Lilienjäger von Flordelis (Custos Vitae II) ================================================================================ Prolog: Eingesperrt ------------------- Die Tür gab kein bisschen nach. Egal, wie oft und mit welcher Intensität ich die Klinke betätigte, egal, ob ich zog oder drückte, die Tür öffnete sich nicht. Das aufgemalte Auge schien mich und meine vergeblichen Mühen zu verspotten und ließ mich schließlich aufgeben. Statt mich auf die Tür zu konzentrieren, blickte ich mich weiter um, auf der Suche nach einem anderen Weg hinaus. Das künstliche rötliche Licht, das im Raum vorherrschte, schmerzte in meinen Augen und durchbrach meine Konzentration, die ich in diesem Moment brauchen könnte. Wenigstens lenkte die spartanische Einrichtung mich nicht weiter ab, dieses Zimmer war eindeutig nicht zum Bewohnen gedacht. Die Aussicht, dass ich möglicherweise den Rest meines Lebens hier verbringen sollte, löste ein unangenehmes Gefühl in meinem Inneren aus. Eine eiskalte Hand griff nach meinem Herzen, erfüllte meinen Brustkorb und arbeitete sich über meinen flauen Magen zu meinen zitternden Beinen vor. Es war Angst. Ich kannte diese Emotion nur allzugut. Sie war mein ständiger Begleiter, lauerte stets hinter mir, um bei einer geeigneten Gelegenheit hervorzuspringen und mich daran zu erinnern, dass ich kein mutiger Held war, sondern eher derjenige, der sich hinter diesem versteckte. Mein ganzes Leben hatte es immer eine solche Person für mich gegeben. Jemand, der für mich in die Bresche gesprungen war, wenn es darauf ankam, der mich selbst durch die tiefste Dunkelheit geführt hatte. Nun war ich aber auf mich allein gestellt. Ich war immer stolz auf meine Intelligenz gewesen und meine Fähigkeit, abstrakt zu denken, doch beides ließ mich im Moment im Stich. Immer wieder konnte ich nur daran denken, dass ich hier mein Ende finden würde. Es musste einfach so sein, jedes Gesetz der Logik sagte das. Ich war in diesem Raum eingesperrt, mein Kerkermeister war ein Gott, der auch all dies erschaffen hatte. Es gab keine Aussicht darauf, einen Fehler in diesem Konstrukt zu finden. Ja, Pessimismus ist mein zweiter Vorname, wie habt ihr das nur erraten? Langsam durchschritt ich den Raum und ließ mich auf dem Sofa nieder. Immerhin hatte er an Sitzgelegenheiten, ein Bett, Wasser und ein gefülltes Bücherregal gedacht. Ihm war wohl daran gelegen, dass ich noch eine Weile lebte, warum auch immer. Ich verstand diesen Gott nicht und eigentlich wollte ich das auch gar nicht. Es reichte mir, seine Pläne zu kennen und nichts dagegen tun zu können. Seufzend lehnte ich mich zurück und legte den Kopf in den Nacken, um an die Decke zu starren. Rotes Licht bewegte sich wellenförmig wie Wasser über mich hinweg. Trotz der bedrohlichen Farbe, machte es mich schläfrig, so dass ich die Augen schloss, um einzuschlafen und zumindest in meinen Träumen aus diesem Raum zu fliehen. Ich konnte ja nicht wissen, dass gleichzeitig jemand, der mich stark enttäuscht hatte, in meinem Tagebuch blättern würde, das der treueste Begleiter meiner großen Reise gewesen war und damit mehr über mich erfahren sollte, als je eine Person zuvor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)