Eternal's Serenade von Flordelis (Seinarukana) ================================================================================ Kapitel 13: Besorgniserregende Zeiten ------------------------------------- Eigentlich hatte sie gar nicht von Landis' Seite weichen wollen, aber Jatzieta hatte sie gebeten, ihr zu helfen. Also stand Ruputna nervös und alles andere als ruhig gemeinsam mit der Ärztin in einem Materialraum der Schule. Jatzieta durchsuchte einige der Schränke und drückte Ruputna immer wieder etwas in den Arm, das sie halten sollte. Dabei wirkte sie nicht so sorglos oder erleichtert wie sie es sonst tat. Ihr Gesicht drückte Angespanntheit und Besorgnis aus. Ruputna fragte sich, was los war, traute sich aber auch nicht so recht, zu fragen. Was, wenn es eine schlechte Nachricht war, die sie eigentlich gar nicht hören wollte? Oder – was für sie noch fast schlimmer war – eine Antwort, die sie ohnehin nicht verstehen würde? Doch die Frage wurde ihr abgenommen. Jatzieta seufzte. „Ich habe gewusst, dass das mal passieren wird. Uns gehen langsam die Medikamente aus. Und ich glaube kaum, dass ich aus den Zutaten hier neue zusammenbrauen kann.“ „Was bedeutet das?“, fragte Ruputna. Jatzieta sah sie leicht verwundert an. Vermutlich hatte sie das Mädchen bereits vergessen gehabt und war deswegen über ihre Anwesenheit überrascht. Ob sie wohl öfter Selbstgespräche führte? Die Ärztin seufzte noch einmal und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das bedeutet, dass ich bald niemandem mehr helfen kann.“ „Auch Landis nicht?“ Jatzieta lächelte sanft. „Er braucht derzeit ja keine Medikamente, mach dir also mal keine Sorgen um deinen kleinen Freund.“ Erleichtert atmete Ruputna aus. Die Fläschchen in ihren Armen klapperten klirrend, als sie aneinanderschlugen. Ohne etwas zu sagen, nahm Jatzieta ihr die Dinge wieder ab und stellte sie zurück in die Regale. „Ich kann die ohnehin nicht gebrauchen“, murmelte sie dabei halblaut vor sich hin. Für Ruputna war das eine völlig neue Seite an Jatzieta. Sie hatte die Ärztin bislang als unbeschwerte Frau mit einem Hang zum Alkohol kennen gelernt – dass sie auch ernst und besorgt sein konnte, erstaunte Ruputna in gewisser Weise. Die Fläschchen quittierten es mit einem leisen Klirren, als Jatzieta die Regaltüren schloss. „Gehen wir zurück. Ich kann später mit Salles reden, wie wir das mit der Medikamentenknappheit wieder hinkriegen. Vielleicht kann er ja mit dem König reden.“ Sie kicherte leise und scheuchte Ruputna aus dem Raum hinaus. Der Materialraum und der normale Schulflur waren wie Tag und Nacht. Während der kleine Raum dunkel, eng und vollgestopft mit allen möglichen Dingen und Regalen war, in denen kleine Fläschchen mit zwielichtigen Inhalten Staub ansetzten und einfach nur alt aussah, wirkte der Gang steril, hell und äußerst geräumig. Als ob man den Raum aus einer völlig anderen Schule genommen hätte. Nozomu hatte Ruputna einmal erklärt, dass es daran lag, dass die Materialräume nicht bei der Sanierung des Gebäudes miteinbezogen worden waren – allerdings hatte sie nicht ganz verstanden, was mit einer Sanierung gemeint war und sie hatte auch nicht weiter nachgefragt, weil es sie nicht wirklich interessiert hatte. Gemeinsam gingen Jatzieta und Ruputna zurück. Schon vor der Tür zur Krankenstation, hatte das Mädchen ein seltsames Gefühl in der Brust, als ob etwas in ihrer Abwesenheit passiert wäre. Sie öffnete die Tür. Als erstes fiel ihr Blick auf das geöffnete Fenster, die weißen Vorhänge bauschten sich im Wind. „Komisch“, murmelte Jatzieta. „Ich habe das Fenster vorhin doch geschlossen. War jemand hier?“ Ruputna hörte ihr nicht zu, stattdessen wanderte ihr Blick weiter zu Landis' Bett. Ihr Herz wurde ihr schwer, als sie feststellte, was nicht stimmte. „Leer...“ Es war der zweite Tag, an dem sich Subaru mit Baila traf. Wie üblich schwieg das Mädchen und reagierte höchstens mit einem Nicken, wenn er sie etwas fragte oder ansprach. Dabei hatte er so viele Fragen an sie, auf die er gern eine Antwort gehabt hätte. Satsuki, die irgendwie herausbekommen hatte, dass er sich am Tag zuvor mit Baila getroffen hatte, hatte anscheinend in der Stadt herumgefragt, wer das Mädchen wäre, aber von allen Seiten nur Schulterzucken oder fragende Blicke geerntet. Baila war quasi ein einziges großes Rätsel – und das gefiel Subaru nicht. Er war von Natur aus nicht neugierig und die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass man oftmals mehr erfuhr, wenn man nicht nachfragte. Aber ihr beharrliches Schweigen und die Ratlosigkeit der anderen Stadtbewohner weckte eben diese Neugier in ihm. Wenngleich er das Gefühl hatte, dass er eigentlich gar nicht wissen wollte, was sie verschwieg oder warum sie schwieg. Verzweifelt suchte er nach einem Thema, über das er mit ihr reden konnte, so dass sie auch einmal richtig antworten würde. Wie sollte er eine Freundschaft aufbauen, wenn sie nicht mit ihm redete? Er war so tief in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkte, dass Soukyuu, sein Shinken, auf irgend etwas reagierte. Oder womöglich war er diese Reaktion schon so sehr gewöhnt, dass er es nicht mehr registrierte. Erst als er spürte, dass der Greif Sparth in seinen Gedanken versuchte, ihn auf etwas hinzuweisen, achtete er wieder auf sein Shinken. Es sagte ihm, dass eine weitere Götterwaffe in der Nähe war – und es war keine der bekannten Waffen. Neugierig sah Subaru Baila an. Sie schien keinerlei Waffe zu besitzen oder gar eine Kämpferin zu sein, aber der Impuls kam eindeutig von ihr, soviel konnte er sagen. Subaru beschloss, sie einfach nach einer Waffe zu fragen. Fragend sah sie ihn an. „Was?“ „Ich habe dich gefragt, ob du eine Waffe besitzt.“ Sie legte den Kopf schräg als wolle sie ihn schütteln, aber dann nickte sie. „Ja, das tue ich.“ Sie streckte ihre rechte Hand aus. Ein Stab aus weißem, polierten Holz erschien. An der Spitze befand sich ein farbloser Kristall, in dem sich das Sonnenlicht brach. „Das ist ein Shinken, oder?“ Baila nickte noch einmal, den Stab drückte sie an sich, aber es schien mehr als würde sie sich daran festhalten und ohne ihn sofort zerbrechen. „Ich habe auch eines“, sagte Subaru. „Ich weiß.“ „Ah... ja? Wirklich?“ Ein erneutes Nicken war ihre Antwort. Subaru legte eine Hand auf sein Herz. „Wie wärs? Willst du dich uns nicht anschließen? Dann wärst du nicht mehr allein.“ Dann wärst du bei mir... Baila sah ihn nur an. Ihr Blick leer, ihr Gesicht nichtssagend. Doch schließlich antwortete sie. Es war nur ein Wort und doch genügte es, um Subaru zu deprimieren: „Nein.“ Rehme rieb sich die immer noch schmerzenden Wangen und warf Satsuki böse Blicke zu. Doch diese ignorierte sie und kümmerte sich stattdessen begeistert um ihr Essen und dessen Vertilgung. Nozomus Freundin hatte dem Shinjuu am Tag zuvor ziemlich zugesetzt, um an Subarus Geheimnis zu kommen. Und Rehme hatte ihr das immer noch nicht verziehen. Nozomu aß ebenfalls, wenngleich ein wenig langsamer als Satsuki. Da sie es selbst gekocht hatte, tat sie das wohl nur, um nicht zu bemerken, dass sie sich mal wieder bei den Gewürzen vertan hatte. Er fand allerdings, dass es gar nicht schlecht schmeckte. Rehme schnaubte wütend. „Nozomu, warum hast du nichts zu Satsuki gesagt?“ „Das war gestern. Du hast genug rumgeschrien. Komm langsam darüber weg, dass sie dir die Infos über Subarus Freundin herausgequetscht hat.“ Er hatte sich absichtlich nicht eingemischt. Zwischen Rehme und Satsuki zu geraten war äußerst kritisch und endete nicht selten in Verletzungen für ihn. Außerdem hatten beide ein vorlautes Mundwerk, also konnten sie sich auch selbst gegeneinander behaupten. Reimei, Nozomus Shinken reagierte plötzlich auf etwas. Rehme wurde ebenfalls darauf aufmerksam. „Scheint als würde jemand hier in der Nähe eine Menge Mana einsetzen.“ „Sind es unsere Feinde?“, fragte Satsuki. Das Reiskorn, das oberhalb ihrer Lippe hing, gab ihrem ernsten Gesicht einen lächerlichen Unterton. Rehme hatte ihre Augen geschlossen und konzentrierte sich auf den Ursprung der Energie. Sie schüttelte ihren Kopf. „Nein, kein Feind. Es ist -“ Nachdem sie das gesamte Schulgebäude auf den Kopf gestellt hatten, ohne Landis zu finden, hatten Ruputna und Jatzieta beschlossen, ihn draußen zu suchen. Youran, Ruputnas Shinken gab ihr eine bestimmte Richtung vor, in der sie zu suchen hatte. Ihr Shinjuu Wadatsumi warnte sie vor einem manaintensiven Zauber oder einer Beschwörung, die nichts mit einem Shinjuu zu tun hatte. Was hatte das zu bedeuten? Wurde Landis angegriffen? Oder war er selbst derjenige, der den Zauber ausführte? War er etwa doch nicht mehr der alte Landis? Nein, so etwas durfte sie gar nicht denken. Sie schob den Gedanken weit von sich. Jatzieta, die mit ihren hohen Schuhen anfangs nicht so schnell wie Ruputna gewesen war, holte schließlich auf. Sie hielt ihr leuchtendes Shinken in ihren Händen, ein sicheres Zeichen, dass sie Macht von diesem bezog, um die Geschwindigkeit zu erreichen. Sie nickte Ruputna zu. „Mach dir keine Sorgen. Bald wissen wir, was los ist.“ Die beiden blieben stehen, als sie das Spektakel mit eigenen Augen sehen konnten. Eine Gestalt stand mehrere hundert Meter von ihnen entfernt, laut Youran war es eindeutig Landis. Aber das war es nicht, was die beiden Frauen hatte inne halten lassen. Die Luft um ihn herum war erfüllt von unzähligen goldenen Manafunken, die im Sonnenlicht glitzerten und sie fast blendeten. Die Funken bewegten sich langsam um ihn herum, so dass nur noch eine verschleierte Silhouette von ihm zu sehen war. Ruputna legte eine Hand auf ihr Herz und schluckte. „Landis...“ Die Funken begannen, sich zu einem Körper zu formen. Es war der Körper der Echse, die sie im Tempel besiegt hatten. „Oh nein... nein...“ Jatzieta schmunzelte. „Ganz schön riesiges... Kerlchen.“ In Gedanken verglich sie die Echse mit ihrem Barasterda the Ignis – und kam zu der Erkenntnis, dass ihr Shinjuu um einiges größer war, was sie wieder lächeln ließ. Ruputna war aber gar nicht nach Lächeln zumute. „Landis!“ Die Rekonstruktion der Echse war abgeschlossen, die Luft wieder frei von allen Manafunken. Landis drehte sich leicht zu ihnen herum und - Azzurre tauchte aus der Dunkelheit auf, die den Ort umgab, an dem sich die vier Anführerinnen trafen. Die anderen drei waren bereits da, offensichtlich hatten sie die Nachricht früher bekommen als erwartet – oder sie hatten den Ort gar nicht erst verlassen. „Was liegt an, Azzurre?“, fragte Shani, die bereits voller Energie zu sein schien. Vielleicht stimmte ja etwas an dem Gerücht und Rothaarige hatten dermaßen viel Esprit, zumindest sah es deutlich danach aus. „Es scheint, dass einer der Shinken-Nutzer aus Narukanas Gruppe eine Geheimwaffe hat. Findet ihn und macht ihn unschädlich. Und wenn das schon nicht funktioniert, dann findet wenigstens heraus, was es für eine Waffe ist, die dermaßen viel Mana verbraucht.“ „Klingt spaßig“, kommentierte Shani. Yuina und Sable schwiegen. Azzurre nickte. „Ihr drei werdet diesmal allein gehen. Enttäuscht unseren Meister nicht.“ „Sehr wohl.“ Damit verschwanden sie und ließen Azzurre allein in der Stille zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)