Das Erbe der Drachen - Band 1 von Flordelis (Der Drachenkrieg) ================================================================================ Kapitel 12: Die rote Lady ------------------------- Lain und Ryu hatten sich wieder einigermaßen beruhigt; als ungefähr die Hälfte der Dorfbewohner sich in das Zimmer des Häuptlings drängten. Lain saß bleich und abwesend auf dem harten Sofa, das in diesem Zimmer stand. Der Drache war verstummt; scheinbar wissend, was als nächstes geschehen würde. Ryu saß neben Lain, starrte auf das Drachenauge und versuchte den Lärm der Menge zu vergessen. Er selbst war in einem tranceähnlichen Zustand verfallen, als der Drache gerufen hatte und versuchte nun zu ergründen warum es ihm geschehen war - und aus irgendeinem Grund glaubte er, dass das Drachenauge diese Frage beantworten konnte. Schwachsinn!, dachte Ryu plötzlich. Das Drachenauge besteht nur aus Gold, Eisen und Kabeln. Aber konnte da nicht noch mehr sein? Immerhin erkannte es Lügen (vielleicht reagierte es nur auf die Nervosität der Stimmlage), konnte Gefahren erkennen (vielleicht hörte es unterbewusste Geräusche einfach besser) und konnte die wiedergeborenen Kämpfer finden (das könnte an einem Sensor liegen). Der Häuptling bat um Ruhe und Ryu blickte auf. Eine lange Pause entstand. Dann sprach der Häuptling: >>Da Kaiser Ryu nun da ist, möchte ich ihm meine Bitte vortragen.<< Er wandte sich an Ryu und fragte: >>Würdet Ihr in den Vulkan gehen und den Drachen für uns töten?<< Ryu zögerte. Lain hatte ihren Blick auf ihn gerichtet und auch Damian und Lionet sahen ihn an. >>Nun ja, wir werden reingehen, aber nur unter einer Bedingung.<< Ryu legte eine Pause ein und sah Lain an. Sie sah durch ihn hindurch, Sie war immer noch völlig verstört. Könnte dieses Mädchen wirklich...? >>Und die wäre?<<, fragte der Häuptling ungeduldig. Ryu sah ihn kühl an und antwortete: >>Ich möchte Lain mit hinein nehmen.<< >>Was sagt Ihr da?!<< Der Häuptling war aufgesprungen. Lains Augen hatten sich entsetzt geweitet und endlich nahm sie Ryu wieder wahr. Ryu erwiderte ihren Blick und dachte über seine Worte nach. Warum wollte er Lain - dieses verstörte, kleine Wesen neben ihm - überhaupt mitnehmen? Gab es einen Grund dafür? Ja, dachte er. Natürlich gab es einen Grund. Und vielleicht war es sexistisch von ihm, aber er wollte beweisen, dass sie nicht zu den Kämpfern gehört haben konnte - denn sie war ein Mädchen und in keinen Unterlagen wurde erwähnt, dass einer der Kämpfer eine Frau gewesen war. Jemand riss Ryu im wahrsten Sinne des Wortes aus seinen Gedanken, indem er ihn am Kragen hochzog und ihn einige Zentimeter über dem Boden schweben ließ. Damian wollte dazwischen gehen, aber noch bevor er zwei Schritte machen konnte, stand Lain auf und sagte ruhig: >>Lass ihn runter, Lee. Ich werde mitgehen.<< Das ganze Dorf sah sie verstört an. Auch Lee, der Ryu erst runterließ, als dieser sich laut räusperte. >>Aber, Lain, warum...?<<, begann ihre Mutter, aber Lain unterbrach sie: >>Der Drache ruft mich - und mit Kaiser Ryu und seinen Begleitern bin ich bereit diesem Ruf zu folgen.<< Jeanne hob ihre rotglühende Kristallkugel und prophezeite: >>Ich muss Euch warnen, Lady Lain. Ich sehe Euch wieder in meiner Kugel - umgeben von einem Meer aus Flammen.<< >>Mehr zeigt Eure Kugel nicht, Jeanne?<<, fragte Damian plötzlich spottend. Alle Augen richteten sich auf ihn und lauernd fuhr er fort: >>Wenn diese Scherbe Euch nicht mehr zeigt, als dieses Flammenmeer, dann seid Ihr nicht ein halb so gutes Orakel, wie wir alle denken. Jeanne sah Damian an und ihre Augen blitzten wütend auf. >>Könnt Ihr es etwa besser?<<, fauchte sie. Damian zog spöttisch die Mundwinkel nach oben und erwiderte kühl: >>Ich brauche keine Glaskugel, um zu wissen, was der Drache mit Lain vorhat. Sie wird von dem Drachen gerufen, weil sie die Wiedergeburt einer Legende ist und alles, was der Drache will, ist ihr dieses Wissen, welches sie damals hatte, zurückzugeben. Davon bin ich überzeugt.<< Alle - selbst Ryu - sahen Damian fassungslos an. Gleichwohl Ryu das aus einem anderen Grund tat: er hatte Damian noch nie in der kurzen Zeit soviel und in diesem Ton reden gehört. Damian lächelte überlegen, während Jeanne wütend die Arme vor ihrer Brust verschränkte. Der Häuptling sah ihn eingeschüchtert an und murmelte kleinlaut: >>Okay, Lain. Aber sei vorsichtig.<< Lain nickte. >>Kommt, Kaiser Ryu. Ich zeige Euch den Weg in den Vulkan hinein.<< *** Kai schlug die Augen auf und sah an die Strohdecke des Hauses. Wie war er hierher gekommen? Das Letzte woran er sich erinnerte war, dass er im Meer versunken war. Leise Stimmen flüsterten etwas, das Kai nicht verstehen konnte. Etwas Warmes berührte seine rechte Hand und unwillkürlich schreckte er zurück. Ein Hund winselte leise und zog die Aufmerksamkeit der Stimme auf sich, die näher kam. >>Was ist los, Mickey?<< Der Hund knurrte bedrohlich, als das Mädchen neben ihn trat. >>Oh! Du bist wach, Fremder!<< Das Mädchen beugte sich über ihn und sagte: >>Hallo. Mein Name ist Sweety. Wie heißt du?<< Kai setzte sich mühsam auf und antwortete: >>Mein Name ist Kai.<< Sein Mund war völlig trocken und selbst diese wenigen Worte bereiteten ihm große Mühe. Sweety erkannte es und sagte: >>Warte! Ich hole dir ein Glas Wasser.<< Kai legte sich hin und war sofort wieder eingeschlafen. *** >>Der Vulkan ist vor einhundert Jahren erloschen. Damals kam auch der blaue Drache.<<, erklärte Lain, während die Vier sich an den Abstieg in das Innere des Vulkans machten. Die Lava war tatsächlich erloschen und zu Stein erstarrt, aber es herrschte trotz allem eine immense Hitze, die Ryu zum Schwitzen brachte, doch Lain schien das nichts auszumachen. Sie lief stets zwanzig Schritte voraus und schien sich keine Sorgen um die anderen zu machen. Auf dem Grund angekommen blieb sie stehen und drehte sich um. Sie lächelte Ryu zu, der dieses Lächeln jedoch nur herzlos erwiderte. Damian kam neben Ryu zum Stehen. Lionet rutschte auf der letzten Stufe aus, fiel und klammerte sich instinktiv an Damians Hals fest. Damian keuchte und schüttelte Lionet ab. Er stand prustend auf und auch Lain lachte. Damian und Ryu war nicht nach Lachen zumute. >>Gehen wir weiter.<<, erinnerte Damian scharf. Lain drehte sich um und deutete auf einen Durchgang hinter dem man das Schnaufen eines Drachen hören konnte. Für Ryu schien es endlich mal glatt gegangen zu sein; er hatte alles Unvorhergesehene satt. Lain wollte die Höhle alleine betreten, aber Ryu sagte: >>Warte! Ich möchte mit dem Drachen reden. Ich möchte endlich genau wissen, was hier abgeht. Lain nickte abwesend und gemeinsam betraten sie die Höhle des Feuerdrachen. Der Drache öffnete seine grünen Augen und musterte Ryu. >>Du bist der Edle?<< Ryu nickte und fragte: >>Drache, sag' mir, ob Lain wirklich die rote Lady ist.<< >>Natürlich. Selbst, wenn sie ein Mädchen ist. Der rote Kämpfer war auch eine Frau; genauso der Goldene und der Weiße. Nirgends stand geschrieben, dass es weibliche Kämpfer gab, aber es ist so.<< Ryu schwieg. >>Vielleicht hatte Prinzessin Rose recht, Kaiser Ryu. Ihr seid genauso wie Euer Vater.<< Ryu senkte beschämt den Kopf und der Drache wandte sich an Lain. >>Ich werde nun auch deine Macht wiedererwecken. Nimm den Ring des Mutes und folge Kaiser Ryu. Ich hoffe er wird seinen Fehler einsehen und sich bessern.<< Der Drache warf Ryu einen rügenden Blick zu. Lain sah erst den roten Stein und dann Ryu an, der zerknirscht neben Damian stand. Plötzlich erschien ein kleiner Lichtgeist. Der Drache sah ihn nachdenklich an und meinte: >>Der Lichtgeist spioniert uns wieder aus.<< Der Geist schien zu erschrecken und zirpte. >>Was hat er gesagt?<<, fragte Lain. >>Er meint, dass er uns nicht ausspionieren will. Er will nur wissen wie die Lady des Lichts sein muss, damit sie sich mit euch ergänzt.<< >>Wie bitte?<<, fragte Lionet verständnislos. >>Habt ihr euch noch nie gefragt warum gerade ihr auserwählt wurdet?<< >>Weil wir die Reinkarnationen der Kämpfer sind.<<, antwortete Damian lahm. >>Nicht ganz. Jeder von euch hatte einen großen Kontakt zu seinem Element. Ryu beherrscht als Drachenritter das Element Blitz, Damian ist ein Schwarzmagier, die ja die dunkle Magie benutzen, Lionet war einhundert Jahre in einem Eisblock gefangen und hat es überlebt und Lain wuchs in einem Dorf auf, das den Feuergott anbetet.<< >>Und die weiße Lady?<< >>Sie wird vom Licht erschaffen werden und zu euch stoßen, wenn ihr den grünen Lord und die goldene Lady gefunden habt. Kaiser Ryu?<< Ryu hob den Kopf und sah den Drachen an. >>Ich hoffe Ihr nehmt mir meine Worte nicht übel, aber keiner von uns Drachen möchte, dass Ihr so werdet wie Euer Vater.<< >>Das möchte ich auch nicht.<<, sagte Ryu leise. Der Drache lächelte zufrieden und der Lichtgeist verschwand. Ryu zog das Drachenauge aus der Tasche (inzwischen hatten sich drei weitere Kristalle verfärbt) und öffnete das Display. Der grüne und der goldene Punkt lagen direkt nebeneinander. >>Das dürfte kein Problem sein.<< Der Drache nickte knapp und sagte: >>Ich werde euch wieder zurück ins Dorf bringen. Lebt wohl und seid vorsichtig.<< Die Vier nickten und kaum eine Sekunde später standen sie wieder im Dorf. >>Wo sind die nächsten beiden überhaupt genau?<<, fragte Damian. >>In Südamerika.<< >>Da war ich noch nie.<<, sagte Lain. >>Es macht bestimmt Spaß mit euch zu reisen.<< Lionet sagte nichts sondern überlegte. >>Was ist los, Lionet?<<, fragte Ryu. >>Warum so still heute?<< >>Ich habe ein seltsames Gefühl. In Südamerika leben die Geflügelten.<< Damian überlegte kurz und nickte dann. >>Du hast recht. Ich bin gespannt, was uns dort erwartet. Wir sollten uns gut vorbereiten, damit wir keine schlimmen Überraschungen erleben. Also beginnen wir besser sofort damit.<< Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)