Das Erbe der Drachen - Band 1 von Flordelis (Der Drachenkrieg) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Okay, ich geb zu, ist ein bisschen brutal im Prolog (und später auch), aber lasst euch davon nicht stören. ^^ Viel Spaß (vor allem beim Kommi-schreiben *lol*) ******************************************************************************* 1 Anno 2599 n. Chr. Der vierte Weltkrieg hatte seinen Höhepunkt erreicht. Eden wusste es, fühlte es. Leise hörte er das sirrende Geräusch eines Flugzeuges und er wusste was das hieß. Vorsichtig fuhr seine Hand an seine blonden blutigen Haare und betastete seinen schmerzenden Kopf. Dabei berührte er die Leiche eines deutschen (oder war es die eines amerikanischen?) Soldaten und unwillkürlich lief ein Schauder über seinen Rücken. Sein Rückgrat war gebrochen und ab seiner Hüfte abwärts konnte er nichts mehr fühlen und das war gut so - denn seine Füße waren von einer Tretmine völlig zerfetzt worden. Aber warum lebte er überhaupt noch? Er war doch tödlich verwundet worden. Seine Hand wanderte von seinem Kopf zu seiner Brust und suchte nach dem Einschussloch der Kugel, die sein Herz getroffen hatte. Er konnte nichts finden. Was hatte das zu bedeuten? Langsam öffnete er seine blutverklebten Wimpern und seine blauen Augen weiteten sich erstaunt, als er sah, dass der Himmel nachtschwarz war, obwohl er sich völlig sicher war, dass es Tag sein müsste. >>Ragnarök, Ragnarök<<, flüsterte ein sterbender Soldat fast vergnügt neben ihm. >>Wir werden alle sterben!<< Das Geräusch der Flugzeuge kam näher. Nein. Es war nur ein Flugzeug, aber Eden wusste, was es geladen hatte. Der Präsident hatte also den Befehl zu der Mission "Ragnarök" erteilt. Kein etwaiger Überlebender des erbitterten Kampfes in Japan würde diese Ladung überleben. Warum hatte dieser Krieg überhaupt angefangen? Nach dem Ende des dritten Weltkrieges im einundzwanzigsten Jahrhundert hatten sich alle Weltmächte darauf geeinigt nie wieder einen Krieg mit einem anderen Land zu beginnen- und dann kam da dieser verdammte Gottfanatiker vor zehn Jahren und behauptete die Christen müssten die Nichtchristen bekämpfen - und keiner widersetzte sich ihm. Warum?!, heulte es in Eden auf, während er seinen Blick über die Sterbenden und Toten schweifen ließ. All das hätte vermieden werden können, wenn irgend jemand zu diesem Kerl gegangen wäre und gesagt hätte:>>Hör mal zu, Alter: wir haben keinen Bock auf diesen sinnlosen Krieg! Soll doch jeder an den Gott glauben von dem er denkt er sei der Beste- und nun verschwinde in das Loch aus dem du gekommen bist, du kleine Ratte!<< Aber niemand war zu ihm gegangen. Niemand hatte etwas gesagt und so war es zu diesem Krieg gekommen. Nur deswegen! Oder war es die Todessehnsucht der Menschen gewesen, die sie in diesen blutrünstigen Krieg getrieben hatte? Er konnte es nicht beantworten. Beides schien ihm möglich. Eden sah in den Himmel und wartete auf das Flugzeug. Zahllose Gedanken wirbelten durch seinen Kopf, aber am meisten beschäftigte ihn ein Gedanke: was würde geschehen, wenn er selbst nach diesem Angriff nicht sterben würde? Seine Beine und sein Rücken hatten angefangen zu kribbeln und sagten ihm, dass ein Regenerationsvorgang eingesetzt hatte. Aber warum? Plötzlich entdeckte er die Lichter des Flugzeuges. Er schluckte schwer - denn an Bord dieses Flugzeuges war eine Bombe, die angeblich aus reiner Magie gefertigt wurde. Eden hatte bei der Einsatzbesprechung nur müde darüber gelächelt, aber jetzt jagte ihm dieser Gedanke Angst ein. Er zweifelte nicht daran, dass diese Bombe von irgendwelchen verrückten Satanisten erschaffen worden war, aber selbst die Satanisten hatten sich seit dreihundert Jahren weiterentwickelt und er war sich völlig sicher, dass sie auch ernsthaft Magie einsetzen konnten. Ein metallisches Geräusch ertönte und riss ihn aus seinen Gedanken. Die Bombe war also auf dem Weg nach unten, würde in wenigen Sekunden einschlagen und das ganze kleine Land in eine Wüstenlandschaft verwandeln. Darauf würden dann die anderen Länder zurückschlagen, bis die ganze Welt nur noch eine einzige Wüste wäre. Eden schloss die Augen und stöhnte. Schmerzen zuckten durch seine Beine und betäubten seinen Verstand. Einige Soldaten schrien noch halberstickt auf als sie die Bombe erkannten, aber die Meisten bekamen von ihrer Umgebung nicht mehr viel mit. Das Summen der fallenden Bombe wurde lauter und nur fünf Sekunden später schlug die Magiebombe ein. Eden sah zuerst nur dieses grelle grüne Licht und hörte einen enorm lauten Schrei. Irgend etwas tief in seinem Herzen sagten ihm, dass es der gequälte Schrei eines Drachen war. Ein Drache?, dachte er. Aber Drachen sind doch nur Fabelwesen! Warum lebe ich überhaupt noch? Plötzlich sah er wie sich eine schwarze Silhouette gegen das grüne Licht abhob. Das Wesen war riesig, schwerfällig und hatte zwei große Flügel, die aus seinem Rücken wuchsen. Es war tatsächlich ein Drache, wie die Menschen sie sich immer wieder vorgestellt hatten. Und da begriff Eden das Sprichwort, dass "in jeder Legende ein Funken Wahrheit steckt". Der Drache wandte den Kopf und schien Eden anzusehen. Eine Stimme sprach direkt in seinen Kopf und er wusste, dass es die Stimme des Drachen war, der zu ihm sagte: >>Alles wählt irgendwann den Tod und geht den Weg alles Sterblichen. Drum wähle auch du, Göttlicher, den Tod und kehre hierher zurück, wenn der er dich wieder entlässt.<< Die Augen des Drachen blitzten rot auf. Das war das letzte, was Eden sah bevor er starb, aber er hörte noch wie der Drache sich in die Luft schwang und davonflog. 2 Durch die benutzte Magiebombe wurde das Land Japan tatsächlich vollkommen in eine Wüstenlandschaft verwandelt. Der Drache, den Eden gesehen hatte, sollte nicht der letzte sein. Ein Dutzend anderer folgten ihm. Das Land Japan hatte also seinen mythischen Ruf zurecht gehabt - wenn auch niemand gedacht hätte, dass Drachen und Drachenmenschen unter der Oberfläche schlafen würden. Dadurch wurde endlich der wahre Grund für die vielen Erdbeben herausgefunden. Die Drachenmenschen mischten sich unter die richtigen Menschen, von denen sie sich nur durch ihre sehr verrückten Haar- und Augenfarben, ihrem Glauben und ihrer Langlebigkeit (ein normaler Drachenmensch lebte bis zu 1000 Jahren, der Älteste wurde 1037 Jahre alt!) unterschieden. Alles, was anders war, als sie, machte den Menschen Angst. Doch den Drachenmenschen machte es nichts aus. Sie waren froh endlich am Licht und der Dunkelheit entronnen zu sein. Jahrhundertelang hatten sie geschlafen, beobachtet was mit der Welt geschah und auf den Tag gewartet, an dem sie das Licht erblicken würden. Die Drachenmenschen lebten weitgehend unauffällig neben den Menschen daher, während die "echten" Drachen mit der Zeit starben - und mit ihnen die Erinnerung an den vierten Weltkrieg. Die Atmosphäre und die Luft waren so verunreinigt, dass kein Drache es mehr lange an der Oberfläche aushielt. Nach und nach kehrten sie unter die Erde zurück und schliefen weiter, auf den Tag hoffend, an dem der Göttliche sie an die gereinigte Luft zurückholen würde. Andere, die nicht mehr warten wollten, starben qualvoll in der verseuchten Luft. Auch den Drachenmenschen machte die verseuchte Atmosphäre mit der Zeit schwer zu schaffen. Viele wurden krank und behielten oft einen chronischen Husten zurück. Wie auf eine stumme Einigung machten sich die Drachenmenschen im Jahr 2968 auf den Weg nach Asien, wo sie mit Menschen zusammenlebten, die einen Gott namens Aros anbeteten. Bald darauf begann aber auch zwischen den Drachenmenschen und den normalen Menschen ein Glaubenskrieg, denn die Drachen beteten einen Gott namens Ladon an, der ihrer Meinung nach der einzig wahre Gott war, da er sie ans Licht geführt hatte. Im Jahr 2970 wurde Albus de Silverburgh zum Drachenkaiser gekrönt. Am Anfang ging alles gut, aber schließlich zeigten sich an Albus egoistische Züge und immer mehr Drachenmenschen fingen an ihren Kaiser zu hassen. Im Gegensatz zu seiner liebreizenden Frau - der Kaiserin Opera. Im Jahr 2975 spitzte sich der Krieg so zu, dass Albus Angst um seine Schätze bekam und er seinem Volk befahl in den kalten Norden Asiens zu ziehen. Nur widerwillig folgten die Drachenmenschen ihrem Kaiser, seiner Frau und seinen beiden hinreißenden Töchtern Seline und Joy, die nicht nur das Aussehen, sondern auch den Charakter ihrer Mutter geerbt hatten. Am vierten Juli 2980 wurde der Sohn des Kaisers geboren. Ryudo Delacroix de Silverburgh war schon als kleines Kind immer höflich und zuvorkommend gewesen. Das Volk liebte ihn einfach und freute sich auf den Tag, an dem er seinen Vater ablösen und Kaiser werden sollte. 3 Anno 2991 Eine Nachricht erfüllte Drakani, das Reich der Drachen: auf dem Heimweg einer Friedenskonferenz in Ektorn (das Menschenreich in Südasien) verschwanden der Kaiser und die Kaiserin spurlos, genau wie der Menschenkönig. Gerüchte wurden laut, dass alle vom machtgierigen Sohn des Menschenkönigs an fleischfressende Kürbisse verfüttert wurden, aber niemand konnte es beweisen und so blieb es ein Gerücht. Bei den Menschen nahm der grausame Prinz Luke von Ektorn den Platz des Königs ein und bei den Drachenmenschen wurde der gerade erst elfjährige Ryudo (der von allen liebevoll Ryu genannt wurde) zum Kaiser gekrönt. Seline hatte sich auf eine Weltreise begeben, um ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden, während Joy ihren Bruder unterrichtete. An seinem 14. Geburtstag zog sie den Gelehrten Argus Pail als kaiserlichen Berater dazu und zog sich auf den Landsitz der Familie zurück. Von Argus Pail lernte Ryu die verschiedenen Fremdsprachen kennen und wurde zu Übersetzungen alter Schriften eingespannt - doch was sollte die Zukunft ihm bringen? Kapitel 1: Der Kaiser der Drachen --------------------------------- 3000 n. Chr. ; 401 n. d. 4. Weltkrieg Das Kaiserreich Drakani: Argus zog eine vierte Schriftrolle aus dem Regal und legte sie auf den Tisch hinter sich, zu den anderen. Die kurzen weißen Haare des kaiserlichen Beraters waren zerzaust und deuteten auf eine schlaflose Nacht hin. Die dunklen Ringe unter seinen blauen Augen, die hinter seinen runden kleinen Brillengläsern glänzten, vervollständigten das Bild. Auf dem Tisch hinter ihm stapelten sich bereits zwanzig Schriftrollen. Vor den Schriftrollen saß einsam und verloren ein junger Mann mit violetten Haaren und den dazu passenden großen Augen, die ihn naiv erscheinen ließen. Er seufzte angesichts der ganzen Arbeit und klagte: >>Argus, soviel kann ich weder lesen noch übersetzen in einer Woche. Jede dieser Schriftrollen ist mindestens vier Meter lang.<< Argus drehte sich um und entgegnete streng: >>Kaiser Ryu, Ihr müsst verstehen, dass es in diesen Zeiten wichtig ist über alles informiert zu sein.<< >>Aber die Schriften sind uralt.<< Argus sah Ryu streng an. Der verstand sofort und beugte sich über die Schriften, um sie zu übersetzen. Argus' Unterricht war verstaubt und langweilig. Ganz im Gegensatz zu dem Unterricht von Joy. Aber es war wichtig die Schriften zu übersetzen, denn der Menschenkönig Luke von Ektorn wollte die Drachenmenschen töten und hatte deshalb die drei stärksten Dämonenkrieger der Welt zusammengerufen. Argus hatte angeordnet, dass jeder Übersetzer in Drakani die alten Schriften übersetzen sollten, um nach Hinweisen zur Rettung zu suchen, denn angeblich konnte niemand die Krieger verletzen. Ryu wäre lieber an der frischen Luft, um reiten zu gehen oder sonst etwas. Nach gut zwei Stunden nahm Ryu lustlos die dritte Schriftrolle in die Hand und begann den Text zu übersetzen, wobei er die Übersetzung vor sich hinmurmelte: >>...sind die sieben Krieger zusammen, erscheint der Göttliche, der alles überstrahlt.<< Argus sah von seiner eigenen Schriftrolle, die um einiges komplizierter schien, auf. >>Kaiser Ryu, was habt Ihr da gerade vorgelesen<< >>Eine Stelle über die acht Drachenlords. Ihr kennt die Legende doch.<< >>Aber ja, aber ja! Das hatte ich völlig vergessen! Wir müssen die acht Lords der Drachen suchen. Aber wie machen wir das?<< Ryu sah Argus aus seinen großen violetten Augen an, fuhr sich mit der Hand durch die ebenfalls violetten Haare und erwiderte spöttisch: >>Ach, kommen Sie, Argus. Sie wissen genauso gut wie ich, dass das nur eine alte verrückte Legende ist. Das stammt noch aus dem Mittelalter. Sie wollen doch nicht plötzlich sagen, dass so etwas Verrücktes wahr sein kann.<< >>Kaiser Ryu, Ihr scheint zu vergessen, dass Ihr vor vielen hundert Jahren für die Menschen auch nur eine 'alte, verrückte' Legende wart.<<, konterte der Berater spitz. Ryu senkte seufzend den Kopf. Argus trat an eines der Regal und kam nur zwei Sekunden später mit einem dicken Buch wieder, dass er auf den Tisch legte und aufschlug. Suchend blätterte er das Buch durch, während Ryu gespannt zusah. Nach fünf Minuten zeigte Argus auf eine Seite und drehte das Buch zu Ryu hin. Dieser fing an zu lesen: >>Als die acht Götterkrieger (auch Lords der Drachen genannt) im Laufe der Zeit verschwanden, suchte der weise Lorif einen Weg, um sie in der Zeit der Not schnell wieder zu finden. Schließlich fand er einen Weg, Magie in Gegenstände einzuschließen. Er formte ein Amulett und schloss einen Teil seiner Magie darin ein. Eine Legende besagt, dass der Auserwählte, der es findet, die acht Krieger und jede Lüge entdecken kann.<< Argus' Augen leuchteten, aber Ryu verstand nicht was das bedeuten sollte. >>Was heißt das?<<, fragte Ryu. >>Dieses Amulett nennt man Drachenauge. Es heißt, man kann damit die legendären Krieger aufspüren und erkennen, ob jemand lügt.<< >>Wissen Sie wo es ist?<< >>Euer Herr Vater hat es einst König Jakob als Zeichen der Freundschaft geschenkt. Eine törichte Handlung, wenn Ihr mich fragt. Es müsste im Schloss von Ektorn sein.<< >>Was ich nicht verstehe,<<, warf Ryu plötzlich ein, >>warum sind die Götterkrieger eigentlich verschwunden?<< Argus nahm seine Brille ab, was er immer tat, wenn er angestrengt nachdachte, und wischte für zwei Sekunden mit einem Tuch, das er sich aus der Hosentasche zog, über die Gläser. Ryu wartete geduldig, bis der Berater seine Reinigungsprozedur beendet hatte und antwortete: >>Die Götterkrieger starben während des Götterkrieges. Als Luzifer die Festung angriff und einzeln jeden Krieger in den Tod schickte. Ihr solltet es kennen, Lord Ryu, diese Geschichte ist eine beliebte Gute-Nacht-Geschichte.<< Der junge Kaiser zuckte mit seinen Schultern. >>Kann sein. Ich kenne von keiner meiner Gute-Nacht-Geschichten das Ende. Ich bin vorher immer eingeschlafen.<< Er grinste. Argus schmunzelte kurz, wurde aber sofort wieder ernst, indem er sagte: >>Ich werde sofort jemanden beauftragen, der das Amulett holt.<< Ryu stand auf und wandte sich zur Tür. >>Wo geht Ihr hin, Kaiser?<< >>Irgend jemand muss das Amulett ja aus dem Schloss holen.<< >>Aber wie wollt Ihr das machen?<<, fragte Argus verblüfft. >>Ich werde mich verkleiden und über die Grenze schleichen.<< >>Aber das ist gefährlich, Kaiser Ryu! Ich darf und will das nicht zulassen!<< >>Immer noch besser, als herumzusitzen und sich zu langweilen.<<, fauchte Ryu eine Spur schärfer, als er beabsichtigt hatte. >>Oder wollt Ihr es machen, Argus?<< Argus schüttelte seinen Kopf und zögerte. Es war ihm klar gewesen, dass sich Kaiser Ryu eines Tages gegen ihn auflehnen würde, da er bei >Amtsantritt< gerade mal elf Jahre alt gewesen war. Er hatte überhaupt nichts von seiner Jugend gehabt. Argus nickte seufzend. >>Also gut, Kaiser. Ich lasse Euch gehen, aber versprecht mir, dass Ihr auf Euch aufpasst und einen Leibwächter mitnehmt.<< Ryu nickte dankbar und verließ die Bibliothek. Auf dem Weg zu dem kaiserlichen Zimmer, das Ryu bewohnte fragte er sich wie die Krieger von Luke wohl aussahen. Manche behaupteten es seien Menschen mit Drachenschwänzen, andere sagten, sie hätten den Körper einer Echse und den Kopf eines Löwen und wieder andere sagten, es seien nur ganz normale menschliche Drachentöter. Aber all dies blieben Gerüchte. Ryu sah sich auf den Fluren um. Alles war aus Marmor und hatte einen blauen Schimmer. An den Wänden, die über vier Meter hoch waren, hingen Banner aus blauen Stoff mit dem Familienwappen der de Silverburghs: einem kleinen Drachen, der sich um ein Kreuz schlängelte. Viele vermuteten ein Geheimnis dahinter, aber bisher hatte noch nie jemand einen tieferen Sinn ausmachen können. Ryu betrat das kaiserliche Zimmer (er nannte es nicht gern sein Zimmer, da es ihm zu protzig und zu nobel eingerichtet war) und suchte seine unauffälligsten Kleidungsstücke aus seinem Schrank, was bei einem Kaiser nicht gerade leicht war. Und mit seiner nun wirklich sehr auffälligen Haarfarbe fiel es ihm um so schwerer etwas zu finden, das diese kaschierte. Schließlich fand er doch einige alte Sachen, die größtenteils schwarz oder braun waren und zog sich um. Nach einem prüfenden Blick in den Spiegel setzte er sich eine schwarze Mütze auf, um seine auffallenden Haare zu verdecken und ging dann auf den Gang, um zu Lionhearts Zimmer zu gelangen. Dracon Lionheart war der beste Leibwächter, den die kaiserliche Familie zu bieten hatte. Dazu redete er nicht viel und wenn, dann meist nur, wenn es nötig war. Nach ein paar Schritten lief ihm Lionheart schon entgegen. Ryu erkannte ihn sofort, denn Lionheart war über ein Meter achtzig groß, seine schwarzen Haare hoben sich von dem hellblauen Marmor ab, sein Gang war in friedlichen Gebieten mehr ein Schlürfen und er trug immer seine schwarze Rüstung mit dem moosgrünen Umhang. Ryu blieb direkt vor ihm stehen und zwang ihn damit auch zum Stehenbleiben. Ryu holte tief Luft und sagte: >>Lionheart, ich brauche Ihre Hilfe bei einer wichtigen Mission in Ektorn. Zieht bitte etwas Unauffälliges an und, falls möglich, eine dunkle Mütze.<< Obwohl das bei Lionhearts dunklen Haaren wahrscheinlich unnötig war. Lionheart nickte knapp, drehte sich um und ging zu seinem Zimmer zurück. Ryu sah ihm hinterher und murmelte: >>Na, wenn er immer so ruhig bleibt, sollten wir keine Probleme haben.<< *** Der Junge erwachte schweißgebadet und sah sich um. Wo war er hier? Er lag auf einer Lichtung in einem Wald - aber wie war er hierher gekommen und - wer war er überhaupt? Wo kam er her? Was war der Grund seines Hierseins? Er stand auf und sah an sich herunter. Er trug eine dunkelblaue Robe, deren Herkunft ihm zwar unerklärlich war, aber sie schien von besonderer Bedeutung zu sein. Vielleicht war er ja berühmt? Dann könnte irgend jemand ihm helfen und ihm sagen wer er war. Er grinste über sich selbst und sah sich nach einem Weg um, der ihn aus dem Wald brachte. Er entdeckte einen schmalen Pfad, der zwischen den Bäumen entlang lief. >>Prima! Fängt gut an!<<, rief der Junge und lief los. Nach zwei Schritten stolperte er über die viel zu lange Robe. Seufzend stand er auf und raffte die Robe zusammen. Er beschloss den überflüssigen Stoff abzuschneiden, wenn er etwas zum Schneiden finden würde. Erneut seufzend machte er sich auf den Weg aus dem Wald heraus. Aber wohin sollte er gehen? Er erinnerte sich doch an nichts. Er beschloss es einfach auf einen Versuch ankommen zu lassen. Irgendwo würde er bestimmt jemanden finden, der ihn kannte. Von einer anderen Stelle blickte König Luke in eine Kristallkugel, in der er den Jungen sah. >>Das ewige Leben kommt immer näher. Gebt den Soldaten den Befehl zum Ausrücken! Der Göttliche ist aus seinem Schlaf erwacht.<< ****************************************************************************** Okay, Leute, ab hier wird es kompliziert. Und ich sollte mal ein paar Bilder der Charas hochladen. ^^ Anyway, hang on! Kapitel 2: Das Menschenreich Ektorn ----------------------------------- So viele Kommis. *freu* Dann will ich mal ein paar Fragen beantworten. at Escalina: Es dauert etwas, bis man durchsteigt, aber...es wäre ja auch langweilig, es schon vorher zu wissen, ne? at BrandyV: Danke für deine klare Kritik und deinen Lob. *freu* Nur eine Frage: was ist MS???? *nix versteh* Keine Sorge: die Drachen nehmen noch eine größere Rolle ein. Sie wurden ja nicht ganz vernichtet. Na ja, das die Kapitel kurz sind, stimmt schon. Ich hab noch ein kürzeres, aber das werd ich wohl mit einem anderen zusammenstecken. Im Endeffekt gibt es Bücher, die kürzere Kapitel haben. ^^ at Dreammaster: Na ja, einige in einem alten Forum in dem ich es ausgestellt hatte, fanden es unnötig brutal. Ich persönlich halte es auch nicht für so schlimm. Wartet nur ab, was in Band 10 alles abgeht. Morde am laufenden Band. ^^" Ach ja: die Sache mit den Kürbissen...na ja, stell dir vor, dein herrscher würde verschwinden, dann würde dir auch alles mögliche einfallen. Aber eigentlich gibt es in diesem Buch alles Unmögliche. ^^ Jetzt aber viel Spaß. ******************************************************************************* Ryu hatte es geschafft einen reisenden Händler zu überreden ihn und Lionheart auf seinem Laster nach Ektorn einzuschmuggeln (allerdings nicht ohne, dass Ryu hundert Goldstücke bezahlen musste). Lionheart saß in einem Fass, das halbvoll mit Äpfeln war, während Ryu (der ja viel kleiner war) in einer großen Kiste mit Bananen saß. Schon nach wenigen Minuten hatten seine Knochen und vor allem sein Rücken angefangen zu schmerzen - aber alles war besser, als an der Grenze von Soldaten enttarnt zu werden. >>Was meinst du, wie lange wir noch brauchen?<<, fragte Ryu. >>Weniger als eine halbe Stunde.<<, antwortete Lionheart knapp. Und tatsächlich hielt der Fahrer nach fünf Minuten an und sagte: >>Ihr müsst da hinten jetzt still sein. In ein paar Minuten sind wir an der Grenze.<< Ryu seufzte. Langsam überlegte er, dass es vielleicht doch keine gute Idee gewesen war. Aber jetzt gab es kein zurück mehr für ihn und Lionheart. Nach weiteren fünf Minuten hielt der Wagen erneut an. Mehrere Stimmen, die undeutlich redeten, wurden laut. Ryu verstand nicht was die Stimmen sagten, aber er vermutete, dass es nur eine Lappalie war. Schließlich nach drei Minuten (Ryu hätte schwören können, dass es Stunden gedauert hatte) setzte sich der Laster in Bewegung und fuhr weiter. Lionheart streckte seinen Kopf aus dem Fass und auch Ryu richtete sich wieder auf und rieb seinen schmerzenden Rücken. Lionheart streckte sich und stieg ganz aus dem Fass hinaus. >>Wie lange werden wir noch brauchen?<< >>So etwa zwanzig Minuten. Haltet euch still.<< Ryu und Lionheart nickten stumm. *** Der Junge war am Waldausgang angekommen und sah sich auch hier wieder aufmerksam um. Zwei Männer in Rüstungen lagen hier und bewegten sich nicht. Wie der Junge später erfahren sollte, nannte man diese Männer Soldaten - und sie waren tot. Getötet von etwas, das die Rüstungen durchdrungen hatte ohne die selbige zu beschädigen. Ein Schwert lag neben einem der Soldaten, aber für den Jungen sah es einfach nur scharf genug aus, um den dicken Stoff zu durchtrennen. Mühselig hob er das schwere Schwert hoch und bemühte sich die Robe halbwegs gerade abzuschneiden. Nach ungefähr fünf Minuten hatte er es endlich geschafft und ließ Schwert und Stoffreste fallen. Ein Geräusch wie Flügelschläge erklang über seinem Kopf und neugierig sah er nach oben. Etwas Riesiges, graues flog am Himmel und hob sich von dem blauen Hintergrund ab. Es sah aus wie eine zu groß geratene Echse mit Flügeln. Der Junge konnte sehen wie das Wesen den Kopf nach unten richtete und er vermutete, nein, er spürte, dass es ihn ansah. Plötzlich öffnete es sein furchterregendes Maul und ein grünes Licht schoss direkt auf ihn zu. Instinktiv hob er einen Arm vor sein Gesicht und dann überstrahlte das Licht seine Sinne und er schloss die Augen. Als er sie zwei Minuten später wieder öffnete war ein Teil des Waldes zerstört. Auch die Soldaten waren verschwunden und die Klinge des Schwertes war geschmolzen. Der Junge sah an sich herunter. Nicht einmal dem Stofffetzen, der neben dem Schwert gelegen hatte, war etwas geschehen. Er sah wieder nach oben, aber das Wesen war verschwunden.>>Was war das denn?<< Da er keine Antwort bekam zuckte er mit den Schultern und folgte dem einzigen Weg, der ihn nicht wieder in den Wald hineinführte: dem Weg nach Westen. *** Der Wagen hielt wieder und der Fahrer sagte: >>Wir sind da. Ihr könnt jetzt aussteigen.<< Ryu und Lionheart sprangen von der Laderampe. Der Fahrer kam von der Vorderseite des Lastwagens und trug zwei schwarze Umhänge auf dem Arm. Er gab Ryu und Lionheart je einen davon. Ein lilanes Zeichen war auf den Umhängen zu sehen. Das Zeichen sah aus wie ein Drachenritter mit zerfetzten Flügeln, so wie die alten Weisen sie immer gemalt hatten. >>Was sollen wir damit?<<, fragte Lionheart ärgerlich. >>Ihr wollt doch ins Schloss oder? Mit diesen Umhängen kommt ihr in die Kirche und von dort kommt ihr durch einen Geheimgang ins Schloss.<< >>Sie kennen sich aber gut aus.<<, meinte Ryu. Der Fahrer grinste breit. >>Fragt in der Kirche nach Pater Johnson. Er wird euch helfen können. Also, ich muss weiter. Viel Glück.<< >>Danke für's Mitnehmen.<<, sagte Ryu. >>Das mache ich doch gerne.<< >>Besonders, wenn Sie hundert Goldstücke dafür kriegen, nicht wahr?<<, fragte Lionheart scherzend. Der Fahrer zwinkerte den beiden zu und schwang sich wieder in die Fahrerkabine. Er ließ knarrend den Motor an und fuhr vom Platz. Ryu lachte und meinte nachdenklich: >> Ich glaube ich werde ihn vermissen.<< >>Ich nicht.<< Lionheart wandte sich ab und warf sich den Umhang über. Ryu tat es ihm nach. Gemeinsam traten beide auf die Straßen von Ektorn's Hauptstadt. Hunderte von Menschen liefen auf den Straßen, laute Musik drang aus den Geschäften und Bars, die in der Abenddämmerung geöffnet wurden und Autos fuhren mit Höchstgeschwindigkeit (so erschien es Ryu, der das erste Mal Autos mit seinen eigenen Augen sah) über die Straßen. Er sah sich die großen Häuser an und die Menschen, die an ihm vorbeiströmten. All diese Menschen, die so anders waren als die Halbdrachen. Menschen, die kein Lächeln, kein freundliches Wort auf den Lippen hatten. Und plötzlich fühlte Ryu sich irgendwie verloren und allein, obwohl Lionheart direkt neben ihm stand. >>Und jetzt?<<, fragte Ryu, doch Lionheart ging nicht auf die Frage ein, sondern sagte fasziniert: >>So eine Technologie hätte ich von Menschen im 30. Jahrhundert nicht mehr erwartet.<< >>Das mag ja sein, aber was machen wir jetzt?<< Lionheart erwachte aus seiner Faszination und antwortete verlegen: >>Nun, ja...ich weiß nicht. Der Fahrer hätte uns sagen sollen wo die Kirche ist.<< Lionheart ließ seinen Blick über die Häuser schweifen und deutete plötzlich auf einen großen Turm, der zwischen zwei Hochhäusern herausragte und auf diesem Turm war das selbe Zeichen zu sehen wie auf den Umhängen. Ryu verstand die Aussage und nickte. Langsam setzten sich die beiden in Bewegung und versuchten nicht aufzufallen. Doch schon bald bemerkten sie, dass es unnötig war, denn niemand beachtete sie. Einige Leute stießen sie an und liefen dann wortlos weiter ohne die beiden auch nur eines Blickes zu würdigen. Eine gewisse Kälte breitete sich in Ryu aus, aber er verdrängte sie. Mühsam folgte Ryu Lionheart, der mit seinen langen Beinen ein unglaubliches Tempo vorlegte. Die beiden gelangten über eine Ampel auf die andere Straßenseite, wo sie in eine ruhige Seitengasse einbogen. >>Menschen sind seltsam.<<, meinte Ryu. Lionheart wollte etwas erwidern, als plötzlich ein junges Mädchen, etwa um die 20, auf die Gasse vor ihnen sprang. >>Seid Ihr der Kaiser der Drachen?<<, fragte es. Ohne zu überlegen, bejahte Ryu. Etwas war an dem Mädchen, das Ryu Vertrauen einflößte. Sie hatte hellbraunes schulterlanges Haar und große nussbraune Augen, die Ryu auffällig musterten. >>Mein Name ist Sweety. Ich bin eine Helferin von Pater Johnson. Er sah voraus, das Ihr kommen würdet und schickte mich hierher.<< >>Er sah es?<<, fragte Ryu perplex. >>Pater Johnson ist ein Orakel, aber er versteckt seine Fähigkeiten, denn, wenn der König davon erfährt, wird der Pater gehängt oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt.<< >>Das sind Methoden wie im Mittelalter.<<, meinte Lionheart trocken. Sweety nickte. >>Lasst uns gehen. Wir dürfen nicht auf der Straße darüber reden.<< Ryu und Lionheart nickten und folgten Sweety. Das Mädchen führte die beiden durch verwinkelte Gassen und Ryu merkte, dass die Kirche viel weiter entfernt war, als es vorhin ausgesehen hatte. An der Kirche standen tatsächlich Wachen, die jeden überprüften, der in das Gotteshaus gehen wollte. >>Welchen Gott betet ihr eigentlich an?<<, fragte Lionheart. >>Die Menschen beten zu dem Gott Aros.<< >>Wies...?<<, begann Ryu, aber Sweety unterbrach ihn: >>Darüber reden wir später. Wir gehen zum Hintereingang.<< Hastig schlichen die drei hinter die Kirche, wo Ryu schon von weitem eine Tür erkennen konnte. Behende öffnete Sweety diese und sie gingen hinein. Pechschwarze Dunkelheit empfing sie und kaum hatte sich die Türe wieder geschlossen, flammte ein Licht auf und Ryu blinzelte in die ungewohnte Helligkeit, die von einer Art Zauberstab auszugehen schien. Ein Mann in einer schwarzen Robe stand vor ihnen. Sein Gesicht war schon voller Falten und hatte einen gutmütigen Ausdruck, der auch in den Augen funkelte. >>Ihr seid Kaiser Ryu, stimmts? Ich bin Pater Johnson, das Orakel und Oberhaupt der Kirche.<< >>Ich muss Euch einiges fragen, Pater.<<, bat Ryu schnell. Der Pater nickte und bat die Gruppe auf einem Sofa Platz zu nehmen, während er sich gegenüber auf einen alten Ohrensessel setzte. >>Stellt mir Eure Fragen, Kaiser.<< >>Äh...okay. Mal sehen: woher kommt Eure Kraft als Seher? Menschen können doch nicht zaubern.<< >>Wisst Ihr, Sweety und ich stammen von Eurem Volk ab. Ich bin ein vollblütiger Halbdrache, der hier zurückblieb und Sweetys Vater war ein Halbdrache. Nur ihre Mutter gehört den Menschen an.<< >>Oh! Warum werdet Ihr verbrannt, wenn der König von Euren Fähigkeiten erfährt?<< >>Der König meint, jeder, der solche Zauberkräfte besitzt ist die Inkarnation des Satans. So die Aussage des Gottes Aros. Der falsche Glaube, wenn Ihr mich fragt.<< Lionheart beugte sich vor und fragte Sweety: >>Ist das dein richtiger Name?<< Sweety nickte. >>Es war der letzte Wunsch meines Vaters, bevor er flüchtete und an der Grenze erschossen wurde...<< Sweetys Gesicht verfinsterte sich und wütend sagte sie: >>Ich hasse die Menschen! Sie sind so selbstsüchtig!<< Pater Johnson wandte den Kopf, um Sweety anzusehen und entgegnete: >>Du darfst nicht alle über einen Kamm scheren. Manche sind so wie die Halbdrachen und umgekehrt. Nimm zum Beispiel Culgan von Ektorn, der Bruder des Königs und seine Schwester Rose. Sie sind sehr warmherzig.<< Sweety senkte beschämt den Kopf und schwieg. >>Kaiser Ryu, habt Ihr noch Fragen?<< Ryu schreckte aus seinen Gedanken hoch und nickte knapp. >>Wie sieht das 'Drachenauge' aus?<< >>Nicht wie der Name es vermuten lässt, also kein Auge, sondern...nun, ich weiß es nicht genau. Es ist schon lange her, dass ich es gesehen habe. Aber ich würde sagen Ihr solltet jetzt ins Schloss gehen. Dort könnt Ihr Prinz Culgan und Prinzessin Rose treffen. Sie werden Euch zeigen wo das Drachenauge ist. Ich bringe Euch zum Geheimgang.<< Pater Johnson stand auf und führte die Gruppe zu einem Kamin, in dem scheinbar schon lange kein Feuer mehr gebrannt hatte. Der Pater zog einen Kerzenhalter an der Wand nach unten, worauf der Kamin sich knarrend bewegte und zur Seite schwang. Ein Durchgang wurde sichtbar. Der Tunnel dahinter schien voller Spinnweben und seltsamem grünen Schleim zu sein. >>Und da sollen wir durch?<<, fragte Lionheart ein wenig angeekelt. Pater Johnson nickte. >>Folgt einfach dem Tunnel. Ihr kommt dann in der Küche des Schlosses heraus. Redet dort mit dem Personal. Es wird Euch sicher sagen was Ihr zu tun habt. Viel Glück, ihr beiden!<< Ryu und Lionheart bedankten sich und krochen in den Tunnel. Pater Johnson schloss die Geheimtür wieder und Ryu und Lionheart machten sich auf den Weg zum Schloss von Ektorn. ******************************************************************************* Hmm, ich weiß nicht...nicht eines meiner besten Kapitel, oder? Na ja, es wird ja noch mehr kommen. ^^ Kapitel 3: Das Schloss von Ektorn --------------------------------- Kapitel 3: Das Schloss von Ektorn Der Tunnel war inzwischen so hoch, dass Ryu und Lionheart aufrecht gehen konnten. Lionheart bewegte sich nur langsam vorwärts und hielt Abstand zu den zahlreichen Spinnweben, die überall hingen. Lionheart drehte den Kopf und sah sich die Wände an. Schließlich sah er wieder nach vorne - in dem Moment, als eine faustgroße schwarze Spinne sich vor ihm an einem Faden runterließ. Lionhearts ohnehin blasses Gesicht verlor jegliche Farbe und mit einem Aufschrei stürzte er sich hinter Ryus Rücken. Die Spinne verlor vor Schreck das Gleichgewicht, der Faden riss und sie stürzte zu Boden, wo sie eilig Richtung Kirche stürmte. Ryu sah der Spinne hinterher und fragte: >>Habt Ihr etwa Angst vor Spinnen, Lionheart?<< Lionheart nickte langsam. Die Farbe kehrte nur langsam in sein Gesicht zurück. Ryu hätte nie gedacht, dass jemand, wie Lionheart, Angst vor etwas wie einer Spinnen haben konnte. Der Leibwächter schüttelte sich, trotz der Wärme, wie unter einem Kälteschauer und meinte: >>Von allem, was Ladon mit Hilfe seines Gottes erschaffen hat, sind Spinnen mit Abstand das Ekligste. Aber echt!<< Ryu runzelte die Stirn und entgegnete: >>Alle Lebewesen sind wertvoll. Jedes hat einen Sinn. Spinnen sorgen zum Beispiel dafür, dass es nicht allzuviele Fliegen gibt.<< >>Ich hätte lieber eine Fliegenplage.<< Lionheart rümpfte die Nase. Ryu gab es seufzend auf und lief weiter. Lionheart sah sich noch einmal nach Spinnen um und folgte dem Kaiser misstrauisch. Ohne Probleme (und ohne einer weiteren Spinne zu begegnen) gelangten Ryu und Lionheart an eine kurze Treppe, die an eine Steinmauer grenzte, auf der ein orangener Schalter angebracht war. >>Na, bitte.<<, sagte Ryu. Lionheart klopfte sich Staub und Spinnweben von seinem Mantel und schwieg. Ryu ging wortlos die Stufen hinauf und drückte auf den Schalter. Die Wand sprang zur Seite und gab den Blick auf einen gigantischen Raum frei, der als Speisekammer zu dienen schien. Alles Mögliche war hierin verstaut: Fleisch, getrockneter Fisch, Wein, Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch und noch viel mehr. Der Geruch von Knoblauch überdeckte fast alles andere und biss Ryu heftig in der Nase. Der Weg vom Geheimgang zur Küchentür war ungefähr zwanzig Meter lang und wurde von Regalen gesäumt. Lionheart schloss die Geheimtür hinter sich und sah sich erleichtert um. >>Hier gibt es bestimmt keine Spinnen.<< Ryu seufzte und zuckte die Schultern. Zusammen liefen beide an die andere Tür und öffneten sie. Die Küche war sogar noch gigantischer und sah eher aus wie eine Kirche. Köche und Dienstmädchen liefen geschäftig herum und beachteten Ryu und Lionheart nicht. Der Kaiser räusperte sich und eines der Dienstmädchen blieb stehen und sah sie fragend an. Plötzlich flammte in ihren Augen ein Schimmer von Wiedererkennung auf und glücklich rief sie: >>Kaiser Ryu, Ihr seid gekommen! Prinz Culgan erwartet Euch schon. Folgt mir bitte.<< Sie lief voraus und führte Ryu und Lionheart aus der Küche hinaus. Die Flure des Schlosses waren mit roten Teppichen ausgelegt und rote Banner hingen an den Wänden. Auf jedem Banner war das Zeichen der flügellosen Drachenritter, allerdings in Gold, abgebildet. Ein kalter Wind fuhr durch das Schloss und Soldaten patrouillierten auf den Gängen und sahen Ryu teils misstrauisch, teils freundlich an. An Lionheart wurde nicht einmal ein Blick verschwendet, doch dieser scherte sich gar nicht darum, denn auch er warf keinen Blick zu den Wachen hinüber, sondern sah stur zu Boden. Vor einer Tür blieb das Mädchen stehen und klopfte kurz. Ohne eine Antwort abzuwarten öffnete sie die Tür und bat Ryu und Lionheart einzutreten. Das Zimmer erinnerte Ryu an das kaiserliche Zimmer in Drakani, nur dass es sogar noch protziger zu sein schien. Ein junger Mann und eine Frau traten aus einer zweiten Tür. Beide hatten platinblonde Haare und stahlblaue Augen. Ryu erkannte sofort, dass Pater Johnson ansatzweise recht gehabt hatte: die Güte und Wärme der beiden strahlten ihnen aus den Augen, aber über die Augen der Frau hatte sich ein kaum sichtbarer Schleier gelegt. Prinz Culgan lächelte, während Prinzessin Rose keine Miene verzog. >>Ich freue mich, dass Ihr kommen konntet, Kaiser Ryu.<<, sagte Culgan. >>Nun ja, irgend etwas muss ich doch tun, damit mein Volk nicht mehr leiden muss.<< >>Denkt Ihr wirklich nur an Euer Volk?<<, fragte Rose spitz. >>Ich bin sicher, Ihr denkt nur an Euch und sonst niemanden.<< >>Rose!!<< Culgan sah seine Schwester erschrocken an. Ryu ballte seine Hände zu Fäusten und versuchte seine Wut zu unterdrücken. Es war für einen Kaiser nicht angemessen Wutausbrüche zu bekommen, wie Argus immer sagte. >>Rose, wie kommst du dazu so etwas zu sagen?<<, fragte Culgan. Die Prinzessin hob arrogant den Kopf und verschränkte die Arme, so dass jede Wärme von ihr wich. >>Albus de Silverburgh war egoistisch, arrogant und selbstherrlich - und so wird sein Sohn auch sein. Wie der Vater, so der Sohn. Er ist doch bestimmt nur hergekommen, weil das Leben im Palast so langweilig war.<< Ryu senkte den Kopf und fing an vor Wut stark zu zittern. Das Schlimmste war: sie hatte recht! Lionheart legte beruhigend seine Hand auf Ryus Schulter und murmelte etwas, was Ryu nicht verstehen konnte. Culgan packte Rose an der Schulter und zischte ihr etwas zu, worauf sie beleidigt in den hinteren Raum zurückkehrte. >>Verzeiht meiner Schwester, Kaiser. Sie hat eine unerträgliche Wut gegen den letzten Kaiser Albus und darum denkt sie Ihr seid auch so.<< Ryu atmete tief aus und zählte in Gedanken bis drei. >>Wir wollen nur das Drachenauge und dann so schnell, wie möglich wieder gehen.<< >>Ich verstehe, Kaiser. Kommt mit mir.<< Culgan führte sie über die Flure des Schlosses zu einem dunklen Gang mit nur einer Tür. Der Raum dahinter war nicht möbliert. Eine blaue Tür war das einzige, was Ryu sehen konnte und diese Tür schien von einem Drachensiegel umgeben zu sein. Culgan lief an die Tür und sagte: >>Wir kriegen diese Tür nicht auf. Vielleicht schafft Ihr es.<< Ryu zuckte mit den Schultern und trat näher an die Tür. Ein seltsamer Schimmer ging von ihr aus. Ryu hob misstrauisch seine Hand legte sie auf die Klinke und drehte daran. Klack! Die Tür sprang auf und gab den Blick auf eine dunkle Treppe frei. Culgan sah Ryu noch einmal an und sagte:>>Viel Glück, Kaiser Ryu." Ryu nickte, obwohl er das Gefühl hatte, dass das Glück ihn auch diesmal wieder im Stich lassen würde. Er betrat die erste Stufe. Die Stufe begann zu leuchten und nacheinander leuchteten auch die anderen Stufen in einem grellen goldgelb. Am Ende der Treppe war eine schwarze Tür zu erkennen. Der Anblick dieser Tür jagte Ryu Angst ein, aber er wusste nicht warum und wollte es auch gar nicht wissen.. Es war nur eine Tür - aber von dieser Tür ging etwas Unheimliches aus, das Ryu nicht beschreiben konnte. Er schluckte und stieg langsam die Stufen hinunter. Lionheart folgte ihm, aber legte sicherheitshalber die Hand auf den Griff seines Schwertes. Culgan schloss die Tür hinter ihnen wieder und Ryu hatte das Gefühl in die Ecke gedrängt worden zu sein. Er wollte nicht weitergehen, aber er konnte auch nicht zurück. Ryu verscheuchte den Gedanken wieder und merkte, dass er bereits an der Tür angekommen war. Langsam legte er seine zitternde Hand auf die schwarze Klinke. Ein kaltes Gefühl strömte durch Ryus Hand, durch seinen Arm in seinen Körper. Ein erneutes Klack! Die Tür öffnete sich wieder und Ryu und Lionheart wurden von einer unsichtbaren Kraft in den nächsten Raum gestoßen. Die Tür flog mit einem lauten Knall zu und wieder standen beide in der Dunkelheit. >>Was kommt jetzt?<<, fragte Lionheart. Ein Licht flammte auf, beleuchtete aber nur einen Altar auf dem ein Amulett lag. Sein Gefühl sagte Ryu, dass es das Drachenauge war. >>Das ist es.<<, sagte Lionheart. Ryu sah ihn erstaunt an und fragte: >>Woher wisst Ihr das?<< Lionheart deutete auf ein kleines Schild am Sockel, auf dem Drachenauge stand.>>Also, Kaiser Ryu, nehmt das Auge und lasst uns verschwinden.<< Ryu wollte nach dem Amulett greifen, hielt aber inne und sagte:>>Das ist zu leicht. Etwas stimmt hier nicht.<< Ryu zog die Hand zurück und sah sich weiter um. Nirgends war eine Tür zu sehen oder eine sonstige Art von einem Ausgang. >>Das ist eine Falle<<, sagte Ryu. >>Wie kommt Ihr darauf?<< >>Der Weg nach unten war viel zu kurz und unbewacht; dabei ist dieses Amulett viel zu wertvoll.<< Lionheart runzelte die Stirn. >>Da ist was dran. Aber ich denke, da wir sowieso nirgends mehr rauskommen, können wir das Amulett nehmen.<< Ryu nahm das Drachenauge vom Altar und plötzlich verschwand der Raum um sie. Wieder leuchtete ein Licht auf und diesmal konnte Ryu erkennen, dass sie sich in einem Raum befanden, der aussah wie eine Kampfarena. Die Tribünen waren überfüllt mit Menschen, die mit gierigen, nach Blut dürstenden Augen auf Ryu und Lionheart herabsahen. Die beiden stellten sich Rücken an Rücken aneinander und legten die Hände auf die Griffe ihrer Schwerter. Ein schmieriges Lachen ertönte von der Haupttribüne. Ryu erkannte den amtierenden König Luke von Ektorn. Sein Aussehen war unverkennbar: sein silberblondes Haar klebte durch zuviel Gel an seinem Schädel und ein verschlagener Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Luke sah nach unten und sagte verächtlich: >>Jetzt haben wir die beiden Drachen gefangen. Das wird euer Ende!<< Ryu schluckte und sah tatenlos wie die Soldaten auf sie zukamen. *** Der Junge war inzwischen mehr als zwei Stunden gelaufen, aber fühlte sich trotzdem nicht müde, nur hungrig und durstig. Ein Dorf war in der Ferne zu sehen und das gab ihm die Kraft weiter zu laufen. Weitere zehn Minuten später kam er im Dorf an, aber niemand war zu sehen. >>Hallo?!<<, rief er. Der Klang seiner eigenen Stimme kam ihm fremd vor. Und niemand antwortete. Langsam ging der Junge durch das Dorf und fand schließlich die Bewohner, die an einem Wasserloch standen. Erst konnte er nicht sehen, was die Bewohner machten, aber dann erkannte er, dass eines der Kinder am Boden lag und weinte, während fünf der Erwachsenen den Puma in Schach hielten, der sich auf das Kind stürzen wollte. Er wusste nicht was über ihn kam, aber er wollte verhindern, dass dem Puma und den Menschen etwas geschah. Er rannte nach vorne durch die Masse der Menschen, die so verblüfft waren, dass keiner ihn aufhielt. Er stellte sich zwischen die regungslosen Männer und den Puma, der ihn neugierig ansah. Der Junge hob die Arme und sagte zu dem Puma: >>Los! Verschwinde!<< Der Puma sah ihn seltsam an und schien zu überlegen, ob er den Jungen zerfleischen oder weggehen sollte. Der Blickkontakt zwischen den beiden brach für zwei Minuten nicht ab, dann trottete der Puma davon. Die Dorfbewohner blickten verwirrt dem Puma hinterher und sahen dann auf den Jungen. Er hatte seine Arme wieder fallen lassen und sah befriedigt der schwarzen Raubkatze hinterher. Plötzlich wurde tosender Applaus laut und verwirrt drehte der Junge sich um. Die Menschen strahlten und riefen Dinge, die er nicht verstand. Einige Erwachsene nahmen den Jungen und hoben ihn auf ihre Schulter. So trugen sie ihn in die Dorfmitte zum größten Haus in das er gebracht wurde. Das Haus war zwar sehr groß, aber es gab nur einen großen Raum, sonst nichts. Nicht einmal ein Fenster war zu sehen. Im Kamin am anderen Ende des Raumes knisterte ein Feuer und verbreitete spärliches Licht - und Wärme. Doch dem Jungen wurde es schon zu warm und am liebsten wäre er wieder hinaus an die frische Luft gegangen. Ein alter Mann mit einem langen weißen Bart saß auf einem Sessel und sah den Jungen freundlich an. Einer der Männer sagte zu ihm, dass er sich setzen könne und kaum saß er, begann der alte Mann zu reden:>>Ich heiße dich bei uns willkommen, Junge. Ich bin der Dorfälteste und wie heißt du?<< >>Ahh...ich weiß nicht.<< >>Was?<< >>Ich erinnere mich nur daran, dass ich vor einiger Zeit in einem Wald aufgewacht bin. Mehr weiß ich nicht.<< >>Oh, gut, gut. Dann geben wir dir einen Namen. Was hältst du von Kai? Es ist ein kurzes Wort, aber es heißt bei den Drachenmenschen soviel wie der Verlorene.<< >>Kai? Na gut.<< >>Also heißt du ab jetzt Kai. Aber sage mir: wie hast du den Puma vertrieben?<< >>Ich habe einfach gesagt, dass er gehen soll.<< Einer der Dorfbewohner stand auf und sagte:>>Das stimmt. Ich habe es genau gesehen. Er hat nur seine Arme gehoben und gesagt, dass er verschwinden soll. Darauf ist der Puma weggegangen und dabei hat er sich nicht einmal von unseren stärksten Kämpfern vertreiben lassen.<< Der Dorfälteste strich sich bedächtig durch den Bart und sagte dann:>>Erstaunlich. Es scheint, als wärst du etwas ganz Besonderes.<< Kai zuckte mit den Schultern und sah fragend auf den Ältesten. Woher sollte er wissen, ob er etwas Besonderes war oder nicht? Als ob der Älteste seine Gedanken erraten hätte, lächelte er noch breiter und sagte:>>Aber woher solltest du das auch wissen? Ich bin ein dummer alter Mann. Du hast einen Jungen aus diesem Dorf gerettet, also lasst uns ein Fest feiern!<< Die anderen Dorfbewohner stimmten freudig und laut ein und machten sich an die Festvorbereitung. ******************************************************************************* Ich danke allen, die das hier lesen und auch kommentieren. ^^ Ich hoffe, ich werde euch nicht enttäuschen. Kapitel 4: Das Drachenauge -------------------------- König Luke hatte befohlen Ryu und Lionheart an einer Eisenkette über die Arena zu hängen und unter die beiden einen großen Kessel mit Schwefelsäure zu stellen. Die Eisenkette schnitt Ryu schmerzhaft in Arme und Brust. Seine Augen tränten vor Schmerz - und Wut über sich selbst, da ihm zu spät eingefallen war, dass man ihm auch eine Falle stellen könnte. Dabei hätte ihm auffallen müssen, dass alles viel zu leicht gewesen war. Luke ließ wieder sein scheußliches Lachen hören und rief dann: >>Endlich ist alles perfekt! Ich habe den Kaiser, der so gut wie erledigt ist - genau wie sein Volk.<< >>Wie meinst du das?<<, fragte Ryu. >>Siehst du die Säure, Drachenkaiser? Ich werde dich da hinein werfen lassen. Du wirst dich mit dem Drachenauge auflösen und dein Volk wird blind vor Wut leichte Beute für meine Krieger werden - wenn nicht vorher eure legendären Krieger auftauchen.<< Allgemeines Gelächter ertönte und Ryu fühlte eine Wut in sich, die der glich, die er gehabt hatte, als Seline gegangen war und ihn allein gelassen hatte. Dabei war sie immer seine Lieblingsschwester gewesen. Ryu atmete tief durch. Luke hörte auf zu lachen und sprach weiter. Jedes seiner Worte ließ Ryus Wut höher fachen. >>Oh, Drachenkaiser, der Fahrer, der euch mitnahm, hat genau richtig gehandelt, als er den Soldaten von der Anwesenheit dieses schmutzigen Drachen erzählte. So hatten wir genug Zeit das ideale Willkommenskomitee zusammenzustellen und ihr beiden habt alles blauäugig geglaubt.<< Wieder lachten alle und Ryus Wut war inzwischen an ihrem Höhepunkt angelangt und auch Lionheart schien sich kaum noch unter Kontrolle halten zu können. Doch bevor er sich bewegen konnte, hob Luke mahnend den Zeigefinger und sagte: >>Na, na, na. Wenn ihr euch zu sehr bewegt, werdet ihr in die Säure fallen; die Kette ist nämlich nicht richtig befestigt.<< Lionheart erstarrte. Plötzlich war Ryus Wut verschwunden - aber dafür spürte er wieder diese alte Macht in ihm. Die Macht aus seiner Kindheit, die er versucht hatte zu vergessen, weil er sie nicht kontrollieren konnte und sie deshalb fürchtete. Ryu atmete wieder tief ein und zählte bis zehn, um die Macht zu unterdrücken. Luke lachte erneut und rief: >>Seht euch das an: der Drachenkaiser am Rande des Abgrunds und er kann nicht einmal sich selbst retten!<< Die Menge lachte ebenfalls. Ryu zählte bis fünf. Sein Atem ging schneller. >>Ich würde mal sagen wir schicken die Krieger schon mal nach Drakani und töten danach die acht Krieger.<< Das war zuviel für Ryu! Ein leuchtender lilaner Schein breitete sich um den Kaiser aus und ein Knistern lag in der Luft. Die Menschen verstummten und sahen fassungslos auf Ryu, der angefangen hatte zu knurren. >>Was ist los, Kaiser Ryu?<<, fragte Lionheart ängstlich. Die Macht breitete sich in Ryu aus und erfüllte ihn mit Kälte. Doch es war zu spät sich zu wehren: ein lilaner Blitz >schlug< in Ryus Stirn ein auf der das >Blitzwappen< erschien. Ledrige, lilane Flügel wuchsen aus Ryus Rücken und statt seiner Kleidung erschien die Rüstung eines Drachenritters der neunten (und untersten) Klasse. Die Eisenkette zersprang und Ryu packte Lionheart am Handgelenk. Die Kette fiel in die Säure und löste sich mit einem Zischen auf. Das alles geschah in weniger als einer Sekunde. Ryu verharrte in der Stellung, in der er Lionheart gegriffen hatte. Nach einer Minute der völligen Fassungslosigkeit begannen die Menschen auf den Tribünen in Panik los zu kreischen und sich hastig auf den Weg nach draußen zu machen. Luke schrie etwas, worauf um die vierzig Bogenschützen die Arena und die Tribünen stürmten. Ryu hatte noch nie jemanden getötet und er hatte auch jetzt nicht vor das zu tun. Als er das dachte schreckte er auf und hätte beinahe Lionheart losgelassen. Er konnte seine Gedanken kontrollieren, obwohl er sich verwandelt hatte! Ryu zog Lionheart hoch, klemmte ihn sich unter den Arm und flog unbeholfen los. Die Schützen legten an und schossen, aber Ryu wich den Pfeilen behende aus. Fliegen war im Grunde gar nicht so schwer. >>Was hast du vor?<<, fragte Lionheart und benutzte dabei das respektlose >Du<; anscheinend glaubte er nicht, dass dieser Drachenritter Kaiser Ryu war. >>Halte deine Hände vor dein Gesicht.<<, knurrte Ryu mit tiefer Stimme. Lionheart wollte fragen weswegen, aber da entdeckte auch er, dass die Arena nur ein Glasdach hatte. Er schlug die Hände vor sein Gesicht, wie jemand, der verzweifelt war und wartete. Ryu benutzte einen Blitz, der das Glas sprengte. Splitter flogen hernieder und verfingen sich in Lionhearts langen Haaren. Ryu flog durch das geöffnete Dach in die kühle Nacht hinaus und wandte sich nach Norden, wo das Drachenreich Drakani lag. Sein Reich, seine Heimat. Kaum war Ryu über die Grenze geflogen, verließen ihn seine Kräfte. Doch hinter der Grenze gab es mehrere hundert Meter weit nur Berge, die eine Invasion der Menschen fast unmöglich machten. Denn über die Berge zu kommen war schwer, da die goldenen Erddrachen die Berge mit Gängen durchzogen und somit nicht begehbar gemacht hatten. Aber Ryu war am Ende seiner Kräfte und schlug deshalb alle Warnungen Argus' in den Wind und landete auf einem sicher aussehenden Bergpfad. Er ließ Lionheart los und fiel auf die Knie. Der Leibwächter trat einen Schritt zur Seite und beobachtete fassungslos was mit dem Kaiser geschah. Ryu wurde wieder etwas kleiner. Seine Flügel zogen sich in seinen Körper zurück und er bekam wieder die alten Sachen, die er getragen hatte, bevor er sich in einen Drachen verwandelt hatte. Ryu atmete auf. >>Das war unglaublich, Kaiser Ryu!<<, rief Lionheart. >>Ihr seid der Erste bei dem ich die Verwandlung mit angesehen habe!<< Ryu sah nach oben in Lionhearts bleiches, aber erleichtertes Gesicht. Er stand auf und fasste in seine rechte Westentasche, wo er das kalte Metall des Drachenauges fühlte. Er nahm es heraus und sah es sich genauer an. Auf den ersten Blick erinnerte es an eine extravagante Taschenuhr. Es war größtenteils golden, aber auch rosa Edelsteine waren darauf bestückt. Die Mitte bestand aus einem großen ebenfalls rosa Edelstein. Eine goldene, hauchdünne Kette war an dem oberen Ende befestigt und instinktiv drückte Ryu auf den Anhänger. Der große Edelstein in der Mitte sprang auf und gab den Blick auf ein dunkelgrünes Display frei. Ryu lachte durch die Nase und sagte, mehr zu sich gewandt: >>Magie, he? Das ist Technologie.<< Ryu drückte erneut auf den Anhänger und dann konnte er den Teil einer Karte von Drakani erkennen. Es war die Bergregion in der er und Lionheart sich gerade befanden. Zwei Punkte waren darauf zu sehen: ein rosaner, der anscheinend das Drachenauge darstellte und ein violetter, der den violetten Lord darstellen sollte. Ryu kratzte sich am Kopf und sah Lionheart an. Vielleicht war er ja der violette Lord, aber Ryu beschloss nichts zu sagen bis sie wieder im Schloss waren. Lionheart sah Ryu immer noch verwirrt an und bewegte sich nicht. Seufzend lief Ryu voraus den Bergpfad hinunter. Von der Stelle an der Ryu hinunter lief konnte er die Hauptstadt von Drakani sehen in der das Schloss stand. Die Stadt und das Schloss waren hell erleuchtet und Ryu wünschte sich sehnlichst jetzt in seinem Bett zu liegen. Während er so nachdachte, achtete er nicht auf seinen Weg und Lionheart folgte ihm auch nur langsam und müde. Plötzlich trat Ryu ins Leere und bevor er verstand was geschah fiel er laut schreiend in das Loch hinein, das sich sofort wieder schloss. Lionheart erwachte aus seiner Müdigkeit und sah sich hektisch um. >>Kaiser Ryu?!<<, rief Lionheart fragend. >>Kaiser Ryu, wenn das ein Scherz sein soll, find ich ihn nicht komisch! Antwortet doch, Kaiser!<< Statt einer Antwort von Ryu pfiff der Wind unheimlich durch die Berge. Lionheart sah nach oben. Tausende und abertausende von Sternen leuchteten am Himmel, aber halfen ihm auch nicht weiter. Verzweifelt setzte er sich auf einen Stein und fuhr sich durch die Haare. Ohne den Kaiser brauchte er gar nicht erst wieder in den Palast zu kommen. Lionheart sah wieder nach oben an den Himmel, wo eine Sternschnuppe vorbeizog. Er faltete die Hände und wünschte sich, dass Ryu bald wieder zurück kommen würde. Ryu rieb sich unterdessen den schmerzenden Ellbogen. Er war mit dem Ellbogen auf dem Steinboden aufgeprallt. Mühsam stand Ryu auf und sah sich um. In dem Hohlraum, in dem er gelandet war, war nichts. Einfach nichts. Aber etwas verwirrte Ryu an diesem Ort: soweit er sehen konnte waren die Wände und der Boden spiegelglatt. Nur an einer Wand konnte er nichts sehen, weil dort kein Licht von oben hinfiel und nichts spiegelte. Es sah aus, als könnte man durch diese Stelle in einen anderen Teil der Höhle gelangen. Ryu lief einige Schritte, aber er verlor den Halt auf dem Boden. Er rutschte aus, stürzte und rappelte sich wieder auf. Seine Wirbelsäule schmerzte nun auch und der Schmerz strahlte in seinen ganzen Körper aus. Plötzlich flammte ein violettes Licht an der schwarzen Wand auf und Ryu erschrak so sehr, dass er seine Schmerzen vergaß. Der Umriss eines Drachen erschien in dem Licht und eine dunkle Stimme sprach: >>Willkommen, Edler. Du hast deine Prüfung bestanden und bist bereit deine Rolle als Krieger wieder aufzunehmen.<< >>Wie bitte?<<, fragte Ryu verwirrt. >>Lord Ryu, Ihr seid einer der acht legendären Krieger: der Lord der violetten Blitzdrachen.<< >>Wie kommt Ihr dazu, dass ich dieser jemand bin, den Ihr sucht?<< >>Ihr habt Euch als edel, tapfer und rein erwiesen, genau wie der damalige Kämpfer für die violetten Drachen.<< Ryu wusste nicht was er dazu sagen sollte und zuckte so mit den Schultern. Ein kleines violettes Licht erstrahlte vor Ryu und schwebte an seinen rechten Ringfinger. Das Licht verschwand und an dessen Stelle erschien ein goldener Ring mit einem eingefassten violetten Edelstein. Merkwürdige Gravuren waren auf dem Ring zu sehen, aber sie schienen keine tiefere Bedeutung zu haben. >>Das ist der Ring des Edelmutes. Damit kannst du verschiedene Blitz- und Donnerzauber benutzen. Nimm dich aber vor magischen Dämonen in Acht, denn die Magie des violetten Ringes ist schwächer, als schwarze Magie.<< Ryu nickte. Das Drachenauge flog aus seiner Tasche und schwebte vor ihm in der Luft. Das Display war zu sehen und Ryu konnte im Westen einen schwarzen Punkt sehen. >>...der schwarze Lord?<< >>Ja. Ich möchte, dass Ihr lernt mit der Macht des Ringes umzugehen und die anderen Lords findet. Wir Drachen haben viel zu lange untätig zugesehen wie König Luke seine Untertanen und alle anderen quälte und unterdrückte. Etwas muss dagegen unternommen werden, doch wir Drachen sind viel zu schwach und deshalb legen wir es in Eure Hände, Kaiser Ryu. Bitte sorgt dafür, dass die Erde ihren Frieden endgültig zurück bekommt.<< Ryu nickte erneut. >>Dieses Drachenauge wird Euch dabei helfen; es wird Euch vor Gefahren warnen. Aber Vorsicht: es erkennt nicht jede Gefahr! Hört ab und zu auf Euer Herz, Kaiser. Viel Glück!<< Das Display schloss sich und Ryu konnte nun erkennen, dass um den großen Edelstein in der Mitte noch sechs kleine, farblose Steine im Kreis gruppiert waren. Der Oberste jedoch war violett und hob sich von dem blanken Gold ab. Ryu nickte noch einmal. Reden schien ihm unmöglich. >>Ich bringe Euch zurück zu Eurem Gefährten. Gebt Euch Mühe.<< Das violette Licht verschwand und nur den Bruchteil einer Sekunde später befand sich Ryu wieder an der Stelle an der er in das Loch gefallen war. Überrascht sah Lionheart auf. Er begriff gar nicht was er da sah. >>Oh! Kaiser Ryu! Ihr seid am Leben!<< Lionheart sprang auf und umarmte Ryu erleichtert. Der Kaiser löste sich aus der Umklammerung und erzählte knapp was passiert war. Staunend lauschte der Leibwächter der kurzen Erzählung und fragte dann: >>Das heißt Ihr seid der violette Lord? Das ist ja wunderbar, fantastisch!! Nein, das ist schrecklich, das ist furchtbar!<< Er hatte so schnell gesprochen, dass Ryu fast nichts verstanden hatte. >>Wieso ist das furchtbar?<< >>Weil das bestimmt gefährlich ist!<< >>Aber das macht bestimmt mehr Spaß, als diese verstaubten Bücher zu lesen.<< Lionheart gab seufzend auf. >>Na, von mir aus. Aber nur, wenn wir jetzt nach Hause gehen.<< Ryu nickte heftig. >>Ja! Lasst uns gehen!<< *** Kai saß am Feuer und hielt einen alten Spiegel in der Hand. Er hatte also weiße Haare und blassgrüne Augen - wenn er auch nicht verstand was daran so besonders war. Fünf Kinder setzten sich zu ihm, darunter der Junge, dem er das Leben gerettet hatte. >>Sag mal, hattest du keine Angst vor dem Puma?<<, fragte einer der Jungen, der so etwas wie der Anführer zu sein schien. >>Angst...?<< >>Du musst ziemlich mutig sein.<< >>Angst...mutig. Was bedeuten diese Wörter?<< Die Kinder verstummten und sahen ihn fassungslos an. Plötzlich rief der älteste Junge: >>Du weißt nicht einmal was Mut ist?<< Die Musik und die Erwachsenen verstummten und sahen die Jungen fragend an. Unsicher nickte Kai und ein Raunen zog durch das Dorf. Kai hatte das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben. Der Dorfälteste kam heran und fragte: >>Kai, ist das wahr?<< Er nickte wieder. >>Hmm, du sagtest du erinnerst dich an nichts, richtig?<< Erneutes Nicken. >>Dann ist die Legende also wahr! Du musst der Göttliche sein!<< >>Der was?<< Es heißt, dass der Göttliche in Gestalt eines unschuldigen Kindes kommen wird und nach Wissen strebt - und zwar in der dunkelsten Zeit des Drachenkrieges, die bereits angebrochen ist. Du strebst doch nach Wissen oder?<< Kai stand auf und fragte schnell: >>Wie kann ich herausfinden, ob ich der echte bin?<< Der Älteste runzelte seine Stirn. >>Im Norden gibt es einen alten Tempel. Dort könntest du etwas herausfinden, aber warte wenigstens bis morgen.<< Kai nickte. Er fühlte sich plötzlich erschöpft und eine schwere Last legte sich auf seine Lider. >>Also schön.<< Kapitel 5: Das Abenteuer beginnt -------------------------------- Ryu lag endlich in seinem Bett und versuchte zu schlafen. Argus hatte alles über das Abenteuer in Ektorn erfahren wollen. Ryu und Lionheart hatten abwechselnd davon erzählt und ergänzt und das alles hatte bis in die Morgendämmerung gedauert. Als sie fertig gewesen waren hatte Argus sie gebeten ins Bett zu gehen, um sich auszuruhen. Ryu hatte Argus nichts von seinen Plänen erzählt und fragte sich was er tun sollte, um Argus klar zu machen, dass er gehen musste. Der kaiserliche Berater war bestimmt entschieden dagegen Ryu auf so eine gefährliche Mission zu lassen. Ryu seufzte und beschloss sich darüber Sorgen zu machen, wenn er ausgeschlafen hatte. *** Kai sah in das Wasserloch, das sein Gesicht spiegelte. Wasser - das Element des Lebens. Er berührte leicht die Wasseroberfläche und sein Gesicht darauf verzerrte sich. Er war als erster wach geworden, während das gesamte Dorf noch schlief. Inzwischen hatte er verstanden, dass er nicht normal war. Kein Mensch kam mit weißen Haaren und blassgrünen Augen zur Welt. Sogar die Kriegerin des Lichts hatte braune Haare und braune Augen gehabt. Kai lächelte seinem Wasserspiegelbild zu und stand auf. Er hörte wie jemand hinter ihn trat und drehte sich um. Der Dorfälteste stand da und fragte: >>Na? Bist du bereit?<< Kai nickte und folgte dem Ältesten zu dessen Haus. Eine Karte und ein kurzes Einhänderschwert lagen auf dem Boden. Der Älteste machte eine einladende Handbewegung und sagte: >>Nimm das mit. Die Karte wird dir die Orientierung erleichtern und das Schwert wird deine Verteidigung garantieren.<< Kai bedankte sich und nahm alles an sich. Der Älteste winkte ab und führte Kai wieder hinaus, um ihm zu sagen in welche Richtung er gehen musste, um zu diesem Tempel zu kommen. Kai nickte erneut. >>Ja, okay, da werd' ich hingehen. Vielen Dank.<< >>Ich muss mich bei dir bedanken, Kai. Geh' jetzt und pass auf dich auf. Viel Glück.<< Kai nickte wieder und lief los. In der Ferne konnte er den Tempel schon erkennen, aber es war noch ein weiter Weg. Obwohl es noch früh am Morgen war, brannte die Sonne heiß und erbarmungslos auf Kai hinunter. Der Tempel verschwamm vor seinen Augen. Tapfer lief er noch drei Schritte, aber plötzlich wurde ihm schwarz vor Augen und bewusstlos fiel er zu Boden. Er wusste nicht wieviel Zeit vergangen war, als er wieder seine Augen aufschlug. Im ersten Moment wusste er nicht einmal wo er war. Er lag in einem halbdunklem Raum in den nur einzelne Sonnenstrahlen fielen. Er sah sich um und entdeckte ein beeindruckendes Wandbild. Es war ein junger Mann, der genau so aussah wie Kai. Er trug eine blassgrüne Lederrüstung und schien blassgrüne Funken zu sprühen. Kai stand auf und ging tiefer in den Tempel hinein. Auch andere Leute waren hier abgebildet und jeder hatte seine eigene Farbe. Violett, Schwarz, Blau, Rot, Grün, Goldgelb und Weiß. Das alles kam ihm seltsam vertraut vor, aber - wie war er überhaupt hergekommen? Er erinnerte sich daran, dass er bewusstlos geworden war, aber das war mitten auf dem Weg gewesen. Während er das alles überlegte, lief er automatisch immer weiter und tiefer in den Tempel hinein, bis er vor einer leeren Wand stand. Er verzog sein Gesicht. Der Weg hierher hatte sich wirklich nicht gelohnt. Er wollte sich gerade umdrehen, als ein blassgrünes Licht erstrahlte und ein Durchgang erschien. Kai ging mit einem seltsamen Gefühl im Magen durch die Wand und landete in einem nur von Fackeln erleuchteten Raum. Die übergroße graue Echse, die Kai am letzten Tag angegriffen hatte war ebenfalls hier. Sie hatte ihren Kopf auf den Boden gelegt und schien zu schlafen. Kai sah sie sich an und verspürte plötzlich den Wunsch sich unter die ledrigen Flügel zu legen und mitzuschlafen. Plötzlich öffnete die Echse ihre Augen. Sie waren blassgrün und hatten goldene längliche Pupillen wie die einer Katze. Es sah Kai direkt an, schnaufte durch die Nase und sagte laut: >>Du bist also der Göttliche? Ich habe dich getestet und du hast bestanden.<< >>Und...und jetzt?<< >>Hmm, du wirst den Ring bekommen, der dich wirklich auszeichnet und deinen Wissensdurst stillt. Es könnte ein bisschen weh tun, also beiß einfach die Zähne zusammen.<< Bevor Kai etwas dazu sagen konnte schoss plötzlich ein dünner Strahl aus einem Juwel auf der Stirn der Echse und traf auf Kais Stirn auf. Ein kurzer Schmerz zuckte durch ihn, aber als der Strahl erlosch, wusste Kai, was es bedeutete Angst zu haben und mutig zu sein. Aber sehr viel schlauer fühlte er sich nicht. Die Echse ließ erschöpft ihren Kopf sinken und keuchte: >>Ich fürchte ich bin zu schwach. Ich werde dich zum nächsten Götterdrachen schicken müssen.<< >>Drachen? Was ist das?<< >>Ich bin ein Drache. Es gibt nicht mehr viele davon. Ich... ich bin sehr schwach. Ich werde dich zum Nächsten meiner Art schicken müssen. Viel Glück, mein Sohn, Kind unserer Hoffnung.<< Ein Licht erstrahlte und Kai fand sich auf einer grünen Wiese wieder. >>Und jetzt? Was soll das?<< Instinktiv holte er die Karte hervor und rollte sie aus. Ein X markierte die Stelle an der er stand und ein blassgrüner Punkt schien den nächsten Tempel zu zeigen. Es sah aus wie ein langer, langer Weg den er vor sich hatte. Kai seufzte und machte sich auf den Weg. Er merkte nicht wie fünf Schatten ihm folgten. *** >>Nein, Kaiser Ryu! Ich will und darf Euch nicht auf so eine gefährliche Mission lassen!<< Argus' Kopf schien gleich zu explodieren. Er hatte genau so reagiert wie Ryu es erwartet hatte: erst hatten sich seine Augen in fassungslosem Entsetzen geweitet, dann hatte sich sein Gesicht dunkelrot verfärbt und dann hatte er losgeschrien. Aber das war das erste Mal gewesen, dass der kaiserliche Berater sich so gehen ließ. Ryu schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. >>Sie sollten sich nicht so aufregen. So schlimm wird es schon nicht werden.<< >>Nein, nein, nein! Kaiser Ryu, ich werde nicht erlauben, dass Ihr Euch in Gefahr bringt.<< >>Aber, Argus, lasst ihn doch, wenn er unbedingt will.<<, warf Lionheart ein. Aber hätte er gewusst, was auf diese Worte folgte, hätte er bestimmt lieber den Mund gehalten. Argus' Augen leuchteten auf und listig sagte er: >>Dann werdet Ihr den Kaiser begleiten, Lionheart.<< >>WAS?!<< Lionheart sprang so heftig auf, dass er seinen Stuhl dabei umstieß. Mit einem lauten Knall landete der kostbare Stuhl auf dem Boden und ließ Ryu zusammenzucken, während Argus nicht einmal mit der Wimper zuckte. Doch in Lionhearts Gesicht war keine Wut zu sehen, sondern eher etwas wie Angst. Er zitterte und fing an langsam zu sprechen: >>Da, wo Kaiser Ryu hingeht, gibt es bestimmt ganz viele... Spinnen!!<< Argus seufzte. >>Lionheart, haben Sie etwa Angst vor Spinnen?<< Der Leibwächter nickte und blickte beschämt zu Boden. >>Kaiser Ryu, seht mal auf das Drachenauge wo der nächste Krieger zu finden ist.<< Ryu nahm das Drachenauge aus der Tasche und öffnete das Display. Ein schwarzer Punkt war im Land westlich von Drakani zu sehen. Von der Position des Punktes und seinem guten Kartengedächtnis konnte Ryu auf Anhieb sehen, dass der nächste Krieger im >Dorf der schwarzen Magie< war. Argus nickte lächelnd. >>Na bitte, Lionheart, dort gibt es bestimmt keine Spinnen.<< Doch, wenn sie dachten sie könnten ihn damit beruhigen, irrten sie sich. Lionheart wurde noch bleicher und als er sprach konnte man deutlich das Zittern in seiner Stimme hören: >>A-aber in diesem Dorf leben nur schwarze Magier. Ich habe gehört sie ziehen anderen Menschen die Haut vom lebendigem Leibe.<< >>Das ist doch Unsinn.<<, erwiderte Argus gereizt. >>Diese Seite kenne ich gar nicht an Ihnen, Lionheart<< Ryu sah zwischen den beiden hin und her und bettelte Lionheart in Gedanken an, doch endlich zuzustimmen. Lionheart sah in Ryus stumm bettelnde Augen und gab auf. >>Also gut, ich mache es. Aber nur solange wir keinen Spinnen begegnen.<< Ryu spielte mit dem Gedanken aufzuspringen und Lionheart um den Hals zu fallen, doch (wie Argus immer sagte) war solch eine Handlung für den Kaiser >unangemessen<. Argus nickte. >>Gut, dann werden wir jetzt alles für die Reise vorbereiten.<< *** Kai seufzte und legte sich erschöpft ins Gras. Eine kleine Spinne krabbelte über seine Hand und gab ihm ein Gefühl der Ruhe. Er atmete tief ein und roch den frischen Duft des Grases. Die Sonne schien auf Kais Gesicht und ruhig schloss er die Augen, wurde eins mit der Welt. Wen kümmerte der nächste Götterdrachen, wenn man ewig so daliegen konnte? Plötzlich erklang ein Geräusch und riss Kai aus dieser wohltuenden Ruhe. Es war weder der Wind, noch ein Tier gewesen. Er setzte sich aufrecht hin und lauschte nach weiteren Geräuschen. Die fünf Männer schienen wie aus dem Nichts aufgetaucht zu sein und hatten Kai im Nu umzingelt. Er stand auf und sah sich nach einem Fluchtweg um. Langsam bekam er wirklich Angst. Zwei Männer bewegten sich blitzschnell auf Kai zu und packten ihn an den Armen. Ein rotes Licht erstrahlte vor ihnen und kurz darauf erschien eine Frau vor Kai. Sie hatte lange rote Haare, die bis an ihre Knöchel reichten und trug ein rotes Gewand. Ihre Augen hatten das selbe Rot wie ihre Haare und schienen zu >brennen< und >Funken zu sprühen<. >>Wer bist du?<<, fragte Kai. >>Ich bin Ignis, die Dämonin des Feuers und die engste Mitarbeiterin des großen Melzesa.<< >>Aha! Interessant, aber - was ist ein >Dämon>Du weißt nicht, was ein Dämon ist? Oh je, wie soll ich dir das erklären?<< Sie stutzte und schrie plötzlich wütend: >>Was fällt dir ein?!! Dir werd' ich Respekt vor mir beibringen!<< Ignis holte eine Peitsche aus dem Nichts und straffte sie, wobei ein fetzendes Geräusch entstand. Kai bekam nun WIRKLICH Angst und wollte zurückweichen, aber die Männer verstärkten den Griff um seine Oberarme. Das, was darauf folgte, geschah in weniger als einer Sekunde: Ignis holte mit der Peitsche zum Schlag aus, Kai schrie vor Angst auf und ein blassgrünes Licht erstrahlte, das die Männer zu Boden sinken ließ und Ignis in die Knie zwang. Das Licht verlosch und Kai war verschwunden. Als Kais Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkte er den Drachen vor sich, der genau so aussah, wie der im letzten Tempel. >>Du bist gekommen, Kai.<< >>Ja, aber was ist passiert?<<, fragte er. >>Ich habe dir geholfen und Ignis' Phantome vertrieben.<< >>Phantome?<< >>Ich werde es dir leichter machen. Schließe deine Augen.<< Kai nickte und schloss seine Augen. Kurz darauf spürte er wieder den heißen Strahl auf seiner Stirn und diesmal wurde sein gesamter Körper mit Wärme erfüllt. Kai öffnete seine Augen und sah an sich herunter. Er war ein ganzes Stück gewachsen, so dass die Robe nur noch an seine Knie reichte. >>Aah! Was ist passiert?<< >>Du hast noch einen Teil des alten Wissens erhalten und bist aufgrund dessen nicht nur geistig, sondern auch körperlich gewachsen.<< >>Aber ich fühle mich immer noch nicht schlau.!<< >>Meine Kraft scheint auch nicht zu reichen. Es tut mir leid, aber ich werde dich zum nächsten Götterdrachen schicken müssen.<< Kai nickte ergeben. >>Ja, schon gut. Es ist in Ordnung.<< >>Aber du brauchst neue Kleidung.<< Der Drache stob weiße Funken aus der Nase und plötzlich trug Kai ein blassgrünes Shirt und eine beige Hose. Kai grinste zufrieden und mit schläfriger Stimme sagte der Drache: >>Jetzt bist du bereit. Mach es gut.<< >>Ja. Danke.<< Als Kai verschwunden war, sagte der Drache in den Raum hinein: >>Ich weiß, dass du hier bist, also komm heraus!<< Nichts rührte sich. Stille lastete auf den Ohren des Drachen. >>Also gut, Lichtwesen, aber ich sage dir, dass Kai es auch ohne deine Hilfe schaffen wird.<< *** Ryu und Lionheart waren schon weit in das westliche Land eingedrungen, als die Sonne begann unterzugehen. >>Wir sollten ein Lager aufschlagen.<<, schlug Ryu vor. Lionheart nickte und baute schweigend das Zelt auf. >>Ich werde Feuerholz sammeln.<<, sagte Ryu. Lionheart reagierte nicht und Ryu nahm das als ja. Schulterzuckend machte er sich auf den Weg, aber nirgends war auch nur ein kleines Stück Holz zu sehen. Soweit das Auge reichte, gab es nur karge Wiesen und an manchen Stellen war noch der Schnee von letzten Winter zu sehen. Aber keine Bäume oder Sträucher. Ryu seufzte und lief noch ein Stück weiter. In der Ferne wurden die Berge sichtbar hinter denen Drakani lag. Ryu schmunzelte und drehte sich wieder um, um zurückzugehen. Und dann geschah etwas, was Ryu nicht erwartet hatte: Es fing an zu schneien! Erst einzelne Flocken und dann immer dichter werdend. Ryu schlang seine dünne Jacke enger um seinen Körper und lief vorübergebeugt weiter. Ein heftiger Windstoß von der Seite schmiss Ryu zu Boden. Hastig stand er wieder auf und schüttelte den Schnee ab. Als seine Finger den kalten Schnee berührten, fühlten sie sich klamm an. Ryu lief schnell weiter und beachtete seine Umgebung nicht. Plötzlich erklang ein lautes Knurren und Ryu fuhr herum. Ein schwarzer Wolf stand hinter ihm und fletschte die Zähne. Der Kaiser wich zurück und stieß dabei gegen eine Wand. Er drehte sich um, aber er sah keine Wand. Mit der Faust klopfte Ryu gegen die Glasscheibe hinter der es nicht stürmte. >>Oh, oh!<< Der Wolf setzte zum Sprung an und Ryu wich aus. Mit einem ekelhaften Knacken prallte der Wolf an der Glaswand ab und - es war unglaublich: obwohl es schien, als hätte der Wolf sich die Vorderpfoten gebrochen, stand er aufrecht da. Der Blick, der sich auf Ryu zentrierte war voller Hass und der Wolf leckte sich gierig die blutenden Lefzen auf die er sich während des Aufpralls gebissen hatte. Ryu hatte noch nie einen Wolf gesehen, aber er wusste, dass Wölfe (besonders Schwarzwölfe wie dieser) ihren Gegner bis zum oftmals bitteren Ende bekämpften. Und der Blick, der in den Augen des Wolfes lag, verriet Ryu, dass dieser Wolf das mit dem bitteren Ende ernst meinte. Fragte sich nur noch für wen das Ende bitter werden sollte. Der Wolf nahm Anlauf und sprang mit aller Kraft vom Boden ab. Ryu zögerte einen Augenblick - und genau einen Augenblick zu lang! Die Zähne des Wolfes bohrten sich tief in Ryus Schienbein. Er schrie gequält auf und der Wolf ließ von ihm ab. Ryus Hose war total zerrissen und voller Blut. Er fiel hin und berührte sein Bein. Schon die kleinste Berührung ließ ihn schmerzgepeinigt aufstöhnen. Der Wolf setzte zu einem neuen Angriff an, doch da erstrahlte ein violettes Licht an dem Ring, den Ryu von dem violetten Drachen bekommen hatte. Das Licht strahlte immer heller und blendete den Wolf, der sich ängstlich zurückzog. Ryu sah sich den Ring und das Licht, das ihn seltsamerweise nicht blendete, genauer an. Etwas ihn ihm wusste, was zu tun war. Das Licht erlosch wieder. Der Wolf stellte seine Ohren wieder auf und begann erneut zu knurren und die Zähne zu fletschen. Blut tropfte aus seinem Maul und färbte den Schnee rot. Der Sturm hatte aufgehört und gab Ryu somit eine besser Voraussetzung für einen Kampf. Der Wolf spurtete wieder los, aber Ryu blieb ruhig stehen und baute eine Barriere auf. Der Wolf sprang und prallte direkt gegen die Barriere. Wieder ertönte ein ekelhaftes Knacken. Ryu wurde durch die Wucht des Aufpralls an die Glasmauer geworfen und sah, dass der Wolf auf dem linken Bein nicht mehr stehen konnte. Der Wolf winselte leise und legte sich auf den Boden. Scheinbar war dieser Schwarzwolf doch nicht bereit >bis zum bitteren Ende< zu kämpfen. Ryu atmete heftig auf. Die Übungskämpfe im Palast waren nicht so schwer gewesen und hätte er gewusst, dass er eines Tages so einen Kampf bestehen muss, hätte er das Training ernster genommen. Plötzlich löste sich die Glaswand auf und Ryu, der sich daran angelehnt hatte, fiel mit einem überraschtem Aufschrei nach hinten. >>Killey!<< Ein großer junger Mann mit schulterlangen schwarzen Haaren, dunkelblauen Augen und einem düsteren Gesichtsausdruck erschien und kniete neben dem Wolf nieder. Ein Teil seiner Haare fiel in sein Gesicht und verdeckte sein rechtes Auge. Der Mann zog ein kleines Fläschchen aus seiner Tasche und schüttete dessen grünen Inhalt in das geöffnete Maul des Wolfes. Zwei Sekunden darauf waren die Wunden des Wolfes verheilt und er stand auf. Der Mann richtete sich wieder auf. >>Tut mir leid. Das macht er manchmal.<< Ryu sah die beiden verdutzt an und der Mann fragte: >>Hat Killey das gemacht?<< Dabei nickte er mit seinem Kopf in Richtung von Ryus Bein. Erst jetzt bemerkte Ryu den Schmerz in seinem Bein wieder, in das >Killey< gebissen hatte. Er nickte knapp. >>Vielleicht sollte ich mich vorstellen.<<,begann der Mann. >>Ich heiße Damian McLirell und dieser Wolf hier ist Killey.<< >>Mein Name ist Ryu de Silverburgh.<<, sagte Ryu und wartete auf eine Reaktion von Damian, aber sein Gesicht blieb ausdruckslos. Plötzlich fing das Drachenauge an schrill zu piepsen. Ryu zog es aus der Tasche und öffnete das Display. Der schwarze Punkt war nun genau neben dem seinen zu sehen. Ryu schloss das Display und steckte das Amulett wieder in seine Tasche. Damian kümmerte sich nicht darum, sondern kniete sich neben Ryu nieder und untersuchte das Bein. >>Hoher Blutverlust...<<, stellte er tonlos fest. Er zog wieder ein Fläschchen aus seiner Tasche und tat einige Tropfen auf die Wunde. Es zischte und dampfte - und dann verschwand die Wunde und das Blut. Ryu hatte nicht einmal etwas gespürt. Damian half ihm auf und sagte: >>Kommt. Ich bringe Euch zu meinem Dorf. Euer Mitreisender ist ebenfalls dort.<< Ryu nickte perplex und folgte Damian. *** Kai war diesmal in einer Wüste gelandet und versuchte mit Hilfe der Karte den Weg zum nächsten Tempel zu finden. Ein schwerer Sandsturm hatte plötzlich eingesetzt und Kai hatte sich mit letzter Kraft in eine kleine Höhle gerettet. Seufzend betrachtete er die Karte. Der Tempel war viel weiter im Süden, als er gedacht hatte. Kai hatte noch viel zu laufen, aber er hoffte, dass Ignis und ihre Phantome ihm hierher nicht folgen konnten. In Gedanken verfluchte er den Sandsturm, denn ohne diesen wäre er schon viel weiter. Kai zog die Beine an seinen Körper, schlang die Arme um die Beine und legte sein Kinn auf seine Knie. >>Dann warte ich halt.<< Kapitel 6: Der schwarze Lord ---------------------------- >>Kaiser des Drachenreiches, mm? Was führt Euch in unsere Gegend?<< Damian und Ryu liefen nebeneinander her und Ryu hatte Damian inzwischen erzählt wer er war. Killey lief brav neben den beiden her und nichts erinnerte mehr an den blutrünstigen Wolf von vorhin. Ryu räusperte sich und antwortete auf Damians Frage: >>Ich versuche ein altes Rätsel zu lösen.<< >>Welches Rätsel?<< >>Das Rätsel um die Legende der acht Krieger. Ich versuche diese zu finden, um meinem Volk zu helfen.<< >>Aha!<< Damian sagte nichts mehr. Für Ryu schien er ein sehr schweigsamer Zeitgenosse zu sein. Um so besser, dachte Ryu. >>Für was ist eigentlich dieses Amulett?<<, fragte Damian nun wieder. Ryu sah ihm ins Gesicht, wobei er den Hals recken musste. Er merkte erst jetzt, dass Damian gut zwei Köpfe größer war als er. >>Das ist das Drachenauge. Es hilft mir die anderen zu finden. Was war das vorher eigentlich für ein Zauber, der den Sturm verursacht hat?<< >>Oh, das? Das war ein magisches Experiment von mir. Es hat leider nicht so funktioniert, wie es funktionieren sollte. Deswegen habe ich den Sturm mit einer Barriere eingeschränkt. Ich wusste nicht, dass Ihr und Killey in genau dem Bereich seid.<< >>Aber warum habt Ihr den Sturm nicht einfach aufhören lassen, Sir Damian?<< >>Das ist schwer zu erklären. Wenn ein magisches Experiment schiefgeht, kann man den Zauber nicht einfach wieder rückgängig machen. Man kann nur versuchen ihn einzudämmen. Versteht Ihr, Kaiser?<< >>Nennt mich Ryu. Ich verstehe das. Ich konnte bisher auch nicht mit meiner Macht umgehen.<< Damian nickte. >>Ich habe gehört, dass der Drachenkaiser die Macht hat sich in einen Drachen zu verwandeln. Stimmt das?<< >>Nicht ganz. Jeder Drachenmensch kann sich in einen Drachen verwandeln, aber die Magie der meisten Drachen ist begrenzt. Sie beherrschen auch keine sonderlich starken Attacken, weil sie keine Ausbildung zu Drachenrittern haben.<< >>Das Volk der Drachen ist wirklich interessant. Ah, da vorne ist schon mein Dorf.<< Damian deutete mit dem ausgestreckten Arm auf ein kleines Dorf, das in der Ferne zu sehen war. Eine selige Ruhe herrschte dort. Es war so ruhig, dass es schon wieder zu ruhig für Ryu war. Niemand lief herum, keine Kinder spielten auf der Straße; es war ein trostloser Anblick. >>Wo sind denn alle?<<, fragte Ryu. Statt einer Antwort lief Damian weiter an das Ende des Dorfes, wo ein großer Fels stand und in diesem Fels war eine Tür eingelassen. >>Das ist unser Tempel.<<, erklärte Damian. >>Es heißt, der Fels liegt schon seit Beginn der Zeit hier und sei heilig.<< Ryu erwiderte nichts, obwohl er es für unsinnig hielt, einen Felsen für heilig zu erklären. Damian öffnete die Tür und trat ein. Ryu folgte ihm unsicher und sog scharf die Luft ein, als er sich umsah. Von außen mochte der Felsen unscheinbar gewirkt haben, aber im Inneren schien es Platz für hundert Leute zu geben. Ein hundert Meter langer Gang führte zu einem Altar hinter dem eine weitere versiegelte blaue Tür war. Bänke säumten den Gang zu beiden Seiten und auf diesen Bänken saßen Menschen, die sie mit verstörten Blicken ansahen. Es waren junge, alte und Leute mittleren Alters da, aber auch kleine Kinder und ein Baby. Der Großteil der Versammlung bestand aus Männern, aber vereinzelt konnte Ryu auch Frauen erkennen. Alle hatten schwarze, braune, rotbraune oder rote Haare, doch keine Haarfarbe war heller als Blut. Ryu folgte Damian nach vorne an den Altar, wo ein Priester stand und auch - >>Lionheart?<< Ryu hätte seinen Leibwächter beinahe nicht wieder erkannt. Er war völlig bleich und zitterte. >>Ka-Kaiser Ryu!<<, rief er erleichtert, als er Ryu sah. Damian wechselte einige Worte, die Ryu nicht verstand, mit dem Priester. Sein Gesicht verfinsterte sich und er sagte zu Ryu: >>Ich fürchte, ich habe eine schlechte Nachricht. Der Priester sagt, Euer Freund sei ohne Erlaubnis in dieses Land eingedrungen und nun ist der Gott Spay erzürnt.<< >>Ja und?<<, fragte Ryu nervös. >>Deswegen soll er jetzt geopfert werden.<< Lionhearts Gesicht schien noch bleicher zu werden und er fing an stärker zu zittern. >>Kann man da denn nichts machen?<<, fragte Ryu an seiner Stelle. Damian redete wieder mit dem Priester. Dieser nickte, deutete auf die versiegelte Tür und sagte etwas. Damian nickte ebenfalls und wandte sich wieder an Ryu. >>Euer Freund muss eine Prüfung bestehen, dann wird man ihn verschonen.<< >>Was soll er denn machen?<< >>Er muss die Höhle ergründen, die hinter der Tür liegt.<< Dabei deutete Damian wie der Priester auf die blaue Tür hinter dem Altar. >>Es heißt, ein Dämon ist in der untersten Ebene zu finden. Wenn Euer Freund es schafft, ist er frei.<< Ryu sah Lionheart an. Der Leibwächter zitterte immer noch, aber sein Gesicht schien nicht mehr so bleich zu sein. Trotzdem war sich Ryu sicher, dass Lionheart es nicht alleine schaffen konnte. Ryu stieß Lionheart an und der nickte daraufhin abwesend. >>A-also gut.<< Der Priester schien zu verstehen und trat an die Tür. Er legte seine Hand auf die Klinke und mit einem leisen Geräusch schwang sie nach innen auf. Hinter der Tür war nur ein leerer Raum in dem eine Leiter nach unten führte. Damian nickte den beiden aufmunternd zu. >>Ich komme mit euch mit.<< Ryu nickte dankbar und gemeinsam folgten er und Lionheart Damian nach unten. Die Gänge der Katakombe waren länger als es den Anschein hatte und die Wände waren mit grünem Schleim bedeckt. Spinnennetze hingen an den Decken und ließen Lionheart kalte Schauer über den Rücken laufen. Auch Ryu musste zugeben, dass ihm die Katakombe Angst einflößte. Überall lagen Skelette: tote Menschen- und Drachensoldaten. >>Damian, was ist das hier für ein Ort?<<, fragte Ryu. Damian drehte sich um und antwortete nachdenklich: >>Ich habe als Kind eine Geschichte gehört, die besagt, dass die Menschen einst hier gegen die Drachen gekämpft haben sollen, um so ihre Verbreitung zu verhindern.<< >>Aber woher rührt dieser Hass, der die Menschen bewog, gegen die Drachen vorzugehen?<<, fragte Ryu weiter. Damian zuckte mit den Schultern und lief weiter. Ryu und Lionheart folgten ihm etwas ängstlich und langsamer. Lange Zeit liefen sie weiter und kamen an viele Weggabelungen. Immer war es Damian, der den weiteren Weg wählte und langsam begann Ryu sich zu fragen, woher dieser Schwarzmagier so genau wusste wohin sie gehen mussten. Damian sagte kein Wort und schien völlig abwesend zu sein. Lionheart drängte sich dichter an Ryu, der spüren konnte wie sehr Lionheart zitterte. Es musste schrecklich für ihn sein mit einer solchen Angst vor Spinnen in einer spinnenverseuchten Höhle herumzulaufen. Plötzlich ertönte ein lautes Geräusch und Damian blieb stehen. Misstrauisch sah er sich um. Neben einem Felsen erschien etwas, das aussah, wie ein grüner, dicker, haariger Balken. Ryu sah nach oben und schrak unwillkürlich zurück. Lionheart folgte seinem Blick und fiel mit einem Keuchen auf den Boden. Starr vor Angst saß er da und sah nur auf die riesige Spinne vor ihnen. Sie war über und über grün und mit schwarzen Häärchen bedeckt. Noch dazu hatte sie acht baumstammartige Beine. Damian wich drei Schritte zurück. >>Was machen wir jetzt?<<, wisperte Ryu ihm zu. Damian griff unter seinen langen Mantel und holte, wie aus dem Nichts, einen Rapier hervor. >>Wir werden kämpfen.<<, antwortete er tonlos. >>WAS?!! Spinnst du?!<<, rief Ryu erschrocken. Damian lächelte matt. >>Keine Angst. Das wird schon werden.<< Ryu zog ebenfalls seinen Degen. Die Spinne schien ungeduldig zu werden. Sie hob eines der Beine und ließ es auf Damian hinuntersausen. Er wich aus und das Bein bohrte sich tief in die Erde. Die Spinne kreischte laut und nahm eines ihrer anderen Beine, um Ryu anzugreifen. Ryu packte Lionheart am Arm und sprang einige Schritte zurück, wobei er Lionheart mitzog. Den Bruchteil einer Sekunde später bohrte sich auch dieses Bein in die Erde. Damian sprang vor und stieß seinen Rapier in das Bein der Spinne - oder besser gesagt: er versuchte es. Der Rapier prallte an dem Bein ab und Damian konnte von Glück sagen, dass die Klinge dabei nicht abbrach. Ein komischer Laut ertönte, doch bevor Damian weiter handelte, sah er sich nach Ryu um. Scheinbar hatte der Kaiser Lionheart in eine Felsnische geworfen und jetzt tänzelte er vor der Spinne herum und versuchte sich zu konzentrieren. Damian sah wieder das Bein an. Er war sich völlig sicher, dass der Laut metallisch gewesen war. Die Spinne kümmerte sich nicht um ihn und so wagte Damian noch einen Versuch. Er stieß die stumpfe Seite des Rapiers gegen das Bein. Klang! Es war tatsächlich ein metallischer Laut. Damian versicherte sich noch einmal, dass die Spinne mit Ryu beschäftigt war und lief um das Monster herum in den Gang aus dem sie gekommen war. Der Schwarzmagier traute seinen Augen nicht: eine große Computeranlage stand hier und schien die Spinne zu steuern. Ein menschliches Skelett mit einem Messer im Rücken lag auf den zerstörten Armaturen. Ein, von den nassen Wänden verursachter, Kurzschluss schien die Spinne aktiviert zu haben. Damian fegte das Skelett zur Seite und sah sich den Computer genau an. Es waren noch Überreste aus dem zwanzigsten Jahrhundert und Damian kannte sich ohnehin nicht mit Maschinen aus. Ein großer roter Knopf fiel Damian ins Auge und darüber stand in alten asiatischen Schriftzeichen - die Damian als Kind gelernt hatte- >Abbrechen<. Er drückte den Knopf und hörte ein Geräusch, als hätte jemand eine Kassette in einem kaputten Rekorder abgespielt. Zwei Beine der Spinne blieben mitten in der Luft hängen; die Maschine war außer Betrieb. Ryu zog Lionheart aus der Felsnische und half ihm auf die Beine. Mühsam schob er den starren Lionheart unter der Spinne hindurch zu Damian hin. >>Was ist das hier?<<, fragte Ryu. >>Überreste der menschlichen Zivilisation.<<, antwortete Damian. >>Es war kaputt. Deswegen hat uns der Verteidigungsmechanismus angegriffen. Die Spinne ist ein Roboter. Egal. Wir sollten weitergehen.<< Ryu nickte und zog Lionheart weiter hinter sich her. *** Der Sturm hatte sich gelegt. Kai kroch aus der kleinen Höhle und schüttelte den Sand ab. Durch den Sandsturm lag nun überall zehn Zentimeter mehr Sand, was sein Vorankommen sehr erschwerte. Verdrossen lief er weiter in Richtung Süden und versank bei jedem Schritt in den tiefen Sand. Nach nur zehn Minuten war er völlig verschwitzt und keuchend ließ er sich der Länge nach hinfallen. Mit seinem Kinn stieß er hart gegen etwas. Verwirrt sah er auf den Sand. Doch an der Stelle an der er gelandet war, war kein Sand mehr, sondern Glas. Kai überlegte, wie das möglich sein konnte und aus irgendeinem Grund fiel es ihm sofort ein: wenn Sand sehr hoch erhitzt wird, wird es zu Glas und die einzige Person, die das schaffen konnte war Ignis. Aber scheinbar war sie schon wieder verschwunden. Kai atmete auf; wenigstens etwas Positives hatte der Sandsturm mit sich gebracht. Er stand wieder auf und lief grinsend weiter. Der nächste Drache wartete schon auf ihn. *** Der Gang endete an einer Wand auf der der traditionelle schlangenähnliche Finsterdrache abgebildet war. >>Eine Sackgasse.<<, meinte Ryu. >>Nein. Irgend etwas muss hier sein. Das ist die unterste Ebene.<<, entgegnete Damian. Lionheart sah sich um und sagte: >>Dann muss hier was sein, was uns weiterhilft. Aber wo?<< Damians Blick fixierte sich auf das Wandbild, das ihn an etwas erinnerte. Plötzlich begann das Drachenauge heftig zu piepen und zu blinken. >>Was ist jetzt los?<<, fragte Ryu erschrocken. Das Drachenauge schien einen Drachen zu signalisieren - und zwar den Finsterdrachen. Damian kümmerte sich erneut nicht um das Drachenauge und legte seine rechte Hand auf das Drachenbild. Ein Licht erstrahlte auf der Wand und auf Damians Stirn erschien das Zeichen der Finsternis: der schwarze Stern. Ryu wurde geblendet und Damian durch die Wand gezogen. Der Raum auf der anderen Seite war völlig dunkel, als auf einmal an der Wand ein Licht erstrahlte und ein schwarzer schlangenähnlicher Drache erschien; der Drache von dem Wandbild. >>Willkommen, Hexer.<<, sagte der Drache ohne sein Maul zu bewegen. Damian schluckte. Es war das erste mal in seinem Leben, dass er sich fürchtete. >>Du brauchst keine Angst zu haben. Ich werde dir nichts tun.<<, fuhr der Drache fort. >>Nun, ... es ist das erste Mal, dass ich einen echten Drache sehe. Ich glaube, dass zumindest etwas Ehrfurcht angebracht ist<< Der Drache schien zu lachen und meinte: >>Vermutlich hast du Recht, aber deswegen bin ich nicht hier. Höre mir gut zu: du bist der Krieger der Finsternis. Ich werde deine Macht wiedererwecken, damit du an Kaiser Ryus Seite kämpfen kannst. Du hast seine guten Absichten längst erkannt. Hilf ihm seinen Traum von Freiheit zu erfüllen und immer auf dem Pfad der Tugend zu bleiben.<< Damian nickte. Ein goldener Ring mit einem schwarzen Stein erschien an seinem rechten Ringfinger. >>Das ist dein Stein der Stärke. Gebrauche ihn klug.<<, sprach der Drache. >>Leb' nun wohl, Hexer.<< Ein Licht erstrahlte und kurz darauf stand Damian wieder vor der Wand neben Ryu. >>Damian, was...?, begann Ryu nervös, aber Damian winkte hastig ab. >>Lasst uns erst weg von hier. Ich erzähle euch alles auf dem Rückweg.<< *** Der Finsterdrache hob den Kopf und spähte in den Raum. Ein kleiner Funke flog vor seinem schuppigem Gesicht und strahlte Wärme aus. >>Seit wann spionierst du uns aus?<<, verlangte der Finsterdrache forsch zu wissen. Der Geist gab nur eine zirpende Antwort, wie eine Grille, aber der Drache schien es zu verstehen, denn er entgegnete: >>Nein! Es läuft alles nach Plan und der blaue Lord wird auch bald zu ihnen stoßen. Dann können sie es mit dem ersten der vier Dämonenkrieger der Menschen aufnehmen. Du solltest deine Kämpfer gut vorbereiten, Lichtgeist.<< Der Geist gab ärgerliche Geräusche von sich und verschwand. Erschöpft ließ der Drache seinen Kopf sinken und schlief weiter. **** Der Weg aus der Höhle heraus war leichter und schneller gewesen, als der Weg hinein. Damian erzählte von dem Drachen und dem was er gesagt hatte und so verflog die Zeit geradezu. Darauf erzählte Ryu auch von dem Blitzdrachen und kaum war er fertig kam die Gruppe an die Leiter, die zum Tempel führte. Ohne Hast kletterten die drei nach oben und öffneten die Tür zum Tempel. Niemand war zu sehen. Nicht einmal der Priester. Damians Augen verengten sich und finster sagte er: >>Etwas stimmt nicht.<< Ryu und Lionheart sahen ihn fragend an. Aber auch Ryu spürte etwas, das er nicht zu beschreiben vermochte. Etwas lag in der Luft. Ryu hätte schwören können, dass es Tod war, der in der Luft schwebte. Damian lief hastig den Gang zur Tür hinab, stieß sie auf und blieb erstarrt stehen. Ryu folgte ihm und - nach einigem Zögern - auch Lionheart. Der Drachenkaiser sah nach draußen und konnte es nicht fassen sein Gefühl so bestätigt zu sehen: die Hütten der Dorfbewohner waren völlig abgebrannt und überall lagen reglose Schwarzmagier. Eine der Hütten kokelte sogar noch. Damian verließ den Tempel und lief weiter ins Dorf. >>Killey!<<, rief er. Ein Winseln ertönte von einer Seite des Dorfes und Ryu folgte Damian langsam dorthin. Eine junge Frau lag neben Killey und bewegte sich noch. Ihre schulterlangen schwarzen Haare waren angesengt und klebrig vor Blut. Was Ryu am Meisten überraschte war, dass sie Joy wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelte. Damian beugte sich zu ihr hinunter und hob ihren Oberkörper hoch. Die Frau keuchte. Blut lief aus ihrem Mund. >>Damian, du?<< Er nickte und nahm ihre Hand. >>Ich dachte schon ich müsste sterben ohne mich von dir verabschieden zu können.<< >>Alice, du solltest nicht reden. Ich mache den Trank noch einmal. Halte durch.<< >>Das ist jetzt nicht so wichtig. Mit mir geht es zu Ende und du weißt das.<< Plötzlich begann sie schneller zu sprechen, als ob sie wirklich wüsste, dass sie nicht mehr viel Zeit hätte: >>Damian, ich weiß, dass du der schwarze Lord bist. Ich wusste es schon, als ich dich das erste Mal sah. Ich bin mir sicher, dass du dem Finsterdrachen alle Ehren machen wirst. Bitte beschütze den Göttlichen. Er ist die letzte Hoffnung für diesen sterbenden Planeten. Und Damian: ich liebe dich.<< Ihre Hand erschlaffte und fiel aus Damians starrer Hand. >>Alice...<< Killey winselte leise und Damian wandte den Kopf. Der Wolf saß neben ihm und sah ihn aus treuen und gleichzeitig traurig blickenden Augen an. >>Was ist passiert?<<, fragte Damian ohne eine Antwort zu erwarten. Doch plötzlich sagte Killey: >>Die Feuerdämonin Ignis war hier. Sie wollte um jeden Preis wissen wo der Göttliche ist, doch der Priester hat es ihr nicht sagen können und vor Zorn hat sie dann...<< >>Seit wann ... kannst du sprechen?<<, fragte Damian überrascht. Killey antwortete nicht mehr, sondern winselte nur noch leise. Ryu trat hinter Damian und sagte leise: >>Tut mir leid, aber wir müssen weiter. Das Drachenauge hat schon den nächsten Lord ausfindig gemacht.<< Damian nickte und stand auf. >>Wir können gehen. Aber lasst mir noch etwas Zeit, um Alice zu beerdigen. Sie ist eine Freundin aus Kindertagen.<< >>Natürlich.<<, nickte Ryu. >>Lass dir Zeit.<< Damian hob Alice hoch und trug sie davon. Lionheart trat neben Ryu und sagte: >>Er tut mir leid. Jetzt haben die Dämonen sein Dorf abgebrannt - genau wie meines.<< >>Euer Dorf wurde abgebrannt? Das wusste ich gar nicht.<< Lionheart nickte. >>Es war das selbe Dorf in dem Eure Mutter gewohnt hat, als sie jung war, Kaiser Ryu.<< >>Davon habe ich gehört. Setzen wir uns irgendwo; es wird bestimmt eine Weile dauern, bis Sir Damian zurückkehrt.<< Kapitel 7: Übung macht den Meister ---------------------------------- Danke für eure ganzen Kommis. Ich freue mich, dass mein Buch euch so gut gefällt. *nicht damit gerechnet hat* Ich hoffe, es gefällt euch auch in Zukunft. At Dreammaster: Wahrscheinlich sind einige Leute in meiner Umgebung auch nur zu empfindlich. ^^ ******************************************************************************* >>Killey!<< Der Schwarzwolf war schon weit vorangelaufen, hielt inne und sah sich nach Damian um. Der Schwarzmagier stand neben Ryu und Lionheart und winkte Killey zurück. Killey drehte sich um und trottete zu Damian zurück. Er fuhr dem Wolf mit der Hand über den Kopf und fragte: >>Ich weiß nicht wie Ihr es seht, Lord Ryu, aber ich denke, wir sollten versuchen unsere Fähigkeiten auszubilden.<< Ryu sah ihn an und überlegte kurz. >>Ja, wäre keine schlechte Idee.<< Damian richtete sich wieder zur vollen Größe auf und spannte die Sehne eines schwarzen Energiebogens. Ein ebenfalls schwarzer Pfeil erschien und Damian rief: >>Schwarzer Pfeil!<< Der Pfeil flog surrend durch die Luft und sprengte einen Felsen, den Damian anvisiert hatte. Ryu blinzelte erstaunt. >>Wow! Unglaublich! Die Macht der Finsternis ist also wirklich so stark. Ihr seit ein Naturtalent.<< Damian lächelte zufrieden und machte eine einladende Geste mit der Hand. Ryu verstand und streckte die Arme von sich. Kleine Blitze zuckten aus seiner Handfläche und verpufften, bevor sie weit kamen. Ryu konzentrierte seine Energie auf die Handflächen. >>Violetter Blitz!<< Ein Blitz zuckte aus seinen Händen und schlug in den Felsen neben dem Damians ein. Er zerfiel in zwei Hälften. Violetter Rauch kräuselte sich empor. >>Auch nicht schlecht.<<, meinte Damian anerkennend. Ryu dankte ihm grinsend und schlug dann vor: >>Probieren wir es mal zusammen.<< Damian nickte. Die beiden konzentrierten erneut ihre Kräfte und ließen sie gleichzeitig los. Die Kräfte verbündeten sich und explodierten in einiger Entfernung. >>Prima!<<, riefen beide gleichzeitig. Lionheart klatschte in die Hände. Damian sah Ryu an und fragte: >>Wie wäre es, wenn wir mal probieren würden, wie die Zauber gegeneinander wirken?<< Ryu und nickte. Damian lief zehn Schritte in die entgegensetzte Richtung und rief: >>Also los!<< Die beiden konzentrierten ihre Zauber und ließen sie los. Die Zauber prallten aufeinander und explodierten. Ryu hielt schützend seinen Arm vor sein Gesicht bis die Explosion vorbei war. >>Wow!<>Kaiser Ryu, trainieren wir weiter. Wir können jedes Training brauchen.<< Ryu nickte erneut und stand auf. Dann trainierten sie weiter. *** Am Abend, kurz nachdem die Sonne untergegangen war, hatten Ryu und Damian überall Kratzer und Schürfwunden. Nach dem Zaubern hatten sie noch Schwertkämpfe und Duelle geübt. Lionheart (der Feuer und Essen gemacht hatte) war schon eingeschlafen und schien einen schönen Traum zu haben. Ryu würgte lustlos sein Essen hinunter, während Damian nur darin herumstocherte. >>Was ist los?<<, fragte Ryu. >>Ach, nichts.<< >>Sagt doch. Ich bin verschwiegen.<< >>Alice war für mich immer wie eine große Schwester und ich muss sagen, dass ich sie geliebt habe. Sie war der einzige Mensch, den ich je geliebt habe.<< >>Was ist mit deiner Familie?<< Damian lachte kurz auf. >>Familie? So etwas habe ich nicht. Meine Eltern gaben mich weg, kurz nachdem ich geboren wurde. Ich weiß nicht wie es ist eine Familie zu haben.<< >>Familien werden immer überbewertet. Ich hatte eine Familie, aber allzu super fand ich es auch nicht. Meine Eltern verschwanden, als ich elf Jahre alt war und meine Schwester Joy lässt seit mehren Monaten nichts mehr von sich hören. Was meine andere Schwester angeht: sie war meine Lieblingsschwester, aber sie ging weg und ich sah sie nie wieder.<< >>Wie war ihr Name?<< >>Seline...<<, antwortete Ryu knapp. >>Seline? Eine Frau mit diesem Namen war vor wenigen Wochen in unserem Dorf. Sie war mit zwei jungen Männern da. Hat sie zufällig blonde Haare und blaue Augen?<< Ryu nickte. Damian legte seinen Teller neben das Feuer und sagte: >>Ich glaube in der Familie eines Kaisers ist das auch etwas anderes. Aber, wenn selbst Eure Schwestern gehen, dann...<< Ryu senkte betrübt den Kopf und fragte: >>Wisst Ihr, wer die Männer waren?<< >>Nein. Wer sie waren heben sie nicht gesagt. Nur der Name Seline de Silverburgh fiel einige Male.<< Ryu schwieg. Damian stand auf und sagte: >>Ich werde schlafen gehen. Gute Nacht!<< Er lief einige Schritte vom Feuer weg und legte sich hin, um zu schlafen. Ryu starrte in die Flamme und dachte an Seline. Kalte Wut erfüllte ihn wieder und er sprang auf und rannte ziellos über das Feld. Nach einer Weile blieb er stehen und atmete tief durch. Er unterdrückte den Wunsch sich in einen Drachen zu verwandeln. Ein großer Fels lag einige Meter vor Ryu und bevor er überhaupt verstand, was er tat, fegte ein violetter Blitz von Ryu zum Felsen und sprengte ihn in kleine Steine. Ryu ließ sich, wie am Nachmittag, auf die Knie fallen. Der Hass war verflogen; entladen in einem violetten Blitz. Ryu ließ den Kopf hängen und lief langsam zu Lionheart und Damian zurück. Egal, was er Seline vorwarf: vielleicht hatte sie einfach nicht anders handeln können. Wahrscheinlich war er nur egoistisch und wollte als einziger glücklich sein. Oder Seline hatte Angst gehabt, dass Ryu ihr eines Tages weh tun würde, wenn er unabhängig würde. Ryu erreichte das kleine Lager. Das Feuer war nicht mehr so hell wie zuvor, aber es brannte noch. Er legte sich auf eine Decke und sah an den Himmel. Unzählige Sterne glitzerten und der Mond schien grün vom Himmel. Ryu seufzte und schlief ein. *** Kai lehnte sich gegen einen Fels und atmete tief durch. Er war die halbe Nacht gelaufen, aber der Tempel war immer noch nicht in Sicht. Dabei war er laut der Karte nicht mehr weit. >>Das nächste Mal verlange ich, dass ich näher an den Tempel komme.<<, murrte Kai vor sich hin. Ein grüner Skorpion lief an ihm vorbei und Kai beschloss sich das für den nächsten Drachen zu merken. Er versuchte wach zu bleiben, aber die Erschöpfung war zu groß. Kai fiel in den Sand und schlief ein. Plötzlich - er hatte nicht lange geschlafen - ließ ein Geräusch ihn auffahren. Er stand auf und lauschte. Das Geräusch ertönte erneut. Zielsicher lief er in die Richtung aus der das Geräusch gekommen war. Kai kletterte über einige kleinere Felsen und sah in ein großes Tal, das wie ein Urwald aussah. Tausende von Bäumen schienen hier zu stehen und einige tropische Vögel machten die Geräusche, die Kai aufgeweckt hatten. Inmitten des Waldes stand der nächste Tempel. Er leuchtete geheimnisvoll und Kai starrte fassungslos auf das Gebäude. Er war so fasziniert von dem Tempel, dass er nicht merkte wie die Steine sich unter seinen Füßen zu lösen begannen. Plötzlich spürte Kai, wie er abzurutschen begann. Ein Aufschrei entfuhr ihm und er stürzte den langen, steilen Abhang hinunter. Die Felsen schienen seine Knochen zu brechen und nach fünf schmerzvollen Sekunden lag Kai auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. Kapitel 8: Der letzte Götterdrachen ----------------------------------- Kai öffnete seine Augen und sah in das Gesicht eines seltsamen Tieres, das er noch nie zuvor gesehen hatte. Mit einem Aufschrei fuhr er auf und erschrocken rannte das vogelähnliche Geschöpf in den Wald hinein. Nach seinem ersten Schreck betastete Kai seine Knochen. Nichts war gebrochen oder tat gar noch weh. Seine Hosenbeine waren jedoch zerrissen und sein rechter Ärmel fehlte. Aber seltsam war, dass keine Wunden zu sehen waren. Kai schrie, gefrustet über sein Hiersein in einem Tal ohne sichtbaren Ausgang, auf. Einige Vögel flogen erschrocken aus den Bäumen, aber die seltsame Geräuschkette brach nicht ab. Es hörte sich an, als ob etwas wirklich Großes durch den Wald lief. Kai wischte sich den Staub von der übrig geblieben Kleidung und sah sich danach seufzend nach einem Eingang in den dicht gewachsenen Dschungel um. >>Wie komme ich da nur rein?<< Ein kleiner, bunter Vogel landete auf einem kleinen Ast, der direkt aus dem Fels wuchs. Der Vogel sah Kai aus großen moosgrünen Augen an und fragte: >>Du willst in den Wald?<< Kai erschrak und fuhr herum. Als er den Vogel bemerkte fragte er: >>Du kannst sprechen?<< >>Natürlich. Haben deine Eltern dir denn nichts beigebracht?<< >>Ich habe keine Eltern.<< >>Dann musst du der Göttliche sein. Komm mit. Ich werde dir alles auf den Weg zum Tempel erzählen.<< >>Ähm... okay.<< Der Vogel flog vor Kai in den Wald hinein und begann dem ihm Folgenden zu erzählen: >>Ich erkläre dir erst einmal, warum die Tiere sprechen können. Im Jahr 2698 begann der vierte Weltkrieg. Die Menschen auf der ganzen Welt bekämpften sich und dann probierten sie eine neue magische Waffe aus. Die Magie war damals noch ziemlich jung und man konnte nichts gegen die Auswirkungen dieser Waffe tun. Sie probierten die Waffe an einem kleinen Land namens Japan aus. Eben dieses Land, das in eine Wüste verwandelt wurde. Dieser Wald zeigt dir die Instabilität dieser Magiewirkung, denn der Krater entstand beim Einschlag der Magiebombe. Die Energie die danach von diesem Land ausging, zog mächtige Meteoriten an, die Menschen fast völlig auslöschten. Die Drachen und Halbdrachen, die seit den frühen Zeiten in der Erde ruhten, erwachten und nahmen ihre Stellung auf der Erde ein. Durch den Einfluss dieser Energie können alle Tiere auf der Erde nun auch sprechen, wenn sie es wollen. Und sie leben ewig. Viele sind sogar grün geworden oder haben andere Farben angenommen, so wie ich.<< >>Was hat es mit diesem Göttlichen auf sich?<< >>In der Legende der Drachen heißt es, dass der Gott Ladon, der die Erde erschuf, zur Erde stieg, um den Menschen die Liebe näher zu bringen. Er und die anderen sieben Krieger versagten allerdings und starben. Wenn jedoch die dunkelste Stunde der Drachen schlägt, wird der Göttliche wiederkehren und sein gleißendes Licht über die Welt erstrahlen lassen.<< >>Was bedeutet das?<< >>Das bedeutet, dass du der Göttliche bist und mit dem Licht deines Herzens die Dunkelheit vertreiben wirst. Verstehst du Kai?<< Kai nickte zögerlich. >>Und was soll ich tun?<< >>Du wirst erst mal deine gesamte Macht zurückbekommen und dann wirst du nach Drakani reisen, um die anderen Lords aufzusuchen.<< >>Lords? Kann es sein, dass das die wiedergeborenen Krieger sind?<< >>Sehr richtig. Gut kombiniert. Willst du noch etwas wissen?<< >>Ja. Menschen bekämpfen die Halbdrachen doch oder? Warum tun sie das? Die Halbdrachen haben ihnen doch überhaupt nichts getan.<< Der Vogel sah nachdenklich geradeaus und antwortete zögernd: >>Die Menschen fürchten die Macht der Halbdrachen. Sie haben Angst, dass die Drachen sie eines Tages töten.<< >>Würden sie das denn tun?<< >>Aber nein. Drachen und Halbdrachen sind im Prinzip friedvolle Wesen. Sie kämpfen nur, wenn es unbedingt nötig ist.<< Kai konnte es sich nicht erklären, aber plötzlich war der Vogel ohne ein Geräusch verschwunden. Kai sah sich um und rief: >>Hallo?! He, Vogel, wo bist du?!<< Der Vogel antwortete nicht. Nur die normalen Geräuschen des Urwaldes waren zu hören. Plötzlich ertönte ein Klappern. Kai sprang erschrocken in die Luft und rannte in den Wald ohne sich umzusehen. Nach drei Minuten blieb er stehen. Ein Bach schlängelte sich vor ihm durch das Unterholz und kleine Fische und Kaulquappen schwammen darin. Kai beugte sich darüber und sah genauer hinein. Die Fische waren silbrig bis hellgrün, aber das Licht, das auf ihren Schuppen schimmerte, ließ die Fische in wunderschönem Glanz erstrahlen. Auf einmal erklang wieder dieses Klappern, aber diesmal drehte Kai sich um, um zu sehen, was hinter ihm stand. Das Geschöpf, das Kai aufgeweckt hatte stand hinter ihm und sah ihn fragend an. >>Äh... hallo.<<, sagte Kai schüchtern und nahe der Versuchung wieder wegzurennen. Das Wesen klapperte wieder mit dem Schnabel, aber sagte nichts. Es hatte ein rosa Gefieder, lange schwarze Beine, einen langen blutroten Schnabel und kluge moosgrüne Augen. Sein Schwanz hatte prächtige bunte Federn, die sich unablässig auf und ab bewegten. >>Raah!<<, rief das Wesen. >>Raah?<<, wiederholte Kai verdutzt. >>Ja, kannst du nicht sprechen?<< >>Raah!<< >>Anscheinend nicht.<< Kai ließ sich auf den Boden fallen, um nachzudenken, wie es weitergehen sollte. >>Kraah! Rah!<< >>Was ist denn?<<, fragte Kai verwirrt. Das Wesen lief den Fluss hinunter und sah Kai auffordernd an. Es wollte, dass Kai ihm folgte. Er verstand und folgte dem Wesen. >>Was bist du überhaupt?<< Das Wesen lief vor ihm her und antwortete nicht. Nach zwanzig Schritten blieb es stehen und zeigte mit dem langen Schnabel auf einen Baumstamm, der über den Fluss führte. >>Danke.<<, sagte Kai. Das Wesen blinzelte spielerisch mit den Augen. Kai lächelte müde und lief über den Stamm. Das seltsame Wesen folgte ihm weiterhin tapsig. Kai beachtete es nicht weiter und folgte dem Pfad. Nach weiteren zwanzig schritten lachte plötzlich ein Vogel über ihm und er sah auf. Es war der Führervogel von vorhin, der auf dem Ast über ihn lachte. >>Was ist so komisch?<<, fragte Kai. >>Das, was da hinter dir herläuft ist eine mutierte Mischung aus einem Flamingo und einem Pfau. Ein so genannter Pfaumingo. Es ist ein Weibchen und sie scheint in dich verliebt zu sein.<< >>Was?!<< Der Pfaumingo blinzelte wieder spielerisch, aber Kai ignorierte es und fragte den Vogel: >>Wohin bist du eigentlich vorher verschwunden?<< >>Hatte was Wichtiges zu tun. Der Götterdrache erwartet dich bereits. Komm mit mir.<< Der Vogel flog los und Kai folgte ihm. Nach kurzem Zögern kam auch der Pfaumingo nach. Alle drei schwiegen und folgten dem Pfad vor sich. Knapp vierzig Schritte später erhob sich der Tempel von einer Lichtung. Das geheimnisvolle Licht war immer noch zu sehen, obwohl die Sonne schon weit oben am Himmel stand. >>Wir sind da.<<, sagte der Vogel. >>Raah!<< Kai nickte. >>Da muss ich also rein?<< >>Ja. Dort drinnen lebt der letzte Götterdrache. Viel Glück für dich.<< >>Danke.<< Der Pfaumingo klapperte noch einmal mit dem Schnabel und blinzelte traurig. Kai sah es lächelnd an und ging auf die Tempeltreppe zu. Es waren nicht viele Stufen, aber jede war fast so hoch, wie Kai selbst. Mühsam zog er sich die erste Stufe nach oben und blieb erst einmal sitzen. >>Ich hasse Treppen. Besonders solche.<< Er stand auf und zog sich die nächste Stufe nach oben. So ging es zehn Stufen weiter, bis Kai vor dem Eingang stand. Er betrat den Tempel. Tonscherben und ausgerissene Buchseiten lagen im Halbdunkel. Kai hob eine der Seiten hoch und las: >>Öffne mir die Augen, dass ich sehe / die Wunder an deinem Gesetz. Ich bin ein Gast auf Erden; / verbirg Deine Gebote nicht vor mir.<< Kai bückte sich noch einmal und hob noch eine Seite auf. Sie schien aus einem Tagebuch zu stammen und Blut befleckte sie. >>Viel Zeit bleibt mir nicht mehr. Die Menschen werden bald kommen; wir können das Siegel nicht mehr lange halten. Aber wir werden Lord Nelon so lange wie möglich beschützen und hoffen, dass unser Lord sein Schild in der Zeit aufbauen kann. Er und der Göttliche sind die letzte Hoffnung für diesen zum Untergang verurteilten Planeten und seine Rasse. Dumme, dumme Menschen...<< Kai ließ die Seite, die ihm einen Schauer über den Rücken jagte, fallen und betrat den nächsten Raum, wo er schockiert stehenblieb. Blut bedeckte die Wände und etliche Skelette in Rüstungen lagen hier. Äxte, Pfeile und verrostete Schwerter steckten in den Wänden und im Boden. Die Luft war stickig und verfault. Kai überkam ein Würgreiz und er lief wieder zur Tür, die nach draußen führte. Er sah über die Baumwipfel zur Kraterwand an der runtergefallen war und wunderte sich, dass er diesen Sturz unverletzt überstanden hatte. Aber dann fiel ihm wieder ein, dass er der Göttliche war und etwas Praktisches musste das ja haben. Ein Geräusch ertönte. Kai drehte sich um. Ein hochgewachsener Mann in einer weißen Uniform und weißen Haaren stand hinter ihm und sah ihn unverwandt an. >>Wer bist du?<<, fragte Kai. >>Ich bin alles - und nichts. Ich bin ein Halbdrache und der letzte Götterdrache.<<, erwiderte der Mann. >>Ich bin Nelon.<< >>Du siehst anders aus, als die anderen.<<, sagte Kai gedankenvoll. >>Wie ich bereits sagte, bin ich ein Halbdrache. Meine Aufgabe war es auf Euch zu warten, Lord. Ich werde Euch mein Wissen und meine Macht geben und dann in die nächste Welt reisen.<< >>Wie meinst du das?<<, fragte Kai. >>Ich starb theoretisch schon vor über zweihundert Jahren, aber ich durfte solange leben, bis Ihr kommt, mein Lord und meine Macht übernehmt.<< >>War es nicht schwierig hier ganz allein zu leben - mit all den Toten?<< >>Ja. Manchmal schon. Aber man gewöhnt sich daran.<< >>Der Vogel sagte, ich soll die anderen Lords suchen, aber was hat es damit auf sich?<< >>Die jetzigen Lords sind die Reinkarnationen der damaligen Krieger. Sie hatten außergewöhnliche Fähigkeiten, weil sie die Götter der Elemente waren. Weil sie außerdem mehrere Armeen gegen das Böse führten wurden sie Lords genannt. Versteht Ihr, mein Lord?<< Kai nickte. >>Ich glaube schon.<< >>Gut. Ich werde Euch nun meine Macht geben. Passt auf.<< Ein Licht ging von Nelons Stirn aus und traf auf Kais Stirn auf. Er wuchs weiter und ein weißer Schlangendrachen, der sich in den Schwanz biss, erschien auf seiner Stirn. Nelon sank in die Knie und Kai bekam die selbe Uniform. >>Was ist los?<<, fragte er und wunderte sich über seine Stimme, die nun einiges tiefer klang. >>Mein Lord, Ihr seid in das Stadium eines Erwachsenen eingetreten. Ihr müsst mir nun genau zuhören: Geht von hier aus nach Westen. Dort gibt es einen Menschenhafen. Lasst Euch zum westlichen Kontinent bringen und geht dann nach Norden ins Drachenreich Drakani, um den Drachenkaiser zu treffen. Bitte, mein Lord, Ihr seid unsere letzte Hoffnung. Wir alle zählen auf Euch.<< Nelon stürzte vorüber und löste sich in kleine blassgrüne Funken auf. Kai schlug traurig die Augen nieder und trat wieder in die Tür. Wie sollte er aus diesem Tal bloß je wieder herauskommen? Als Antwort auf seine unausgesprochene Frage erschien ein fliegender Teufelsrochen neben ihm. >>Ein Manta? Warum nicht? Hauptsache er kann fliegen.<< Kai stieg auf den Rücken des stillen Mantas und der Teufelsrochen erhob sich in die Luft und flog davon. Kai wusste nicht warum oder gar wie er es erklären sollte, aber er war sich sicher, dass noch gewaltige Probleme vor ihm lagen. Besonders weil Ignis ihn immer noch jagte. Plötzlich fiel sein Blick auf seine Hände und erblickte den goldenen Ring an seinem Ringfinger. Ein blassgrüner Stein war darin eingefasst und seltsame Schriftzeichen waren darauf abgebildet. Kai lächelte. Nun sah er optimistisch in die Zukunft und versuchte sich auszumalen wie der westliche Kontinent wohl aussah, während der Manta über die schier endlose Wüste nach Westen flog. Kapitel 9: Die Höhle des blauen Eises ------------------------------------- Lionheart rüttelte sanft an Ryus Schulter und rief: >>Kaiser Ryu, Kaiser Ryu! Wacht auf!<< Ryu öffnete seine Augen und sah sich verwirrt um. >>Uummm, ... ich habe von dem Göttlichen geträumt. Er war im ehemaligen Japan, westlich von hier.<< >>Der Göttliche? Nun, Kaiser, ich habe keine Ahnung wovon Ihr redet. Wir müssen weiter.<< Ryu setzte sich auf und sah sich um. >>Wo ist Sir Damian?<< >>Der Schwarzmagier? Er wollte mit Killey etwas zu trinken holen.<< Ryu stand auf und streckte sich ausgiebig, um wach zu werden. Schritte ertönten und nur kurze Zeit später standen Damian und Killey hinter Lionheart, der sich erschrocken umdrehte. >>Oh! Hi, Sir McLirell! Ich, äh, muss mal schnell weg. Bis gleich!<< Fluchtartig rannte Lionheart davon und verschwand aus Ryus Sicht. Damian setzte sich neben Ryu und fragte: >>Warum ist Eure Schwester eigentlich von zu Hause fortgegangen? Ich könnte mir vorstellen, dass das Leben im Palast sehr angenehm ist.<< >>Ich denke, das ihr ihr jetziges Leben besser gefällt. Sie war schon immer jemand, der Abenteuer liebte. Ich kann es ihr nicht verübeln. Das Leben im Palast ist anstrengender, als man denkt. Glaubt mir, Sir Damian. Man muss immer darauf achten was man sagt, was man trägt, was man tut, wie man sich benimmt und daran denken, dass keine Gerüchte über einen entstehen. Wirklich hart.<< Damian sah Ryu an und sagte nichts. Ryu versuchte an nichts zu denken und starrte in die Asche des letzten Abend. Killey sah zwischen Ryu und Damian hin und her. Er winselte leise. >>Mein Kaiser, vielleicht sollte ich diese Frage nicht stellen, aber: mögt Ihr das Leben, das Ihr führt?<< Ryu schwieg und als seine Rettung tauchte Lionheart plötzlich atemlos vor ihm auf. >>Kaiser Ryu, ... ich, ich habe den blauen Drachen gefunden!<< Ryu und Damian sprangen auf. Ryu fragte aufgeregt: >>Wo?<<, und Damian fragte fassungslos: >>Wie?<< >>Weiter drüben im Süden. Dort ist eine Höhle, vor der viele Menschen stehen. Ich habe gehört wie sie über den blauen Eisdrachen geredet haben.<<, beantwortete Lionheart beide Fragen. Damian nickte. >>Stimmt ja. Dort ist die Höhle des blauen Eises. Es heißt, dass ein Drache für das ewige Eis verantwortlich ist - und dass ein Geist dort herumspukt.<< Lionheart wurde wieder leichenblass. >>Ein G-Geist?<< Damian nickte erneut. >>Aber es ist nur ein Gerücht. Wer glaubt denn noch an Geister?<< >>I-ich nicht.<<, sagte Lionheart mit einem deutlichen Zittern in der Stimme. Ryu grinste und Damian lächelte ein bisschen. Lionheart drehte sich auf dem Absatz um und rief: >>Gehen wir! Ich weiß wo es lang geht! Mir nach!<< Lionheart lief eilig los und Damian meinte schulterzuckend: >>Wenn es ihm Spaß macht. Gehen wir, Kaiser Ryu?<< Ryu nickte und lief mit Damian los. *** Kai konnte endlich die kleine Hafenstadt entdecken von der Nelon gesprochen hatte. Der Manta landete, so dass Kai absteigen konnte und dann flog der Teufelsrochen zurück zum Urwald. Kai seufzte und lief der Stadt entgegen. Langsam war er es leid immer allein zu reisen. Er betrat die Stadt und sah sich um. Viele Leute (besonders Matrosen) waren in dieser Stadt versammelt und liefen geschäftig auf der breiten Straße umher, die zur Anlegestelle führte. Marktschreier hatten zu beiden Seiten ihre Stände aufgebaut und priesen lautstark ihre Produkte an. Kai lief langsam die Straße entlang und sah sich fasziniert um. Er war noch nie unter so vielen Menschen gewesen - und genau diese Tatsache war es, die ihn störte: es waren alles richtige Menschen! Er roch es, sah es in ihren kalten Augen und konnte gleichzeitig die Kälte fühlen, die von ihnen ausging. Plötzlich fühlte er sich unter all diesen Menschen allein und wünschte sich möglichst schnell hier herauszukommen. Einige Menschen sahen Kais Uniform finster an und schauten schnell wieder weg. Kai kümmerte sich nicht darum und lief stur weiter. Er kam am Hafen an und sah sich nach einem Schiff um. Ein großer Dreimaster lag als einziges Schiff im Hafen. Auf seinem Rumpf stand >Lousinia<. Kai ging auf den Kapitän des Schiffes zu, der in einer blauen Uniform neben dem Schiff stand und eine Liste abhakte, auf der scheinbar Passagiere und Waren, die zu verladen waren, standen. >>Entschuldigung?<<, sagte Kai. Der Kapitän sah ärgerlich auf und baffte: >>Was ist, Grünschnabel?<< Kai zuckte zurück, fing sich wieder und sagte: >>Ich wollte auf den westlichen Kontinent und da...<< >> ... und da dachtest du, du könntest hier einfach anspaziert kommen, ne?<<, fiel der Kapitän ihm ins Wort. >>Hast du wenigstens Gold?<< Kai schüttelte bedauernd den Kopf. >>Dann können wir dich auch nicht mitnehmen. Aber du siehst kräftig aus. Wir könnten noch einen Schiffsjungen gebrauchen. Wie wär's damit?<< Kai nickte heftig. >>Klar! Würde ich auch machen!<< Der Kapitän grinste verstohlen. >>Gut, dass wir erst morgen auslaufen. Heute nacht wirst du den Matrosentest machen. Du wirst die ganze Nacht im Laderaum des Schiffes verbringen.<< >>Hmm. Okay.<<, sagte Kai zögernd. Der Kapitän übergab die Liste einem Matrosen und führte Kai in den großen Laderaum des Schiffes. Ein kalter Luftzug wehte hier durch und ließ Kai frösteln. Der Kapitän machte eine ausschweifende Handbewegung und sagte spöttisch: >>Willkommen im Laderaum der >Lousinia< . Hier wirst du die Nacht verbringen. Ich habe gehört, dass es hier spuken soll. Viel Spaß, Junge.<< Der Kapitän wandte sich um und wollte gehen, als Kai fragte: >>Wartet! Was soll das überhaupt bringen?<< >>Ein Matrose muss sehr tapfer sein. Wenn du die Nacht ohne einen Schrei überstehst, werde ich dich an Bord herzlich willkommen heißen.<< Bevor Kai noch etwas fragen konnte, lief der Kapitän mit eiligen Schritten davon. Kai sah sich nach einem Geist um, aber alles, was er sah waren Spinnen, Ratten und Seeläuse. Er ließ sich auf einen Strohballen fallen und murmelte: >>Geister, pah!<< Kurz darauf war er eingeschlafen. *** Ryu erkannte schon von weitem die Menschenmenge, die sich vor der Höhle versammelt hatte. Es mussten gut vier Dutzend sein, die sich aneinander drängten und drei Meter Abstand zur Höhle hielten. Ein einzelner älterer Mann stand neben dem Eingang und fragte laut: >>Warum ist niemand Manns genug reinzugehen und den Drachen zu töten?<< Niemand antwortete. >>Der blaue Drache ist da drin?<<, fragte Ryu. >>Warum wollt ihr ihn denn töten?<< Der Mann am Eingang wandte sich an Ryu und sagte barsch: >>Diese Höhle ist der einzige Weg zum südlichen Kontinent. Von dort bekamen wir jede Menge tropische Nahrungsmittel, aber seit der Drache die Höhle vor einhundert Jahren vereiste, will niemand mehr durch - und wir haben keine Touristen mehr. Jetzt haben wir eine Belohnung ausgesetzt für denjenigen, der den Drachen tötet. Stolze 6000 Goldstücke sind zusammengekommen, aber niemand will hineingehen.<< >>Wir werden hineingehen.<<, sagte Ryu entschlossen. Aufgeregtes Murmeln erklang, die Augen des Mannes weiteten sich und Lionheart tänzelte nervös umher. Damian nickte, um Ryus Worte zu bekräftigen. >>Nun, wenn ihr es so wollt, kann ich wohl schlecht nein sagen. Bitte sehr!<< Der Mann machte eine einladende Handbewegung. Ein tiefes Knurren ertönte aus der Höhle und ließ die Erde erbeben. Ryu schluckte schwer und betrat die Höhle. Blaues Eis bedeckte die Wände, in denen Ryu sich spiegeln konnte und riesige Eiszapfen hingen von der Decke. Ein kalter Schauer lief Ryu über den Rücken und nur vorsichtig lief er weiter. Etwas an dieser Höhle weckte sein Misstrauen, aber er wusste nicht, was es war. Lionheart trat neben ihn und sagte mit zitternder Stimme: >>Zum Glück haben wir keine Angst.<< Das Drachenauge piepste kurz auf. >>Du lügst.<<, erwiderte Ryu tonlos. Lionheart antwortete nicht darauf und Ryu blieb stehen. Etwas würde gleich passieren. >>Was ist los?<<, fragte Damian. Ryu registrierte die Frage nicht. Das tiefe Knurren ertönte wieder, aber diesmal mischte sich noch ein anderes Geräusch darunter: ein Knacken, als ob jemand einen Spiegel zerkratzen würde. Ryu brauchte sich nicht erst umzusehen, um zu wissen was geschah. >>Lauft!<< Ryu packte den erstarrten Lionheart am Arm und zog ihn mit sich, während Damian und Killey auf dem glatten Boden nur schwerlich rennend vorankommen. Der Erste der riesigen Eiszapfen brach ab und stürzte mit gewaltigen Lärm auf den Boden. Nach und nach begannen auch die anderen Eiszapfen abzubrechen, kleine, haarfeine Splitter schnitten schmerzhaft in Ryus Gesicht. Plötzlich stolperte er, fiel hin und schlitterte mit Lionheart an der Hand gegen eine Wand. Benommen blieb er liegen. Nur den Bruchteil einer Sekunde später hielten Damian und Killey neben den beiden. Hinter ihnen krachte der letzte Eiszapfen zu Boden. Damian setzte sich hin und sagte atemlos: >>Das war knapp. So etwas habe ich noch nie erlebt.<< >>Ich auch nicht.<<, sagte Ryu und schüttelte den starren Lionheart heftig. Er erwachte aus seiner Starre und murmelte verwirrt: >>Was? Wo bin ich?<< Er sah in Richtung Ausgang, der jedoch von den Eiszapfen verdeckt wurde. Betroffen senkte er seinen Blick und sagte leise: >>Wäre ich nur nie Leibwächter geworden. Ich hätte etwas Ungefährlicheres machen sollen, wie zum Beispiel Löwendompteur oder so.<< Ryu lächelte hastig, ob der Worte und Damian sagte besorgt: >>Kaiser Ryu, Ihr seht ja schlimm aus.<< Ryu nickte knapp, er bemerkte erst jetzt den Schmerz in seinem Gesicht und stand auf. Er wollte so schnell wie möglich aus dieser Höhle heraus, bevor noch etwas Schlimmeres geschah. >>Gehen wir weiter. Wir sollten unsere Zeit nicht so vertrödeln.<< Die anderen beiden nickten und standen ebenfalls auf. Killey gähnte und folgte der Gruppe müde. Der Gang bog links ab und eine improvisierte Treppe aus Eis führte auf eine tiefere Ebene. >>Scheint als ob uns jemand erwartet.<<, überlegte Damian laut. Ohne eine Antwort begann Ryu vorsichtig mit dem Abstieg der rutschigen Eistreppe. Die Treppe war nicht sonderlich lang, aber Ryu brauchte fünf Minuten, bis er auf dem Boden ankam. Entnervt machte er eine befehlende Handbewegung, damit Lionheart sich endlich beeilen würde. Vorsichtig setzte der Leibwächter seinen Fuß auf die erste Stufe. Als er den zweiten Fuß nachzog, verlor er das Gleichgewicht und stürzte die Treppe hinunter. Am Fuß der Treppe richtete er sich hastig wieder auf. >>Alles in Ordnung?<<, fragte Ryu. Lionheart nickte - und plötzlich standen Damian und Killey neben den beiden. Scheinbar hatten sie mit Eis doch nicht so viele Schwierigkeiten, wie Ryu gedacht hatte, aber er hatte gar nicht gemerkt, wie sie die Treppe herabgekommen waren. Damian deutete stumm den rechten Gang entlang, um zu verstehen zu geben, dass sie weitergehen sollten. Ryu nickte und folgte dem Gang, wobei er ohne Grund seine Schritte zählte. Knapp zweiunddreißig Schritte später kam die Gruppe in einen großen kuppelähnlichen Raum. Zwischen der Tür in der Ryu stand und der gegenüberliegenden Tür war ein kleiner zugefrorener See, an dessen anderem Ufer ein kleines Fischerboot festgemacht war. Ohne weiter darüber nachzudenken, lief Ryu auf den kleinen See zu. Das Drachenauge piepste heftig und Ryu verharrte in seiner Bewegung, was ihm wahrscheinlich das Leben rettete: eine Fontäne durchbrach das Eis und ein faustgroßer Klumpen landete direkt vor Ryus Füßen. So plötzlich wie die Fontäne gekommen war, verschwand sie auch wieder. Ryu sah unbewegt auf den Klumpen und lief dann weiter. Vorsichtig setzte er einen Fuß auf das Eis und als es nicht brach, lief er vorsichtig weiter. Das Drachenauge schwieg. Langsam ging er die wenigen Schritten über die weiße, spiegelblanke Fläche, während Damian und Lionheart gespannt zusahen. Ryu hielt sich immer bereit in irgendeine Richtung zu springen, falls etwas passieren sollte, aber nichts geschah. Auf der anderen Seite angekommen, atmete Ryu tief durch. Das Drachenauge begann wieder zu piepsen, als wenn ein Lord in der Nähe wäre. Ryu zog das Amulett aus seiner Tasche und öffnete das Display. Ein blauer Punkt war gar nicht weit von ihnen entfernt. Damian, Lionheart und Killey kamen schlitternd neben dem Drachenkaiser zum Stehen. Na ja, Lionheart schlitterte gegen die Wand, fiel hin und rappelte sich sofort wieder auf. Ryu überging das und sagte statt dessen: >>Der blaue Lord ist ganz in der Nähe. Aber das Drachenauge hat hier unten ziemlich lange gebraucht, um ihn aufzuspüren.<< >>Woran könnte das liegen?<<, fragte Damian. Bevor Ryu antworten konnte, rief Lionheart: >>He, seht mal da!<< Dabei deutete er in den nächsten Raum. Ryu, Damian und Killey folgten neugierig Lionhearts Hand und gingen durch die Tür. Ein etwa zwei Meter großer Eisblock stand an der Seite und darin war - >>Oh, mein Gott!<<, stieß Ryu hervor. >>Lebt er noch?<<, fragte Damian. Sie musterten den Eisblock, in dem sich ein junger Mann mit langen blauen Haaren befand. Ein Korb mit tropischen Früchten lag neben ihm. Die Früchte waren durch die große Kälte immer noch frisch. Dieser Mann war wahrscheinlich der letzte Bote des südlichen Kontinents gewesen und er hatte sein Ziel nie erreicht. >>Ich schätze, er ist schon hier seit die Höhle vereiste. Also zirka einhundert Jahre.<<, meinte Ryu sachlich und bemühte sich dabei sein Entsetzten zu unterdrücken. >>Meint Ihr er ist...?<<, begann Damian. Ryu nickte. >>Schon möglich. Wie kriegen wir ihn da raus?<< Als ob es auf diese Frage nur gewartet hätte, begann das Drachenauge plötzlich zu leuchten und schwebte vor dem Eis, das sofort zu schmelzen begann, in der Luft. Es dauerte nur zwei Minuten bis der Mann, der nun auf dem Boden kniete, zu blinzeln begann. Überrascht sah er sich um und fragte verwundert: >>Hä? Wo bin ich denn hier? Was ist passiert?<< Ryu trat einen Schritt zurück und murmelte: >>Aber das ist unmöglich. Nach so langer Zeit im Eis. Wie kann er da noch leben?<< Der Mann griff sich an den Kopf und rief: >>Ahh! Stimmt ja! Dieser blaue Drache hat mich eingefroren!<< Er stoppte in seinem Monolog und sah Ryu verwundert an. Dann sagte er so ruhig, wie es ihm möglich war: >>Verzeiht meine Manieren. Mein Name ist Lionet Andrews. Ich war auf dem Weg zum nördlichen Kontinent, als da dieser Drache kam und mich einfror. Wer seid Ihr?<< Ryu sah Lionet verblüfft an und es dauerte eine Minute, bis er begriff, was Lionet von ihm wollte. >>Oh! Ich bin Ryu de Silverburgh, Kaiser der Drachen. Das ist mein Leibwächter Lionheart und das ist der Magier Damian mit seinem Schwarzwolf Killey.<< Lionet musterte Ryu nun eingehender und meinte: >>Drachenkaiser, hä? Lasst das bloß nicht den echten Drachenkaiser hören. Er würde bestimmt sauer werden.<< >>Aber...<<, begann Ryu, wurde jedoch wieder von Lionet unterbrochen: >>So wie's aussieht werde ich wohl gehen müssen. Macht's gut und danke für eure Hilfe.<< Er nahm in den Korb und lief in den Raum, in dem der See war, doch bevor er diesen erreichte rief Ryu: >>Warte! Warum kommst du nicht mit uns?<< Lionet blieb stehen und drehte sich zu ihnen um. >>Ich?<<, vergewisserte er sich. >>Aber alles, was ich kann, ist schlechte Witze erzählen.<< >>Wie wahr.<<, flüsterte Damian, der als einziger den Sarkasmus in Lionets Stimme bemerkt hatte. Ryu zuckte mit den Schultern. >>Das glaube ich nicht. Komm einfach mit uns, dann beweise ich dir, dass du noch mehr kannst.<< Lionet zögerte eine Sekunde und kam dann wieder zurück. >>Sagt mir nur eins: wieviel Zeit ist vergangen, seit ich hier bin? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es einen Drachenkaiser gab. Oder spielt Ihr mir nur einen Streich?<< >>So zirka einhundert Jahre. Warum?<< Lionet senkte den Kopf und murmelte: >>Einhundert Jahre. Dann sind die anderen schon...und sie haben mich einfach zurückgelassen. Da kann ich genauso gut mit denen hier mitgehen.<< Er nickte und beendete seinen Monolog für den sich Ryu aber doch näher interessierte. >>Wunderbar.<<, sagte Ryu. >>Kommt, suchen wir den Drachen.<< Die Gruppe lief los. Lionet fragte: >>Ihr sucht wirklich den Drachen? Wieso das?<< >>Das wirst du schon sehen.<<, erwiderte Damian trocken. Sie brauchten nicht lange zu gehen, als ein Durchgang in einen dunklen Raum erschien, aus dem das Schnaufen eines Drachen hörbar war. Lionheart schluckte. Killey legte ängstlich die Ohren an und versuchte sich hinter Damians Beinen zu verstecken. Lionet war noch bleicher geworden, als er ohnehin war. Nur Damian und Ryu sahen unberührt in die Dunkelheit, in der sie den Drachen erahnten. Ryu gab Lionet einen Stoß und sagte: >>Geh' da rein. Da drinnen werden ein Großteil deiner Fragen beantwortet.<< Lionet fing heftig an zu zittern und schüttelte trotzig den Kopf. >>Nun geh' schon.<<, sagte Damian gereizt. >>Er wird dir nichts tun.<< >>Sicher?<<, fragte Lionet zittrig. Damian und Ryu nickten. Lionet atmete noch einmal tief durch, um seinen ganzen Mut zusammenzunehmen und betrat den dunklen Raum. Kapitel 10: Der Phönixritter ---------------------------- Lionet bewegte sich langsam vorwärts. Seine Augenbrauen waren noch eisverkrustet und egal, was er tat - seine Augen gewöhnten sich einfach nicht an die undurchdringbare Dunkelheit. Das Schnaufen des Drachen hatte aufgehört und so hatte Lionet keinen Bezugspunkt mehr. Allerdings wunderte er sich, dass der Boden nicht glatt war, so wie im Rest der Höhle. Ohne jede Vorwarnung flammte plötzlich ein Licht auf, das Lionet blendete. Instinktiv hob er den Arm vor die Augen. Eine kalte Stimme, die Lionet sehr vertraut war, erklang: >>Du bist gekommen. Endlich!<< Es war die selbe Stimme, die er einhundert Jahre lang in seinen Träumen gehört hatte. Lionet senkte den Arm und sah aus zusammengekniffenen Augen der Stimme entgegen. Eine Art steinerne kleine Bühne war zu erkennen und rechts und links davon brannten zwei blaue Fackeln. Auf der steinernen Bühne war ein großer, blauer - >>Leviathan?<<, flüsterte Lionet ungläubig. Die riesige Schlange nickte. >>Ich habe dich lange erwartet. Sehr lange. Jetzt ist die Zeit gekommen, dass meine Macht auf dich übergeht.<< >>Wie bitte? Was soll'n das?<< >>Du wirst es bald verstehen. Nimm den Stein der Reinheit und kämpfe mit den anderen Lords gegen Melzesas Diener, damit die Machenschaften des dunklen Menschenkönigs Luke und des bösen Fürsten nicht fruchten können. Beeile dich nun, um Lord Ryu zu helfen.<< Während des Gesprächs war der goldene Ring mit dem blauen Stein erschienen. Der Leviathan verschwand, aber das ungewohnte Licht blieb. Gedankenvoll drehte sich Lionet um und ging zurück zu den anderen, die vor dem Durchgang warteten. Ryu und Damian sahen Lionet schon entgegen und als sie den blauen Stein erblickten, wussten sie bereits was passiert war. Lionet erzählte hastig, was der Drache gesagt hatte. Ryu nickte verstehend und sah wieder auf das Display des Drachenauges. Ein roter Punkt war in der Mitte des südlichen Kontinents zu sehen und ein weiterer Blick sagte Ryu, dass sie sich schon direkt unter Afrika aufhielten. Sie brauchten nur den Ausgang zu suchen. Ryu steckte das Amulett wieder in die Tasche und sagte: >>Okay! Gehen wir weiter.<< Die Anderen nickten und folgten Ryu durch den Gang zu einer Treppe. Seltsamerweise waren diese Stufen nicht vereist, aber schon kurz darauf merkte Ryu warum: ein warmer Wind wehte herunter, was Ryu sagte, dass der Ausgang nicht mehr weit war. Vergnügt hüpfte Ryu die Treppe hinauf - und wäre beinahe rückwärts wieder runtergefallen, als, wie aus dem Nichts eine kleine Streitaxt zwei Zentimeter vor seinem Gesicht erschien. Instinktiv trat Ryu einen Schritt zurück und legte seine rechte Hand auf den Griff seines Degens. Eine Hand erschien, die Streitaxt festhielt. Dann ein Arm, ein Brustkorb und zwei Sekunden später stand eine drahtige Gestalt in einer Mithrilrüstung vor ihnen. Nur die Haare bestanden aus feuerroten Federn, die sich über den Rücken erstreckten. Finster starrte er auf die Gruppe hinunter und stieß plötzlich die Streitaxt direkt vor Ryus Füßen in den Boden. Ryu schrie auf und sprang zurück, wobei er vergaß, dass er auf einer Treppe stand. Er kam auf der Kante an, versuchte, hilflos mit den Armen rudernd sein Gleichgewicht zu bewahren und stürzte dann doch nach hinten die Treppe hinunter. Es war so schnell passiert, dass keiner der anderen hatte reagieren können. Ryu setzte sich auf und rieb sich stöhnend den schmerzenden Hinterkopf. Die Gestalt lachte höhnisch und rief hinunter: >>Ich bin der Phönixritter! Ihr werdet es bereuen euch mit dem bösen Fürsten angelegt zu haben!<< >>Böser Fürst?<<, fragte Damian lauernd. >>Fürst Melzesa. Er hat mich hierher geschickt, um euch zu zerstören.<< >>Zerstören? Wie das klingt.<<, meinte Lionet. >>Als ob wir Gegenstände wären.<< >>Für Fürst Melzesa seid ihr nur Gegenstände, die ihm im Weg sind.<< Ryu stand auf und Lionheart fragte: >>Wo ist dieser Melzesa hergekommen?<< >>Die Frage werde ich euch beantworten, wenn ihr mich besiegt.<< Ryu und Damian stürmten zum Angriff. Der Phönixritter wich einen Schritt nach rechts, so dass Ryu und Damian durch den Schwung an ihm vorbei rannten. Doch zumindest Ryu hatte diese Reaktion erhofft, stoppte und drehte sich um. Auf dem flachen Grund war es besser zu kämpfen, als auf einer Treppe. Außerdem standen Ryu und Damian jetzt vor dem Ritter, der sich umgedreht hatte und Lionet, Killey und Lionheart standen hinter ihm. Der Phönixritter setzte ein böses Grinsen auf. Das Drachenauge piepste und das erste Mal in seinem Leben konnte Ryu das Böse fühlen. Es kroch unter seine Haut und ließ ihn erschauern. Damian spannte den Bogen und rief: >>Schwarzer Pfeil!<< und sah dem Pfeil hinterher, der auf den Ritter zuflog, der jedoch nur einen Schritt zur Seit machen musste, um der Attacke auszuweichen. Damian knirschte mit den Zähnen, als der Pfeil ein Loch in die Wand sprengte. Ryu konzentrierte einen Blitz, wusste aber jetzt schon, dass es nichts bringen würde. Lionet schien jedoch gerade seine Fassung wiederbekommen zu haben, denn plötzlich bohrten sich tausende von winzigen Eisnadeln, die man kaum sehen konnte in den Rücken des Phönixritters. Er schrie auf und drehte sich zu Lionet um. Ohne genauer darüber nachzudenken ließ Ryu den Zauber los, als er den Rücken des Ritters sah. Er schien den Zauber noch zu spüren, drehte sich aber zu langsam um: der Blitz traf ihn mitten in die Seite. Schmerzerfüllt sank der Ritter zu Boden. Damian und Ryu verließen die Kampfstellung, da sie sich ihres Sieges sicher waren. Die beiden drehten sich um und wollten zum Ausgang gehen, als das Drachenauge erneut aufpiepste. Ryu und Damian drehten sich wieder um und sprangen gerade noch rechtzeitig zur Seite, als nur eine halbe Sekunde später ein Feuervogel an ihnen vorbeischoss und in den Weiten des Himmels, jenseits des nahen Ausgangs verschwand. Lionheart packte den Phönixritter grob am Nacken, riss ihn herum und schrie zornig: >>Und jetzt beantwortest du meine Frage!<< Der Ritter nickte und sprach: >>Fürst Melzesa war einst nur ein Fantasiewesen. Entstanden aus den Gedanken eines Menschen, der Melzesas Abbild in Stein schlug. Etwa im Jahre 2004 entdeckten einige Männer die Statue von der ein Zauber ausging. Sie wurden in den Bann des Zaubers geschlagen und verehrten Melzesa, der durch die Gebete an Macht gewann. Dadurch weitete sich seine Macht und sein Bannkreis aus und immer mehr Menschen kamen zu seiner >Gemeinde< und beteten ihn an. Eines Tages - niemand weiß mehr genau in welchem Jahr - befreite sich Melzesa aus seinem Gefängnis und tötete die Menschen, die ihn verehrten, um ihre Lebensenergie zu bekommen. Fürst Melzesa schickte seine Dämonen - als Menschen verkleidet - in die Welt, um Unruhen und Konflikte zu schaffen. Das ist alles, was ich über Fürst Melzesa weiß.<< >>Und vor zweihundert Jahren wurde er erneut eingesperrt.<<, vollendete Lionheart die Geschichte. >>Und zwar von einer jungen Frau, die >aus dem Nichts kam und ins Nichts zurückkehrte<: die Göttliche.<< >>Woher wisst Ihr das?<<, fragte Ryu. >>Ich habe die Schriftrollen in der Bibliothek genau studiert. Daher...<< Ryu nickte und wandte sich wieder an den Phönixritter. >>Warum will er die Drachen töten und verbündet sich deswegen sogar mit den Menschen?<< >>In der Legende heißt es, dass der Einzige, der Fürst Melzesa einsperren kann ist der Göttliche, der im 30. Jahrhundert als Drachenmensch wiedergeboren wird. Diese Zeit ist nun gekommen und Fürst Melzesa fürchtet die Macht des Göttlichen.<< >>Und warum will er uns töten?<<, fragte Damian. >>Weiter heißt es, dass der Göttliche seine wahre Macht nur entfalten kann, wenn die sieben Lords der Elemente zusammenkommen. Meine Zeit ist vorbei. Möge das Drachenauge euch euren Weg immer erleuchten.<< Der Phönixritter kippte nach vorne und blieb regungslos liegen. Damian sah verächtlich auf den Dämon hinab und wollte etwas sagen, aber Ryu kam ihm zuvor und murmelte: >>Bei den Toten gibt es keinen Unterschied zwischen Freund oder Feind. Ruhe in Frieden.<< Er sagte es so leise, dass nur Damian und Killey es verstehen konnten. Killey winselte darauf leise und Damian glaubte, Ryu jetzt etwas besser verstehen zu können. Der junge Kaiser musste wirklich schon viel mitgemacht zu haben. Wortlos drehte Ryu sich um und lief zum Ausgang. Die Anderen folgten ihm, wobei Lionet und Lionheart einen großen Bogen um den Dämon machten. Ryu trat hinaus - und seine Augen weiteten sich erstaunt. Sie standen auf einer Art Berg und konnten den halben Kontinent, wie es schien, überblicken. >>Wow! Wahnsinn!<<, entfuhr es Lionheart. >>Schön hier, nicht wahr?<<, sagte Lionet. >>Ich bin hier aufgewachsen. Aber es hat sich ziemlich viel verändert. Wie lang, sagtet Ihr noch mal, habe ich geschlafen?<< >>So einhundert Jahre.<<, wiederholte Ryu. >>Ach, darum ist meine Uhr stehengeblieben.<< Lionheart trat einen Schritt zurück und fragte: >>Kaiser Ryu, darf ich Euch um etwas bitten?<< Ryu nickte, verwundert darüber was Lionheart wohl von ihm wollte. >>Ich würde gerne zum Palast zurückkehren und meinen Beruf als Leibwächter aufgeben. Das ist mir zu gefährlich und Ihr habt jetzt Sir McLirell und Sir Andrews an eurer Seite, also denke ich, Ihr braucht mich nicht mehr.<<, erklärte Lionheart. >>Habt Ihr Euch das auch gut überlegt?<< >>Ja, Kaiser.<< Ryu nickte. >>Wenn Ihr unbedingt wollt...<< >>Lionheart!<<, fuhr der Schwarzmagier dazwischen. Damian ging neben Killey in die Knie und fragte: >>Könntet Ihr mir einen Gefallen tun?<< Lionheart nickte leicht verwirrt. >>Ja. Welchen?<< >>Nehmt Killey mit Euch. Ich denke, dass er hier sowieso nicht mehr viel ausrichten kann. Darum will ich ihn in Sicherheit wissen.<< Lionheart nickte erleichtert. >>Klar! Mache ich gerne.<< Damian sah Killey betrübt an und sagte zu dem Wolf: >>Also, mein Junge, dann wird es jetzt Zeit, dass wir uns trennen. Ich komme so schnell als möglich nach. Geh' mit Lionheart.<< Killey winselte leise, aber ging widerstandslos mit Lionheart mit, der noch einen letzten betrübten Blick auf Ryu warf. Ryu wusste nicht warum, aber er fühlte sich, als ob er Lionheart nie wiedersehen würde - und damit sollte er Recht behalten. *** Kai wurde unsanft von einem Matrosen wachgeschüttelt. Die Nacht war vorbei und Kai hatte wunderbar geschlafen. Der Kapitän empfing ihn tatsächlich herzlich auf der Brücke und sagte anerkennend: >>Respekt! Wir haben keinen Ton von dir gehört, Junge und das heißt, dass wir dich nach Westen schippern. Ins Menschenreich Ektorn, um genau zu sein. Das ist eigentlich ein Ort, wo sich Leute, wie du nicht aufhalten sollten.<< >>Warum?<<, fragte Kai naiv. >>Na, hör mal. Immerhin trägst du eine Uniform der Drachenritter, aber wir werden schon eine Möglichkeit finden, dass du nicht getötet wirst. Anker lichten! Leinen los!<< Das Schiff setzte sich langsam in Bewegung. Die Segel bauschten sich im Wind auf und während Kai mühsam das Deck schrubbte, versuchte er sich auszumalen wie das Menschenreich Ektorn wohl aussehen würde. Der Ring glitzerte im Sonnenlicht und ließ Kai munter vor sich herpfeifen. Kapitel 11: Das Dorf am Vulkan ------------------------------ Drei Tage und zwei Nächte verbrachten Ryu, Damian und Lionet schon auf dem südlichen Kontinent, aber bei allen drei wuchs der Verdacht, dass es keine Menschen mehr auf diesem Kontinent gab. In der dritten Nacht schlief Lionet besonders früh ein. Damian und Ryu lagen einfach auf dem Rücken und sahen an den Sternenhimmel. Einzelne Wolken, die nichts Gutes verhießen zogen über den Himmel und verdeckten hin und wieder die Sterne. Müde sah Ryu hinauf und versuchte an nichts zu denken, als plötzlich das Drachenauge wieder anfing zu piepsen. Damian wandte den Kopf und sah Ryu an, der lustlos das Display öffnete. >>Es scheint, als ob der rote Lord näherkommt.<< Damian setzte sich auf und blickte in das ungewisse Dunkel, das sich jenseits ihres Lagers erstreckte und selbst Damian schaudern ließ. Plötzlich erklangen ferne Geräusche, die von etwas sehr Schnellem zu stammen schienen und näherkamen. Ryu hatte es ebenfalls gehört und auch Lionet schien wach geworden zu sein. In der Richtung aus der die Geräusche kamen war nun auch ein schwaches Licht zu sehen, das mit den Geräuschen näherkam. Nach einer Weile konnte Ryu es als Fackel erkennen und kurz darauf wurden vier Pferde sichtbar. Aber nur ein Reiter. Die anderen drei Pferde waren am Sattel des vordersten angebunden. Knapp vor ihrem Lager kamen die Pferde zum Stehen. Der Reiter trug einen Kapuzenumhang, so dass nur ein feines Kinn zu sehen war. >>Seid Ihr Kaiser Ryu de Silverburgh?<<, fragte der Reiter mit einer unnatürlich hohen Stimme. >>Ja.<<, sagte Ryu automatisch ohne über die Konsequenzen dieser Antwort nachzudenken. Immerhin könnte es ein Spion der Menschen sein, der sie zu Luke brachte, der sie wiederum hinrichten ließ. Doch diese Gedanken kamen zu spät. Das Drachenauge meinte, dass diese Person der rote Lord war, also konnte es eigentlich kein Spion sein. Der Reiter machte eine einladende Handbewegung (wobei Ryu auffiel, dass er ziemlich schmale Hände hatte) zu den Pferden hin und sagte: >>Steigt auf. Ich bringe euch zu meinem Dorf. Wir brauchen dort dringend eure Hilfe.<< Ryu nickte. Damian löste die Lederriemen der Pferde, die am Sattel befestigt waren und brachte sie wieder am richtigen Zaumzeug an. Die Drei stiegen auf (wobei Lionet einige Schwierigkeiten hatte, da er anscheinend noch so steif war, dass er auf der anderen Seite sofort wieder runterfiel. Aber nach seinem dritten Versuch saß er endlich fest im Sattel.) und ritten dem Reiter hinterher, der einen scharfen Galopp einlegte. Ryu hatte dabei deutlich weniger Probleme als Damian und Lionet, deren Pferde ab und wann bockten, aber er hatte immerhin seit acht Jahren Reitunterricht bekommen. Ryu schluckte über das ungewohnte Gelände durch das sie ritten und versuchte über seinen Traum nachzudenken, in dem er wieder einmal den Göttlichen gesehen hatte. Wenn dieser Traum wahr wäre, würde das bedeuten, dass Melzesas Häscher auch schon hinter Kai her waren - und dessen Häscher waren noch schlimmer, als die, die Ryus Gruppe verfolgten. Während Ryu überlegte was man jetzt schon für Kai tun könne, kamen sie am Dorf des Reiters an. Der Morgen dämmerte schon und kündigte sich durch einen Silberstreifen am Horizont an. Die vier stiegen ab. Lionet wäre fast wieder gestürzt und auch Damian war um einiges bleicher geworden. Ryu konnte einen großen schwarzen Schatten hinter dem Dorf erkennen, der ein Berg zu sein schien. Eine aufgeregte ältere Frau lief auf den Reiter zu, schüttelte ihn grob an den Schultern und rief: >>Lain, wo bist du schon wieder gewesen?! Wir haben schon gedacht, du hättest wieder versucht in den Vulkan zu gehen! Was machst du uns nur für einen Kummer?!<< Die Kapuze des Reiters rutschte herunter und darunter kamen lange rote Haare zum Vorschein. Der Reiter war ein Mädchen - und ein Wunderschönes dazu! Verunsichert sah sie Ryu aus dunkelroten Augen an. Ryu spürte wie er rot wurde und war froh, dass es noch ziemlich dunkel war. Schließlich festigte sich Lains Blick und entschlossen sagte sie zu der Frau: >>Mama, das ist Kaiser Ryu de Silverburgh. Ich habe ihn unterwegs gefunden, genau wie das Orakel es vorhergesagt hatte. Ich bin sicher, dass er uns helfen wird. Oder, Kaiser?<< >>Ich weiß nicht einmal worum es geht.<<, erwiderte Ryu verunsichert. >>Aber seid Ihr denn nicht wegen dem Drachen im Vulkan hier?<<, fragte Lain verblüfft. >>Drache?<< Ryu wurde zusehends zwei Zentimeter größer und sah nun fragend zwischen Lain und ihrer Mutter hin und her. >>Ich bringe Euch zum Häuptling, Kaiser.<<, sagte Lains Mutter. >>Folgt mir.<< Lains Mutter führte sie durch das Dorf. Neugierige Gesichter sahen aus den Fenstern und Türen und schienen zu glauben, dass sie schlecht sahen, als sie Ryu erblickten. Schließlich blieben sie vor der größten Hütte (als Haus konnte man keines der teils sehr seltsamen Gebilde bezeichnen) stehen. Lains Mutter klopfte kurz und energisch an die Tür und trat ohne Aufforderung ein. Ein schwaches Feuer, das im Kamin brannte erhellte den Raum dürftig, spendete jedoch Wärme. Ein großer Sessel stand vor dem Kamin und in diesem Sessel saß ein schon etwas älterer Mann. Neben ihm stand eine junge blonde Frau mit einer Kristallkugel. Sie erinnerte Ryu an Seline, hatte jedoch grüne Augen statt blaue. Wobei Ryu jedoch daran dachte, dass es für Seline (immerhin die beste Drachenmagierin, die es je gegeben hatte) kein großes Problem gewesen wäre einfach ihre Augenfarbe zu ändern. Aber von dieser Frau ging eine gewisse Kälte aus, die Ryu versicherte, dass es nicht seine geliebte Schwester war. Der Mann im Sessel sah auf und sagte ehrwürdig: >>Ich bin Ronald Emerson, der Häuptling dieses Dorfes und Lains Vater.<< >>Wobei sollen wir euch helfen?<<, fragte Ryu, um die Sache schnell auf den Punkt zu bringen. Ronald schien zusammenzuzucken und erklärte: >>In dem Vulkan, der hinter unserem Dorf steht, lebt ein Drache. Unser Orakel Jeanne - die hier neben mir steht - hat vorausgesagt, dass der Drache meine Tochter als Opfer haben will und gleichzeitig hatte Jeanne vorausgesagt, dass der Drachenkaiser zu unserer Rettung kommen wird. Wie der Zufall es so will hat meine Tochter das alles gehört und wollte in den Vulkan steigen. Nachdem wir sie zweimal davon abhielten, schnappte sie sich unbemerkt vier Pferde und ritt davon. Den Rest kennt Ihr ja.<< Jeanne trat vor und sagte: >>Meine Kugel zeigt mir die junge Lady Lain neben dem roten Drachen, umgeben von rotem Feuer.<< Die Kugel leuchtete grellrot auf und erlosch dann wieder. Lain und der Drache im Feuer? Das konnte doch nur eins bedeuten...! Ryu sah den Häuptling müde an und fragte: >>Können wir uns erst einmal ausruhen? Ich denke wir sind alle müde.<< Damian, Lionet und Lain nickten. >>Also gut.<<, sagte Ronald. >>Lain, zeige dem Kaiser und seinen Begleitern wo sie schlafen werden.<< Lain nickte erneut und bat Ryu ihr zu folgen. Sie gingen eine Treppe hinauf, die sie unter das Dach führte. Schweigend lief Lain den langen Gang hinunter, der nur spärlich erleuchtet wurde. Vor der letzten Tür blieb sie stehen und drückte sacht dagegen. Die Tür schwang nach innen auf und Ryu konnte in den Raum hinein sehen. Fünf Betten standen darin und eines war sichtbar und vorsätzlich weiter von den anderen Betten aufgestellt worden. Ein Kamin stand direkt neben der Tür, aber kein Feuer prasselte darin. Eine Dachluke führte auf einen stabilen Steinsims hinaus, der scheinbar vom Berg abgeschlagen worden war. Lain machte eine ausholende Handbewegung und sagte verbittert: >>Das ist das Gästezimmer und mein Zimmer. Mein Bett steht da, weiter abseits. Macht's euch schon mal bequem. Ich hole euch noch einen Tee. Bin gleich wieder da.<< Lain verschwand und Damian fragte: >>Was haltet Ihr von Lain, Kaiser Ryu?<< >>Sie ist schön.<<, antwortete Lionet ungefragt. Ryu ignorierte ihn und sagte: >>Das, was Jeanne erzählt hat deutet darauf hin, dass Lain der rote Lord ist.<< >>Rote Lady.<<, korrigierte Damian knapp. >>Wie auch immer. Ich denke, wir sollte vorsichtig an diese Sache rangehen und unsere Macht nur noch benutzen, wenn wir sie brauchen.<< >>Stimmt. Wahrscheinlich können die Dämonen es spüren, wenn wir unsere Macht benutzen. So konnte uns der Phönixritter vermutlich ausfindig machen.<<,stimmte Damian zu. Lionet besah sich die Betten und fragte: >>Damian, wo schläfst du?<< Damian sah ihn an, als ob er erst jetzt merken würde, dass Lionet überhaupt da war und antwortete: >>Mir egal. Hauptsache weit weg von dir.<< Lionet schien das als Scherz zu verstehen, denn er lachte und erwiderte: >>He, wir bleiben ganz lange auf, essen Kekse mit Milch - und erzählen uns Männergeschichten.<< Damian seufzte und zeigte auf Lains Bett. >>Vergiss nicht, dass Lady Lain auch noch da ist.<< >>Umso besser!<<, rief Lionet begeistert. >>Dann spielen wir Flaschendrehen!<< Damian schlug sich verzweifelt die Hand an die Stirn und schüttelte stumm den Kopf. Ryu hatte die Szene mit einiger Belustigung betrachtet. Entweder hatte das Eis Lionets Gehirn langfristig geschadet oder er war schon immer so kindisch gewesen. Ryu nahm an, dass letzteres eher der Fall war. Die Tür öffnete sich wieder und Lain kam herein. Sie trug ein Tablett auf dem vier Tassen standen, aus denen es herrlich duftete. Lain stellte das Tablett auf kleinen Tisch und sagte: >>Mein Vater möchte, dass ihr morgen in den Vulkan geht und den Drachen tötet.<< >>Hat Jeanne es so vorhergesagt?<<, fragte Ryu. >>Nein. Es ist nur der Wunsch meines Vaters. Ihr müsst ihn hassen deswegen.<< >>Aber wieso denn?<<, fragte Lionet ausnahmsweise mal ernst, aber lächelnd. Lain sah ihn erstaunt an, doch bevor sie etwas sagen konnte tat Ryu es: >>Es stimmt, dass ich der Kaiser der Drachen bin und so etwas nicht erlauben kann, aber eigentlich bin ich aus einem ganz anderen Grund hier.<< >>Und der wäre?<< >>Ich kennt doch sicher die Legende der Elementkrieger oder? Ich bin hier, um den Krieger des Feuers zu suchen und der Drache sucht ihn ebenfalls, Lady Lain.<< Lain setzte sich auf eines der Betten und fragte: >>Und was macht der Drache, wenn er den Krieger gefunden hat? Was geschieht dann?<< >>Dann bekommt der Krieger die Macht des Drachen - und das war's.<< >>Was geschieht mit dem Drachen?<< >>Ich weiß es nicht genau. Er schläft und beobachtet wie es weitergeht. Glaube ich.<< Lain war bleich geworden und schaukelte mit dem Oberkörper sanft vor und zurück. Lionet stand auf. >>Ist alles in Ordnung?<< Lain fasste sich wieder und sprang hastig auf. >>Ja, alles klar!<<, rief sie. >>Wie dumm von mir! Wollt ihr jetzt euren Tee trinken?<< *** Der Sturm wurde immer heftiger. Kai wurde wieder gegen die Wand geworfen und ging dann unter Schmerzen weiter. Eigentlich hätten sie am nächsten Tag eintreffen müssen, aber der Sturm erschwerte die Fahrt und trieb nicht nur Kai den Schweiß auf die Stirn. Der Großteil der Besatzung lehnte über der Reling und übergab sich heftig. Kai war ebenfalls auf dem Weg zum Deck, um den Matrosen einige Tabletten gegen Übelkeit zu bringen. Kai öffnete die Tür zum Deck und hielt sich gerade noch am Türrahmen fest, bevor der Wind ihn packen und wegschleudern konnte. Mühsam und langsam kämpfte sich Kai über das glitschige und dunkle Deck an die Reling - aber niemand war zu sehen. Ärger stieg in Kai auf. Immerhin hatte er sich auf den gefährlichen Weg gemacht, um den Matrosen zu helfen und nun schien es, als wären sie alle wieder gesund unter Deck. >>HALLO?!<<, schrie Kai so laut er konnte, aber das Tosen des Sturms verschluckte seine Worte. Vorsichtig wollte er sich umdrehen, als er aus den Augenwinkeln etwas im Wasser entdeckte. Er sah genauer hinein und sah es wieder. Ein gelbes Licht erstrahlte sekundenlang im Wasser, verschwand und erstrahlte von neuem. >>Was ist das?<<, flüsterte Kai entsetzt. Plötzlich stieß etwas gegen das Boot. Kai, der darauf nicht gefasst war, stürzte auf das Deck und rutschte die Reling entlang, bis er ein Seil zu fassen bekam. Er stand auf und unterdrückte einen Schmerzensschrei. Das Schiff hatte sich gefährlich zur Seite geneigt und Kai vermutete, dass der Stoß ein Leck verursacht hatte. Wieder stieß etwas gegen das Schiff, aber diesmal auf der Seite auf der Kai stand. Er klammerte sich an die Reling und verhinderte einen erneuten Sturz. Es dauerte nur drei Sekunden bis das Schiff wieder gerade fuhr, aber Kai war sich sicher, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis das Schiff untergegangen war. Plötzlich - später konnte Kai nicht mehr sagen woran es gelegen hatte - hörte das Tosen des Sturmes auf. Aber nur das Geräusch verstarb; der Sturm tobte weiter. Ein Knacken ertönte und Kai drehte sich um. Eine Person stand hinter ihm, aber er konnte nicht erkennen um wen es sich handelte. Er sah, nein fühlte, wie die Person lächelte und die rechte Hand zum Gruß hob. Kai sah die Gestalt verwirrt an, bis er bemerkte, dass der Gruß gar nicht ihm galt. Eine riesige Schlange reckte den Kopf aus dem Wasser und schien nur auf diesen Augenblick gewartet zu haben: die Schlange zischelte und ließ sich dann einfach auf das Schiff fallen. Kai schüttelte verzweifelt den Kopf. >>Nein. Bitte nicht!<< Das Schiff zerbarst wie ein Streichholz und Kai schien es später wie ein Wunder, dass der Kapitän und einige Reisende fast unbeschadet davonkamen. Kai wurde hochgeschleudert und traf hart auf der Wasseroberfläche auf. Er merkte, wie ihm das Bewusstsein zu entgleiten drohte und versuchte wieder nach oben zu schwimmen, aber weder seine Arme noch seine Beine gehorchten ihm. Langsam sank er tiefer und um ihn wurde es immer dunkler, bis er in der völlige Finsternis der Bewusstlosigkeit versunken war. *** Ryu, Damian und Lionet hatten den ganzen Tag geschlafen. Mitten in der Nacht wachte Ryu auf und sah, dass Lains Bett leer war. Er stand auf und trat lautlos an die Dachluke. Lain saß auf dem Steinsims und sah nachdenklich in den Himmel, der in dieser Nacht von Millionen von Sternen geschmückt zu sein schien. Umständlich kletterte Ryu auf den Sims und sah ebenfalls in den Himmel. Lain wandte den Kopf und musterte Ryu. Er sah sie nun ebenfalls wortlos an. Die Sterne spiegelten sich im oberen Teil ihrer Augen. Der Rest wurde von ihm und dem Vulkan eingenommen. >>Was ist los?<<, fragte Ryu verlegen. >>Nichts besonderes. Hattest du schon einmal das Gefühl, dass dir etwas Großes bevorsteht?<< Sie war zum >Du< übergegangen, was ihr wahrscheinlich nicht einmal bewusst war. Ryu überlegte und schüttelte den Kopf. >>Ich schon.<<, fuhr Lain fort. >>Du weißt ja, dass mein Vater der Häuptling dieses Dorfes ist; ich sollte eines Tages den stärksten Krieger dieses Dorfes heiraten, damit dieser der neue Häuptling werden könne. Ich hatte mich auch damit abgefunden, aber seit einiger Zeit habe ich das Gefühl zu etwas Höherem berufen zu sein - und wenn es nur das sei, meine große Liebe zu finden.<< Sie lächelte, aber etwas trübte weiterhin ihre Augen. Das Drachenauge piepste, um Ryu erneut zu sagen, dass diese Person die rote Lady war, aber Ryu ignorierte es und Lain war so in ihre Gedanken versunken, dass sie es nicht bemerkte. >>Und irgendwie habe ich Angst.<<, sagte Lain. >>Angst?<<, fragte Ryu. >>Wovor?<< >>Der Drache in diesem Vulkan... vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber er ... ruft mich.<< Ryu fuhr überrascht zurück und Lain schüttelte hastig den Kopf, um unbemerkt die Tränen von ihrem Gesicht zu bekommen. >>Ich weiß, dass es Schwachsinn ist.<< Ryu schüttelte ebenfalls den Kopf und wollte etwas sagen, aber plötzlich erklang eine schwache Stimme. >>Lai...n...Emer...son... Lain...Emers...on... Lain Emerson... Lady Lain Emerson!<< Die Stimme sagte nur Lains Namen, aber bei jedem Mal wurde die Stimme fester und lauter. Lain hielt sich die Ohren zu, doch jeder im Dorf war inzwischen wach geworden. Damian kam an die Luke und fragte: >>Kaiser Ryu, ist etwas passiert?<< Ryu wandte den Kopf und sah Damian an. Aber er sah ihn nicht wirklich an; sein Blick ging durch Damian hindurch und fixierte den Boden. Lionet trat neben Damian und fragte schläfrig: >>Is' was?<< Plötzlich bemerkte er Ryus starren Blick, der ihn unwillkürlich schaudern ließ. Ryu öffnete seinen Mund und keuchte: >>Der, der Drache ... er ruft Lain.<< Kapitel 12: Die rote Lady ------------------------- Lain und Ryu hatten sich wieder einigermaßen beruhigt; als ungefähr die Hälfte der Dorfbewohner sich in das Zimmer des Häuptlings drängten. Lain saß bleich und abwesend auf dem harten Sofa, das in diesem Zimmer stand. Der Drache war verstummt; scheinbar wissend, was als nächstes geschehen würde. Ryu saß neben Lain, starrte auf das Drachenauge und versuchte den Lärm der Menge zu vergessen. Er selbst war in einem tranceähnlichen Zustand verfallen, als der Drache gerufen hatte und versuchte nun zu ergründen warum es ihm geschehen war - und aus irgendeinem Grund glaubte er, dass das Drachenauge diese Frage beantworten konnte. Schwachsinn!, dachte Ryu plötzlich. Das Drachenauge besteht nur aus Gold, Eisen und Kabeln. Aber konnte da nicht noch mehr sein? Immerhin erkannte es Lügen (vielleicht reagierte es nur auf die Nervosität der Stimmlage), konnte Gefahren erkennen (vielleicht hörte es unterbewusste Geräusche einfach besser) und konnte die wiedergeborenen Kämpfer finden (das könnte an einem Sensor liegen). Der Häuptling bat um Ruhe und Ryu blickte auf. Eine lange Pause entstand. Dann sprach der Häuptling: >>Da Kaiser Ryu nun da ist, möchte ich ihm meine Bitte vortragen.<< Er wandte sich an Ryu und fragte: >>Würdet Ihr in den Vulkan gehen und den Drachen für uns töten?<< Ryu zögerte. Lain hatte ihren Blick auf ihn gerichtet und auch Damian und Lionet sahen ihn an. >>Nun ja, wir werden reingehen, aber nur unter einer Bedingung.<< Ryu legte eine Pause ein und sah Lain an. Sie sah durch ihn hindurch, Sie war immer noch völlig verstört. Könnte dieses Mädchen wirklich...? >>Und die wäre?<<, fragte der Häuptling ungeduldig. Ryu sah ihn kühl an und antwortete: >>Ich möchte Lain mit hinein nehmen.<< >>Was sagt Ihr da?!<< Der Häuptling war aufgesprungen. Lains Augen hatten sich entsetzt geweitet und endlich nahm sie Ryu wieder wahr. Ryu erwiderte ihren Blick und dachte über seine Worte nach. Warum wollte er Lain - dieses verstörte, kleine Wesen neben ihm - überhaupt mitnehmen? Gab es einen Grund dafür? Ja, dachte er. Natürlich gab es einen Grund. Und vielleicht war es sexistisch von ihm, aber er wollte beweisen, dass sie nicht zu den Kämpfern gehört haben konnte - denn sie war ein Mädchen und in keinen Unterlagen wurde erwähnt, dass einer der Kämpfer eine Frau gewesen war. Jemand riss Ryu im wahrsten Sinne des Wortes aus seinen Gedanken, indem er ihn am Kragen hochzog und ihn einige Zentimeter über dem Boden schweben ließ. Damian wollte dazwischen gehen, aber noch bevor er zwei Schritte machen konnte, stand Lain auf und sagte ruhig: >>Lass ihn runter, Lee. Ich werde mitgehen.<< Das ganze Dorf sah sie verstört an. Auch Lee, der Ryu erst runterließ, als dieser sich laut räusperte. >>Aber, Lain, warum...?<<, begann ihre Mutter, aber Lain unterbrach sie: >>Der Drache ruft mich - und mit Kaiser Ryu und seinen Begleitern bin ich bereit diesem Ruf zu folgen.<< Jeanne hob ihre rotglühende Kristallkugel und prophezeite: >>Ich muss Euch warnen, Lady Lain. Ich sehe Euch wieder in meiner Kugel - umgeben von einem Meer aus Flammen.<< >>Mehr zeigt Eure Kugel nicht, Jeanne?<<, fragte Damian plötzlich spottend. Alle Augen richteten sich auf ihn und lauernd fuhr er fort: >>Wenn diese Scherbe Euch nicht mehr zeigt, als dieses Flammenmeer, dann seid Ihr nicht ein halb so gutes Orakel, wie wir alle denken. Jeanne sah Damian an und ihre Augen blitzten wütend auf. >>Könnt Ihr es etwa besser?<<, fauchte sie. Damian zog spöttisch die Mundwinkel nach oben und erwiderte kühl: >>Ich brauche keine Glaskugel, um zu wissen, was der Drache mit Lain vorhat. Sie wird von dem Drachen gerufen, weil sie die Wiedergeburt einer Legende ist und alles, was der Drache will, ist ihr dieses Wissen, welches sie damals hatte, zurückzugeben. Davon bin ich überzeugt.<< Alle - selbst Ryu - sahen Damian fassungslos an. Gleichwohl Ryu das aus einem anderen Grund tat: er hatte Damian noch nie in der kurzen Zeit soviel und in diesem Ton reden gehört. Damian lächelte überlegen, während Jeanne wütend die Arme vor ihrer Brust verschränkte. Der Häuptling sah ihn eingeschüchtert an und murmelte kleinlaut: >>Okay, Lain. Aber sei vorsichtig.<< Lain nickte. >>Kommt, Kaiser Ryu. Ich zeige Euch den Weg in den Vulkan hinein.<< *** Kai schlug die Augen auf und sah an die Strohdecke des Hauses. Wie war er hierher gekommen? Das Letzte woran er sich erinnerte war, dass er im Meer versunken war. Leise Stimmen flüsterten etwas, das Kai nicht verstehen konnte. Etwas Warmes berührte seine rechte Hand und unwillkürlich schreckte er zurück. Ein Hund winselte leise und zog die Aufmerksamkeit der Stimme auf sich, die näher kam. >>Was ist los, Mickey?<< Der Hund knurrte bedrohlich, als das Mädchen neben ihn trat. >>Oh! Du bist wach, Fremder!<< Das Mädchen beugte sich über ihn und sagte: >>Hallo. Mein Name ist Sweety. Wie heißt du?<< Kai setzte sich mühsam auf und antwortete: >>Mein Name ist Kai.<< Sein Mund war völlig trocken und selbst diese wenigen Worte bereiteten ihm große Mühe. Sweety erkannte es und sagte: >>Warte! Ich hole dir ein Glas Wasser.<< Kai legte sich hin und war sofort wieder eingeschlafen. *** >>Der Vulkan ist vor einhundert Jahren erloschen. Damals kam auch der blaue Drache.<<, erklärte Lain, während die Vier sich an den Abstieg in das Innere des Vulkans machten. Die Lava war tatsächlich erloschen und zu Stein erstarrt, aber es herrschte trotz allem eine immense Hitze, die Ryu zum Schwitzen brachte, doch Lain schien das nichts auszumachen. Sie lief stets zwanzig Schritte voraus und schien sich keine Sorgen um die anderen zu machen. Auf dem Grund angekommen blieb sie stehen und drehte sich um. Sie lächelte Ryu zu, der dieses Lächeln jedoch nur herzlos erwiderte. Damian kam neben Ryu zum Stehen. Lionet rutschte auf der letzten Stufe aus, fiel und klammerte sich instinktiv an Damians Hals fest. Damian keuchte und schüttelte Lionet ab. Er stand prustend auf und auch Lain lachte. Damian und Ryu war nicht nach Lachen zumute. >>Gehen wir weiter.<<, erinnerte Damian scharf. Lain drehte sich um und deutete auf einen Durchgang hinter dem man das Schnaufen eines Drachen hören konnte. Für Ryu schien es endlich mal glatt gegangen zu sein; er hatte alles Unvorhergesehene satt. Lain wollte die Höhle alleine betreten, aber Ryu sagte: >>Warte! Ich möchte mit dem Drachen reden. Ich möchte endlich genau wissen, was hier abgeht. Lain nickte abwesend und gemeinsam betraten sie die Höhle des Feuerdrachen. Der Drache öffnete seine grünen Augen und musterte Ryu. >>Du bist der Edle?<< Ryu nickte und fragte: >>Drache, sag' mir, ob Lain wirklich die rote Lady ist.<< >>Natürlich. Selbst, wenn sie ein Mädchen ist. Der rote Kämpfer war auch eine Frau; genauso der Goldene und der Weiße. Nirgends stand geschrieben, dass es weibliche Kämpfer gab, aber es ist so.<< Ryu schwieg. >>Vielleicht hatte Prinzessin Rose recht, Kaiser Ryu. Ihr seid genauso wie Euer Vater.<< Ryu senkte beschämt den Kopf und der Drache wandte sich an Lain. >>Ich werde nun auch deine Macht wiedererwecken. Nimm den Ring des Mutes und folge Kaiser Ryu. Ich hoffe er wird seinen Fehler einsehen und sich bessern.<< Der Drache warf Ryu einen rügenden Blick zu. Lain sah erst den roten Stein und dann Ryu an, der zerknirscht neben Damian stand. Plötzlich erschien ein kleiner Lichtgeist. Der Drache sah ihn nachdenklich an und meinte: >>Der Lichtgeist spioniert uns wieder aus.<< Der Geist schien zu erschrecken und zirpte. >>Was hat er gesagt?<<, fragte Lain. >>Er meint, dass er uns nicht ausspionieren will. Er will nur wissen wie die Lady des Lichts sein muss, damit sie sich mit euch ergänzt.<< >>Wie bitte?<<, fragte Lionet verständnislos. >>Habt ihr euch noch nie gefragt warum gerade ihr auserwählt wurdet?<< >>Weil wir die Reinkarnationen der Kämpfer sind.<<, antwortete Damian lahm. >>Nicht ganz. Jeder von euch hatte einen großen Kontakt zu seinem Element. Ryu beherrscht als Drachenritter das Element Blitz, Damian ist ein Schwarzmagier, die ja die dunkle Magie benutzen, Lionet war einhundert Jahre in einem Eisblock gefangen und hat es überlebt und Lain wuchs in einem Dorf auf, das den Feuergott anbetet.<< >>Und die weiße Lady?<< >>Sie wird vom Licht erschaffen werden und zu euch stoßen, wenn ihr den grünen Lord und die goldene Lady gefunden habt. Kaiser Ryu?<< Ryu hob den Kopf und sah den Drachen an. >>Ich hoffe Ihr nehmt mir meine Worte nicht übel, aber keiner von uns Drachen möchte, dass Ihr so werdet wie Euer Vater.<< >>Das möchte ich auch nicht.<<, sagte Ryu leise. Der Drache lächelte zufrieden und der Lichtgeist verschwand. Ryu zog das Drachenauge aus der Tasche (inzwischen hatten sich drei weitere Kristalle verfärbt) und öffnete das Display. Der grüne und der goldene Punkt lagen direkt nebeneinander. >>Das dürfte kein Problem sein.<< Der Drache nickte knapp und sagte: >>Ich werde euch wieder zurück ins Dorf bringen. Lebt wohl und seid vorsichtig.<< Die Vier nickten und kaum eine Sekunde später standen sie wieder im Dorf. >>Wo sind die nächsten beiden überhaupt genau?<<, fragte Damian. >>In Südamerika.<< >>Da war ich noch nie.<<, sagte Lain. >>Es macht bestimmt Spaß mit euch zu reisen.<< Lionet sagte nichts sondern überlegte. >>Was ist los, Lionet?<<, fragte Ryu. >>Warum so still heute?<< >>Ich habe ein seltsames Gefühl. In Südamerika leben die Geflügelten.<< Damian überlegte kurz und nickte dann. >>Du hast recht. Ich bin gespannt, was uns dort erwartet. Wir sollten uns gut vorbereiten, damit wir keine schlimmen Überraschungen erleben. Also beginnen wir besser sofort damit.<< Kapitel 13: Die Prinzessin und ihr Leibwächter ---------------------------------------------- Russel hob den Kopf, als er hörte wie die Prinzessin hinter ihn trat. >>Was liest du da?<<, fragte Marylin de la Rosa. >>Einen Bericht über den derzeitigen Drachenkaiser Ryu de Silverburgh. Ihr kennt ihn doch, Prinzessin.<<, antwortete Russel. Marylin nickte. >>Ja, ich habe ihn schon einmal getroffen. Das war vor drei Jahren, er sah so klein und zerbrechlich aus.<< >>Das scheint sich geändert zu haben.<< Russel faltete die Zeitung wieder auseinander und zeigte Marylin das Bild. Hätte Russel ihr nicht gezeigt welcher der vielen Personen der Kaiser war, hätte sie ihn nicht wiedererkannt. Er war eindeutig noch ein Stück gewachsen und sah viel kräftiger aus. >>Aah! Schade, dass er schon einer anderen Prinzessin versprochen ist.<<, neckte Marylin ihren Leibwächter. Russel zog die Mundwinkel nach unten und sagte gespielt beleidigt: >>Und was ist mit mir? Sehe ich etwa nicht gut aus?<< Marylin schlang ihre Arme um Russels Hals und sagte versöhnend: >>Nimm das nicht so ernst. Du weißt doch, dass ich oft Schwachsinn rede.<< Schritte erklangen auf dem Flur. Marylin ließ Russel los. Die Schritte verklangen und eilten Richtung Thronsaal. Marylin öffnete die Tür und sah wie einer der Ritter des Grenzschutzes um die Ecke bog. >>Was will er wohl von meinem Vater?<<, fragte Marylin. >>Heute gibt er doch gar keine Audienzen.<< >>Folgen wir ihm doch.<<, schlug Russel vor. Marylin nickte. Langsam und vorsichtig folgten die beiden dem Ritter, der am Thronsaal angekommen war. Hastig öffnete er die unbewachte Flügeltür, stürmte hinein und - Russel konnte sein Glück gar nicht fassen - ließ die Tür hinter sich offen. >>Was willst du hier?<<, fragte der König gereizt. >>Du solltest doch den Göttlichen herbringen.<< Der Ritter verschnaufte und antwortete atemlos: >>Kaiser Ryu ... ist auf dem Weg hierher.<< >>WAS?!<< Russel konnte fast hinter der Ecke sehen wie der König hochfuhr und wütend auf den Ritter hinabstarrte, während die Königin entsetzt auf ihren Untertan hinabsah. >>Wieso will Kaiser Ryu in unser Land kommen?<<, fragte der König finster. >>Er behauptete, dass er nur einen Friedensbesuch machen will.<< >>Wo ist er jetzt?<< >>An der nördlichen Grenze. Er besteht darauf in dieses Land einzureisen.<< >>Dann tötet ihn, wenn er nicht freiwillig geht.<<, sagte der König. >>Erstens sind wir ein neutrales Land und zweitens könnte er unserem Plan den Göttlichen zu fangen im Wege stehen.<< Marylin ließ einen erstickten Schrei fahren, aber Russel legte ihr vorsorglich seine Hand auf den Mund. Es hätte gerade noch gefehlt, dass die Prinzessin und er beim Lauschen erwischt werden würden. Plötzlich wurden beide von hinten gepackt. Ein Soldat der Palastwache hatte sie also doch entdeckt. Russel und Marylin schluckten schwer, denn beide wussten welche Strafe für Spione galt. Ob sie Prinzessinnen waren oder nicht: jeder Spion wurde hingerichtet. Widerwillig ließen sich Russel und Marylin in den Thronsaal ziehen. Ohne jedes Gefühl sah der König auf seine Tochter und deren Leibwächter hinab, die auf die Knie gezwungen worden waren. >>Zwei Spione, Eure Majestät.<<, sagte der Palastwächter tonlos. >>Du kennst doch die Prozedur.<<, erwiderte der König kalt. >>Eure Majestät...!<<, rief Marylin aus. Die Prinzessin fuhr auf, aber ein wütendes Knurren des Königs ließ sie verstummen. Die Königin versteckte ihr Gesicht hinter einem Fächer, aber Russel konnte trotzdem sehen wie stille Tränen über ihr Gesicht rannen. Marylin war ihre einzige Tochter und obwohl sie es nie gesagt hatte, hatte sie Marylin mehr geliebt als ihr eigenes Leben. Der König beachtete seine Gemahlin nicht, sondern gab dem Wächter einen Wink. Er packte Russel und Marylin und zerrte beide unter Aufwendung seiner ganzen Kraft (immerhin wehrten sie sich so gut es ging) in den Kerker im Keller. Der Kerker im Palast hatte nur vier Zellen und drei davon waren >belegt<. Der Wächter öffnete die Tür der freien Zelle und stieß sie grob hinein. >>Eure Exekution muss leider bis morgen warten.<<, sagte der Wächter bedauernd als er das Schloss wieder einschnappen ließ und verschwand. Qualvolles Stöhnen der anderen Gefangenen kam aus den Zellen. Marylin kauerte sich in eine Ecke. Sie zitterte und schluchzte: >>Warum tut mein Vater so etwas? Warum will er Kaiser Ryu töten, wenn dieser nur dieses Land besuchen will? Und warum wirft er mich einfach in den Kerker? Ich bin doch seine Tochter!<< Russel setzte sich neben sie und legte seinen Arm auf ihre Schulter. Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und weinte stumm. >>Ich glaube, der König möchte nur den drohenden Krieg zwischen den Drachen und den Menschen aus seinem Land raushalten, selbst, wenn er dafür seine Tochter in den Kerker werfen muss. Du wirst sehen: morgen werden wir hier wieder rausgeholt.<< Marylin schluchzte noch einmal und fragte: >>Denkst du wirklich?<< Russel nickte, obwohl er es selbst nicht glaubte *** Ryu schüttelte ungläubig den Kopf. >>Das kann nicht sein Ernst sein!<< Der Ritter nickte. >>Doch. Ihr dürft nicht einreisen - und wenn ihr nicht sofort verschwindet, werden wir Euch auf Befehl des Königs töten müssen.<< Ryu schrak zurück und nickte dann seiner Gruppe zu. >>Gehen wir wieder.<< Ryu lief voraus und Damian, Lionet und Lain folgten ihm wortlos. Gleich nachdem die Grenze außer Sicht war, ließ Ryu sich auf dem Rasen nieder. Lain setzte sich neben ihn und fragte: >>Was machen wir jetzt?<< Ryu seufzte. Er wünschte sich, Lionheart wäre jetzt hier. Dem wäre garantiert etwas eingefallen. Ein Lieferlastwagen knatterte vorbei. Ryu fiel wieder ein wie er über die Grenze von Ektorn gekommen war. Einen Moment erwägte er es noch einmal zu versuchen, aber dann fiel ihm auch wieder ein, dass der Fahrer ihn und Lionheart an die Soldaten verraten hatte. Doch welchen Grund sollten die Geflügelten haben ihn nicht ins Land zu lassen, geschweige denn ihn zu töten, falls er dieses Verbot missachtete? Doch auch dazu fiel Ryu etwas ein: die Geflügelten waren ein neutrales Volk und wenn der Drachenkaiser einfach in ihrem Land >rumspazieren< würde, könnte das ein Krieg zwischen den Menschen und den Geflügelten bedeuten. Aber Ryu ließ trotzdem das Gefühl nicht los, dass der König etwas verheimlichte. Lain legte den Kopf schief und fragte: >>Warum heißen die eigentlich Geflügelte? Ich habe niemanden mit Flügeln gesehen. Du vielleicht, Ryu?<< Ryu bemerkte es positiv, dass Lain ihn duzte und antwortete: >>Es ist wie bei den Drachenmenschen: das Volk versteckt seine Flügel normalerweise, aber die königliche Familie zeigt sie in der Öffentlichkeit immer.<< >>Normalerweise?<<, fragte Lionet. >>Im Land der Geflügelten gibt es öfters blutige Fehden. Die, die sich bekämpfen zeigen ihre Flügel als Ausdruck der Rivalität. Aber es sind keine richtigen Flügel; sie haben Lichtflügel.<< >>Lichtflügel?<<, fragte Damian nun auch interessiert. >>Die Flügel bestehen aus Licht und sehen aus wie die Flügel einer Libelle; die Geflügelten schaffen es trotzdem damit zu fliegen. Die Flügel sind wunderschön. Vor drei Jahren sah ich die Prinzessin bei einer Konferenz. Sie hat schöne goldene Flügel, die in der Sonne glitzern als wären sie flüssiges Gold.<< Ryu sah verträumt ins Nichts und Lain sagte schelmisch: >>Kaiser Ryu ist verliebt. Wunderschön!<< Ryu schrak auf. Er errötete und erwiderte etwas zu hastig: >>Nein! Solche Gefühle darf ich mir gar nicht erlauben, wenn sie nicht meine zukünftige Braut betreffen.<< >>Und wer ist die Glückliche?<<, wollte Lain wissen. >>Irgendeine Prinzessin. Ich habe sie einmal getroffen, aber sie ist ziemlich langweilig und verstaubt. Eine richtige verwöhnte Adlige, die kein anderes Thema kennt als ihre Kronjuwelen. Ganz anders Prinzessin Marylin de la Rosa. Sie ist freundlich, interessant und selbst die langweiligsten Themen wirken spannend, wenn sie davon erzählt und...<< >>Ryu ist also doch verliebt.<<, unterbrach Lain Ryus Monolog. Er schrak wieder auf und sah wie ein zweiter Lastwagen vorbeifuhr. Ryu sprang urplötzlich auf und pfiff auf zwei Fingern. Er war sich sicher gewesen, dass er den Fahrer gekannt hatte. Der Wagen hielt an und die Gruppe lief auf die Fahrerkabine zu. Ein Kopf beugte sich aus dem Beifahrerfenster und fragte ärgerlich : >>Was soll'n das? Was ist los?<< Es war eine Frau mit kurzen blonden Haaren, blauen Augen und einem helllila Lippenstift. Ryu lächelte; er erkannte diese Frau sofort. >>Tante Ruth!<< Ruth sah Ryu verständnislos an. Plötzlich blitzte etwas in ihren Augen auf und sie rief: >>Ryu, mein kleiner Drachenneffe, ich hätte dich beinahe gar nicht erkannt! Du bist ziemlich groß geworden! Was machst du hier?<< Ryu ließ sie mit einer Handbewegung verstummen und sagte: >>Tante Ruth, das sind Damian, Lionet und Lain. Leute, das ist meine Tante Ruth. Sie ist die Schwester meiner Mutter. Ich habe sie seit sieben Jahren nicht mehr gesehen.<< Ruth grinste jeden kurz an und sagte dann zu Ryu: >>Kommt, springt alle rein. Ich fahre euch wohin ihr wollt.<< >>Eigentlich wollten wir ins Land der Geflügelten, aber...<< >>Wo ist das Problem?<< >>Sie wollen mich nicht reinlassen und drohen sogar mich zu töten, wenn ich es trotzdem versuche.<< >>Ach, wirklich?<< Dann springt in den Laderaum. Ich schmuggle euch rein.<< >>Aber nur, wenn du uns nicht verrätst.<< >>Wie kommst du nur darauf? Das würde ich niemals tun.<< >>Nun ja, vor kurzem ist mir das schonmal passiert.<< >>Nun spring auf. Ich muss weiter.<< Ryu nickte und folgte den andern, die schon in den Laderaum geklettert waren. Er setzte sich hinter den Fahrersitz, um weiterhin mit Ruth reden zu können. >>Was machen deine Schwestern, Ryu?<<, fragte Ruth. >>Joy habe ich seit drei Monaten nicht mehr gesehen, weil sie krank ist und Seline - nun sie ist verschwunden.<< >>Ja, das habe ich gehört. Sie ist vor kurzem im Land der Geflügelten gesehen worden.<< >>Wirklich? Ich würde sie gerne mal wiedersehen.<< >>Sie ist deine Lieblingsschwester, nicht wahr?<< Ryu schwieg. Lain und Lionet lachten leise über irgend etwas, was Lionet gerade erzählt hatte. Ruth drehte den Kopf und zischte: >>Los! Versteckt euch alle! Wir sind gleich da!<< So leise wie möglich versteckten sich alle unter einer Plane und hielten die Luft an, als der Wagen hielt. Ryu hörte die Stimme eines Soldaten, der fragte: >>Haben Sie irgend etwas zu verzollen?<< >>Nein - aber Sie können gerne nachsehen.<< >>Ich glaube Ihnen auch so. Fahren Sie weiter. Sie sehen nicht aus wie jemand, der etwas schmuggeln würde.<< Ruth bedankte sich und fuhr langsam weiter. Nach zwei Minuten wisperte sie: >>Ich bringe euch in die Königsstadt Riona. Tut mir ja leid, aber da muss ich meine Waren abliefern.<< >>Schon gut.<<, wisperte Ryu zurück und kam unter der Plane hervor. >>Ich glaube da müssen wir auch hin.<< >>Was wollt ihr dort eigentlich?<<, fragte Ruth. >>Weißt du,... das kann ich dir nicht erzählen. Nur soviel: wir suchen jemanden, der uns vielleicht bei etwas helfen kann.<< >>Gut. Jeder hat seine kleinen Geheimnisse. Ich hoffe ihr findet den, den ihr sucht.<< *** Stimmen erklangen und Russel wachte auf. Marylin lehnte immer noch an seiner Schulter und schlief fest. Vorsichtig stand Russel auf und lehnte Marylin sanft an die Mauer. Vorübergebeugt hastete er zur Kerkertür und lauschte auf die Stimmen. >>Weißt du, warum die Prinzessin wirklich im Kerker sitzt?<< >>Weil sie eine Spionin ist oder?<< >>Ach was! Der König hat herausgefunden, dass seine Tochter die goldene Lady ist und ihr Leibwächter ist der grüne Lord.<< >>Na und?<< >>Kennst du die Legende nicht? Sie sind die Reinkarnationen der alten Krieger. Es heißt, dass der Drachenkaiser auf der Suche nach ihnen ist. Darum wollte der König ihn nicht einreisen lassen.<< >>Aber warum hat der König sie ins Gefängnis werfen lassen?<< >>Kapierst du das denn nicht? Wenn die Menschen in Ektorn herausfinden, dass unsere Prinzessin zu den Lords der Drachen gehört, werden sie uns angreifen und einen Krieg beginnen. Das willst du doch nicht oder?<< >>Na-natürlich nicht.<< Russel hatte genug gehört. Langsam lief er zurück und setzte sich wieder neben Marylin. Drachen?, dachte Russel. Das kommt mir sehr bekannt vor. Ich hätte es beinahe vergessen. Marylin öffnete ihre Augen und sah ihn betrübt an. >>Was ist denn los?<< >>Ach, nichts besonderes. Schlaf jetzt. Morgen sieht alles wieder ganz anders aus.<< Marylin sah ihn zweifelnd an und sagte nichts mehr. Er glaubte auch nicht daran, dass er den morgigen Tag überleben würde. Er sah auf Marylin hinunter und merkte erst jetzt, dass ihre goldenen Flügel verschwunden waren. >>Vielleicht sollten wir versuchen auszubrechen?<<, überlegte Russel laut. Marylins Blick weitete sich im fassungslosen Entsetzen und leise fragte sie: >>Ausbrechen? Russel, bist du verrückt? Das hat noch niemand geschafft!<< >>Aber es hat auch noch niemand probiert.<<, erwiderte er. Russel stand auf und trat an die Wand. Gut, sie waren hier in einem Keller, aber man könnte bestimmt einen Tunnel graben. >>Marylin, komm mal her.<< Russel hatte sich angewöhnt die Prinzessin zu duzen - so wie die Dinge lagen war sie ohnehin keine Prinzessin mehr. Sie stand auf und trat neben ihn. Warum sollte man nicht ausprobieren, ob Marylin tatsächlich die goldene Lady war?, dachte Russel sich. >>Marylin, konzentriere deine gesamte Energie darauf einen Gang nach draußen zu graben.<< Sie sah ihn skeptisch an, aber zuckte trotz allem nur die Schulter und probierte es. Sie streckte die Arme und Handflächen der Wand entgegen. Die leuchtenden Goldflügel erschienen wieder und auch der Rest von Marylins Körper begann golden zu strahlen. Zuerst die Flügel, dann die Arme und Hände und dann strahlte die ganze Prinzessin. Ein Ruck lief durch ihren Körper und kaum eine Sekunde später war ein großes Loch in der Wand zu sehen. Marylins Flügel verschwanden und jubelheischend sah sie Russel an. Russel grinste zufrieden zurück. Also war sie doch die goldene Lady; die Lady der Erddrachen. Russel machte eine ruckartige Kopfbewegung zum Gang hin. Marylin nickte und folgte ihm in den Tunnel hinein. Keine der Wachen hatte etwas bemerkt. *** Ryu sprang als letzter von der Laderampe und zog den Umhang von Ruth fester um sich. Keiner der Geflügelten kümmerte sich um sie. Es schien wie bei den Menschen zu sein. Ruth kam um den Laster herum und sagte: >>Da sind wir.<< >>Danke, Tante Ruth.<< >>Ja, danke, Frau Ruth.<<, sagten Lain und Lionet einstimmig. Damian schwieg und Lionet sah sich interessiert nach jemandem mit Flügeln um, während Lain mit Ryu neben Ruth noch stehenblieb. Ruth lächelte und erwiderte: >>Kein Problem. Ich musste sowieso noch meine Ware hier abliefern.<< >>Was ist das eigentlich?<<, fragte Lain neugierig. >>Das? Och, nur ein paar Kisten mit Kunsthaarperücken und Hafer.<< >>So?<< Es war nicht schwer zu erkennen, dass Lain ihr nicht glaubte, aber Ryu ignorierte sie. Ruth lächelte noch einmal und sagte: >>Tja, ich werd' dann mal meine Ware ausladen. Grüß' deine Schwestern von mir - und viel Glück noch.<< Ryu nickte dankbar und bedeutete den anderen ihm zu folgen. In einer dunklen Seitengasse blieb Ryu wieder stehen und zog das Drachenauge aus seiner Tasche. Die beiden Punkte kamen näher, aber Ryu konnte noch niemanden entdecken. >>Was jetzt?<<, fragte Damian. >>Wir warten.<<, sagte Ryu nur. >>Wir werden hier einfach warten.<< Kapitel 14: Lektion für Damian ------------------------------ Russel seufzte erleichtert auf. Endlich konnte er ein Licht am Ende des Ganges erkennen. Marylin keuchte erschöpft und kletterte Russel aus dem Loch hinterher. >>Aber hier geht's doch gar nicht raus.<<, wunderte Marylin sich, denn sie waren in einer Höhle gelandet. In ihrer Verwunderung bemerkte sie die beiden Lichter auf der einen Seite nicht. Plötzlich erklang eine Stimme: >>Willkommen, Lord des Windes, willkommen, Lady der Erde. Wir haben lange und geduldig auf euch gewartet, um euch unsere Macht geben zu können. Seid ihr bereit?<< >>Was,...was seid ihr denn?<<, fragte Marylin. >>Das sind Drachen.<<, antwortete Russel. >>Der linke, grüne ist der Winddrache Leventus und der rechte, goldene ist der Erddrache Flora.<< >>Woher weißt du das?<< >>Nun, ich bin mehr, als ich scheine.<<, antwortete Russel ausweichend. Plötzlich erschien wieder ein Lichtgeist und schien alles aufmerksam zu beobachten. Russel konnte fast spüren wie Flora anfing zu lächeln, während Leventus fortfuhr: >>Ihr werdet eure Ringe bekommen und dann wünschen wir uns von euch, dass ihr euch Kaiser Ryu anschließt, um den Dämon Melzesa zu töten.<< >>Melzesa ist wieder da?<<, fragte Russel alarmiert. >>Ladon hat Melzesa tief in der Erde eingesperrt, aber ein Mensch hat ihn unabsichtlich wieder befreit. Durch den ganzen Hass, den die Menschen im vierten Weltkrieg gegeneinander hegten, ist er stärker, als je zuvor. Versteht ihr die Notwendigkeit, Lord und Lady?<< Russel und Marylin nickten - obwohl Marylin sich nicht so sicher war. An Russels und Marylins Ringfingern erschienen die Ringe. >>Grüner Lord Russel, du bekommst den Stein des Windes und der Romantik.<<, sagte Leventus. >>Goldene Lady Maryl, du bekommst den Stein der Erde und der geistigen Stärke.<<, sagte Flora. Beide betrachteten die Ringe lange und Russel sagte: >>Dann sollten wir langsam mal gehen. Aber wo ist Kaiser Ryu?<< >>Wir werden euch zu ihm bringen. Viel Glück, Lord und Lady.<< Russel und Maryl verschwanden. Der Lichtgeist zirpte und verschwand ebenfalls. *** Ryu hob müde den Kopf und sah sich um. >>Was ist, Kaiser Ryu?<<, fragte Damian. >>Ich habe etwas gehört. Ihr nicht?<< Die anderen schüttelten ihre Köpfe. Ryu stand auf und bewegte sich in Richtung Hintergasse. Ein Schatten fiel auf seinen Weg und bevor er wusste, was geschah, erschien ein Dämon aus dem Schatten und griff ihn an. Instinktiv wich Ryu aus. Die Krallen des seltsamen Schattenmonsters bohrten sich tief in die Erde. Hinter Ryu kamen die Krallen wieder heraus und schlossen sich wie ein Käfig um ihn. >>He! Was soll das?<< Damian zog seinen Rapier und ging auf den Dämon los, aber plötzlich schoss etwas an ihm vorbei, wirbelte die Krallen weg und zog Ryu heraus. Russel blieb vor Ryu stehen und musterte das Monster. Damian sah Russel forschend an und sein Blick blieb an dessen grünen Haaren und seinem seltsamen Anhänger hängen. >>Wer bist du? Was willst du hier?<< Russel ging nicht auf die Frage ein, sondern sagte: >>Ihr solltet nicht in so einer Gegend herumhängen. Die Monster hier sind zahlreich und stark; nichts für unerfahrene Kämpfer.<< >>Wie bitte?!<< Zorn stieg in Damian auf, aber bevor er noch etwas erwidern konnte griff das Monster wieder an. Russel sprang zur Seite und riss den starren Ryu mit sich. Ryu ließ einen erstickten Schrei fahren und fiel zu Boden. Das Monster beachtete weder Damian noch Ryu, sondern konzentrierte sich nur noch auf Russel. Damian stieß mit dem Rapier vor und wollte die Klinge in das Monster bohren, aber Russel zog blitzschnell sein Schwert und schlug Damian den Rapier aus der Hand. Das Monster setzte zu einem erneuten Angriff an, doch Russel war in sekundenschnelle wieder hinter dem Monster und trat mit seinem Fuß gegen dessen Bein. Das Monster schrie auf und drehte sich um. Russel lächelte und fragte sanft: >>He, warum gehst du nicht woanders hin? Hier gibt es nichts für dich zu holen.<< Das Monster sah ihn an und Damian fragte sich, was es tun würde. Lionet und Lain waren hinter Damian getreten und hatten Ryu aufgeholfen. Lain sah Russel entzückt an. Das Monster blinzelte leicht, lief an Russel vorbei und verschwand im Schatten der Gasse. Maryl trat neben Russel und klopfte ihm den Staub von der Schulter. Ryu sog scharf die Luft ein und rief: >>Prinzessin Marylin?! Was macht Ihr hier?<< Maryl lächelte. Ryu hatte sie sofort erkannt, obwohl ihre Flügel verschwunden waren und ihre Erscheinung nicht mehr so leuchtete. Sie setzte zu einer Antwort an, aber Russel unterbrach sie: >>Nicht hier, Maryl. Gehen wir in die kleine Taverne am Fluss. Kommt.<< Langsam folgte Ryus Gruppe Russel und Maryl an den Fluss an dem tatsächlich eine alte, kleine Taverne stand. Russel öffnete die Tür und trat in den halbdunklen Gastraum. Nur wenige Tische waren besetzt und diese Leute sahen aus, als wären sie alle Diebe oder sonstige unglaubwürdige Personen. Ryu schüttelte den leicht Kopf und fragte sich, was die Prinzessin an so einem Ort wollte. Der Wirt blickte trübe auf und deutete mit dem Kopf zu einer Tür. Russel nickte dankbar, öffnete die Tür und ging in den hellen Raum hinein, der einen starken Kontrast zu dem Gastraum bildete. Nur ein einziger großer Tisch stand hier. Russel machte eine einladende Handbewegung und alle setzten sich. Lain achtete darauf, dass zwischen ihr und Maryl noch ein Stuhl frei war, da Russel sich bestimmt neben Maryl setzen würde. Tatsächlich setzte Russel sich zwischen Maryl und Lain, gegenüber von Ryu. Russels Lächeln erlosch und ernst sagte er: >>Kaiser Ryu, Ihr fragt Euch sicher warum wir mit Euch reden wollen.<< Ryu nickte und Russel fuhr fort: >>Bis vor kurzem war Maryl noch die Prinzessin der Geflügelten, aber ihr Vater hatte herausgefunden, dass sie gleichzeitig die goldene Lady ist.<< >>Was?<<, fragte Ryu verwirrt. >>Prinzessin Marylin ist die goldene Lady?<< Maryl lächelte wieder sanft. >>Nennt mich Maryl. Der König warf mich ins Gefängnis, also bin ich keine Prinzessin mehr.<< >>Sag' jetzt bloß, du bist der grüne Lord.<<, sagte Damian zu Russel. Der hob die Hand und ließ den leuchtenden, grünen Stein auf dem goldenen Ring für sich antworten. >>Ich habe auch einen Namen.<<, fügte er hinzu. >>Ich heiße Russel. Ich bin ein Söldner, der vor kurzem noch im Dienste der Prinzessin stand.<< >>Aber wenn euch der König hat einkerkern lassen, wieso seid ihr dann hier?<<, fragte Lionet ratlos. >>Wir sind ausgebrochen.<<, antwortete Maryl. >>Ich habe mit Floras Kraft einen Tunnel gegraben.<< >>Flora? Du meinst den goldenen Erddrachen?<<, fragte Ryu. Maryl nickte lächelnd. >>Genau.<< Damian sah zwischen Maryl und Russel hin und her und fragte dann: >>So, Russel, warum hast du mich davon abgehalten diesen Dämon zu töten?<< >>Das kann ich dir sagen, Damian.<< >>Er weiß Damians Namen?<<, fragte Lionet entgeistert. >>Natürlich.<< Russels Augen blitzten auf, aber Damian wandte nur beleidigt den Kopf und fragte noch einmal: >>Warum hast du mich aufgehalten?<< >>Nun, Damian, das lag daran, dass du gewissenlos gehandelt hast.<< >>Wie bitte?!<< >>Dämonen haben auch eine Seele. Wenn du einen mindergefährlichen Dämon tötest, ist das Sport - und keine Notwehr.<< >>Sport?!<< Damian fuhr auf, kam um den Tisch herum und packte Russel blitzschnell am Kragen. >>Du nennst das Sport?! Dies Monster hat versucht Kaiser Ryu zu töten! Hätte ich untätig zusehen sollen?<< Russel löste Damians Hand von seinem Kragen und antwortete ruhig: >>Es wollte ihn nicht töten! Hätte es das gewollt wäre es nicht gegangen, als ich es darum gebeten habe.<< >>Vielleicht bist du ja auch ein Dämon? Ich habe deine Macht noch nicht gesehen, wenn ich mich nicht täusche oder?<< Aber egal, was Damian sagte: die Macht des Windes, die von Russel ausging, war unschwer zu spüren. Russel grinste, als hätte er Damians Gedanken gelesen und sagte: >>Tja, ich kann bei dir die Macht der Finsternis nur schwer spüren. Okay, du bist ein Schwarzmagier, aber was soll's? Ich kenne alle Formen der Magie, denn ich bin ... ich bin...<< Russel schrak zurück und Damian fragte lauernd: >>Was bist du, he?<< >>Schluss jetzt!<< Ryu war aufgefahren. Der Drachen hatte sich wieder in ihm gemeldet und wütend sagte er: >>Hört auf euch zu streiten! Das ist lächerlich. Wir müssen alle zusammenhalten, sonst können wir Melzesa nie besiegen. Vergesst nicht, dass er sich von negativer Energie ernährt - und ich bin nicht wild darauf gegen einen Dämon zu kämpfen, der wegen uns außergewöhnlich stark geworden ist. Verstanden?<< Russel und Damian nickten. Die anderen sagten nichts. Russel atmete aus und sagte noch einmal zu Damian: >>Es wollte Ryu nicht töten. Ich denke vielmehr, dass es ihm nur etwas sagen wollte.<< Damian blickte ihn skeptisch an, aber kehrte wortlos an seinen Platz neben Ryu zurück. Russel setzte sich wieder und meinte: >>Das wäre wahrscheinlich alles, was es zu sagen gibt.<< Ryu zog das Drachenauge aus seiner Tasche und sah auf das Display. Nichts außer der versammelten Truppe wurde angezeigt. >>Und was jetzt?<<, fragte Lain. Russel überlegte und antwortete vorsichtig: >>Wir sollten abwarten, bis sich die weiße Lady oder der weiße Lord bei uns meldet. Vielleicht sollten wir zurück nach Drakani.<< Die anderen nickten, Maryl schlug vor: >>Verbringen wir die Nacht besser hier. Es könnte gefährlich sein nachts zu reisen.<< Diesmal nickten nur Russel und Ryu. Russel ging wieder in den Vorraum, um alles mit dem Wirt zu klären. Maryls Blick glitt hinüber zu Damian und sie sah ihn abschätzend an. Er erwiderte ihren Blick fragend und sie antwortete auf seine unausgesprochene Frage: >>Ich glaube du könntest Russel nicht besiegen. Er ist der beste Leibwächter und Schwertkünstler den es je gab.<< Damian antwortete nicht. Das Drachenauge piepste plötzlich. Ryu sah darauf, aber der Punkt, der erschienen war, war weder weiß noch blassgrün: er war weinrot. Ryu legte den Kopf schief und sagte nachdenklich: >>Aber es gibt kein Element, das solch eine Farbe hat. Was ist das für ein weinroter Punkt - hier in der Nähe?<< Kapitel 15: Der Echsenritter ---------------------------- at HelloKitty: Danke für dein Lob. Ich hoffe, ich erfülle deine Erwartungen auch weiterhin. ^^ Nun aber viel Spaß mit dem neuen Kapitel. ^^ ******************************************************************************** Ryu lag wach und konnte nicht einschlafen. Immer wieder kam ihm die Frage in den Sinn, was der weinroter Punkt bedeuten sollte. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und stand auf. Leise verließ er die Taverne in der immer noch einige Leute an den Tischen saßen und Ryu finster anblickten. Er folgte dem Punkt auf dem Drachenauge und gelangte immer weiter in die Stadt. Glühwürmchen flogen durch die Luft und erhellten den Marktplatz gespenstisch. Ungewöhnlich viele Geflügelte waren um diese Zeit hier versammelt, doch niemand beachtete Ryu. Es wurde nicht einmal gesprochen. Eine gespenstische Stille herrschte auf dem Platz und ließ Ryu frösteln. Plötzlich hörte er die Stimme eines Mannes, darauf folgte die bekannte Stimme von Ruth und dann noch einmal die Stimme einer Frau. Ryu folgte den Stimmen und sah um die Ecke. Ruth stand neben ihrem Laster und vor ihr stand ein blonder Mann und daneben stand - Ryu schüttelte seinen Kopf, um klar zu werden - Seline. Sie stand neben diesem großen Mann und lächelte Ruth traurig an. Ruth sagte etwas und Seline nickte knapp und antwortete. Ryu drehte sich um und wollte wortlos verschwinden, bevor der Drache in ihm wieder erwachte, aber er stieß mit dem Fuß gegen einen Blumentopf, der laut klirrend umfiel und zerbrach. Keiner der Geflügelten sah auf. Ryu wandte den Blick wieder in die Gasse in der Ruths Wagen stand - und sah direkt in den Lauf einer neumodischen Pistole, die mit Magie betrieben wurde. Unbewusst hielt Ryu die Luft an und sein Blick glitt hoch zum Gesicht des Schützen. Ryu atmete wieder aus. Es war Seline, aber sie schien ihn nicht zu erkennen, denn ihr Blick blieb eiskalt. Sie entsicherte ihre Waffe und sagte scharf: >>Okay, hebe langsam deine Arme und steh' auf. Aber langsam!<< Ryu tat, was sie gesagt hatte, hob die Arme und richtete sich wieder auf. In dem Moment flog eines der Glühwürmchen vorbei und erhellte Ryus Gesicht. Seline wurde bleich, ihre Augen weiteten sich und langsam ließ sie ihre Waffe sinken. >>Ryu?<<, flüsterte sie ungläubig. >>Bist du es wirklich?<< Er nickte. Seline steckte ihre Waffe ein und fiel Ryu stürmisch um den Hals. Ryu löste sich aus ihrer Umklammerung und fragte das erste, was ihm einfiel: >>Wo warst du? Warum bist du nicht zurückgekommen?<< Seline blickte betroffen zu Boden und Ruth und der Mann kamen um die Ecke. Aber es war nur ein Mann; Damian hatte von zwei Männern geredet. Der Mann flatterte wie verrückt mit den Armen und fragte hektisch: >>Seline, hat er dir was getan? Warum weinst du?<< Seline schüttelte den Kopf, legte ihre Hand auf Ryus Schulter und antwortete: >>Aber nein, Andre. Das ist mein Bruder Ryu.<< >>Der Drachenkaiser?<< Andre kniff die Augen zusammen. >>Was macht er hier?<< Seline sah Ryu fragend an, aber der antwortete ausweichend: >>Ich suche jemanden.<< >>Und wen?<<, fragte Andre. Ryu wusste sofort, dass er Andre nicht leiden konnte und antwortete daher, das erste, was ihm einfiel: >>Den Göttlichen.<< Als ihm klar wurde, was er gesagt hatte, schlug er sich die Hand vor den Mund und beschimpfte sich in Gedanken heftigst. Andre schlug sich ebenfalls die Hand vor den Mund und brach in schallendes Gelächter aus. Ryu verschränkte die Arme vor der Brust und unterdrückte den Zorn, der in ihm hochstieg. Seline setzte zu einer scharfen Erwiderung für Andre an, als plötzlich schlurfende Schritte erklangen. Seline legte ihre Hand auf ihre Waffe, aber es war nur Russel, der aus dem Schatten auftauchte. Mit vorwurfsvoller Miene wandte er sich an Ryu und sagte ebenso vorwurfsvoll: >>Kaiser Ryu, Ihr solltet um diese Zeit nicht mehr hier draußen sein. Das könnte gefährlich werden.<< >>Russel, stimmt etwas nicht mit dir?<<, fragte Ryu, dem Russels Verhalten seltsam vorkam. Plötzlich zog Russel sein Schwert und lief weiter auf Ryu zu, während er zu ihm sagte: >>Ungehorsam ist keine Tugend, Kaiser Ryu. Dafür werdet Ihr jetzt sterben!<< Ryu zog automatisch sein Schwert und hielt es vor sein Gesicht. Russels Schwert traf klirrend auf das seine auf. Ryu wich zur Seite aus und versuchte Russel das Schwert aus der Hand zu schlagen, aber er wich flink aus und schien mit Ryu mehr zu spielen, als ihn wirklich verletzen zu wollen. Er tänzelte um den Drachenkaiser herum und stieß von Zeit zu Zeit mit seiner Klinge gegen Ryu, der immer langsamer auswich. Seline hatte ihre Waffe auf Russel gerichtet, aber er bewegte sich so schnell, dass sie das Risiko eines Fehlschusses nicht eingehen wollte. Ryu sah auf Russels Schwert und da fiel ihm ein, dass Russel Linkshänder war, aber dieser Kämpfer hielt das Schwert in der rechten Hand und das Symbol auf dem Anhänger um seinen Hals war ebenfalls spiegelverkehrt. Russel fuhr wieder vor und verletzte Ryu an seinem rechten Arm. Etwas Blut floss aus der Wunde und tropfte auf den Boden. Ryu war zwei Sekunden von Russel abgelenkt, die dieser nutzte, um Ryu an die Wand zu schleudern. Ein roter Schleier fiel vor seine Augen, er hörte wie Seline auf Russel schoss und sah noch wie dieser auf das Dach eines Hauses sprang und aus seiner Sicht verschwand, bevor er selbst ohnmächtig wurde. *** Kai schlug wieder die Augen auf und sah sich um. Im ersten Moment wusste er erneut nicht wo er war, aber dann fiel ihm der Schiffbruch wieder ein. Er dachte über die Schlange nach, die das Schiff zerstört hatte. Der Meister der Schlange war kein Mann gewesen: er war sich völlig sicher, dass es eine Frau gewesen war. Das Winseln eines Hundes unterbrach seine Gedanken. Kai setzte sich auf und sah sich nach dem Hund um. Das Winseln kam jedoch nicht von einem Hund, sondern von einem Schwarzwolf, dessen linke Hinterpfote verletzt war. Kai stand auf und lief auf den Wolf zu. Sweety hatte ihn Mickey genannt, aber Kai hatte das Gefühl, dass sein Name Killey war. Er kniete sich neben den Wolf und legte seine Hände auf dessen Pfote. Der Wolf zuckte nur zusammen und aus irgendeinem Grund hatte Kai keine Angst, weil er wusste, dass dieser Schwarzwolf zahm war. Ein blassgrünes Licht leuchtete an der Pfote auf und die Wunde war verschwunden. Killey setzte sich auf und leckte über Kais Hände. >>Wo ist Lionheart?<<, fragte Kai leise. In einem Traum hatte er gesehen wie Kaiser Ryu Lionheart mit Killey zurück nach Drakani geschickt hatte. Killey winselte traurig und blickte zu Boden. >>Was ist passiert?<<, fragte Kai weiter. Killey hob wieder den Kopf und antwortete: >>Im Land der schwarzen Magier wurden wir vom Echsenritter, der sich als Kaiser Albus verkleidet hatte angegriffen. Er tötete Lionheart, aber ich konnte verletzt entkommen. Sweety hat mich gefunden und versucht mich zu heilen. Es hat nicht funktioniert. Aber ich kann sie sowieso nicht leiden.<< >>Nur weil sie dich nicht heilen konnte?<< >>Redest du immer mit dem Hund?<<, fragte Sweety. Sie war hereingekommen ohne, dass Kai sie bemerkt hatte. Scheinbar hatte sie Killey nicht gehört. Kai schüttelte den Kopf. >>Nein, nicht immer. Danke, dass du mir geholfen hast. Wie soll ich dir je dafür danken?<< Sweety errötete leicht und sagte: >>Ich wüsste da schon etwas.<< Sie kam näher, legte ihre Hände auf Kais Schulter und bewegte ihr Gesicht näher an das von Kai. Ihm war die Situation mehr als unangenehm. Er wich einen Schritt zurück und trat dabei unabsichtlich auf Killeys Pfote. Der Schwarzwolf fuhr jaulend auf und biss Kai reflexartig in die rechte Hand. Sweety fuhr erschrocken zurück und Killey verkroch sich unter dem Bett. Kai betrachtete seine blutende Hand, aber er fühlte keine Schmerzen. Er fuhr mit seiner linken Hand darüber und die Wunde und das Blut verschwanden. Sweety sah fassungslos auf die Hand und fragte ängstlich: >>Wie hast du das gemacht?<< Kai seufzte und begann Sweety alles zu erzählen. *** Ryu schlug die Augen auf und blickte in das Gesicht eines Mannes, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Vermutlich war es Selines anderer Reisebegleiter. Der Mann lächelte. Ryu fragte: >>Wo ist Seline?<< >>Im Nebenraum.<<, antwortete der Mann mit einer angenehm weichen Stimme. >>Sie macht Andre gerade fertig, weil er über die Legende des Göttlichen gelacht hat.<< Im selben Moment hörte Ryu die erzürnte Stimme seiner Schwester, die einen schimpfenden Monolog hielt. Andre kam überhaupt nicht zu Wort. Der Mann hörte auf zu lächeln und sagte: >>Ich bin übrigens Neko. Ich kenne die Legende des Göttlichen sogar auswendig.<< >>Was ist los mit mir?<< >>Nichts. Ihr seid ohnmächtig geworden als Ihr an die Wand geschleudert wurdet.<< >>Was ist mit Russel?<< >>Eure ganze Gruppe ist vor wenigen Minuten in diesem Gasthaus angekommen. Soll ich Russel holen?<< Ryu schüttelte den Kopf und stand auf. >>Nicht nötig. Ich werde selber hinuntergehen und nach ihm sehen.<< Neko nickte verstehend und ließ Ryu aus dem Bett aufstehen und zur Tür gehen. In der Halle des Gasthofes saß tatsächlich Ryus gesamte Gruppe und döste vor sich hin. Russel hörte Ryus Schritte zuerst und sah auf. Er lächelte kaum merklich, aber Ryu musste immer noch an den letzten Abend denken. >>Was ist passiert, Ryu?<<, fragte Russel. >Das solltest du doch am besten wissen!<, wollte Ryu erwidern, aber antwortete stattdessen: >>Nichts besonderes. Es kam zuviel an einem Abend zusammen. Das ist alles.<< Andre kam geknickt die Treppe herunter, dicht gefolgt von Seline. Andres Augen weiteten sich, als er Russel erblickte und bevor Ryu ihn aufhalten konnte, fragte er: >>Ist das nicht der Kerl, der uns gestern angegriffen hat?<< Seline gab Andre einen Stoß in den Rücken. Wäre er darauf vorbereitet gewesen, hätte es ihm nichts getan, aber, weil es völlig unvorbereitet kam, stürzte er und fiel die Treppe hinunter. Benommen blieb er am Treppenabsatz liegen, während die anderen fassungslos Seline ansahen - alle bis auf Russel. >>Warum so gewalttätig heute, Seline?<<, fragte er trocken. Seline sah ihn an, als ob sie ihn erst jetzt bemerkte und antwortete: >> Er ist selber schuld. Wenn dieser Idiot nicht immer soviel reden würde, müsste er nicht so viele Schmerzen leiden.<< >>Was meinte er damit?<<, fragte Russel weiter. >>Ich möchte wissen, was ich gemacht habe!<< Seline seufzte und erzählte in aller Schnelle, was in der letzten Nacht passiert war. Am Ende ihres Berichtes schüttelte Russel den Kopf. >>Ich habe letzte Nacht tief geschlafen - und ich schlafwandele nicht. Außerdem würde ich so etwas nie tun. Es muss eine andere Erklärung dafür geben.<< Seline sah ihn skeptisch an und entgegnete: >>Weißt du, Russel, ich kenne dich - manchmal sogar besser, als mir lieb ist - und ich muss sagen, dass du als einziger in Frage kommen könntest, wenn es um den versuchten Mord am Drachenkaiser geht.<< In Russels Augen blitzte etwas auf. >>Du weißt genau, dass ich damit aufgehört habe als ich dich traf!<<, rief er wütend. >>Was? Womit hat er aufgehört?<<, fragte Ryu verwirrt. Russel, der inzwischen aufgestanden war, kniete sich vor Ryu nieder und sagte demütig: >>Verzeiht mir, Ryu, aber ich war einst ein Drachentöter. Ich tötete unzählige böse gewordenen Drachen.<< >>Was ist so schlimm daran?<<, fragte Lain. >>Nun, du kannst auch nicht einfach einen Menschen töten, wenn er kriminell geworden ist.<<, antwortete Damian. >>Oh, ach so.<< >>Steh auf!<<, sagte Ryu gereizt zu Russel. Der grünhaarige Kämpfer stand geknickt wieder auf. >>Woher kennt ihr euch?<<, fragte Ryu Seline und Russel. Beide sahen sich verächtlich an und Russel antwortete: >>Das ist eine lange Geschichte,...<< >>...die aber schnell erzählt ist.<<, warf Seline ein. >>Wir haben uns in einer Drachenhöhle getroffen. Ich kam gerade dazu, als er einen wilden Drachen getötet hat. Seitdem werde ich von dieser seltsamen Gruppe, diesen >Slayers< verfolgt. Und das ist alles Russels Schuld!<< >>Wieso das?<<, empörte dieser sich. >>Dieses seltsame Juwel, das du eingesteckt hast, ist daran schuld. Was war das überhaupt?<< >>Du meinst das?<< Russel zog eine bunte Kugel aus seiner Tasche und zeigte sie Seline. Die Kugel leuchtete in allen Regenbogenfarben und erhellte den Raum. Seline nickte und seufzend erzählte Russel: >>Das ist das Herz eines Drachen. Es ist wirklich sehr kostbar und kann magische Fähigkeiten um das hundertfache verstärken. Ich kam ins Land der Geflügelten, weil ich vorhatte das Herz hier zu verkaufen. Da niemand es wollte, bin ich durch Zufall in ein Turnier geplatzt. Da ich schon da war, dachte ich mir ich könnte auch gleich an dem Turnier teilnehmen; ich habe eh eine Bleibe und einen Job gesucht. Dann wurde ich durch meinen Sieg der Leibwächter der Prinzessin.<< >>Aber warum verfolgen die mich?<<, fragte Seline. >>Ich hab' so getan, als ob ich dir das Herz gegeben hätte, damit die mich in Ruhe lassen. Es hat auch ganz gut geklappt, bis der König herausgefunden hat, dass ich der grüne Lord bin. Dadurch sind einige der Slayers jetzt wieder auf mich aufmerksam geworden. Vielleicht kommt dieser >Doppelgänger< von denen?<< Seline schwieg und sah an Ryu vorbei. Er selbst fühlte sich komisch: jetzt hatte er seine Schwester (die er seit acht Jahren nicht mehr gesehen hatte) wiedergefunden und wusste nicht was er sagen oder tun sollte. Einerseits verachtete er sie, weil sie ihn allein gelassen hatte, aber andererseits liebte er sie. Sie war seine Lieblingsschwester, weil sie sich nichts vorschreiben ließ und ihr Leben so lebte, wie sie es wollte - und nicht wie andere es von ihr verlangten. Dabei hatte gerade dieser Lebensstil sie dazu gezwungen immer auf der Flucht zu sein. Dieser Gedanke brachte Ryu darauf, dass es ihm auch so gehen würde, wenn er nicht bald aus diesem Land herauskommen würde. Ryu verschränkte die Arme vor der Brust und sagte scharf: >>Leute, wir sollten demnächst gehen. Es wird Zeit, dass wir wieder nach Drakani kommen.<< Die anderen nickten. Seline sah zu Andre, der sich auf die letzte Stufe der Treppe gesetzt hatte. >>Wir werden nicht mitgehen. Wir bleiben hier noch eine Weile.<< >>Warum?<<, fragte Lionet ratlos über die plötzliche Kehrtwende von Seline. >>Das hat keinen besonderen Grund.<<, antwortete Seline ausweichend. Ein fataler Fehler von Seline, denn gerade dadurch wurde das Interesse der Gruppe geweckt. Maryl wollte zu einer weiteren Frage ansetzen, aber Ryu unterbrach sie: >>Egal. Wir müssen jetzt gehen. Vergesst nicht, dass ich in diesem Land nicht willkommen bin und wir mit zwei Flüchtenden hier sind. Wir sollten also versuchen einen Weg über die Grenze zu finden.<< Maryls Gesicht erhellte sich und munter sagte sie: >>Ich weiß einen Weg! Als kleines Kind habe ich mich oft über die Grenze geschlichen.<< >>Warum denn?<< >>Ich wollte so gerne einen echten Drachen sehen, aber mir ist nie einer begegnet.<< Seline sah Ryu deprimiert an und sagte stockend: >>Nun, dann trennen sich unsere Wege hier wieder. Sag' Joy schöne Grüße von mir. Leb' wohl.<< Seline drehte sich wieder um und lief hastig die Treppe hinauf. Ryu sah ihr schmerzerfüllt hinterher, aber immerhin war sein Zorn gegen sie verflogen. Er atmete tief ein und sagte: >>Gehen wir. Es wird Zeit. Maryl, führst du uns an die Stelle?<< Sie nickte. Die Gruppe verließ das Gasthaus ohne sich noch einmal nach Andre umzusehen. Maryl führte sie aus der Stadt hinaus. Entlang der Grenzmauer liefen sie zehn Minuten nach Westen, bevor Maryl stehenblieb und auf eine Stelle an der Mauer deutete, die mit Efeu überwuchert war. Russel zog die Efeuranken auseinander und ein großes Loch zeigte sich in der Wand. >>Hier bin ich immer über die Grenze.<<, sagte Maryl und man konnte deutlich den Stolz hören, der in ihrer Stimme mitschwang. Die Gruppe kletterte durch das Loch und Ryu sah sich auf der anderen Seite um. Kein Grenzposten war in der unmittelbaren Nähe zu sehen. >>Wir müssen nur Richtung Nordosten laufen, dann kommen wir zu einer Fähre, die uns nach Drakani bringt.<< >>Woher weißt du das so genau?<<, fragte Lionet. >>Ich war Prinzessin. Ich muss über alles informiert sein.<< Alle, bis auf Damian, grinsten und liefen in die angegebene Richtung. Russel lief neben Ryu und Damian her und dachte angestrengt über etwas nach. Lionet, Lain und Maryl liefen ein Stück hinterher und unterhielten sich über Dinge, die Ryu nicht interessierten. Russel verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf und sagte nachdenklich: >>Ob Seline weiß, dass dieser Andre zu den Slayers gehört?<< Ryu sah ihn erschrocken an. >>Andre gehört wirklich zu denen?<<, hakte er nach. >>Bist du dir ganz sicher?<< >>Sein Codename ist Gaia. Er ist einer der besten Auftragskiller, die es gibt. Mir scheint, er hat sich in Seline verliebt. Selbst der Stärkste wird schwach, wenn er sich in seinen Feind verliebt, nicht wahr?<< Weder Ryu noch Damian sagten etwas und schweigend liefen sie nebeneinander weiter. Die gedämpfte Stimme von Maryl klang nach vorne; wahrscheinlich erzählte sie gerade von Russel. Plötzlich trat Lionet neben Russel und lief schweigend neben ihm her. Russel drehte den Kopf und fragte: >>Is' was?<< Obwohl Russel noch nicht lange dabei war, wusste er sofort, dass etwas mit Lionet nicht stimmte; der sonst so fröhliche junge Mann war ernst und benahm sich sonderbar. Er schwieg und lief einfach stur immer weiter. Auf einmal krähte Lionet aus dem Hintergrund: >>Und dann kam da dieser große, schuppige, blaue Drache und hat mich in 'nen Eisklotz verwandelt!<< Russel lief langsamer und fragte Lionet, der neben Lain herlief: >>Hast du heute morgen in den Spiegel in der Taverne geschaut?<< >>Ja. Wieso?<<, fragte Lionet verwirrt. Russel nickte nach vorne. Lionet folgte seinem Blick und nach einem Augenblick wich jegliche Farbe aus seinem Gesicht und dem der Frauen. >>Was bedeutet das?<<,wisperte Lain entsetzt. Russel zog sein Schwert und lief langsam auf Lionets Doppelgänger zu. Dieser drehte sich um und sah Russel ausdruckslos in die Augen. Ryu und Damian waren ebenfalls stehengeblieben und sahen sich fragend nach den anderen um. Der Doppelgänger grinste, was aber eher an eine Grimasse erinnerte. Der Doppelgänger verschwand - und knapp eine Sekunde später erschien ein schuppiges, zweibeiniges Wesen mit einer Rüstung wie auch der Phönixritter sie getragen hatte. Das Wesen lachte rasselnd und sagte: >>Ich bin der Echsenritter und ich bin viermal stärker als der Phönixritter. Ihr werdet kein leichtes Spiel mit mir haben.<< Ryu hob die Hand mit dem glühenden Ring, aber Russel schmunzelte und entgegnete: >>Den besiegen wir auch so. Da brauchen wir unsere Ringe nicht oder Maryl?<< Sie nickte und stellte sich in Kampfposition. Was Ryu wunderte war, dass Maryl über keinerlei Waffe verfügte. Russel lachte durch die Nase und entgegnete auf Ryus stumme Frage: >>Sie braucht keine Waffe. Die Magie ist ihr Schwert.<< Ryu zuckte die Schultern und auch die anderen, bis auf Lionet zogen ihre Waffen. Ryu zog sein Schwert, Damian seinen Rapier und Lain die Peitsche, die sie von ihrem Vater bekommen hatte. Kühl sah der Echsenritter sie aus roten Augen an. Er zog ein Zweihänderschwert, das er locker in einer Hand hielt. Bevor noch einer der anderen reagieren konnte, lief Russel auf den Ritter zu und zog sein Schwert vor ihm runter. Doch der Echsenritter wich behende aus. Maryl schoss eine Feuerkugel auf den Ritter ab, der erneut auswich. Russel knurrte zornig und startete einen neuen Angriff, den der Echsenritter leichthändig konterte. Damian wagte ebenfalls einen Vorstoß , aber der Ritter packte Russel und warf ihn Damian entgegen. Damian taumelte und fiel nach hinten, während Russel mühsam seine Balance wiederfand. Maryl schoss noch eine Feuerkugel ab, aber wieder wich der Echsenritter aus und erschien diesmal hinter Lain. Reflexartig ließ sie hinter sich die Peitschenschnur durch die Luft knallen. Der Ritter packte lachend die Peitsche und zog Lain mit dem Rücken zu sich heran. Er legte seinen Arm um ihren Hals, um sie festzuhalten, riss ihr die Peitsche aus der Hand und warf diese fort. Lains Fingernägel gruben sich tief in die weiche, schuppige Haut des Ritters; die Haut gab nach wie ein Schwamm und auch die Stellen, die Lains Hals berührten fühlten sich an wie ein steiniger Schwamm und ließ Lain schaudern. Flehend blickte sie den Rest der Gruppe an. Lionet wich ein Stück zurück und fragte mit zitternder Stimme: >>Können wir nicht doch die Ringe benutzen? Bitte!<< >>Nein!<<, schnauzte Russel ihn an. >>Ich werde mir vor dem Salamander nicht so eine Blöße geben! Niemals!<< >>Aber Russel...<<, begann Ryu, wurde jedoch von Lains ersticktem Gurgeln unterbrochen als der Echsenritter den Druck auf ihren Hals verstärkte. >>Jetzt wäre es sowieso zu gefährlich.<<, sagte Russel. Ryu richtete seinen Blick wieder auf den dämonischen Ritter. Jede restliche Farbe war aus dem Gesicht des Drachenkaisers gewichen. Lionet rang flehend die Hände. >>Russel!<< Russel runzelte die Stirn hinter der er einen inneren Kampf ausfocht. Schließlich schüttelte er doch wieder den Kopf. >>Nein! Es ist viel zu gefährlich für Lain!<< Der Echsenritter lachte und verstärkte den Druck noch einmal. Lain spürte panisch wie ihre Kräfte erlahmten und ließ ihre kraftlosen Arme sinken. Der Ritter wandte seinen Blick nach rechts zu einem Vogel, der auf dem Rasen landete und zwitscherte. Russel erkannte seine Chance, stürzte vor und stach in den Arm des Echsenritters. Der Dämon schrie auf und ließ Lain los. Sie lief zu ihrer Peitsche und nahm diese wieder auf. Spielerisch ließ sie die Lederschnur durch die Luft knallen. Das überhebliche Grinsen des Echsenritters erlosch. >>Sterbt!!<< Er schoss einen grünen Energiestrahl auf Russel ab, der leichtfüßig auswich. Russel sprang erneut vor und zog sein Schwert über den Oberkörper des Echsenritters, aus dem sofort grünes Blut heraus schoss. Es verklebte Russels Haare und spritzte in seine Augen. Er schrie auf und versuchte das Blut aus seinen Augen zu reiben. Der Echsenritter holte zu einer neuen Attacke aus, aber bevor er angreifen konnte, schoss Maryl eine erneute Feuerkugel ab. Der Feuerball traf den Echsenritter völlig unvorbereitet und er ging in Flammen auf. Der Ritter stieß einen hohen schmerzenden Schrei aus und hatte sich binne fünf Sekunden in Asche verwandelt. Nur die schwarze Mithrilrüstung war noch völlig unberührt - abgesehen von dem Riss, den Russels Schwert darin hinterlassen hatte. Gedankenverloren steckte Ryu sein Schwert wieder ein, worauf auch die anderen ihre Waffen wieder einsteckten. Russel saß auf dem Boden und versuchte immer noch das grüne Blut aus seinen Augen zu wischen. Maryl kniete sich neben ihn und sagte: >>Komm! Hier in der Nähe ist ein Fluss; da kannst du deine Augen auswaschen.<< Sie half ihm hoch und führte ihn am Arm in Richtung Wald. Damian, Ryu, Lain und Lionet folgten ihnen langsam. Lionet runzelte die Stirn. >>Wie kam es eigentlich, dass Russel den Echsenritter verletzen konnte? Er trug doch immerhin eine Mithrilrüstung.<< Ryu sah auf Russels Schwert, das er aufgehoben hatte. Seltsame Zeichen waren darauf zu sehen. Zeichen, die Ryu seltsam vertraut vorkamen. >>Ahh, das ist die alte Schrift der Götter.<< >>Kannst du's lesen?<<, fragte Lain. >>Mehr oder weniger. Ich bin nicht ganz sicher, aber es heißt soviel wie >Nur der ... des Windes kann dieses Schwert führen<. Das eine Wort ist Sao; das kann ich nicht übersetzen. Ich vermute, dass es Lord heißen soll, aber die Sprache ist uralt.<< Die Gruppe schwieg und überlegte vor sich hin. Russel saß am Fluss und wusch sich mit Hilfe von Maryl das Gesicht und die Haare, wobei seine Kleidung völlig durchnässt wurde. Maryl lachte laut auf, worauf Russel sie spaßeshalber ins Wasser warf. Prustend tauchte sie wieder auf und fiel nach einigen Sekunden in Russels Gelächter mit ein. Damian schüttelte betrübt den Kopf und murmelte: >>Sowas von kindisch.<< Ryu, Lain und Lionet lächelten und schwiegen. *** Ignis sah auf die Holzhütte in der, der Göttliche sie aufhielt. Sie lächelte matt und überlegte sich im Stillen, wie sie Kai am besten töten könnte. Zwanzig ihrer Phantome erschienen aus dem Boden, obwohl es Tag war. Das hieß, dass die Macht des Bösen zugenommen hatte - und dieser Idiot von einem Menschenkönig half ihnen durch seinen Hass auch noch dabei!, dachte Ignis bei sich. Er hoffte dafür belohnt zu werden, aber natürlich würde Melzesa ihn trotzdem töten - denn immerhin war Luke nur ein schwächlicher Mensch. Ein Mensch, der nach Macht strebte, aber von dem vertrauten Dunkel hintergangen wurde. Ignis hob die Hand und deutete stumm auf die Hütte. Die Phantome verstanden und stürmten los. Kapitel 16: Besuch für Kai -------------------------- Sweety hob die Tasse mit dem Tee und trank einen Schluck. >>Das ist eine großartige Geschichte! Den Drachenkaiser kenne ich sogar persönlich, aber ich glaube durch die Umstände unsere Bekanntschaft kann er mich nicht so sehr leiden.<< Kai hörte ihr aufmerksam zu, während sie weiter erzählte und er Killey am Kopf kraulte. Sweety setzte die Tasse wieder ab und fragte: >>Willst du nicht bald aufbrechen?<< >>Morgen. Es wird schon dunkel.<< >>Das heißt du bleibst noch eine Nacht?<<, fragte sie begeistert. Kai nickte. Sweety lächelte, aber bevor sie noch etwas sagen konnte, stand Killey knurrend auf und auch Kai hob lauschend den Kopf. Das Geräusch von Schritten wurde vor der Hütte laut. Vorsichtig schlich Kai sich an eines der Fenster und spähte hinaus. Die Phantome von Ignis hatten die Hütte umstellt und die Feuerdämonin selbst konnte Kai in der hintersten Reihe entdecken. Sie winkte mit der Hand und eines der Phantome zog einen Bogen und einen brennenden Pfeil und schoss damit auf die Hütte, die sofort Feuer fing. Kai schüttelte missbilligend den Kopf und beschwor einen Wasserschwall, der das Feuer löschte. Noch ein Wink von Ignis und plötzlich brannte die gesamte Hütte. Kai fluchte und zog Sweety aus der Hütte nach draußen. Starr ließ sie sich mitschleifen. Tapfer folgte Killey ihnen, obwohl er das Feuer scheute. Ignis grinste böse, als sie Kai entdeckte und lief auf ihn zu. >>So, so, so. Unser lieber Kai scheut das Feuer. Ich sage dir etwas: wenn du dich uns anschließt, wird dir nichts passieren, aber wenn du dich verweigerst - werden wir dich töten!<< Kai schwieg und Ignis fuhr fort: >>Keine Antwort ist auch eine Antwort. Stirb!<< Ignis schoss eine Feuersäule auf Kai ab. Er wurde an den Rand der Klippe geschleudert und blieb benommen liegen. Die Verbrennungen auf seinem Oberkörper taten höllisch weh und raubten ihm fast die Sinne. Kai spürte wie Ignis näherkam und ihre verächtlichen Blicke sich durch seinen Körper bohrten. Sie hob ihren Fuß und trat mit ihrem spitzen Absatz auf Kais Hand. Er schrie auf und versuchte seine Hand wegzuziehen, was jedoch ein unmögliches Unterfangen war. Ignis lachte teuflisch. Kai konnte das Lodern des Feuers sehen und die schier unerträgliche Hitze in der Abendluft spüren. Die Phantome gaben hohe, unmenschliche Laute von sich. Killey bellte wütend. Das alles schien Kai wie ein böser Traum aus dem er nicht erwachen konnte; egal, was er versuchte. Ignis nahm ihren Fuß von seiner Hand, die angefangen hatte zu bluten. Kai wollte sich aufsetzen, aber eines der Phantome drückte seinen Oberkörper auf den Boden zurück, was ihn wieder an seine Verbrennungen erinnerte. Von grauenhaften Schmerzen gepeinigt stöhnte er auf, als plötzlich ein Schrei von Sweety laut wurde. Eine innere Wut erfüllte Kai plötzlich, als er den Schrei hörte. Das Wappen auf seiner Stirn begann zu leuchten. Erst glühte es matt und strahlte dann immer heller. Schließlich überstrahlte das grelle, weiße Licht das ganze Gebiet. Die Phantome lösten sich auf und Ignis wich ängstlich zurück. >>Was ist das?<< Der Himmel hatte sich ebenfalls weiß gefärbt. Ignis fluchte und verschwand auf einmal. Kai setzte sich auf und sah sich um. Sweety lag reglos auf dem Boden. Killey lag neben ihr, aber sein Schwanz wedelte unablässig. Das Licht erlosch und da erschien wieder ein kleiner Lichtgeist. Kai sah das kleine Wesen, das sich in eine kleine Fee verwandelte, fragend an. >>Es tut mir leid, aber Sweety ist tot.<<, sagte das kleine Wesen. >>Ich komme zu spät.<< Kais Blick wanderte zu Sweetys Körper und betrübt sagte er: >>Mach dir nichts daraus. Sie war ein Mensch. Früher oder später wäre sie sowieso den Weg alles Sterblichen gegangen.<< >>Harte Worte, Göttlicher. Bist du sicher, dass du das sagen wolltest?<< >>Nein, aber das tut jetzt nichts zur Sache. Was muss ich als nächstes tun?<< Die Nacht war inzwischen hereingebrochen und das kleine Feenwesen leuchtete immer heller. >>Deine nächste Aufgabe ist es, nach Norden zu reisen: in das Land Drakani. Suche dort den Drachenkaiser auf und kämpfe an seiner Seite gegen Melzesa. Viel Glück!<< Der Lichtgeist verschwand. Kai stand auf und trat neben Killey. Der Schwarzwolf winselte und leckte über Kais herunter hängende rechte Hand. Kai kniete sich nieder und fuhr ihm mit der Hand über den Kopf. Er schloss die Augen und dachte nach. *** Ryu und Russel blickten auf, als der Himmel völlig weiß wurde. Das Wasser wurde stürmischer und plötzlich spürte Ryu die Energie, die ihm so aus seinen Träumen bekannt war: die Energie des Göttlichen. Eine Lichtsäule schoss im Osten in den Himmel. Lain klammerte sich fester an die Reling und blickte ebenfalls nach Osten. Eine seltsame Wärme ging von diesem Licht aus, aber Lain spürte noch etwas anderes; den Aufschrei einer gequälten Seele. Irgend etwas versuchte sie zu zwingen ins Wasser zu springen und zu diesem Licht zu schwimmen. Etwas, was stärker als sie war. Zitternd stellte sie ihren rechten Fuß auf das Geländer der Reling und wollte den anderen nachziehen, aber plötzlich packte sie jemand am Arm und riss sie in die Wirklichkeit zurück. Das Licht erlosch. Der Drang über Bord zu springen verschwand und Lain wandte den Kopf. Maryl hatte sie am Unterarm gepackt und zurückgehalten. Lain stieg peinlich berührt von der Reling und entschuldigte sich bei Maryl, die abwinkte: >>Kein Problem. Wir müssen zwar schnellstmöglich nach Drakani, aber so sehr brauchst du dich nicht zu beeilen.<< Lain lächelte unsicher und sah wieder zu der Stelle an der der Lichtstrahl erschienen war. Sie verspürte immer noch die tiefe Sehnsucht nach der Person, die dort gewesen war, aber nichts zwang sie mehr einfach ins Wasser zu springen. Maryl führte Lain unter Deck. Ryu sah auf das Display des Drachenauges, wo inzwischen auch ein blassgrüner Punkt zu erkennen war. >>Der Göttliche.<<, murmelte Russel. >>Er ist tatsächlich gekommen. Nun werden wir den Krieg gewinnen.<< >>Bist du sicher?<<, fragte Damian zweifelnd. >>Es gibt immer noch zwei Ritter, die an Lukes Seite kämpfen.<< >>Unser wahrer Feind ist Melzesa. Deswegen schlage ich vor, wir begraben unsere Streitigkeiten vorerst einmal.<< Damian nickte und sah wieder nach Osten. *** Kai rammte das improvisierte Holzkreuz in die frisch aufgewühlte Erde. Killey winselte wieder leise. Kai ließ sich neben ihn fallen und strich über seinen Kopf. >>Komm schon! Du hast gesagt, dass du sie nicht magst.<<, flüsterte Kai. >>Schon, aber das ist alles so traurig. All die Opfer sind völlig umsonst. Kai, du musst das alles beenden. Räche dich!<< Rache? Kai lachte auf. >>Rache bringt niemandem etwas. Sie verzehrt nur dein Herz und deine Macht, die du für den Schutz derer, die du liebst verwenden solltest.<< >>Das sind Nelons Worte oder?<< >>Nelon ist ein Teil von mir - und ich bin ein Teil aller Götterdrachen.<< Kai stockte und fragte dann: >>Sag mal, Killey, wenn alle Tiere richtig reden können, warum einige wenige, so wie du, nicht?<< >>Ich weiß es nicht. Vielleicht kommt es auf den Willen des Tieres an. Du solltest dich langsam auf den Weg machen.<< Kai nickte und stand auf. >>Lass uns gehen.<< Kapitel 17: Trauer um Lionheart ------------------------------- Der Lichtgeist kehrte in das Eisschloss am Südpol zurück. Der weiße Drache blickte auf. >>Du bist also auch wieder da. Nun beeile dich. Erstelle den Ausgleich für die Drachenarmee.<< Der Lichtgeist zirpte und begann eine Figur zu erschaffen. Es wurde eine große, schlanke Frau mit platinblonden Haaren und einem weißen Kleid, das als Uniform dienen sollte. Der Lichtgeist schwebte in ihren Körper, um ihre Seele zu ersetzen. Sie öffnete ihre blauen Augen und sah den Lichtdrachen an. Der weiße Drache Jewel nickte wohlgefällig. >>Eine Frau? Genau das Richtige für unseren Drachenkaiser.<< Sein Blick wanderte zu dem Mann in der weißen Uniform neben der Frau und sagte zu ihm: >>Alexis, du gehst zu König Luke und wirst ihm dienen. Es ist unsere Pflicht beide Seiten zu unterstützen. Alexis nickte und verschwand. >>Ich werde dir den Namen Fleera geben. Das bedeutet bei uns >Licht<.<< >>Mir soll es recht sein.<<, sagte die Frau gehorsam. >>Gut. Gehe nach Drakani und suche Kaiser Ryu auf. Er wird wissen, was zu tun ist.<< Fleera nickte. >>Sehr wohl.<< Damit verschwand auch sie. *** Die Gruppe um den Drachenkaiser erreichte die Hauptstadt nur wenige Tage nach diesem Vorfall. Noch bevor sie überhaupt zu Atem kommen konnten, hatte Argus sie gebeten, in der Bibliothek, die an einen gemütlichen Sitzbereich angrenzte, Platz zu nehmen. Maryl ließ sich tiefer in den Sessel sinken. >>Tut das gut nach der langen Reise.<< Russel und Lain stimmten ihr zu. Argus betrat den Raum und sah sich die vielen fremden Gesichter genau an. >>Wo ist Lionheart?<< >>Ist er denn nicht hier?<<, fragte Ryu verwundert.>>Wir haben ihn schon vor einigen Tagen zurück nach Hause geschickt.<< >>Seltsam. Die Grenzposten haben nicht gemeldet, dass er zurück nach Drakani gekommen ist. Irgendwie wundert mich das.<< Die Tür öffnete sich erneut und ein bleicher Soldat kam herein. >>Lord, Kaiser Ryu, soeben haben wir Dracon Lionheart gefunden.<< >>Wo ist er?<< Der Soldat schluckte und winkte jemanden herein. Zwei andere Soldaten betraten den Raum und zwischen sich trugen sie - >>Oh, mein Gott!<<, entfuhr es Ryu. >>Lionheart!<< Jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht und stattdessen überkam ihn eine heiße Welle von Übelkeit. Aus den Augenwinkeln sah er, dass es den anderen ähnlich erging. Lionheart war tot - aber er war nicht irgendwie gestorben: etwas oder jemand (nein, Ryu wollte gar nicht glauben, dass eine Person zu so etwas fähig wäre) hatte ihm eine Verletzung in der Magengegend zugefügt, um ihn kampf- und fluchtunfähig zu machen, hatte dann sein Herz herausgerissen und das Blut über sein Gesicht verteilt. Dazu waren Lionhearts Augen im fassungslosen Entsetzen geweitet, als hätte er nicht glauben können, was geschah. Ryu atmete tief durch, um die Übelkeit niederzuringen. Ihm gelang es zwar, aber Lain schlug sich die Hand vor den Mund verließ hastig den Raum. Damian dagegen sah sich Lionheart eingehend an. >>Wer könnte so etwas tun?<< >>Der Salamander<<, sagte Russel. >>Das war ein Ritualmord, den nur wenige Dämonen ausüben. Seit Luzifers Zeiten ist so etwas nur bei den Echsen-Rittern wieder vorgekommen.<< >>Zum Glück haben wir ihn getötet.<< >>So kannst du das nicht sagen, Damian.<<, erwiderte Russel. >>Vielleicht hat er den Tod auch gar nicht verdient? Wer kann das schon so genau sagen?<< Damian wollte zu einer scharfen Bemerkung ansetzen, als er plötzlich auffuhr und fast flehend fragte: >>Habt ihr in Lionhearts Nähe auch einen Schwarzwolf gefunden?<< Die Soldaten schüttelten ihre Köpfe. >>Nein. Sonst war niemand da.<< Damian senkte seinen Kopf und verließ ebenfalls den Raum. Russel sah Ryu an und fragte: >>Was denn für ein Schwarzwolf?<< >>Er war Damians bester und wahrscheinlich einziger Freund. Er hat ihn extra mit Lionheart nach Hause geschickt, damit ihm nichts passiert.<< >>Das ist so grausam.<<, ließ Maryl sich vernehmen. Russel nickte. Ryu gab den Soldaten einen unverständlichen Befehl in der Drachensprache, worauf die Männer Lionheart wieder hinaus trugen. Ryu ließ sich in den Sessel fallen und unterdrückte mühsam die Tränen, die in ihm hochstiegen. Argus schluckte und fragte: >>Wird das die Sache verkomplizieren oder...?<< Russel schüttelte den Kopf. >>Alles, was wir jetzt tun können, ist warten. Einfach nur warten.<< *** Kai lief langsamer und fragte: >>Ist das da vorne die Grenze?<< >>Ja.<< >>Ich brauche einen Ausweis. Wo kriegen ich den her?<< >>Schau in deine Brusttasche.<<, schlug Killey vor. Kais Hand wanderte an seine Brust plötzlich sah er ein Schlachtfeld vor seinem inneren Auge, fühlte die Überraschung, als er keine Wunde fand und spürte ein Kribbeln in seinen Beinen. Eine Stimme drang aus der Ferne und holte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. >>Kai, ist alles in Ordnung?<<, fragte Killey. >>Hä? Ja,... ja, alles klar.<<, antwortete Kai hastig. Er zog den kleinen Pass aus der Brusttasche und sah hinein. >>Da braucht man ja eine Lupe und ein Wörterbuch, um das zu lesen.<< Er atmete noch einmal tief durch und lief dann weiter an die Grenze. Zwei Soldaten hielten ihn auf und fragten: >>Stopp! Haben Sie einen Ausweis?<< Kai nickte und übergab seinen Pass. Er hoffte, dass den Soldaten das Zittern seiner Hand nicht auffiel. Die Soldaten beugten sich über den Pass und studierten ihn ausgiebig. Kai wurde immer nervöser. Aber schließlich, nach fast endlosen drei Minuten, gaben die Soldaten ihm den Pass zurück und ließen ihn und Killey durch. Kai atmete auf, als er auf der anderen Seite der Grenze war. Von der Straße, auf der er stand, konnte er in den Talkessel sehen, in dem die Stadt Ektorn lag. Die Stadt schien das gesamte Tal einzunehmen und Kai fiel sofort auf, dass alles, was technischen Wert hatte, in dieser Stadt gesammelt war. Es war die scheinbar vorerst letzte Techno-Stadt der Menschen. >>Auf der anderen Seite des Tales wird sich also mein Schicksal erfüllen.<<, sagte Kai tonlos, worauf Killey nickte. Kai wandte den Blick von der Stadt und zentrierte ihn auf die Berge von Drakani. >>Dann sollten wir keine Zeit verschwenden.<< *** Ryu stand auf dem Balkon des kaiserlichen Zimmers und sah in die Abenddämmerung. Stumme Tränen liefen über sein Gesicht, während er über Lionheart nachdachte. Was mit dem jungen Leibwächter geschehen war, war seine, Ryus Schuld, gewesen. Hätte er Lionheart nicht gedrängt auf diese gefährliche Suche mitzugehen, wäre ihm das nicht passiert. Aber Ryu hätte früher, in seiner eingeschränkten, naiven Denkweise, nie geahnt, dass es Monster gab, die stärker als Lionheart wären. Die Nacht hatte eingesetzt. Millionen von Sternen glitzerten am Himmel. Ein gespenstisches Licht fiel auf den unbeleuchteten Balkon. Leise Stimmen aus der Stadt wurden vom Wind zu Ryu hochgetragen. Klagelieder für Lionheart erklangen vom Friedhof in der Nähe und der scharfe Geruch von verbranntem Fleisch drang in seine Nase. Bei den Drachenmenschen war es üblich die Toten zu verbrennen, damit ihre Seelen so schnell wie möglich sich einen neuen Körper suchen und sofort reinkarniert werden konnten. >>Tapfer und stark hielt er allem stand...<<, sangen die trauernden Drachenmenschen mehrstimmig, teils in der Menschensprache und teils in der Drachensprache: >>Nume ne na ka gi dor ete...<< Die Glocke des Priesters erklang und unterbrach den Gesang; das Begräbnis war beendet. Die Bewohner liefen laut klagend nach Hause und Ryu hätte schwören können, dass mehr als einmal sein Name fiel. Vielleicht hatte der rote Drache auf dem südlichen Kontinent recht gehabt, überlegte Ryu. Vielleicht werde ich wirklich so wie mein Vater es war. Eine Wolke schob sich vor den Mond und tauchte den Balkon in völlige Finsternis. Als die Wolke wieder verzog, sagte die Stimme einer Frau zu Ryu: >>Nein, Kaiser Ryu. Ihr seid nicht so wie Euer Vater - und Ihr werdet auch nie so werden.<< Ryu wandte den Kopf und sah die Frau an. Ihre Haut war weiß und schien völlig aus Mondlicht zu bestehen, genau wie das Kleid, dessen fließender Stoff sich an ihren Körper schmiegte. Ihre platinblonden Haare leuchteten im fahlen Mondlicht und ließen den Himmelskörper selbst verblassen. Das Drachenauge im Zimmer piepste schrill, aber Ryu brauchte keinen Detektor, der ihm sagte, dass diese Frau die weiße Lady war. Ein so elfenhaftes Wesen hatte der Drachenkaiser noch nie gesehen. So anziehend und abstoßend zugleich. Anziehend durch ihre Schönheit und abstoßend durch die, von ihr ausgehende, Kälte. >>Verzeiht meine Unhöflichkeit, mein Kaiser.<<, begann die weiße Lady. >>Mein Name ist Fleera. Ich wurde von Jewel, dem Drachen des Lichtes, zu Euch geschickt, um Euch und Eure Truppe im Kampf zu unterstützen. Nehmt Ihr meine Hilfe an?<< Ryu nickte. >>Ja, natürlich.<< Fleeras Augen weiteten sich erstaunt. Es war das erste Mal, dass eine Lichtelfe Emotionen zeigte - und es sollte nicht das letzte Mal sein. Sonst waren sie bekannt dafür kühl und uninteressiert zu sein. >>Ihr habt nichts dagegen, Kaiser?<<, fragte sie. >>Wieso sollte ich?<<, entgegnete Ryu verwundert. Fleera sah ihn nur fassungslos an und da fiel ihm auch wieder ein, was für ein Theater er bei Lain und dem roten Drachen gemacht hatte. >>Was soll's?<<, meinte Ryu. Fleera seufzte theatralisch und fragte gespielt verzweifelt: >>Warum bin ich dann überhaupt hier? Ich vergeude nur meine Zeit.<< Ryu lächelte, aber Fleera wurde wieder ernst: >>Ich werde also nun mein Zimmer aufsuchen. Bis morgen früh.<< Fleera ging durch Ryus Zimmer und verließ dieses durch die Tür. Sie schien mehr zu schweben, als zu laufen. Ryu blinzelte verwirrt, zuckte die Schultern und beschloss dann ins Bett zu gehen. Morgen würde wahrscheinlich alles in einem anderen Licht erstrahlen - so wie immer. Kapitel 18: Die Ankunft des Göttlichen -------------------------------------- Ryu stand am Fenster und sah hinaus. Er wartete auf Fleera, die immer noch nicht aufgetaucht war. Er hatte den anderen noch nichts davon erzählt, weil er befürchtete alles nur geträumt zu haben. Plötzlich öffnete sich die Tür und nun war Ryu sich sicher, dass er nicht geträumt hatte, denn: Fleera kam gut gelaunt herein und sah sich interessiert um. Sie lächelte und fragte: >>Na, was machen wir heute?<< Russel hatte sich als erstes wieder im Griff und fragte: >>Seid Ihr die weiße Lady oder was macht Ihr in diesem Schloss?<< >>Ich bin Fleera, die weiße Lady.<< Ryu sah auf die Uhr, die inzwischen elf anzeigte. Er grinste und fragte: >>Sagt mal, Lady Fleera, sagtet Ihr gestern nicht >bis morgen früh>Im Prinzip wurde ich erst gestern geboren, also bin ich noch ein Baby. Im Gegensatz zu meinem Gegenstück Alexis bei den Menschen.<< >>Warum hat der Lichtdrache jemanden zu den Menschen geschickt?<<, fragte Maryl. Bevor Fleera antworten konnte, tat Russel dies: >>Als die Welt erschaffen wurde schlossen das Licht und die Dunkelheit einen Pakt, damit niemand die Kräfte ins Ungleichgewicht bringen konnte: zum Beispiel durfte es nur soviele Schwarzmagier geben, wie es Weißmagier gab. Das bedeutet, dass die Kräfte immer genau gleich verteilt werden müssen. Darum muss der Lichtdrache an beide Seiten einen Kämpfer schicken und zwar einen, der die Gruppe ausgleicht. In unserem Fall ist es eine Frau, weil wir mehr Männer sind.<< >>Ja, aber ich glaube kaum, dass bei Luke eine Frau im Krieg mitmischt.<<, sagte Damian. Maryl sah Russel an und fragte: >>Woher weißt du das alles?<< >>Das...erzähle ich dir ein andermal.<<, antwortete er ausweichend. Fleera klatschte in die Hände. >>Sehr gut, Russel. Das hätte ich selber nicht besser erklären können.<< Damian stand aus dem Sessel auf und richtete sein Wort an Fleera: >>Entschuldigt, aber was ist jetzt mit dem Göttlichen?<< Fleera sah ihn als wüsste sie nicht wovon er redete, aber schließlich wurde sie wieder ernst und antwortete: >>Also, wir müssen alle zusammen an einen Beschwörungsort gehen und unsere Kräfte bündeln. Jewel sagte, dass dann der Göttliche erscheinen - und mit gleißendem Licht die Dunkelheit vertreiben wird.<< >>Wo gibt es einen Beschwörungsort?<<, fragte Ryu. >>Davon habe ich noch nie gehört.<< Fleera überlegte kurz und antwortete: >>Nordöstlich von hier gibt es einen. Wir sollten uns auf den Weg machen, um ihn zu suchen.<< *** Kai kletterte auf den Fels und ließ sich auf der anderen Seite vorsichtig wieder hinab. Er hatte inzwischen mehr als die Hälfte des Tales hinter sich gebracht, aber es lagen noch viele Meter vor ihm. Killey keuchte und kam Kai nur mühsam hinterher. >>Können wir nicht eine Pause machen?<<, fragte der Schwarzwolf. >>Nein! Ich spüre, dass ich bald gerufen werde. Wir müssen weitergehen. To na!<< >>Sei stark? War klar, dass das von dir kommt.<< Killey hörte auf zu jammern und folgte Kai nun wortlos. Kai nahm die Anstrengungen, die er hatte, nicht wahr. Er fühlte sich wie betäubt. Plötzlich färbte sich der Himmel völlig schwarz und kurz darauf schoss eine Lichtsäule in den Himmel. Die große Säule hatte sieben verschiedene Farben: rot, violett, schwarz, blau, grün, gelbgold und weiß: die selben Farben, die er im ersten Göttertempel gesehen hatte. Etwas zwang Kai auf direktem Wege zu dem Ursprung dieses Lichtes zu gehen. Er lief einen Schritt vor. Der Schritt endete im Nichts, aber bevor er stürzen konnte, packte Killey ihn an seiner Jacke und zog ihn mühsam zurück. Kai stürzte und fiel auf den Rücken. Das Licht verschwand und auch der geheimnisvolle Drang einfach loszulaufen. Killey stupste ihn mit der Schnauze an und fragte: >>Was ist los?<< >>Ich...ich weiß es nicht genau. Killey, wir müssen zu diesem Licht - sofort.<< >>Aber das geht nicht.<< Zitternd hob Kai seine rechte Hand mit dem Ring und sah ihn sich an. Ein Licht war in dem blassgrünen Stein zu erkennen. Kai wollte genauer hinsehen, aber das Licht schloss sich schon um Kai und Killey und sie verschwanden. *** Die Gruppe hatte ihre Kräfte gebündelt. Als das Licht wieder erlosch sahen sie - >>Nichts.<<, sagte Lionet enttäuscht. Russel setzte sich mit Maryl auf die Stufen des Beschwörungsortes und seufzte. >>Was machen wir jetzt?<<, fragte Ryu. >>Warten.<<, antwortete Fleera gleichgültig. >>Mehr können wir sowieso nicht tun. Er wird schon kommen. Vertrau' mir.<< Fleera setzte sich neben Russel und nach anfänglichen Zögern, setzte sich auch der Rest dazu. Schweigend saßen sie nebeneinander und starrten nach Westen. In der Ferne konnte man die Stadt mehr erahnen, als erkennen. Russel wollte etwas sagen, als plötzlich wieder ein Licht erstrahlte. Die Gruppe stand auf und sah in das Licht. Nach ein paar Sekunden wurde das Licht blasser, bis es schließlich ganz verschwand. Zum Vorschein kamen ein Schwarzwolf und ein junger Mann: Killey und Kai. Damian schüttelte ungläubig den Kopf und fragte: >>Killey, bist du das?<< Der Schwarzwolf sah zu Kai hoch, der wiederum nickte. Langsam lief Killey auf Damian zu und winselte. Der Schwarzmagier strich dem Wolf immer noch ungläubig über den Kopf. >>Was ist passiert?<< Statt Killey antwortete Kai: >>Killey und Lionheart wurden von dem Echsen-Ritter angegriffen. Dein Wolf konnte schwerverletzt entkommen. Ich traf ihn bei Sweety.<< Ryu überwand seine Überraschung und fragte: >>Sweety? Was ist mit ihr?<< >>Sie...ist tot. Ich konnte sie nicht beschützen.<< Fleera trat vor, kniete sich nieder und sagte demütig: >>Göttlicher, wir haben dich gerufen, weil...<< Kai gähnte laut und sagte: >>Ich denke, ich sollte mich vorstellen: mein Name ist Kai. Ich bin - wie nanntet Ihr mich? - der Göttliche.<< Die Gruppe sah ihn schweigend an. Nun war endlich der Moment gekommen auf den alle gewartet hatten und keiner wusste, was er sagen sollte. Ryu fasste sich an die brennende Stirn, um irgend etwas zu tun. Lain verspürte den Drang loszulaufen und Kai um den Hals zu fallen. Der Göttliche hatte etwas an sich, das ihn in Lains Augen einfach liebenswert machte. Maryl und Fleera fühlten jedoch anscheinend nicht so. Kai lächelte sanft über die Szene, was seinem Gesicht einen Heiligenschein zu verleihen schien. Fleera stand auf und sagte beschämt: >>Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll. Ihr seid so anders, als Ihr immer beschrieben wurdet.<< >>Ich kann nichts dafür. So bin ich nun mal.<< Russel und Maryl rangen sich zu einem Lächeln durch und Russel fragte: >>Wollen wir nicht lieber wieder nach Drakani? Es wird langsam kalt.<< Kai nickte und folgte den anderen zur Hauptstadt. Russel, Maryl, Lionet und Rena liefen neben Kai her, während Ryu, Damian und Fleera leicht konfus vor ihnen herliefen. In keiner Legende war je die Rede davon gewesen, dass der Göttliche so jung war. Aber was anderes hatten sie denn erwartet? Einen alten, blinden Greis? Russel sah Kai von der Seite an und fragte: >>Sag mal, woher kommst du eigentlich? Ich kann deine Kleidung beim besten Willen nirgends einordnen.<< >>Ich weiß es selber nicht genau. Ich weiß nicht einmal, wo mein Ursprung - also mein Erwachen - war. Aber ich weiß, was ich hier tun soll und das ist alles, was zählt.<< >>Was denn?<<, fragte Maryl. >>Ich bin hier, um den Dämon Melzesa zu zerstören. Er hat die Menschen benutzt, um seine Bedürfnisse zu erfüllen: die Zerstörung des gesamten Universums.<< >>Verstehe. Aus dem Grund bin ich auch hier.<<, sagte Russel. Kai sah Russel abschätzend an und wandte dann den Kopf zu Lionet, der angesetzt hatte etwas zu sagen, bei Kais Anblick aber schwieg und den Kopf senkte. Den Rest des Weges schwiegen alle. *** Argus sah sich Kai eingehend an und meinte: >>Ich habe mir den Göttlichen etwas größer vorgestellt. Nun, gut, das tut jetzt nichts zur Sache. Wir brauchen jetzt nur noch einen Plan, um die letzten zwei Krieger zu töten.<< >>Es wird nicht leicht sein, Alexis zu töten.<<, erwiderte Fleera. >>Immerhin ist er ein Geschöpf des Lichts - genau wie ich.<< >>Überlasst ihn mir.<<, sagte Russel aus dem Hintergrund der Bücherregale. Alle Köpfe wandten sich zu ihm und sahen ihn erstaunt an. >>Ich denke, dass ich ihn zumindest solange aufhalten kann, dass ihr Melzesa töten könnt.<< >>Sollte nicht eher Damian das tun, denn immerhin ist er...<<, begann Maryl, wurde jedoch unsanft von Fleera unterbrochen: >>Das ist kein Problem. Russel ist stark genug und für Damian habe ich außerdem schon eine andere Verwendung.<< >>Welche denn?<<, fragte er. >>Du wirst gegen den Drachentöter Reuten kämpfen. Das ist die ideale Partie und Damian kann dabei nur gewinnen, denn er ist viel stärker.<< Damian lächelte etwas verlegen und streichelte sanft über Killeys Kopf. >>Ich glaube, wir sollten uns jetzt mal trennen, damit jeder seinen eigenen Hobbys nachgehen kann. Vielleicht sollte jemand Kai herumführen.<<, schlug Fleera vor. >>Ich mach's.<<, erklärte Lain sich bereit. Fleera nickte dankbar und scheuchte alle aus der Gruppe außer Ryu aus dem Zimmer. Er stellte sich neben das Fenster und sah auf den Marktplatz hinunter. Er hörte wie Argus hereinkam und drehte sich um. Der kaiserliche Berater trug ein Schwert, das Ryu sofort als das von Lionheart wiedererkannte. Es hatte kleine Drachenflügel am Griffübergang und ein blaues Juwel am Griffende. >>Das ist ein Drachenschwert.<<, sagte Ryu ungläubig. Argus nickte. >>Es wurde von den alten Drachenmagiern aus purer Magie gefertigt. Wenn es von der richtigen Person genutzt wird, kann es unglaubliche Kräfte entwickeln. Lionheart schien jedoch nicht der richtige zu sein. Ich möchte, dass Ihr es vorerst nehmt, Kaiser Ryu.<< Ryu nickte zögernd und nahm das Schwert an sich. Es fühlte sich kalt an - genau wie jedes andere Schwert, das Ryu je gehabt hatte. >>Es gibt nur drei Drachenschwerter und die zwei anderen sind verschwunden. Ich frage mich wo Lionheart es herhat.<<, sagte Argus. >>Hat Lionheart Familie?<<, fragte Ryu tonlos. >>Ja, einen Bruder. Er erwägt übrigens Euch vor den Scharfrichter bringen zu lassen.<< >>Ich kann ihn verstehen. Mir würde es an seiner Stelle nicht anders gehen. Aber wir sollten uns lieber darauf konzentrieren den Träger des Schwertes zu finden.<< Argus nickte und verließ das Zimmer, um Nachforschungen zu betreiben. Ryu sah erneut aus dem Fenster. Auf dem Marktplatz konnte er inzwischen auch Lain, Kai und Lionet erkennen. Es schien, als ob sie sich dazu entschlossen hätten die ganze Stadt in weniger als einer Stunde zu erkunden und bei dem Tempo, das sie vorlegten, könnten sie es sogar schaffen. Ryu lächelte unmerklich und spürte selbst von hier oben die Energie, die von Kai ausging. Es war nicht so, dass Kai irgendwie besonders stark wäre, nein, er hatte einfach etwas an sich - und plötzlich fiel es Ryu, wie Schuppen von den Augen, während er darüber nachdachte: Es war Kais Wissen, das Ryu so verwirrte. Diese unglaublich alte Wissen, das in Kais Augen lag, in jedem seiner Worte mitschwang. Diese Wissen, das gleichzeitig so wunderbar - und doch so grausam war. Ob Kai wirklich wusste, worauf er sich bei diesem Krieg eingelassen hatte? Die kleine Gruppe verschwand aus seiner Sicht. Ryus Stirn begann wieder zu brennen und plötzlich wünschte er sich sein altes, langweiliges Leben wieder zurück. Wie sehr er es doch vermisste! Oft merkte man erst wie sehr man etwas mochte, wenn man es nicht mehr hatte. Ryu lachte leise über diese Ironie und verließ den Raum. Kapitel 19: Die Wahl des Drachenschwertes ----------------------------------------- Kai öffnete langsam seine Augen und sah sich um. Er lag in seinem Zimmer im Kaiserpalast und überlegte noch einmal, was er hier machen sollte. >>Ach, ja, Melzesa, Ignis...irgendwie muss ich sie besiegen.<<, murmelte er vor sich hin. >>Aber Nelon sagt, dass ich sie nur versiegeln darf. Sonst kommen sie in doppelter Ausführung zurück. Dämonen sind schon sonderbar.<< Er stand auf und zog sich langsam an. Gemächlich verließ er das Zimmer und hätte dabei beinahe Lain, die gerade vorbeiging, mit der Tür getroffen. Sie lachte leise. >>Selbst, wenn du dich gemütlich gibst, kannst du Leute verletzen.<< Kai grinste verschmitzt und entgegnete: >>Das ist mein angeborenes Talent. Gut, nicht?<< >>Für deine Mitmenschen eher nicht. Gehen wir in der Stadt frühstücken?<< >>Nur wir beide?<< Sie nickte. >>Wunderbar! Gehen wir?<< Lain hakte sich bei Kai unter und ging mit ihm in das Frühstückscafé in der Stadt. Es waren nicht viele Tische besetzt, was daran lag, dass die Drachenmenschen keinen geregelten Arbeiten nachgingen. Entweder arbeitete man zu Hause oder im Palast. Und die Arbeiter im Palast hatten ihre Arbeit schon vor wenigen Stunden aufgenommen.<< Lain kaute genussvoll ihr Brötchen, während Kai nicht ganz bei der Sache war. Seine Augen wanderten von ihren schönen, glatten, dunkelroten Haaren zu ihren schmalen Händen, die das Brötchen hielten. Er verspürte plötzlich den innigen Wunsch diese junge Frau, die ihm da gegenüber saß zu umarmen und den Krieg zu vergessen. Kopfschüttelnd verwarf er den Gedanken wieder. Sie lächelte ihm zu, was er mit einem herzlichen Lächeln erwiderte. Ob das Liebe war? Das Gefühl, das jeder junge Mensch so herbeisehnte, um dann darin zu versinken? Lain setzte an, um etwas zu fragen, zögerte und fragte dann: >>Sollten wir nicht langsam zurückgehen?<< Kai nickte. Gemeinsam verließen sie das Café und liefen langsam zum Palast zurück. Die Straße war nun etwas belebter. Wie am letzten Tag wurden beide neugierig beäugt. Unter den Passanten konnte Kai Dracon Lionhearts Bruder entdecken. Lionel Lionheart sah mißmutig zu den beiden hinüber. Lain blickte unsicher zurück und fragte: >>Ist das nicht der Bruder von Ryus früherem Leibwächter? Ich glaube, ich verstehe wie er sich fühlt. Warum jemand wie Dracon Lionheart wohl sterben musste?<< >>Gott wird einen Grund dafür gehabt haben.<<, antwortete Kai trocken. >>Wie meinst du das?<<, fragte Lain. Kai sah sie an, als ob er nicht glauben könne, was er da hörte. >>Ich meine es so, wie ich es sage. Jedes Wesen hat eine bestimmte Bedeutung. Für manche mag ihr Leben sinnlos erscheinen, aber es gibt immer einen Sinn - und wenn es nur der ist, jemanden glücklich zu machen.<< >>Glücklich?<< >>Ja. Mit der puren Abwesenheit zum Beispiel oder mit einem Lied.<< >>Schön. Das heißt, dein Sinn besteht darin mich glücklich zu machen, nicht wahr?<<, fragte Lain unbefangen. Einen Moment lang hätte Kai gerne >>Ja<< gesagt, aber dann besann er sich wieder auf seine Aufgabe und entgegnete: >>Ich glaube kaum, dass mein Sinn darin besteht. Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich hier bin, um Melzesa zu töten. Danach werde ich wieder verschwinden.<< Lain sagte nichts mehr. Schweigend liefen sie nebeneinander die letzten Meter in den Palast zurück. Sie betraten das Ratszimmer, in dem schon die anderen waren. Während alle irgendwie mit einem Buch beschäftigt waren, lag Lionet auf dem Sofa und schien fest zu schlafen. Als Kai und Lain hereinkamen, fragte Ryu: >>Also, Fleera, wie gehen wir jetzt vor?<< >>Weckt erst einmal Lionet. Ich habe keine Lust alles zweimal zu erklären.<< Russel nahm einen kleinen Papierball und warf ihn gegen Lionets Kopf. Der junge Mann gab ein schnarchendes Geräusch von sich und schlief weiter. Kai trat neben das Sofa und berührte Lionet sanft an der Schulter. Er schlug die Augen auf und sah Kai fragend an. >>Hab' ich was verpasst?<< >>Noch nicht.<<, antwortete Kai. >>Fleera?<< Fleera nickte und fuhr fort: >>Soweit ich weiß hat Kaiser Ryu jetzt das Drachenschwert oder?<< Ryu nickte. >>Moment mal.<<, unterbrach Lionet die Unterhaltung. >>Das Drachenschwert? Ist das nicht nur eine Legende?<< Fleera und Ryu schüttelten ihre Köpfe. >>Nein, das Schwert gibt es wirklich, aber nur eine ganz bestimmte Person kann es einsetzen.<< >>Lass mich raten.<<, unterbrach Lionet sie erneut. >>Der Göttliche oder?<< Fleera schüttelte wieder den Kopf. >>Nein, eben nicht. Es heißt, nur derjenige, der einst den Urdrachen sah, kann die Magie des Schwertes entfalten. >>Urdrache?<<, fragte Kai murmelnd. Plötzlich erschienen wieder Bilder vor seinen Augen. Das Schlachtfeld, dieses grüne Licht, die Silhouette, die Stimme des Drachen und diese rotblitzenden Augen... Kai sank zu Boden. Das Wappen auf seiner Stirn brannte wie Feuer und langsam verblasste die Szene vor seinen Augen. Jemand rüttelte heftig an seiner Schulter und rief seinen Namen: >>Kai! Kai!<< Die Bilder verschwanden nun ganz. Statt auf dem Schlachtfeld befand er sich mit den anderen wieder im Ratszimmer. Kai schüttelte seinen Kopf, um wieder klar zu werden und den Nebel zu vertreiben, der seine Sinne noch trübte. >>Ist alles in Ordnung?<<, fragte Ryu. Kai nickte und stand mit Russels Hilfe auf. >>Bist du sicher?<< Kai nickte erneut. >>Alles halb so schlimm. Fleera erzähl uns endlich wie wir denjenigen finden, der den Drachen gesehen hat.<< >>Um ehrlich zu sein: ich weiß es nicht. Es muss aber ein Drachenmensch sein. Wir sollten das Schwert nehmen und ein bisschen durch das Land schweifen; irgendwann werden wir den richtigen finden.<< >>Super Strategie.<<, bemerkte Russel trocken. >>Irgendwann könnte zu spät sein.<< Fleera strich verlegen die Haare aus dem Gesicht und sah Kai an. Er zuckte mit den Schultern und meinte: >>Ich denke, wir sollten es so machen. Oder fällt euch was besseres ein?<< Da niemand etwas sagte, nickte Kai Fleera zu. >>Machen wir es also so, wie du gesagt hast.<< >>Aber wohin gehen wir als erstes?<<, fragte Lain. Ryu überlegte und sagte dann: >>Besuchen wir erst den östlichen Teil von Drakani.<< >>Die wüstenähnliche Tundra?<<, fragte Argus, den die anderen ganz vergessen hatten. Ryu nickte. >>Mein Vater, der Kaiser, sagte einmal, dass ein Einsiedler dort leben würde. Es kann doch gut sein, dass er derjenige ist.<< Die anderen nickten und folgten Ryu aus dem Ratszimmer. *** Die östliche Tundra: 2 Stunden später: Der Regen fiel schwer auf die Gruppe nieder und Ryu sagte bitter: >>Solange ich lebe hat es hier noch nie geregnet, aber sobald ich einmal hier durchlaufe, gießt es wie aus Eimern.<< Lionet lachte darüber, während Kai nur meinte: >>Regen. Schön und gut, ist ja notwendig, aber man kann es auch übertreiben. Seit zwei Stunden laufen wir jetzt hier durch die Gegend; meine gesamte Kleidung ist durchnässt und ich friere.<< Lain nickte zustimmen und verschränkte frierend die Arme vor ihrer Brust. Ryu schwieg und nach nur zwei Minuten warf Damian ein: >>Kaiser Ryu, Euer Vater in Ehren, aber meint Ihr, dass es diesen Einsiedler wirklich gibt?<< Ryu antwortete nicht und so fuhr Damian fort: >>Selbst, wenn es diesen Einsiedler gibt, heißt das nicht, dass wir ihn finden oder, dass er der Auserwählte ist.<< Ryu schwieg weiterhin. Damian seufzte, aber schwieg ebenfalls. Ohne Vorwarnung hörte es plötzlich auf zu regnen und eine unangenehme, fast unerträgliche Hitze breitete sich aus. Russel blieb stehen und sagte zornig: >>Erst Regen, dann Hitze! Wer ist für dieses verdammte Wetter zuständig?<< Kai wünschte sich, Russel hätte nichts gesagt, denn auf einmal erschienen zehn von Ignis' Phantomen, die die Gruppe umkreisten. >>Was sind das für Gestalten?<<, fragte Damian. >>Das sind Phantome der Dämonin Ignis.<<, erklärte Kai. >>Seid vorsichtig. Sie sind keine angenehmen Zeitgenossen!<< Russel lachte darüber nur leise. >>Alles kein Problem für mich. Grüner Tornado!<< Die Phantome wurden von dem Tornado erfasst und weggetragen. Doch kaum waren sie hinter dem Horizont verschwunden, erschienen zwanzig neue Phantome. >>Jetzt bin ich dran!<<, rief Damian, >>Dämonentor!<< Ein schwarzes Tor erschien und verschluckte die Phantome. An ihrer Stelle erschienen diesmal vierzig. Lionet setzte zu einem Angriff an, aber Kai rief: >>Warte! Je mehr wir von denen töten, desto mehr werden auch wiederkommen!<< >>Aber was sollen wir denn sonst machen?<<, fragte Maryl verwirrt. Kai runzelte die Stirn, hob den Kopf in die Luft und rief: >>Ignis! Ich weiß, dass du hier bist! Zeig' dich!!<< Das Lachen einer Frau erklang und eine Sekunde später stand Ignis im Kreis ihrer Phantome. Die Dämonin lächelte bösartig. >>So, Kai, treffen wir uns also wieder. In meinem Reich sozusagen. Sei mir willkommen.<< Russel hob die rechte Hand ein wenig. >>Hi!<< Ignis sah ihn an und erwiderte seinen Gruß: >>Hi! Äh...lange nicht gesehen.<< Russel grinste, aber Damian schüttelte verächtlich den Kopf und sagte: >>Sag' uns endlich wer du bist. Was meinst du mit >deinem Reich>Du bist ein Schwarzmagier, nicht wahr? Nun, ich bin die Feuerdämonin Ignis, die engste Mitarbeiterin von Melzesa. Diese Tundra habe ich erschaffen und ich kontrolliere das Wetter in ihr.<< Damian ballte die Fäuste. >>Das heißt, du hast mein Dorf zerstört?<< >>Hmm, kann sein. Aber wen kümmert's?<< Ignis ignorierte Damian und wandte sich wieder an Kai. >>Ich freue mich, dass ich diesmal nicht dir nachlaufen muss, sondern du zu mir kommst.<< Kai zeigte ihr ein halbes Lächeln und entgegnete: >>Ich weiß. Aber allzulange wirst du dich nicht mehr freuen. Göttersturm!<< Ein orkanartiger Wind, stärker als der grüne Tornado, erhob sich um Ignis. Sie stemmte sich erfolgreich dagegen, aber ihre Phantome wurden davongeweht. Der Sturm verebbte. Ignis grinste - aber es war kein sicheres Grinsen mehr. >>Ist das alles? Dann bin ich wohl dran!<< Sie schleuderte eine Feuerkugel auf Kai. Er wich aus und startete eine Gegenattacke, die daneben ging. Ignis erschien direkt vor ihm und fuhr mit ihren scharfen Fingernägeln über seine rechte Wange. Ein blutender, schmerzhafter Kratzer erschien. >>Also bist du doch nicht unverwundbar!<<, rief Ignis triumphierend lachend. Kai fuhr schweigend mit seiner Hand über den Kratzer, der sofort verschwand. Ignis wurde blass. >>Aber, aber...<< Kai grinste sie nun bösartig an. Er sagte nichts, aber die Energie, die von ihm ausging, schien die Luft zu durchschneiden. So standen sich Kai und Ignis sekundenlang gegenüber. Für die anderen schienen Stunden zu vergehen, in denen sie nicht einmal zu atmen schienen. Plötzlich schrie Lain auf: >>Ryu! Da, das Schwert!<< Ryu erschrak und sah auf das Drachenschwert hinunter, auf das er gar nicht mehr geachtet hatte. In der Zwischenzeit hatte es angefangen dunkelblau zu glühen und zu schwingen. Die Schwingungen des Schwertes verursachten ein seltsames Geräusch in der Luft. Die Energie, die von Kai ausging wurde immer stärker - und damit auch die Geräusche, die das Schwert verursachte. Wieder erhob sich ein Wind. Erst war es nur ein Hauch, aber schon wenige Sekunden später wurde es wieder ein Sturm. Fleera schrie überrascht auf und ließ sich angesichts dieser Macht ehrfürchtig auf den Boden sinken. Die Anderen taten es ihr nach, wenngleich auch nur, weil der Sturm immer stärker wurde. Ryu hatte Mühe das Schwert überhaupt noch festhalten zu können, denn es schien mit aller Gewalt zu Kai zu wollen. Plötzlich ging ein Ruck durch Ryus Körper. Er stürzte nach vorne und ließ das Schwert los. Es flog direkt zu Kai, der es lässig in die rechte Hand nahm und mit der Spitze auf Ignis zeigte. Die Feuerdämonin warf kühl ihren Kopf zurück, aber man konnte spüren, dass ihre innere Ruhe nun endgültig zerstört worden war. >>Denkst du, ich habe Angst vor diesem alten Schwert?<<, fragte sie mit zitternder Stimme. Kai schwieg und sah sie nur an. Keiner seiner Muskel rührte sich. Ignis wich einen Schritt zurück und ballte die Hände zu Fäusten. Plötzlich flammte der Ehrgeiz in ihren Augen wieder auf und sie warf Dutzende von kleinen Feuerbällen auf Kai. Er blieb stehen und rührte immer noch keinen seiner Muskeln. Er sah Ignis nur an, während die Feuerbälle wirkungslos verpufften. Ignis atmete tief durch und sagte dann so ruhig und fest wie möglich: >>Kai, se chin se tso nez be Senspla!<< Die Dämonin verschwand. >>Was hat sie gesagt?<<, fragte Lain. >>Mal sehen. >Kai, wir sehen uns heute nacht am Südpol<. Oder so ähnlich.<<, übersetzte Ryu. Kai ließ das Schwert sinken. Lain sah ihn erschrocken an und rief: >>Nein, Kai! Das darfst du nicht! Das wird bestimmt gefährlich.<< Kai drehte sich zu ihr um und erwiderte lächelnd: >>Keine Sorge. Ich werde nicht gehen.<< Lain und Russel merkten, dass er schwindelte, um sie zu beruhigen, aber den anderen schien das nicht aufzufallen. >>Also ist Kai der rechtmäßige Besitzer des Drachenschwertes.<<, folgerte Damian. Ryu nickte. >>Scheint so. Wisst ihr was? Lasst uns nach Hause gehen. Ich denke, wir sind alle müde.<< Kapitel 20: Ignis' Herausforderung ---------------------------------- Kai wollte gerade das Drachenschwert nehmen und durch das Fenster verschwinden, als es plötzlich an der Tür klopfte. Kai sah auf die Uhr, deren Zifferblatt zehn Uhr anzeigte und fragte dann laut: >>Wer könnte das sein?<< Vorsichtig öffnete er die Tür. Lain stand draußen und sah ihn skeptisch an. >>Geht es dir gut?<< Kai nickte. Ungebeten betrat Lain den Raum und Kai schloss die Tür hinter ihr. >>Was willst du?<<, fragte er. Lain drehte sich zu ihr um und fragte: >>Du wirst doch nicht gehen oder?<< >>Nein, aber nein!<<, erwiderte Kai etwas zu hastig, als um Lain beruhigen zu können. Sie verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust und sah Kai durchdringend an. Unter ihrem Blick brach er zusammen und gestand: >>Also gut! Ich gebe es zu. Ich wollte diese Nacht an den Südpol, um gegen Ignis zu kämpfen.<< >>Du wolltest?<<, hakte Lain nach. >>Ja, aber dann kamst du und ab da...<< Lain lächelte und warf sich an seine Brust. Sie schlang ihre Arme um ihn und seufzte. >>Warum seufzt du?<<, fragte Kai. >>Ach, ich habe mein Leben lang meine wahre Liebe gesucht und hier habe ich dich gefunden. Hmm, komisch, nicht wahr?<< >>Vielleicht. Habe ich dir nicht schon gesagt, dass ich bald wieder gehen werde?<< Lain sah in sein Gesicht und fragte: >>Wirklich?<< Kai lächelte verlegen. >>Vielleicht kannst du mitkommen, aber ich bin nicht sicher.<< Lain drückte ihren Kopf wieder an seine Brust und schwieg. Er sah gedankenverloren aus dem Fenster, in dem der Mond erschienen war. Es war Vollmond und unzählige Sterne glitzerten am Himmel. >>Lass uns ins Bett gehen.<<, schlug Kai vor. >>Wir haben morgen einen anstrengenden Tag vor uns.<< *** Russel erwachte als er hörte wie jemand an der Außenwand des Palastes hinunterkletterte. Er hob den Kopf und sah aus dem Fenster. Kai kletterte an einem Seil herunter und stieß dabei alle zehn Sekunden mit den Füßen an die Mauer. Bei dem Aufprall der Schuhe auf dem Stein, entstand ein pochendes Geräusch, als ob ein Herz langsamer, viel langsamer schlagen würde. Plötzlich ließ Kai das Seil los und mit einem dumpfen Laut landete er auf dem weichen Boden. Russel stand auf und trat an das Fenster. Er konnte gerade noch sehen wie Kai sich in die Luft erhob und Richtung Südpol losflog. Russel schüttelte missbilligend den Kopf. >>Ich habe es doch gewusst! Dieser Kai! Aber warum ist er die Wand runtergeklettert, wenn er doch fliegen kann?<< Russel kletterte aus dem Fenster und flog Kai hinterher, wobei er darauf achtete, dass Kai seine Energie nicht bemerken konnte. Am Südpol flog Kai langsamer und schien etwas zu suchen. Russel war froh, dass er einen magischen Mantel anhatte, denn er wärmte ihn und schützte ihn vor dem Eis, das ihn immer öfter schrammte. Schließlich flog Kai auf den Boden zu. Russel folgte ihm in einem sicheren Abstand und versteckte sich hinter einem Eisberg. Russel sah um die Ecke und entdeckte Ignis und einige ihrer Phantome. Die Dämonin lachte durchdringend und sagte: >>Ich wusste, dass du kommen würdest, Kai. Der Göttliche kann einfach keine Herausforderung ablehnen; das lässt sein Stolz nicht zu.<< Kai lachte leise und entgegnete etwas, was Russel nicht verstand. Ignis warf ihre Haare zurück und sah plötzlich direkt in Russels Richtung. Ihre Augen blitzten auf und undeutlich rief sie etwas in der Dämonensprache. Die Phantome verschwanden. Kai fuhr herum und rief überrascht Russels Namen. >>Was tust du hier?<< Bevor Russel antworten konnte, erschienen die Phantome wieder. Sie hatten Russel umkreist und schienen auf weitere Befehle zu warten. Kai sah Ignis erzürnt an und fragte: >>Was soll das? Lass ihn in Ruhe!<< Ignis lachte. >>Eigentlich solltest du alleine kommen. Jede weitere Person wird eliminiert!<< Die Dämonin machte eine wegwerfende Handbewegung und die Phantome sprangen in die Luft. Russel sah nach oben und realisierte fast zu spät, dass diese Phantome auf ihn zusprangen. Kai sprang dazu und riss Russel auf die Seite. Die Phantome landeten genau da, wo Russel gerade noch gestanden hatte. Sie sprangen aufeinander und das unterste Phantom wurde förmlich auseinandergerissen. Russel wurde blass. Ignis lächelte selbstgefällig. >>Ihr habt nicht den Hauch einer Chance.<< Weitere zwanzig Phantome erschienen um Russel und Kai, die sich Rücken an Rücken stellten und ihre Schwerter zogen. >>Meinst du, wir schaffen es?<<, fragte Russel. >>Abwarten.<<, erwiderte Kai nur. Die Phantome sprangen plötzlich los und griffen die beiden an. Fünfzehn der Phantome konzentrierten sich allein auf Kai, aber er blieb ruhig stehen und rief: >>Göttersturm!<< Die Phantome wurden weggeweht. Russel versuchte sich auf einzelne Phantome zu konzentrieren, aber die Wesen wirbelten in Windeseile durcheinander. Schließlich wurde es Russel zuviel und er rief: >>Grüner Tornado!<< Die Phantome verschwanden, doch wieder erschienen neue, die von Ignis gerufen wurden. Russel wurde wieder bleich. >>Was soll das?<< Kai benutzte wieder einen Göttersturm und Russel tat es ihm mit dem grünen Tornado nach. Kai entdeckte eines der Phantome, das sich hinter einem Fels versteckt hielt und wieder auf Russel, der ihm den Rücken zudrehte, zusprang. Kai wollte Russel warnen, aber das Phantom war blitzschnell, tauchte vor Russel auf und schmetterte seinen Ellbogen gegen das Knie des Kämpfers. Russel schrie schmerzerfüllt auf und fiel hin. Das Phantom lachte schrill, aber Russel gab sich nicht geschlagen: er riss sein Schwert hoch und bohrte es in die Brust des Phantoms, wo normalerweise das Herz saß. Das Schwert leuchtete grün und das Phantom löste sich auf. Russel betastete sein inzwischen geschwollenes Knie und stöhnte auf. Starke Schmerzen zuckten durch sein Bein und das Bewegen schien absolut unmöglich. Kai trat neben ihn und fragte: >>Tut es sehr weh?<< Russel nickte knapp. >>Schon ein bisschen.<< Ignis lief einige Schritte auf sie zu und sagte dabei: >>Ich hätte nie gedacht, dass ihr soweit kommen würdet, aber hier ist eure Reise zu Ende.<< Kai hob den Kopf und sah sie an. Die Feuerdämonin sah wütend und fast, ja, nervös aus. Kai stand auf. Plötzlich verschwamm sein gesamtes Bewusstsein und dunkle Gedanken und Gefühle flammten in ihm auf. Russel spürte undeutlich, wie dunkle Energie von Kai ausströmte. >>Was, was soll das?<< Kai konnte es sich selber nicht erklären, aber mit einemmal war sein gesamtes Denken nur noch von einem Gedanken erfüllt: Ignis zu töten, um Sweety zu rächen. Die Feuerdämonin wich einen Schritt zurück. Kai zog sein Schwert und sagte leise mit dunkler Stimme: >>Du wirst für das, was du Sweety angetan hast, bezahlen.<< Ignis warf den Kopf in den Nacken und sprang in die Luft, wo sie schwebenblieb. >>Fang mich, wenn du kannst!<<, rief sie Kai zu. Damit flog sie schnellstmöglich weiter nach Süden. Kai erhob sich in die Luft und folgte ihr. Russel stand vorsichtig auf und hinkte schmerzgepeinigt hinter einen Eisberg, hinter dem er sich niederließ und mit dem Rücken dagegen lehnte. Erst jetzt bemerkte er, dass er zitterte, aber war es wirklich die Kälte, die ihn dazu brachte? War es nicht eher die dunkle Energie von Kai gewesen? Die Energie, die jedes Lebewesen, sogar ein Gott, fürchtete? Die Energie Luzifers, des Teufels? >>Nein! Das ist unmöglich!<<, schalt Russel sich selber. >>Das kann überhaupt nicht sein!<< Russel drückte sich so stark gegen die Mauer aus Eis, dass es ihm vorkam, als ob er damit verschmelzen würde. Kai verfolgte währenddessen Ignis erbittert. Die Feuerdämonin schien nicht den Plan zu haben bald anzuhalten. >>Was hat sie vor?<<, fragte Kai sich. >>Mir reicht's jetzt!<< Kai flog schneller und war nun direkt vor Ignis. Die Dämonin keuchte; die Kälte schien ihr ihre Kräfte zu rauben. Dadurch verstand Kai einfach nicht, warum Ignis ausgerechnet hier hatte kämpfen wollen. Sie hätte ihn genau so gut in einem Vulkan bekämpfen können. Dort hätte sie sogar noch einen Vorteil gehabt. Aber vielleicht wollte sie nur ihre Stärke demonstrieren? Wenn ja, war ihr das nicht gelungen. Ignis stoppte keuchend. Nun schwebte sie nur noch und rang nach Atem. >>Ich - hasse - Eis.<<, presste sie mühevoll hervor. >>Warum hast du mich dann hier zu einem Kampf aufgefordert?<<, fragte Kai teilnahmslos. >>Das ist - meine - Sache. Geht dich - nichts - an.<< >>Du weißt, dass du verlieren wirst, nicht wahr? Warum gibst du nicht gleich auf?<< Plötzlich spürte Kai wie Ignis' Kräfte wieder entflammten und zornig schrie sie: >>Ich gebe niemals auf! Ich bin die Letzte der stolzen Feuerdämonen! Meine Flamme wird niemals erlöschen!<< Damit schleuderte sie einen Feuerpfeil auf Kais Kopf. Er bewegte seinen Kopf sacht nach rechts, worauf der Pfeil an seinem Gesicht vorbeiflog und nur einen kleinen Kratzer auf seiner Wange hinterließ. Kai schüttelte den Kopf. >>Egal, wie du es versuchst, du hast keine Chance gegen mich.<< Ignis wurde noch wütender und warf fünf Feuerbälle nach Kai. Er hob nur die Hand. Die Flammen prallten ab und verloren sich in der Eiswüste, wo sie mit einem seltsamen Geräusch verpufften. Ignis ballte die Hände zu Fäusten. >>Warum? Warum haltet ihr uns von eurer Welt fern?<< >>Das ist eine dumme Frage! Ihr versucht uns zu versklaven oder zu töten. Denkt ihr Dämonen eigentlich, wir lassen das einfach zu?<< >>Wenn ihr uns nicht akzeptiert, bleibt uns nichts anderes übrig. Wir wollen auch leben!<< >>Wir wurden nie gefragt, ob wir wollen, dass ihr herkommt.<< Plötzlich füllten sich Ignis' Augen mit Tränen und leise sprach sie weiter: >>Die Drachen wollen nicht, dass wir in diese Welt kommen. Sie bekämpfen uns wegen alten Fabeln und Geschichten, die längst überholt sind. Denkt ihr egoistischen Drachenmenschen eigentlich auch mal an andere?<< Die Tränen liefen über ihr Gesicht. Kai schwieg. Also haben Dämonen auch Gefühle., überlegte er zögernd. Das hätte ich nie gedacht. Ignis schüttelte den Kopf, um sich wieder zu fassen und rief: >>Es reicht! Stirb!!<< Sie konzentrierte eine große Energiekugel, die sie auf Kai schleuderte, der jedoch behende auswich. >>Mir reicht es auch!<<, sagte er. >>Götterblitz!<< Ein blassgrüner Blitz zuckte und schlug in einen Eisberg direkt neben Ignis ein. Der Eisberg zersprang mit einem ohrenbetäubenden Geräusch in tausend Stücke, doch Ignis blieb unversehrt. Kai fluchte und wich einem erneuten Feuerpfeil aus. >>Du solltest erst mal zielen lernen!<<, lachte Ignis und warf noch einen Feuerball. Kai wich mühelos aus, zögerte aber mit einem Gegenangriff. Wenn Dämonen Gefühle hatten, leideten sie bestimmt auch Schmerzen. Das war etwas, worüber Kai noch nie in seinem kurzen Leben nachgedacht hatte. Doch bevor er diesen Gedanken vertiefen konnte, gewann wieder die Dunkelheit die Führung über seinen Verstand und ohne nachzudenken schleuderte er ebenfalls eine Energiekugel. Ignis flog zur Seite und warf wieder wortlos mehrere kleine Feuerbälle auf Kai. Er wich jedem davon aus und erschien plötzlich hinter Ignis. Ohne sich umzudrehen rammte sie ihren Ellbogen in seinen Magen und flog einige Meter davon. Kai keuchte und krümmte sich vor Schmerzen zusammen. Ignis drehte sich wieder zu ihm und starrte ihn aus zornfunkelnden Augen an. >>Das hast du verdient!<<, fauchte sie. Kai hob den Kopf. Seine Augen funkelten schwarz und kalt. >>Wart's ab, Mädchen!<< Ignis schreckte noch zurück, aber Kai war blitzschnell bei ihr und packte sie an den Armen. Die Dämonin schrie auf und spürte wie ihre Kräfte sie verließen. Es war als ob Kai diese Kraft in sich aufnehmen würde. Ignis' Körper wurde immer schwächer. Kai ließ sie los und sie begann zu fallen. Er fing sie auf und flog mit ihr weiter. Ohne ein Wort zu verlieren flog er mit ihr zu einem gespaltenen Berg, dessen Eis in der inzwischen aufgegangenen Sonne unwirklich glitzerte. Kai flog direkt über den Eisberg und ließ Ignis fallen. Die wehrlose Dämonin fiel wie ein Stein in die Tiefe, aber bevor sie unten aufschlagen konnte, breitete Kai die Arme aus und rief: >>Mächte des Eises, ich beschwöre eure Kräfte! Sperrt diese Dämonin in eure eisige Hallen, damit sie nie wieder das Licht erblicke!<< Der Berg setzte sich in Bewegung. Mit einem extrem lauten Geräusch bewegten sich die beiden Hälften aufeinander zu. Kurz bevor sich der Berg schloss, war eine letzte Stichflamme von Ignis zu sehen, dann gab der Berg beim Schließen ein letztes Geräusch von sich. Der Eisberg hatte sich geschlossen - mit der Feuerdämonin Ignis in seinem Herzen. *** Alexis hob den Kopf. >>Ignis ist erloschen.<< Der menschliche Drachenritter Reuten sah den jungen Mann mit den kurzen platinblonden Haaren und den stahlblauen Augen an und fragte verdutzt: >>Woher weißte denn das?<< >>Ich fühle es. Kai hat sie besiegt und versiegelt. Seine Aura ist stärker, als je zuvor. Kaum zu glauben.<< Reuten lachte auf. >>Das wird sich bald ändern.<< >>Sei dir nicht zu sicher, Reuten. Ich kann den Ausgang des Kampfes vorhersehen.<< >>Und, was siehste?<< Alexis schwieg und senkte den Kopf. Reuten blickte auf seine Haare und knurrte: >>Du bist ein komischer Kauz. Ich werde dich im Auge behalten müssen.<< *** Kai landete neben Russel und sah auf dessen Knie. Die Schmerzen hatten den Kämpfer so sehr geschwächt, dass er es nicht geschafft hatte, einen Heilzauber einzusetzen. >>Ist es schlimmer geworden?<<, fragte Kai voller Mitleid. Russel nickte. >>Ich würde dich ja heilen, aber dann würden meine Kräfte nicht mehr für den Rückflug reichen und ich glaube, dass ich dich tragen muss oder?<< >>Ich denke schon.<<, gab Russel zu. >>Zuhause kann Fleera dich heilen.<< Russel grinste, trotz der Schmerzen. Kai half Russel vorsichtig aufzustehen und legte dessen Arm um seine eigene Schulter. Kai lächelte Russel aufmunternd zu. >>Bereit?<< Russel nickte mit zusammengebissenen Zähnen. Kai erhob sich in die Luft und flog zurück nach Drakani. Russel konnte spüren, dass Kais dunkle Energie von vorhin verschwunden war. Nichts erinnerte mehr an die furchterregende Aura, die er gespürt hatte und während er in Gedanken versunken neben Kai herglitt, fragte dieser: >>Sag mal, Russel, kann es sein, dass du kein richtiger Mensch bist?<< >>Was? Wie kommst du darauf?<< >>Nun ja, du weißt zum Beispiel Dinge, die kein anderer weiß und du hast meine Hilfe sofort angenommen. Ein normaler Mann hätte es zumindest ein paarmal vor Stolz abgeschlagen, so wie Damian.<< >>Aber Lionet...<<, begann Russel, doch Kai unterbrach ihn: >>Lionet ist ohnehin seltsam, aber du,...du bist anders.<< >>Ja, das stimmt...irgendwie.<< >>Du wirst mir nichts erzählen, nicht wahr?<< Russel senkte den Kopf und sah auf das blaue Meer, das sich unter ihnen ertreckte. >>Irgendwann. Irgendwann werde ich dir alles erzählen.<< Kapitel 21: Der Kampf beginnt ----------------------------- Völlig übermüdet waren Kai und Russel wieder im Palast angekommen. Fleera hatte sich um Russels Knie gekümmert und nachdem beide einen Bericht über die letzte Nacht abgeliefert hatten, wurden sie ins Bett geschickt. Kai fiel sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf, während Russel immer wieder hochschreckte und über Kais dunkle Energie nachdachte. Er war felsenfest davon überzeugt, dass es die Energie des Teufels gewesen war, doch gleichzeitig hielt ihn eine Stimme an, dass es unmöglich war, dass Kai einmal Luzifer gewesen war. Immerhin war Kai der Göttliche. Wie könnte das also sein? >>Aber<<, flüsterte eine Stimme in Russels Kopf, >>aber wurde nicht immer berichtet, dass Luzifer das selbe Zeichen auf der Stirn gehabt hatte, genau so wie Kai es hat? Hatten beide nicht das selbe Gesicht, die selben Bewegungen, im Prinzip sogar die selben Angriffe? Russel schüttelte den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben, legte sich auf die Seite und war sofort eingeschlafen. *** Am nächsten Morgen versammelte sich die Gruppe wieder im Ratszimmer. Kai und Russel trugen einen noch genaueren Bericht vor. An dessen Ende sagte Damian: >>Na, jetzt wissen wir wenigstens was für einen Lügner wir uns da rausgefischt haben.<< Lain warf dem Schwarzmagier einen giftigen Blick zu, schwieg jedoch genau wie Maryl und der verschlafene Lionet. Ryu rieb sich den schmerzenden Kopf (er hatte Migräne bekommen) und fragte: >>Also ist diese...Ignis jetzt weg, ja?<< Kai nickte. >>Dann brauchen wir uns jetzt nur noch auf Reuten und Alexis zu konzentrieren.<< >>Ich denke schon.<<, sagte Russel. >>Aber selbst diese beiden dürfen wir nicht zu leicht nehmen.<< >>Weißt du etwas über Reuten?<<, fragte Damian. Russel schüttelte den Kopf. Argus betrat aufgeregt den Raum und verkündete: >>Aber ich weiß etwas. Prinz Culgan hat uns Informationen zu ihm geschickt.<< >>Ist das nicht Lukes Bruder?<<, fragte Maryl. >>Können wir ihm überhaupt trauen?<< Doch, wenn alle dachten, Argus würde sich nun beruhigen, wurden sie überrascht: die grauen Augen des vorzeitig gealterten Mannes strahlten immer noch und munter redete er weiter: >>Darüber habe ich mir auch Gedanken gemacht und deswegen Späher hingeschickt. Alle Informationen stimmen mit der Realität überein.<< >>Dann erzählt uns von Reuten.<<, forderte Ryu Argus auf, der sofort weitersprach: >>Erst einmal: Reuten ist ein menschlicher Drachentöter. Er tötete zehn Drachen, als sie noch an der Oberfläche waren. Allerdings muss man sagen, dass die Drachen arg geschwächt waren. Nun, er kann mit dem Speer und der Lanze umgehen, aber auch seine Schwertkunst ist nicht zu verachten. Reuten ist ziemlich stark, aber ich glaube, er ist nicht allzu schlau. Er ist mehr für den offensiven Angriff, als für die Defensive. Er benutzt zwar keine Magie, doch sein Schwert scheint magische Kräfte zu haben, denn er benutzt es nur gegen magische Kreaturen. Trotzdem ist er Alexis weit unterlegen.<< Argus beendete seine Ausführungen. Kai sah Fleera an und sagte: >>Du hast völlig Recht. Damian und Reuten sind die perfekte Partie. Damian hat sogar eine Chance zu gewinnen.<< Fleera lächelte mild und darauf fragte Russel: >>Gibt es auch Infos zu Alexis?<< Argus nickte. >>Spärlich zwar, aber immerhin. Er benutzt eine besondere Form von weißer Magie, die dem Gegner die Energie aussaugt. Diese Magie ist weltweit einmalig und nicht einmal die weißen Magier der Drachengarde können so etwas. Können Sie so etwas, Lady Fleera?<< Das Lichtwesen schüttelte den Kopf. >>War das alles?<<, fragte Russel verdutzt. Argus sah verlegen zu Boden, aber zu Russels Freude antwortete Fleera: >>Ich weiß mehr über ihn. Immerhin ist er so was wie mein Bruder. Er benutzt tatsächlich eine Art von weißer Magie. Es ist die Magie der Elm. Alexis ist ein Mitglied des Elm-Stammes und dadurch doppelt gefährlich. Niemand weiß genau, welche Magie dieser Stamm noch einsetzen kann und das macht sie so unberechenbar.<< >>Moment mal.<<, unterbrach Damian sie. >>Von diesen Elmnern habe ich noch nie etwas gehört.<< >>Sie verschwanden im Laufe der Zeit. Niemand weiß genau warum und wohin. Es gibt inzwischen nur noch wenige; und die leben auf irgendwelchen Inseln, irgendwo auf dieser Welt.<< >>Und zu welchem Stamm gehörst du?<<, fragte Maryl. >>Ich bin eine Sona. Normalerweise leben wir zusammen mit den Drachen unter der Erde. Nur selten wagen wir uns ans Licht. Und wenn, dann nur in der Gestalt von Glühwürmchen. Wir wachen seit Urzeiten mit den Drachen über die Erde, aber bisher haben wir nie direkt in das Geschehen eingegriffen. Wir haben nur beobachtet und unser Lied gesungen.<< >>Warum?<<, fragte Lionet, der offensichtlich nicht ganz verstand worum es eigentlich ging. Fleera sah ihn gelassen an und antwortete: >>Es ist nicht unsere Aufgabe zu kämpfen. Wir beobachten nur. Es ist nun mal so.<< >>Du sagtest etwas von einem Lied.<<, unterbrach Lain sie. >>Könntest du uns das vorsingen?<< >>Gern. Wenn ich es noch hinkriege.<< Fleera räusperte sich und begann mit einer schönen, klaren Stimme zu singen: >>San so to? San mak dak nek Isgen? So do tama nu ekami na? Emala chim dak san no ke me ekat? Sono kame no a kohi moba?<< Erstaunt und ergriffen lauschte die Gruppe dem fremdartigen traurigen Gesang. Niemand wusste, worum es in diesem Lied ging, nicht einmal Kai, aber allein die Art wie die Lichtelfe es sang und die Worte selbst griffen nach den Herzen aller und ließen sie nicht mehr los. Fleera beendete den Gesang und Maryl fragte: >>Worum geht es in dem Lied?<< >>Es geht um den nächsten Tag, der im Ungewissen liegt, Hoffnungen, Träume, doch was genau es heißt, vermag mein Herz nicht zu übersetzen.<< Fleera sah wieder Kai an und ihr Blick festigte sich. >>Es wird langsam Zeit. Der Kampf beginnt bald und wir müssen uns darauf vorbereiten.<< >>Warte Fleera.<<, sagte Ryu und wandte sich dann an die gesamte Gruppe: >>Bevor wir auch nur an die Schlacht denken, möchte ich, dass jeder von euch sich überlegt, warum er an diesem Kampf überhaupt teilnehmen will, beziehungsweise warum er hier ist.<< Verwirrt sah die Gruppe einander an und Lionet fragte: >>Wo sollten wir denn sonst sein? Ich habe kein Zuhause mehr.<< Damian stimmte Lionet zu. >>Ich denke, wir haben alle einen bestimmten Grund, um hier zu sein und wir kennen diesen Grund. Er ist irgendwo tief in uns. Darum sind wir hier und darum werden wir an Eurer Seite kämpfen, Kaiser Ryu.<< Der Rest der Gruppe nickte und Lain sagte: >>Damian hat völlig recht. Also, Ryu, lass uns rausgehen, kämpfen und gesund zurückkehren.<< Ryu nickte lächelnd und Argus begann den Plan zu erläutern. *** Alexis lehnte an der Wand und beobachtete Reutens kriecherischer Versuch, von König Luke noch mehr Sold zu bekommen. Der König lachte nur und schickte Reuten und Alexis wieder hinaus. Reuten schimpfte auf den Gängen vor sich hin, während Alexis selbstvergessen neben ihm herlief. Die Wachen sahen sich mißmutig nach Reuten um und grüßten Alexis im Vorbeigehen. Plötzlich hörte Reuten auf zu fluchen und sah Alexis an. >>Was ist denn mit dir los? Du bist so abwesend. Bist du denn kein Mann? Ich hätte auch für dich mehr Sold rausschlagen können.<< >>Ich brauche keinen Sold. Da, wo ich bald hingehen werde, brauche ich keinen Sold. Geld wird dort keinerlei Wert zugesprochen.<< Reuten sah Alexis an, der jedoch starr geradeaus sah. >>Du bist wirklich ein komischer Kauz.<< >>Vielleicht.<< Einer der Ritter kam aus einem Seitengang, salutierte und sagte: >>Ritter Reuten und Lord Alexis, würdet ihr euch bitte für den Kampf bereit machen? König Luke möchte in zwei Stunden gen Drakani ziehen.<< Alexis und Reuten nickten. Der Ritter eilte davon. Reuten grinste. >>Es geht los. Jetzt wird es wenigstens lustig.<< >>Mal sehen, ob du es in ein paar Stunden immer noch lustig findest.<<, konterte Alexis. Reutens Grinsen erlosch und mißmutig sagte er: >>Du bist wirklich nicht normal. Bin gespannt was hiernach aus dir wird.<< >>Nicht viel...nicht viel...<< *** >>...und Kaiser Ryu wird mit der violetten Drachenkompanie über die Berge ziehen.<<, endete Argus. >>Sind die Berge nicht gefährlich?<<, hakte Lionet nach. Argus nickte. >>Ja, aber Kaiser Ryu ist inzwischen erwachsen geworden. Ich denke, dass er es schaffen wird.<< Ryu lächelte verlegen. >>Argus, ich...<< >>Es ist spät.<<, unterbrach Fleera ihn. >>Wir sollten demnächst aufbrechen. Die Menschen werden nicht zögern, uns zuerst anzugreifen.<< Die anderen nickten und verließen den Raum. Argus trat neben Ryu und sagte: >>Kaiser Ryu, zur violetten Kompanie müssen wir links. Die anderen werden rechts von der Drachengarde in Empfang genommen.<< Ryu nickte. Kai hob die Hand. >>Ciao, Ryu.<< >>Ciao.<<, sagte Ryu. >>Viel Glück!<<, wünschte Lain ihm. >>Danke.<< Damian, Russel und Maryl nickten Ryu nur flüchtig zu, während Fleera noch einmal kurz stehenblieb und fragte: >>Kann ich...bitte das Drachenauge haben, Kaiser Ryu?<< >>Wofür?<< >>Ich möchte es für Euch aufheben.<< Ryu nickte. Er fasste in die rechte Tasche seiner Uniformjacke und zog das goldene Amulett aus der Tasche. Die Farbe des mittleren Steines hatte sich verändert: statt des grellen rosa, war er nun blassgrün. Ryu sah noch einmal mit einem schwermütigen Blick darauf. Mit diesem harmlos aussehenden Amulett hatte das Abenteuer angefangen - und vermutlich endete es auch damit. Als er das Drachenauge in Fleeras geöffnete Hand legte, fühlte er sich, als ob ein Teil von ihm verloren ginge. Fleera lächelte ihm aufmunternd zu und er folgte Argus zum Truppenplatz. Zwanzig der besten Drachenritter standen auf dem offenen Platz und tauschten nervöse Blicke. Die meisten der Ritter waren noch jung und hatten den Kaiser noch nie persönlich gesehen und auch noch keine Schlacht geschlagen. Ryu stellte sich vor der Truppe auf und sagte im befehlsgewohntem Ton: >>Soldaten, das ist die letzte Schlacht unseres Krieges! Die letzte Station unserer Reise. Unser Angriff richtet sich gegen die Menschen im Süden, wobei man allerdings nicht von einem Angriff reden kann, denn unsere Aufgabe besteht darin die südliche Berggrenze zu sichern. Die Grenzen wurden zwar allesamt geschlossen, aber niemand weiß wie lange die Grenzposten den Angriffen der Menschen standhalten können. Um alle Eventualitäten ausschließen zu können, müssen wir die Menschen davon abhalten den Berg zu überqueren. Verstanden?<< >>JA!!<<, ertönte es einstimmig aus den Reihen der Ritter. Argus nickte wohlgefällig. >>Viel Glück, Kaiser.<< Ryu sah in das gutmütige Gesicht des alten Mannes und hatte plötzlich das Gefühl es nie wieder zu sehen. >>Danke,...Sir Pail!<< Argus lächelte und übergab Ryu die Zügel des fuchsbraunen Hengstes Sion. Der Kaiser nickte dankbar und schwang sich in den Sattel. >>Lantra, Knens!<< >>Lang lebe Kaiser Ryu!<<, >>Wir sind die besten!<<, jubelten die Ritter und stiegen auf ihre nachtschwarzen Pferde. Ryu gab seinem Pferd die Sporen und trabte mit der violetten Kompanie vom Hof. Argus sah ihm hinterher und wischte sich verstohlen eine Träne des Stolzes aus dem Gesicht. >>Kaiser Ryu, Ihr seid in den paar Wochen, in denen Ihr weg wart, viel erwachsener geworden. Ich bin sicher, Euer Vater wäre genauso stolz auf Euch wie ich.<< >>Sir Pail!<< Einer der Bediensteten kam auf den Hof und sagte: >>Sir McLirell wäre jetzt für sein Duell mit Reuten bereit.<< >>Ich komme sofort.<< *** >>Wo wurde Damian hingebracht?<<, fragte Lain. >>Er wird auf das Duell mit Reuten vorbereitet.<<, antwortete Fleera tonlos. >>Wir kommen in die heiße Phase des Krieges.<< >>Was sollen wir eigentlich machen, Fleera?<<, fragte Maryl. >>Wir suchen den Drachenschrein auf und werden Melzesa einsiegeln.<< >>Einsiegeln?!<< Russel war aufgesprungen und fragte: >>Ist das dein Ernst, Fleera?<< >>Ja. Ich weiß welches Risiko damit verbunden ist, aber wir müssen es probieren.<< Russel senkte den Kopf und setzte sich wieder. Nach einer längeren Pause fragte Russel: >>Und wo ist der Schrein, Fleera?<< >>Im Nordwesten gibt es eine tiefe Höhle.<< >>Dann lasst uns gehen.<< Russel stand auf und verließ den Hof, worauf die anderen ihm folgten. *** Der Abend war hereingebrochen und das rote Licht der untergehenden Sonne färbte den Himmel blutrot, was Ryu als schlechtes Omen nahm. Er blickte den steilen Abhang auf die Techno-Stadt Ektorn hinunter. Etliche Lichter waren schon angegangen und erhellten die Stadt. Ryu sah wieder auf sein Kaiserreich und versuchte nachzudenken, doch der Gedanke an die Schlacht verdrängte alles andere. Etwas weiter weg konnte Ryu einen der Drachenritter erkennen, der auf dem Berg patrouillierte. Ryu ließ die Zügel locker hängen und sah wieder nach Ektorn hinunter. >>Kein Menschen zu sehen.<<, murmelte er vor sich hin. Plötzlich warf Sion seinen Kopf zurück und wieherte. Ryu erschrak darüber und riss die Zügel hoch, worauf Sion sich auf die Hinterbeine stellte. >>Kast, Sion, kast!<<, sprach Ryu beruhigend auf den Hengst ein, der sich sofort wieder runterließ und ruhig stehenblieb. Ryu atmete erleichtert auf und sah sich nach den Drachenrittern um. Seine Augen weiteten sich in Entsetzen, als er keinen von der Kompanie entdecken konnte. >>Was zum...?<< Sion scheute und bewegte sich rückwärts. >>Sion, was ist los?<< Vorsichtshalber stieg Ryu ab und stellte sich neben den Hengst. Eine dunkle Energie lag in der Luft, aber Ryu konnte nicht sagen woher die Energie kam und wer sie ausstrahlte. Ohne Vorwarnung lief ein Ruck durch Sions Körper und mit einem weiteren Ruck riss er sich von Ryu los und trabte den Berg hinunter, in die Dunkelheit davon. Als der Hengst außer Sicht war, fühlte Ryu sich allein. Das erste Mal in seinem Leben war er tatsächlich allein - und er hatte Angst. Angst vor dem, was kommen würde. Ryu ließ sich auf die Knie fallen und atmete mehrmals tief durch. Plötzlich erklang ein schauriges Lachen und ein Mensch erschien vor ihm. Der Mann trug die selbe schwarze Mithrilrüstung wie der Echsen-Ritter. >>Wer bist du?<<, fragte Ryu und versuchte seiner Stimme einen festen Klang zu geben. >>Ich bin Reuten. Ein Drachentöter und du, Kaiser der Drachen, bist mein nächstes Opfer. Danach wird es kein Kaiserreich mehr geben, für das es sich zu sterben lohnt.<< Reuten zog ein Schwert hinter seinem Rücken hervor und griff Ryu an. Er sprang zurück und das Schwert spaltete mit einem markerschütterndem Geräusch den Boden genau an der Stelle, an der Ryu gerade eben noch gestanden hatte. Die Klinge von Reuten leuchtete violett und verriet dem erschrockenen Ryu dadurch, dass es ein Drachenschwert war. Ryu richtete sich auf und zog seinen Degen. Ihm war klar, dass er mit dieser Waffe keine Chance gegen ein Drachenschwert hatte, aber er ließ sich von dem Mut der Verzweiflung lenken und griff Reuten frontal an. Der Ritter lachte und wich einen Schritt zur Seite. Ryu stolperte und fiel mit einem Schreckensschrei vorrüber. Mit einem Stöhnen richtete er sich wieder auf und Reuten hielt ihm das Drachenschwert vor sein Gesicht. Er lachte. >>Ich weiß noch etwas über Drachen und Drachenmenschen, was viele andere nicht wissen: man kann sie nicht töten, indem man ihre Herzen durchstößt. Drachen haben nämlich starke Regenartionskräfte und genau deswegen muss man Drachen auch den Kopf abschlagen.<< Ryu sah in Reutens kaltes, grinsendes Gesicht. Der Ritter genoss die Furcht in den Augen des Drachenkaisers, der gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfte. >>Aber bei dir mache ich eine Ausnahme.<<, sagte Reuten gütig.<< >>Ich werde dir nur dein Herz durchstoßen. Dann bist du für ein paar Tage außer Gefecht - und diese paar Tage werden ausreichen, um dein gesamtes Reich zu zerstören.<< Reuten lachte erneut und zielte mit der Schwertspitze auf Ryus Brust. Ryu wusste, dass es kein Entkommen mehr gab und schloss die Augen. Er konnte fast sehen wie Reuten das Schwert in seine Brust rammte. Ein alles verdrängender Schmerz fuhr durch seinen Körper und dann spürte er nichts mehr. *** Alexis sah hinter dem Fels hervor und der Gruppe um Fleera nach, die anscheinend den Drachenschrein aufsuchten. Ohne lange zu überlegen - denn seine Überlegungen hätten den Augenblick nur hinausgezögert - benutzte Alexis einen Zauberspruch, um vor der Gruppe zu landen. Fleera blieb abrupt stehen und fragte: >>Ist es schon Zeit?<< Alexis nickte nur. Fleera drehte sich um und sagte zu Russel: >>Das ist dein Kampf. Viel Glück für dich!<< >>Danke!<< Fleera bedeutete den anderen mit dem Kopf ihr zu folgen und lief ruhig an Alexis vorbei. Kai, Lain und Lionet liefen nicht ganz so ruhig an dem Feind vorbei und Maryl blieb neben Russel stehen. >>Russel, ich...<< >>Geh' mit den anderen, Maryl. Ich komme bald nach. Mach dir keine Sorgen um mich.<< Maryl nickte zögernd und folgte Fleera. Russel sah wieder Alexis an und fragte: >>So und was jetzt? Willst du wirklich mit mir kämpfen? Weißt du überhaupt wer ich wirklich bin?<< >>Natürlich weiß ich das.<<, antwortete Alexis. >>Ich weiß sogar wie der Krieg ausgehen wird.<< Russel zog sein Schwert und rief: >>Gut, worauf warten wir dann noch?<< Kapitel 22: Alexis' Wahrheit ---------------------------- Damian folgte der Zofe des Hofes aus der Stadt hinaus auf eine große leere Fläche. >>Was soll das?<<, fragte Damian gereizt. >>Dies wird die Stelle sein an der Ihr gegen Reuten kämpfen werdet.<<, erklärte die Zofe. Damian sah nach Westen, wo die Sonne bereits hinter den Bergen verschwunden war. Nur wenige Sterne glitzerten am Himmel. Vom Mond war gar nichts zu sehen. >>Wenn es denn so sein muss. Was ist eigentlich mit Killey?<< >>Eurem Schwarzwolf geht es gut. Er fühlt sich am Hofe sehr wohl. Wir werden uns um ihn kümmern bis ihr wiederkommt.<< >>Äh, danke.<< >>Ich muss jetzt gehen. Viel Glück für Euch.<< Mit diesen Worten verschwand die Zofe in Richtung des Schlosses. Damian seufzte und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden. >>Wie dieser Ritter wohl aussieht?<<, fragte sich Damian und merkte dabei gar nicht, dass er die Frage laut ausgesprochen hatte. Plötzlich erklang eine Stimme: >>Das kannst du gleich selber sehen.<< Damian sprang auf und fuhr herum. Ein großgewachsener Mann mit einer schwarzen Mithrilrüstung stand hinter ihm. >>Wer bist du?<<, fragte Damian drohend. >>Für die Menschen bin ich Sir Reuten, aber für dich bin ich der Tod.<<, antwortete Reuten. >>Abwarten.<<, entgegnete Damian. >>Schwarzer Pfeil!<< Damian schoss einen Pfeil ab, der knapp an Reuten vorbeiflog. Der Ritter lachte. >>Ist das alles, was die Drachen zu bieten haben? Nun, ich werde mir mit dir keine Mühe machen. Schwarzer Skorpion, ich rufe dich!<< Ein mannsgroßer Skorpion, schwarz, wie die Nacht, erschien vor Damian und trottete kampflustig umher. Damian schluckte schwer. Es war das erste Mal, das er richtige Angst hatte und auch das erste Mal, dass er überhaupt Grund zur Angst hatte. Skorpione waren die bislang einzigen Wesen vor denen er wirklich Angst hatte. Er wusste nicht, woran es lag, aber die Angst vor diesen Tieren war tief in sein Unterbewusstsein gebrannt. >>Du fürchtest dich vor Skorpionen, nicht wahr?<<, fragte Reuten triumphierend. Damian schüttelte fassungslos seinen Kopf. >>Wie kann man nur so kalt sein?<< >>Wenn ich mich recht erinnere, warst du doch derjenige, der kaltblütig eines der Schattenwesen töten wollte oder?<< >>Das ist etwas anderes!<<, begehrte Damian auf. >>Das sind Monster!<< >>Und für mich bist du ein Monster.<<, gab Reuten zu bedenken. >>Aber genug geredet. Stirb endlich!!<< Urplötzlich schnellte der Skorpion vor. Damian sprang zurück - doch zu spät. Der Stachel des Skorpion bohrte sich in sein Bein und dunkelrotes, warmes Blut quoll aus der klaffenden Wunde, als der Skorpion den Stachel wieder herauszog. Aber aus irgendeinem Grund hatte Damian keine Schmerzen, was er sich selber nicht erklären konnte. Reuten lachte. >>Hast du Schmerzen? Natürlich nicht. Hätte mich auch gewundert. Das Gift dieses Skorpions wirkt betäubend und innerhalb von fünf Minuten wirst du völlig gelähmt sein. Dann wird dein Herz aufhören zu schlagen und dann...<< Reuten beendete den Satz nicht, aber es war klar, was das heißen sollte. Damian richtete sich noch einmal zur vollen Größe auf. >>Dämonentor!<< Der Skorpion wurde, wie damals die Phantome von einem schwarzen Licht verschlungen und verschwand ohne ein Geräusch. Reuten schüttelte ungläubig seinen Kopf. >>Das ist nicht möglich! Mit diesem Blutverlust hättest du dich eigentlich nicht mehr bewegen können.<< >>Du wirst sehen, was ich kann.<<, sagte Damian. >>Ich zeige dir nun einen schwarzen Zauber, den mir der Älteste beigebracht hat. Wenn ich sterbe, nehme ich dich mit.<< Er streckte die Arme aus und überkreuzte sie. Schwarze Funken sprühten an den Stellen, an denen die Arme sich berührten. >>Was ist das?<<, fragte Reuten entsetzt. >>Ist das etwa wirklich...?<< >>Ja!<<, lachte Damian. >>Das ist das Finale!<< Er sprang vor und ergriff Reuten. Plötzlich erschütterte eine Explosion die Umgebung. Reuten schrie gequält auf, dann wurde es still. Als der Rauch sich verzog, lagen nur noch Damians Ring und Reutens Drachenschwert da. Der Ring verwandelte sich in einen schwarzen Funken und flog davon. Das Schwert lag allein da, Blut klebte an der Klinge. Das fahle Mondlicht schimmerte darauf. *** Alexis sah Russel unbewegt an. Die Luft knisterte voll Spannung. Unendlich lange, so erschien es Russel, standen sich beide gegenüber. Schließlich trat Alexis einen Schritt zur Seite und griff Russel an. Der Kämpfer sprang nach rechts, worauf Alexis in die Luft sprang, um aus der Luft mehrere Lichtbälle auf ihn zu schießen. >>Feentanz!<<, rief Russel und wich den Angriffen in einem enormen Tempo aus. Alexis landete wieder auf dem Boden, zog wie aus dem Nichts ein Schwert und griff Russel frontal an. Blitzschnell zog der Kämpfer ebenfalls sein Schwert und fing den gegnerischen Angriff ab. Die Klingen prallten klirrend aufeinander und dann herrschte wieder Ruhe und beide sahen sich an. Sie sprangen auseinander und standen wieder in ihren Ausgangsstellungen. Alexis keuchte. >>Du bist echt gut. Ich wusste es.<< >>Du bist auch nicht schlecht. Wenn ich dich so ansehe, kann ich es gar nicht glauben, dass du so stark bist.<<, entgegnete Russel. >>Hast du nicht mal gesagt, man darf seine Feinde nicht nach dem Äußeren beurteilen?<< >>Woher weißt du eigentlich so viel von uns?<<, fragte Russel. >>Und vor allem von mir?<< Alexis' Schwert verschwand und er begann zu erklären: >>Ich wurde, wie du weißt, von dem Drachen des Lichtes Jewel erschaffen, aber darüber hinaus, habe ich noch viel von seinem Wissen abbekommen. Ich weiß alles über die Menschen, die Drachen und natürlich dich. Das Schicksal der gesamten Welt ist mir bekannt.<< >>Das heißt, du weißt genau, wie die Zeit bis zum Ende des Planeten aussieht?<<, unterbrach Russel ihn. Alexis nickte. >>Ja, das ist ein Segen - und gleichzeitig ein Fluch. Ich darf niemandem davon erzählen.<< >>Nun, wenn du soviel vom Lichtgott weißt, ist es natürlich, dass du uns so gut kennst.<< >>Genug geredet!<< Alexis rannte wieder auf Russel zu und stieß seine Faust in dessen Magen. Der Kämpfer fiel mit einem Keuchen zu Boden und blieb benommen liegen. Langsam richtete er sich wieder auf und wischte sich ein Blutrinnsal aus dem Mundwinkel, während er anerkennend sagte: >>Kräftig! Das hätte ich dir wirklich nicht zugetraut. Aber das Kämpfen ohne Waffe ist feige!<< Russel hob sein Schwert auf und rannte in Windeseile auf Alexis zu. Der war davon so überrascht, dass er überhaupt nicht reagierte und Sekunden später Russels Schwert in seiner Brust hatte. Alexis lächelte. >>Sehr gut,...Levante.<< Russel fuhr erschrocken zurück und sah den zusammengesunkenen Alexis entsetzt an. >>Niemand weiß das! Woher weißt du es?<< >>Ich habe dir gesagt, dass ich alles weiß. Ich wusste sogar wie dieser Kampf enden würde.<< >>Aber warum hast du trotzdem gekämpft?<< >>Weil es mein Schicksal ist. Das müsstest du am Besten verstehen.<< >>Irgendwie schon...tut mir leid.<< >>Du musst dich nicht entschuldigen. In einhundert Jahren werden wir uns wiedersehen. Lebe wohl, Levante.<< Alexis fiel zu Boden und löste sich lautlos und schnell auf. Russel steckte sein Schwert wieder ein und seufzte. >>Armer Junge. Ruhe in Frieden. Aber was meinte er, mit dieser Vorhersage?<< Langsam drehte Russel sich um und lief weiter in die Richtung des Drachenschreins. *** Luke von Ektorn sah durch die Scheibe in den tiefer gelegenen Forschungsraum, wo in einer Glasröhre im Laufe der letzten zehn Jahre aus einer Steinplatte mit fremden Gravuren ein menschliches Wesen geworden war - und es lebte. Kein Wissenschaftler konnte sagen wie oder warum, aber sein Herz schlug tatsächlich und auch sein Gehirn war aktiv. Es sah aus wie ein Mensch. Das einzige, was ihn von einem solchen unterschied waren seine teuflisch roten Augen. Luke grinste auf das Wesen hinab. Es war ein Wunder der Magie gewesen, dass aus einer Steinplatte ein humanes Wesen geworden war. Einer der Forscher trat neben den König und sagte aufgeregt: >>Eure Majestät, wir haben herausgefunden was die Schriftzeichen auf der Steinplatte zu bedeuten hatten.<< >>Und?<< >>Da stand >Melzesa. Fürchtet die Ankunft des neunten Erben.<.<< >>Und was soll das bedeuten?<< >>Das...wissen wir noch nicht.<< >>Dann findet es heraus!<<, schnauzte Luke ihn an. Plötzlich drang ein erstickter Schrei aus dem Forschungsraum. Das sanfte, rote Licht wurde zu einem grellen, blinkenden Rot und eine Sirene ertönte. Luke richtete seinen Blick wieder auf den Forschungsraum. Die Glasröhre war zersplittert und das Wesen, das darin gewesen war, stand nun daneben und schmiss die Soldaten mit einem Fingerschnippsen an die Wand. >>Woher hat er nur plötzlich die Klamotten?<<, rief jemand. Das Wesen grinste böse und erhob sich in die Luft. >>Fürchtet die Ankunft des neunten Erben!<<, rief es und flog durch die Decke davon. Luke sah ihm fassungslos und etwas ängstlich hinterher. >>War das...Melzesa?<< >>Wahrscheinlich.<<, meinte der Forscher und sah durch das Loch in der Decke in den blauen Himmel, der langsam schwarz wurde. >>Welch Monster haben wir da nur freigesetzt?<< Kapitel 23: Das letzte Gefecht ------------------------------ >>Fleera, wie weit müssen wir noch laufen?<<, fragte Lionet müde. >>Wir sind bald da.<<, antwortete sie. Maryl hielt den Kopf immer noch gesenkt, während Lain weniger auf ihren Weg, als auf Kai achtete. Nur wenige Minuten später, stand die kleine Gruppe vor der Höhle. Über dem Eingang war ein blauer Juwel angebracht. >>Was ist das?<<, fragte Kai und deutete auf den Juwel. >>Das ist ein Siegel. Nur autorisierte Leute dürfen hier rein. Wartet einen Moment.<< Fleera trat einen Schritt vor und sagte einige Worte in ihrer Sprache, die Kai nicht verstand. Der Juwel leuchtete auf. >>Wir können gehen.<<, sagte Fleera und betrat die Höhle. Schulterzuckend folgte Kai ihr und nach wenigen Sekunden kamen auch die anderen nach. Plötzlich blieb Kai stehen und drehte sich um. Er war sich sicher, Schritte gehört zu haben. Schritte, die schnell näher kamen. >>Passt auf!<< Lain, Maryl und Lionet fuhren herum, doch Fleera ging seelenruhig weiter. Eine Gestalt erschien langsam im Eingang der Höhle, aber nur deren Silhouette war zu erkennen. Die Gestalt rief etwas. Maryl fuhr erschrocken zusammen. >>Russel!<< >>Das ist wirklich Russel.<<, sagte Kai, der inzwischen das Gesicht des Kämpfers erkannt hatte. Maryl fiel Russel schluchzend um den Hals sagte: >>Russel, ich habe mir Sorgen gemacht.<< Er strich ihr beruhigend über den Kopf und sagte: >>Ist ja gut. Ich war nie wirklich in Gefahr.<< >>Wie meinst du das?<<, fragte Kai. >>Alexis sagte, er hätte von Anfang gewusst, dass er verlieren würde. Es wäre sein Schicksal.<< >>So, so. Wie dem auch sei. Lasst uns Fleera folgen, sonst verlieren wir sie noch.<< Die anderen nickten und liefen weiter in die Höhle hinein. Auf einmal blieb Russel stehen und drehte sich um. >>Was ist?<<, fragte Lionet. >>Da ist etwas.<<, antwortete Russel. >>Und es kommt näher.<< Kai schloss die Augen. Vor seinem inneren Auge erschien eine Person mit weißen Kleidern, einem Umhang, weißen Haaren - und roten Augen. Er spürte eine dunkle Energie von dieser Person ausgehen und wie sie näherkam. >>Russel hat Recht. Was machen wir jetzt?<< Betretenes Schweigen folgte und schließlich überwand Lain sich und sagte: >>Ich werde hierbleiben und es aufhalten.<< >>Bist du sicher, Lain?<<, fragte Kai besorgt. Lain nickte. >>Ja. Also beeilt euch.<< Die Gruppe nickte und drehte sich um, um weiterzulaufen. >>Ciao, Lain!<<, rief Lionet fröhlich, doch Lain packte den jungen Mann am Kragen und sagte: >>Du wirst hierbleiben.<< >>Warum?<< >>Du kannst eine schutzlose Frau nicht einfach hier zurücklassen.<< >>Schutzlos? Kann das nicht Russel machen?<< >>Der muss schon auf Kai aufpassen. Also, los!<< Kai lächelte und lief mit Russel und Maryl den Gang hinunter. Schon nach kurzer Zeit erstarb das Gejammer von Lionet und eine unheimliche Stille nahm diesen Platz ein. Nur die Geräusche der ungleichen Schritte waren zu hören und hallten von den Wänden wider. Russel sah den besorgt dreinschauenden Kai an und fragte: >>Was ist los mit dir?<< >>Ich mache mir Sorgen um Lain und Lionet.<< >>Ach, die kommen schon klar.<<, meinte Maryl zwanghaft vergnügt. >>Immerhin sind es Lain und Lionet, vergiss das nicht.<< >>Eben. Genau deswegen mache ich mir Sorgen.<< *** Lionet blickte sich ängstlich um. >>Spürst du etwas?<< >>Nein. Warum zitterst du?<< >>Ich habe Angst. Ist das so schlimm?<< >>Das zeichnet dich zwar als Mensch aus, Lionet, aber versuch trotzdem tapfer zu sein. To na!<< Lionet sah sie an und lächelte zaghaft. Lain lächelte zurück, aber plötzlich wurde sie bleich und erschrocken rief sie: >>Da! Es kommt!<< Lionet richtete sich auf und sah den Gang zum Ausgang hinunter, wo langsame Schritte laut geworden waren. Die Gestalt nahm langsam Konturen an und blieb schließlich direkt vor Lain und Lionet stehen. Die konnten es gar nicht glauben, dass diese unglaubliche Energie wirklich von einem Menschen ausging. >>Wer bist du?<<, fragte Lain zitternd. Das Wesen grinste. >>Man nennt mich Melzesa. Ich bin der neunte Erbe und euer Untergang.<< >>Was ist ein Erbe?<<, fragte Lionet. >>Hast du etwa was geerbt?<< Melzesa lachte. >>Schade. Ihr werdet nie die Wahrheit erfahren. Stirbt!!<< Ein sirrendes Geräusch erklang und nur Sekunden später wurden Lain und Lionet an die Wand geworfen. Beide fielen auf den Boden. Blut bedeckte die Wände. Melzesa grinste, ging zu Lionet und stieß ihm seine Stiefelspitze in die Rippen. Er bewegte sich nicht. Befriedigt setzte Melzesa seinen Weg fort, während die Ringe der beiden sich in Funken auflösten, die davonflogen. *** Kai, Russel und Maryl hatten Fleera inzwischen eingeholt. Das Lichtwesen stand in einem großen, Raum mit einer Kuppel und wartete geduldig auf die Gruppe. Sie registrierte zwar, dass Lain und Lionet fehlten, sagte jedoch nichts. >>Russel,<<, bat Fleera, >>pass bitte auf, dass Melzesa nicht zu früh durchkommt.<< >>Melzesa? Bist du sicher?<< Fleera nickte. >>Beeile dich. Er kommt näher.<< Russel ging zurück in den Gang. >>Warte!<<, rief Maryl. >>Ich komme mit dir!<< Sie lief ihm hinterher und verschwand aus der Sicht der beiden. Kai sah Fleera an und fragte: >>Und was machen wir jetzt?<< >>Wir nutzen die Zeit, die Russel uns verschafft, um Melzesa zu versiegeln.<< >>Worin willst du ihn versiegeln?<< Fleera machte eine ausladende Handbewegung und deutete auf die Statue eines Dämons mit einem grauen Stein auf der Stirn. >>Darin.<< >>Und wie?<< Fleera lächelte belustigt und deutete auf die Rune, die auf dem Boden vor der Statue gezeichnet war. >>Ich werde dir helfen. Komm, stell dich dahin.<<, sagte Fleera und deutete auf das mittlere Zeichen, das Kai nicht entziffern konnte und sich von den anderen farblich abhob. Er nickte und stellte sich darauf. Er glaubte zu spüren, wie die Erde sacht bebte. Fleera sah sich eine Sekunde die verschiedenen Zeichen außen herum an und stellte sich dann auf das rechte Symbol. >>Und los! Konzentriere deine gesamte Kraft auf die Rune und lasse dich von nichts ablenken.<< Kai nickte und schloss seine Augen. Er fühlte wie seine gesamte Energie in die Rune floss und damit eins wurde, während sein Bewusstsein immer mehr verschwamm. *** Maryl hielt sich an Russels Arm fest und wisperte: >>Da, da ist etwas.<< >>Ich weiß, Prinzessin. Ich spüre es auch.<< Mit gemächlichen Schritten näherte Melzesa sich und lächelte belustigt über den Widerstand, der vor ihm stand. >>Na, na, was haben wir denn da? Zwei schwächliche Menschen, nein, warte, du bist doch...<< Doch bevor er den Satz beenden konnte, hatte Russel sein Schwert gezogen und es in die Brust Melzesas gestoßen. Erst war dieser vor Überraschung sprachlos, doch schließlich fasste er sich wieder und weiterhin lächelnd meinte er: >>Nun, nicht schlecht, doch leider scheinst du keine Ahnung von der Anatomie eines Dämons zu haben.<< Melzesa jagte Russel einen Energieball in den Magen, der ihn zurückfallen ließ, aber nicht verletzte. Die Wunde in Melzesas Brust verheilte in weniger als einer Sekunde, aber das Lächeln des Dämons, das ein bisschen grotesk wirkte, erlosch einfach nicht. Russel stand auf und fragte: >>Was willst du eigentlich?<< >>Das verstehst du nicht. Es ist eine alte Geschichte. Aber ich werde mich nicht von dir abhalten lassen.<< Melzesa konzentrierte einen Zauber, aber plötzlich erfüllte ein weißes Licht den Raum hinter der Gruppe und eine unglaublich starke Macht, die nicht von Melzesa ausging, erfüllte die Höhle. >>Was ist das?!<<, rief Maryl gegen den nun anschwellenden Lärm an. >>Das ist das Siegel! Nun können wir nichts mehr tun!<<, antwortete Russel schreiend. Melzesa erbleichte und wich zurück. Sein Lächeln war endgültig erloschen und langsam sprach er: >>Nein, das ist nicht wahr! Ich komme zu spät! Nein!!<< Das Licht blendete Russel und Maryl und als sie ihre Augen wieder öffneten, war Melzesa verschwunden. >>Was ist mit Melzesa?<<, fragte Maryl leise. >>Ist er jetzt für immer weg?<< Schweigend drehte Russel sich um und lief zurück in den Raum mit der Kuppel. Er wollte Maryl nicht belügen, er war sich nicht sicher und außerdem wollte er erst einmal wissen, was aus Kai und Fleera geworden war. Der Stein auf der Stirn der Statue hatte sich grün gefärbt und zeigte damit, dass ein Dämon in ihm versiegelt war. Russel kam gerade dazu, als sich Fleeras Ring auflöste. Langsam ging er näher an die Runenzeichnung heran und erkannte, dass Kais Ring noch dalag und im Licht einer der Fackeln glitzerte. Er hob den Ring auf und betrachtete ihn nachdenklich. Es schien als ob der Ring etwas sagen wollte. Auf einmal erklang eine leise Stimme und Russel hätte schwören können, dass es Kais Stimme war, die sagte: >>Auf bald...<< Der Ring löste sich auf und die Funken flogen davon. Maryl stellte sich neben Russel und fragte: >>Wo sind Kai und Fleera?<<, doch gleichzeitig hatte sie das Gefühl es gar nicht wissen zu wollen. Russel sah sie an und sagte nach einigem Überlegen: >>Maryl, lass uns auf eine Reise gehen.<< >>Aber, Russel, wir sollten zurück zu Kaiser Ryu. Er wartet sicher schon auf uns.<<, antwortete die junge Frau mit zitternder Stimme. >>Maryl,...Ryu ist tot...und Damian auch.<< Maryls gelbe Augen weiteten sich entsetzt und ungläubig schüttelte sie den Kopf. >>Nein...<< >>Doch, Maryl. Wir sind die einzigen dieser Gruppe, die überlebt haben.<< >>Aber was tun wir jetzt?<< >>Alexis sagte, dass wir uns in einhundert Jahren wiedersehen würden. Solange müssen wir uns gedulden. Einverstanden, Maryl?<< Sie nickte. Ihr Blick festigte sich wieder. >>Gut. Lass uns gehen. Ich bin gespannt wohin wir überall kommen werden.<< Maryl drehte sich um und lief schnell davon. Russel konnte sehen, dass sie Tränen in den Augen hatte. Auch ihm war zum Weinen zumute, doch er beherrschte sich aufgrund von Maryl und drehte sich ebenfalls zum Gehen. >>Auf bald, Kai.<<, sagte er und folgte Maryl, während er noch vor sich hin murmelte: >>Der Kaiser ist tot, das Kaiserreich ist gefallen...<< Epilog: Das Ende einer Ära -------------------------- >>Der Kaiser ist tot, das Kaiserreich ist gefallen.<< Mit diesen Worten wurde die menschliche Hetzjagd auf die Drachenmenschen von König Luke eröffnet. Die verbliebenen Drachenmenschen, die noch nicht geflohen waren, wurden vertrieben oder getötet. Argus Pail wurde in den Kerker geworfen und am nächsten Tag hingerichtet. Die Hauptstadt wurde völlig zerstört und nur Ruinen blieben von dem einstmals stolzen Palast übrig. Die Leichen der Lords, Reuten oder gar des Kaisers wurden jedoch nie gefunden. Russel und Marylin de la Rosa hatten sich auf den Weg nach Australien gemacht, um in der Abgeschiedenheit des Outbacks ihre Fähigkeiten auszubilden. Nur ein Jahr nach dem Überfall auf Drakani begann eine Revolte im Königreich Ektorn, in deren Verlauf die königliche Familie hingerichtet und durch einen Präsidenten ersetzt wurde. Die geheimnisvollen >Slayers< gewannen immer mehr Einfluss auf der Erde und nur noch selten begegnete man Menschen, die ihre Magie offen zur Schau stellten, bis die Magie schließlich ganz ausstarb. Doch gab es auch Leute, die sich gegen die >Slayers< auflehnten und spurlos verschwanden. Russel und Maryl kümmerten sich nicht um die >Slayers< und das, was sie bedeuteten. Doch sollten sie diese Ignoranz eines Tages bereuen? Das Schicksal, das nun neu geschrieben wird, wird es zeigen. ******* Zum Abschluss danke ich allen Kommischreibern. Dank euch und einigen anderen habe ich vieles in meiner Version verbessern können. Ich bin sicher, dass ich eines Tages jemanden finden werde, der es auch veröffentlichen wird. Nyo, falls ihr noch mehr Infos über das Buch wollt (Who is who, Rassen, weitere Kapitel), dann schreibt mir eine ENS. Ich werde bald in mein Forum das oben genannte setzen. Bye! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)