Eternal's Serenade von Flordelis (Seinarukana) ================================================================================ Kapitel 12: In Sicherheit ------------------------- Der Gang vor ihnen machte eine Kurve – und führte sie direkt in einen Altarraum, in dem das Shinken aufbewahrt worden war. Allerdings war der Altar leer, es war nichts mehr zum Anbeten da. „Wer kann es genommen haben?“, fragte Leana. „Landis?“ Isolde schüttelte ihren Kopf. „Dem Gefühl nach ist es schon lange fort.“ Die Gruppe ging um den leeren Altar herum. Auf dem Boden, direkt davor, saß – „Landis!“, rief Ruputna erleichtert aus und lief auf ihn zu. Zetsu zog sie hastig zurück. Die Klaue der Echse grub sich tief in den Boden, wo Ruputna gerade eben noch gestanden hatte. „Das war knapp“, sagte der Eternal. „Sei nicht so leichtsinnig!“ Sie riss sich von ihm los und sah zu Landis hinüber. „Warum tust du das!? Was soll das? Wir sind doch deine Freunde! Hast du das vergessen!?“ Der Junge stand auf und erwiderte den Blick, doch seine Augen blieben leer, sein Gesicht ausdruckslos. „Diebe“, hauchte er kaum hörbar, während er in langsamen, motorischen Bewegungen erneut seine Kopis zog. „Eindringlinge haben hier nichts verloren.“ Isolde runzelte ihre Stirn. „Das ist es also. Der Tempel hält uns für diejenigen, die das Shinken gestohlen haben und will uns mit Landis' Hilfe zur Rechenschaft ziehen.“ Leana zog ihr Shinken. „Das ist nicht gut. Können wir irgendetwas dagegen tun, ohne Landis zu verletzen?“ „Wenn wir die Echse töten, löst sich die Verbindung und er dürfte wieder normal werden“, meinte Nanashi. „Aber laut dem, was ich in der unteren Etage erfahren habe, gibt es nicht viele Möglichkeiten, sie zu töten.“ „Egal, probieren wirs!“, schnaubte Ruputna, während sie sich in Kampfposition stellte. „Eine Schwachstelle der Echse sind ihre Augen“, sprach Nanashi weiter. „Und eine weitere der untere Teil ihres Körpers.“ Zetsu hob sein Shinken. „Nichts leichter als das.“ Er preschte auf das Wesen zu. Landis vollführte eine Bewegung aus dem Handgelenk. „Achtung!“, rief Leana. Zetsu imitierte Landis' Bewegung. Sein Shinken zerteilte den Schwanz der riesigen Eidechse. Mit einem schmerzerfüllten Schrei richtete sich das Wesen auf und entblößte ihre Brust, die nicht mit schützenden Schuppen bedeckt war. Die Haut war so dünn, dass die Gruppe das Herz schlagen sehen konnte. Landis taumelte, während er sich an den rechten Arm griff. Die Manaverbindung ließ ihn genau wie das Monster Schmerzen erleiden. Ruputna zögerte nicht mehr. Mit einem entschlossenen Blick überholte sie Zetsu. Das Shinken an ihren Füßen leuchtete auf, als sie zu einem hohen Tritt ansetzte. Ein glühender Schweif folgte ihrer Bewegung, eine Fontäne von Blut, das sich augenblicklich in Mana verwandelte, schoss aus der daraus entstandenen Wunde, die sich quer über die Brust zog. Ruputna sprang wieder zurück. Mit einem markerschütterndem Schrei fiel die Echse zu Boden und löste sich langsam auf. Landis' Shinken verschwand. Er taumelte noch einmal, bevor er auf die Knie fiel und dann zur Seite wegkippte und leblos liegenblieb. „Die Manaverbindung ist abgebrochen“, berichtete Nanashi. „Landis!“ Ruputna stürzte zu ihm hinüber. Sie kniete sich neben ihn und hob seinen Oberkörper leicht an. „Landis! Landis, wach auf!“ Leana kam dazu und kniete sich auf die andere Seite. „Keine Sorge, er ist nur ohnmächtig. Bestimmt wacht er bald wieder auf.“ „Glaubst du?“ Ruputna hatte Tränen in den Augen, aber sie kämpfte diese trotzig und tapfer zurück. Leana nickte lächelnd. „Ganz bestimmt, vertrau mir.“ Das Mädchen lächelte ebenfalls. „Gut, dann bringen wir ihn endlich hier weg, ja?“ Sie versuchte, mit ihm auf dem Arm aufzustehen – aber er war deutlich zu schwer für sie. Zetsu trat dazu und nahm ihn ihr wortlos ab. Er wirkte wie eine übergroße Marionette, der man einfach die Fäden durchgeschnitten hatte. „Lasst uns endlich gehen“, sagte der Eternal schließlich. „Diese Ruine macht mich noch ganz krank.“ Die anderen nickten und liefen ihm hinterher, die Ruine zurücklassend, aber aufgrund der Ereignisse nicht erleichtert, sondern nur besorgt. Salles hatte die Ellenbogen auf den Tisch gestützt und ruhte sein Kinn auf seinen gefalteten Händen. Er sah Zetsu und Leana über den Rand seiner Brille hinweg an. Jatzieta stand, in ihrem Arztkittel, neben Salles, die Arme locker vor der Brust verschränkt, mit einem seltenen ernsten Ausdruck im Gesicht. „Landis schläft jetzt auf der Krankenstation“, beendete Zetsu den Bericht. Jatzieta hatte ihn und Leana sofort zu Salles gezerrt, als sie gehört hatte, dass es eine größere Geschichte war. Die beiden Anführer der Brigade blickten Zetsu und Leana ernst und nachdenklich ein, beide in ihre eigenen Gedanken und Überlegungen vertieft. Schließlich räusperte Salles sich. Er schob seine Brille zurück und stand auf. „Ich dachte mir bereits, dass dieser Eternal, der ihn gerettet hat, sein Vater war. Und Landis wusste es unterbewusst wohl auch, immerhin erwachte in dieser Situation sein Shinken. Aber ich wäre nicht einmal im Traum auf den Gedanken gekommen, dass sein Vater das Shinken aus einem Tempel hat, den er selbst erbaute. Ich dachte, die würden schon lange nicht mehr gebaut werden.“ „Möglicherweise hat man das Stück in seiner Welt erst viel später gefunden“, vermutete Jatzieta. „Wenngleich ich nicht erklären kann, wie dann jemand auf die Idee mit dem Tempelbau kam.“ Salles runzelte seine Stirn. „Ich habe das Gefühl, da steckt mehr dahinter als wir ahnen.“ Zetsu legte nachdenklich eine Hand an sein Kinn. „Womöglich hat Landis den Bau aber auch gar nicht mitbekommen. Wir wissen so wenig über diese Daten... vielleicht gehört die Erinnerung an den Tempelbau zum Schlüssel dazu und es wurde alle paar Generationen wieder ein neuer Schlüsselträger ausgesucht.“ Jatzieta grinste. „Der Gedanke ist gar nicht so übel, Zetsu. Hoffentlich weiß deine Freundin ihren schlauen Freund zu schätzen.“ Schweigend legte Leana ihren Kopf schräg. Sie war nur mitgegangen, weil Zetsu sie darum gebeten hatte, zum Thema beitragen konnte sie ohnehin nichts und verstehen tat sie noch viel weniger. Salles räusperte sich noch einmal. „Wenn es Landis wieder besser geht, werde ich das mit Nayas Hilfe untersuchen. Aber bis dahin bringt es auch nichts, wenn wir uns den Kopf ohne Fakten zerbrechen. Zetsu, danke für deinen Bericht.“ „Schon in Ordnung“, sagte der Eternal. Ohne Aufforderung fuhr er herum und verließ das Büro. Leana folgte ihm hastig. Jatzietas Gesichtsausdruck wurde wieder ernst. „Was sagst du dazu, Salles? Glaubst du, er könnte uns jetzt gefährlich werden?“ Sein besorgter Blick gab ihr genug Antwort darauf und er wusste das, weswegen er schwieg. „Ich will aber nicht diejenige sein, die es Ruputna sagt“, merkte Jatzieta an. „Ich bin nicht gern die Überbringerin schlechter Nachrichten.“ „Abergläubisch?“, fragte Salles. Seine Augen blitzten belustigt auf. „Keine Sorge, heutzutage werden die Überbringer von Hiobsbotschaften nicht mehr gelyncht.“ „Da wäre ich mir bei Ruputna nicht so sicher“, lachte sie. Die Spannung im Raum war mit einem Schlag verschwunden. Die beiden lächelten sich an. „Gut, dann werde ich mal gehen und nach den beiden Kinderchen sehen“, sagte Jatzieta. Salles nickte. „Wenn Landis aufwacht, möchte ich es sofort wissen.“ „Natürlich.“ Sie neigte den Kopf und verließ das Büro ebenfalls – nur um auf Zetsu und Leana zu stoßen. „Nanu? Was macht ihr beiden Turteltäubchen denn noch hier?“ Leana wurde rot, aber Zetsu zeigte wie gewöhnlich keine Regung. „Jatzieta, wenn Landis eine Gefahr für uns ist...“ „Dann werden wir einen Weg finden, die Gefahr zu entschärfen.“ Er nickte zustimmend, scheinbar zufrieden, auch wenn das bei ihm manchmal schwer zu sagen war. Anscheinend war das die Antwort, die er erwartet und erhofft hatte. Jatzieta kicherte. „Na dann, ich bin auf meinem Weg auf die Krankenstation, bis demnächst, meine Lieben.“ Sie ging weiter, eine verlegene Leana und einen zufriedenen Zetsu zurücklassend. Still sitzen war ohnehin nichts, was Ruputna lag. Aber still sitzen und nichts tun zu können, während Landis auf dem Bett lag und keine Regung zeigte, war noch um einiges schwerer für sie. Leana hatte gesagt, dass er nur ohnmächtig wäre und auch Jatzieta hatte gesagt, dass er noch leben würde. Aber wie lange dauerte so eine Ohnmacht? Und wenn er wieder aufwachte, würde er sich dann so seltsam verhalten wie Nozomi als Faim ihren Körper übernommen hatte? Oder würde er sie gar wieder angreifen? Ruputna war sich sicher, dass sie nicht gegen Landis kämpfen könnte, genausowenig wie Nozomu sein Shinken sich gegen seine Kindheitsfreundin Nozomi erhoben hatte. Und sie könnte auch nicht zusehen, wenn die anderen gegen Landis kämpfen würden. Hastig schüttelte sie ihren Kopf. Sie durfte nicht so negativ denken, das deprimierte sie nur. Die Tür öffnete sich, eine lächelnde Jatzieta kam herein. „Na? Wie sieht es aus?“ Ruputna senkte den Kopf. „Er ist noch nicht wieder aufgewacht.“ „Na na, nun lass mal den Kopf nicht hängen. Er fängt sich bestimmt bald wieder.“ Ihre Stimme wurde ernst. „Aber du weißt, dass -“ „Ja, ich weiß, dass er nicht mehr mein Landis sein könnte“, unterbrach Ruputna die Ärztin. „Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich bin mir sicher, dass er es sein wird.“ Jatzieta lächelte. Es war anders als ihr normales Lächeln. Es war warm und in gewissem Maße mütterlich – auch wenn man das Jatzieta niemals sagen dürfte, da sie das als Beleidigung aufgefasst hätte. „Ich bin sicher, er weiß, dass du hier bist und auf ihn aufpasst.“ Ruputna nickte glücklich. „Das glaube ich auch.“ Jatzieta klopfte ihr auf die Schulter. „Dann lass uns die Zeit mal zusammen herumbringen, bis dein Freund wieder aufwacht.“ Das Mädchen nickte noch einmal und sah dann mit wesentlich positiveren Gedanken wieder Landis an. Ich weiß, dass du immer noch zu uns gehörst, Lan. Also bitte, wach schnell wieder auf. Fast schon ehrfürchtig berührte Adina die blau leuchtenden Wurzeln, die das gesamte Schulgebäude durchzogen. Ihre Augen leuchteten voll kindlicher Neugier. Nozomi konnte nicht anders als leise zu lachen. Es kam ihr vor als würde sie ein Kind beobachten, das gerade erst begann, die Welt zu entdecken und für das jeder Schritt ein neues Abenteuer war. Adina sah sie an. „Was sind das für Wurzeln?“ „Sie sind ein Teil von Monobe, also dem großen Monobe. Dadurch wird Strom erzeugt und auch fließend Wasser, so dass wir hier auf keine Annehmlichkeit verzichten müssen, egal in welcher Welt wir sind.“ „Wow! Sowas hätte ich auch gern! Aber mein Shinjuu ist leider... weniger nützlich.“ „S-sag doch so etwas nicht“, widersprach Nozomi erschrocken und schielte zu Karfunkel, der unbeteiligt neben Adina saß. „Den stört das nicht“, erwiderte der blonde Eternal. „Karfunkel kennt mich immerhin schon eine Weile.“ „Gutes Stichwort“, fiel Nozomi ein. „Wie lange hast du eigentlich schon ein Shinken? Und seit wann bist du ein Eternal?“ Adina legte ihre Stirn in Falten. „Schwer zu sagen... ich weiß nicht, wieviel Zeit bei euch auf der Erde vergangen ist. Mir kommt es wie eine halbe Ewigkeit vor, weil die Zeit hier draußen ganz anders verläuft. Jedenfalls hab ich mein Shinken im Jahr 2001 bekommen.“ „2001... warte mal!“ Nozomi fiel etwas in Adinas Worten auf. „Du bist von der Erde? So wie wir?“ Der blonde Eternal schnitt eine Grimasse. „Ich weiß nicht, ob es genau dieselbe Welt ist, aber ich befand mich innerhalb des Zeitbaums und es war eine Welt, die zumindest so ähnlich war wie eure.“ Es gab unzählige Welten im Zeitbaum, so dass es öfter vorkam, dass sich zwei oder mehrere Welten ähnelten und sich nur durch Details voneinander unterschieden. Nozomi sah sie erstaunt an. „Was für ein Zufall.“ „Nicht wirklich“, merkte Karfunkel an. Die beiden Mädchen ignorierten ihn. „Und seit wann bist du ein Eternal?“, hakte Nozomi noch einmal nach. „Als ich mein Shinken erhielt, wurde ich ein Eternal. Ich hatte keine... Übergangszeit.“ „Ich verstehe.“ Sie merkte, dass Adina nicht weiter darüber reden wollte, also ließ sie das Thema fallen, obwohl sie eigentlich gern noch mehr gewusst hätte. „Ich muss langsam in die Küche“, sagte Nozomi. „Es wird Zeit fürs Abendessen.“ Adina nickte ihr zu und sah ihr hinterher, bis sie hinter einer Ecke verschwunden war. Karfunkel räusperte sich. „Adina, ich habe etwas gefunden.“ Er hatte damit angefangen, laut zu reden, statt direkt in ihre Gedanken hinein. Seine Partnerin wusste nicht, wieso und es interessierte sie auch nicht wirklich, solange sie ihn verstand. „Und was wäre das?“, fragte sie interessiert. „Es geht um diese Ruine, die wir neulich schon einmal untersucht haben.“ Sie seufzte. „Aber wir haben da doch nichts gefunden.“ „Ja, weil wir vor verschlossenen Türen standen – aber jetzt ist sie offen. Wir können tiefer rein und uns innen umsehen.“ Adina lächelte. „Sehr gut, worauf warten wir also noch? Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es bis zum Abendessen.“ Karfunkel seufzte und folgte seiner hoch motivierten Partnerin zum Teleporter, der sie auf die Oberfläche bringen sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)