Icecube von RedSky (Fortsetzung zu "Sugarcube") ================================================================================ Kapitel 25: On the verge of destruction --------------------------------------- „Hast du schon mal daran gedacht etwas alleine auf die Beine zu stellen?“ hide's Kopf lag auf einem von Pata's Schenkeln, seine Beine hingen über der Armlehne des Sofas. Die beiden Freunde hatten zusammen schon ein gutes halbes Dutzend Mandarinen verdrückt während der Fernseher lief. Kotetsu hatte in der Zeit mehrfach seinen Platz auf hide gewechselt, bis das Tier sich irgendwann auf die Rückenlehne des Möbelstücks zurückgezogen hatte. Pata blickte vom Bildschirm auf, wand seinen Kopf jedoch nur ein kleines Stück gen hide, ohne ihn direkt anzukucken. „Hm?“, war die leise gebrummte Gegenfrage. hide's Blick wechselte unentwegt zwischen Decke und ihm gegenüberliegender Wand. „Solo. Deine eigene Musik machen, neben X.“ Ausser seiner Augen und Lippen regte sich derzeitig nichts an ihm. Pata schwieg kurz, bevor er antwortete. „Hast du denn schon mal daran gedacht...?“, fragte er vorsichtig. Für ihn war dieser Gedankenschritt Neuland. Und für hide war es Neuland, dass Pata seinen Fragen so auswich. Scheinbar war sein Freund nicht auf jedem Gebiet so sicher wie es oft schien. „Ich hab da mal ein paar Sachen komponiert, die würden nicht zu X passen....aber schlecht sind sie auch nicht...“ „Du meinst, sie sind zu gut um sie zu verwerfen...“, vervollständigte der Lockige diesen Gedanken nun. „Mhm“, kam es von hide nur. Kurz schwiegen sie, bevor hide wieder ansetzte. „Kennst du Tusk? Der Typ von Zi:Kill... Ich bin am überlegen ob ich mit ihm was zusammen mache...“ Ein kleines Grinsen zog sich über Pata's Lippen. „Natürlich kenne ich ihn... Du hängst ja gerne mal mit ihm zusammen rum.“ Dann war es wieder still. Nur der Fernseher lief immernoch, jedoch drang die Lautstärke nur gedämpft durch den dunklen Raum. Es war inzwischen später Abend geworden, die Gardinen waren halb vor das Fenster gezogen und der Bildschirm des Fernsehers war somit die einzige Lichtquelle in diesem Zimmer. „Also, hast du?“ Es waren mehrere Minuten des Schweigens vergangen, bevor hide diese Frage nun in den Raum warf. Pata blickte kurz auf den Kopf mit den strohigen, blondierten Haaren, der schon die ganze Zeit auf seinem Oberschenkel ruhte. Trotz der Pause wusste er sogleich wieder, was der Ältere meinte. „Ich hab da auch ein paar Rohfassungen von Liedern rumliegen, ja.....“ Mehr sagte er nicht. Mehr brauchte er auch nicht zu sagen, für hide war diese Antwort ausreichend. „Ich darf doch, oder?“ Ohne die Antwort abzuwarten setzte Hiroki sich mit in die Sitzecke an den runden Tisch. Der junge Mann, zu dem er sich gesetzt hatte, schaute ihn überrascht an. „Ehm...eigentlich ist hier schon reserviert...ich warte nur noch auf jemanden.“ Hiroki machte eine flüchtige, wegwerfende Handbewegung. „Keine Sorge, wenn deine Flamme kommt bin ich auch schon wieder weg. Wollt' mich nur kurz setzen und 'nen Schluck trinken.“ Kaum hatte er zu Ende gesprochen winkte er auch schon eine der Bedienungen heran und bestellte zwei Gläser Pflaumenwein – für seinen Sitznachbarn gleich mit. Dieser blinzelte nun sichtlich irritiert. Hiroki bemerkte das und lächelte ihn nur an. „Keine Sorge, geht auf mich.“ Er verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und lehnte sich lässig zurück. „Ich hab heute meine Gehaltserhöhung bekommen und bin in Spendierlaune“, gab er als Erklärung ab, bevor er den schlanken Typen neben sich genauer musterte. „Dein Gesicht kommt mir bekannt vor....“ Der Andere lächelte verlegen und schlug seinen Blick kurzzeitig nieder. „Ich bin heath. Eigentlich Hiroshi Morie.“ Nun wand er seinen Blick wieder seinem Gesprächspartner zu. „Ich hab zuvor bei 'Majestic Isabelle' gespielt und bin nun bei X.“ Hiroki machte große Augen und beugte sich nun wieder nach Vorne, stützte sich mit den Unterarmen auf der Tischfläche ab. „Natürlich! Du bist der Neue bei X! Ich hab schon gehört dass die ihren alten Basser gefeuert haben. Hm, der Name 'Majestic Isabelle' kommt mir aber auch bekannt vor...“ Hiroki kratzte sich am Kinn und sah so aus als würde er gerade angestrengt nachdenken. „Hast du sonst noch wo gespielt?“ heath nickte knapp. „Ja. Bei 'Media Youth'. Die dürften dir wohl mehr sagen; Majestic hatten kaum Veröffentlichungen, im Gegensatz zu 'Media Youth'.“ Nun nickte auch Hiroki. „'Media Youth' kenn ich.“ Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. „Oh, entschuldige bitte! Ich bin Hiroki!“ Und da wurde ihnen auch schon der bestellte Pflaumenwein an den Tisch gebracht. heath schmunzelte wieder etwas verlegen, als er den so ähnlich klingenden Namen des Anderen endlich erfuhr. Er griff etwas schüchtern zum Glas – es kam ihm immer noch etwas seltsam vor dass ein für ihn völlig Fremder ihm Einen ausgab – und stieß mit Hiroki an. „Bist du öfters hier?“, fragte Hiroki nach den ersten Schlucken unverblühmt. „Nein, eher selten. Heute ist, glaube ich, erst das dritte Mal“, gab der Großgewachsene zur Antwort. „Solltest du ändern, der Laden hier ist wirklich gut. Gutes Essen und trinken, gutes Personal....“ Hiroki blickte sich kurz im Lokal um, als wolle er damit seine Aussage unterstreichen. Das 'Hollywood', in dem sie gerade saßen, war sowas wie eine Kombination aus Kneipe und Restaurant. Hier kamen viele Angestellte nach Feierabend her um etwas zu essen oder ihr abendliches Bierchen zu sich zu nehmen, aber man traf hier auch genauso oft auf Musiker verschiedenster Bands, die sich einen gemütlichen und geselligen Abend machen wollten. Zwar war die Musik, die dauerhaft aus den Lautsprechern dudelte, meißtens nur Standart-Folk-Rock-Pop, aber das wäre auch schon der einzige Makel in Hiroki's Augen gewesen. Besonders auffällig an diesem Laden war die Tatsache, dass es hier nur sehr selten zu Schlägereien unter den Gästen kam, was wohl daran lag dass das gesamte Personal sehr strikt mit Möchte-gern-Prüglern umging und in solchen Fällen auch sehr schnell Hausverbot verordnet wurde. Ein Fakt, der Hiroki gerade heute Abend nur allzu gelegen kam... Während sie so redeten musterte er immer wieder heimlich seinen Gesprächspartner. heath schien mit zu den Menschen zu gehören bei denen Alkohol sehr schnell anschlug, denn er wurde zusehends lockerer und offener. Als Hiroki unbemerkt etwas dichter zu heath rückte, sagte Dieser noch nichts dazu. Als er seine Hand auf den Schenkel des Größeren legte, schaute heath ziemlich verwirrt. Und als Hiroki seine Lippen auf die des Anderen setzte und seine Zunge zum Einsatz brachte, konnte der überrumpelte Bassist gar nichts mehr sagen. Hiroki schmeckte zuerst nur das Aroma des Pflaumenweins, bevor er irgendwann mal heath's Eigengeschmack wahr nahm. Er gefiel ihm. Zwar züngelte der Andere sehr zurückhaltend, aber das konnte eben so gut daran liegen dass er selbst gerade so dominant dabei war. Er vernahm ein ersticktes Seufzen als er gerade dabei war, seine Hand unter das weiße Hemd seines Opfers zu schieben. Ganz warme Haut. Angenehm. Und für heath offenbar auch, denn er wehrte sich nicht. Oder das bißchen Alkohol reichte schon aus um sein Gehirn völlig zu benebeln. Hiroki blinzelte weit nach links. Punktgenau. Da stand Yoshiki im Eingang des Lokals, wie zur Salzsäule erstarrt. Doch der Blonde ließ sich seine Entdeckung nicht anmerken, zog den innigen Kuss mit dem Naivling weiterhin in die Länge und streichelte ausgiebigst dessen nackte Brust unter dem Stoff des Kleidungsstücks. Yoshiki fühlte sich wie gelähmt. Dieses Bild, was sich ihm bot, wirkte einfach zu irreal. Sein verhasster kleiner Bruder vergriff sich gerade demonstrativ an seinem neuen Basser..... Ihn selbst hatte heath nie an die Klamotten gelassen, wenn er es versucht hatte. Bisher hatte er sich mit Küssen zufrieden geben müssen. Und jetzt? Jetzt führte Hiroki allen Gästen des Hollywood vor, dass es auch anders ging? Der Drummer bekam das Gefühl, in diesen Momenten von seinem eigenem Körper getrennt zu sein. Dieses Bild tat weh. Es tat so sehr weh dass ihm die Kontrolle über sich selbst vollkommen entglitt. Er bekam nicht mehr mit, wie er mit großen Schritten auf die Sitzecke zustiefelte, er bekam nicht mehr mit wie er anfing Hiroki an den Haaren zu packen um ihn von heath weg zu ziehen und auf ihn einzuprügeln, er bekam lediglich seine eigenen Schreie mit. Sein Wutgeschrei, voller Hass, voller Verzweiflung und Verletzlichkeit. Yoshiki's Sicht war völlig verschwommen, er sah nichts klar, er orientierte sich fast nur an Farben wenn er auf etwas einschlug. Oder plötzlich anfing zu randalieren und den runden Tisch, der sich vor Hiroki und heath befand, zu packen und in sprichwörtlich blinder Wut umzustoßen. In seinen Ohren erklang nur sein eigenes Wutschnauben, sein eigenes Gebrüll und seine eigenen Schreie. Die Stimmen um sich herum nahm er nicht wahr, überhaupt gab es im Moment nur drei Personen für ihn. Dass dies nicht der Realität entsprach merkte er erst ganz langsam, als er von mehreren kräftigen Händen gepackt wurde um von weiteren Randalen abgehalten zu werden. „Das war's, du hattest deine Chance gehabt!“, hörte er eine Männerstimme dicht neben seinem Ohr rufen. Obwohl sein Körper zappelte wie ein Fisch an der Angel wurde er doch von mehreren kräftigen Männern aus dem Lokal herausgeschoben und vor die Eingangstür verfrachtet, wo er aufgrund eines kräftigen Stoßes erst einmal den Gehweg küsste. „Du hast Hausverbot! Endgültig!“, vernahm er noch von der selben Männerstimme, die zuvor schon zu ihm gesprochen hatte. „Lern endlich deine Gewalt besser zu zügeln!“ Das war's. Danach hörte er nichts mehr. Die Männer mussten wieder ins Innere des Ladens gegangen sein und hier draussen machten nur einige Passanten mit seltsamen Gesichtsausdrücken einen Bogen um den langhaarigen, am Boden liegenden Mann. Da er dem Boden noch immer sein Gesicht zugewand hatte, konnte auch niemand erkennen dass es sich bei diesem Rowdy um Yoshiki handelte. Er fühlte sich wie betäubt. So ähnlich wie im ersten Moment, als er das Hollywood betreten hatte und seinen Bruder mit heath sah. Nur fühlte es sich jetzt stärker an. Als ob sein ganzes Wesen von Betäubung eingenommen sei. Von den Verletzungen von der Prügelei spürte er keine einzige Schramme. Die waren auch nicht wichtig für ihn. Wichtiger war das Bild was er gesehen hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass Hiroki wusste dass heath der neue Basser von X war und er glaubte auch dass Hiroki das Wissen hatte, dass er selbst an heath Gefallen gefunden hatte. Nur ob Hiroki diese eben gerade abgelaufene Szene auch genauso geplant hatte oder ob es tatsächlich Zufall war, dass heath zu früh am vereinbarten Treffpunkt war und Hiroki die zeitliche Lücke ausnutzte, konnte er nicht mit Genauigkeit bestimmen. Zugetraut hätte er seinem Bruder Ersteres jedoch allemal. Langsam erhob sich die geknickte Gestalt auf dem Gehweg, taumelte kurz ein paar Schritte im Halbkreis, wischte sich die zerzausten Haare aus dem Gesicht und torkelte langsam in die Nacht hinein. Schon mit dem ersten Augenaufschlag an diesem Morgen hatte Toshi ein ungutes Gefühl. Warum konnte er selbst nicht sagen, aber es ließ ihn keine Ruhe, konnte in der Dusche nicht abgespühlt und beim Frühstück nicht runtergeschluckt werden. Und irgendwie hatte er nach einiger Zeit das Gefühl, dieses ungute Gefühl hätte etwas mit Yoshiki zu tun. Also griff er nach dem Frühstück zum Telefon und wählte die Nummer von Yoshiki's Wohnung. Doch es nahm keiner ab. Toshi warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Viertel vor Zehn. Um die Uhrzeit befand er sich auch garantiert nicht mehr zu Hause - wenn er Dieses letzte Nacht überhaupt aufgesucht hatte – sondern saß mit Sicherheit im Studio. Doch als er die Nummer vom Studio wählte, wurde er enttäuscht. Niemand nahm ab, auch nicht nach dem zwölften Freizeichen. Na gut, wenn Yoshiki gerade in irgendeiner Abmischung stecke und durch die Kopfhörer vom akkustischem Rest der Welt abgeschnitten war, konnte er wohl auch kein Telefon wahr nehmen. Obwohl Toshi sich mit diesen Gedanken selbst beruhigen wollte, verfehlten sie ihre Wirkung auf ganzer Strecke. Er griff ein drittes Mal zum Hörer und wählte die Nummer ihres Proberaums. Aber auch hier wartete er unbeachtet in der Leitung. Mit sorgenvollem Gesicht legte Toshi schließlich auf. Er überlegte einen kurzen Moment, dann griff er sich seine Autoschlüssel, zog rasch Schuhe und Jacke an und fuhr zum Proberaum. Warum ihn sein Weg ausgerechnet hierhin führte, obwohl er doch telefonisch erfolglos gewesen war, wusste er nicht. Er wusste nur dass seine Gedanken an Yoshiki immer stärker wurden, je näher er dem Proberaum kam. Toshi hatte Glück und erhaschte direkt vor dem Gebäude, in Welchem ihr Proberaum integriert war, einen Parkplatz. Hastig schloß er seinen Wagen ab und trat durch den Haupteingang, lief schon fast die Treppenstufen hinunter und öffnete die schwere Eisentür, die schließlich in ihren Proberaum führte. Er hatte nicht einmal den ersten Schritt in den großen Raum gesetzt, da stockte er auch schon. Was er sah verschlug ihm fast vollkommen die Sprache. Das Einzige was er im ersten Moment hervor brachte war ein gekeuchtes „Yoshiki!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)