Dei Gratia von Flordelis (Gottesgnadentum) ================================================================================ Kapitel 3: Zwei Reisende ------------------------ Als Seline sich dem Geretteten näherte, konnte sie endlich mehr Details ausmachen. Seine Statur war nicht sonderlich ausgeprägt, eher schlaksig, was den Eindruck erweckte, dass er nicht sonderlich stark, dafür aber flink war. Ihr schien, dass magische Funken von seinem schwarzen Haar herabfielen, aber auf den zweiten Blick bemerkte sie, dass es wohl doch eher Sand war. Das änderte allerdings nichts daran, dass der Eindruck, er sei magisch, vorhandenblieb, denn das war mehr als nur deutlich spürbar, wie sie fand, besonders aus der Nähe. Was ihr aber vor allem auffiel war, dass er sehr nett wirkte, so wie er sie direkt anlächelte, nein, geradezu anstrahlte, so dass seine dunkelblauen Augen zu glühen schienen. Seline konnte nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern. „Vielen Dank für die Hilfe“, sagte er. „Woher weißt du, dass wir es waren?“ Russel lächelte nicht, er schien sogar skeptisch zu sein, vielleicht war das sogar ein Grund gewesen, warum er ihm nicht sofort hatte helfen wollen. Doch der Reisende ließ sich nicht von diesem Verhalten irritieren. „Ich kann spüren, dass du gerade Magie gewirkt hast. Das ist eine Kleinigkeit für mich.“ „Du bist also wirklich ein Magier“, stellte Russel fest. „Was wollten diese Dämonen von dir?“ Der Fremde blickte auf die Stellen, wo seine Feinde zuvor noch gestanden hatten, dann zuckte er mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich werde manchmal von solchen heimgesucht.“ Seline konnte sich nicht entsinnen, dass es Fälle von Dämonenübergriffen auf Menschen gab, jedenfalls unberechtigte. Aber dieser Mann wirkte äußerst ehrlich, wenn er das abwehrte, weswegen sie nicht glauben wollte, dass er doch irgendetwas getan haben könnte, um die Wesen zu provozieren. Er wollte gerade ansetzen, um etwas zu sagen, als eine weitere, äußerst wütende, Stimme erklang: „Ambrose!“ Sofort wandten sich alle dem Neuankömmling zu. Im ersten Moment war Seline der Überzeugung, jemanden vor sich zu haben, der noch jünger war als sie, er war sogar ein wenig kleiner als sie und die zu groß geratene schwarze Jacke mit dem Pelzbesatz, verstärkte diesen Eindruck noch. Aber sein ernsthaftes Gesicht mit den nachdenklichen blauen Augen, relativierte das wieder ein wenig. Dennoch war Selines erster Impuls, die Hand auszustrecken, um ihm durch das schokoladenfarbene Haar zu streichen. Allerdings hielt sie sich davon ab, da dieser Neuankömmling wütend eine Tasche auf den Boden schmetterte. „Mann, Ambrose! Ich bin nicht dein Packesel! Trag dein Zeug gefälligst selbst!“ Es schien nicht so als würde er Seline oder Russel beachten, die ihn und Ambrose dafür umso neugieriger betrachteten. Zu Selines Erleichterung schien Russels Trübsinn plötzlich wieder verflogen zu sein und er strebte auch nicht danach, wieder schnellstmöglich fortzukommen, sondern wartete tatsächlich auf Ambroses Erwiderung, die auch direkt darauf kam. Sein Gesicht wandelte sich zu etwas, das man am ehesten als Hundeblick bezeichnen konnte, seine Unterlippe begann sogar ein wenig zu zittern. „Aber Asric, wie kannst du nur so mit mir sprechen?“ Tatsächlich wirkten die Worte sofort, der Neuankömmling runzelte verdrossen die Stirn und entschuldigte sich dann kleinlaut bei seinem Begleiter. Im nächsten Moment strahlte Ambrose bereits wieder. „Diese beiden Personen haben mich gerade gerettet.“ Damit deutete er auf Seline und Russel, die Asric tatsächlich erst in diesem Moment bemerkte. Er straffte die Schultern, um ein wenig größer zu wirken, dann räusperte er sich sogar. „Vielen Dank. Ich bin euch wirklich sehr verbunden dafür.“ „Ihr müsst uns nicht danken“, erwiderte Seline, „wir haben es getan, weil es das Richtige war.“ Russel warf ihr einen Seitenblick zu, der ihr sagen sollte, dass sie gar nichts getan hatte, aber sie beachtete das nicht einmal – ohne sie wäre er immerhin weitergegangen, ohne den in Not Geratenen auch nur weiter zu beachten. Sie wollte zwar glauben, dass er ihm dennoch geholfen hätte, aber davon überzeugt war sie nicht. Während Ambrose weiterhin strahlte, stieß Asric ein humorloses Lachen aus. „Ambrose ist kein Drachenmensch, Ihr müsst ihn nicht wie einen Untertan behandeln, Prinzessin.“ Ambroses Gesicht entgleiste, Russel dagegen stieß ein anerkennendes Pfeifen aus, Selines Mimik wurde lediglich unbewusst ein wenig härter. „Du bist gar nicht so dumm.“ Sie wusste sofort, dass sie etwas Falsches gesagt hatte, denn Asric zog die Brauen zusammen. „Nur weil ich klein bin, bedeutet das ja nicht, dass ich dumm bin!“ „Das habe ich doch mit keinem Wort behauptet“, erwiderte Seline ruhig, was dazu führte, dass auch er sich wieder beruhigte. „Dann ist ja gut“, murmelte er und wandte sich dann wieder Ambrose zu. „Ich denke, wir sollten...“ Doch er hielt noch einmal inne, diesmal sah er skeptisch zu Russel. „Du siehst nicht gerade aus wie ein kaiserlicher Leibwächter. Warum bist du mit der Prinzessin unterwegs?“ Vor dieser Frage, diesem Moment, hatte Seline sich ein wenig gefürchtet, denn er sah wirklich nicht aus wie jemand, der etwas mit ihrer Familie zu tun hatte, sie selbst würde auch annehmen, dass es sich bei ihm um einen Entführer handelte. Aber bevor einer von ihnen etwas sagen konnten, mischte Ambrose sich ein: „Das sieht man doch auf den ersten Blick, Asric! Die beiden lieben sich.“ Im ersten Moment waren sie beide vollkommen baff, aber schon einen Augenblick später brach Russel in schallendes Gelächter aus, während Seline spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Dabei war sie sich nicht sicher, ob das der Ärger über das Lachen oder die Verlegenheit über diese Annahme – oder möglicherweise sogar beides – war.“ „Gott, der war so gut“, stieß Russel zwischen dem Lachen hervor und wischte sich einige Tränen aus den Augenwinkeln, sein Blick fiel auf Seline, was ihn abrupt zum Verstummen brachte. Offenbar hatte er erwartet, dass sie das ebenfalls lustig finden würde, denn er wirkte plötzlich sogar ein wenig schuldbewusst. Seline sah Ambrose an, um das richtig zu stellen: „Wir lieben uns nicht. Russel hat mich vor ein paar Räubern gerettet und begleitet mich nun nach Hause.“ Allerdings half das nicht, um ihn zu überzeugen, er seufzte verträumt. „Wie romantisch. Prinz Charming kommt auf einem weißen Ross dahergeritten, um die Jungfer in Nöten zu retten.“ Russel brach wieder in Gelächter aus, während Asric mit den Augen rollte. „Er hat nicht mal einen Esel“, erwiderte Seline gelangweilt. „Können wir das Thema endlich mal beenden? Wir haben jetzt festgestellt, dass ihr beide lebt, damit können wir endlich gehen.“ Sicher, es war ihre Idee gewesen, Ambrose zu retten und auch nachzusehen, ob es ihm gutging, aber als sie nun so vor ihm stand, hielt sie es plötzlich für keinen sonderlich guten Einfall mehr, ohne dass sie genau sagen konnte, weswegen eigentlich. Doch zu ihrer Überraschung unterbrach Russel sein Gelächter wieder und stellte eine Frage, die ihr gar nicht gefallen wollte: „Wohin wollt ihr denn?“ „Wir wollen nach Drakani“, antwortete Asric verblüffend arglos. „Das Menschengebiet ist uns zu unsicher und im Gebiet der Schwarzmagier gibt es zu viele Dämonen, die versuchen, uns zu schaden.“ Das ist ungewöhnlich, dachte Seline, kommentierte das aber nicht, in der Hoffnung, dass Russel das Interesse verlieren würde, genau wie sie es schon lange getan hatte. Aber dann machte er einen Vorschlag, der ihr noch weniger als die Frage zuvor gefiel: „Wir können ja gemeinsam weiterreisen.“ Ambrose freute sich sichtlich darüber, Seline und Asric ließen ihre Schultern sinken, keiner von ihnen war davon angetan. Dabei war sie sich nicht einmal sicher, warum es sie störte, immerhin kannte sie keinen der beiden bislang gut genug, um etwas gegen diese zu haben. Aber dass der Vorschlag von Russel kam, irritierte sie einfach. War er vielleicht so genervt von ihr, dass er nicht mit ihr allein weiterreisen wollte? Dabei hätte sie wesentlich mehr Gründe, genervt von ihm zu sein! „Was sagst du dazu, Asric?“ Ambrose sah zu seinem Begleiter hinüber, der unter diesem Blick sofort nachgab. „Fein, von mir aus. Wenn die Prinzessin nichts dagegen hat.“ Sie fand es ein wenig unfair, dass ihr einziger Verbündeter ihr damit in den Rücken fiel, so dass ihr keine andere Möglichkeit blieb, als dem Ganzen ebenfalls zuzustimmen, wenn sie nicht plötzlich allein weiterreisen wollte. „Ich habe nichts dagegen.“ Ambrose klatschte begeistert in die Hände und vertiefte sich mit Asric in eine Diskussion darüber, wer nun für den Transport des Gepäcks verantwortlich war. Seline nutzte die Gelegenheit, um Russel auf die Seite zu ziehen. „Was soll das denn?“, zischte sie. „Was denn?“ Er wirkte ernsthaft erstaunt über ihre Frage. „Warum schlägst du den beiden vor, dass wir gemeinsam umherreisen? So war das nicht ausgemacht.“ Schmunzelnd hob er eine Hand, um ihren Kopf zu tätscheln. „Aww, du willst mich nicht teilen, was? Aber mach dir keine Gedanken, meine Aufmerksamkeit wird immer noch ungeteilt dir gehören, von kleineren Pausen abgesehen.“ Sie bemerkte nicht wirklich, dass er plötzlich das respektvolle Verhalten ihr gegenüber abgelegt hatte, aber unbewusst ärgerte sie sich darüber. Sie knurrte leise und wischte seine Hand beiseite. „Das meine ich nicht! Woher willst du denn wissen, ob wir ihnen vertrauen können?“ „Sagt die Person, die sich direkt dem erstbesten Fremden angeschlossen hat.“ Noch immer schwand das amüsierte Schmunzeln nicht von seinem Gesicht, was nicht gerade dazu beitrug, dass sie sich wieder beruhigte. „Falls ich dich erinnern darf, habe ich mich dir nicht sofort angeschlossen! Und vielleicht hätte ich es doch nicht tun sollen, wenn du mich so hintergehst!“ Das schien ihn nun doch ein wenig zu entnerven, denn das Schmunzeln verschwand. „Wenn das so ist, kannst du ja auch allein weitergehen. Du musst nur über den Berg, dann bist du wieder in Drakani, da kannst du dir irgendwen suchen, der dich heimfährt, Prinzessin.“ Er wandte sich demonstrativ von ihr ab und widmete seine Aufmerksamkeit wieder Ambrose und Asric, die offenbar inzwischen zu einer Einigung gekommen waren. Seline ballte wütend die Fäuste, ihr Körper zitterte leicht wegen dem Ärger, den sie empfand, auch wenn ihr immer noch nicht bewusst war, weswegen sie eigentlich so verärgert war – aber wenn sie raten müsste, hätte sie geschätzt, dass sie es einfach nicht gewohnt war, dass jemand etwas gegen ihren Willen entschied. Da sie allerdings nicht zum Raten aufgelegt war, wirbelte sie herum und machte sich tatsächlich auf den Weg, den Berg zu besteigen und diese drei hinter sich zu lassen. Von mir aus können diese Idioten miteinander glücklich werden. Ihr Ärger übertrug sich auch auf die beiden, die damit eigentlich gar nichts zu tun hatten und von denen sie zumindest einen der beiden zu Beginn als nett eingestuft hatte. Mit klarerem Kopf oder wenn sie auf Russels Rufen zumindest einmal stehengeblieben wäre, um sich von ihm wieder zu der Gruppe zurückbringen zu lassen, wäre ihr aufgefallen, dass sie nur so handelte, weil sie den Gedanken nicht ertragen konnte, dass sie selbst für ihren Retter plötzlich nicht mehr interessant genug war, dass er nicht einmal allein mit ihr reisen wollte. So aber beherrschte erneut Zorn ihre Gedanken, der sie dazu verleiten wollte, nicht nach Hause zurückzukehren, sondern weiter ziellos umherzuwandern, damit sie nicht auch noch im Palast wieder damit konfrontiert wäre, dass jeder sich lieber um ihren Bruder statt um sie kümmerte. Nur weil er auch ein Idiot ist! Argh, was liebt die Welt nur an Idioten!? Sie achtete nicht darauf, ob Russel oder die anderen ihr folgten, nicht zuletzt, weil sie nicht die Enttäuschung erleben wollte, festzustellen, dass es den Gott nicht im Mindesten interessieren würde, dass sie ihn zurückließ. Aber während sie darüber nachdachte, fiel ihr eine weitere Frage ein, die sie ihm gerne gestellt hätte: Wie kommt es, dass ein Gott den Namen Russel trägt? Es ist ein Menschenname... „Ja, wie kann das nur sein?“ Die plötzlich erklingende Stimme ließ sie innehalten, als hätten Wurzeln nach ihren Beinen gegriffen, um so jeden weiteren Schritt zu verhindern. In den letzten Jahren hatte sie diese Stimme nicht mehr gehört, all seine Emotionen lediglich über das Mal an ihrem Oberarm spüren können und dabei immer gehofft, dass er sie eines Tages in Ruhe lassen würde, weil er das Interesse verlor. Nun stand er direkt hinter ihr, aber sie weigerte sich, sich umzudrehen, damit sie ihm auch noch ins Gesicht sehen könnte, diesen Triumph wollte sie ihm nicht gönnen – schon allein weil Furcht in ihrem Blick zu lesen war. Die Aura, die von ihm ausging, war noch furchteinflößender als noch bei ihrer ersten Begegnung, weswegen sie am Liebsten geflohen wäre, aber noch immer schien es ihr nicht möglich, auch nur einen ihrer Füße anzuheben. Sie spürte, wie er näher kam und ihr mit seiner Hand über die Schulter strich, was sie unwillkürlich schaudern ließ. „Was willst du?“, fragte sie mit betont beherrschter Stimme. „Du weißt, was ich will... Ich will endlich meine Bezahlung haben.“ Erneut begann sie zu zittern und verfluchte sich innerlich, Russels Seite verlassen zu haben, denn wie sollte sie als einfacher Drachenmensch gegen einen Gott antreten? Aber hätte er ihr überhaupt wirklich geholfen? Er war nicht sonderlich gut auf Ladon zu sprechen gewesen, hatte es sogar als lachhaft empfunden, dass die Götter sich für ihn geopfert haben könnten. Aber vielleicht fürchtete er sich auch vor ihm? Selbst das wusste sie nicht. Doch zu ihrem Glück ließ Ladon plötzlich wieder von ihr ab und wandte sich ebenfalls um, so dass sie nun beide Rücken an Rücken standen. Sie warf einen Blick über ihre Schulter, um herauszufinden, was er plante und beobachtete dabei, wie er die Hand hob, sein silber-graues Haar war bereits von einigen magischen Funken vereinnahmt. Er lachte leise. „Sieht aus, als wäre dir dein Beschützer hinterhergeeilt.“ Überrascht fuhr sie gänzlich herum, damit sie an Ladon vorbeisehen konnte und beobachtete mit geweiteten Augen, dass Russel, Ambrose und Asric tatsächlich in einiger Entfernung stehengeblieben waren. Sie sind mir gefolgt...! Diese Erkenntnis erfüllte sie mit derart viel Glück und Freude, dass ihr Tränen in die Augen schossen, die sie allerdings hastig wieder wegwischte. „Nur keine Sorge“, sagte Ladon und trat einen Schritt vor. „Ich werde schon dafür sorgen, dass uns bald niemand mehr stören wird. Sieh gut zu.“ Mit diesen Worten schritt er weiter voran, um sich direkt in den Kampf zu begeben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)