Icecube von RedSky (Fortsetzung zu "Sugarcube") ================================================================================ Kapitel 7: lonesome Christmas ----------------------------- Er wischte sich mit dem Handrücken die warme Flüssigkeit von der Wange, die soeben sein Auge verlassen hatte. Einsam. Er kam sich einsam vor. Alleine. Verlassen. Leer. In ihm herrschte Leere und Chaos. Wut und Trauer. Warum hatte er das getan? Warum war es erst so weit gekommen? Wie konnte er seine eigene Tat nur zulassen? Warum hatte ihn niemand zurück gehalten? Und warum...war er einfach so gegangen? Ohne Gegenwehr......ohne Diskussion.....? Was war mit seinem großen Maul, Welches er sonst immer übermütig aufriss? Warum hatte er kaum was gesagt............? Die warme Flüssigkeit, die unaufhaltsam aus seinen Augen trat, bedeckte seine Wangen nun schon großflächig. Yoshiki schloss seine Augen, die Welt verschwamm vor Selbigen. Es war so leise hier.... Keine Cowboystiefel, die über das Parkett klackerten, kein Ruf der quer durch die Wohnung hallte.......keine dunkle, warme Stimme, die ihm etwas ins Ohr raunte..... Stille. Was hatte er ihnen nur angetan....? Sich und Taiji.....und der Band? Aber hätte er eine Wahl gehabt? Er hatte sie gehabt, doch die sah auch nicht viel rosiger aus: Entweder der Staff ging oder Taiji. Und ohne den Staff, ohne all die Leute die sie schon so gut kannten, die ihnen solch eine enorme Hilfe waren.... - Aber waren sie das wert? War der Staff es wirklich wert, dass er Taiji verlor? Taiji..........der Junge war mehr als nur ein Bassist. Er war viel mehr.... Sogleich schossen ihm wieder Bilder von früher durch den Kopf, als Taiji das erste Mal bei X vorspielte. Er war so enthusiastisch und überzeugend; das hatte Yoshiki schon von Anfang an gefallen. Taiji zeigte von Beginn an vollen Einsatz – und genau so jemanden hatte er gesucht! Und er kam sich schon damals wie im falschem Film vor, als Taiji nach relativ kurzer Zeit die Band wieder verlassen wollte! Angeblich weil er eine andere Vorstellung der Musik einer Rockband hatte. Das war die offizielle Version seines damaligen raschen Rücktritts. Doch hatte Yoshiki von mehreren Bekannten und Musikerkollegen erfahren, dass der wahre Grund irgendetwas mit Taiji´s damaligem Zweitjob zu tun hatte. Es waren nur fahle Gerüchte und niemand wusste etwas Genaues – und den wahren Grund hatte er bis zum heutigen Tag nicht heraus finden können. Doch was immer es auch damals für einen Grund gegeben hatte, es dauerte weniger als ein Jahr und Taiji war wieder zurück bei X – und blieb auch dort. Bis jetzt. Bis zu dem Moment, in welchem Yoshiki ihn gebeten hatte, zu gehen. Ohne Erklärung, ohne tröstende Worte. Ob es wirklich die richtige Entscheidung war die er damit getroffen hatte, wusste er mittlerweile nicht mehr. Er wurde von Minute zu Minute unsicherer und jede Erinnerung an Taiji verursachte Schmerzen. Jedes einzelne Bild, Welches vor seinem innerem Auge aufflackerte..... Trauer. Yoshiki wand seinen Kopf zur Seite, sein Blick traf die weiße Wand. Heute war Weihnachten. Ein leises Klackern ertönte, als die Tasse auf ihren Untersatz zurück gestellt wurde. Die braune Flüssigkeit schlug sanfte, kleine Wellen, bis zu den Innenwänden der Tasse, dort wurden sie erbarmungslos abgebremst. Langsam erstarben sie. Schwiegen. Passten sich der stummen Stille des Raumes an. „....einfach so.......er hat es einfach so ausgesprochen....“ Taiji´s Blick war bewegungslos auf den Couchtisch vor sich gerichtet. Seine Stimme fast nur ein heiseres Flüstern. hide hob den Kopf, als er die Stimme des Anderen durch die Stille vernahm. Mitfühlend haftete sein Blick an ihm. Er hatte sich so sehr geändert.... Knappe vier Jahre lang spielten sie Seite an Seite in der Band, hatten die verücktesten Ideen, trieben den unmöglichsten Unsinn, schrieben gemeinsam Songs und hörten Musik. Sie waren beide kaum zu bremsen in ihrem Tun, waren wie Brüder. Wie Verbündete. Und nun sah er den jungen Bassisten völlig in sich gekehrt, schweigsam und verletzt auf dem Sofa sitzen. Wie ein ausgesetzter Jungkater. Jemand, der von niemandem mehr gewollt wurde. Dabei wusste hide, dass das nicht zutraf. Seine Verbindung zu Taiji hatte sich durch die ungemütliche Nachricht nicht verändert – glaubte er im Moment zumindest noch. Und dass Yoshiki ihn eigentlich auch nicht wirklich gehen lassen wollte, war ihm auch klar. Unwillkürlich krallten sich seine Finger in das Sofapolster, auf Welchem er selbst saß. Sah das eigentlich kein Anderer ausser ihm? Waren alle anderen so blind oder ganz einfach masochistisch? Erst quälten sich diese beiden Sturköpfe Ewigkeiten rum, weil sich keiner von beiden traute, das Offensichtliche auszusprechen und als sie es endlich geschafft hatten und miteinander liiert waren, da kommt dann so eine Scheiße und alles bricht wieder auseinander. hide kam sich mittlerweile schon vor wie in ´nem schlechten Melodram. Wieso taten diese beiden Dickschädel alles dafür, dass sie aneinander vorbei liefen? Warum konnten sie nicht miteinander laufen? Zusammen glücklich sein, Vorhang zu, Ende aus? „Tut mir Leid, dass ich dir nichts Besseres bieten kann...“, gab Taiji plötzlich von sich und senkte langsam den Kopf. „Wenn du.....Weihnachten lieber woanders verbringen möchtest und Spaß haben willst....könnt´ ich´s-“ Doch noch vor Beendigung des Satzes fiel ihm hide ins Wort. „Hör auf damit. Hör auf, dich jetzt auch noch schlechter zu reden als du bist.“ Seine braunen Augen schauten direkt in Taiji´s, unverblümt und ehrlich. „Ich weiß, dass es dir schlecht geht. Wenn ich also eine riesen Monsterparty erwarten würde, wäre ich jetzt nicht hier. Aber ich bin hier. Wegen dir.“ Für einige Momente sagte keiner von beiden etwas. Beide schauten sich nur stumm in die Augen. Als hätte die Zeit für eine Weile ausgesetzt. Dann wand Taiji seinen Kopf ab, sank völlig in sich zusammen und schluchzte bitterlich. hide ließ dieses Geräusch eine Gänsehaut über den halben Körper jagen. Er rutschte von seiner Sofaecke zum Bassisten hinüber und nahm ihn fürsorglich in die Arme. Zuerst schien sich Taiji´s Körper noch zu versteifen, als wolle er die gutgemeinte Geste nicht annehmen. Doch nach nur wenigen Augenblicken ließ er sich vollständig in die Arme des Freundes sinken. Sein Kopf presste sich an die Brust des Anderen, seine Finger klammerten sich in den Stoff von hide´s Pulli wie die Finger eines kleinen Kindes. Sein Körper wurde stetig von Schluchzern geschüttelt. Er fühlte sich so schrecklich hilflos und er hasste dieses Gefühl. Warum musste es soweit kommen? Warum musste ihre Geschichte solch eine drastische Wendung nehmen? Warum....? - Das berühmte 'Warum'. Das ungeliebte Wort. Die einsame Frage. „...er hat mich einfach rausgeschmissen....!“, schluchzte er in völliger Verzweiflung an hide´s Brust. „...rausgeschmissen wie ´nen billigen Sessionmusiker........!“ „Shhhh~....“, machte der Ältere beruhigend. Ihm hatte dieses Geräusch immer ein wenig die Angst genommen, wenn die Kinderärztin es gemacht hatte. Jetzt wollte er diese Hilfestellung weiter geben. „Ich weiß, Taiji.......“ Genauso wie er wusste, dass Yoshiki es sich keinesfalls so einfach gemacht hatte, wie Taiji offensichtlich glaubte. „Ich weiß....“ Es dämmerte bereits, als die Hand zärtlich über den Tank strich. Schweigend und geduldig stand sein treues Gefährt hier. Seit mehr als zwei Wochen saß er schon nicht mehr auf dem Ledersitz seines Bikes – seit er aus X [éks]ekutiert wurde. Taiji´s Fingerspitzen bewegten sich beinahe tänzelnd über den silbernen Lenker. Sein einziger Gedanke: Yoshiki. Selbst beim Anblick seines Motorrads bekam er den eigensinnigen Leader nicht aus seinen Gedanken verbannt. Ganz im Gegenteil, ihm schwirrten auf einmal wieder Erinnerungen von ihrer ersten gemeinsamen Fahrt auf dem Feuerstuhl durch den Kopf... Taiji hatte das Glück gehabt, sowohl während des Drehs zu ihrem Videoclip „Celebration“ als auch in den Pausen reichlich Zeit mit den ganzen Motorrädern zu verbringen, die extra für das Video heran geschafft wurden. In einer Drehpause gab Yoshiki seiner Neugier nach und inspizierte die Dinger mal genauer. Es war natürlich unausweichlich, dabei auch auf das jüngste Bandmitglied zu treffen. Taiji schien ganz in seinem Element zu sein. Bei seiner Beobachtung wurde Yoshiki mal wieder bewusst, was für ein Fan Taiji von diesen Gerätschaften doch wahr.... Wenige Monate nach besagtem Video-Dreh ergab es sich, dass Yoshiki das erste Mal mit dem Bassisten auf dessen eigenem Bike rumkurvte. „Und halt dich ordentlich fest“, meinte Taiji noch, als der Boss hinter ihm auf das Gefährt geklettert war. „Willst wieder zeigen, dass du der Schnellste bist?“, grinste Yoshiki und schlang seine Arme um des Bassers Bauch. „Du bist nicht der Einzige, der angeben kann!“ Mit diesem Satz drehte der Lockenkopf sich noch kurz zu seinem Hintermann um, streckte ihm keck und zwinkernd die Zunge entgegen und startete den Motor seines liebgewonnenen Gefährts. Im nächsten Moment düsten sie auch schon los. Yoshiki gab ein kurzes Aufquieken von sich, als das Bike beim Starten kurz aufruckelte und sie dann losfuhren. Seine Arme schlangen sich sogleich haltsuchender um seinen schlanken Vordermann. Taiji spürte das, spürte das überdeutlich. Er biss sich auf die Unterlippe als er registrierte, dass er sich schon wieder in so einer verdammten Situation befand, in der Yoshiki und er in so eindeutigem Kontakt zueinander standen, dass es schon zum schreien war, dass niemand von ihnen etwas sagte. Das sagte, was wahrscheinlich gerade beiden durch den Kopf ging. Taiji war sich sicher: Yoshiki hatte zeitweise ähnliche Gedanken wie er selbst. Zu Anfang dachte er noch, er würde es sich nur einbilden oder es wäre Wunschdenken. Doch im Laufe der Zeit wurde dem Bassisten immer klarer, dass er sich Yoshiki´s verträumte und teils verklärte Blicke nicht einbildete; er hatte sie wirklich. Und wahrscheinlich hatte er selbst sie auch. Warum machte er dann nie den Mund auf? Weil er Angst hatte – verdammte Angst vor Yoshiki´s Reaktion. Bei diesem Gedanken trat er unwillkürlich leicht aggressiv auf´s Gas. Und kaum dass sich dadurch ihr Tempo erhöhte, nahm er war wie sich Yoshiki´s Arme noch etwas fester um ihn schlangen und sich das Gesicht des Drummers scheinbar an seinen Rücken schmiegte. Taiji´s Herz schlug mindestens zwei Takte schneller als ihm das bewusst wurde und ein fürchterliches Kribbeln jagte in seine Magengegend. Gerade noch rechtzeitig sah er den Lastwagen, der aus der Seitenstraße kam. Die Vollbremsung, die er daraufhin einschlug, führte nur dazu, dass Yoshiki mit einem ordentlichen Ruck fest an ihn gedrückt wurde. Er spürte dessen Brust an seinem Rücken, er spürte dessen Schritt an seinem Arsch. Am liebsten hätte er in dem Moment alle Gedanken und Bedenken über Bord geschmissen und sich einzig und allein nur noch Yoshiki gewidmet... Doch statt dessen saß er geduldig auf seinem Bike und wartete brav, dass der Laster die Kreuzung passierte. Es war vorbei. Das Kapitel war beendet, er war in der Besetzung nicht mehr vorhanden. Taiji schwang sich auf sein Bike. Er musste diesen Menschen aus seinen Kopf kriegen, er würde sonst nur alten Zeiten hinterhertrauern und an seiner Trauer zu Grunde gehen. Verbissen startete er seinen motorisierten Blechpartner, fuhr schneller als sonst aus der Einfahrt raus und raste sogleich die Straße entlang. Der verletzte, rebellische Bassist trotzte der Tatsache, dass bereits die ersten Schneeflocken vom Himmel fielen und es danach aussah, als ob es im Laufe der Zeit auch noch mehr werden sollten. Er wollte einfach nur durch die Gegend fahren....der Wind als sein einziger Begleiter....der Wind von Weihnachten. Die, anhand der Witterungsverhältnisse, glatter werdenden Strassen ließ er ausser Acht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)