Das Erbe der Drachen - Band 1 von Flordelis (Der Drachenkrieg) ================================================================================ Kapitel 17: Trauer um Lionheart ------------------------------- Der Lichtgeist kehrte in das Eisschloss am Südpol zurück. Der weiße Drache blickte auf. >>Du bist also auch wieder da. Nun beeile dich. Erstelle den Ausgleich für die Drachenarmee.<< Der Lichtgeist zirpte und begann eine Figur zu erschaffen. Es wurde eine große, schlanke Frau mit platinblonden Haaren und einem weißen Kleid, das als Uniform dienen sollte. Der Lichtgeist schwebte in ihren Körper, um ihre Seele zu ersetzen. Sie öffnete ihre blauen Augen und sah den Lichtdrachen an. Der weiße Drache Jewel nickte wohlgefällig. >>Eine Frau? Genau das Richtige für unseren Drachenkaiser.<< Sein Blick wanderte zu dem Mann in der weißen Uniform neben der Frau und sagte zu ihm: >>Alexis, du gehst zu König Luke und wirst ihm dienen. Es ist unsere Pflicht beide Seiten zu unterstützen. Alexis nickte und verschwand. >>Ich werde dir den Namen Fleera geben. Das bedeutet bei uns >Licht<.<< >>Mir soll es recht sein.<<, sagte die Frau gehorsam. >>Gut. Gehe nach Drakani und suche Kaiser Ryu auf. Er wird wissen, was zu tun ist.<< Fleera nickte. >>Sehr wohl.<< Damit verschwand auch sie. *** Die Gruppe um den Drachenkaiser erreichte die Hauptstadt nur wenige Tage nach diesem Vorfall. Noch bevor sie überhaupt zu Atem kommen konnten, hatte Argus sie gebeten, in der Bibliothek, die an einen gemütlichen Sitzbereich angrenzte, Platz zu nehmen. Maryl ließ sich tiefer in den Sessel sinken. >>Tut das gut nach der langen Reise.<< Russel und Lain stimmten ihr zu. Argus betrat den Raum und sah sich die vielen fremden Gesichter genau an. >>Wo ist Lionheart?<< >>Ist er denn nicht hier?<<, fragte Ryu verwundert.>>Wir haben ihn schon vor einigen Tagen zurück nach Hause geschickt.<< >>Seltsam. Die Grenzposten haben nicht gemeldet, dass er zurück nach Drakani gekommen ist. Irgendwie wundert mich das.<< Die Tür öffnete sich erneut und ein bleicher Soldat kam herein. >>Lord, Kaiser Ryu, soeben haben wir Dracon Lionheart gefunden.<< >>Wo ist er?<< Der Soldat schluckte und winkte jemanden herein. Zwei andere Soldaten betraten den Raum und zwischen sich trugen sie - >>Oh, mein Gott!<<, entfuhr es Ryu. >>Lionheart!<< Jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht und stattdessen überkam ihn eine heiße Welle von Übelkeit. Aus den Augenwinkeln sah er, dass es den anderen ähnlich erging. Lionheart war tot - aber er war nicht irgendwie gestorben: etwas oder jemand (nein, Ryu wollte gar nicht glauben, dass eine Person zu so etwas fähig wäre) hatte ihm eine Verletzung in der Magengegend zugefügt, um ihn kampf- und fluchtunfähig zu machen, hatte dann sein Herz herausgerissen und das Blut über sein Gesicht verteilt. Dazu waren Lionhearts Augen im fassungslosen Entsetzen geweitet, als hätte er nicht glauben können, was geschah. Ryu atmete tief durch, um die Übelkeit niederzuringen. Ihm gelang es zwar, aber Lain schlug sich die Hand vor den Mund verließ hastig den Raum. Damian dagegen sah sich Lionheart eingehend an. >>Wer könnte so etwas tun?<< >>Der Salamander<<, sagte Russel. >>Das war ein Ritualmord, den nur wenige Dämonen ausüben. Seit Luzifers Zeiten ist so etwas nur bei den Echsen-Rittern wieder vorgekommen.<< >>Zum Glück haben wir ihn getötet.<< >>So kannst du das nicht sagen, Damian.<<, erwiderte Russel. >>Vielleicht hat er den Tod auch gar nicht verdient? Wer kann das schon so genau sagen?<< Damian wollte zu einer scharfen Bemerkung ansetzen, als er plötzlich auffuhr und fast flehend fragte: >>Habt ihr in Lionhearts Nähe auch einen Schwarzwolf gefunden?<< Die Soldaten schüttelten ihre Köpfe. >>Nein. Sonst war niemand da.<< Damian senkte seinen Kopf und verließ ebenfalls den Raum. Russel sah Ryu an und fragte: >>Was denn für ein Schwarzwolf?<< >>Er war Damians bester und wahrscheinlich einziger Freund. Er hat ihn extra mit Lionheart nach Hause geschickt, damit ihm nichts passiert.<< >>Das ist so grausam.<<, ließ Maryl sich vernehmen. Russel nickte. Ryu gab den Soldaten einen unverständlichen Befehl in der Drachensprache, worauf die Männer Lionheart wieder hinaus trugen. Ryu ließ sich in den Sessel fallen und unterdrückte mühsam die Tränen, die in ihm hochstiegen. Argus schluckte und fragte: >>Wird das die Sache verkomplizieren oder...?<< Russel schüttelte den Kopf. >>Alles, was wir jetzt tun können, ist warten. Einfach nur warten.<< *** Kai lief langsamer und fragte: >>Ist das da vorne die Grenze?<< >>Ja.<< >>Ich brauche einen Ausweis. Wo kriegen ich den her?<< >>Schau in deine Brusttasche.<<, schlug Killey vor. Kais Hand wanderte an seine Brust plötzlich sah er ein Schlachtfeld vor seinem inneren Auge, fühlte die Überraschung, als er keine Wunde fand und spürte ein Kribbeln in seinen Beinen. Eine Stimme drang aus der Ferne und holte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. >>Kai, ist alles in Ordnung?<<, fragte Killey. >>Hä? Ja,... ja, alles klar.<<, antwortete Kai hastig. Er zog den kleinen Pass aus der Brusttasche und sah hinein. >>Da braucht man ja eine Lupe und ein Wörterbuch, um das zu lesen.<< Er atmete noch einmal tief durch und lief dann weiter an die Grenze. Zwei Soldaten hielten ihn auf und fragten: >>Stopp! Haben Sie einen Ausweis?<< Kai nickte und übergab seinen Pass. Er hoffte, dass den Soldaten das Zittern seiner Hand nicht auffiel. Die Soldaten beugten sich über den Pass und studierten ihn ausgiebig. Kai wurde immer nervöser. Aber schließlich, nach fast endlosen drei Minuten, gaben die Soldaten ihm den Pass zurück und ließen ihn und Killey durch. Kai atmete auf, als er auf der anderen Seite der Grenze war. Von der Straße, auf der er stand, konnte er in den Talkessel sehen, in dem die Stadt Ektorn lag. Die Stadt schien das gesamte Tal einzunehmen und Kai fiel sofort auf, dass alles, was technischen Wert hatte, in dieser Stadt gesammelt war. Es war die scheinbar vorerst letzte Techno-Stadt der Menschen. >>Auf der anderen Seite des Tales wird sich also mein Schicksal erfüllen.<<, sagte Kai tonlos, worauf Killey nickte. Kai wandte den Blick von der Stadt und zentrierte ihn auf die Berge von Drakani. >>Dann sollten wir keine Zeit verschwenden.<< *** Ryu stand auf dem Balkon des kaiserlichen Zimmers und sah in die Abenddämmerung. Stumme Tränen liefen über sein Gesicht, während er über Lionheart nachdachte. Was mit dem jungen Leibwächter geschehen war, war seine, Ryus Schuld, gewesen. Hätte er Lionheart nicht gedrängt auf diese gefährliche Suche mitzugehen, wäre ihm das nicht passiert. Aber Ryu hätte früher, in seiner eingeschränkten, naiven Denkweise, nie geahnt, dass es Monster gab, die stärker als Lionheart wären. Die Nacht hatte eingesetzt. Millionen von Sternen glitzerten am Himmel. Ein gespenstisches Licht fiel auf den unbeleuchteten Balkon. Leise Stimmen aus der Stadt wurden vom Wind zu Ryu hochgetragen. Klagelieder für Lionheart erklangen vom Friedhof in der Nähe und der scharfe Geruch von verbranntem Fleisch drang in seine Nase. Bei den Drachenmenschen war es üblich die Toten zu verbrennen, damit ihre Seelen so schnell wie möglich sich einen neuen Körper suchen und sofort reinkarniert werden konnten. >>Tapfer und stark hielt er allem stand...<<, sangen die trauernden Drachenmenschen mehrstimmig, teils in der Menschensprache und teils in der Drachensprache: >>Nume ne na ka gi dor ete...<< Die Glocke des Priesters erklang und unterbrach den Gesang; das Begräbnis war beendet. Die Bewohner liefen laut klagend nach Hause und Ryu hätte schwören können, dass mehr als einmal sein Name fiel. Vielleicht hatte der rote Drache auf dem südlichen Kontinent recht gehabt, überlegte Ryu. Vielleicht werde ich wirklich so wie mein Vater es war. Eine Wolke schob sich vor den Mond und tauchte den Balkon in völlige Finsternis. Als die Wolke wieder verzog, sagte die Stimme einer Frau zu Ryu: >>Nein, Kaiser Ryu. Ihr seid nicht so wie Euer Vater - und Ihr werdet auch nie so werden.<< Ryu wandte den Kopf und sah die Frau an. Ihre Haut war weiß und schien völlig aus Mondlicht zu bestehen, genau wie das Kleid, dessen fließender Stoff sich an ihren Körper schmiegte. Ihre platinblonden Haare leuchteten im fahlen Mondlicht und ließen den Himmelskörper selbst verblassen. Das Drachenauge im Zimmer piepste schrill, aber Ryu brauchte keinen Detektor, der ihm sagte, dass diese Frau die weiße Lady war. Ein so elfenhaftes Wesen hatte der Drachenkaiser noch nie gesehen. So anziehend und abstoßend zugleich. Anziehend durch ihre Schönheit und abstoßend durch die, von ihr ausgehende, Kälte. >>Verzeiht meine Unhöflichkeit, mein Kaiser.<<, begann die weiße Lady. >>Mein Name ist Fleera. Ich wurde von Jewel, dem Drachen des Lichtes, zu Euch geschickt, um Euch und Eure Truppe im Kampf zu unterstützen. Nehmt Ihr meine Hilfe an?<< Ryu nickte. >>Ja, natürlich.<< Fleeras Augen weiteten sich erstaunt. Es war das erste Mal, dass eine Lichtelfe Emotionen zeigte - und es sollte nicht das letzte Mal sein. Sonst waren sie bekannt dafür kühl und uninteressiert zu sein. >>Ihr habt nichts dagegen, Kaiser?<<, fragte sie. >>Wieso sollte ich?<<, entgegnete Ryu verwundert. Fleera sah ihn nur fassungslos an und da fiel ihm auch wieder ein, was für ein Theater er bei Lain und dem roten Drachen gemacht hatte. >>Was soll's?<<, meinte Ryu. Fleera seufzte theatralisch und fragte gespielt verzweifelt: >>Warum bin ich dann überhaupt hier? Ich vergeude nur meine Zeit.<< Ryu lächelte, aber Fleera wurde wieder ernst: >>Ich werde also nun mein Zimmer aufsuchen. Bis morgen früh.<< Fleera ging durch Ryus Zimmer und verließ dieses durch die Tür. Sie schien mehr zu schweben, als zu laufen. Ryu blinzelte verwirrt, zuckte die Schultern und beschloss dann ins Bett zu gehen. Morgen würde wahrscheinlich alles in einem anderen Licht erstrahlen - so wie immer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)