Das Erbe der Drachen - Band 1 von Flordelis (Der Drachenkrieg) ================================================================================ Kapitel 10: Der Phönixritter ---------------------------- Lionet bewegte sich langsam vorwärts. Seine Augenbrauen waren noch eisverkrustet und egal, was er tat - seine Augen gewöhnten sich einfach nicht an die undurchdringbare Dunkelheit. Das Schnaufen des Drachen hatte aufgehört und so hatte Lionet keinen Bezugspunkt mehr. Allerdings wunderte er sich, dass der Boden nicht glatt war, so wie im Rest der Höhle. Ohne jede Vorwarnung flammte plötzlich ein Licht auf, das Lionet blendete. Instinktiv hob er den Arm vor die Augen. Eine kalte Stimme, die Lionet sehr vertraut war, erklang: >>Du bist gekommen. Endlich!<< Es war die selbe Stimme, die er einhundert Jahre lang in seinen Träumen gehört hatte. Lionet senkte den Arm und sah aus zusammengekniffenen Augen der Stimme entgegen. Eine Art steinerne kleine Bühne war zu erkennen und rechts und links davon brannten zwei blaue Fackeln. Auf der steinernen Bühne war ein großer, blauer - >>Leviathan?<<, flüsterte Lionet ungläubig. Die riesige Schlange nickte. >>Ich habe dich lange erwartet. Sehr lange. Jetzt ist die Zeit gekommen, dass meine Macht auf dich übergeht.<< >>Wie bitte? Was soll'n das?<< >>Du wirst es bald verstehen. Nimm den Stein der Reinheit und kämpfe mit den anderen Lords gegen Melzesas Diener, damit die Machenschaften des dunklen Menschenkönigs Luke und des bösen Fürsten nicht fruchten können. Beeile dich nun, um Lord Ryu zu helfen.<< Während des Gesprächs war der goldene Ring mit dem blauen Stein erschienen. Der Leviathan verschwand, aber das ungewohnte Licht blieb. Gedankenvoll drehte sich Lionet um und ging zurück zu den anderen, die vor dem Durchgang warteten. Ryu und Damian sahen Lionet schon entgegen und als sie den blauen Stein erblickten, wussten sie bereits was passiert war. Lionet erzählte hastig, was der Drache gesagt hatte. Ryu nickte verstehend und sah wieder auf das Display des Drachenauges. Ein roter Punkt war in der Mitte des südlichen Kontinents zu sehen und ein weiterer Blick sagte Ryu, dass sie sich schon direkt unter Afrika aufhielten. Sie brauchten nur den Ausgang zu suchen. Ryu steckte das Amulett wieder in die Tasche und sagte: >>Okay! Gehen wir weiter.<< Die Anderen nickten und folgten Ryu durch den Gang zu einer Treppe. Seltsamerweise waren diese Stufen nicht vereist, aber schon kurz darauf merkte Ryu warum: ein warmer Wind wehte herunter, was Ryu sagte, dass der Ausgang nicht mehr weit war. Vergnügt hüpfte Ryu die Treppe hinauf - und wäre beinahe rückwärts wieder runtergefallen, als, wie aus dem Nichts eine kleine Streitaxt zwei Zentimeter vor seinem Gesicht erschien. Instinktiv trat Ryu einen Schritt zurück und legte seine rechte Hand auf den Griff seines Degens. Eine Hand erschien, die Streitaxt festhielt. Dann ein Arm, ein Brustkorb und zwei Sekunden später stand eine drahtige Gestalt in einer Mithrilrüstung vor ihnen. Nur die Haare bestanden aus feuerroten Federn, die sich über den Rücken erstreckten. Finster starrte er auf die Gruppe hinunter und stieß plötzlich die Streitaxt direkt vor Ryus Füßen in den Boden. Ryu schrie auf und sprang zurück, wobei er vergaß, dass er auf einer Treppe stand. Er kam auf der Kante an, versuchte, hilflos mit den Armen rudernd sein Gleichgewicht zu bewahren und stürzte dann doch nach hinten die Treppe hinunter. Es war so schnell passiert, dass keiner der anderen hatte reagieren können. Ryu setzte sich auf und rieb sich stöhnend den schmerzenden Hinterkopf. Die Gestalt lachte höhnisch und rief hinunter: >>Ich bin der Phönixritter! Ihr werdet es bereuen euch mit dem bösen Fürsten angelegt zu haben!<< >>Böser Fürst?<<, fragte Damian lauernd. >>Fürst Melzesa. Er hat mich hierher geschickt, um euch zu zerstören.<< >>Zerstören? Wie das klingt.<<, meinte Lionet. >>Als ob wir Gegenstände wären.<< >>Für Fürst Melzesa seid ihr nur Gegenstände, die ihm im Weg sind.<< Ryu stand auf und Lionheart fragte: >>Wo ist dieser Melzesa hergekommen?<< >>Die Frage werde ich euch beantworten, wenn ihr mich besiegt.<< Ryu und Damian stürmten zum Angriff. Der Phönixritter wich einen Schritt nach rechts, so dass Ryu und Damian durch den Schwung an ihm vorbei rannten. Doch zumindest Ryu hatte diese Reaktion erhofft, stoppte und drehte sich um. Auf dem flachen Grund war es besser zu kämpfen, als auf einer Treppe. Außerdem standen Ryu und Damian jetzt vor dem Ritter, der sich umgedreht hatte und Lionet, Killey und Lionheart standen hinter ihm. Der Phönixritter setzte ein böses Grinsen auf. Das Drachenauge piepste und das erste Mal in seinem Leben konnte Ryu das Böse fühlen. Es kroch unter seine Haut und ließ ihn erschauern. Damian spannte den Bogen und rief: >>Schwarzer Pfeil!<< und sah dem Pfeil hinterher, der auf den Ritter zuflog, der jedoch nur einen Schritt zur Seit machen musste, um der Attacke auszuweichen. Damian knirschte mit den Zähnen, als der Pfeil ein Loch in die Wand sprengte. Ryu konzentrierte einen Blitz, wusste aber jetzt schon, dass es nichts bringen würde. Lionet schien jedoch gerade seine Fassung wiederbekommen zu haben, denn plötzlich bohrten sich tausende von winzigen Eisnadeln, die man kaum sehen konnte in den Rücken des Phönixritters. Er schrie auf und drehte sich zu Lionet um. Ohne genauer darüber nachzudenken ließ Ryu den Zauber los, als er den Rücken des Ritters sah. Er schien den Zauber noch zu spüren, drehte sich aber zu langsam um: der Blitz traf ihn mitten in die Seite. Schmerzerfüllt sank der Ritter zu Boden. Damian und Ryu verließen die Kampfstellung, da sie sich ihres Sieges sicher waren. Die beiden drehten sich um und wollten zum Ausgang gehen, als das Drachenauge erneut aufpiepste. Ryu und Damian drehten sich wieder um und sprangen gerade noch rechtzeitig zur Seite, als nur eine halbe Sekunde später ein Feuervogel an ihnen vorbeischoss und in den Weiten des Himmels, jenseits des nahen Ausgangs verschwand. Lionheart packte den Phönixritter grob am Nacken, riss ihn herum und schrie zornig: >>Und jetzt beantwortest du meine Frage!<< Der Ritter nickte und sprach: >>Fürst Melzesa war einst nur ein Fantasiewesen. Entstanden aus den Gedanken eines Menschen, der Melzesas Abbild in Stein schlug. Etwa im Jahre 2004 entdeckten einige Männer die Statue von der ein Zauber ausging. Sie wurden in den Bann des Zaubers geschlagen und verehrten Melzesa, der durch die Gebete an Macht gewann. Dadurch weitete sich seine Macht und sein Bannkreis aus und immer mehr Menschen kamen zu seiner >Gemeinde< und beteten ihn an. Eines Tages - niemand weiß mehr genau in welchem Jahr - befreite sich Melzesa aus seinem Gefängnis und tötete die Menschen, die ihn verehrten, um ihre Lebensenergie zu bekommen. Fürst Melzesa schickte seine Dämonen - als Menschen verkleidet - in die Welt, um Unruhen und Konflikte zu schaffen. Das ist alles, was ich über Fürst Melzesa weiß.<< >>Und vor zweihundert Jahren wurde er erneut eingesperrt.<<, vollendete Lionheart die Geschichte. >>Und zwar von einer jungen Frau, die >aus dem Nichts kam und ins Nichts zurückkehrte<: die Göttliche.<< >>Woher wisst Ihr das?<<, fragte Ryu. >>Ich habe die Schriftrollen in der Bibliothek genau studiert. Daher...<< Ryu nickte und wandte sich wieder an den Phönixritter. >>Warum will er die Drachen töten und verbündet sich deswegen sogar mit den Menschen?<< >>In der Legende heißt es, dass der Einzige, der Fürst Melzesa einsperren kann ist der Göttliche, der im 30. Jahrhundert als Drachenmensch wiedergeboren wird. Diese Zeit ist nun gekommen und Fürst Melzesa fürchtet die Macht des Göttlichen.<< >>Und warum will er uns töten?<<, fragte Damian. >>Weiter heißt es, dass der Göttliche seine wahre Macht nur entfalten kann, wenn die sieben Lords der Elemente zusammenkommen. Meine Zeit ist vorbei. Möge das Drachenauge euch euren Weg immer erleuchten.<< Der Phönixritter kippte nach vorne und blieb regungslos liegen. Damian sah verächtlich auf den Dämon hinab und wollte etwas sagen, aber Ryu kam ihm zuvor und murmelte: >>Bei den Toten gibt es keinen Unterschied zwischen Freund oder Feind. Ruhe in Frieden.<< Er sagte es so leise, dass nur Damian und Killey es verstehen konnten. Killey winselte darauf leise und Damian glaubte, Ryu jetzt etwas besser verstehen zu können. Der junge Kaiser musste wirklich schon viel mitgemacht zu haben. Wortlos drehte Ryu sich um und lief zum Ausgang. Die Anderen folgten ihm, wobei Lionet und Lionheart einen großen Bogen um den Dämon machten. Ryu trat hinaus - und seine Augen weiteten sich erstaunt. Sie standen auf einer Art Berg und konnten den halben Kontinent, wie es schien, überblicken. >>Wow! Wahnsinn!<<, entfuhr es Lionheart. >>Schön hier, nicht wahr?<<, sagte Lionet. >>Ich bin hier aufgewachsen. Aber es hat sich ziemlich viel verändert. Wie lang, sagtet Ihr noch mal, habe ich geschlafen?<< >>So einhundert Jahre.<<, wiederholte Ryu. >>Ach, darum ist meine Uhr stehengeblieben.<< Lionheart trat einen Schritt zurück und fragte: >>Kaiser Ryu, darf ich Euch um etwas bitten?<< Ryu nickte, verwundert darüber was Lionheart wohl von ihm wollte. >>Ich würde gerne zum Palast zurückkehren und meinen Beruf als Leibwächter aufgeben. Das ist mir zu gefährlich und Ihr habt jetzt Sir McLirell und Sir Andrews an eurer Seite, also denke ich, Ihr braucht mich nicht mehr.<<, erklärte Lionheart. >>Habt Ihr Euch das auch gut überlegt?<< >>Ja, Kaiser.<< Ryu nickte. >>Wenn Ihr unbedingt wollt...<< >>Lionheart!<<, fuhr der Schwarzmagier dazwischen. Damian ging neben Killey in die Knie und fragte: >>Könntet Ihr mir einen Gefallen tun?<< Lionheart nickte leicht verwirrt. >>Ja. Welchen?<< >>Nehmt Killey mit Euch. Ich denke, dass er hier sowieso nicht mehr viel ausrichten kann. Darum will ich ihn in Sicherheit wissen.<< Lionheart nickte erleichtert. >>Klar! Mache ich gerne.<< Damian sah Killey betrübt an und sagte zu dem Wolf: >>Also, mein Junge, dann wird es jetzt Zeit, dass wir uns trennen. Ich komme so schnell als möglich nach. Geh' mit Lionheart.<< Killey winselte leise, aber ging widerstandslos mit Lionheart mit, der noch einen letzten betrübten Blick auf Ryu warf. Ryu wusste nicht warum, aber er fühlte sich, als ob er Lionheart nie wiedersehen würde - und damit sollte er Recht behalten. *** Kai wurde unsanft von einem Matrosen wachgeschüttelt. Die Nacht war vorbei und Kai hatte wunderbar geschlafen. Der Kapitän empfing ihn tatsächlich herzlich auf der Brücke und sagte anerkennend: >>Respekt! Wir haben keinen Ton von dir gehört, Junge und das heißt, dass wir dich nach Westen schippern. Ins Menschenreich Ektorn, um genau zu sein. Das ist eigentlich ein Ort, wo sich Leute, wie du nicht aufhalten sollten.<< >>Warum?<<, fragte Kai naiv. >>Na, hör mal. Immerhin trägst du eine Uniform der Drachenritter, aber wir werden schon eine Möglichkeit finden, dass du nicht getötet wirst. Anker lichten! Leinen los!<< Das Schiff setzte sich langsam in Bewegung. Die Segel bauschten sich im Wind auf und während Kai mühsam das Deck schrubbte, versuchte er sich auszumalen wie das Menschenreich Ektorn wohl aussehen würde. Der Ring glitzerte im Sonnenlicht und ließ Kai munter vor sich herpfeifen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)