Das Erbe der Drachen - Band 1 von Flordelis (Der Drachenkrieg) ================================================================================ Kapitel 4: Das Drachenauge -------------------------- König Luke hatte befohlen Ryu und Lionheart an einer Eisenkette über die Arena zu hängen und unter die beiden einen großen Kessel mit Schwefelsäure zu stellen. Die Eisenkette schnitt Ryu schmerzhaft in Arme und Brust. Seine Augen tränten vor Schmerz - und Wut über sich selbst, da ihm zu spät eingefallen war, dass man ihm auch eine Falle stellen könnte. Dabei hätte ihm auffallen müssen, dass alles viel zu leicht gewesen war. Luke ließ wieder sein scheußliches Lachen hören und rief dann: >>Endlich ist alles perfekt! Ich habe den Kaiser, der so gut wie erledigt ist - genau wie sein Volk.<< >>Wie meinst du das?<<, fragte Ryu. >>Siehst du die Säure, Drachenkaiser? Ich werde dich da hinein werfen lassen. Du wirst dich mit dem Drachenauge auflösen und dein Volk wird blind vor Wut leichte Beute für meine Krieger werden - wenn nicht vorher eure legendären Krieger auftauchen.<< Allgemeines Gelächter ertönte und Ryu fühlte eine Wut in sich, die der glich, die er gehabt hatte, als Seline gegangen war und ihn allein gelassen hatte. Dabei war sie immer seine Lieblingsschwester gewesen. Ryu atmete tief durch. Luke hörte auf zu lachen und sprach weiter. Jedes seiner Worte ließ Ryus Wut höher fachen. >>Oh, Drachenkaiser, der Fahrer, der euch mitnahm, hat genau richtig gehandelt, als er den Soldaten von der Anwesenheit dieses schmutzigen Drachen erzählte. So hatten wir genug Zeit das ideale Willkommenskomitee zusammenzustellen und ihr beiden habt alles blauäugig geglaubt.<< Wieder lachten alle und Ryus Wut war inzwischen an ihrem Höhepunkt angelangt und auch Lionheart schien sich kaum noch unter Kontrolle halten zu können. Doch bevor er sich bewegen konnte, hob Luke mahnend den Zeigefinger und sagte: >>Na, na, na. Wenn ihr euch zu sehr bewegt, werdet ihr in die Säure fallen; die Kette ist nämlich nicht richtig befestigt.<< Lionheart erstarrte. Plötzlich war Ryus Wut verschwunden - aber dafür spürte er wieder diese alte Macht in ihm. Die Macht aus seiner Kindheit, die er versucht hatte zu vergessen, weil er sie nicht kontrollieren konnte und sie deshalb fürchtete. Ryu atmete wieder tief ein und zählte bis zehn, um die Macht zu unterdrücken. Luke lachte erneut und rief: >>Seht euch das an: der Drachenkaiser am Rande des Abgrunds und er kann nicht einmal sich selbst retten!<< Die Menge lachte ebenfalls. Ryu zählte bis fünf. Sein Atem ging schneller. >>Ich würde mal sagen wir schicken die Krieger schon mal nach Drakani und töten danach die acht Krieger.<< Das war zuviel für Ryu! Ein leuchtender lilaner Schein breitete sich um den Kaiser aus und ein Knistern lag in der Luft. Die Menschen verstummten und sahen fassungslos auf Ryu, der angefangen hatte zu knurren. >>Was ist los, Kaiser Ryu?<<, fragte Lionheart ängstlich. Die Macht breitete sich in Ryu aus und erfüllte ihn mit Kälte. Doch es war zu spät sich zu wehren: ein lilaner Blitz >schlug< in Ryus Stirn ein auf der das >Blitzwappen< erschien. Ledrige, lilane Flügel wuchsen aus Ryus Rücken und statt seiner Kleidung erschien die Rüstung eines Drachenritters der neunten (und untersten) Klasse. Die Eisenkette zersprang und Ryu packte Lionheart am Handgelenk. Die Kette fiel in die Säure und löste sich mit einem Zischen auf. Das alles geschah in weniger als einer Sekunde. Ryu verharrte in der Stellung, in der er Lionheart gegriffen hatte. Nach einer Minute der völligen Fassungslosigkeit begannen die Menschen auf den Tribünen in Panik los zu kreischen und sich hastig auf den Weg nach draußen zu machen. Luke schrie etwas, worauf um die vierzig Bogenschützen die Arena und die Tribünen stürmten. Ryu hatte noch nie jemanden getötet und er hatte auch jetzt nicht vor das zu tun. Als er das dachte schreckte er auf und hätte beinahe Lionheart losgelassen. Er konnte seine Gedanken kontrollieren, obwohl er sich verwandelt hatte! Ryu zog Lionheart hoch, klemmte ihn sich unter den Arm und flog unbeholfen los. Die Schützen legten an und schossen, aber Ryu wich den Pfeilen behende aus. Fliegen war im Grunde gar nicht so schwer. >>Was hast du vor?<<, fragte Lionheart und benutzte dabei das respektlose >Du<; anscheinend glaubte er nicht, dass dieser Drachenritter Kaiser Ryu war. >>Halte deine Hände vor dein Gesicht.<<, knurrte Ryu mit tiefer Stimme. Lionheart wollte fragen weswegen, aber da entdeckte auch er, dass die Arena nur ein Glasdach hatte. Er schlug die Hände vor sein Gesicht, wie jemand, der verzweifelt war und wartete. Ryu benutzte einen Blitz, der das Glas sprengte. Splitter flogen hernieder und verfingen sich in Lionhearts langen Haaren. Ryu flog durch das geöffnete Dach in die kühle Nacht hinaus und wandte sich nach Norden, wo das Drachenreich Drakani lag. Sein Reich, seine Heimat. Kaum war Ryu über die Grenze geflogen, verließen ihn seine Kräfte. Doch hinter der Grenze gab es mehrere hundert Meter weit nur Berge, die eine Invasion der Menschen fast unmöglich machten. Denn über die Berge zu kommen war schwer, da die goldenen Erddrachen die Berge mit Gängen durchzogen und somit nicht begehbar gemacht hatten. Aber Ryu war am Ende seiner Kräfte und schlug deshalb alle Warnungen Argus' in den Wind und landete auf einem sicher aussehenden Bergpfad. Er ließ Lionheart los und fiel auf die Knie. Der Leibwächter trat einen Schritt zur Seite und beobachtete fassungslos was mit dem Kaiser geschah. Ryu wurde wieder etwas kleiner. Seine Flügel zogen sich in seinen Körper zurück und er bekam wieder die alten Sachen, die er getragen hatte, bevor er sich in einen Drachen verwandelt hatte. Ryu atmete auf. >>Das war unglaublich, Kaiser Ryu!<<, rief Lionheart. >>Ihr seid der Erste bei dem ich die Verwandlung mit angesehen habe!<< Ryu sah nach oben in Lionhearts bleiches, aber erleichtertes Gesicht. Er stand auf und fasste in seine rechte Westentasche, wo er das kalte Metall des Drachenauges fühlte. Er nahm es heraus und sah es sich genauer an. Auf den ersten Blick erinnerte es an eine extravagante Taschenuhr. Es war größtenteils golden, aber auch rosa Edelsteine waren darauf bestückt. Die Mitte bestand aus einem großen ebenfalls rosa Edelstein. Eine goldene, hauchdünne Kette war an dem oberen Ende befestigt und instinktiv drückte Ryu auf den Anhänger. Der große Edelstein in der Mitte sprang auf und gab den Blick auf ein dunkelgrünes Display frei. Ryu lachte durch die Nase und sagte, mehr zu sich gewandt: >>Magie, he? Das ist Technologie.<< Ryu drückte erneut auf den Anhänger und dann konnte er den Teil einer Karte von Drakani erkennen. Es war die Bergregion in der er und Lionheart sich gerade befanden. Zwei Punkte waren darauf zu sehen: ein rosaner, der anscheinend das Drachenauge darstellte und ein violetter, der den violetten Lord darstellen sollte. Ryu kratzte sich am Kopf und sah Lionheart an. Vielleicht war er ja der violette Lord, aber Ryu beschloss nichts zu sagen bis sie wieder im Schloss waren. Lionheart sah Ryu immer noch verwirrt an und bewegte sich nicht. Seufzend lief Ryu voraus den Bergpfad hinunter. Von der Stelle an der Ryu hinunter lief konnte er die Hauptstadt von Drakani sehen in der das Schloss stand. Die Stadt und das Schloss waren hell erleuchtet und Ryu wünschte sich sehnlichst jetzt in seinem Bett zu liegen. Während er so nachdachte, achtete er nicht auf seinen Weg und Lionheart folgte ihm auch nur langsam und müde. Plötzlich trat Ryu ins Leere und bevor er verstand was geschah fiel er laut schreiend in das Loch hinein, das sich sofort wieder schloss. Lionheart erwachte aus seiner Müdigkeit und sah sich hektisch um. >>Kaiser Ryu?!<<, rief Lionheart fragend. >>Kaiser Ryu, wenn das ein Scherz sein soll, find ich ihn nicht komisch! Antwortet doch, Kaiser!<< Statt einer Antwort von Ryu pfiff der Wind unheimlich durch die Berge. Lionheart sah nach oben. Tausende und abertausende von Sternen leuchteten am Himmel, aber halfen ihm auch nicht weiter. Verzweifelt setzte er sich auf einen Stein und fuhr sich durch die Haare. Ohne den Kaiser brauchte er gar nicht erst wieder in den Palast zu kommen. Lionheart sah wieder nach oben an den Himmel, wo eine Sternschnuppe vorbeizog. Er faltete die Hände und wünschte sich, dass Ryu bald wieder zurück kommen würde. Ryu rieb sich unterdessen den schmerzenden Ellbogen. Er war mit dem Ellbogen auf dem Steinboden aufgeprallt. Mühsam stand Ryu auf und sah sich um. In dem Hohlraum, in dem er gelandet war, war nichts. Einfach nichts. Aber etwas verwirrte Ryu an diesem Ort: soweit er sehen konnte waren die Wände und der Boden spiegelglatt. Nur an einer Wand konnte er nichts sehen, weil dort kein Licht von oben hinfiel und nichts spiegelte. Es sah aus, als könnte man durch diese Stelle in einen anderen Teil der Höhle gelangen. Ryu lief einige Schritte, aber er verlor den Halt auf dem Boden. Er rutschte aus, stürzte und rappelte sich wieder auf. Seine Wirbelsäule schmerzte nun auch und der Schmerz strahlte in seinen ganzen Körper aus. Plötzlich flammte ein violettes Licht an der schwarzen Wand auf und Ryu erschrak so sehr, dass er seine Schmerzen vergaß. Der Umriss eines Drachen erschien in dem Licht und eine dunkle Stimme sprach: >>Willkommen, Edler. Du hast deine Prüfung bestanden und bist bereit deine Rolle als Krieger wieder aufzunehmen.<< >>Wie bitte?<<, fragte Ryu verwirrt. >>Lord Ryu, Ihr seid einer der acht legendären Krieger: der Lord der violetten Blitzdrachen.<< >>Wie kommt Ihr dazu, dass ich dieser jemand bin, den Ihr sucht?<< >>Ihr habt Euch als edel, tapfer und rein erwiesen, genau wie der damalige Kämpfer für die violetten Drachen.<< Ryu wusste nicht was er dazu sagen sollte und zuckte so mit den Schultern. Ein kleines violettes Licht erstrahlte vor Ryu und schwebte an seinen rechten Ringfinger. Das Licht verschwand und an dessen Stelle erschien ein goldener Ring mit einem eingefassten violetten Edelstein. Merkwürdige Gravuren waren auf dem Ring zu sehen, aber sie schienen keine tiefere Bedeutung zu haben. >>Das ist der Ring des Edelmutes. Damit kannst du verschiedene Blitz- und Donnerzauber benutzen. Nimm dich aber vor magischen Dämonen in Acht, denn die Magie des violetten Ringes ist schwächer, als schwarze Magie.<< Ryu nickte. Das Drachenauge flog aus seiner Tasche und schwebte vor ihm in der Luft. Das Display war zu sehen und Ryu konnte im Westen einen schwarzen Punkt sehen. >>...der schwarze Lord?<< >>Ja. Ich möchte, dass Ihr lernt mit der Macht des Ringes umzugehen und die anderen Lords findet. Wir Drachen haben viel zu lange untätig zugesehen wie König Luke seine Untertanen und alle anderen quälte und unterdrückte. Etwas muss dagegen unternommen werden, doch wir Drachen sind viel zu schwach und deshalb legen wir es in Eure Hände, Kaiser Ryu. Bitte sorgt dafür, dass die Erde ihren Frieden endgültig zurück bekommt.<< Ryu nickte erneut. >>Dieses Drachenauge wird Euch dabei helfen; es wird Euch vor Gefahren warnen. Aber Vorsicht: es erkennt nicht jede Gefahr! Hört ab und zu auf Euer Herz, Kaiser. Viel Glück!<< Das Display schloss sich und Ryu konnte nun erkennen, dass um den großen Edelstein in der Mitte noch sechs kleine, farblose Steine im Kreis gruppiert waren. Der Oberste jedoch war violett und hob sich von dem blanken Gold ab. Ryu nickte noch einmal. Reden schien ihm unmöglich. >>Ich bringe Euch zurück zu Eurem Gefährten. Gebt Euch Mühe.<< Das violette Licht verschwand und nur den Bruchteil einer Sekunde später befand sich Ryu wieder an der Stelle an der er in das Loch gefallen war. Überrascht sah Lionheart auf. Er begriff gar nicht was er da sah. >>Oh! Kaiser Ryu! Ihr seid am Leben!<< Lionheart sprang auf und umarmte Ryu erleichtert. Der Kaiser löste sich aus der Umklammerung und erzählte knapp was passiert war. Staunend lauschte der Leibwächter der kurzen Erzählung und fragte dann: >>Das heißt Ihr seid der violette Lord? Das ist ja wunderbar, fantastisch!! Nein, das ist schrecklich, das ist furchtbar!<< Er hatte so schnell gesprochen, dass Ryu fast nichts verstanden hatte. >>Wieso ist das furchtbar?<< >>Weil das bestimmt gefährlich ist!<< >>Aber das macht bestimmt mehr Spaß, als diese verstaubten Bücher zu lesen.<< Lionheart gab seufzend auf. >>Na, von mir aus. Aber nur, wenn wir jetzt nach Hause gehen.<< Ryu nickte heftig. >>Ja! Lasst uns gehen!<< *** Kai saß am Feuer und hielt einen alten Spiegel in der Hand. Er hatte also weiße Haare und blassgrüne Augen - wenn er auch nicht verstand was daran so besonders war. Fünf Kinder setzten sich zu ihm, darunter der Junge, dem er das Leben gerettet hatte. >>Sag mal, hattest du keine Angst vor dem Puma?<<, fragte einer der Jungen, der so etwas wie der Anführer zu sein schien. >>Angst...?<< >>Du musst ziemlich mutig sein.<< >>Angst...mutig. Was bedeuten diese Wörter?<< Die Kinder verstummten und sahen ihn fassungslos an. Plötzlich rief der älteste Junge: >>Du weißt nicht einmal was Mut ist?<< Die Musik und die Erwachsenen verstummten und sahen die Jungen fragend an. Unsicher nickte Kai und ein Raunen zog durch das Dorf. Kai hatte das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben. Der Dorfälteste kam heran und fragte: >>Kai, ist das wahr?<< Er nickte wieder. >>Hmm, du sagtest du erinnerst dich an nichts, richtig?<< Erneutes Nicken. >>Dann ist die Legende also wahr! Du musst der Göttliche sein!<< >>Der was?<< Es heißt, dass der Göttliche in Gestalt eines unschuldigen Kindes kommen wird und nach Wissen strebt - und zwar in der dunkelsten Zeit des Drachenkrieges, die bereits angebrochen ist. Du strebst doch nach Wissen oder?<< Kai stand auf und fragte schnell: >>Wie kann ich herausfinden, ob ich der echte bin?<< Der Älteste runzelte seine Stirn. >>Im Norden gibt es einen alten Tempel. Dort könntest du etwas herausfinden, aber warte wenigstens bis morgen.<< Kai nickte. Er fühlte sich plötzlich erschöpft und eine schwere Last legte sich auf seine Lider. >>Also schön.<< Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)