Das Erbe der Drachen - Band 1 von Flordelis (Der Drachenkrieg) ================================================================================ Kapitel 20: Ignis' Herausforderung ---------------------------------- Kai wollte gerade das Drachenschwert nehmen und durch das Fenster verschwinden, als es plötzlich an der Tür klopfte. Kai sah auf die Uhr, deren Zifferblatt zehn Uhr anzeigte und fragte dann laut: >>Wer könnte das sein?<< Vorsichtig öffnete er die Tür. Lain stand draußen und sah ihn skeptisch an. >>Geht es dir gut?<< Kai nickte. Ungebeten betrat Lain den Raum und Kai schloss die Tür hinter ihr. >>Was willst du?<<, fragte er. Lain drehte sich zu ihr um und fragte: >>Du wirst doch nicht gehen oder?<< >>Nein, aber nein!<<, erwiderte Kai etwas zu hastig, als um Lain beruhigen zu können. Sie verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust und sah Kai durchdringend an. Unter ihrem Blick brach er zusammen und gestand: >>Also gut! Ich gebe es zu. Ich wollte diese Nacht an den Südpol, um gegen Ignis zu kämpfen.<< >>Du wolltest?<<, hakte Lain nach. >>Ja, aber dann kamst du und ab da...<< Lain lächelte und warf sich an seine Brust. Sie schlang ihre Arme um ihn und seufzte. >>Warum seufzt du?<<, fragte Kai. >>Ach, ich habe mein Leben lang meine wahre Liebe gesucht und hier habe ich dich gefunden. Hmm, komisch, nicht wahr?<< >>Vielleicht. Habe ich dir nicht schon gesagt, dass ich bald wieder gehen werde?<< Lain sah in sein Gesicht und fragte: >>Wirklich?<< Kai lächelte verlegen. >>Vielleicht kannst du mitkommen, aber ich bin nicht sicher.<< Lain drückte ihren Kopf wieder an seine Brust und schwieg. Er sah gedankenverloren aus dem Fenster, in dem der Mond erschienen war. Es war Vollmond und unzählige Sterne glitzerten am Himmel. >>Lass uns ins Bett gehen.<<, schlug Kai vor. >>Wir haben morgen einen anstrengenden Tag vor uns.<< *** Russel erwachte als er hörte wie jemand an der Außenwand des Palastes hinunterkletterte. Er hob den Kopf und sah aus dem Fenster. Kai kletterte an einem Seil herunter und stieß dabei alle zehn Sekunden mit den Füßen an die Mauer. Bei dem Aufprall der Schuhe auf dem Stein, entstand ein pochendes Geräusch, als ob ein Herz langsamer, viel langsamer schlagen würde. Plötzlich ließ Kai das Seil los und mit einem dumpfen Laut landete er auf dem weichen Boden. Russel stand auf und trat an das Fenster. Er konnte gerade noch sehen wie Kai sich in die Luft erhob und Richtung Südpol losflog. Russel schüttelte missbilligend den Kopf. >>Ich habe es doch gewusst! Dieser Kai! Aber warum ist er die Wand runtergeklettert, wenn er doch fliegen kann?<< Russel kletterte aus dem Fenster und flog Kai hinterher, wobei er darauf achtete, dass Kai seine Energie nicht bemerken konnte. Am Südpol flog Kai langsamer und schien etwas zu suchen. Russel war froh, dass er einen magischen Mantel anhatte, denn er wärmte ihn und schützte ihn vor dem Eis, das ihn immer öfter schrammte. Schließlich flog Kai auf den Boden zu. Russel folgte ihm in einem sicheren Abstand und versteckte sich hinter einem Eisberg. Russel sah um die Ecke und entdeckte Ignis und einige ihrer Phantome. Die Dämonin lachte durchdringend und sagte: >>Ich wusste, dass du kommen würdest, Kai. Der Göttliche kann einfach keine Herausforderung ablehnen; das lässt sein Stolz nicht zu.<< Kai lachte leise und entgegnete etwas, was Russel nicht verstand. Ignis warf ihre Haare zurück und sah plötzlich direkt in Russels Richtung. Ihre Augen blitzten auf und undeutlich rief sie etwas in der Dämonensprache. Die Phantome verschwanden. Kai fuhr herum und rief überrascht Russels Namen. >>Was tust du hier?<< Bevor Russel antworten konnte, erschienen die Phantome wieder. Sie hatten Russel umkreist und schienen auf weitere Befehle zu warten. Kai sah Ignis erzürnt an und fragte: >>Was soll das? Lass ihn in Ruhe!<< Ignis lachte. >>Eigentlich solltest du alleine kommen. Jede weitere Person wird eliminiert!<< Die Dämonin machte eine wegwerfende Handbewegung und die Phantome sprangen in die Luft. Russel sah nach oben und realisierte fast zu spät, dass diese Phantome auf ihn zusprangen. Kai sprang dazu und riss Russel auf die Seite. Die Phantome landeten genau da, wo Russel gerade noch gestanden hatte. Sie sprangen aufeinander und das unterste Phantom wurde förmlich auseinandergerissen. Russel wurde blass. Ignis lächelte selbstgefällig. >>Ihr habt nicht den Hauch einer Chance.<< Weitere zwanzig Phantome erschienen um Russel und Kai, die sich Rücken an Rücken stellten und ihre Schwerter zogen. >>Meinst du, wir schaffen es?<<, fragte Russel. >>Abwarten.<<, erwiderte Kai nur. Die Phantome sprangen plötzlich los und griffen die beiden an. Fünfzehn der Phantome konzentrierten sich allein auf Kai, aber er blieb ruhig stehen und rief: >>Göttersturm!<< Die Phantome wurden weggeweht. Russel versuchte sich auf einzelne Phantome zu konzentrieren, aber die Wesen wirbelten in Windeseile durcheinander. Schließlich wurde es Russel zuviel und er rief: >>Grüner Tornado!<< Die Phantome verschwanden, doch wieder erschienen neue, die von Ignis gerufen wurden. Russel wurde wieder bleich. >>Was soll das?<< Kai benutzte wieder einen Göttersturm und Russel tat es ihm mit dem grünen Tornado nach. Kai entdeckte eines der Phantome, das sich hinter einem Fels versteckt hielt und wieder auf Russel, der ihm den Rücken zudrehte, zusprang. Kai wollte Russel warnen, aber das Phantom war blitzschnell, tauchte vor Russel auf und schmetterte seinen Ellbogen gegen das Knie des Kämpfers. Russel schrie schmerzerfüllt auf und fiel hin. Das Phantom lachte schrill, aber Russel gab sich nicht geschlagen: er riss sein Schwert hoch und bohrte es in die Brust des Phantoms, wo normalerweise das Herz saß. Das Schwert leuchtete grün und das Phantom löste sich auf. Russel betastete sein inzwischen geschwollenes Knie und stöhnte auf. Starke Schmerzen zuckten durch sein Bein und das Bewegen schien absolut unmöglich. Kai trat neben ihn und fragte: >>Tut es sehr weh?<< Russel nickte knapp. >>Schon ein bisschen.<< Ignis lief einige Schritte auf sie zu und sagte dabei: >>Ich hätte nie gedacht, dass ihr soweit kommen würdet, aber hier ist eure Reise zu Ende.<< Kai hob den Kopf und sah sie an. Die Feuerdämonin sah wütend und fast, ja, nervös aus. Kai stand auf. Plötzlich verschwamm sein gesamtes Bewusstsein und dunkle Gedanken und Gefühle flammten in ihm auf. Russel spürte undeutlich, wie dunkle Energie von Kai ausströmte. >>Was, was soll das?<< Kai konnte es sich selber nicht erklären, aber mit einemmal war sein gesamtes Denken nur noch von einem Gedanken erfüllt: Ignis zu töten, um Sweety zu rächen. Die Feuerdämonin wich einen Schritt zurück. Kai zog sein Schwert und sagte leise mit dunkler Stimme: >>Du wirst für das, was du Sweety angetan hast, bezahlen.<< Ignis warf den Kopf in den Nacken und sprang in die Luft, wo sie schwebenblieb. >>Fang mich, wenn du kannst!<<, rief sie Kai zu. Damit flog sie schnellstmöglich weiter nach Süden. Kai erhob sich in die Luft und folgte ihr. Russel stand vorsichtig auf und hinkte schmerzgepeinigt hinter einen Eisberg, hinter dem er sich niederließ und mit dem Rücken dagegen lehnte. Erst jetzt bemerkte er, dass er zitterte, aber war es wirklich die Kälte, die ihn dazu brachte? War es nicht eher die dunkle Energie von Kai gewesen? Die Energie, die jedes Lebewesen, sogar ein Gott, fürchtete? Die Energie Luzifers, des Teufels? >>Nein! Das ist unmöglich!<<, schalt Russel sich selber. >>Das kann überhaupt nicht sein!<< Russel drückte sich so stark gegen die Mauer aus Eis, dass es ihm vorkam, als ob er damit verschmelzen würde. Kai verfolgte währenddessen Ignis erbittert. Die Feuerdämonin schien nicht den Plan zu haben bald anzuhalten. >>Was hat sie vor?<<, fragte Kai sich. >>Mir reicht's jetzt!<< Kai flog schneller und war nun direkt vor Ignis. Die Dämonin keuchte; die Kälte schien ihr ihre Kräfte zu rauben. Dadurch verstand Kai einfach nicht, warum Ignis ausgerechnet hier hatte kämpfen wollen. Sie hätte ihn genau so gut in einem Vulkan bekämpfen können. Dort hätte sie sogar noch einen Vorteil gehabt. Aber vielleicht wollte sie nur ihre Stärke demonstrieren? Wenn ja, war ihr das nicht gelungen. Ignis stoppte keuchend. Nun schwebte sie nur noch und rang nach Atem. >>Ich - hasse - Eis.<<, presste sie mühevoll hervor. >>Warum hast du mich dann hier zu einem Kampf aufgefordert?<<, fragte Kai teilnahmslos. >>Das ist - meine - Sache. Geht dich - nichts - an.<< >>Du weißt, dass du verlieren wirst, nicht wahr? Warum gibst du nicht gleich auf?<< Plötzlich spürte Kai wie Ignis' Kräfte wieder entflammten und zornig schrie sie: >>Ich gebe niemals auf! Ich bin die Letzte der stolzen Feuerdämonen! Meine Flamme wird niemals erlöschen!<< Damit schleuderte sie einen Feuerpfeil auf Kais Kopf. Er bewegte seinen Kopf sacht nach rechts, worauf der Pfeil an seinem Gesicht vorbeiflog und nur einen kleinen Kratzer auf seiner Wange hinterließ. Kai schüttelte den Kopf. >>Egal, wie du es versuchst, du hast keine Chance gegen mich.<< Ignis wurde noch wütender und warf fünf Feuerbälle nach Kai. Er hob nur die Hand. Die Flammen prallten ab und verloren sich in der Eiswüste, wo sie mit einem seltsamen Geräusch verpufften. Ignis ballte die Hände zu Fäusten. >>Warum? Warum haltet ihr uns von eurer Welt fern?<< >>Das ist eine dumme Frage! Ihr versucht uns zu versklaven oder zu töten. Denkt ihr Dämonen eigentlich, wir lassen das einfach zu?<< >>Wenn ihr uns nicht akzeptiert, bleibt uns nichts anderes übrig. Wir wollen auch leben!<< >>Wir wurden nie gefragt, ob wir wollen, dass ihr herkommt.<< Plötzlich füllten sich Ignis' Augen mit Tränen und leise sprach sie weiter: >>Die Drachen wollen nicht, dass wir in diese Welt kommen. Sie bekämpfen uns wegen alten Fabeln und Geschichten, die längst überholt sind. Denkt ihr egoistischen Drachenmenschen eigentlich auch mal an andere?<< Die Tränen liefen über ihr Gesicht. Kai schwieg. Also haben Dämonen auch Gefühle., überlegte er zögernd. Das hätte ich nie gedacht. Ignis schüttelte den Kopf, um sich wieder zu fassen und rief: >>Es reicht! Stirb!!<< Sie konzentrierte eine große Energiekugel, die sie auf Kai schleuderte, der jedoch behende auswich. >>Mir reicht es auch!<<, sagte er. >>Götterblitz!<< Ein blassgrüner Blitz zuckte und schlug in einen Eisberg direkt neben Ignis ein. Der Eisberg zersprang mit einem ohrenbetäubenden Geräusch in tausend Stücke, doch Ignis blieb unversehrt. Kai fluchte und wich einem erneuten Feuerpfeil aus. >>Du solltest erst mal zielen lernen!<<, lachte Ignis und warf noch einen Feuerball. Kai wich mühelos aus, zögerte aber mit einem Gegenangriff. Wenn Dämonen Gefühle hatten, leideten sie bestimmt auch Schmerzen. Das war etwas, worüber Kai noch nie in seinem kurzen Leben nachgedacht hatte. Doch bevor er diesen Gedanken vertiefen konnte, gewann wieder die Dunkelheit die Führung über seinen Verstand und ohne nachzudenken schleuderte er ebenfalls eine Energiekugel. Ignis flog zur Seite und warf wieder wortlos mehrere kleine Feuerbälle auf Kai. Er wich jedem davon aus und erschien plötzlich hinter Ignis. Ohne sich umzudrehen rammte sie ihren Ellbogen in seinen Magen und flog einige Meter davon. Kai keuchte und krümmte sich vor Schmerzen zusammen. Ignis drehte sich wieder zu ihm und starrte ihn aus zornfunkelnden Augen an. >>Das hast du verdient!<<, fauchte sie. Kai hob den Kopf. Seine Augen funkelten schwarz und kalt. >>Wart's ab, Mädchen!<< Ignis schreckte noch zurück, aber Kai war blitzschnell bei ihr und packte sie an den Armen. Die Dämonin schrie auf und spürte wie ihre Kräfte sie verließen. Es war als ob Kai diese Kraft in sich aufnehmen würde. Ignis' Körper wurde immer schwächer. Kai ließ sie los und sie begann zu fallen. Er fing sie auf und flog mit ihr weiter. Ohne ein Wort zu verlieren flog er mit ihr zu einem gespaltenen Berg, dessen Eis in der inzwischen aufgegangenen Sonne unwirklich glitzerte. Kai flog direkt über den Eisberg und ließ Ignis fallen. Die wehrlose Dämonin fiel wie ein Stein in die Tiefe, aber bevor sie unten aufschlagen konnte, breitete Kai die Arme aus und rief: >>Mächte des Eises, ich beschwöre eure Kräfte! Sperrt diese Dämonin in eure eisige Hallen, damit sie nie wieder das Licht erblicke!<< Der Berg setzte sich in Bewegung. Mit einem extrem lauten Geräusch bewegten sich die beiden Hälften aufeinander zu. Kurz bevor sich der Berg schloss, war eine letzte Stichflamme von Ignis zu sehen, dann gab der Berg beim Schließen ein letztes Geräusch von sich. Der Eisberg hatte sich geschlossen - mit der Feuerdämonin Ignis in seinem Herzen. *** Alexis hob den Kopf. >>Ignis ist erloschen.<< Der menschliche Drachenritter Reuten sah den jungen Mann mit den kurzen platinblonden Haaren und den stahlblauen Augen an und fragte verdutzt: >>Woher weißte denn das?<< >>Ich fühle es. Kai hat sie besiegt und versiegelt. Seine Aura ist stärker, als je zuvor. Kaum zu glauben.<< Reuten lachte auf. >>Das wird sich bald ändern.<< >>Sei dir nicht zu sicher, Reuten. Ich kann den Ausgang des Kampfes vorhersehen.<< >>Und, was siehste?<< Alexis schwieg und senkte den Kopf. Reuten blickte auf seine Haare und knurrte: >>Du bist ein komischer Kauz. Ich werde dich im Auge behalten müssen.<< *** Kai landete neben Russel und sah auf dessen Knie. Die Schmerzen hatten den Kämpfer so sehr geschwächt, dass er es nicht geschafft hatte, einen Heilzauber einzusetzen. >>Ist es schlimmer geworden?<<, fragte Kai voller Mitleid. Russel nickte. >>Ich würde dich ja heilen, aber dann würden meine Kräfte nicht mehr für den Rückflug reichen und ich glaube, dass ich dich tragen muss oder?<< >>Ich denke schon.<<, gab Russel zu. >>Zuhause kann Fleera dich heilen.<< Russel grinste, trotz der Schmerzen. Kai half Russel vorsichtig aufzustehen und legte dessen Arm um seine eigene Schulter. Kai lächelte Russel aufmunternd zu. >>Bereit?<< Russel nickte mit zusammengebissenen Zähnen. Kai erhob sich in die Luft und flog zurück nach Drakani. Russel konnte spüren, dass Kais dunkle Energie von vorhin verschwunden war. Nichts erinnerte mehr an die furchterregende Aura, die er gespürt hatte und während er in Gedanken versunken neben Kai herglitt, fragte dieser: >>Sag mal, Russel, kann es sein, dass du kein richtiger Mensch bist?<< >>Was? Wie kommst du darauf?<< >>Nun ja, du weißt zum Beispiel Dinge, die kein anderer weiß und du hast meine Hilfe sofort angenommen. Ein normaler Mann hätte es zumindest ein paarmal vor Stolz abgeschlagen, so wie Damian.<< >>Aber Lionet...<<, begann Russel, doch Kai unterbrach ihn: >>Lionet ist ohnehin seltsam, aber du,...du bist anders.<< >>Ja, das stimmt...irgendwie.<< >>Du wirst mir nichts erzählen, nicht wahr?<< Russel senkte den Kopf und sah auf das blaue Meer, das sich unter ihnen ertreckte. >>Irgendwann. Irgendwann werde ich dir alles erzählen.<< Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)