Paradise von Anurtle (Don't Let Go Of My Hand) ================================================================================ Prolog: Keller -------------- Keller "Jan? Können wir kurz reden?" Der ernste Unterton in der Stimme des Drummers veranlasste ihn, stehen zu bleiben. Er zögerte einen Moment und warf Rod einen fragenden Blick zu, doch dieser zuckte nur leicht die Schultern und murmelte etwas wie 'ich geh dann mal, bis morgen'. Farin nickte leicht und wandte sich zu dem Älteren um. "Klar. Was gibt es denn?" Bela sah sich unsicher um und schüttelte leicht den Kopf: "Nicht hier... Gehen wir am besten..." Wieder sah er sich um, dieses Mal allerdings auf der Suche nach einem geeigneten Platz. Schließlich ergriff er die Hand des Größeren und zog diesen ohne Worte hinter sich her. Der Andere ließ dies mit sich machen, machte allerdings keine Anstalten seine Verwirrung zu verbergen. "Dirk, was-" "Warte!" Ruckartig blieb der Dunkelhaarige stehen und fast hätte Farin ihn umgerannt. Er wartete auf eine Erklärung, doch Bela schwieg noch immer und starrte nach oben. Als Farin seinem Blick folgte stellte er fest, dass sie vor einem Fahrstuhl zum stehen gekommen waren. Wo wollten sie noch hin? Beziehungsweise... Wo wollte Bela mit ihm hin? Als sich die Fahrstuhltür aufschob huschte der Kleinere sofort rein, ohne drauf zu achten, ob vielleicht jemand aussteigen wollte. Aber der schmale Raum war leer, abgesehen von ihm. "Komm schon, hier rein!" Dem Blonden stand die Verwirrung noch immer ins Gesicht geschrieben, doch er schüttelte nur schnell den Kopf und folgte dem Anderen, welcher daraufhin den Knopf zum offen halten der Tür losließ. So unauffällig wie nur möglich warf Farin einen Blick auf die Schalter zu seiner Linken, um festzustellen, wo ihre Rundreise enden sollte. Keller. Was um alles in der Welt hatte Bela mit ihm vor? Doch noch bevor der Blonde sich weitere Gedanken darüber machen konnte, betätigte der Ältere einen Schalter und der Fahrstuhl kam ruckend zum Stillstand. "Dirk, wenn ich unter Klaustrophobie leiden würde, hättest du jetzt ein blondes Problem am Hals." "Sei still und hör mir zu!" Wieder dieser ernste Ton, doch noch etwas anderes war zu hören... Angst? Nervosität? Was auch immer es war, es verunsicherte auch Farin. Es schien als würden ihm tausende von Fragen auf der Zunge liegen, doch er schluckte nur einmal und beschloss, den Drummer reden zu lassen. Dieser schritt leicht auf und ab, wobei er wie ein Tier im Käfig wirkte... Claustrum, Käfig... Phobos, Furcht oder auch Phobie. "Du hast aber keine Platzangst, oder?" fragte der Blonde unsicher. Es wäre ihm neu gewesen und noch dazu wäre es mehr als unlogisch, hatte doch Bela den Ort gewählt und den Fahrstuhl zum stehen gebracht. Statt ihm zu antworten blieb der Dunkelhaarige unvermittelt vor ihm stehen und ergriff die Hände des Größeren. Doch noch immer schwieg er. "Dirk, wir können uns auch gern woanders unterhalten. Wenn dir nicht gut ist gehen wir irgendwo hin, wo mehr Platz ist... Und Luft... Du musst es nur-" "Sei still!" Zweimal zuckte der Gitarrist zusammen: das erste Mal aufgrund des rabiaten Tonfalls, das zweite Mal wegen des sanften Kusses, den der Ältere auf seine Lippen platzierte und der so völlig fehl am Platz schien. Überrascht weiteten sich seine Augen und mit einem Ruck riss er sich los. "Dirk, was soll das?" Der Drummer sah ihn an wie ein kleiner Junge, der wegen etwas ausgeschimpft wurde. "Jan, ich liebe dich." Verwirrt schüttelte der Blonde den Kopf und lachte leise auf. "Du liebst mich? Dirk... Darf ich dich daran erinnern dass du bald Vater wirst? Du liebst mich ganz sicher nicht." Der letzte Satz war voller Bitterkeit und ließ Bela leicht zurück zucken. Doch trotzdem blieb sein Blick auf den Größeren gerichtet. "Ich liebe dich. Ja, ich werde demnächst Vater, aber-" "Vielleicht hast du ja einfach nur Schiss vor der neuen Verantwortung!" Die Worte des Gitarristen schienen in dem kleinen Raum widerzuhallen, obwohl er nicht sehr laut gesprochen hatte. Vielleicht war es auch die Art, wie er es gesagt hatte. So kalt, gleichgültig. Als hätte er nicht gehört, was Bela ihm gesagt hatte. "Ja, ich geb zu, ich HAB Schiss! Aber damit hat es nichts zu tun! Verdammt, Jan! Ist dir eigentlich klar wie lange ich dich schon liebe?" Er hatte sich das alles ganz anders vorgestellt, viel romantischer... und nun brüllten sie sich an, in einem kleinen Aufzug. Unsicher griff er nach der Hand des Größeren, doch dieser riss sich los und wandte sich von ihm ab. "Dirk, du hast bald ein Kind." "Das weiß ich, verdammt nochmal! Aber gegen meine Gefühle kann ich nichts machen." Der Drummer ballte die Hände zu Fäusten, Wut und Verzweiflung überkamen ihn. War es dem Blonden denn so egal was grade passierte? "Warum erst jetzt? Warum nicht schon früher, wenn du mich angeblich schon so lange liebst?" "Weil ich Angst hatte, wie du darauf reagieren würdest! Und anscheinend berechtigt. Aber wenn ich es dir jetzt nicht gesagt hätte, dann wäre es zu spät. Vielleicht ist es das jetzt schon, vielleicht gab es nie den richtigen Zeitpunkt, aber ich musste es dir einfach sagen." "Oh ja, wirklich ein toller Zeitpunkt. Du hast eine Freundin die ganz nebenbei von dir schwanger ist und ganz plötzlich fällt dir ein 'hoppla, ich liebe meinen Gitarristen'! Wirklich ganz toll, Dirk. Ehrlich, ich bin stolz auf dich!" Ein dumpfes Geräusch erklang als Farin plötzlich gegen die Wand des Fahrstuhls gedrückt wurde - nicht grade sanft nebenbei bemerkt - und der Drummer sich vor ihm aufbaute. "Du kannst mit mir machen was du willst, Jan Vetter... Schlag mich, beschimpf mich, hass mich... Aber zieh meine Gefühle nicht ins lächerliche!" Sein Gesicht war dicht vor dem des Größeren, während er dessen Kragen gepackt hatte und leicht auf den Zehenspitzen stand. "Du wirst meine Gefühle nicht erwidern, jetzt nicht und wahrscheinlich auch in Zukunft nicht. Okay, aber mach dich nicht drüber lustig. Nie wieder, verstanden?" Nein, es lief ganz und gar nicht so, wie er es sich immer vorgestellt hatte. Statt romantischer Liebesgeständnisse und innigen Umarmungen schien es so, als würden sie jeden Moment aufeinander losgehen. Langsam hob der Blonde die Hände und griff nach denen des Anderen, um sie von sich zu lösen. "Dirk, es ist zu spät. Ob es nun wahr ist oder nicht-" "Es IST wahr, verdammt!" Leise seufzend senkte Farin den Blick, ließ seine Hände nun ohne jeden Kraftaufwand auf Belas ruhen. "Es geht nicht. Es wird nie gehen. Egal wie sehr wir es wollen, es uns wünschen oder was auch immer..." Kaum hatte er es ausgesprochen, bereute er seine Worte auch schon. Es war schwer genug, warum machte er es ihnen also noch schwerer? "Dirk, schmeiß den Aufzug wieder an. Ich will raus." Er versuchte selbst an den Knopf zu kommen, doch Bela hielt ihn fest, drückte ihn erneut an die Wand. "Du empfindest also auch etwas?" Die Stimme des Schlagzeugers klang rau, als versuchte er krampfhaft den hoffnungsvollen Unterton zu ersticken. "Dirk, ich will hier raus." "Was empfindest du, Jan? Was?" Der Blonde versuchte dem Blick des Anderen auszuweichen, wandte das Gesicht ab, doch Bela ließ nicht locker: "Was, Jan? Sag es!" "Es ist egal, klar? Da wird nie etwas sein, es wird nie funktionieren! Mit diesem Gedanken habe ich mich abgefunden, ich habe es akzeptiert! Und das solltest du auch, Dirk Albert Felsenheimer!" Farins Stimme hallte in dem kleinen Raum wider, schien sie zu erdrücken und machte die darauf folgende Stille fast unerträglich. "Liebst du mich?" Worte wie aus einem schlechten Roman oder einem Hollywood Drama, doch Bela konnte es einfach nicht anders formulieren. Ihm war nur eines wichtig: Farins Antwort. Er zitterte während er auf diese wartete, auf die Worte, die vielleicht alles ändern würden. Nein; sie würden ganz sicher alles ändern. Egal, wie sie lauteten. Doch der Blonde sprach nicht, er starrte den Boden vor sich an, das kleine Stück zwischen seinen eigenen Füßen und denen des Drummers. "Jan?" "...Und du würdest all das wirklich für mich aufgeben?" Farins Stimme klang rau, gebrochen. Und erst jetzt bemerkte Bela die Tränen, die über die Wangen des Größeren strömten. Mit einem leichten Lächeln schloss er ihn in seine Arme, drückte sich an ihn und spürte, wie der Körper des Anderen vom Schluchzen geschüttelt wurde. "Ich habe nichts zu verlieren, nur etwas zu gewinnen." "Aber dein Kind... Konstanze... Und was sollen all die Leute denken? Kannst du das?" Bela hatte oft drüber nachgedacht, wie der Freundes- und Bekanntenkreis wohl darauf reagieren würde, wie sie reagieren würden. Doch es hatte immer nur zwei Menschen gegeben, vor dessen Reaktionen er sich gefürchtet hatte. Und einer von diesen stand vor ihm, betrachtete ihn mit tränennassem Gesicht und beugte sich nun runter, um ihn sanft zu küssen. Es war genau die Reaktion, die er sich immer erhofft hatte, auch, wenn sie etwas spät kam. "Wir schaffen das, Jan. Du und ich, wir stehen das durch." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)