Das Erbe der Drachen - Band 1 von Flordelis (Der Drachenkrieg) ================================================================================ Kapitel 19: Die Wahl des Drachenschwertes ----------------------------------------- Kai öffnete langsam seine Augen und sah sich um. Er lag in seinem Zimmer im Kaiserpalast und überlegte noch einmal, was er hier machen sollte. >>Ach, ja, Melzesa, Ignis...irgendwie muss ich sie besiegen.<<, murmelte er vor sich hin. >>Aber Nelon sagt, dass ich sie nur versiegeln darf. Sonst kommen sie in doppelter Ausführung zurück. Dämonen sind schon sonderbar.<< Er stand auf und zog sich langsam an. Gemächlich verließ er das Zimmer und hätte dabei beinahe Lain, die gerade vorbeiging, mit der Tür getroffen. Sie lachte leise. >>Selbst, wenn du dich gemütlich gibst, kannst du Leute verletzen.<< Kai grinste verschmitzt und entgegnete: >>Das ist mein angeborenes Talent. Gut, nicht?<< >>Für deine Mitmenschen eher nicht. Gehen wir in der Stadt frühstücken?<< >>Nur wir beide?<< Sie nickte. >>Wunderbar! Gehen wir?<< Lain hakte sich bei Kai unter und ging mit ihm in das Frühstückscafé in der Stadt. Es waren nicht viele Tische besetzt, was daran lag, dass die Drachenmenschen keinen geregelten Arbeiten nachgingen. Entweder arbeitete man zu Hause oder im Palast. Und die Arbeiter im Palast hatten ihre Arbeit schon vor wenigen Stunden aufgenommen.<< Lain kaute genussvoll ihr Brötchen, während Kai nicht ganz bei der Sache war. Seine Augen wanderten von ihren schönen, glatten, dunkelroten Haaren zu ihren schmalen Händen, die das Brötchen hielten. Er verspürte plötzlich den innigen Wunsch diese junge Frau, die ihm da gegenüber saß zu umarmen und den Krieg zu vergessen. Kopfschüttelnd verwarf er den Gedanken wieder. Sie lächelte ihm zu, was er mit einem herzlichen Lächeln erwiderte. Ob das Liebe war? Das Gefühl, das jeder junge Mensch so herbeisehnte, um dann darin zu versinken? Lain setzte an, um etwas zu fragen, zögerte und fragte dann: >>Sollten wir nicht langsam zurückgehen?<< Kai nickte. Gemeinsam verließen sie das Café und liefen langsam zum Palast zurück. Die Straße war nun etwas belebter. Wie am letzten Tag wurden beide neugierig beäugt. Unter den Passanten konnte Kai Dracon Lionhearts Bruder entdecken. Lionel Lionheart sah mißmutig zu den beiden hinüber. Lain blickte unsicher zurück und fragte: >>Ist das nicht der Bruder von Ryus früherem Leibwächter? Ich glaube, ich verstehe wie er sich fühlt. Warum jemand wie Dracon Lionheart wohl sterben musste?<< >>Gott wird einen Grund dafür gehabt haben.<<, antwortete Kai trocken. >>Wie meinst du das?<<, fragte Lain. Kai sah sie an, als ob er nicht glauben könne, was er da hörte. >>Ich meine es so, wie ich es sage. Jedes Wesen hat eine bestimmte Bedeutung. Für manche mag ihr Leben sinnlos erscheinen, aber es gibt immer einen Sinn - und wenn es nur der ist, jemanden glücklich zu machen.<< >>Glücklich?<< >>Ja. Mit der puren Abwesenheit zum Beispiel oder mit einem Lied.<< >>Schön. Das heißt, dein Sinn besteht darin mich glücklich zu machen, nicht wahr?<<, fragte Lain unbefangen. Einen Moment lang hätte Kai gerne >>Ja<< gesagt, aber dann besann er sich wieder auf seine Aufgabe und entgegnete: >>Ich glaube kaum, dass mein Sinn darin besteht. Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich hier bin, um Melzesa zu töten. Danach werde ich wieder verschwinden.<< Lain sagte nichts mehr. Schweigend liefen sie nebeneinander die letzten Meter in den Palast zurück. Sie betraten das Ratszimmer, in dem schon die anderen waren. Während alle irgendwie mit einem Buch beschäftigt waren, lag Lionet auf dem Sofa und schien fest zu schlafen. Als Kai und Lain hereinkamen, fragte Ryu: >>Also, Fleera, wie gehen wir jetzt vor?<< >>Weckt erst einmal Lionet. Ich habe keine Lust alles zweimal zu erklären.<< Russel nahm einen kleinen Papierball und warf ihn gegen Lionets Kopf. Der junge Mann gab ein schnarchendes Geräusch von sich und schlief weiter. Kai trat neben das Sofa und berührte Lionet sanft an der Schulter. Er schlug die Augen auf und sah Kai fragend an. >>Hab' ich was verpasst?<< >>Noch nicht.<<, antwortete Kai. >>Fleera?<< Fleera nickte und fuhr fort: >>Soweit ich weiß hat Kaiser Ryu jetzt das Drachenschwert oder?<< Ryu nickte. >>Moment mal.<<, unterbrach Lionet die Unterhaltung. >>Das Drachenschwert? Ist das nicht nur eine Legende?<< Fleera und Ryu schüttelten ihre Köpfe. >>Nein, das Schwert gibt es wirklich, aber nur eine ganz bestimmte Person kann es einsetzen.<< >>Lass mich raten.<<, unterbrach Lionet sie erneut. >>Der Göttliche oder?<< Fleera schüttelte wieder den Kopf. >>Nein, eben nicht. Es heißt, nur derjenige, der einst den Urdrachen sah, kann die Magie des Schwertes entfalten. >>Urdrache?<<, fragte Kai murmelnd. Plötzlich erschienen wieder Bilder vor seinen Augen. Das Schlachtfeld, dieses grüne Licht, die Silhouette, die Stimme des Drachen und diese rotblitzenden Augen... Kai sank zu Boden. Das Wappen auf seiner Stirn brannte wie Feuer und langsam verblasste die Szene vor seinen Augen. Jemand rüttelte heftig an seiner Schulter und rief seinen Namen: >>Kai! Kai!<< Die Bilder verschwanden nun ganz. Statt auf dem Schlachtfeld befand er sich mit den anderen wieder im Ratszimmer. Kai schüttelte seinen Kopf, um wieder klar zu werden und den Nebel zu vertreiben, der seine Sinne noch trübte. >>Ist alles in Ordnung?<<, fragte Ryu. Kai nickte und stand mit Russels Hilfe auf. >>Bist du sicher?<< Kai nickte erneut. >>Alles halb so schlimm. Fleera erzähl uns endlich wie wir denjenigen finden, der den Drachen gesehen hat.<< >>Um ehrlich zu sein: ich weiß es nicht. Es muss aber ein Drachenmensch sein. Wir sollten das Schwert nehmen und ein bisschen durch das Land schweifen; irgendwann werden wir den richtigen finden.<< >>Super Strategie.<<, bemerkte Russel trocken. >>Irgendwann könnte zu spät sein.<< Fleera strich verlegen die Haare aus dem Gesicht und sah Kai an. Er zuckte mit den Schultern und meinte: >>Ich denke, wir sollten es so machen. Oder fällt euch was besseres ein?<< Da niemand etwas sagte, nickte Kai Fleera zu. >>Machen wir es also so, wie du gesagt hast.<< >>Aber wohin gehen wir als erstes?<<, fragte Lain. Ryu überlegte und sagte dann: >>Besuchen wir erst den östlichen Teil von Drakani.<< >>Die wüstenähnliche Tundra?<<, fragte Argus, den die anderen ganz vergessen hatten. Ryu nickte. >>Mein Vater, der Kaiser, sagte einmal, dass ein Einsiedler dort leben würde. Es kann doch gut sein, dass er derjenige ist.<< Die anderen nickten und folgten Ryu aus dem Ratszimmer. *** Die östliche Tundra: 2 Stunden später: Der Regen fiel schwer auf die Gruppe nieder und Ryu sagte bitter: >>Solange ich lebe hat es hier noch nie geregnet, aber sobald ich einmal hier durchlaufe, gießt es wie aus Eimern.<< Lionet lachte darüber, während Kai nur meinte: >>Regen. Schön und gut, ist ja notwendig, aber man kann es auch übertreiben. Seit zwei Stunden laufen wir jetzt hier durch die Gegend; meine gesamte Kleidung ist durchnässt und ich friere.<< Lain nickte zustimmen und verschränkte frierend die Arme vor ihrer Brust. Ryu schwieg und nach nur zwei Minuten warf Damian ein: >>Kaiser Ryu, Euer Vater in Ehren, aber meint Ihr, dass es diesen Einsiedler wirklich gibt?<< Ryu antwortete nicht und so fuhr Damian fort: >>Selbst, wenn es diesen Einsiedler gibt, heißt das nicht, dass wir ihn finden oder, dass er der Auserwählte ist.<< Ryu schwieg weiterhin. Damian seufzte, aber schwieg ebenfalls. Ohne Vorwarnung hörte es plötzlich auf zu regnen und eine unangenehme, fast unerträgliche Hitze breitete sich aus. Russel blieb stehen und sagte zornig: >>Erst Regen, dann Hitze! Wer ist für dieses verdammte Wetter zuständig?<< Kai wünschte sich, Russel hätte nichts gesagt, denn auf einmal erschienen zehn von Ignis' Phantomen, die die Gruppe umkreisten. >>Was sind das für Gestalten?<<, fragte Damian. >>Das sind Phantome der Dämonin Ignis.<<, erklärte Kai. >>Seid vorsichtig. Sie sind keine angenehmen Zeitgenossen!<< Russel lachte darüber nur leise. >>Alles kein Problem für mich. Grüner Tornado!<< Die Phantome wurden von dem Tornado erfasst und weggetragen. Doch kaum waren sie hinter dem Horizont verschwunden, erschienen zwanzig neue Phantome. >>Jetzt bin ich dran!<<, rief Damian, >>Dämonentor!<< Ein schwarzes Tor erschien und verschluckte die Phantome. An ihrer Stelle erschienen diesmal vierzig. Lionet setzte zu einem Angriff an, aber Kai rief: >>Warte! Je mehr wir von denen töten, desto mehr werden auch wiederkommen!<< >>Aber was sollen wir denn sonst machen?<<, fragte Maryl verwirrt. Kai runzelte die Stirn, hob den Kopf in die Luft und rief: >>Ignis! Ich weiß, dass du hier bist! Zeig' dich!!<< Das Lachen einer Frau erklang und eine Sekunde später stand Ignis im Kreis ihrer Phantome. Die Dämonin lächelte bösartig. >>So, Kai, treffen wir uns also wieder. In meinem Reich sozusagen. Sei mir willkommen.<< Russel hob die rechte Hand ein wenig. >>Hi!<< Ignis sah ihn an und erwiderte seinen Gruß: >>Hi! Äh...lange nicht gesehen.<< Russel grinste, aber Damian schüttelte verächtlich den Kopf und sagte: >>Sag' uns endlich wer du bist. Was meinst du mit >deinem Reich>Du bist ein Schwarzmagier, nicht wahr? Nun, ich bin die Feuerdämonin Ignis, die engste Mitarbeiterin von Melzesa. Diese Tundra habe ich erschaffen und ich kontrolliere das Wetter in ihr.<< Damian ballte die Fäuste. >>Das heißt, du hast mein Dorf zerstört?<< >>Hmm, kann sein. Aber wen kümmert's?<< Ignis ignorierte Damian und wandte sich wieder an Kai. >>Ich freue mich, dass ich diesmal nicht dir nachlaufen muss, sondern du zu mir kommst.<< Kai zeigte ihr ein halbes Lächeln und entgegnete: >>Ich weiß. Aber allzulange wirst du dich nicht mehr freuen. Göttersturm!<< Ein orkanartiger Wind, stärker als der grüne Tornado, erhob sich um Ignis. Sie stemmte sich erfolgreich dagegen, aber ihre Phantome wurden davongeweht. Der Sturm verebbte. Ignis grinste - aber es war kein sicheres Grinsen mehr. >>Ist das alles? Dann bin ich wohl dran!<< Sie schleuderte eine Feuerkugel auf Kai. Er wich aus und startete eine Gegenattacke, die daneben ging. Ignis erschien direkt vor ihm und fuhr mit ihren scharfen Fingernägeln über seine rechte Wange. Ein blutender, schmerzhafter Kratzer erschien. >>Also bist du doch nicht unverwundbar!<<, rief Ignis triumphierend lachend. Kai fuhr schweigend mit seiner Hand über den Kratzer, der sofort verschwand. Ignis wurde blass. >>Aber, aber...<< Kai grinste sie nun bösartig an. Er sagte nichts, aber die Energie, die von ihm ausging, schien die Luft zu durchschneiden. So standen sich Kai und Ignis sekundenlang gegenüber. Für die anderen schienen Stunden zu vergehen, in denen sie nicht einmal zu atmen schienen. Plötzlich schrie Lain auf: >>Ryu! Da, das Schwert!<< Ryu erschrak und sah auf das Drachenschwert hinunter, auf das er gar nicht mehr geachtet hatte. In der Zwischenzeit hatte es angefangen dunkelblau zu glühen und zu schwingen. Die Schwingungen des Schwertes verursachten ein seltsames Geräusch in der Luft. Die Energie, die von Kai ausging wurde immer stärker - und damit auch die Geräusche, die das Schwert verursachte. Wieder erhob sich ein Wind. Erst war es nur ein Hauch, aber schon wenige Sekunden später wurde es wieder ein Sturm. Fleera schrie überrascht auf und ließ sich angesichts dieser Macht ehrfürchtig auf den Boden sinken. Die Anderen taten es ihr nach, wenngleich auch nur, weil der Sturm immer stärker wurde. Ryu hatte Mühe das Schwert überhaupt noch festhalten zu können, denn es schien mit aller Gewalt zu Kai zu wollen. Plötzlich ging ein Ruck durch Ryus Körper. Er stürzte nach vorne und ließ das Schwert los. Es flog direkt zu Kai, der es lässig in die rechte Hand nahm und mit der Spitze auf Ignis zeigte. Die Feuerdämonin warf kühl ihren Kopf zurück, aber man konnte spüren, dass ihre innere Ruhe nun endgültig zerstört worden war. >>Denkst du, ich habe Angst vor diesem alten Schwert?<<, fragte sie mit zitternder Stimme. Kai schwieg und sah sie nur an. Keiner seiner Muskel rührte sich. Ignis wich einen Schritt zurück und ballte die Hände zu Fäusten. Plötzlich flammte der Ehrgeiz in ihren Augen wieder auf und sie warf Dutzende von kleinen Feuerbällen auf Kai. Er blieb stehen und rührte immer noch keinen seiner Muskeln. Er sah Ignis nur an, während die Feuerbälle wirkungslos verpufften. Ignis atmete tief durch und sagte dann so ruhig und fest wie möglich: >>Kai, se chin se tso nez be Senspla!<< Die Dämonin verschwand. >>Was hat sie gesagt?<<, fragte Lain. >>Mal sehen. >Kai, wir sehen uns heute nacht am Südpol<. Oder so ähnlich.<<, übersetzte Ryu. Kai ließ das Schwert sinken. Lain sah ihn erschrocken an und rief: >>Nein, Kai! Das darfst du nicht! Das wird bestimmt gefährlich.<< Kai drehte sich zu ihr um und erwiderte lächelnd: >>Keine Sorge. Ich werde nicht gehen.<< Lain und Russel merkten, dass er schwindelte, um sie zu beruhigen, aber den anderen schien das nicht aufzufallen. >>Also ist Kai der rechtmäßige Besitzer des Drachenschwertes.<<, folgerte Damian. Ryu nickte. >>Scheint so. Wisst ihr was? Lasst uns nach Hause gehen. Ich denke, wir sind alle müde.<< Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)