgleich meinen Puls in meinem Kopf, was ziemlich dröhnte, weshalb ich die Augen zusammenkniff. Langsam hob ich meine Lider wieder an, was irgendwie mit einem elektrischen Rollo vergleichbar gewesen wär und erhob mich schliesslich, um das Buch wieder aufzuheben. Ohne zu lesen, klappte ich es wieder zu und steckte es nun in meine Schreibtischschublade, der unter dem Fenster stand. Ich hatte nun wirklich keine Lust mehr damit konfrontiert zu werden, erst dieser merkwürde Traum, dann noch dieser Tagebucheintrag und um dem ganzen die Krone aufzusetzen >Die Begegnung mit Shuichi Kusaka< Das war wirklich genug Verwirrung für einen Tag, zumal mein Kopf gerade ziemlich überlastet war und ich eigentlich einfach nur schlafen wollte. Andererseits hatte ich Angst, dass ich dann wieder sowas seltsames träumen würde, weshalb ich beschloss mich anzuziehen und die Wohnung zu verlassen, dabei war es mir völlig egal, dass es drei Uhr in der Nacht war. Schnell war ich in meine Schuhe geschlüpft und warf mir noch eine leichte Jacke über, auch wenn es Sommer war, so wurde es nachts doch recht kühl, dann verliess ich die Wohnung und zog einfach die Tür hinter mir zu. Ich war mir sicher, dass ein Spaziergang mitten in der Nacht nun genau das Richtige für mich war, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Was sollte das überhaupt alles? Wieso passierte das überhaupt mir? Ich wollte doch einfach nur ein normales Leben führen, als ob mich das Schicksal nicht schon hart genug geschlagen hätten. In diesem Moment fühlte ich mich, als würde ich ein Zehn-Tonnen-Gewicht mit mir rumtragen, das mich zu erdrücken drohte. Unten angekommen verliess ich dann das Haus und zog erst mal tief die frische Nachtluft ein, atmete dann seufzend aus, steckte anschliessend meine Hände in die Jackentaschen und machte mich auf den Weg. Wohin wusste ich nicht, denn ich verfolgte kein bestimmtes Ziel, ich wollte mich einfach nur ein bisschen bewegen und einen freien Kopf bekommen, denn in diesem Zustand war es mir weder möglich zu schlafen noch zu lernen. Was hatte dieser Traum zu bedeuten? Wieso war die Person in meinem Traum und die aus dem Tagebuch die selbe? Das konnte doch kein Zufall sein! Meine Beine trugen mich durch die Strassen der leuchtenden Stadt, wobei ich instinktiv einen abgelegenen Ort suchte, wo weniger Getümmel war und ich in Ruhe nachdenken konnte, weshalb ich – ohne es bewusst eingeschlagen zu haben – bald im Park landete. Dort drang ich tiefer in das Innere vor, um mich mehr von der Stadt abzukapseln, bis ich an einen kleinen Teich gelangte und mich auf einer Bank niederliess. Seufzend überstreckte ich den Kopf in den Nacken und starrte in den Himmel. Die Schemenhaften Baumkronen um mich herum tanzten sanft in der kühlen Sommerbriese, die durch die Blätter strich. Der Mond leuchtete hell und auch die Sterne gaben ein schönes Bild, es war wirklich unheimlich friedlich und es tat mir gut einfach nur dazusitzen und in die Luft zu starren. Allerdings konnte ich meine ganzen Fragen nicht vergessen und so kam ich wieder ins Grübeln, weshalb ich meine Ellenbogen auf meine Beine stützte und mein Gesicht in meinen Händen vergrub. So konnte ich dem Wind lauschen und dem plätscheren des Wassers, wenn sich die Oberfläche bewegte, was wieder etwas Ruhe in mein Inneres einkehren liess. Es war kaum zu fassen, aber diese ganze Geschichte und diese Ereignisse schlugen wie ein Hammer immer wieder auf meinen Kopf ein, so dass es mir fast nicht mehr möglich war überhaupt zu denken. Ich war so vertieft in meine Entspannung, dass ich gar nicht mitbekam, wie sich jemand näherte – womit ich um diese Uhrzeit an einem Ort wie diesem, auch absolut nicht gerechnet hätte – weshalb ich ziemlich erschrocken zusammenzuckte, als ich plötzlich an der Schulter berührt wurde. "Akizuki?" hörte ich eine fragende Stimme und versuchte im schwachen Mondlicht etwas zu erkennen. Aber das Gesicht meines Gegenübers war in Schatten gehüllt, da er mit dem Rücken zum Mond stand, allerdings war seine Stimme unverkennbar und ich wusste, >wen< ich da vor mir hatte. Noch immer pochte meine Herz wild gegen meine Rippen, als ich mich innerlich langsam von dem Schreck erholte, denn immerhin war es hier totenstill, bis auf die Geräusche der Natur und plötzlich berührt zu werden, wenn man in Gedanken versunken war, brachte nie eine positive Reaktion hervor. "Kusaka?" versuchte ich mich zu vergewissern, dass meine Intuition richtig war. "Ja durchaus. Ich habe wirklich nicht gedacht, dass ich jemanden um diese Uhrzeit hier treffen würde und dann ausgerechnet dich. Das muss nun langsam eine Fügung des Schicksals sein." Er liess sich neben mir nieder und lächelte mich, was ich nun sehen konnte, da sein Gesicht vom Mond angeschienen wurde. Seine Worte gaben meinem ohnehin verwirrten Geist das Tüpfelchen auf dem >I<. Ich brauchte einen Moment um meine Fassung zurückzuerlangen. "Was machst du mitten in der Nacht im Park?" redete Kusaka weiter, offenbar um ein Gespräch anzufangen und Stille abermals zu unterbrechen. "Ich wollte meinen Kopf frei kriegen ..." gab ich nur zurück ohne ihn anzusehen. Denn mir ging sein smartes Grinsen auf die Nerven. Immer wenn ich ihn anschaute, grinste er so überfreundlich und zu allem Übel wirkte es auch noch auf eine seltsame Art und Weise anziehend. "Verstehe ..." antwortete Kusaka und brachte mich nun doch dazu ihn anzusehen. "Und was machst du mitten in der Nacht im Park?" "Nun ... ich konnte nicht schlafen, da dachte ich ein Spaziergang an der frischen Luft würde mir gut tun." Seltsamer Weise war Kusaka aus dem selben Grund im Park wie ich. Langam wurden mir diese Zufälle doch ganz schön unheimlich. Vor allem in Kombination mit diesem echt seltsamen Traum und dann diesem Tagebuch. "Nicht einfach die Stadt zu wechseln, was?" fragte ich, um das Gespräch am Laufen zu halten. Aus irgendeinem Grund wollte ich mich weiter mit ihm unterhalten, auch wenn er Teil der Ursache für meine Verwirrung war. "Das auch, aber hauptsächlich weil ich glaube Visonen gehabt zu haben. Ich habe seltsame Bilder gesehen, sie waren sehr schnell wieder weg und es waren auch nur Ausschnitte, aber ich konnte einiges daraus erkennen und eins weiss ich sicher, dass es Bilder aus der Vergangenheit waren. Der geschichtlichen Vergangenheit mein ich, nicht meiner eigenen. Wobei mir das alles sehr vertraut vorkam, als wär ich wirklich dort gewesen. Das war so verrückt, dass ich nicht schlafen konnte, ich versuchte es, aber ich konnte nicht aufhören darüber nachzudenken, deshalb habe ich dann das Haus verlassen und dachte dass es mir hilft ein bisschen frische Luft zu tanken." Aufmerksam hatte ich ihm zugehört und spürte wie mein Herz mit jedem Wort seine Geschwindigkeit immer mehr erhöhte. Das konnte doch nun wirklich nicht die Realität sein. Das war einfach zu verrückt. Kusaka hatte Visionen? Ich hatte einen Traum und ein Tagebuch. Was wenn der Samurai – den Keiichi Akizuki getroffen hatte – auch Kusaka hiess? Was wenn meine Begegnung mit Shuichi wirklich kein Zufall war und vom Schicksal gelenkt wurde? Aber daran glaubte ich eigentlich nicht. Jedoch liessen die Ereignisse der letzten Stunden keinen anderen Schluss mehr zu. Oder aber ich verlor den Verstand! Ja, das könnte es sein! Völlig in meine Gedanken versunken starrte ich Kusaka fast hypnotisch an. "Alles in Ordnung, Akizuki?" fragte er deshalb besorgt und riss mich so aus meiner Trance. Verwirrt blinzelte ich einige male und schüttelte dann leicht den Kopf, um meine Sinne zu sortieren. "J-Ja ... alles okay. Deine Geschichte eben ... ich war nur so überrascht, weil ... nun um ehrlich zu sein. Der eigentliche Grund, weshalb ich hier bin ist ... weil ... weil ich einen seltsamen Traum hatte, der mich ziemlich verwirrte. Aber der Auslöser für meine >Flucht< aus meiner Wohnung war, das Tagebuch." Ich blickte ihn bedeutungsvoll an und liess eine Pause entstehen. Kusaka schien zu wissen, dass ich noch nicht fertig war, denn er sagte nichts, schaute mich nur die ganze Zeit erwartungsvoll an und unternahm nichts meine Pause – die ich offensichtlich zur Spannungserzeugung machte – zu unterbrechen. Schliesslich schloss ich meine Augen für einen kleinen Moment und liess mir den leichten Wind durch die Haare wehen, holte dabei tief Luft und atmete geräuschvoll seufzend aus. Dann öffnete ich meine Augen wieder und sah Kusaka an. Da! Wieder dieses smarte Lächeln. Was sollte das? Was wollte er damit bezwecken? Wieso war der Kerl so verdammt freundlich? Ich verstand es einfach nicht, schüttelte deshalb den Kopf und holte erneut tief Luft, um mich auf meine Aussage vorzubereiten. "In meinem Traum war ich jemand, der in der Edo-Zeit lebte und Mitglied beim Shogunat gewesen ist. Er besuchte ein Feuerwerk zusammen mit seinem Freund. Als ich aufwachte musste ich mir erst mal im klaren darüber werden, was ich da gesehen hatte und dass es nur ein Traum war. Es war so wahnsinnig realistisch. Da ich nun einmal wach war, beschloss ich in das Tagebuch hineinzulesen. Doch nun bin ich mir nicht mehr so sicher, ob das nicht ein Fehler gewesen ist. Ich musste feststellen, dass der Autor des Tagebuchs die Person aus meinem Traum gewesen ist – Keiichi Akizuki! Naja ... und er schrieb vom Botschaftsbrand. Davon hast du sicher schon in den Geschichtsbüchern gelesen. Er wollte die Übeltäter verhaften, aber diejenigen, die er dort vorfand, waren – seiner Meinung nach – unschuldig. Er glaubte es in den Augen des einen Samurais gesehen zu haben. Er verhalf ihnen zur Flucht und durchschnitt den Zaun, öffnete eine Passage zum Meer. Ich verstehe nicht, was ich mit diesem Buch zu schaffen habe. Wieso träume ich vom Leben des Autors? Ich weiss doch gar nicht, was er gemacht hat." Ich wusste nicht, wieso ich ihm das alles erzählte, wo ich ihn doch kaum kannte. Aber Kusaka hatte etwas vertrautes an sich. Irgendwas an ihm gab mir das Gefühl ihn schon sehr lange zu kennen und dass ich ihm vertrauen konnte. Jedoch hatte ich ihm bewusst die Sache mit dem Samurai verschwiegen, dass sein Haar – wie Keiichi selbst formuliert hatte – karamell farben gewesen ist und das zufällig die selbe Haarfarbe von Kusaka war. Allerdings starrte mich dieser ziemlich überrascht und mit weit geöffneten Augen an. Er rang selbst einen Moment mit der Fassung und sein Lächeln war verschwunden. Aber nicht für lange, denn wenige Sekunden später, tauchte es auch schon wieder auf. "Akizuki?" flüsterte er und beugte sich dabei zu mir rüber. Was sollte das denn jetzt? Hier im Park, war weit und breit niemand und wir hatten die ganze Zeit normal gesprochen. "Weisst du was? Wenn du das schon für verrückt hälst, dann will ich dir den Inhalt meiner Vision erzählen." Seine ruhige Stimme bescheerte mir eine Gänsehaut, die sich aber nicht unangenehm anfühlte. Er zog sich wieder zurück und setzte sich aufrecht hin. "Ich sah Bilder, gut sie waren abgehackt, aber dennoch konnte ich einige Details aufnehmen. Ich sah ein Feuer und wie ich offenbar von einem Zaun an der Fluch vor diesem gehindert wurde. Dann tauchte ein Samurai auf, der den Zaun zerschnitt und mich ins Meer stiess. Ich versank in den Fluten und konnte aber wieder auftauchen, schaffte es mich ans Ufer zu retten und ich bin nicht allein gewesen. Doch wer bei mir war weiss ich nicht." endete er schliesslich und blinzelte nicht einmal zwischen seinen Worten, offenbar wollte meine Reaktion darauf genau beobachten. Aber das war auch total verrückt! Nun überschlugen sich die Ereignisse vollkommen. Wie konnte das sein? Wie konnte er die Bilder gesehen haben, die ich im Tagebuch gelesen hatte? Nein! Moment mal ... er sah die Bilder aus der Sicht des Samurais mit dem hellen Haar! "Kusaka?" hauchte ich mit fast tonloser Stimme und räusperte mich dann, um wieder deutlicher sprechen zu können. "Kusaka? Du weisst nicht zufällig wie der Samurai hiess aus dessen Sicht du die Ereignisse gesehen hattest?" Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme zitterte, denn mein Herz schlug mir bis zum Hals. Allerdings wurden meine Erwartungen enttäuscht und er schüttelte den Kopf, senkte anschliessend den Blick und betrachtete sich seine Finger. "Nein, tut mir leid. Ich weiss es nicht, da ich ja auch nur sprunghafte Ausschnitte gesehen habe. Aber wenn du das Buch weiterliest, dann erfährst du es bestimmt." Das musste ja so kommen, dass er auf das Buch zu sprechen kam, dabei wollte ich es wirklich nicht wieder in die Hand nehmen. "Da könntest du recht haben. Mich würde ja auch interessieren, was noch so drin steht, aber ich finde, dass die Ereignisse gerade genug waren und ich eigentlich noch für die Semsterprüfungen lernen muss." antwortete ich und nahm mir fest vor, das Buch – bis zum Abschluss des Semesters – nicht mehr in die Hand zu nehmen. "Würdest du mir einen Gefallen tun?" platzte ich deshalb heraus und blickte ihn nun gespannt an. Ich wusste selbst nicht wieso ich mich so verhielt, aber ich war mir sicher, dass ich ihm vertrauen konnte und deshalb fragte ich ihn auch. Kusaka nickte und lächelte mich wieder so sanft an, dass mir ganz anders wurde. Eine leichte Briese brachte seine Haare zum wehen und ich war ganz fasziniert von diesem Anblick, dass es mir sichtlich schwer fiel mich davon loszureissen. "Ich will ... naja ich will nicht in Versuchung kommen. Ich habe es ... das Tagebuch mein ich. Ich hab es in meine Schreibtischschublade gesteckt und will diese abschliessen. Würdest du den Schlüssel für mich aufbewahren, bis das Semester vorbei ist? Auf diese Weise weiss ich dass ich es nicht lesen kann und kann mich so voll und ganz auf die Prüfungen konzentrieren." Auch wenn ich mir jetzt schon sicher war, dass es mich wahnsinnig machen würde, den Inhalt nicht zu kennen, aber so war es einfach das beste, denn ich musste die Prüfungen auf jeden Fall bestehen und musste ins nächste Semester kommen. "Ja, das ist kein Problem, ich nehm ihn einfach mit nach Hause und lass ihn auch dort, wenn ich zu dir kommen. Da ich dachte dass ich dich ein bisschen beim Lernen unterstützen könnte." Ich hatte eigentlich auch nicht mit Ablehnung gerechnet, deshalb sprang ich auch auf. "Gut, vielen Dank Kusaka. Dann ... nun ... Kommst du mit? Ich geb dir den Schlüssel zu der Schublade gleich." Er war auch aufgestanden und lächelte. "Ja, ich komme mit. Ich wollte dich ohnehin begleiten. Was macht eigentlich dein Bein?" Sein Blick wanderte an mir hinab und blieb auf meinem Knie hängen. "Oh ... das ... naja das geht wieder, ich hab es geühlt und ausgeruht. Halb so wild, ich bin es ja schon gewohnt." Nun lächelte ich auch und spürte wie mein Herz einen schnelleren Takt veranschlagte, weshalb ich den Blick schnell wieder von ihm abwand und mich in Bewegung setzte. "Aber danke, dass du fragst. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen." Stur hielt ich meinen Blick nach vorne gerichtet, aber ich spürte, dass Kusaka neben mir her lief. Nach einer Weile erreichten wir den Appartmentblock, wo sich meine Wohnung befand und gingen auch direkt hinein. Ich bot ihm an sich zu setzen, während ich meine Jacke ablegte und zum Schreibtisch ging. "Warte Akizuki. Wir wollen doch beide wissen, wer der andere Samurai war, dem Keiichi Akizuki zur Flucht verholfen hatte. Ich hab ihn nur kurz gesehen, aber anhand deiner Schilderung bezüglich des Inhalts des ersten Eintrags, geh ich davon aus, dass meine Vision und der Eintrag übereinstimmen nur dass ich der flüchtende Samurai war und nicht Akizuki, das warst dann wohl du." Ich hielt in meiner Bewegung inne und fuhr herum, blickte mit wild pochendem Herzen auf das Sofa, wo sich Kusaka niedergelassen hatte und wusste darauf nichts zu erwidern. Denn er hatte recht. Ich wusste dass es mich wahnsinnig machen würde, nicht zu wissen, ob der andere Samurai nun Kusaka war, oder nicht. "Worauf willst du hinaus?" fragte ich deshalb nur und versuchte meine bebende Stimme unter Kontrolle zu halten. "Ist das nicht offensichtlich? Ich will es wissen. Ich weiss du willst es nicht lesen bis die Prüfungen vorbei sind. Aber ich dachte, dass vielleicht ein weiterer Eintrag nicht schaden kann und wir dann so erfahren könnten, wer das war." Die Verlockung war wirklich ungemein gross und ich konnte ihr auch nicht wiederstehen. Ganz egal dass es nun bereits vier Uhr morgens war und ich noch nicht viel geschlafen hatte. Aber müde war ich ohnehin nicht, deshalb fiel es mir auch leicht zuzustimmen, denn danach würde mein Gewissen Ruhe haben und ich könnte mich hoffentlich endlich wieder auf das wirklich Wichtige im Leben konzentrieren. "Na gut ... " sagte ich langsam und wandte mich von ihm ab. Zögernd streckte ich meinen Arm aus und zog die Schreibtischschublade auf. Eine unendliche Sekunde starrte ich auf das kleine, schwarze Buch darin, ehe ich danach griff und es herausholte. Anschliessend setzte ich mich neben Kusaka auf das Sofa, legte das Buch auf den Tisch und seufzte leise. "Du weisst dass das verrückt ist, oder? Wir sind verrückt! Die ganze Geschichte ist verrückt! Du bist mitten in der Nacht in meiner Wohnung, obwohl ich dich nicht einmal 12 Stunden kenne. Aber irgendwie ... irgendwas ... Ich kann es nicht erklären ... es ... es ist eben verrückt!" Ich hatte keine Ahnung, was in mich gefahren war, dies jetzt zu sagen und ich wollte es eigentlich auch gar nicht wissen, aber ich spüre wie mein Gesicht heiss wurde, was nun wirklich ungewöhnlich war. "Ja stimmt. Das ist verrückt. Aber weisst du was? Ich finde es wahnsinnig spannend. Ich meine dass ich dich getroffen habe, war wirklich eine glückliche Fügung. Ich bin unheimlich froh darüber und ja ich weiss was du meinst. Ich habe das Gefühl, dich schon ewig zu kennen und dass ich dir alles sagen könnte. ... Ach ich schweife ab ... Lass uns das Buch lesen okay?" Er lachte kurz und wollte offenbar von etwas anderem ablenken. Ich war mir sicher, dass er eigentlich noch etwas anderes sagen wollte, aber er tat es nicht, also liess ich es dabei und nickte. "Ja lass es uns lesen." Meine Hand wanderte über den kleinen Tisch und griff nach dem Buch, zog es an den Rand und schlug es auf. Kusaka rutschte ganz dicht zu mir rüber, während ich mich hinabbeugte, um den zweiten Eintrag auszumachen. Unsere Köpfe lehnten gegeneinander und gemeinsam finden wir nun in Gedanken an zu lesen. Es war schon ein seltsames Gefühl, dass er mir so nah war, ich konnte den Duft von seinem Aftershave wahrnehmen und die Wärme seines Körpers spüren, was aus unerfindlichen Gründen seltsam kribbelnde Schauer durch meinen Körper jagte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)