Eternal's Serenade von Flordelis (Seinarukana) ================================================================================ Prolog: Spieluhr ---------------- [Eternity] a moment standing still forever. ~ John Milton, 17. Jahrhundert Obwohl die Spieluhr geöffnet war, herrschte eine bedrückende Stille im Zimmer, die umso gespenstischer erschien, da kein Laut aus der Uhr ertönte. Schon lange fragte ich mich, weswegen der kleine Kasten aus dunkelbraunem Holz keine Melodie mehr spielte, aber es schien keine Antwort darauf zu geben. Ich würde es wohl nur herausfinden, wenn ich ihn auseinandernehmen würde – aber das brachte ich nicht über mich. Die Spieluhr war eines meiner letzten Andenken an mein früheres Leben und auch wenn aus ihr keine Melodie mehr erklang, so wollte ich sie nicht zerstören. Stattdessen wollte ich warten, bis sie irgendwann wieder zu spielen anfing. Immerhin hatte ich alle Zeit der Welt und Wunder waren mir nicht mehr fremd in meinem jetzigen Leben. Ich befand mich in einer Welt ohne Elektrizität, ohne fließend Wasser, ohne Fernseher oder Radio. Inzwischen erschienen mir die selbstverständlichen Dinge von früher wie Luxus – Luxus, den man nicht zum Leben brauchte, der es einem aber erleichterte. Und für die Leute hier wäre es sicherlich ein Wunder, wenn Wasser aus einem Hahn laufen würde. Ich schloss den Deckel der Spieluhr, als etwas in einer dunklen Ecke des Zimmers erschien. Es war kein Mensch, aber die Aura war mir vertrauter als die eines jeden Menschen. Auf vier Pfoten trottete das Wesen heran. Im Halbdunkeln konnte ich den Rubin auf seiner Stirn leuchten sehen. „Wie sieht es aus, Karfunkel?“, fragte ich leise. Eigentlich wären keine Worte vonnöten gewesen. Das grüne fuchsartige Wesen mit den drei Schweifen und den Ohren eines Hasen war mit mir verbunden und konnte meine Gedanken hören als wären es ausgesprochene Worte. Doch der Klang meiner Stimme vertrieb meine Einsamkeit, die mich stets umgab. Einsamkeit, das war auch der Name meiner Waffe, der Name meines Schicksals. Karfunkel öffnete nicht seinen Mund, während er mit mir sprach, er redete direkt in meine Gedanken, während sein Gesichtsausdruck sich nicht veränderte: „Es sieht schlecht aus. Er hat einen unerschöpflichen Vorrat an Mana und an Lakaien. Und du bist die einzige hier, die ihn bekämpfen kann.“ Ich seufzte leise. „Dann brauche ich Hilfe... Hilfe von einem Eternal, am besten einem, der in der Nähe ist. Karfunkel, weißt du von einem?“ Das Wesen nickte knapp. „Er kommt von der Erde, aus Japan – zumindest sein früheres Ich. Und er ist nicht allein. Jedenfalls haben er und seine Gruppe im Zeitbaum für Ordnung gesorgt. Sie haben Et Ca Repha und Naru Yaga besiegt.“ Ein Eternal, der im Zeitbaum andere Eternal besiegte – was für eine Leistung. Ich konnte nicht anders als zu schmunzeln, denn im Zeitbaum, in dem es Unmengen von Mana gab, war es für jeden Eternal leicht, einen Feind zu besiegen, besonders wenn er nicht allein war. „Aber das ist nicht alles. Erinnerst du dich an Sharivar? Er hat viele Eternal außerhalb des Zeitbaums getötet und Welten zerstört – aber dieser eine hat ihn besiegt.“ Das überraschte mich schon mehr. Sharivar hatte nicht nur über Stärke, sondern auch über treue Anhänger und Charisma verfügt. Die Person, die ihn besiegt hatte, musste wirklich über großes Können, Geschick und Stärke verfügen. Also fragte ich Karfunkel nach dem Namen des Eternal. „Sein Name ist Murakumo no Nozomu.“ „Murakumo?“ Ich war wirklich überrascht, denn ich hatte nicht gewusst, dass Murakumo – oder Kusanagi, wie es allgemein auf der Erde genannt wurde – auch ein Shinken gewesen war. Ob Susanoo, der Gott, der das Schwert gefunden hatte, auch ein Eternal gewesen war? Doch schnell verwarf ich den Gedanken wieder, darüber konnte ich ein andermal nachdenken. „Hast du auch ein Bild von ihm?“, fragte ich Karfunkel neugierig. Der Rubin auf seiner Stirn leuchtete auf, das Bild eines braunhaarigen Jungen in einer blauen Schuluniform erschien. Ich runzelte nachdenklich meine Stirn. „Der sieht aus wie ein kleiner Junge, meinst du wirklich, dass er der Richtige ist?“ „Du siehst auch nicht unbedingt aus wie eine erwachsene Frau.“ Ich schnaubte. Diese Diskussion hatten wir schon zu oft geführt, ich wollte sie nicht noch einmal durchmachen. Aber Karfunkel anscheinend schon. Ich ging nicht weiter darauf ein. „Okay, dann... wie konnte er einen Pakt mit Murakumo schließen?“ „Er ist etwas ganz Besonderes. Er ist Jiruols Wiedergeburt – und er hat Narukana und Salbar bei sich in der Gruppe.“ Als ich die drei Namen hörte, zog sich alles in mir zusammen. Ich wusste, wer Jiruol war, ich hatte in meiner kurzen Zeit als Eternal viel gelernt. Und auch die Namen Narukana und Salbar waren mir nicht fremd. Ich war sicher, dass diese Drei die einzigen waren, die mir helfen konnten, diesen Feind zu besiegen. „Gut, gib der Gruppe die Koordinaten, ich werde sie hier erwarten.“ Karfunkel senkte den Kopf als wolle er sich verbeugen und verschwand plötzlich wieder. Er ließ mich zurück in der Stille, mit einer Kerze, die fast heruntergebrannt war, wie ich feststellte. Eine Woge von Einsamkeit überkam mich. Und auch eine Welle von Neid. Jiruol, der Gott der Zerstörung, der in einer Gruppe reiste, ich, die ich nie etwas getan hatte, die allein reisen musste. Und wie in meinem alten Leben musste ich feststellen: Es war verdammt unfair. Aber vielleicht würde ich meine Meinung ändern, wenn ich ihn persönlich treffen würde. Wenn er schon den Zeitbaum gerettet und Sharivar getötet hatte, hatte er sich womöglich wirklich geändert. Ich war gespannt auf ihn. Doch bis sie ankommen würden, würde noch ein wenig Zeit vergehen. Ich öffnete die Spieluhr wieder, legte mich auf das Bett und fiel, während ich innerlich die Musik von damals hörte, in einen tiefen und traumlosen Schlaf. Kapitel 1: Erinnerungen ----------------------- Es war früh am Morgen und dementsprechend still im Schulgebäude. Allerdings nicht aus dem Grund, dass die Schüler noch zuhause in ihren Betten lagen, sondern weil sie in der Schule auf ihren Futons lagen und schliefen. Fein säuberlich verteilt hatten einige der Schüler es geschafft, sich einen eigenen Raum zu ergattern. Die meisten anderen schliefen mit ihren besten Freunden oder ihrem Partner in einem Zimmer. Nur eine Person war bereits wach und lief durch die Gänge auf dem Weg zum Büro des Direktors. Die Schritte seiner Stiefel hallten laut wider, was ihm absolut egal war, aber es schien ohnehin niemanden zu stören. Er schob seine Brille zurecht, seine goldbraunen Augen sondierten die Umgebung, obwohl er sie bereits in und auswendig kannte, da er diese Strecke jeden Morgen und jeden Abend lief. Nur ein Flyer am schwarzen Brett war neu, er verkündete ein erneutes Schulfest. Salles rollte mit den Augen. Als ob das letzte Fest nicht gerade erst gewesen wäre. Aber irgend etwas brauchten die Schüler wohl, um sich von ihrem Heimweh abzulenken. Er tat es mit einem Schulterzucken ab und lief weiter. Schließlich betrat er das Büro und setzte sich auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch. Nein, Salles Cworcs war nicht der Direktor der Monobe-Akademie, aber seit die wichtigsten Mitglieder der Brigade sich in diesem Gebäude auf Monobes Rücken befanden, war dies sein Büro. Er verbrachte den Großteil des Tages darin, empfing manchmal Nachrichten von Eternals oder sichtete einfach einige Unterlagen über die Welten, in denen sie sich aufhielten. Die Suche nach Rogus war um einiges schwerer als er angenommen hatte, weswegen er Narukana immer wieder nahelegte, die Suche aufzugeben. Doch jedes Mal, wenn die Sprache darauf kam, rastete sie erneut aus und fluchte so lange herum, bis jeder in ihrer Nähe die Flucht ergriffen hatte. So hübsch sie auch war, so unberechenbar und bösartig war sie manchmal. Kein Wunder, dass Rogus sie in den Baum gesperrt hatte, in dem Nozomu sie schließlich gefunden und befreit hatte. Salles lachte leise, dann schüttelte er den Gedanken ab und vertiefte sich wieder in seine Dokumente, so wie jeden Tag. Zur selben Zeit war auch Nozomi so früh wie üblich aufgestanden, um das Frühstück für die anderen vorzubereiten. So stand sie in ihrer Schuluniform in der Küche der Schule. Um das weiße Oberteil vor Flecken zu schützen, hatte sie sich eine Schürze umgebunden, während sie in der Suppe rührte. Eine rote Schleife zierte wie jeden Tag ihr kurzes blau-grünes Haar auf der linken Kopfseite. Es war ihr Andenken an ihre gemeinsame Zeit mit Nozomu, er hatte ihr das Band eines Tages geschenkt und es erinnerte sie immer aufs Neue daran, dass sie um ihn kämpfen und ihn nicht Satsuki überlassen wollte – obwohl er sich bereits für die rothaarige Schulsprecherin entschieden hatte. Aber aufhören gehörte einfach nicht in Nozomis Repertoire. Die Küchentür öffnete sich. Das Mädchen musste sich nicht erst umsehen, um zu wissen, wer hereingekommen war. Allein das aufdringliche Parfüm sagte schon alles. „Guten Morgen, Jatzieta“, grüßte Nozomi höflich, ohne den Blick von der Suppe abzuwenden Ein leises Kichern kam als Antwort. „Wie hast du mich nur erkannt?“ „Erfahrung“, log das Mädchen. Jatzieta streckte sich und fuhr sich dann durch das kurzgeschnittene rote Haar. Nozomi konnte nicht anders als aus den Augenwinkeln einen Blick auf die Oberweite der Frau zu werfen. Zwischen den Schülern liefen bereits Wetten, wann Jatzietas Brüste aus ihrem knappen Oberteil rutschen würden – aber im Gegensatz zu vielen anderen wollte Nozomi nicht dabei sein, wenn das passieren würde. Sie fand dieses Verhalten ohnehin kindisch, aber wenn sie das laut äußerte, wurde sie nur als eifersüchtig hingestellt, da sie um einiges flachbrüstiger war als Jatzieta. „Kann ich dir zur Hand gehen?“, fragte Jatzieta lächelnd. Ihre Stimme klang wie üblich als wäre sie leicht betrunken und eigentlich verhielt sie sich meist auch so, aber man sah sie nur selten trinken. Nozomi schüttelte ihren Kopf. „Ich mache das schon allein. Musst du nicht auf der Krankenstation irgendwas erledigen oder so?“ Sie mochte Jatzieta, aber so früh am Morgen konnte sie deren gute Laune – und ihr Parfüm – einfach nicht ertragen. Jatzieta kicherte wieder. „So früh ist da noch niemand und aufgeräumt ist auch alles. Da wird mir doch nur langweilig.“ Da sie als einzige eine medizinische Ausbildung genossen hatte, war die junge Frau zur Schulkrankenschwester ernannt worden – sehr zur Freude der männlichen Schüler, die sich inzwischen immer gern auf der Krankenstation aufhielten. „Ich schaffe das wirklich allein“, versuchte das Mädchen es noch einmal, doch sie erntete wieder nur ein Kichern: „Willst du mich etwa loswerden, Nozomi?“ „N-nein, natürlich nicht.“ Die Krankenschwester lächelte und lehnte sich gegen die Arbeitsplatte. „Dein normales Leben ist lange her, nicht wahr?“ Verwundert über den plötzlich Umschwung in Jatzietas Stimme, konnte Nozomi nur nicken. Sie erinnerte sich an den letzten Abend in ihrer Welt. Eigentlich hatten Nozomi, Satsuki, Nozomu und eine Handvoll anderer Schüler in der Schule nur die letzten Vorbereitungen für das kommende Schulfest abschließen wollen – und dann waren die Lakaien erschienen, die Schüler waren alle in Richtung Turnhalle gerannt, während Satsuki die seltsamen Wesen mit ihrem Shinken zurückgeschlagen hatte. Nozomus Orichalcum-Name erwachte, als sie angegriffen worden war und dann war Zetsu erschienen und hatte seinen besten Freund verletzt, in der Absicht ihn zu töten. Doch dann hatte auch Nozomi diese Macht in sich gespürt, ihr Orichalcum-Name hatte ihr Kraft verliehen, um Nozomu zu schützen – und Monobe hatte die gesamte Schule aus ihrer Dimension herausgeschleudert. Sie waren durch den Raum geirrt, bis sie schließlich auf die Schwertwelt und Katima getroffen waren. In einem leeren Klassenzimmer stand derweil ein blondes Mädchen einem schwarzen Ungetüm mit Klingen statt Armen gegenüber. Als einzige in der Schule trug sie kein weißes Oberteil und einen kurzen blauen Faltenrock, sondern eine in grün gehaltene Uniform. Nozomu hatte ihr erklärt, dass es die alte Version der Schuluniform gewesen wäre und ihr diese besser stehen würde. Ihr Name war Katima Aigears, die Prinzessin, nein, Königin, der Schwertwelt. Doch statt gegen das Wesen zu kämpfen, nahm sie ein Tuch zur Hand, näherte sich dem Ungetüm unerschrocken – und begann, dessen Klingen zu putzen. „Na, Aigears? Ist das okay so?“ Das Wesen gab einen tiefen brummigen Ton von sich, den Katima als Zustimmung interpretierte, so dass sie einfach weitermachte. Hingebungsvoll putzte und polierte sie, während sie nebenbei zurückdachte. Zurück an den Tag, an dem sie Nozomu das erste Mal begegnet war. Sie hatte die drei Shinken-Nutzer für Engel gehalten, da sie aus dem Himmel gekommen war und in ihren Kampf gegen Daraba eingespannt. Der Mann hatte ihre Familie umgebracht und ihr den Thron streitig gemacht, das alles mit Hilfe der Bringer des Lichts. Doch gemeinsam mit Nozomu, Satsuki, Nozomi und den Nachzüglern Thalia und Sorluska hatten sie Darabas besiegen und die Bringer des Lichts vertreiben können. Katima hatte sich ihnen daraufhin angeschlossen, vorrangig, weil sie sich nicht hatte von Nozomu trennen wollen. Und so war sie ein Teil der Gruppe geworden. Ein stolzes Mitglied, das für die Sicherheit ihres Volkes gekämpft hatte. Katima betrachtete die gesäuberte Klinge. „Sieht schon viel besser aus, nicht Aigears?“ Ein erneutes Brummen stimmte ihr zu. Sie lachte leise und fuhr vergnügt mit der anderen Klinge fort. In einem anderen Klassenzimmer waren inzwischen auch die beiden darin lebenden Schläfer wach geworden und unterhielten sich wie so oft lachend und scherzend, dass jeder, der an der Tür vorbeiging meinte, dass die beiden Anwesenden sich etwas Lustiges ansahen. Dabei redeten sie nur über die Zeit in der Geisterwelt, als sie sich noch nicht gekannt hatten. Sie waren ein Junge mit hellbraunem Haar und wachen braunen Augen, an beiden Seiten seines Kopfes hing je ein einfacher Pferdeschwanz herunter; und ein Mädchen mit langem schwarzen Haar, das von einem roten Band zusammengehalten wurde und dunkelbraunen Augen. Landis und Ruputna. „Aber komm, jetzt erzähl doch mal, wie du Nozomu getroffen hast“, bat Landis, während er die Futons wegräumte, während Ruputna auf einem Tisch saß und ihm dabei zusah. Sie hatte schon oft versprochen, es ihm zu erzählen, aber dann doch immer wieder verschoben. Aber diesmal war sie genau in der richtigen Stimmung dafür. „Okay. Also, ich hab bei dem Ältesten im Wald gelebt, ja. Und dann tauchte eines Tages dieser riiiiiiiiesige Wal auf. Ich dachte, Nozomu wäre Jiruol, der Unglücksbringer und wollte ihn deswegen besiegen – aber das hat nicht hingehauen. Aber dann habe ich Satsuki allein getroffen und gegen sie gekämpft. Ji-chan hat mir dann geholfen, indem er sie ins Wasser geworfen hat – sie konnte aber nicht schwimmen.“ Landis lachte. „Satsuki kann nicht schwimmen? Ich dachte immer, sie kann alles?“ Grinsend fuhr Ruputna fort: „Ich hab sie also gerettet und als sie ohnmächtig wurde, habe ich sie in mein Versteck gebracht, um Nozomu anzulocken. Aber dann wurden wir von den Lakaien angegriffen und die Gruppe hat mir im Kampf gegen die geholfen. Alle im Dorf dachten, ich wäre böse, aber auch da hat mir Nozomu geholfen, so dass die anderen eingesehen haben, dass ich nicht böse bin und wir haben Jatzieta getroffen. Und dann... dann haben wir die Mana-Fabrik der Bringer des Lichts kaputt gemacht! Das war eine riesige Explosion, die hättest du sehen müssen!“ Landis lachte wieder, als Ruputna von all dem wilden Gestikulieren plötzlich vom Tisch fiel. Er half ihr, aufzustehen. „Alles klar?“ Sie nickte, während sie sich den Rücken hielt. „Owww, das hat ganz schön wehgetan. Wo war ich? Ach ja! Und dann bin ich mit Nozomu mitgegangen, um den Bringern des Lichts so richtig in den Hintern zu treten.“ „Und das habt ihr ja geschafft“, stellte Landis fest. Ruputna nickte heftig. „Aber es war echt hart.“ Naya Tatca Nanafe war unterdessen damit beschäftigt, an einem der PCs, die zur Schule gehörten, die Daten ihres Shinjuu Crowlance auszuwerten. Ihr violetter Katzenschwanz zuckte dabei immer hin und her, während ihre Ohren aufmerksam nach Geräuschen lauschten. Ja, sie sah wirklich aus wie eines der Klischee-Catgirls aus Nozomus Mangasammlung – nur wesentlich jünger. Doch obwohl sie so jung aussah, war sie sehr reif und erwachsen und außerdem ein wenig deprimiert, weil Nozomu sich nicht für sie, sondern für Satsuki entschieden hatte. Dabei hatte sie sich vom ersten Augenblick an in ihn verliebt gehabt, sogar als sie festgestellt hatte, dass er ganz anders als Jiruol war. Und dann hatte er sie im Kampf gegen die Lakaien beschützt... wobei das womöglich auch daran gelegen hatte, dass ohne ihr Eingreifen unzählige Welten zerstört worden wären. Nein, nein, sagte sie sich. Er hat es getan, weil er mich mag, aber nicht, weil er mich liebt. Sie schüttelte die Gedanken ab, ebenso die Frage, wie es wohl ihrem Bruder und ihrer Dienerin ging und kümmerte sich weiter um Crowlances Daten. Subaru befestigte das rote Band, das so charakteristisch für ihn war, an seinem Kopf, um das Zeichen auf seiner Stirn zu verdecken. Er wusste selbst nicht mehr genau, warum er es trug oder wie lange schon. Hatte er dieses Zeichen bereits gehabt, als er noch ein Mensch gewesen war? Oder hatte das Centre es ihm aufgedrückt, als es ihn als Androiden neu geschaffen hatte? Lebte seine Welt, in der fast immer Dunkelheit geherrscht hatte, noch? Oder war sie jetzt, da das Centre zusammengebrochen war, endgültig gestorben? Er wusste es nicht und manchmal war es ihm auch ganz recht so. Er träumte nachts noch immer davon. Von allen Menschen, die er kannte, von seinem besten Freund Shou, den er am Ende eigenhändig umgebracht hatte, um ihn zu stoppen und auch von den Drachen, die die Stadt beschützt hatten. Jetzt war er alleine. Er war zwar mit Nozomu und den anderen mitgegangen und war auch nach der Reise durch den Zeitbaum ein Mitglied der Brigade geblieben, aber er hatte feststellen müssen, dass es niemand anderen gab, der so war wie er. Er hatte nur noch seinen Greif Sparth, der einzige, der ihm beistand, wenn er alleine war. Aber immerhin war er am Leben und damit hatte er überall die Chance, glücklich zu werden. Dieser Gedanke sorgte für ein Lächeln auf seinem Gesicht und damit einem guten Start in den Tag. Mit einem erstickten Schrei wurde das puppengroße Wesen von einer Hand getroffen und damit aufgeweckt. Grummelnd erhob Nanashi sich in die Luft und richtete dabei ihr fliederfarbenes Haar. Ihr Partner Zetsu dagegen schlief seelenruhig weiter. Ausgehend von seinem friedlichen Gesichtsausdruck konnte sie sagen, dass er etwas Schönes träumte. Lächelnd dachte sie an den ersten Tag zurück, an dem sie ihm begegnet war. Er war ein kleiner Junge gewesen, verängstigt und gerade Zeuge eines Massakers geworden. Jahrelang hatte sie ihn begleitet, hatte mitangesehen, wie er sich verändert hatte, bis zu dem Punkt, an dem er seinen Plan, Nozomu zu töten, gefasst hatte. Doch es hatte nicht funktioniert, stattdessen hatte Nozomu ihn gerettet, da sie Freunde waren, beste Freunde. Und auch als Zetsu ein Eternal geworden war, war Nanashi bei ihm geblieben, denn sie waren Partner, durch Dick und Dünn. Was ihr aber nicht gefiel war, dass er sie im Schlaf ab und zu schlug. Vielleicht sollte sie sich lieber einen anderen Schlafplatz suchen – aber neben ihm fühlte sie sich immer noch am Wohlsten. Zetsu murmelte leise im Schlaf, aber Nanashi verstand nicht, was er sagte. Außerdem wurde es langsam Zeit, aufzustehen. Das Shinjuu setzte sich auf seine Brust. „He, Zetsu! Steh auf!“ „Mhm, was denn?“, murrte er leise. „Es ist schon Morgen!“ Er öffnete blinzelnd seine Augen. „Owww, schon? Das kann doch nicht sein.“ „Nun stell dich nicht so an. Das kommt davon, wenn du nachts so lange wach bleibst.“ Verschlafen richtete Zetsu sich auf, worauf Nanashi von ihm herunterfiel. „Pass doch auf.“ „Sorry“, sagte er knapp. Nanashi seufzte leise, lächelte dann aber. Zetsu war ihr Partner und das würde er auch solange bleiben, bis der Tod sie trennen würde, da war sie sich sicher. Vom Dach der Schule aus, hatte man einen herrlichen Blick über die weiten Felder der Welt, auf der sich Monobe gerade befand. Aber dennoch kamen nicht viele hier herauf, weil in dieser Höhe stets ein eisig kalter Wind pfiff. Doch an diesem Morgen machten Nozomu, sein Shinjuu Rehme und Satsuki eine Ausnahme. Solange Satsuki ihre Schuluniform trug, waren die Federn in ihrem roten Haar nicht zu sehen, was den braunhaarigen Nozomu sehr beruhigte. Seit ihre Federn sich damals schwarz gefärbt hatten, machte er sich immer Sorgen, dass ihr noch etwas Schlimmeres bevorstand. Doch jedesmal, wenn er sie darauf ansprach, winkte sie lachend ab, küsste ihn und versicherte glaubhaft, dass alles in Ordnung war. Satsuki seufzte zufrieden. „Der kalte Wind zeigt mir, dass ich noch lebe. Dir nicht, Nozomu?“ Er nickte. „Doch.“ Und für diese Tatsache war er froh, wenngleich er seit seiner Verwandlung in einen Eternal langsam das Zeitgefühl verlor. Was bedeuteten schon Zeitangaben wie Tage, Wochen, Monate, Jahre, wenn man die ganze Ewigkeit vor sich hatte. Eine Ewigkeit, die von einer nomadischen Lebensweise bestimmt war. Von Welt zu Welt zu ziehen, ohne eine feste Heimat zu haben, das war das größte Abenteuer seines Lebens. Doch was viele andere als bedrückend und traurig empfunden hätten, war für ihn das reinste Lebenselixier. Nach dem Kampf gegen die Bringer des Lichts hätte er sich ohnehin keine Rückkehr in sein altes Leben vorstellen können – so war es ihm äußerst gelegen gekommen, dass er und Satsuki Eternal geworden waren und damit nicht hatten zurückkehren können. Wurde man Eternal, opferte man sein altes Leben. Alle Erinnerungen an einen wurden ausgelöscht als hätte man nie existiert. Nur ein Eternal konnte sich an seine Vergangenheit und an andere Eternal erinnern. Dass Nozomi und die anderen sie nicht vergessen hatten, lag an Nanashi, welche die Erinnerungen wieder geweckt und die Gruppe erneut zusammengeführt hatte. Rehme, das puppengroße Shinjuu, saß auf Nozomus Schulter und hielt sich die Kappe, die vom Wind weggeweht zu werden drohte. Die Glocken in ihren blonden Haar klangen leise. „Owww, hier ist es nicht schön, gar nicht“, jammerte sie leise. „Lasst uns reingehen, bitte.“ Satsuki lachte leise. „Sei doch nicht so empfindlich.“ „Ich bin nicht empfindlich“, beschwerte Rehme sich sofort. Während die beiden weiterhin diskutierten, lächelte Nozomu unwillkürlich. Eine Ewigkeit mit diesen beiden, das könnte er genießen, da war er sich sicher. Sorluska und Thalia saßen unterdessen in der Turnhalle und beobachteten die Schüler, die nicht allein schlafen wollten, beim Aufstehen und Aufräumen. Thalia hatte ihr braunes Haar zu einem Zopf zusammengebunden, Sorluska hatte schwarzes Haar, einen kurzen Zopf und eine große rote Strähne in der Stirn. Seine braungebrannte Haut war mit Narben überzogen, die er mit Stolz trug, da sie ein Ausdruck seine wilden Willenskraft waren. Thalia dagegen hatte ihre Arme verschränkt und trug eines ihrer seltenen Lächeln zur Schau. Seit sie gedacht hatte, dass Vergilius, einer der Untergebenen von Sharivar, Sorluska getötet hätte, stand sie ihm näher als je zuvor. Dennoch verzichtete sie nicht auf die lieb gewonnen Streitereien mit ihm. Und er auch nicht auf seine Duelle mit ihr, die er als Vorbereitung für seinen Kampf gegen Vergilius sah. Bevor Vergilius verschwunden war, hatte er lachend angekündigt, eines Tages wieder gegen ihn antreten zu wollen und wenn Sorluska ehrlich war, freute er sich darauf. Doch auch wenn er Thalia davon nichts sagte, wusste sie ganz genau, wonach ihm der Sinn stand. Sie kannte ihn inzwischen immerhin lange genug und einen Kampf schlug er praktisch nie aus. Dennoch hoffte sie, dass es lange dauern würde, bis sie Vergilius wieder begegnen würden – wenn überhaupt, denn noch einmal wollte sie den Schrecken und die Angst nicht mitmachen. Sorluska hingegen sehnte den Tag herbei – oder zumindest einem Tag, wo sie endlich wieder einem Feind gegenüberstehen würden, gegen den sich der Kampf auch lohnte, nicht ahnend, dass dieser Tag gar nicht mehr so weit entfernt war. Narukanas weite Ärmel schleiften stets auf den Boden und zeigten auf dem sandigen Schulhof damit genau, dass sie seit einer Weile dort schon immer auf und ab lief. Hauptsächlich, um sich abzureagieren, da Salles ihr verboten hatte, ein paar Welten zu zerstören. Obwohl das viel effektiver gewesen wäre. Aber dieser grünhaarige Möchtegern-Anführer hörte ihr einfach nicht zu. „Rogus, Rogus, Rogus!“, stieß sie immer wieder aus und hob ihre Faust gen Himmel als würde sich dort sein Gesicht befinden. „Du kannst dich verstecken! Aber ich werde dich finden!“ Und dann werde ich ihn so sehr verprügeln, dass er sich wünschen wird, mir nie begegnet zu sein. Rogus, der Anführer der Chaos-Eternals, der Eternal-Gruppe, die für die Erhaltung der Welten kämpfte, war einmal ein Freund von ihr gewesen, aber dann hatte er sie in diesen verdammten Baum gesperrt und dort schmoren lassen. Und natürlich sagte ihnen keiner der anderen Eternal, wo er war. Ganz offensichtlich hatte er verboten, darüber zu sprechen. Aber sie würde ihn finden und verprügeln und wenn es das letzte war, was sie tun würde. Das schwor sie dem unendlich erscheinendem Himmel – und dabei hoffte sie, dass Rogus das hören würde. Ein Geräusch wie zersplitterndes Glas erklang. Salles hob den Kopf und blickte in die Ecke, aus der das Geräusch gekommen war. Ein grüner Shinjuu mit drei Schweifen, Hasenohren und einem Rubin auf der Stirn stand dort und sah ihn unverwandt aus blutroten Augen an. „Wer bist du denn?“, fragte Salles. Das Shinjuu schwieg einen Moment, bevor es antwortete: „Ich bin Karfunkel. Meine Partnerin schickt mich, um die Hilfe von Murakumo no Nozomu in Anspruch zu nehmen.“ Salles schob seine Brille zurück und runzelte die Stirn. „In welcher Angelegenheit?“ Es war nicht gerade üblich, dass man einen Eternal um Hilfe bat, der nicht gerade Mitglied der Chaos-Gruppe war, aber Karfunkel schien es absolut ernst zu meinen. Der Shinjuu räusperte sich leise und begann dem Anführer der Brigade, die Situation zu erläutern. Kapitel 2: Ein Auftrag ---------------------- Die gesamte Gruppe hatte sich – mit Ausnahme von Salles – inzwischen zum Frühstücken in der Cafeteria eingefunden. Salles aß nie mit den anderen, manchmal fragte Nozomu sich, ob der Mann überhaupt aß oder trank. Aber andererseits: Wie könnte er sonst noch leben? Auch ein Eternal und ein Gott mussten essen, dessen war er sich sicher. „Lasst es euch schmecken“, sagte Jatzieta kichernd, als Nozomi aufgetischt hatte. Die Gruppe warf sich unsichere Blicke zu. „Hast du was mit der Suppe angestellt, alte Frau?“, fragte Thalia misstrauisch. „Aber nicht doch.“ Jatzieta probierte einen Löffel voll – nichts geschah. „Mhm, lecker.“ Die Gruppe tauschte erneut verunsicherte Blicke untereinander, nur Nozomi hielt den Kopf gesenkt. Als Kindheitsfreund von ihr, wusste Nozomu, dass sie sich schämte, dass sie nicht mit Sicherheit sagen konnte, dass Jatzieta nichts angestellt hatte. Wahrscheinlich hatte sie die Krankenschwester für einige Minuten allein in der Küche gelassen. Zetsu war nach Jatzieta der erste, der schließlich ebenfalls etwas von der Suppe probierte. Er sagte nichts, verzog nicht einmal sein Gesicht und aß genau wie Jatzieta weiter. Schließlich zuckten die anderen mit den Schultern und aßen ebenfalls – doch nicht lange. Kaum hatte die Suppe Nozomus Kehle berührt, hatte er das Gefühl, dass sein Mund in Flammen stehen würde. Die Suppe war nicht heiß – sie war teuflisch scharf. „Wasser!“, keuchte er mit Tränen in den Augen. „Wasser!“ Er griff nach seinem Glas, aber das hatte Satsuki bereits an sich gerissen, um es in raschen Zügen zu leeren. Nozomi schrie auf. „Satsuki-senpai! Wasser hilft da nicht! Du musst Brot essen!“ Den Brotkorb hatten aber Katima, Ruputna, Landis, Narukana, Naya und Thalia schon in ihren Besitz gebracht und dementsprechend auch schon eine Schlacht um die letzte Scheibe gestartet. Nozomi, die sich vorsorglich eine Scheibe genommen hatte, teilte sie mit Nozomu, dem immer noch die Tränen in den Augen standen. Jatzieta legte sich nachdenklich eine Hand an die Wange. „Mhm, vielleicht habe ich doch ein wenig zu viel Pfeffer beigefügt.“ „Ach was“, widersprach Sorluska. „Das ist genau richtig. Nicht, Zetsu?“ Der Angesprochene reagierte nicht darauf. Jatzieta kicherte. „Oh, ich weiß, warum er nicht bemerkt, dass es so scharf ist. Bestimmt denkt er gerade an ein ganz bestimmtes Mädchen. Stimmts, Zetsulein?“ Er reagierte immer noch nicht, löffelte die Suppe aber weiter in sich hinein, als ob sie normal gewürzt wäre. „Mädchen?“, fragte Rehme nachdenklich. Nanashi verzog ihr Gesicht. Jatzieta kicherte erneut. „Na Leana natürlich.“ Diesmal horchte Zetsu auf und hob sogar den Kopf, was zu einem siegessicheren Grinsen der Krankenschwester führte. „Seht ihr? Er dachte an Leana, ich habe es doch gleich gesagt.“ Nozomu dachte nach, während er auf dem Brot herumkaute, um das brennende Gefühl aus seiner Kehle zu bekommen. Leana war ursprünglich eine Untergebene von Sharivar gewesen, ein Seeker, wie sie sich genannt hatten. Sie war der festen Überzeugung gewesen, dass Zetsu ihre Familie getötet hatte und hatte deswegen die Verpflichtung gespürt, sich an ihm zu rächen. Doch es hatte sich herausgestellt, dass Zetsu damit nichts zu tun hatte, so hatte sie sich ihnen angeschlossen, um gegen Sharivar und die anderen Seeker vorzugehen. Nach ihrem Sieg war sie wieder in ihre Welt zurück gekehrt – sehr zum Verdruss von Zetsu. Alle waren sich sicher, dass er sich in Leana verliebt hatte, aber er äußerte sich nie dazu und Nanashi weigerte sich ebenfalls, darüber zu sprechen. Wenn man mit dem Shinjuu über Leana sprechen wollte, schaltete sie auf stur oder gab vor, diesen Namen nicht zu kennen, was aber auch an Leanas Shinjuu liegen konnte. Isolde hatte sich stets mit Rehme und Nanashi gestritten. „Na, willst du uns nicht endlich sagen, was zwischen dir und Leana war?“, fragte Jatzieta. Zetsu schob den geleerten Teller von sich und stand auf. „Kein Interesse.“ Satsuki schien endlich ihre Stimme wiedergefunden zu haben: „Mir muss er das auch nicht sagen. Ein Blinder mit Krückstock sieht doch, dass die beiden ein Paar waren.“ „Senpai...“ Zetsus Stimme war kühl und beherrscht, aber der drohende Unterton war nicht zu überhören. Sie senkte grinsend den Blick, dafür hob Sorluska den Kopf. „Ein Paar? Echt jetzt? Hab ich nicht mitbekommen.“ „Du kriegst eh nie was mit“, urteilte Thalia zwischen zwei Bissen. „Was soll das heißen?“ „Das, was ich gesagt habe.“ Nozomi seufzte. „Müsst ihr euch schon so früh am Morgen streiten?“ Eine plötzliche Ansage durch die Lautsprecher erstickte jede Erwiderung im Kern. „Die Shinken-Nutzer mögen sich bitte für eine dringende Mission im Direktorat einfinden“, erklang Salles' Stimme blechern. Satsuki sprang sofort auf. „Auf ins Rektorat.“ Sie packte Nozomu und zog ihn mit sich. Die anderen folgten ihr hastig, lediglich Jatzieta saß am Ende noch am Tisch. „Und... was wird jetzt aus meiner Suppe?“ Wenige Minuten später war die Gruppe im Direktorat versammelt. Die Blicke gingen verwirrt zwischen Salles, der vor dem Tisch stand und Karfunkel neben ihm, hin und her. „Was ist los, Salles?“, fragte Nozomu schließlich. „Hast du Rogus' Aufenthaltsort gefunden!?“, warf Narukana schnell ein. Der grünhaarige Mann schüttelte mit dem Kopf, während er seine Brille zurückschob. „Es geht um etwas ganz anderes. Ein Eternal hat uns gebeten, ihm zu helfen. Auf einer nahegelegenen Welt befindet sich ein mächtiger Eternal mit einem hochrangigen Shinken und außerdem fünf Untergebenen und jeder Menge Lakaien, der die Welt terrorisiert.“ Nozomu schluckte. Die Situation erinnerte ihn an Sharivar und dessen Seeker. Und nicht nur ihn. Als er in die geplagten Gesichter der anderen blickte, merkte er, dass sie auch daran dachten. Narukana schnaubte. „Warum wir!? Wir haben nichts damit zu tun.“ Karfunkel blickte sie an. „Es geht darum, dass der Feind sehr stark ist, deswegen bleibt nicht viel Zeit und ihr seid in der Nähe.“ Es kann reden!, dachte Nozomu überrascht. „Natürlich“, sagte Rehme direkt in seine Gedanken hinein. „Es ist ein Shinjuu.“ Narukana stemmte die Hände in die Hüften. „Das hat trotzdem nichts mit uns zu tun! Was haben wir denn davon, außer, dass Rogus uns weiter entwischt!?“ Karfunkel ließ sich nicht beirren. „Du suchst nach Rogus? Mein Partner ist ein Chaos-Eternal. Wenn ihr uns helft, wird mein Partner dir sagen, was du wissen willst.“ Ihre Züge wurden sofort weicher. „Wirklich? Das ist interessant. Worauf warten wir noch?“ Salles und die anderen lächelten. Der Anführer der Brigade wandte sich an Karfunkel. „Dann gib Monobe deine Koordinaten. Er wird uns hinbringen.“ „Monobe?“ Auf Nozomis Schulter erschien ein kleiner schwebender Wal. Er hatte blaue Augen, einen weißen Bauch, sein Rücken war hellgrün, mit dunkelgrünen Streifen verziert. Da, wo eigentlich seine Flossen hätten sein müssen, waren Auswüchse vorhanden, die aussahen wie federlose verdrehte Flügel. Es sah genauso aus wie der große Wal, auf dem sich die gesamte Schule befand. Katima kreischte leise. Ihr Blick hatte wieder etwas Verträumtes. „Wie süß!“ Sie war von Anfang an begeistert von dem kleinen Monobe gewesen und mit ihr auch noch viele andere Frauen. Karfunkel musterte den Wal, der sich von Nozomis Schulter hinunter begab und direkt vor dem magischen Fuchs schweben blieb. Der Rubin leuchtete auf, Monobe gab einen lauten Schrei von sich. Landis, der dies das erste Mal mitbekam, sah Nozomi besorgt an. „Ist das normal?“ Sie nickte lächelnd. „Ja. Monobe hat gesagt, dass er die Koordinaten verstanden hat und er bereit ist, abzureisen.“ Er lächelte ebenfalls. „Ah, ich verstehe.“ Salles schob erneut seine Brille zurück. „Gut, dann stelle ich jetzt sicher, dass alle Schüler da sind. In spätestens einer Stunde brechen wir auf, Nozomi, in Ordnung?“ „Ja!“ Jatzieta grinste. „Dann haben wir ja noch Zeit, die Suppe zu essen.“ „Äh, wir müssen weg!“ Den Bruchteil einer Sekunde später war das Büro wie leergefegt. Nur noch Jatzieta, Salles, Karfunkel und Sorluska standen da. Die Krankenschwester seufzte, aber Sorluska lächelte zufrieden. „Bleibt schon mehr für mich übrig.“ „Wenigstens einem schmeckt sie.“ Gemeinsam verließen die beiden das Büro. Karfunkel seufzte leise. Na, ob das wirklich gut geht? Schon eine halbe Stunde später war Monobe gestartet. Ruputna und Landis standen auf dem Dach der Schule und betrachteten das bunte Spektakel und die unzähligen Sterne und Welten um sie herum. Ruputna mochte diese Szenerie, auch wenn sie sehr chaotisch wirkte. Sie drehte immer wieder ihren Kopf, um auch ja nichts zu verpassen. Landis betrachtete dagegen eher sie und lachte wieder dabei. Plötzlich klammerte sie sich wieder an seinen Arm. „Du bist soooo süß!“ „Ach was“, winkte er verlegen ab. Sie kicherte leise. „Weißt du noch, wie wir uns das erste Mal getroffen haben?“ „Ja“, antwortete er schmunzelnd. „Du hast mich umgerannt und dich nicht mal richtig entschuldigt.“ „Aber dann habe ich mich gewundert, dass ich so jemand Süßes wie dich in der Geisterwelt nie zuvor gesehen habe.“ „Ich war auch erst vor kurzem in dem Dorf angekommen. Aber in der Welt habe ich mich um einiges länger durchgeschlagen, gemeinsam mit Eneko.“ Er war zehn Jahre alt gewesen, als er Zeuge geworden war, wie Sharivar seine Welt zerstört hatte. Doch ein Mann, der ihm seltsam bekannt vorgekommen war, hatte ihn gerettet, in die Geisterwelt gebracht und es mit seinem Leben bezahlt. Danach war Landis' Shinken erwacht und sein Shinjuu die Nekomata Eneko war zu ihm gekommen und hatte ihn die ganzen fünf Jahre, die er allein durch die dichten Wälder geirrt war, begleitet. Landis hatte durchaus etwas von den Bringern des Lichts und auch den unzähligen Lakaien, die erschienen waren, mitbekommen, sein Shinken schien sie regelrecht angelockt zu haben, doch Eneko hatte ihm stets geholfen, sie zu besiegen, bis er den Umgang mit seinen Waffen gelernt hatte. Als er schließlich ein Dorf erreicht hatte, waren die Shinken-Nutzer um Nozomu bereits weg gewesen, aber er hatte bei der Besitzerin des Gasthauses (Rachere) bleiben dürfen, solange er dort mitgearbeitet hatte. Während des Kampfes gegen Sharivar war Sorluskas Gruppe wieder in die Geisterwelt gekommen, da Vergilius sie dort hingeführt hatte. Dort hatten sie Landis getroffen und sofort erkannt, dass er auch ein Shinken nutzte. Er hatte sich nicht lange bitten lassen, als er gehört hatte, wer ihr eigentliches Ziel war. In all den Jahren hatte er nicht vergessen, dass Sharivar für den Untergang seiner alten Welt und den Tod seines Retters verantwortlich gewesen war. Und allein die Vorstellung, dass dieser Mann immer noch Welten zerstörte, hatte Landis wütend gemacht. Also hatte er sich der Gruppe angeschlossen – und sich mit der Zeit auch in Ruputna verliebt, was der Grund war, weswegen er immer noch bei ihnen war, obwohl Sharivar inzwischen besiegt war. Ruputna wurde auf einmal ernst, ein Zustand, der bei ihr nur selten vorkam. „Lan... dieser Feind, der uns vermutlich erwartet...“ Er nickte, noch bevor sie den Satz beendet hatte. „Er erinnert mich auch ein wenig an Sharivar. Ein Eternal, der mit seinen Untergebenen die Welt terrorisiert... ich bin gespannt, wie er das macht.“ Ruputna lachte wieder. „Wir werden dem schon zeigen, was er davon hat, nicht?“ „Oh ja, das werden wir.“ Ein heller Lichtblitz blendete die beiden für einen Augenblick, so dass sie ihre Augen schlossen. Dann eine leichte Druckwelle, als sie in die andere Welt eintraten. Die beiden öffneten ihre Augen wieder und ließen ihren Blick über Felder, Wälder, Berge, Städte, Dörfer und Bauernhöfe schweifen. Sie waren am Ziel. Kapitel 3: The Anxiety ---------------------- „Diese Welt ist auffallend reich an Mana“, erklärte Salles, als sie alle wieder in seinem Büro standen, lediglich Karfunkel fehlte. „Ganz offensichtlich gibt es hier einen Mana-Kristall oder einen Mana-Konverter.“ Nozomu runzelte seine Stirn. „Also, ich weiß ja, dass ein Mana-Kristall einfach nur kristallisiertes Mana ist, aber was ist ein Konverter?“ Jatzieta räusperte sich, um es zu erklären, aber Zetsu kam ihr zuvor: „Obwohl alles aus Mana besteht, ist es nicht immer möglich, dieses Mana zu extrahieren oder es geht bei der Extraktion ein nicht unbeträchtlicher Teil davon verloren. Mit einem Konverter wandelst du alles einfach in eine entsprechende Masse Mana, ohne Verlust und ohne Aufwand.“ Nozomu machte ein erstauntes Gesicht, Jatzieta sah Zetsu schmunzelnd an. Salles nickte zufrieden. „Landis, was sagt Eneko?“ Erschrocken sah der Junge ihn an, da er nicht damit gerechnet hatte, etwas gefragt zu werden. „Nun... sie sagt, dass es hier nicht sehr viele Lebende gibt – aber auch überraschend wenig Tote.“ „Konverter“, stellte Zetsu knapp fest. „Wenn jemand die Menschen direkt in Mana umwandelt, gibt es selbstverständlich keine Toten.“ „Als ich vorhin hinausgesehen habe“, hob Nozomi an, „sah es so aus als wäre diese Welt auf dem Status des Mittelalters unserer Heimatwelt.“ Salles nickte erneut. „Den Eindruck habe ich auch. Wir wissen also: Wir befinden uns in einer mittelalterlichen Welt, mit vergleichsweise wenig Population, aber viel Mana. Nun geht es darum, diese Welt zu erkunden. Nozomu, Satsuki, Narukana: Ihr werdet nach Norden gehen.“ Die drei lächelten zufrieden. Nozomu und Satsuki gingen immer zusammen auf Mission und da Narukana die beiden ungern allein ließ, wurde sie ebenfalls eingeteilt. Lediglich Nozomi verzog ihr Gesicht. Sie wäre gern mit Nozomu gegangen. „Subaru, Ruputna und Landis: Ihr geht nach Süden. Thalia, Sorluska und Naya: Ihr sucht im Westen. Zetsu, Jatzieta und Katima, für euch bleibt der Osten.“ Während der Großteil die Einteilung freudig zur Kenntnis nahm, blieb Zetsu nichts anderes übrig als zu seufzen. Jatzieta klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Na komm schon, ich beiße auch nicht. Unterwegs werden wir gaaaaaaaaanz viel Zeit haben, um über deine Liebste zu sprechen.“ Zetsu murmelte etwas Unverständliches, Jatzieta lächelte zufrieden. „Uhm, und was ist mit mir?“, fragte Nozomi schließlich. „Du und ich, wir bleiben hier. Wenn etwas oder jemand Monobe angreift, ist es wichtig, dass wir ihn schnellstmöglich in Sicherheit bringen können.“ Sie nickte, wirkte aber deutlich enttäuscht. Salles wandte sich an den Rest, der sich bereits in seinen Gruppen zusammengefunden hatte. „Und euch, viel Erfolg.“ Eine Viertelstunde später hatten sich die einzelnen Gruppen bereits voneinander getrennt und gingen nun jeweils zu dritt in die von Salles angegebene Richtung. Nozomi sah Nozomus Gruppe deprimiert hinterher, bis sie im Wald verschwanden. Sie seufzte. Salles schob seine Brille zurück. „Alles in Ordnung?“ Sie zuckte zusammen und drehte sich zu ihm um. „Nun, ich wäre gern mit Nozomu mitgegangen, aber ich verstehe schon, dass ich hier gebraucht werde.“ Er sah sie schweigend und ernst an, bis sie schließlich den Blick senkte. „Mhm, wo ist denn das Shinjuu hin, das vorhin hier gewesen war?“ „Es ist verschwunden, als wir die Welt erreicht haben.“ Besorgt sah Nozomi ihn wieder an. In seinen Augen erkannte sie ebenfalls etwas wie Sorge. „Glaubst du, dass es eine Falle ist, Salles?“ „Es ist nicht auszuschließen. Karfunkel hat mir nicht gesagt, wer sein Partner ist und ging auch auf keine Nachfrage diesbezüglich ein. Deswegen hoffe ich, dass alle vorsichtig sind, solange sie unterwegs sind. Wir wissen nicht, was uns hier erwartet.“ Nozomi nickte. Wie so oft legte sie die Hände aneinander, während sie nervös auf ihrer Unterlippe kaute. Oh Nozomu-chan, hoffentlich bist du wirklich vorsichtig. „Fuuu~“ Rehme schwebte zwischen den Bäumen umher. „Dafür, dass es hier viel Mana gibt, spüre ich sehr wenig davon.“ Narukana lachte spöttisch. „Was denn? Willst du einen Wachstumsschub, damit du dich an Nozomu ranmachen kannst? Das kannst du dir abschminken.“ Das Shinjuu schnitt ihr eine Grimasse. „Will ich gar nicht. Ich meinte das anders. Spürt ihr das nicht? Es ist sehr viel Mana vorhanden, aber es fühlt sich dennoch fast genau wie in Nozomus Heimatwelt an, wo der Managehalt sehr dünn ist.“ Nozomu und Satsuki hielten verwundert inne und ließen die Umgebung auf sich wirken. Schließlich nickte die Rothaarige, deren schwarze Federn inzwischen im Haar erschienen waren. „Du hast recht, Rehme. Aber woher kommt das? So etwas habe ich noch nie gefühlt.“ Narukana blieb ebenfalls stehen, fuhr herum und stemmte die Hände in die Hüften. „Dummkopf. Ist doch logisch. Es befinden sich mindestens fünf Eternal in dieser Welt, dazu dann noch die Lakaien – wenn sie denn wirklich hier sind. Das alles saugt das Mana geradezu in sich auf. Theoretisch gibt es hier also viel von dem Zeug, praktisch aber nicht. Verstanden?“ Nozomu und Satsuki nickten. Zufrieden drehte Narukana sich wieder um und lief weiter. Satsuki ließ sie ein paar Schritte machen, bevor sie Nozomu ansah. „Hat die mich gerade Dummkopf genannt?!“, zischte sie. Er lächelte leicht verzweifelt. Wenn Satsuki sauer wurde, war sie unberechenbar und neigte dazu, ihre Wut an Leuten auszulassen, die gar nichts damit zu tun hatten. „Du weißt doch, wie sie ist“, versuchte er sie schließlich zu beruhigen. „Sie meint das nicht so.“ „Und du bist auch noch auf ihrer Seite? Fein!“ Eingeschnappt ließ Satsuki ihn stehen und lief mit eiligen Schritten voraus. Rehme setzte sich auf seine Schulter. „Gut gemacht, du Held.“ Er seufzte. Frauen. „Das habe ich genau gehört!“ Nozomu ignorierte Rehmes Stimme in seinen Gedanken und setzte den Weg ebenfalls fort. Ruputna, Landis und Subaru machten sich unterdessen keine Gedanken über das Mana, sondern mehr über die Frage, warum es so still war, während sie durch den Wald liefen. „In der Geisterwelt gab es immer ganz viele Geräusche“, sagte Ruputna bedrückt. „Aber hier ist es fast schon gespenstisch still.“ „Eneko spürt auch nichts Lebendes“, sagte Landis. „Nicht einmal Lakaien oder andere Shinken-Nutzer scheinen in der Gegend zu sein“, fügte Subaru hinzu. „Als ob sämtliches Leben in diesem Wald ausgelöscht worden wäre.“ Er musste wieder an seine Welt denken. Ausgelöscht von einem Tag auf den anderen, all ihres Manas und ihrer Menschen beraubt. Ob dieser Welt dasselbe bevorstand? Ruputnas Stimme riss ihn wieder aus seinen Gedanken. „Was wirst du tun, wenn mich ein Feind anfällt, Landis?“ „Ich werde dich natürlich beschützen“, antwortete er sofort. Ruputna kicherte und klammerte sich an seinen Arm. „Und ich werde dich beschützen.“ Er lächelte. „Das beruhigt mich.“ Plötzlich machte sie ein nachdenkliches Gesicht. „Aber wer beschützt Subaru?“ Der Bogenschütze sah sie verwirrt an. „Das ist nicht-“ Landis schnitt ihm das Wort ab: „Wir beide natürlich. Das ist doch kein Problem für uns oder Ruputna?“ „Du hast recht“, lachte sie vergnügt. Subaru lächelte. „Danke ihr beiden.“ „Aber das machen wir nicht für immer“, sagte Landis bestimmt. „Irgendwann wirst du die Person finden, die dich beschützt und die du beschützt, verstanden?“ Der Bogenschütze lachte. „Ja, verstanden.“ Vergnügt lachend setzte die Gruppe ihren Weg mit unbekanntem Ziel fort. Die Gruppe um Thalia zog nach Westen, wo sie nur endlos erscheinende Wiesen erwarteten. Hinter jedem Hügel erwarteten sie, eine Stadt oder zumindest ein Dorf zu sehen, aber es tauchten immer nur weitere mit Gras bewachsene Hügel auf. Naya jammerte leise. „Das kann doch wohl nicht sein. Von Monobe aus schien es so viele Dörfer und Städte zu geben... wo sind die denn alle hin?“ „Das frage ich mich langsam auch“, stimmte Sorluska zu. „Die Lauferei wird langweilig. Nicht einmal ein Monster zum Verprügeln.“ „Hört auf zu jammern!“, fuhr Thalia streng dazwischen. „Wir haben einen Auftrag bekommen, schon vergessen? Wenn ihr jammert, wird es nicht leichter!“ Die beiden anderen seufzten. „Jaaaaaa...“ „Ich kann euch nicht hören!“ „Ja, Thalia!“ „Schon besser.“ Auf einem weiteren Hügel blieb sie schließlich stehen. Sorluska und Naya schlossen zu ihr auf. Beide lächelten erleichtert, als sie sahen, wohin Thalia blickte. „Eine Stadt!“ Es war nur eine kleine Stadt, kaum größer als ein Dorf, aber immerhin. Dennoch stimmte etwas damit ganz und gar nicht, da war sich Thalia sicher. Es war so ruhig. Von ihrem Aussichtspunkt aus war niemand in der Stadt zu sehen. Sie runzelte ihre Stirn. „Okay, wir gehen rein. Aber seid vorsichtig. Wir wissen nicht, was uns dort erwartet.“ Sorluska und Naya nickten, gemeinsam gingen sie auf die Stadt zu. Es ist unheimlich, dachte Thalia. Wirklich unheimlich. Zetsu versuchte derweil Jatzieta zu ignorieren, was aber nicht sonderlich leicht war, da es ihr ganz offensichtlich gefiel, an seinem hüftlangen, zusammengebundenem Haar zu ziehen und ihn immer wieder nach Leana oder seinen aktuellen Gedanken zu fragen. Nanashi und Katima hatten es bereits aufgegeben, die Frau davon abbringen zu wollen und musterten stattdessen interessiert die Gegend. Sie mussten in der Nähe eines Dorfes oder eines Bauernhofes sein, aber scheinbar hatte sich schon lange niemand mehr um die Felder gekümmert. Das Getreide war verdorrt, der Boden von wilden Vögeln aufgewühlt worden, aber jetzt war von diesen Tieren nichts mehr zu sehen. Katima legte sich eine Hand aufs Herz, ihre Kehle schnürte sich zu. Dieser Anblick erinnerte sie an die Situation in ihrer Welt während der Schlacht gegen Daraba. Es bedeutete jedenfalls nichts Gutes. „Komm schon, komm schon, Zetsu!“, rief Jatzieta lachend, als sie wieder einmal an seinem Haar zog. „Du denkst an Leana, nicht? Nicht?“ Er würdigte dieser Frage keine Antwort und ignorierte sie weiterhin. „Also denkst du an sie!“, schlussfolgerte Jatzieta aus seinem Schweigen. „Ich wusste es doch! Bestimmt vermisst du sie, oder?“ Nanashi, der das Gerede über Leana langsam auf die Nerven ging, erhob sich von Zetsus Schulter, auf der sie bislang gesessen hatte und schwebte vor Jatzieta. „He, du! Kannst du dich nicht einmal deinem Alter entsprechend benehmen? Du nervst Zetsu, merkst du das nicht?“ „Du bist doch nur eifersüchtig!“, erwiderte die Krankenschwester lachend. „B-bin ich gar nicht!“ „Bist du wohl!“ Zetsu und Katima blieben abrupt stehen und starrten schweigend auf das, was sie vor sich sahen. Die beiden Streitenden, die davon noch nichts mitbekommen hatten, blieben nun ebenfalls stehen. Jatzieta ließ sofort Zetsus Haar los. Sie standen vor einem Bauernhof, der ganz offensichtlich in großer Eile verlassen worden war. Überall lagen noch Geräte herum, die man zum Arbeiten nutzte, die Haus- und Stalltüren standen weit offen, Bettlaken hingen zum Trocknen auf einer Wäscheleine und bauschten sich im Wind. Man erwartete jeden Moment jemanden aus dem Haus kommen zu sehen – aber eine unwirkliche Stille umgab die gesamte Szenerie. „Was ist hier passiert?“, fragte Katima leise. Es war absurd, aber in diesem Moment wünschte sie sich die Leichen derer her, die hier gelebt hatten, denn so hätten sie wenigstens gewusst, was aus ihnen geworden war. „Sie wurden zu Mana“, sagte Jatzieta plötzlich, als ob sie Katimas Gedanken erahnt hätte. Zetsu und die Königin sahen sie an. „Zu Mana?“ Die Krankenschwester sah ungewohnt ernst aus, die Arme vor der Brust verschränkt. „Salles hat uns doch erzählt, dass er in dieser Welt einen Mana-Konverter vermutet – und er hatte anscheinend recht.“ „Das ist ja schrecklich“, hauchte Katima schockiert. „Sind wir dann etwa zu spät?“ Jatzieta schüttelte entschieden den Kopf. „Ich glaube nicht. Bestimmt gibt es noch Überlebende.“ Nanashi spürte auf einmal etwas. Alarmiert sah sie sich um. „Was ist los?“, fragte Zetsu. „Nehmt eure Shinken!“, antwortete sie. „Wir sind nicht mehr allein!“ Ein lauter Schrei ging durch Monobe. Salles sah Nozomi fragend an. Das Mädchen lauschte erstaunt, ihr Gesicht verlor sämtliche Farbe. „Was ist los? Was ist passiert? Was sagt Monobe?“ Sie schluckte angestrengt. „Er sagt, dass Feinde erschienen sind – unzählige! Und sie greifen die anderen an!“ Kapitel 4: Face down, Critical Phase ------------------------------------ Die Lakaien schienen aus dem Nichts gekommen zu sein und hatten Nozomus Gruppe sofort umzingelt. Es waren mindestens zehn und Nozomu spürte, dass in der näheren Umgebung noch mehr waren. Er hatte sie sofort wiedererkannt. Rotes Haar, emotionslose Gesichter, wie von einer Puppe und die schwarze Kleidung mit den roten Streifen, die doppelklingigen Schwerter mit dem Griff zwischen den Klingen – sie waren feindliche Lakaien aus rotem Mana. Satsuki hatte bereits ihr Shinken gezogen. Die kristalline Klinge ihres Schwertes leuchtete grün. „Das ist nicht sonderlich nett, uns einfach im Wald zu überfallen!“ Die Lakaien antworteten natürlich nicht. Nozomu zog die beiden Langschwerter heraus und stellte sich den Wesen entgegen. Narukana zog gar keine Waffen – ihre schiere Willenskraft konnte den Feind verletzen als wenn sie ein Schwert führen würde. Die Lakaien stellten sich in Kampfposition. Nozomu runzelte seine Stirn, während er seinen Blick noch einmal über die Wesen gleiten ließ. Bisher hatten sie immer gegen Gruppen von verschiedenen Lakaien gekämpft, aber diesmal standen ihnen nur rote gegenüber. Ob das etwas zu bedeuten hatte? Er schüttelte den Gedanken ab, als Satsuki sich in den Kampf stürzte. Ihr Schwert zerteilte eines der Wesen, das sich gleich darauf in golden leuchtendes Mana auflöste. Von diesem ersten Erfolg ermutigt, schwang sie ihr Schwert weiter, immer mehr goldene Funken stoben durch die Luft. Doch für jeden besiegten Lakai rückte sofort ein neuer nach. Nozomu zögerte nicht mehr und folgte ihr. Nur Narukana stand seufzend da. „Immer diese Umstände.“ Damit fuhr sie herum, um sich gegen die Lakaien auf der anderen Seite zu kümmern. Zwei heftige Armbewegungen später, waren auch dort die Feinde schnell dezimiert. Doch die leeren Ränge wurden von Nachrückern aufgefüllt. Narukana seufzte noch einmal. „Das kann ja heiter werden.“ Bestimmt stellen sich die anderen noch dümmer an. Ruputnas Gruppe war bereits aus dem Wald draußen und an einem See angelangt, als sie von grünen Lakaien überrascht worden waren. Neben den obligatorischen grünen Haaren und den schwarzen Kleidern mit den grünen Streifen, trugen sie noch dazu Speere mit sich. „Ich habe es doch gewusst“, beschwerte Ruputna sich. „Es war viel zu leise. Dumme Lakaien!“ Unter ihren Schuhen und an den metallenen Teilen an ihren Fersen erschienen Klingen aus blauem Licht, die einen flammenden Schweif hinter sich herzogen, wenn sie die Füße bewegte. Subaru griff nach seinem einfachen Bogen und den Pfeilen. Landis zog zwei Kopis, so dass er in jeder Hand eines hielt. Ein Kopis war ein Schlachtmesser mit einer nach vorn abfallende, breiter werdende und asymmetrische Klinge. Der Griff umschloss Landis' Fingerknöchel, damit er die Waffen nicht während des Kampfes verlor. Ruputna nickte den beiden zu. „Dann befördern wir die Lakaien hastig aus dem Weg!“ Sie und Landis stürmten direkt in den Kampf. Subaru blieb zurück und schoss Pfeile auf die Feinde ab. Jeder Schuss traf, genau wie jeder Schlag und jeder Tritt der beiden Nahkämpfer. Langsam füllte sich die Luft am See mit goldenen Manafunken. Der Bogenschütze beobachtete die Nahkämpfer interessiert. Sie bewegten sich wie eine Einheit und obwohl sie Seite an Seite kämpften, schafften sie es, sich nicht gegenseitig im Weg zu stehen. Es war bewundernswert – und erinnerte Subaru erneut an seine Vergangenheit, als er Seite an Seite mit Shou gekämpft hatte. Hastig schüttelte er den Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf den Kampf. Hoffentlich geht es den anderen gut. Normalerweise war Naya nur von Jatzieta übertroffen, wenn es um Angriffsmagie ging, aber die blauen Lakaien konnten ihre roten Zauber unterbrechen und unschädlich machen, so dass auch das Katzenmädchen zu ihrem Shinken greifen musste. Die Schwerter, die die Lakaien trugen, hatten Sorluska dazu schon einige Wunden zugefügt. Das Blut hatte sich in Mana verwandelt, die Wunden schlossen sich bereits wieder. Sie hatten die Stadt kaum betreten als die blauhaarigen Lakaien schon von allen Seiten auf sie eingestürmt waren. Sorluska fluchte, als seine Metallklauen mit einem Hieb einen weiteren Lakai in Mana verwandelten. „Wo kommen die alle plötzlich her?“ Thalia wehrte einen Angreifer mit ihrem Naginata ab. „Frag mich nicht.“ Die Stadt hatte zwar gespenstisch, aber leer ausgesehen, es hatte keinerlei Anzeichen für einen Hinterhalt gegeben, sofern einer der Drei es hätte sagen können. Sterne flogen von Nayas Stab und lösten sich auf, als sie mit dem Halbmond und dem Kristall auf der Spitze auf die Feinde einschlug. „Die können ganz schön einstecken, ~jiyaaaa.“ „Das kommt nur davon, weil du nicht genug trainierst, Naya!“, lachte Thalia. „Sieh mal: Sor mäht die Lakaien nieder als wären sie Gras.“ Tatsächlich hatte Sorluska keinerlei Probleme mit seinen Gegnern. Wo er auch stand lösten sich alle Feinde innerhalb kürzester Zeit auf, so dass er schon bald in einer funkelnden goldenen Wolke zu stehen schien. Doch mit einemmal hielten die Lakaien inne, sogar die, die gerade am Angreifen gewesen waren, brachen ihren Angriff ab und standen ganz still da. „Was ist denn jetzt los?“, fragte Sorluska irritiert. Thalia und Naya sahen sich ebenfalls verwundert um. Mit ihren Katzenohren hörte das junge Mädchen es zuerst. Schritte näherten sich ihnen. Erwartungsvoll wandte sie sich in die Richtung, aus der die Schritte kamen. Ich bin gespannt, wer es ist. Ohne Vorwarnung steckte jeder schwarzhaarige Lakai sein Katana wieder ein und stand regungslos da. Katima atmete heftig und stützte sich auf ihr Shinken. „Was ist... jetzt?“ Ihr riesiges Schwert erlaubte ihr zwar wuchtige Angriffe, ließ aber keine flinken Bewegungen zu, so dass die Lakaien sie mit ihren Angriffen leichter hatten verletzen können als Zetsu, der selbst ein Katana trug oder Jatzieta, deren Shinken aussah wie eine altertümliche Laterne mit einem rötlich schimmerndem Licht darin. Nanashi deutete auf die offene Haustür. „Ich glaube, jemand kommt heraus. Jemand mit einem mächtigeren Shinken als ein Lakai.“ Die Gruppe sah hinüber. Tatsächlich erschien eine schwarzhaarige Frau in einem bodenlangen weißen Kleid im Türrahmen. Jatzieta runzelte wieder ihre Stirn, als ihr Blick auf das Katana an der Hüfte der Fremden fiel. Noch ein Feind? Sie sieht nicht aus wie ein Lakai. Aber ich glaube auch nicht, dass sie diejenige ist, die uns hierher gerufen hat. „Wer bist du!?“, rief Zetsu hinüber. Das Misstrauen in seiner Stimme war nicht zu überhören. Die Fremde kam näher. Ihre Augen waren braun, aber in einem so dunklen Ton, dass Jatzieta im ersten Moment annahm, dass sie schwarz wären. Wenige Schritte vor der Gruppe, blieb die Frau wieder stehen. „Shinken-Nutzer, Eternal... das hier ist kein Ort für euch.“ „Was soll das heißen?!“ Die rothaarige Fremde mit den zwei Pferdeschwänzen, die ihr bis zur Hüfte fielen, sah Nozomu amüsiert an. „Bist du taub oder einfach nur dumm? Ich habe gesagt, ihr sollt hier verschwinden! Das hier ist unsere Welt. Auf der machen wir, was wir wollen! Und kein Eternal wird uns davon abhalten!“ Ihre dunkelroten Augen glitzerten voll Wahnsinn – zumindest glaubte Nozomu, dass das so aussehen würde, er hatte noch nie eine wirklich wahnsinnige Person gesehen. Sie sah noch jung aus, ungefähr in seinem Alter, aber die Art wie sie sich aufführte und wie sie redete, verleitete ihn dazu, das nicht zu glauben. Sie lächelte arrogant. „Na? Soll ich euch noch mehr Angst einjagen, damit ihr mir endlich glaubt?“ „Angst?“, schnaubte Narukana. „Wenn du denkst, dass wir Angst vor dir haben, irrst du dich aber gewaltig!“ Die Fremde antwortete darauf nicht. Stattdessen stand urplötzlich der Wald um sie herum in Flammen. Nozomu und Satsuki sahen sich gehetzt um, lediglich Narukana blieb ruhig und verschränkte die Arme vor der Brust. „Mir machst du keine Angst.“ Das Feuer erlosch sofort wieder, die Bäume waren völlig unberührt. „Lachhaft“, meinte Narukana nur. „Das war nur eine Warnung an euch.“ Landis zerschnitt die letzte Ranke, die Ruputna umklammert gehalten hatte. Er sah die grünhaarige Fremde an, die zwischen den Lakaien erschienen war. „Eine Warnung?“ Sie warf das lange Haar zurück, bevor sie antwortete: „Wenn ihr euch noch weiter einmischt und nicht von dieser Welt verschwindet, wird es euch schlecht ergehen, dass kann ich euch garantieren.“ Ruputna schnaubte. „Wir lassen uns doch von dir keine Vorschriften machen! Wir bleiben hier!“ „Welch dumme Idee. Das wird sehr schmerzhaft für euch alle werden, seid ihr sicher, dass ihr das mitmachen wollt? Eure Freunde haben bestimmt schon aufgegeben.“ „Niemals!“, erwiderte Ruputna sauer. Sie wollte vortreten und der Fremden einen Tritt verpassen, aber Landis hielt sie vorsichtshalber fest und riet ihr eindringlich davon ab. Also blieb sie stehen und sprach weiter: „Nozomu und die anderen würden niemals einfach so aufgeben und schon gar nicht wegen euch! Wir machen weiter!“ Die Fremde seufzte. „Nun gut... ihr seid ja nicht die ersten Shinken-Nutzer und Eternal um die wir uns bisher gekümmert haben.“ „Wir sind... nicht die Ersten?“ Thalia, Sorluska und Naya sahen die blauhaarige Frau fragend an. Sie lächelte leicht. Ihre Kleidung war die einer Adeligen, ihr blaues Haar schulterlang und gewellt und offensichtlich gepflegt, aber ihre Bewegungen verrieten die Kämpferin in ihr. „Wir haben uns um die gekümmert, die euch hierher gerufen hat.“ „Das ist nicht wahr!“, rief Thalia. Es kann nicht sein! Wir sind nicht zu spät – oder? „Wenn ihr mir nicht glaubt...“ Sie griff in ihre Tasche und holte einen Gegenstand hervor. „Wenn ihr mir nicht glauben wollt, dann überzeugt euch selbst davon.“ Die Frau warf ihnen den Gegenstand zu. Er landete direkt vor Naya auf dem Boden. Das Katzenmädchen bückte sich, um ihn aufzuheben und näher zu betrachten. Es war ein goldenes Kreuz, das an einem schwarzen Band befestigt war. „Was soll das beweisen?“, fragte Sorluska. „Dieses Schmuckstück gehörte dem Eternal, der euch um Hilfe gebeten hat. Wir konnten es ihm vom Hals reißen, bevor er in den Tod stürzte.“ „DU!!“ Sorluska stellte sich wieder in Kampfposition, aber Thalia stellte sich sofort vor ihn. Egal wie stark er war, da waren immer noch die unzähligen Lakaien und die fremde Frau schien auch über einiges an Kampferfahrung zu verfügen. „Sor, lass das. Das ist nicht die richtige Zeit für so etwas.“ Die Fremde lachte. „Hör auf das Mädchen, Aragami.“ Erstaunt sah Sorluska sie an. „Woher kennst du den Namen meines Shinken?“ „Wir wissen so einiges über euch. Nichts bleibt uns verborgen.“ Nanashi versteckte sich hinter Zetsus Rücken. Diese Fremde machte ihr fast mehr Angst als die Lakaien, obwohl die schon unheimlich genug waren. „Das ist ja interessant“, sagte Jatzieta. „Woher denn?“ Die Fremde verzog keine Miene, überhaupt schien ihr das Wort „Lächeln“ fremd zu sein. „Das ist unsere Sache. Wir kennen euch – vielleicht sogar besser als ihr euch selbst kennt.“ „Das würde mich wundern“, schnaubte Katima. „Aber Eure Majestät Aigears, zweifelt Ihr wirklich an unseren Fähigkeiten und unserem Wissen?“ Sie antwortete nicht. Schweigen breitete sich aus, jeder wartete darauf, dass jemand anderes etwas sagte und die Stille durchbrach. Schließlich war es die Fremde, die das tat: „Wie auch immer. Ihr wurdet gewarnt und das war es, was wir erreichen wollten. Niemand von euch wird unsere Pläne vereiteln.“ Auf einen Wink von ihr verschwanden die Lakaien und nach einer kurzen Verbeugung, verschwand auch sie. Zetsu steckte sein Shinken wieder ein. „Ich frage mich, von welchen Plänen sie sprach.“ „Ich frage mich eher, woher sie so viel weiß“, sagte Nanashi leise. Jatzieta kümmerte sich derweil um Katimas Verletzungen, von denen sich der Großteil schon wieder geschlossen hatte. „Es geht schon, wirklich“, sagte die junge Königin, als ihr Shinken verschwand und sie sich wieder aufrecht hinstellte. Jatzieta seufzte leise. „Wir sollten zurück zu Monobe gehen. Wahrscheinlich haben die anderen auch so eine seltsame Begegnung gehabt. Außerdem... gibt es hier ohnehin nichts mehr zu sehen.“ Zetsu und Katima nickten. Die Gruppe warf noch einen letzten Blick umher und machte sich dann schweigend und in Gedanken versunken wieder auf den Rückweg. Nozomi atmete erleichtert auf, als sie erneut Monobes Stimme vernahm. Lächelnd sah sie den besorgten Salles an. „Er sagt, die Bedrohung ist wieder weg – und die anderen sind unverletzt und bereits auf dem Rückweg.“ Er lächelte ebenfalls erleichtert. „Das ist eine gute Nachricht. Ich bin gespannt, was sie uns zu erzählen haben werden.“ Und ob derjenige, der unsere Hilfe wollte, etwas damit zu tun hat. Kapitel 5: In Cresting ---------------------- Eine Stunde nach dem Angriff der Lakaien, stand die Gruppe wieder im Direktorat und hatte Salles und Nozomi bereits alles berichtet, was geschehen war und was die Fremden ihnen gesagt hatten. Nachdenklich schob der Mann seine Brille zurück. „Fassen wir zusammen: Wir haben mindestens vier Feinde, über die wir nichts wissen, nicht einmal die Namen – sie wissen aber alles über uns. Außerdem verfügen sie scheinbar über einen unendlichen Vorrat an Lakaien und kämpfen können sie vermutlich auch. Noch dazu wissen sie von der Person, die uns gerufen hat und haben diese wohl inzwischen aus dem Verkehr gezogen.“ „Oh, da fällt mir was ein!“ Naya griff in ihre Tasche und holte das Kreuz heraus, das die Blauhaarige ihnen gegeben hatte. Sie reichte es an Salles. „Das hier soll demjenigen gehört haben.“ Er nahm es ihr ab und betrachtete es nachdenklich. Sein Gesicht verfinsterte sich. Hastig legte er den Gegenstand auf den Tisch und wandte sich wieder an die anderen. „Wir müssen vorsichtig sein bei unserem weiteren Vorgehen, also-“ „Nein!“, unterbrach Narukana. „Ich bin dafür, dass wir gehen. Wenn dieser Eternal tot ist, wird er uns auch nicht verraten, wo Rogus ist, deswegen bin ich dafür, dass wir ihn weiterverfolgen.“ „Du willst diese Welt einfach ihrem Schicksal überlassen?“, fragte Nozomi schockiert. Narukana verschränkte die Arme vor der Brust. „Was geht uns diese Welt an? Irgendwann würde sie ohnehin sterben, oder? Ob das jetzt ein paar Jahrhunderte früher oder später geschieht, was solls?“ Die Versammelten sahen sie fassungslos an, dann schüttelten sie unisono ihre Köpfe. „Wir bleiben“, entschied Salles. „Hier geht es um das Leben unzähliger Menschen.“ Narukana schnaubte. „Gibt es hier überhaupt noch Überlebende?“ Nozomi nickte und erzählte der Gruppe knapp, dass Monobe mit Menschen besiedelte Gegenden gefunden hatte, zu denen sie sich nach der Unterredung aufmachen würden. „Vielleicht erfahren wir von den Menschen dort noch etwas mehr.“ Die anderen nickten wieder. „Gut, dann haltet euch bereit, wenn Monobe sich bewegt“, sagte Salles. „Wir werden nicht lange bis zu den Städten brauchen. Ihr seid entlassen.“ Nozomu lief mit Satsuki, Nozomi und Zetsu durch die Gänge der Schule. Rehme saß wie üblich auf Nozomus Schulter, nur diesmal war sie nachdenklich und still. „Was ist los, Dummkopf?“, stichelte Nanashi von Zetsus Schulter aus. „Versuchst du, dich an deinen Namen zu erinnern? Gibs auf.“ Rehme schnaubte. „Nein, ich habe mir nur Gedanken über diese neuen Feinde gemacht, das wird ja wohl noch erlaubt sein.“ „Du kannst denken?“ Zetsu seufzte leise. „Hört auf euch zu streiten. Das geht einem wirklich auf die Nerven.“ Nanashi wurde sofort still, er blieb stehen, worauf die anderen ebenfalls stehenblieben. „Was ist los, Zetsu?“, fragte Nozomu. „Wir brauchen wahrscheinlich Unterstützung, oder?“ Ein Grinsen schlich sich auf die Gesichter von Satsuki und Nozomi, die beiden Mädchen waren sich einig wie selten. „Du denkst an Leana, nicht?“ Er antwortete nicht darauf, beachtete die beiden nicht einmal, sondern sah direkt Nozomu an. „Ich werde in die Rosenwelt reisen. Vielleicht hat sie Zeit, um uns zu helfen.“ „Um deine Sehnsucht zu stillen, meinst du wohl“, sagte Satsuki. Nozomu ignorierte sie ebenfalls und nickte Zetsu zu. „Aber sei vorsichtig und komm bald zurück.“ „Natürlich. Nanashi, du bleibst hier.“ Überrascht sah sie ihn an. „Was? Warum!?“ Er deutete ein Kopfschütteln an. „Du wirst tun, was ich dir sage und hier alles für mich beobachten.“ Seufzend verließ sie seine Schulter und blieb in der Luft schweben. „In Ordnung, Zetsu.“ Nach einer knappen Verabschiedung, drehte er sich um und verließ die Gruppe. Als er außer Hörweite war, kicherte Satsuki. „Er hat Nanashi bestimmt zurückgelassen, weil er sich mit Leana vergnügen will. Er ist eben doch nur ein männliches Wesen, nicht?“ „Wovon redest du?“, fragte Nozomu. „Ach komm schon, sag bloß, du hast es nicht bemerkt, dieses Knistern zwischen Zetsu und Leana. Ich fress einen Besen, wenn da nicht mehr gelaufen ist.“ Nanashi schnaubte und schwebte davon. „Du könntest recht haben, Satsuki“, stellte Rehme fest. „Aber natürlich habe ich recht“, sagte sie grinsend. Ein lautes Knurren unterbrach ihr Gespräch. Rot geworden legte Nozomi ihre Hände auf ihren Bauch. „Oh, tut mir Leid, aber ich habe so wenig gefrühstückt...“ Nozomu und Satsuki lächelten. Zusammen gingen sie weiter in Richtung Cafeteria. Jatzieta war als einzige mit Salles im Büro geblieben. Besorgt musterte sie sein düsteres Gesicht, in dem sich Sorge und Leid widerspiegelten. „Alles in Ordnung?“, fragte sie schließlich sanft. Sie kannte ihn schon lange genug, um zu wissen, dass etwas mit ihm nicht stimmte, auch wenn er versuchte, das zu überspielen. Er nahm wieder das Kreuz zur Hand. „Ich kenne den Besitzer davon.“ Salles erzählte selten bis nie von seiner Vergangenheit als Salbar, der verwaltende Gott und wenn, dann musste man ihm alles einzeln aus der Nase ziehen. Dass er einmal von sich aus sprach, überraschte Jatzieta positiv, weswegen sie ihm einfach nur lauschte. „Es war ein junger Eternal, der dieses Schmuckstück immer um sein Handgelenk trug. Er hatte gerade erst einen Pakt mit seinem Shinken geschlossen, war zuversichtlich und entschlossen, ein Chaos-Eternal zu werden, um alle zu beschützen.“ Jatzieta runzelte ihre Stirn. „Glaubst du, dass er es war, der getötet wurde?“ Salles schüttelte sofort seinen Kopf. „Nein. Das Kreuz gehört zwar eindeutig ihm, das erkenne ich an der Gravur, aber er hatte ein anderes Shinjuu.“ „Vielleicht hat er es einem anderen Eternal geschenkt – oder es wurde ihm gestohlen oder-“ „Schon gut“, fiel er ihr ins Wort. „Es ist schon so lange her... wahrscheinlich hat er inzwischen vergessen, dass er jemanden namens Salbar kannte.“ „Wart ihr Freunde?“ Er schwieg für einen Moment, während er über diese Frage nachdachte. Schließlich nickte er. „Ja, ich denke schon.“ „Dann hat er dich bestimmt nicht vergessen. Also, Kopf hoch. Wie war denn sein Name?“ Salles lächelte und sah sie dankbar lächelnd an. „Er hieß Ciar.“ Es dauerte nicht lange, bis Monobe nach seinem Start wieder still stand. Sie befanden sich in der Nähe einer Stadt, die durch hohe Mauern geschützt war. Vor den Toren und auf den Mauern befanden sich Wachen, die eindeutig menschlich waren, also gab es hier wirklich keine Lakaien. „Wir sollten erst einmal nicht alle in die Stadt gehen“, sagte Salles. „Nozomu, Satsuki und ich werden erst einmal alleine versuchen mit dem Anführer dieser Leute zu sprechen.“ Die beiden Erwählten nickten, während die restliche Gruppe enttäuscht seufzte. „Ihr anderen werdet aufpassen, dass keiner der Schüler Monobe verlässt, bis wir sicher wissen, ob wir hier bleiben dürfen.“ Nozomi nickte sofort, während die anderen nicht darauf reagierten. Jeder von ihnen wäre gern als erstes in die Stadt gegangen, um sich umzusehen. Salles winkte Nozomu und Satsuki mit sich. Über eine Teleportationsvorrichtung konnten sie den Wanderwal verlassen. Mit großen Schritten gingen sie auf das Tor zu. Die Wächter standen erstaunt da und starrten auf das riesige Wesen mit dem Gebäude auf dem Rücken. Als sie das Trio kommen sahen, stellten sie sich ihnen sofort entgegen. „Halt! Wer seid Ihr?“ Die drei blieben sofort stehen. Nozomu blickte auf die Partisanen, die sie trugen und deren polierte Spitzen im Sonnenlicht glänzten. Eine Verletzung von diesen Waffen war bestimmt schmerzhaft. Salles ließ sich davon jedoch nicht irritieren. „Mein Name ist Salles Cworcs, Anführer der Brigade. Dies sind Nozomu und Satsuki. Wir kommen in friedlicher Absicht und wollen mit eurem König sprechen.“ „Seid ihr mit diesem Ding da gekommen?“, fragte einer der Wächter und deutete auf Monobe. Salles nickte. „Das ist richtig. Keine Sorge, es tut niemandem etwas.“ Die beiden Wächter tauschten einen misstrauischen Blick miteinander. Doch schließlich schienen sie ihm zu glauben und öffneten das Tor. „Geht bis zum Schloss und sagt dort, dass ihr die Herren dieses Gefährts seid.“ „Verstanden.“ Sie betraten die Stadt, das Tor schloss sich hinter ihnen sofort wieder. Nozomis Eindruck war nicht falsch gewesen: Sowohl vom Baustil als auch von der Kleidung der Leute ließ alles auf das späte Mittelalter auf der Erde schließen, weswegen die dreiköpfige Gruppe für ihre doch eher moderne Kleidung neugierige Blicke erntete. Die meiste Aufmerksamkeit bekam zweifellos Satsuki mit ihrem Minirock und den schwarzen Federn in ihrem feuerroten Haar. Nozomu fragte sich unwillkürlich, ob man hier wohl auch daran glaubte, dass Hexen rote Haare hatten und man diese dann auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Eine breite gepflasterte Hauptstraße führte sie schließlich zum Schloss, wo sie tatsächlich eingelassen wurden, nachdem sie bestätigt hatten, dass sie von Monobe kamen. Für einen Moment fürchtete Nozomu, dass man sie direkt in den Kerker werfen würde, doch stattdessen brachte man sie in ein vornehm eingerichtetes Zimmer und bat sie zu warten. Satsuki bestaunte das Mobiliar und die Bilder an den Wänden. „Wow. Als ob man in einem Museum wäre.“ „Nur mit dem Unterschied, dass hier alles neu ist“, setzte Nozomu hinzu. Sie nickte gedankenverloren. Salles hielt die ganze Zeit sein Shinken, das die Form eines Buches hatte und damit absolut unauffällig war, in der Hand. „Alles in Ordnung, Salles?“, fragte Nozomu. „Oder bist du nervös?“ Der Mann schüttelte seinen Kopf. „Ich bin nur gern auf alle Eventualitäten vorbereitet. Du weißt nie, was sie hier unter Umständen anstellen könnten.“ „Das ist wahr.“ Die Tür wurde wieder geöffnet. Ein junger Mann mit schneeweißem Haar und goldbestickter Kleidung kam herein. Er deutete eine Verbeugung vor den Dreien an. „Herzlich Willkommen in Cresting, der Hauptstadt von Asturion. Mein Name ist Aretas von Cresting, ich bin der König dieses Reiches. Darf ich Eure Namen erfahren?“ Salles stellte sich und seine beiden Begleiter erneut vor. „Was ist der Grund für Euer Hiersein, Sir Cworcs?“ Aretas tat sich sichtlich schwer mit dem fremd klingenden Namen. Nozomu fand es selbst immer wieder erstaunlich, wie Salles ihn aussprechen konnte. „Wir sind erst vor kurzem hier angekommen und wurden angegriffen von-“ „Ich verstehe. Meine aufrichtigste Entschuldigung. Diese Frauen erschienen vor drei Monaten und machen uns seitdem das Leben schwer. Meinen Vater haben sie bereits getötet, so dass ich nun seinen Platz einnehmen muss. Deswegen muss ich Euch auch hier empfangen, denn der Thronsaal ist immer noch ein einziges Chaos und das Beseitigen des Schutts so wie die Instandsetzung wird noch eine Weile dauern, da mein Hauptaugenmerk auf der Wiederherstellung der Stadt lag.“ „Vor drei Monaten, sagtet Ihr?“, hakte Salles nach. Aretas nickte bestätigend. „Wir wissen nicht, wer sie geschickt hat, wir wissen nicht, wer sie sind. Wir wissen nur, dass keiner, der auszog, um es herauszufinden, je zurückkehrte. Außerdem können wir sie auch nicht bekämpfen. Keine unserer Waffen scheint ihnen etwas anhaben zu können. Ich habe schon überlegt, zum Wohle meines Volkes dem feindlichen Anführer meine Kapitulation anzubieten – aber wie, wenn ich nicht einmal weiß, wer es ist.“ Betroffen senkte er den Kopf. Doch er schien den Gedanken schnell wieder abzuschütteln. „Majestät“, sagte Salles, „wenn Ihr erlaubt, würden wir Euch unter die Arme greifen. An Bord unseres Reisegefährts befinden sich insgesamt vierzehn Kämpfer, die es mit Euren Feinden aufnehmen können.“ Der junge König sah mehr als skeptisch aus. „Vierzehn Kämpfer gegen eine Zahl, die in die Hunderte gehen kann?“ „Seid versichert, Majestät, diese Vierzehn haben bereits viel stärkere Feinde besiegt und wir sind extra in diese Welt gereist, um diesem Gegner Einhalt zu gebieten.“ „In diese Welt?“ Salles erklärte dem König, dass Monobe durch Welten reisen konnte und die Gruppe das nutzte, um gegen die Zerstörung anderer Welten vorzugehen. Aretas' Augen wurden groß. „Oooooh. A-aber was möchtet Ihr als Gegenleistung?“ „Nicht viel. Aber es wäre vorteilhaft, wenn die Menschen auf Monobe sich in dieser Stadt aufhalten könnten.“ „Das ist kein Problem“, sagte der König erfreut. „Ich werde dafür sorgen, dass bekannt wird, wer ihr seid und dass ihr uns helfen wollt.“ „Vielen Dank, Eure Majestät.“ Salles verneigte sich, Nozomu und Satsuki taten es ihm nach. Aretas lächelte warm. „Bitte, gebt mir drei Stunden, dann weiß das Volk von euch und die Tore der Stadt werden euch offenstehen.“ Die drei nickten und bedankten sich noch einmal. Schließlich verabschiedete sich der König und verließ das Zimmer hastig wieder. Satsuki lachte leise. „Wow, jetzt arbeiten wir sogar offiziell für den König.“ Salles schob seine Brille zurecht. „Immerhin müssen wir uns so keine Sorge um unsere Vorräte mehr machen. Leider konnte er uns aber auch nicht mehr über die Feinde sagen.“ „Und er schien auch nichts von einem anderen Eternal zu wissen“, setzte Nozomu hinzu. „Womöglich hat er sich im Verborgenen gehalten. Aber das werden wir hier nicht herausfinden. Lasst uns zu Monobe zurückkehren.“ Kapitel 6: Rose Red ------------------- Die Zeit in Sharivars Diensten und anschließend der Kampf gegen Sharivar schienen Leana inzwischen wie aus einem früheren Leben, dabei war es in ihrer Welt gerade einmal ein Jahr her. Die Sehnsucht nach Zetsu, anfangs noch so stark, hatte inzwischen nachgelassen, auch wenn sie immer noch unter der Oberfläche pulsierte und von Zeit zu Zeit ohne Vorwarnung hervorbrach. Aber die meiste Zeit hatte sie keine Gelegenheit, um an ihn zu denken. Als Anführerin der Rosenritter stand Leana in aller Frühe auf, um mit ihren Rittern einen Teil des Morgentrainings zu absolvieren und dann den Rest des Vormittags den jungen Prinzen Alvis zu unterrichten. Er hatte eigentlich einen Privatlehrer, aber bei Sharivars Angriff war der Lehrer der öffentlichen Schule getötet worden, so dass Alvis' Lehrer nun Schulleiter war und den Prinzen nur noch nachmittags unterrichten konnte. Anfangs hatte sie vorgeschlagen, dass jemand anderes den Unterricht übernehmen könnte, aber der Prinz hatte darauf bestanden, dass sie das tat und nicht ein Mitglied der Dienerschaft. Sie schob es stets auf ihr Shinken, das er immer ausgiebig bewunderte, wenn er Zeit dazu hatte und auf ihr Shinjuu, die ebenfalls so oft wie möglich von ihm begutachtet wurde. Während des Vormittags kümmerte sich Faris, Leanas rechte Hand, um die Ritter. Faris war zwei Jahre jünger als sie, nahm seinen Beruf aber sehr ernst und bat Leana auch immer wieder, sich ein wenig zu schonen. Doch das hatte sie bislang noch nicht geschafft. Wenn sie einmal eine Aufgabe bekommen hatte, sah sie es als ihre Pflicht an, diese auszuführen, ohne Rücksicht auf sich selbst. Das Mittagessen nahm sie stets mit Faris ein, der es nicht lassen konnte, sie zu den unmöglichsten Situationen an Zetsu zu erinnern, was sie immer in Verlegenheit und ihn zum Lachen brachte. Am Nachmittag musste Leana sich die Probleme und anfallende Aufgaben der Stadt- und Landbevölkerung anhören, um dann den Prinzen zu fragen, welche Aufgaben angepackt werden sollten. Obwohl Alvis kein Interesse daran zeigte und es stets Leana überließ, war ihr daran gelegen, dass er erfuhr, was sein Volk beschäftigte. Anschließend teilte sie die anfallenden Aufgaben unter ihren Rittern auf und übernahm auch selbst welche, wenn noch etwas übrig blieb. Meist war sie bis zum Abend beschäftigt, wo sie gemeinsam mit ihrem Shinjuu dem Prinzen dann eine Gute-Nacht-Geschichte vorlas, abschließend einen Kontrollgang durch Palast und Stadt tat und dann zuhause ins Bett fiel – bis sie am nächsten Morgen aufwachte und das Spiel wieder von vorne begann. Es war jeden Tag dasselbe, aber Leana blieb nicht einmal Zeit, das als öde zu empfinden. Jeder andere wäre längst unter dieser Last zusammengebrochen, davon war Faris überzeugt und er hatte es ihr auch schon mehrmals gesagt, doch sie klammerte sich zu sehr an ihre Pflicht und bezog Kraft aus ihrem Shinken, um das durchzuhalten – auch wenn Zetsu das gar nicht gutheißen würde. Zetsu... schon wenn sie an seinen Namen dachte, sah sie wieder seine blauen Augen und das lange silberne Haar, auf das sie so neidisch gewesen war, vor sich. Für den Kampf hatte sie ihr braunes Haar stets nur bis zum Ellbogen wachsen lassen. Nach Sharivars Tod war sie in die Rosenwelt zurückgekehrt und hatte ihr Haar wachsen lassen. Sie hatte gesundes Haar, das gut wuchs und inzwischen fast bis an ihre Hüften reichte. Obwohl sie stolz darauf war, ersehnte sie heimlich Zetsu herbei, der sie wieder in den Kampf führte, was sie dazu bringen würde, ihr Haar wieder auf die ursprüngliche Länge zu kürzen. Und wann immer sie diesen Gedanken hatte – sprach Faris sie auf den Eternal an. Er hatte eine Art sechsten Sinn dafür, erschien es Leana manchmal. Mit einer letzten Anweisung verließ sie die Ritter für den heutigen Vormittag und begab sich vom Trainingsplatz in den Palast. Um Zeit zu sparen lief sie wie so oft durch einen der drei Rosengärten. Der Duft der Blüten lag schwer in der schon warmen Frühlingsluft und schnürte ihr die Kehle zu. Um sich abzulenken, summte sie ein Lied vor sich her, dass ihre Mutter ihr beigebracht hatte, als Leana noch ein kleines Kind gewesen war. Diese Welt und besonders dieses Reich waren für wunderschöne Rosen bekannt – aber wenn Leana ehrlich war, konnte sie keine Rosen mehr sehen. Sie waren einfach überall vertreten, so als müsste man es krampfhaft nach außen tragen, wofür man bekannt war. Da half es nicht gerade, dass sogar Leanas Shinken Shoubi, die Rose, hieß. Als ob sich alles gegen sie verschworen hätte. Wenn ihr Shinjuu auch noch ein Pflanzenmonster mit einer solchen Blüte gewesen wäre, hätte sie diese Verschwörungstheorie bestimmt geglaubt. Aber zum Glück war ihr Shinjuu ein menschenähnliches Wesen mit langem schwarzen Haar, blassem Gesicht, goldenen Augen, einer Rüstung und einem Schwert. Und nirgends auf ihrem Körper war auch nur der Hauch einer Rose zu sehen. Kaum hatte sie an das Wesen gedacht, hörte sie plötzlich Schritte neben sich, vermischt mit einem Seufzen. „Schon wieder Unterricht?“ Leana nickte. „Ja. Du weißt doch -“ „Wie jeden Morgen, ja ich weiß. Trotzdem wird das langsam langweilig.“ Sie antwortete nicht darauf und betrat stattdessen den Palast. Isolde lief schweigend neben ihr her. Alvis saß bereits erwartungsvoll an seinem Tisch im Studierzimmer und strahlte, als er die beiden sah. „Leana, Isolde!“ Die Drei tauschten Morgengrüße aus, dann begann Leana den Unterricht, mit den Gedanken an diesem Tag ganz woanders. Ihr Blick wanderte immer wieder zum Fenster, wo sie den blauen Himmel fixierte als wartete sie auf etwas. War es die Frühlingsluft, die sie so sehr ablenkte oder doch etwas anderes? Plötzlich spürte sie, wie jemand ihrem Ärmel zupfte. Irritiert sah sie den Prinzen an, der ihren Blick bittend erwiderte. „Können wir nicht lieber nach draußen gehen? Ich habe keine Lust, zu lernen.“ „Hoheit, Ihr habt nie Lust zu lernen.“ „Bitte, bitte, bitte.“ Sein Blick und sein Flehen wurden eindringlicher. Isolde räusperte sich. „Leana, vielleicht sollten wir wirklich hinausgehen. Du bist heute auch nicht unbedingt in der besten Verfassung, um zu unterrichten.“ Sie seufzte ergeben. „Gut, dann gehen wir eben.“ So gingen sie wieder hinaus in den Rosengarten. Leana hätte schwören können, dass die Luft in der Zwischenzeit noch stickiger geworden war. Erneut ersehnte sie jemanden herbei, der sie aus dieser Welt herausholte, aber sie schüttelte den Gedanken sofort wieder ab und begann erneut zu summen. Fasziniert blickte der Prinz zu ihr hinauf. „Leana, was ist das für ein Lied?“ Erschrocken und beschämt hielt sie inne. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass sie laut gesummt hatte. „Oh, das ist ein altes Lied, das meine Mutter mir beigebracht hat.“ „Kannst du es auch singen?“ „Also, ich weiß nicht...“ Leana sang nicht sehr gern, besonders nicht vor Publikum, aber sie konnte einfach niemandem eine Bitte abschlagen und besonders dem Prinzen nicht. Also holte sie Luft, schloss die Augen und begann zu singen: „Rose, Rose, Rose Red Will I ever see thee wed? I wil marry at thy will, sire At thy will.“ „Seit wann singt die Anführerin der Rosenritter?“, fragte plötzlich eine spöttische Stimme hinter ihr. „Bist du nicht ausgelastet genug?“ Leana fuhr herum und funkelte den ungebetenen Zuhörer an. Doch dann... Seine Augen, das Haar, dieses seltsame Lächeln...! „Zetsu...“ Er lächelte und breite die Arme aus. „Was? Keine Umarmung zur Begrüßung?“ Isolde räusperte sich. „Prinz, kommt mit mir, ich zeige Euch eine besonders schöne Blume.“ Er wollte widersprechen, aber sie hatte bereits nach seinem Arm gegriffen und ihn mit sich gezogen. Einige Sekunden stand Zetsu immer noch mit geöffneten Armen da, dann ließ er sie fallen. „Weißt du, wenn du mich nicht umarmst, wirkt das ein wenig lächerlich.“ Sie schwieg. „Deine Haare sind gut gewachsen. Noch ein oder zwei Jahre und sie sind so lang wie meine.“ Schweigen. „Was ist los?“, fragte er seufzend. „Du bist diejenige gewesen, die gegangen ist, nicht ich.“ „Warum bist du hier?“, erwiderte sie mit einer Gegenfrage. Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich könnte dir hier das Blau vom Himmel herunterlügen oder dir alles mögliche erzählen – aber mir geht es darum, dass wir in einem Kampf deine Hilfe brauchen.“ „... So.“ „Und... weil ich dich vermisst habe.“ Ihr neutraler Blick wandelte sich in Überraschung. „Du hast mich vermisst?“ Er nickte. „Ja. Dabei sind für uns gerade mal ein paar Monate vergangen.“ Sie lachte leise. „Hier schon etwas mehr als ein Jahr.“ Eine kurze Pause, dann: „Ich habe dich auch sehr vermisst, Gyouten no Zetsu.“ Er lächelte wieder. „Seit wann so förmlich? Du weißt, dass ich meinen Eternal-Namen nicht sehr mag.“ „Mir gefällt aber die Bedeutung. Zetsu des silbernen Tagesanbruch, das hat doch was Romantisches und Poetisches.“ „Langsam bereue ich es, dir das gesagt zu haben“, erwiderte er scherzhaft. „Wie wäre es jetzt mit einer Umarmung?“ Er breitete wieder seine Arme aus. Diesmal zögerte Leana nicht lange und fiel ihm an die Brust. „Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen“, sagte sie leise. „Du weißt doch... man trifft sich immer zweimal im Leben.“ „Ja, aber... in diesem Fall habe ich nicht wirklich daran geglaubt. Wer immer dieses Sprichwort mal erfunden hat, war bestimmt nie durch mehrere Welten von jemand anderem getrennt.“ Zetsu zuckte mit den Schultern. „Wer weiß? Aber egal. Erzähl mir, wie es dir ergangen ist.“ Leana ließ ihn los und legte ihre Stirn in Falten. „Wo fange ich an?“ Isolde hatte den Prinzen inzwischen in einen anderen Bereich des Gartens gebracht. Misstrauisch sah er sie an. „Hier gibt es doch gar keine besondere Blume.“ „Ich war auch nicht ganz aufrichtig“, gab sie zu. „Dann hast du gelogen?“, fragte er schockiert. „Man darf doch nicht lügen!“ „Es war nur eine Notlüge. Sowas ist hin und wieder erlaubt – aber nicht zu oft.“ Unzufrieden mit dieser Antwort sah der Prinz umher. „Sag mal, wer war das eigentlich?“ „Das war Zetsu, Eure Hoheit.“ Alvis kramte in seinem Gedächtnis nach dem Namen. Er hatte ihn einmal aufgeschnappt, als Faris mit jemandem über Leana geredet hatte. Anscheinend dachte die Anführerin der Rosenritter oft an diesen seltsamen Kerl. Weswegen er wohl gekommen war? Neugierig richtete er die Frage an Isolde, doch das Shinjuu zuckte nur mit den Schultern. Sie konnte es sich zwar denken, wollte es ihm aber nicht unbedingt auf die Nase binden. Er würde es noch früh genug erfahren und ein riesiges Theater veranstalten, da war sie sich sicher. Hmmm... wo hat Zetsu wohl den Zwerg gelassen? „Woher nimmst du denn die Kraft für all das?“, fragte Zetsu, als Leana die Schilderung ihres Tages abgeschlossen hatte. „Mir wird schon vom Zuhören ganz anders.“ Verlegen senkte sie den Blick und legte eine Hand auf den Griff ihres Shinken. Missbilligend schüttelte er seinen Kopf. „Das ist nicht gut, Leana. Du solltest nicht so viel Kraft von deinem Shinken dafür nutzen.“ „Ich weiß, ich weiß ja. Aber das brauchte ich einfach.“ „Vor allem brauchst du erst einmal Urlaub. Wie wäre es mit der Monobe-Akademie?“ Leana lachte leise. „Ich bin sofort dabei, aber... dem Prinzen wird das gar nicht gefallen. Ich weiß! Ich sollte lernen, egoistischer zu sein, aber das geht nicht so einfach bei mir.“ „Das merke ich“, murmelte er leise, bevor er seine Stimme wieder hob: „Okay, hör zu, wir regeln das schon irgendwie, ja? Ich werde die Welt jedenfalls nicht ohne dich verlassen.“ Sie nickte und lächelte dankbar. Zetsu nahm ihre Hand und zog sie mit sich. „So und nun suchen wir den Prinzen erst einmal.“ „Nein, nein, nein!“ Alvis stampfte wütend mit dem Fuß auf, Zornestränen traten in seine Augen. „Ich will nicht, dass Leana und Isolde gehen! Sie sollen bleiben!“ Zetsu seufzte lautlos. Immer diese kleinen Kinder. „Eure Hoheit“, begann Leana, „bitte, es ist wirklich wichtig, man braucht mich. Und als Vartanian und als Shinken-Nutzer ist es meine Pflicht denen zu helfen, die mich brauchen.“ „Aber ich brauche dich auch!“ Zetsu kniete sich vor den Prinzen. „Eure Hoheit, möglicherweise stehen unzählige Leben auf dem Spiel, wenn Leana uns nicht hilft, die Bösen zu bestrafen. Und dann würde auch Eurer Welt wieder etwas Schlimmes geschehen.“ Alvis rang sichtlich mit sich selbst. Er hatte schon eine patzige Antwort auf der Zunge, als er Leanas Blick bemerkte. Ihr bittender Blick, der ihm verriet, dass sie mit Zetsu gehen wollte. Also senkte er den Kopf. „Ich überlasse es dir, Leana.“ „Vielen Dank, Eure Hoheit.“ Sie verneigte sich tief. „Dann werde ich nun Faris Bescheid sagen, damit er solange meinen Posten übernimmt.“ Damit lief sie davon. Zufrieden verschränkte Zetsu die Arme vor der Brust. „Ihr habt das richtige getan.“ „Wie auch immer“, murmelte der Prinz und ging in Richtung Palast. Isolde sah ihm hinterher. „Dass er so schnell aufgegeben hat...“ „Er wird wohl langsam erwachsen. Das war vermutlich die erste Entscheidung, die er nicht aus Egoismus heraus gefällt hat.“ Das Shinjuu nickte. Schließlich grinste sie. „Wo hast du denn den Zwerg gelassen?“ Er lächelte verstohlen. „Ich hatte keine Lust auf eure Streitereien, deswegen hab ich sie zuhause gelassen und ihr erzählt, sie soll alles für mich beobachten.“ „Wie schlau von dir.“ Zetsu nickte. Die beiden versanken in Schweigen, während sie auf Leanas Rückkehr warteten. Die Anführerin der Rosenritter fand Faris schließlich wie erwartet auf dem Übungsplatz. Ohne große Worte zog sie ihn mit sich von den anderen weg. In aller Kürze erzählte sie ihm von der Situation. Faris grinste. „Seht Ihr? Ich habe doch gesagt, dass er zurückkommen wird.“ „Schon gut, ich weiß. Kannst du mir einen Gefallen tun?“ „Jeden.“ „Während meiner Abwesenheit wirst du Kommandant der Rosenritter und kümmerst dich um den Prinzen.“ Er deutete eine Verbeugung an. „Aber natürlich, mit dem größten Vergnügen. Hoffentlich habt Ihr viel Spaß mit Zetsu.“ „Sehr witzig, wirklich. Ich verlasse mich auf dich. Und wehe, du machst deine Arbeit nicht gut.“ Den letzten Satz hatte sie nicht ernst gemeint und das zeigte sie ihm auch mit einem leisen Lachen. Schließlich verabschiedete sich von Faris und lief in Richtung ihres Zuhauses, um noch ein paar Dinge einzupacken. Nachdem Zetsu und Isolde eine Stunde schweigend abgewartet hatten, erschien Leana plötzlich wieder vor ihnen. Der Silberhaarige sah sie irritiert an. „Was hast du mit deinem Haar gemacht?“ Ihr Haar hatte wieder die übliche Länge von früher, sie war bereit für den Kampf. Sie lachte. „Abgeschnitten natürlich. Ich habe dir erzählt, dass mich zu lange Haare beim Kämpfen stören.“ „Bist du nun fertig?“ Sie nickte bestätigend. Er lächelte erleichtert und hielt ihr seine Hand hin. „Dann lass uns gehen.“ Leana erwiderte das Lächeln und nahm die dargebotene Hand. Isolde zog sich wieder in das Shinken zurück. „Ja... lass uns gehen“, sagte Leana leise. ------------------- A/N: Der Liedtext und der Titel des Kapitels stammen natürlich von dem Lied "Rose Red" von der unvergleichlichen Emilie Autumn. Kapitel 7: Vorbereitung ----------------------- Die Gruppe begrüßte Leana erfreut wieder zurück, nur Rehme und Nanashi waren nicht besonders begeistert, da sie sich immer mit Isolde stritten, aber zumindest am ersten Tag blieb es zwischen ihnen ruhig. Kaum war bekannt, dass Leana wieder da war, war es den Shinken-Nutzern und den Schülern der Monobe-Akademie auch erlaubt worden, die Stadt Cresting zu betreten und zu erkunden. Sie wurden tatsächlich wie Gäste behandelt und bekamen teilweise einheimische Speisen geschenkt, um sie zu kosten. Besonders eine Bäckerei hatte es den Schülern bald angetan. Dort duftete es immer nach frischem Brot und es gab das herrlichste Gebäck, dass je einer von ihnen gesehen hatte. Besonders beliebt bei der Stadtbevölkerung waren die Waffeln, wie der streng aussehende, aber offensichtlich gutherzige Bäcker ihnen verriet. Die Bevölkerung war offensichtlich an den Neuankömmlingen interessiert und wer sich traute, sprach sie auch schon mal an und wenn es nur darum ging, aus welchem Stoff ihre Kleidung gemacht war oder aus welchem Material ihre Schuhe. Die Schüler gaben gern und bereitwillig Auskunft, stellten dann ihrerseits aber auch interessierte Fragen über das Leben in der Stadt und die Tätigkeiten, der die Menschen nachgingen. Es kam vielen vor wie Geschichtsunterricht zum Anfassen. Salles dagegen interessierte sich für ganz andere Dinge. Gemeinsam mit Jatzietas Hilfe hörte er sich hauptsächlich nach Informationen über ihre Feinde und auch dem König um. Doch die Ausbeute war mehr als bescheiden. Das Volk liebte seinen König und trauerte noch um dessen Vater, die Feinde waren wie Aretas gesagt hatte vor einigen Monaten erschienen und seitdem waren auch immer wieder Menschen verschwunden. Unter anderem auch ein blondes Mädchen, das genau wie die Gäste und die Feinde seltsame Kleidung trug und dem das Kreuz gehört hatte, welches Salles nun mit sich trug. Besonders der letzte Punkt interessierte ihn sehr, weswegen er den Rat bekam, das örtliche Gasthaus aufzusuchen, da sie sich dort aufgehalten hatte. Der Besitzer des Gasthauses war sehr freundlich, führte Salles auch bereitwillig in das Zimmer, in dem sie gelebt hatte und erzählte ihm, was er von ihr wusste: „Sie tauchte kurz nach den Feinden auf, weswegen wir erst sehr misstrauisch waren, aber sie schien recht höflich und war die meiste Zeit in ihrem Zimmer.“ „Hat sie Besuch empfangen?“, fragte Salles. „Nein. Sie hat manchmal Selbstgespräche geführt oder gesummt, aber das war alles.“ Selbstgespräche? Womöglich war sie einsam – oder sie hat mit ihrem Shinjuu gesprochen. Der Mann öffnete eine bestimmte Zimmertür, verabschiedete sich von Salles und ging wieder davon. Der Anführer der Brigade betrat das Zimmer. Dunkle Vorhänge verhüllten die beiden Fenster, er zog sie auf, um Licht zu haben und sah dabei hinaus. Von diesem Zimmer aus konnte man direkt auf die Hauptstraße hinabsehen, die zum Schloss führte. Ein Mann mit einem Ochsenkarren kam gerade vorbei, er hatte Milchkannen geladen. Die Stimmen der Menschen drangen nur gedämpft hinauf und durch die Scheiben. Salles drehte sich um und warf einen Blick durch den Raum. Wenn der Besitzer ihm nicht versichert hätte, dass der Raum unberührt wäre, hätte er nicht geglaubt, dass hier in den letzten Wochen ein Gast gewesen wäre. Das komplette Zimmer war ordentlich und akkurat aufgeräumt, nichts deutete auf Leben hin. Doch plötzlich wurde seine Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand unter dem Bett gelenkt. Er war so dunkel, dass er ihn fast gar nicht gesehen hätte. Salles kniete sich hin und holte das hölzerne Kästchen hervor. Das dunkle Holz war auf Hochglanz poliert, freiwillig hatte sie das Kästchen also nicht hier zurückgelassen. Normalerweise folgte er nicht gern seinem Bauchgefühl, aber diesmal schrie es ihm fast schon ins Ohr, dass er den Deckel anheben sollte. Er hörte auf sein Gefühl und betrachtete den Inhalt des Kästchens. Ausgehend von dem kaum vorhandenen Gewicht hatte er mit gar keinem Inhalt gerechnet, aber tatsächlich fand sich ein Zettel darin. Was für ein Zufall. Mal schauen... Er nahm den Zettel an sich. Seine Augen huschten über die Zahlen und Buchstaben. 2. Tag der 3. Periode, Milvania Salles runzelte seine Stirn. Er steckte den Zettel und dann auch das Kästchen ein. Er sah noch einmal durch den Raum, dann ging er hinaus und wieder in den Vorraum hinunter. Der Besitzer saß bereits wieder hinter dem Tresen und sah ihn freundlich an. Erst wollte der Brigadeführer sich nur verabschieden, aber dann kam ihm eine bessere Idee und er ging zu dem Mann hinüber. „Dürfte ich noch etwas fragen?“ Der Besitzer nickte, worauf Salles nach dem heutigen Datum fragte. Der Gefragte dachte einen Moment nach. „Es dürfte der erste Tag der dritten Periode sein.“ Salles bedankte sich und fragte dann nach der Bedeutung des Wortes Milvania. Dafür musste der Mann nicht lange nachdenken. „Das ist eine unserer Nachbarstädte, gar nicht weit von hier.“ Der Brigadeführer bedankte sich erneut und verließ das Gasthaus. Ich weiß nicht, was dort passieren soll – aber wir werden vorbereitet sein. Subaru stand derweil mit Ruputna, Landis und Katima in der Bäckerei und probierte einiges von den Waffeln. Sie schmeckten herrlich luftig, genau wie es sein sollte. „Ich wundere mich, dass Naya noch nicht hier ist“, bemerkte Landis. „Sie isst doch so gerne.“ „Ich habe sie vorhin zusammen mit Jatzieta in einem kleinen Restaurant gesehen“, antwortete Katima. „Wahrscheinlich schlägt sie sich dort den Bauch voll.“ Ruputna nickte. „Sie liebt es, zu essen, oh ja. Ich frage mich, wie sie ihr Gewicht hält... bei mir würde das nicht gehen. Würde ich so essen wie sie, würde ich aufgehen.“ Landis zuckte mit den Schultern. „Vielleicht funktioniert ihr Körper anders, wer weiß?“ Subaru sah schweigend aus dem Schaufenster, während er gedankenverloren an seiner Waffel kaute. „Und Thalia und Sorluska habe ich vorhin beim Schmied gesehen“, fügte Katima hinzu. „Die beiden waren ziemlich vertieft in dessen Arbeit.“ „Wenn's ihnen Spaß macht...“, meinte Landis. „Hat jemand Zetsu und Leana gesehen?“ „Ja, ich!“, rief Ruputna aus. „Die beiden sitzen am Stadtbrunnen herum und starren langweilig in die Gegend. Nichts für mich.“ Die drei lachten und plauderten weiter. Subaru warf ihnen einen Blick zu und ging dann hinaus, um sich den Rest der Stadt anzusehen. In seiner Welt waren die Menschen bereits um sehr vieles weiterentwickelt gewesen und er hatte nie viel über die Vergangenheit seiner Vorfahren gelernt. Ob sie auch so gelebt hatten? Lange, bevor das Centre die Kontrolle über alles übernommen hatte? Er wusste es nicht und er konnte auch niemanden mehr danach fragen. Aber war es im Prinzip nicht auch egal? Immerhin war er das letzte Vermächtnis seiner Welt und sollte sich nicht mit solch schwermütigen Gedanken herumtragen. Auf seinem Weg durch die Stadt kam er an einer Art Aussichtsplattform vorbei. Von einer Bank aus konnte man über die Felder und die Wiesen sehen. Ein Mädchen saß einsam auf der Bank, den Blick in die Entfernung gerichtet. Ihr weißes Haar quoll unter ihren schwarzen Kappe hervor, an denen kleine Glöckchen befestigt waren. Der Wind brachte die Glöckchen zum Klingen und bauschte ihren schwarzen Umhang. Subaru blieb stehen und beobachtete sie aus einiger Entfernung. Genau wie er vorhin, aß sie eine Waffel. Anscheinend hatte sie sich diese geholt, bevor er mit den anderen drei in die Bäckerei gegangen war, denn sie hatte er dort nicht gesehen. Ihr Gesichtsausdruck wirkte leblos, leer und abwesend. Er fragte sich, woran sie dachte, ob sie überhaupt an irgend etwas dachte – und wer sie eigentlich war. Aber er traute sich auch nicht, sie einfach zu fragen. Dafür wirkte ihre Aura zu abweisend und er war auch nicht der Typ, der auf andere Menschen zuging, so wie Nozomu es war. Also wandte Subaru sich ab und ging wieder davon, ohne sie angesprochen zu haben. Als er wieder an der Bäckerei ankam, standen Ruputna, Landis und Katima bereits vor der Tür. „Da bist du ja!“, rief Ruputna, als sie ihn entdeckte. „Wir haben uns Sorgen um dich gemacht. Du kannst doch nicht einfach so verschwinden.“ Er lächelte verlegen und entschuldigte sich wortreich. „Ich wollte nicht, dass ihr euch Sorgen macht.“ Ruputna stieß ihm leicht in die Seite, um ihm damit zu sagen, dass er es nicht noch einmal machen sollte, er nickte dazu nur. Katima räusperte sich. „Salles will, dass wir uns in einer Stunde im Büro befinden. Er muss uns etwas sagen, anscheinend etwas Wichtiges.“ Subaru runzelte seine Stirn. „Wollen wir dann zurückgehen?“ Die anderen drei nickten und gingen gemeinsam sie zu Monobe zurück. Eine Stunde später begrüßte Salles die Gruppe im Direktorat. Sein Gesichtsausdruck war ernst, Nozomu hatte das schon lange nicht mehr gesehen, was ihm durchaus Sorgen bereitete. „Was gibt es, Salles?“, fragte Jatzieta, nachdem eine Weile Schweigen geherrscht hatte. Der Brigadeführer räusperte sich. „Ich habe das Zimmer des Eternal untersucht, der uns gerufen hat. Im Übrigen habe ich erfahren, dass es eine junge Frau war und sie wirklich kurz vor unserer Ankunft einfach verschwand. Ihr Zimmer war absolut leer – bis auf ein Kästchen, indem sich ein Zettel mit einigen Angaben befand.“ Salles machte eine Pause, still sah er umher, blickte in die angespannten Gesichter der anderen und fuhr schließlich fort: „Auf dem Zettel stand das morgige Datum und der Name einer Nachbarstadt.“ „Und was soll dort passieren?“, fragte Thalia. Der Brigadeführer schob seine Brille zurück. „Wir wissen es nicht. Aber wir sollten auf alles vorbereitet sein.“ „Vielleicht ist es auch eine Falle“, warf Narukana ein. „Auch darauf müssen wir vorbereitet sein“, stimmte Salles zu. „Ich werde wieder Gruppen einteilen und diese an strategisch wichtigen Punkten platzieren.“ „Hast du eine Karte?“, fragte Jatzieta. Zur Antwort hob er ein zusammengerolltes Pergament hoch. Der Rest der Gruppe nickte zufrieden. Nozomu empfand es wirklich als beruhigend, dass Salles aus freien Stücken so gut wie alles übernahm, was mit Strategien zu tun hatte und genau wie die anderen war er gespannt darauf, was sie erwarten würde. An einem anderen Ort, der so dunkel war, dass kaum ein Licht ihn erhellen konnte, trafen sich die vier Frauen, die zuvor die Shinken-Nutzer angegriffen hatten. Jede von ihnen saß auf einem würfelförmigen Stein, die quadratisch arrangiert waren. „Die Eternal sind immer noch da“, sagte das Mädchen in rot. Die Blauhaarige nickte zustimmend. „Und sie haben sich mit dem jungen König von Asturion verbündet.“ „Anscheinend wollen sie Ärger“, fügte die Grünhaarige hinzu. Die junge Frau in weiß, mit dem schwarzen Haar hatte locker die Arme vor der Brust verschränkt und schien nachzudenken. „Ich glaube, sie wissen auch, dass wir morgen Milvania angreifen wollen“, meinte die Blauhaarige. „Zumindest stellen sie sich dort gerade auf.“ „Das ist doch kein Problem“, erwiderte die Schwarzhaarige. „Wir werden sie problemlos vernichten.“ „Deine Zuversicht will ich haben“, seufzte die Grünhaarige. „Aber... wenn alles nicht funktioniert, haben wir immer noch unsere Geheimwaffe nicht?“ Die vier Frauen lächelten sich zu, dann legten sie die Hände zu einem Schwur zusammen. „Für eine bessere Welt!“ Der ausgerufene Schwur hallte in der unendlich erscheinenden Schwärze wider, bis sich das Echo irgendwo in der Dunkelheit verlor, von niemand anderem je vernommen worden. Kapitel 8: Begegnung -------------------- Mit Unterstützung von König Aretas hatte die Gruppe die Bewohner von Milvania dazu gebracht, die Stadt vorübergehend zu verlassen, so dass eine gespenstische Stille in den Straßen herrschte. Niemand von ihnen wusste, was ihnen bevorstand, was die Anspannung noch einmal verstärkte. Rehme und Nanashi schwebten über die Dächer und durch dunkle Gassen hindurch, um nach verdächtigen Manaströmen oder Anzeichen eines Hinterhalts Ausschau zu halten. Aber es war nichts zu sehen und außer den versammelten fünfzehn Shinken auch nichts Außergewöhnliches zu spüren. Erschöpft setzten sich Rehme und Nanashi auf eines der Dächer. Die Glocken in Rehmes Haar klingelten dabei leicht. „Musst du immer so einen Krach machen?“, schimpfte Nanashi. „Das ist ja nicht zum Aushalten!“ Rehme sah sie verwundert an. „Was ist denn mit dir los?“ „Du nervst mich, das ist los!“ „So nett wie immer, was?“ Nanashi erwiderte ihren Blick wütend. „Nenn mir einen Grund, warum ich zu dir nett sein sollte, du Dummkopf!“ Ein Grinsen breitete sich auf Rehmes Gesicht aus. „Ah, ich weiß, warum du so wütend bist. Du bist neidisch und eifersüchtig! Weil Zetsu dich hier mit mir durch die Gegend schickt, während Leana und Isolde bei ihm bleiben dürfen.“ Nanashis Gesicht lief dunkelrot an, trotzdem schüttelte sie heftig den Kopf. „Nein, das ist nicht wahr! Mir ist das doch egal!“ Rehme kicherte leise und begann dann vergnügt zu singen: „Du bist verlie~hiebt, du bist verlie~hiebt!“ „Bin ich gar nicht!“, erwiderte Nanashi hitzig und wollte sich auf Rehme stürzen. Doch diese hatte sich bereits wieder lachend in die Luft erhoben und kicherte einige Meter über Nanashis Kopf weiter vor sich hin. „Hör endlich auf damit!“ Nanashi wollte sich erneut auf sie stürzen, hielt aber abrupt inne. Auch Rehme stoppte ihr Kichern und sah sich angespannt um. „Der Manastrom hat sich verändert.“ „Sie sind hier“, flüsterte Nanashi. Die beiden Shinjuu verharrten für einen Moment in ihren Positionen. Plötzlich rauschten sie auseinander, jede in ihre eigene Richtung zu ihrem Partner. Salles hatte die fünfzehn Shinken-Nutzer in fünf Gruppen aufgeteilt und ihnen Anweisung gegeben, an welchem Ort sie sich aufzustellen hatten. Er selbst befand sich gemeinsam mit Zetsu und Leana auf dem Marktplatz der kleinen Stadt. Schweigend, wie es die Art der drei war, sahen sie sich immer wieder um. Leanas Shinjuu Isolde dagegen lehnte lässig gegen einen Brunnen, der kein Wasser spie und gab immer wieder amüsiert Entwarnung. „Es ist niemand in der Nähe, wir sind ganz allein.“ Salles schob seine Brille zurück. Vielleicht passiert auch gar nichts und die Nachricht sollte uns nur ablenken – oder sie hatte ein Rendezvous. Mit einemmal stand Isolde aufrecht da. „Der Zwerg kommt zurück – anscheinend ist etwas passiert.“ Wie sie angekündigt hatte, erschien Nanashi vor Zetsu. „Lakaien, überall Lakaien! Sie sind da!“ Der Gruppe blieb nicht einmal Zeit, zu fragen, was sie damit meinte, denn kaum hatte sie ihren Satz beendet, erschienen wie aus dem Nichts schwarze Lakaien um sie herum. „Schon wieder“, knurrte Zetsu leise. Leana blickte leicht schockiert über die Masse der Feinde. „So viele? Das... das ist...“ „Außergewöhnlich“, stimmte Isolde zu und griff genau wie die Shinken-Nutzer nach ihrer Waffe. „Aber wir werden schon mit ihnen fertig werden.“ Salles nickte zustimmend, während er sein Shinken mit der Form eines Buches hochhielt. „Wer immer von euch die Anführerin ist, komm heraus!“ Ein Raunen ging durch die Lakaien, dann hoben sie ihre Köpfe zu der Spitze des Brunnens, wo die Frau in ihrem weißen Kleid bereits saß. „Na na na, so ungeduldig, Egen?“ Salles trat vor. „Verrat mir deinen Namen. Wie heißt du und für wen kämpfst du?“ „Mit meinem Namen kann ich dienen, auf den Rest müsst ihr verzichten.“ Der Brigadeführer schmunzelte. „Wenigstens etwas. Also?“ Lächelnd legte sie die Hand auf ihr Herz. „Mein Name ist Sable, die Dunkelheit.“ Satsuki gähnte laut, während sie auf ihrem Fass saß und müde durch die Gegend sah. Nozomu stand neben ihr, während Narukana ein wenig abseits stand und immer wieder leise fluchte. Ihr war es einfach zu langweilig, es war nicht einmal der Hauch eines Feindes zu sehen. „Wenn nicht bald jemand kommt, bin ich weg“, schimpfte sie vor sich hin. Rehmes plötzliches Auftauchen ließ Nozomu erschrocken zusammenzucken. „Sie sind da!“, rief das Shinjuu. Schon im nächsten Moment tauchten unzählige rote Lakaien auf. Hellwach sprang Satsuki von dem Fass herunter und zog ihr Shinken. „Ich hab gar nicht gemerkt, dass die sich nähern.“ „Wundert mich nicht“, erwiderte Narukana grinsend. Satsuki schnaubte, ging aber nicht weiter darauf ein. Rehme sah sich aufmerksam um. „Ihre Anführerin ist auch hier. Ich kann sie spüren.“ Ein leises Lachen lenkte die Aufmerksamkeit der Gruppe auf ein weiteres Fass, das hier stand. „Gar nicht schlecht, kleines Shinjuu. Ja, ich bin hier.“ Die Gestalt der jungen rothaarigen Frau mit den Pferdeschwänzen erschien wieder. „Aber ich hätte nicht gedacht, dass ich hier auf euch treffen würde. Hat euch eine Warnung nicht gereicht?“ „Sag uns lieber, wer du bist!“, fauchte Narukana. „Du nervst mich nämlich!“ „So ungeduldig, Narukana? Na na na, das steht dir aber gar nicht.“ Die junge Frau lachte. „Aber ich will nicht so sein.“ Sie sprang ebenfalls von dem Fass herunter und stemmte sich den linken Arm in die Hüfte. „Man nennt mich Shani, die rote Flamme!“ Die grünen Lakaien bewegten sich kein Stück, sondern standen nur starr um Ruputnas Gruppe herum. Die emotionslosen Gesichter schienen sie anzustarren und jede ihrer Bewegungen genauestens zu verfolgen. „Warum greifen sie nicht an?“, fragte Subaru. Landis runzelte seine Stirn. „Vielleicht warten sie noch auf ihre Anführerin?“ „Da müssen sie nicht lange warten“, sagte Ruputna. Sie deutete auf die Silhouette einer Frau, die auf dem Dach eines umliegenden Hauses stand. Die grünhaarige Frau sprang vom Dach herunter und landete direkt vor der Gruppe. „Nett, euch wiederzusehen. Ich hatte euch eigentlich für vernünftiger eingeschätzt, aber so wird es sicherlich mehr Spaß machen.“ Ruputna rollte mit den Augen. „Weniger reden!“ Landis legte seine Hand beruhigend auf ihre Schulter, dann wandte er sich an ihre Feindin: „Da wir wahrscheinlich noch viel Zeit miteinander verbringen werden... wäre es dann nicht an der Zeit, uns deinen Namen zu verraten?“ „Du hast gar nicht mal so unrecht, Yukai.“ Landis schmunzelte leicht. Dass er mit dem Namen seines Shinken angeredet wurde, war leicht verwirrend für ihn. Sie lächelte, ein Speer erschien in ihrer Hand. „Ich bin bekannt als Yuina, die Beschützerin.“ Die Schritte der blauhaarigen Frau waren zu hören, lange bevor sie in das Sichtfeld von Thalias Gruppe trat. „Du schon wieder“, seufzte Sorluska genervt. „Das sollte eigentlich mein Spruch sein“, sagte sie mild lächelnd. „Immerhin seid ihr es, die sich hier in meine Arbeit einmischen. Das ist nicht sehr nett von euch.“ Sorluska knurrte, aber erneut stellte Thalia sich vor ihn. „Wir haben unsere Gründe, uns euch entgegen zu stellen, hörst du?“ Die Frau fuhr sich mit einer betont gelangweilten Geste durch das Haar. „Fein. Kinder müssen ja stets beschäftigt werden, nicht?“ Eine lange Pause entstand, in der sich die Parteien nur gegenüberstanden und sich ansahen. Spannung lag unsichtbar in der Luft, auf den Funken wartend, der den Kampf entfachen würde. Schließlich lachte ihre Feindin leise. „Nun, die Höflichkeit gebietet, dass ich mich vorstelle.“ Ein Shinken, ähnlich dem von Leana, erschien in ihrer Hand. Das Schwert war um einiges größer als das von Nozomu und doch schien diese Frau es mit Leichtigkeit zu führen. „Darf ich mich also vorstellen? Azzurre, das tiefe Wasser.“ Im Gegensatz zu den anderen vier Gruppen, kämpften Jatzieta, Nozomi und Katima wirklich gegen alle Sorten von Lakaien, in den unterschiedlichsten Angriffsformationen. „Fu, wo kommen die nur alle her?“, seufzte Jatzieta zwischen zwei Angriffen. „Können die uns nicht einmal eine Pause gönnen?“ Sie hob ihre glühende Laterne. Ein Wolf aus roten Flammen stürzte sich auf einen schwarzen Lakai, der sich augenblicklich in Mana auflöste. Nozomi erzielte denselben Effekt, als sie einen blauen Lakai mit ihrer mannshohen Sense zerschnitt. „Vielleicht ist es doch ein Hinterhalt?“ „Auf den wir eiskalt hereingefallen sind.“ Katima stieß einen Schrei aus, als sie ihr schweres Shinken schwang, um die drei angreifenden Lakaien zu zerstören. Jatzieta schüttelte ihren Kopf. „Ich kann es nicht fassen... Barasterda!“ Ein roter Drachen erschien in der Luft. Sein feuriger Atem fegte eine weitere Reihe von Feinden vom Angesicht der Welt. Die sterbenden Lakaien gaben allesamt noch ein ersticktes Lachen von sich, bevor sie sich endgültig auflösten. Es wäre unheimlich gewesen, wenn die drei das nicht bereits gewöhnt gewesen wären. Nozomi seufzte, als die Angriffe schwächer zu werden begannen. „Ich hoffe, die anderen sind in Ordnung.“ Zetsu sprang zurück. Sables Katana fegte gefährlich nah an ihm vorbei. Sie lachte nur und setzte ihm nach, während er immer weiter zurücksprang. Leana und Salles kämpften derweil mit vereinten Kräften gegen die schwarzen Lakaien, die immer wieder durch den goldenen Mananebel auf sie zustürmten. Leana schwang ihr Shinken mit der Form eines Claymore. Die große Reichweite half ihr, ihre Feinde auf Abstand zu halten, so dass Salles den Gegnern seine Magie entgegenschleudern konnte. Genau wie Narukana benutzte er Magie zum Kämpfen, aber er musste diese aus seinem Shinken ziehen und das dauerte seine Zeit, so dass er immer in Gefahr war, von einem Gegner verletzt zu werden. Die beiden Kämpfenden schwiegen, wenn man von seinen Zaubersprüchen absah. Isolde und Nanashi befanden sich ein wenig abseits und taten ebenfalls ihr Möglichstes, um die Lakaien zu dezimieren. Isolde schwang ihr Schwert durch die Reihen der Angreifenden. „Na, Zwerg, willst du deinem Partner nicht helfen?“ Nanashi feuerte blaue Magiestrahlen ab, die eine deutliche Schneise in die Feindesreihen zogen. „Er kommt gut allein zurecht. Aber willst DU nicht deiner Partnerin helfen?“ „Ich kann dich doch nicht allein lassen, Zwerg, was soll denn sonst aus dir werden?“ Isolde grinste, Nanashi schnaubte darauf. Während seiner Ausweich-Aktion sprang Zetsu sogar auf die Spitze des Brunnens hinauf. Sie ist so schnell. Wie macht sie das nur? Sable grinste. Sie holte mit ihrem Shinken aus und zerschnitt die steinerne Säule des Springbrunnens auf der Zetsu stand. Er fluchte leise und sprang herunter. Die Säule stürzte wie im Zeitlupentempo um – genau auf Leana und Salles. „Leana!“ Sie und der Brigadeführer fuhren herum. Beide erstarrten augenblicklich bei dem Anblick der drohenden Gefahr. Bevor Leana es sich versah, fand sie sich einige Meter weiter auf dem Boden weg wieder. Ein scharfer Schmerz zuckte durch ihren rechten Arm. Isolde, die sie mitgerissen hatte, half ihr, aufzustehen. Die Säule war inzwischen umgestürzt, Staub vermischte sich mit goldenen Manafunken. Die verbliebenen Lakaien, Sable, Nanashi und Zetsu standen still, starrten auf die Säule und warteten ebenfalls darauf, dass der Staub sich wieder legte. „Wo ist Salles?“, fragte Leana. Er stand nicht bei den anderen und war auch sonst nirgends zu sehen. „Er wird doch nicht...?“ Die Luft klärte sich nur langsam wieder, als wäre der Schmutz von Jahrhunderten aufgewirbelt worden. Dafür war die Überraschung dann umso größer, als Leana zwei Silhouetten erkennen konnte. Die größere gehörte eindeutig Salles, die kleinere reichte ihm nur bis an die Brust und hatte noch dazu eine große Schleife im Haar. In Sables Gesicht stand das pure Entsetzen, als sie die Person erkannte. „Das kann doch nicht...!“ Der Staub legte sich endgültig, so dass auch Zetsu die junge Frau endlich erkennen konnte. Sie hatte kurzes blondes Haar, braune Augen und eine große schwarze Schleife im Haar. Ihre schwarze Hose war abgewetzt, ihr Pullover mit den zwei Grüntönen teilweise eingerissen, ihr braun gemusterter Schal war dafür sehr gut erhalten. Für Zetsu sah sie aus wie eine normale Zivilistin, die zufällig vorbeigekommen war und Salles offensichtlich gerettet hatte, aber Sables Gesichtsausdruck belehrte ihn eines Besseren. Diese Frau musste der Eternal sein, der sie in diese Welt gerufen hatte. Sein Verdacht wurde schon einen Augenblick später bestätigt, als Karfunkel auf die gestürzte Säule sprang und dort auf und ab promenierte. Der blonde Eternal schwieg und sah Sable nur gleichgültig an. Die Führerin der schwarzen Lakaien fasste sich schließlich wieder. „In Ordnung, da wir mit dir nicht gerechnet haben, ziehen wir uns zurück. Aber auch du wirst unseren Plan für eine bessere Welt nicht durchkreuzen.“ Salles runzelte seine Stirn. Eine bessere Welt? Das kommt mir irgendwie bekannt vor... Ein langgezogener Ton wie aus einem Horn hallte durch die Stadt. Die Lakaien verschwanden augenblicklich genauso lautlos wie sie aufgetaucht waren. Sable warf Zetsu noch einen verächtlichen Blick zu, dann verschwand sie ebenfalls. Das Horn verstummte. „Die anderen sind auch alle verschwunden“, verkündete Nanashi ungefragt. Zetsu und Leana gingen auf die Frau zu. Sie lächelte erleichtert. „Gerade noch rechtzeitig, nicht? Ich dachte schon, ich würde zu spät kommen.“ Salles bedankte sich bei ihr für die Hilfe und stellte die kleine Gruppe vor: „Ich bin Salles Cworcs, der Führer der Brigade. Das sind Zetsu, Nanashi, Leana und Isolde.“ Sie ließ ihren Blick über die Gruppe schweifen und nickte dabei abwesend. „Murakumo no Nozomu und Narukana sind wohl woanders, was?“ Nanashi schnaubte. „He, wir sind viel besser als die beiden!“ Karfunkel lachte leise. Seine Partnerin lächelte. „Tut mir Leid, ich wollte euch nicht beleidigen. Ich glaube, es wird Zeit, mich vorzustellen, nachdem ich euch um Hilfe gebeten habe. Mein Name ist Kodoku no Adina. Willkommen in der Manawelt.“ Kapitel 9: Nach dem Kampf ------------------------- Erneut hatte sich die Gruppe im Direktorat versammelt, um Adinas Erläuterungen und Erzählungen zu lauschen. Dabei war jeder von ihnen müde und erschöpft oder einfach nur hungrig. Salles zeigte dafür zwar Verständnis, hatte aber auch darauf hingewiesen, dass es wichtig war, sich alles so schnell wie möglich anzuhören, um eine entsprechende Strategie zu erarbeiten. Freizeit würde es nach Adinas Vortrag zur Genüge geben, versprach er. Der blonde Eternal saß auf dem Tisch und ließ die Beine baumeln, dabei musterte sie die Gruppe immer wieder eingehend. Karfunkel saß zu ihren Füßen, mit stolz erhobenem Haupt. Salles räusperte sich schließlich. „Wir sind vollzählig, Adina. Du kannst anfangen.“ Sie nickte. „Ich kam auf der Suche nach einem Freund von mir in diese Welt. Da waren die Anführerinnen der Lakaien bereits hier und haben die Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Zuerst hielt man mich für eine von denen, aber die Leute haben schnell gemerkt, dass ich nicht dazu gehöre.“ Sie erzählte der Gruppe von den Monaten, die sie allein in dieser fremden Welt verbracht hatte, immer kurz davor, von den Feinden entdeckt zu werden und ihrer Suche nach ihrem Freund. Nozomu fand ihre Geschichte zwar äußerst aufschlussreich – aber auch unsäglich langweilig. Sie verstand es eindeutig, eine eigentlich spannende Erzählung so trocken rüberzubringen, dass es ihm wie Unterricht erschien. Und dass er mit dieser Meinung nicht allein war, sah er an den abwesenden Gesichtern der anderen. Lediglich Salles lauschte äußerst interessiert, während sie ausschweifend erläuterte wie sie sich bei den Feinden eingeschleust hatte, um die Information mit dem Angriff auf Milvania zu ergattern. Um sich vom Einschlafen abzuhalten, begann Nozomu sich zu fragen, wie alt sie wohl war. Sie sah aus wie ein Teenager, das Band um ihren Kopf, auf dem eine große Schleife saß, verstärkte den kindlichen Eindruck noch. Aber da sie ein Eternal war, war sie möglicherweise schon viel älter als er. Eternal alterten immerhin nicht. Vielleicht sollte er sie einfach fragen? „... ich konnte den Zettel noch in der Spieluhr unterbringen und diese unter dem Bett verstecken, bevor die Vier mich aufgespürt hatten. Und den Rest kennt ihr ja.“ Ein unüberhörbares Aufatmen kam von den anderen, als sie die Erzählung endlich beendet hatte. „Den Rest kennen wir eben nicht“, erwiderte Salles. „Was haben sie getan, dass sie dachten, sie hätten dich getötet? Und wie konntest du überleben?“ Sorluska verdrehte bereits genervt die Augen. „Nichts Besonderes“, antwortete Adina. „Ich bin in eine Schlucht gestürzt. So richtig klischeehaft. Aber ich habe Glück gehabt.“ Leider, dachte Nozomu unwillkürlich und schlug sich innerlich selbst dafür. Satsuki runzelte nachdenklich ihre Stirn. „Mhm... und wie war das jetzt mit unseren Feinden?“ „Da war ich noch gar nicht“, antwortete Adina. Der Rest der Gruppe atmete aus. Also hatten sie noch nichts verpasst. „Nun, es gibt fünf Anführer: Shani, die Anführerin der Red Minion Corps; Yuina, die Anführerin der Green Minion Corps; Azzurre, die Anführerin der Blue Minion Corps und Sable, die Anführerin der Black Minion Corps. Es gibt auch eine Anführerin der White Minion Corps, aber ich habe sie bislang noch nicht gesehen. Sie ist auch nie im Hauptquartier aufgetaucht.“ Nozomu verlor sich wieder in seinen Gedanken. Warum machten ihre Feinde wohl so ein Geheimnis aus der Anführerin der weißen Lakaien? Und wer zog wohl die Fäden hinter den Fünf? So sehr ihn dieses Klischeedenken auch nervte, aber es schien immer jemanden zu geben, der im Hintergrund alles lenkte. Er dachte da nur an Et Ca Repha oder Sharivar. Wer war wohl diesmal ihr eigentlicher Feind? Salles stellte genau dieselbe Frage an Adina, aber sie konnte nur mit dem Kopf schütteln. „Ich habe keine Ahnung.“ Genau wie der Brigadeführer legte sie allerdings ein nachdenkliches Gesicht auf. Für Nozomu war dies das eindeutige Zeichen, dass zumindest Salles eine Theorie hatte und die noch immer hin und warf, auf der Suche nach Widersprüchen. Schließlich räusperte er sich. „Nun gut, wir haben erfahren, was Adina uns sagen wollte. Ihr könnt euch nun ausruhen gehen. Aber wenn ihr Monobe verlasst, seid wachsam.“ Die Gruppe nickte zustimmend und verließ das Direktorat überstürzt. Salles und Adina blieben allein zurück. „Oh, ich habe noch etwas, was dir gehört.“ Er öffnete eine Schublade, griff hinein und reichte Adina das Kästchen. Lächelnd nahm sie es an sich. „Meine Spieluhr!“ „Ich wusste nicht, dass es eine Spieluhr ist.“ Sie nickte betrübt. „Sie hat schon lange keinen Ton mehr gespielt, ich glaube, sie ist kaputt.“ Salles bemerkte ihren Blick. „Sie bedeutet dir viel, nicht?“ „Ja. Meine Eltern haben sie mir geschenkt.“ Unwillkürlich griff sie sich an ihren Hals. „Suchst du das hier?“ Er griff noch einmal in die Schublade und zog das Kreuz heraus, das Azzurre ihnen gegeben hatte. Als sie heftig nickte, gab er es ihr in die freie Hand. Sie lächelte erleichtert. „Gott sei Dank.“ „Dieses Kreuz“, begann er zögernd, „woher hast du es?“ Schweigen füllte den Raum, während sie die Spieluhr auf den Tisch stellte, um sich das Kreuz wieder um den Hals zu binden. Sie ließ sich Zeit mit der Antwort, wich ihr vielleicht sogar aus, da war sich Salles nicht so sicher. Aber sie ließ sich erstaunlich viel Zeit, in der sie ihn zappeln und warten ließ. Schließlich nahm sie die Spieluhr wieder an sich und wandte sich an den Brigadeführer. „Dieses Kreuz war ein Geschenk, von einem sehr guten Freund.“ Ihr Blick wurde sorgenvoll. „Ich bin auf der Suche nach ihm. Aber ich glaube...“ „Du glaubst, dass er der Drahtzieher ist, nicht?“ Ihre Augen weiteten sich erschrocken. „W-woher...!?“ Triumphierend lächelnd schob er seine Brille zurecht. „Das ist, was ich selbst glaube. Sable sprach von einem Plan für eine bessere Welt. Ciar hat mir oft von seinem Traum einer besseren Welt erzählt.“ „Mir auch“, sagte Adina leise. „Aber... ich hätte nie gedacht, dass er so etwas tun würde. Das passt einfach nicht zu ihm.“ Sie hatte recht. Salles erinnerte sich an Ciar als intelligenten, zu Träumereien neigenden Mann, der nie gezögert hatte, wenn es darum ging, das für ihn Richtige zu tun. Und genau da lag der Knackpunkt. Konnte es wirklich sein, dass Ciar irgendwann zu dem Schluss gekommen war, dass es besser war, wenn er alles in Mana verwandeln würde? Adina seufzte. „Ich frage mich schon lange, ob er es wirklich ist... und ich hoffe, dass ich mich irre. Aber innerlich habe ich mich schon damit abgefunden.“ Salles schloss die Augen. „Etwas anderes bleibt uns wohl nicht übrig.“ Sie drückte die Spieluhr an ihre Brust, eine Aura von Unsicherheit und Zerbrechlichkeit ging von ihr aus. Sie hätte Salles Leid getan – wenn sie nicht ein Eternal gewesen wäre und ihm kurz zuvor das Leben gerettet hätte. „Du solltest jetzt auch gehen. Wenn du willst, kannst du einen Raum und einen Futon hier in der Schule bekommen. Wende dich dafür einfach an Sanae, die einzige andere Erwachsene hier.“ Adina nickte nur. Automatisch verbeugte sie sich knapp und verließ das Direktorat schließlich wortlos, gemeinsam mit Karfunkel, der die ganze Zeit kein Wort gesagt hatte. Salles sah ihr nachdenklich hinterher. Könnte es wirklich sein, dass Ciar...? Würde der Ciar, den ich kannte, so etwas tun? Aber warum? Sobald wir ihn treffen, muss ich unbedingt sein Motiv erfahren. Obwohl er ein Gott war, fühlte er sich plötzlich alt und müde. Er setzte sich an den Schreibtisch und nahm seine Arbeit wieder auf. Kaum trat Adina aus der Tür heraus, hörte sie bereits eine Stimme: „He!“ Karfunkel wandte als erstes den Kopf. „Oh je, das ist Narukana. Ähm, Adina, du weißt Bescheid?“ „Ja.“ Narukana blieb vor Adina stehen und musterte sie abfällig. „Mhm, wenigstens bist du keine Konkurrenz.“ „Konkurrenz?“, hakte der blonde Eternal nach, doch Narukana ging nicht weiter darauf ein: „Dein Shinjuu hat gesagt, dass du weißt, wo Rogus ist. Stimmt das?“ Adina nickte zustimmend. „Korrekt.“ Ein Grinsen breitete sich auf Narukanas Gesicht aus. „Also, wo ist er?“ Die Antwort wandelte ihr Grinsen in eine enttäuschte Grimasse: „Ich werde es euch sagen, wenn das alles hier vorbei ist. Und um dir die Frage vorwegzunehmen: Ich muss mich doch darauf verlassen können, dass ihr nicht einfach abhaut. Solange ich seine Koordinaten für mich behalte, müsst ihr auch hier bleiben.“ „Du bist gar nicht so dumm wie du aussiehst“, bemerkte Narukana grinsend. „Okay, die Runde geht an dich, aber wehe du verschwindest, ohne mir die Koordinaten zu sagen.“ Sie fuhr herum und verschwand hinter einer Ecke. „Gut gemacht“, sagte Karfunkel. „Ich hatte nur Glück.“ Ihr Shinjuu lachte leise. Sie ging weiter, um sich in der Schule umzusehen und festzustellen, wie man hier wohl lebte, Karfunkel immer auf den Fersen. Satsuki ließ sich erleichtert seufzend auf einen Stuhl fallen. „Ich dachte schon, diese Erzählung endet nie. Dabei hat es kaum dreißig Minuten gedauert. Fast so wie Unterricht.“ Nozomu lachte. „Genau dasselbe habe ich vorhin auch gedacht.“ Sie streckte sich und lehnte sich wieder zurück. Rehme hüpfte auf dem Fensterbrett umher. In solchen Momenten konnte Nozomu selbst kaum glauben, dass sein Shinjuu normalerweise so erwachsen war oder zumindest so tat. Plötzlich hielt sie inne und starrte angestrengt aus dem Fenster. Selbst Satsuki bemerkte, wie ruhig sie war und sah zu ihr hinüber. „He, Rehme, was ist los?“ Der Shinjuu deutete hinaus. „Da ist Subaru.“ „Und?“, fragte Nozomu. „Lass ihn doch.“ Satsuki stand auf und trat ebenfalls ans Fenster. „Hmm, er ist ganz allein.“ „Und?“, wiederholte Nozomu genervt. „Und er hat es ziemlich eilig.“ Ein Grinsen breitete sich auf Satsukis Gesicht aus, Nozomu bereute bereits, gefragt zu haben. Offensichtlich heckte sie etwas aus. Sie wandte sich an den Shinjuu. „Rehme, du verfolgst Subaru und sagst uns, was er macht.“ „He! Sie ist mein Shinjuu!“ Doch die beiden ignorierten Nozomus Einwurf. Rehme salutierte vor Satsuki. „Geht klar!“ Sie öffnete das Fenster und huschte hinaus, um Subaru zu folgen. Nozomu seufzte. Satsuki sah ihn unschuldig lächelnd an. „Ist was?“ „Vergiss es.“ „Dann schau nicht so finster.“ „Ich sehe immer so aus.“ Satsuki lachte. „Wollen wir solange zusammen baden gehen?“ Er zuckte mit den Schultern. „Okay.“ Sie hakte sich bei ihm unter und zog ihn mit sich. „Ein bisschen mehr Begeisterung, bitte, Nozomu!“ „Okay!“, wiederholte er, aber diesmal mit mehr Enthusiasmus. „Schon viel besser“, sagte sie schmunzelnd. Rehme schwebte inzwischen hinter Subaru her. Kaum jemand nahm Notiz von ihr, was daran lag, dass niemand sich die Mühe machte, einmal den Kopf in den Nacken zu legen. Subaru begab sich unterdessen zu einer Aussichtsplattform, die einen großzügigen Blick über die nähere Umgebung erlaubte. Auf einer Bank saß eine junge Frau, eigentlich noch eher ein Mädchen, mit weißem Haar und roten Augen. Sie starrte monoton in die Entfernung und aß dabei Waffeln. Die Glöckchen an ihrer Mütze klingelten leicht, wenn sie ihren Kopf bewegte. Subaru blieb stehen, Rehme tat es ihm nach. Aufmerksam beobachtete sie den Bogenschützen, der anscheinend einen inneren Kampf ausfocht, ob er das Mädchen ansprechen sollte. Anscheinend sieht er sie heute nicht zum ersten Mal. Was er wohl machen wird? Schließlich überwand er sich und gab sich einen sichtlichen Ruck, bevor er auf die Bank zuging und sich neben das Mädchen setzte. Er lächelte. „Hallo.“ Sie schwieg, sah ihn nicht einmal an und aß weiterhin ihre Waffeln. Rehme runzelte besorgt ihre Stirn, doch anscheinend hatte Subaru mit einer ähnlichen Reaktion gerechnet, denn er gab nicht auf, sondern sprach weiter: „Die Waffeln sind lecker, nicht?“ Als sie immer noch nicht reagierte, schien er nervös zu werden. Komm schon, Subaru!, feuerte Rehme ihn innerlich an. Gib nicht auf! „Du kommst oft her, oder?“, fragte er weiter. Sie warf ihm einen kurzen Blick aus dem Augenwinkel zu. Schließlich nickte sie. Subaru und Rehme atmeten erleichtert aus. Also konnte das Mädchen ihn verstehen. Womöglich hatte sie ihre Gründe, warum sie nicht antwortete. „Ich habe dich schon einmal hier gesehen“, erzählte Subaru. „Das war vorgestern. Bist du immer allein hier?“ Sie nickte noch einmal, sah ihn aber nicht an. „Und du siehst immer-?“ Er unterbrach sich selbst, als sie ihm ihre Tüte mit dem Gebäck hinhielt und ihn eindringlich ansah. Er lachte verlegen. „Du willst, dass ich eine nehme, damit ich still bin?“ Ein erneutes Nicken folgte als Antwort. Er lächelte und nahm sich eine Waffel. „Ich bin übrigens Subaru“, stellte er sich vor, bevor er hineinbiss. Sie zog die Tüte zurück und nahm sich selbst eine neue Waffel. „Baila.“ Sie nahm ebenfalls einen Bissen. Einträchtig schweigend saßen die beiden nebeneinander, starrten in die Entfernung und aßen. Rehme lächelte. Scheint als hätte Subaru eine Freundin gefunden. Aber ich glaube nicht, dass ich das Satsuki erzählen sollte. Am besten ich sage es nur Nozomu – wenn er nett fragt. Zufrieden zog sie sich zurück und ließ die beiden ihr Schweigen auskosten. Kapitel 10: Ruinen der Erinnerung --------------------------------- In diesem Wald herrschte einiges an Leben. Vögel zwitscherten, Füchse und andere Tiere huschten ins Unterholz, als Ruputna an ihnen vorbeieilte. Landis folgte ihr langsamer. „Denkst du wirklich, dass das hier eine gute Idee ist?“ „Natürlich!“, rief Ruputna fröhlich über ihre Schulter. „Warum denn nicht?“ Der Junge sah besorgt aus. „Nun, Salles hat gesagt...“ „Er hat nur gesagt, dass wir vorsichtig sein sollen, nicht dass wir uns den Wald nicht ansehen dürfen.“ Er gab den Widerspruch auf. Ruputna liebte Wälder, da sie selbst den Großteil ihres Lebens in einem verbracht hatte. Sie von dieser Erkundungstour abzuhalten, war vergebene Liebesmüh. Außerdem musste Landis zugeben, dass es besser war als nur in der Stadt herumzusitzen oder sich in der Schule aufzuhalten. Sie kamen zu einem Bach, der friedlich vor sich her gluckerte. Das Wasser war kristallklar, kleine Fische schwammen darin. Ruputna lachte vergnügt. „Wie hübsch! Hier haben sie noch nichts zerstört, so wie in dem anderen Wald, in dem wir waren.“ Landis nickte. „Stimmt.“ Er erinnerte sich wieder an die gespenstische Stille zurück, seine Brust zog sich zusammen. Ihre Feinde schreckten offensichtlich nicht einmal vor Tieren zurück, dabei bestanden diese nur aus wenig Mana. Ruputna deutete auf ein Gebilde auf der anderen Seite. „Sieh mal, Lan.“ Er folgte ihrem Blick, konnte aber nur ein steinernes Gebilde entdecken, das mit allerlei Pflanzen überwuchert war. Zerstörte Säulen, die auf den ersten Blick wie bemooste Baumstümpfe ausgesehen hatten, waren daneben zu sehen. „Was ist das?“, fragte sie. Landis zuckte mit den Schultern und machte einen großen Schritt über den Bach. „Finden wir es heraus.“ Ihre Augen leuchteten, als sie neben ihn sprang. „Jawohl!“ Gemeinsam gingen sie zu den Überresten der Säulen. Auf dem Boden konnte Landis Steinplatten erkennen – oder zumindest das, was davon noch übrig war. Unkraut hatte sich seinen Weg durch die Spalten erkämpft und stand inzwischen hoch genug, um die Platten fast vollständig verschwinden zu lassen. Stellenweise hatte das Unkraut es sogar geschafft, die Platten zu spalten. Wie lange war hier wohl niemand mehr? Im Gegensatz zum anderen Bereich des Waldes herrschte hier eine fast ehrfurchtsvolle Stille, lediglich das Gluckern des Baches war noch zu vernehmen. Die Bodenplatten führten zu einem finster aussehenden Eingang. „Ooooooh!“, sagte Ruputna. „Das ist ein Tempel. Ganz sicher.“ „Ein verlassener Tempel, eigentlich mehr eine Ruine“, ergänzte Landis. „Scheint als wäre hier seit gut hundert Jahren niemand mehr gewesen. Meinst du, es ist eine Lakaien-Fabrik?“ Erfahrungsgemäß nutzten ihre Feinde oft alte verlassene Tempel als Fabrik, um neue Lakaien herzustellen und um Mana anzusammeln. Ruputna schloss ihre Augen und lauschte konzentriert. Sie schüttelte mit dem Kopf. „Da drin ist kein Manastrom und auch keine Lakaien.“ Landis lächelte. „Dann gehen wir rein!“ „Oh ja! Auf gehts!“ Sie hakte sich bei ihm unter und zog ihn mit sich hinein. Treppen führten sie direkt nach unten. Die gesamte Ruine schien unterirdisch angelegt zu sein, wie immer die Erbauer das auch geschafft hatten. Landis stellte sich einen unterirdischen Tempel schwerer zu bauen vor als einen normalen. Die Wände schienen aus massivem Stein zu bestehen, bei näherer Betrachtung erkannte er, dass es nur steinerne Platten waren, die der Erbauer hier hatte anbringen lassen. Er strich über die sicher mühevoll hergestellten Gravierungen auf den Wänden. Vor seinem inneren Auge konnte er sehen, wie hart alle Beteiligten gearbeitet hatten, um diesen Tempel zu verwirklichen. Aber für wen war er überhaupt errichtet worden? Wer oder was war hier angebetet worden? Und warum sah er diese Bilder vor sich? Hatte er früher auch beim Bau von Tempeln zugesehen? Seine Erinnerung war verschwommen, als ob etwas Wichtiges darin fehlen würde und je mehr er darüber nachdachte und sich krampfhaft zu erinnern versuchte, desto stärker wurden seine Kopfschmerzen. „Landis?“ Ruputnas Stimme riss ihn wieder aus seinen Gedanken. Er wandte sich ihr zu. „Hmm?“ „Du warst gerade so abwesend. Das machte mir Sorgen.“ Er strengte sich an, ein Lächeln zustande zu bringen. „Es ist nichts, wirklich.“ Ihr besorgter Blick verschwand nicht. Stattdessen griff sie nach seiner Hand und zog ihn weiter mit sich. „Sehen wir uns weiter drinnen um.“ „Schon gut, aber zieh doch nicht so.“ Sie ließ ihn zu sich aufschließen und ging gemeinsam mit ihm noch eine Treppe hinunter. Phosphoreszierende Pflanzen gaben genug Licht ab, um sich umzusehen, Schutt und Trümmer lagen überall verstreut. Es sah aus als hätte auf diesem Stockwerk ein Kampf getobt. „Was ist hier passiert?“, murmelte Ruputna. Es gibt hier keine Götzenbilder, überlegte Landis. Für wen wurde dieser Tempel erbaut? Je mehr er vom Inneren sah desto öfter stellte sich ihm diese Frage. Die Neugierde quälte ihn immer mehr, genau wie die Erkenntnis, dass er womöglich nie eine Antwort bekommen würde. Alle, die am Bau beteiligt gewesen waren, waren inzwischen sicher tot und es war gut möglich, dass es hier keine stichhaltigen Anhaltspunkte mehr gab. Er ließ sich von Ruputna weiterziehen. Unzählige Glühwürmchen schwebten durch den nächsten Raum, der angefüllt war mit Blumen, die im Laufe der Zeit hier gewachsen waren. Auf den ersten Blick hatte Landis es für Manafunken gehalten, aber es waren eindeutig Insekten, ganz zu schweigen davon, dass sich Manawolken nie so lange hielten. „Wow!“ Ruputna streckte ihre Hand aus, die Glühwürmchen stoben auseinander. Sie lachte und wiederholte das Ganze an einer anderen Stelle. Landis lächelte, während er sie dabei beobachtete. Ihr kindisch anmutendes Verhalten hatte etwas liebenswertes an sich. Er konnte nicht verstehen, wie es Leute geben konnte, die sie nicht mochten. Sein Blick fiel auf die Blumen – er wurde augenblicklich ernst. „Ruputna!“ Von dem ungewohnten Ernst in seiner Stimme verunsichert, hielt sie sofort inne und wandte sich ihm zu. „Was ist los?“ Er deutete auf das Beet. Die umgeknickten Blumen zeigten einen deutlich sichtbaren Pfad. „Jemand war erst vor kurzem hier“, sagte Landis. „Oder er ist es immer noch. Wir sollten vorsichtig sein.“ Ruputna nickte. Landis zog seine Kopis und ging diesmal voraus. Die Neugierde über den ursprünglichen Zweck des Tempels war stärker als seine Vernunft und ließ ihn weitergehen, obwohl er sich bewusst war, dass es besser gewesen wäre, erst einmal Unterstützung zu holen. Erneut lud eine Treppe sie in die Dunkelheit ein, doch Landis war sich völlig sicher, dass sich dort unten noch jemand befand. Sein Shinken vibrierte in seinen Händen und machte es ihm schwer, seine Waffen zu halten. Es war ein eindeutiges Zeichen dafür, dass dort unten ebenfalls mindestens ein Shinken-Träger war. War es einer ihrer Feinde? Hatte sich einer ihrer Verbündeten hierher verirrt? Oder war es gar jemand ganz anderes? Und warum hatte Ruputna das vorhin nicht gespürt? Er schob die Fragen beiseite und ließ sich von seinem Shinken die Treppe hinunter ziehen. Die Kopis vibrierten immer stärker, Landis' Hände verkrampften sich bereits, während er versuchte, sie festzuhalten. Ruputnas besorgten Blick hinter sich, konnte er nicht sehen. Vermutlich hätte er ihn in diesem Moment ohnehin ignoriert. Seine ganze Konzentration galt den Shinken, die ihn immer weiter zogen. Der Raum am Fuß der Treppe war in undurchdringbar erscheinende Dunkelheit getaucht. Eneko! Der gedachte Befehl ließ sein Shinjuu, eine Nekomata, erscheinen. Es war eine Frau, die am ganzen Körper mit weißem und schwarzen Fell bedeckt war. Ihr dunkles Haar verdeckte fast ihre Katzenohren, ihr weißer Schwanz zuckte nervös, während sie in die Finsternis starrte. Landis verstärkte den Griff um seine Waffen, während Eneko für ihn Bewegungen auszumachen versuchte. Ruputna stand still hinter den beiden und wartete atemlos darauf, dass etwas geschah. „Jemand kommt auf dich zu“, sprach Eneko schließlich in Gedanken zu Landis. „Er hat ein Shinken, pass auf!“ Er erahnte die Bewegung seines Angreifers mehr als dass er sie sah und riss sein Kopis hoch. Stahl traf auf Stahl, Funken flogen – und offenbarten Landis für den Bruchteil einer Sekunde eisblaue Augen. „Zetsu!?“ Der Ruf war gleichzeitig von Ruputna und Nanashi gekommen, im nächsten Moment flammten die Lichter im Raum auf. Landis kniff seine Augen zusammen. Eneko fauchte und verschwand. Landis öffnete seine Augen langsam wieder. Neben Zetsu waren auch Nanashi, Leana und Isolde anwesend. In einem stillen Einverständnis steckten sie alle ihre Waffen wieder ein. „Was macht ihr denn hier?“, fragte Zetsu ruppig. Während Landis schwieg, schnaubte Ruputna. „Dasselbe könnten wir euch fragen! Greift uns einfach im Dunkeln an und entschuldigt euch dann nicht mal. Ihr hättet Landis töten können!“ „Kleine Kinder sollten nicht in Ruinen spielen“, urteilte Isolde. „Ihr seid selbst schuld.“ „Was!?“ Leana trat hastig vor. „Das meint sie nicht so. Es tut uns Leid, aber wir dachten, ihr wärt womöglich ein Feind und wollten lieber kein Risiko eingehen.“ „Und wir dachten, ihr wärt Feinde“, erwiderte Ruputna. „Scheint als hätten wir uns alle geirrt.“ „Fein, dann könnt ihr ja wieder gehen“, sagte Zetsu. „Ah, ihr wollt allein sein?“ Ruputna grinste breit. Der Silberhaarige seufzte. „Wir versuchen, herauszufinden, was das für ein Tempel ist. Aber das geht über deinen Verstand, so wie so ziemlich alles und deswegen würdest du uns nur im Weg stehen.“ Sie sah ihn wütend an. „Du...! Landis, sag doch auch mal was dazu! ... Landis?“ Hastig sah sie sich um. Ihr Freund hatte sich bereits von der Gruppe entfernt und starrte das Wandrelief an. Er konnte nicht verstehen, was es bedeutete, aber er war sich sicher, es schon einmal gesehen zu haben, vor vielen Jahren. Das Relief zeigte ein großes Schwert in der Mitte. Von diesem Schwert zeigten Linien auf mehrere verschnörkelte Symbole, deren Sinn sich Landis nicht erschloss. Ruputna stellte sich neben ihn und sah die Wand ratlos an. „Was bedeutet das?“ Nanashi schwebte hinüber und räusperte sich, bevor sie mit der Erklärung anfing: „Das Schwert in der Mitte ist das Shinken des Ursprungs. Die Linien deuten an, dass Teile des Shinken sich lösten und auf verschiedenen Welten landeten – oder eben diese erschufen. Die Shinken, die ihr benutzt, sind nur ein Buchstück des Originals.“ „Wow, Zwerg, du kannst ja denken“, spottete Isolde. Nanashi schnitt ihr eine Grimasse und beachtete sie dann nicht weiter. Landis löste den Blick immer noch nicht von der Wand. „Dann... wurde dieser Tempel erbaut, um das ursprüngliche Shinken anzubeten?“ „So siehts aus“, bestätigte Zetsu. Da muss noch mehr dahinterstecken, dachte Landis. Niemand baut einen unterirdischen Tempel, nur um ein Schwert anzubeten. Ursprung hin oder her. Ein pochender Schmerz, dessen Ursprung hinter seinem linken Auge lag, meldete sich wieder. Es hatte etwas mit seiner Vergangenheit zu tun. Mit diesem wichtigen Etwas, das er vergessen hatte. Er folgte seiner Intuition und ging weiter in den Raum hinein. Warum baut man etwas in die Erde hinein? Um etwas Wertvolles zu verstecken oder zu zu schützen. Oder beides. Also muss hier noch mehr sein. Oder zumindest muss es einmal hier gewesen sein. Aber wo hätte man das aufbewahrt? Langsam lief er an der Wand entlang, bedächtig einen Fuß vor den anderen setzend. Man baut unterirdische Festungen, um etwas zu beschützen... in einer Kammer... mit einem Wächter... Sein Blick fiel auf ein Wandstück, das sich farblich vom Rest abhob und von der Höhe und der Breite her durchaus eine Tür sein könnte. Eine eingelassene Insignie schien als Öffnungsmechanismus zu dienen. Das Zeichen zeigte einen schlangenartigen Drachen, dessen Körper sich um eine Schwertklinge wand. Landis ging näher. Er kannte das Zeichen nicht und dennoch erfüllte es ihn mit einer seltsamen Vertrautheit, so als ob er es schon ewig kennen würde und nur dessen Bedeutung vergessen hätte. Es musste mit seiner Vergangenheit zusammenhängen. Von einem inneren Impuls geleitet, legte er seine Hand auf die Insignie. Das Zeichen leuchtete auf, genau wie seine Hand. Er spürte, wie Mana seinen Körper verließ, in das Zeichen hinüberströmte und es vollständig in die Wand drückte. Während dieses Vorgangs fühlte er sich außerordentlich ruhig und entspannt, er spürte keine Furcht, so als ob er das schon oft getan hätte und es daher nichts Außergewöhnliches mehr war. Ruputna dagegen sah das ganz anders. „Landis! Was war das!?“ Er fuhr herum. Seine Freundin starrte ihn entsetzt an, während Zetsu, Leana und die Shinjuu der beiden einen nachdenklichen Gesichtsausdruck hatten. Landis hatte schon ganz vergessen, dass sie alle hier waren. „Oh, ähm... keine Ahnung. Ich dachte einfach, es wäre richtig, das zu tun. Und, na ja, es ist ja auch nichts passiert, nicht?“ Ein tiefes Grollen erklang als Antwort auf seine Worte. „Das sieht nicht gut aus“, sagte Isolde. Nanashi kreischte erschrocken auf. „Eine starke feindliche Aura ist plötzlich aufgetaucht!“ Zetsu und Leana griffen nach ihren Waffen. „Wo!?“ Landis' Blick ging automatisch zu einem Abgrund, den sie bislang aufgrund der Trümmer nicht hatten sehen können. Inzwischen strahlte helles Licht aus der Dunkelheit herauf. Das Grollen schien näher zu kommen, begleitet vom Geräusch zerschmettert werdender Steine. „Na prima“, schnaubte Zetsu. „War ja klar, dass ihr uns Ärger beschert.“ „Schieb jetzt nicht alles auf uns!“, fauchte Ruputna. Landis sah das Wesen als erstes, als es ihre Ebene erreichte und aus dem Abgrund kroch. Es sah aus wie eine Eidechse, die einfach vergessen hatte, mit dem Wachsen aufzuhören und so mit den Schultern an Landis' Brust reichte. Die schwarzen Schuppen glänzten feucht, die Krallen schienen blutig zu sein. Unfähig, den Blick von diesem Monster abzuwenden, starrte Landis es an. Wieder sah er Männer vor sich, die ein solches Wesen im schlafenden Zustand in der Tiefe anketteten und die Fesseln an einen Mechanismus anschlossen. Das Monster beachtete Landis nicht und stürzte sich direkt auf Ruputna und die anderen. Die Gruppe stürzte auseinander. „Ji-“ „Bist du wahnsinnig!?“, unterbrach Zetsu Ruputna. „Willst du uns alle unter Wasser setzen!?“ „Fällt dir was Besseres ein!?“ Zetsu zögerte nicht mehr lange und griff das Wesen an. Sein Schwert rutschte ohne Schaden anzurichten an den Schuppen ab. „Das kann doch nicht...!“ Er sprang zurück. Das Ungetüm schrie laut auf, die Ruinen erzitterten, Staub rieselte von der Decke und erschwerte die Atmung der Gruppe. Leana versuchte es ebenfalls mit einem Angriff, aber ihr Shinken richtete auch nicht viel mehr Schaden aus. Genausowenig wie das von Ruputna. „Ah, der ist voll unfair!“, beklagte sie sich. Nanashi runzelte ihre Stirn. „Es ist kein normales Monster...“ Ihr Blick wanderte zu Landis, der abwesend vor sich hinstarrend immer noch vor der Tür stand. Was ist los mit ihm? „Nanashi, kannst du eine Schwachstelle erkennen?“, fragte Zetsu. Das Shinjuu ließ seinen Blick über das Monster schweifen, welches offensichtlich darauf wartete, dass einer von ihnen sich bewegte. Anscheinend war es blind oder reagierte zumindest nur auf Bewegungen, da war sich Nanashi nicht sicher. Vielleicht wartete es auch nur auf einen bestimmten Befehl. Auf der Oberfläche seines Körpers ist nichts... Vielleicht hat er am Bauch eine Schwachstelle? Ihr Blick wurde abgelenkt, als Landis die Starre abschüttelte und seine Kopis zog. Wenigstens kommt der mal wieder zu sich. Hmm? Was macht er denn jetzt? Sein Blick war immer noch so starr wie zuvor. Er hob das Kopis in seiner rechten Hand, gleichzeitig hob das Monster seine rechte Vorderklaue. Zetsu sprang zurück, als das Wesen ihn simultan mit Landis' Bewegungen angriff. Nanashi schwebte hastig hinüber und musterte den Jungen. Sein Blick war immer noch seltsam abwesend, als ob er gar nicht wüsste, wo er eigentlich war oder was er tat. „Landis! He, Landis! Hör auf damit!“ Er reagierte nicht, gab stattdessen einen weiteren Befehl zum Angriff. Lediglich Leanas Shinken verhinderte, dass sie verletzt wurde. Ruputna schluckte. Selbst sie verstand, dass er im Augenblick nicht ihr Freund war, den sie so sehr liebte. Irgend etwas war mit ihm geschehen – und es erinnerte sie an Nozomi, als sie unter dem Einfluss der beiden verwaltenden Götter gestanden und versucht hatte, Nozomu zu töten. Aber was konnten sie tun, um Landis aufzuhalten? Sie wich dem Schwanz der Eidechse mit einem Sprung aus und stellte sich wieder in Kampfposition. „Okay, okay, komm schon!“ Die Echse zeigte ihnen ihre gespaltene Zunge. Landis stampfte mit dem Fuß auf, was das Wesen ihm auch direkt nachtat. Einen Moment lang geschah nichts. Zetsu, der einen Trick dahinter vermutet hatte, atmete auf – und spürte plötzlich, wie der Boden unter ihm bebte. „Was...?“ „Ein Erdbeben?“, fragte Ruputna nervös. „Nein... der Boden hält der Erschütterung nicht stand.“ Noch bevor einer der anderen nachhaken konnte, brach der Boden unter ihnen weg. Mit einem lauten Schrei stürzten Ruputna, Zetsu, Leana und Isolde in die Tiefe. Nanashi, die immer noch in der Luft schwebte, sah ihnen fassungslos hinterher. Sie fuhr zu Landis herum. „Warum hast du das getan!?“ Statt einer Antwort schwang er seinen Arm. Das Shinjuu spürte, wie etwas sie schmerzhaft am Rücken und am Hinterkopf traf und sie ebenfalls in die Tiefe schleuderte. Was... soll das? Ein schwarzer Schleier fiel vor ihre Augen und dann... nichts mehr. Kapitel 11: Datenschlüssel -------------------------- Das Geräusch von tropfendem Wasser erreichte zuerst ihre Gedanken. Es erinnerte sie an den Wald. Tautropfen, die von Blättern perlten und in eine Quelle fielen, während die ersten Sonnenstrahlen die noch feuchten Bäume und Büsche glitzern ließen als wären sie mit Juwelen bedeckt. Aber das Gefühl war anders. Sie wusste, dass sie nicht in einem Wald war, stattdessen befand sie sich mehrere hundert Meter unter der Erdoberfläche, weit weg von Sonne und Pflanzen. Sie konnte Schritte hören, gefolgt von einem unfreundlichen „Wach auf!“. Ruputna öffnete ihre Augen und erblickte über sich eine endlos erscheinende Dunkelheit. Sie wandte den Kopf und erkannte Zetsu, der teilnahmslos auf sie hinabsah. Ihr Blick ging weiter, Isolde stand hinter ihm. „Alles okay, Luftkopf?“ Ruputna setzte sich auf und pumpte ihre Backen auf. „Luftkopf!?“ Das Shinjuu lachte. „Es scheint dir gut zu gehen.“ Zetsu schmunzelte. „Gut zu wissen.“ Ruputna warf einen Blick umher. Überall lagen Trümmer, Wasser tropfte von einem Riss in der Decke und traf auf eine Pfütze. Jedes Mal, wenn ein Tropfen aufkam, sprangen glühende Manafunken in die Luft, verblassten aber sehr schnell wieder. Die Erinnerungen drangen mit aller Macht auf sie ein. Der abwesende Landis, das Monster, das er kontrolliert hat, der unter ihnen wegbrechende Boden... „Wo sind Leana und Nanashi?“ Zetsu schüttelte leicht den Kopf. „Ich habe nur dich und Isolde gefunden.“ Ruputna sah Isolde an. Der Shinjuu runzelte seine Stirn. „Ich mache mir Sorgen um Leana – und den Zwerg. Aber ich kann auch nicht zu ihr. Der Managehalt in der Luft ist so hoch, dass für mich die Gefahr besteht, zu verschwinden, wenn ich mich jetzt auflöse.“ „Was ist mit Landis?“ Zetsu und Isolde schwiegen. Ruputna seufzte und stand auf. „Oh, Landis... was ist nur mit ihm passiert?“ Die beiden zuckten mit den Schultern. „Wenn wir Glück haben, erfahren wir hier unten vielleicht etwas. Hat er sich schon beim Betreten der Ruine so verhalten?“ Sie nickte. „Oh ja. Seit wir reingekommen sind, ist er dauernd so komisch.“ Zerknirscht sah sie auf den Boden. Zetsu verschränkte die Arme vor der Brust. „Es gibt so vieles, was wir über den Jungen nicht wissen und was er selbst wahrscheinlich nicht einmal weiß.“ Ruputna legte ihre Hände zusammen. „Oh... wir müssen ihn unbedingt finden.“ Isolde machte eine unbestimmte Bewegung. „Diese Ruine ist voll mit Wandmalereien. Vielleicht finden wir so heraus, was mit deinem Freund passiert ist und wie wir ihm helfen können.“ „Ich hoffe es...“ Zetsu schüttelte missbilligend den Kopf. „So nicht, ganz falsch. Wo ist das Mädchen hin, das mich dauernd nervt?“ Sie grinste. „Okay! Wir schaffen das!“ Isolde und Zetsu nickten zufrieden. „Sehr gut. Dann lass uns gehen.“ Ruputna nickte enthusiastisch. „Ja!“ Sie folgte den anderen beiden, inständig hoffend, dass sie Landis wirklich helfen könnten. Als Leana aufgewacht war, hatte sie keinen der anderen mehr gesehen. Ihr Rücken hatte geschmerzt, aber es war nichts gebrochen gewesen und nach wenigen Minuten hatte sie es geschafft, sich aufzurichten. Langsam lief sie durch die Gänge der Ruine, auf der Suche nach den anderen. Diese Etage schien als Labyrinth angelegt zu sein, jedenfalls fand sie sich immer wieder einer Weggabelung oder einer Sackgasse gegenüber. Sie grummelte leise vor sich hin, um die Stille zu überbrücken. Anfangs hatte sie versucht, Isolde zu rufen, aber ihr Shinjuu hatte sich nicht blicken lassen. „Sie liefert mir besser eine gute Erklärung dafür, sonst gibt es ganz schön Ärger.“ Sie erreichte einen Gang, der all ihre Instinkte in Alarmbereitschaft versetzte. Sie konnte keine Bewegungen wahrnehmen, aber dafür lenkte etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich. In regelmäßigen Abständen waren auf beiden Wänden des Ganges seltsame Augen angebracht. Sie bewegten sich nicht, blickten immer nur starr auf ihr gegenüberliegendes Gegenstück und dennoch – oder gerade deswegen – ließen sie bei Leana eine Gänsehaut entstehen. Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie sich umgedreht und hätte einen anderen Gang genommen, aber dieser hier war der einzige, der noch passierbar war. „Komm schon, Leana“, murmelte sie leise, um sich selbst Mut zuzusprechen. „Das kannst du, da ist doch gar nichts.“ Sie machte einen Schritt in den Gang hinein. Nichts geschah. Leana atmete erleichtert aus, doch die Anspannung blieb. Ihre Muskeln waren immer noch angespannt, irgend etwas musste hier lauern, auch wenn sie es nicht sehen konnte. Allerdings sollte sich ihr Instinkt früher als erwünscht als richtig erweisen. Gedankenlos trat sie zwischen die ersten beiden Augen. Ein sirrendes Geräusch ertönte. Ihrem Instinkt folgend, ließ Leana sich zu Boden fallen. Sie spürte etwas Heißes über sich hinwegfegen, aus dem Augenwinkel sah sie ein Blitzen. Ein paar ihre Haarspitzen landeten neben ihr auf dem Boden. „W-was war das denn?“ Vorsichtig robbte sie zurück. Sie richtete sich wieder auf und sah erneut den Gang hinunter. Ob es etwas mit den Augen zu tun hat? Sie zog ihr Shinken und hielt die Klinge zwischen das erste Augenpaar. Erneut ertönte das seltsame Geräusch, dann schoss ein glühender Strahl aus dem einen Auge. Leana konnte gerade noch ihr Shinken wegziehen. Der Strahl traf auf das andere Auge auf und verschwand. Zurück blieb nur die Wärme des Strahls. Leana atmete tief durch. „Zum Glück höre ich auf mein Gefühl. Das hätte...“ Sie wusste nicht, wie das hätte enden können, aber der Blick auf ihre abgetrennten Haarspitzen reichte ihr, um ihr zu sagen, dass sie es auch gar nicht wissen wollte. Leana ging wieder auf alle viere und kroch, sich aufmerksam umsehend, unter dem Sichtbereich der Augen hindurch. Zum Glück kann mich keiner sehen. Das sieht bestimmt absolut lächerlich aus. Am anderen Ende des Ganges richtete sie sich wieder auf. Sie warf einen Blick zurück. „So schnell kriegt ihr mich hier unten nicht klein.“ Sie sah wieder nach vorne und lief weiter. Schließlich erreichte Leana einen kleinen Raum, in dem ebenfalls Schutt lag – und auf den Trümmern obendrauf lag – „Nanashi?“ Das Shinjuu war gewachsen und hatte nun den Körper eines jungen Mädchens. Dann muss hier wohl viel Mana sein. Zumindest hat Zetsu mir das mal so erklärt. Pff, ich könnte sie jetzt einfach hier liegen lassen, aber... Leana kniete sich neben Nanashi und schlug ihr mehrmals auf die Wangen. „He! Nanashi! Wach auf! Nanashi!“ Das Shinjuu öffnete seine Augen. „Huh? Was? Wo...?“ Sie richtete sich auf. Automatisch griff sie an ihren schmerzenden Hinterkopf. „Au... dieser Landis! Was denkt der sich nur dabei!?“ Ihr Blick ging zu Leana und wurde frostig. „Oh, du bist es.“ „Ja, ich bin genauso begeistert wie du.“ Seufzend richtete Leana sich wieder auf. „Weißt du, wo wir sind?“ Nanashi stand vorsichtig auf. „Na ja, wie gesagt: Das hier ist ein Tempel, der zu Ehren des allerersten Shinken errichtet wurde. Allerdings... da dieses Wesen hier war, vermute ich, dass es nicht einfach nur ein x-beliebiger Tempel war. Wahrscheinlich wurde oder wird hier ein Teil des allerersten Shinken aufbewahrt.“ Leana runzelte ihre Stirn. „Sagtest du nicht, dass Teile des Schwertes abfielen und neue Welten bildeten? Kann es sein, dass jemand eben diesen Teil fand und hier aufbewahrte?“ Nanashi legte den Kopf schräg. „Das würde Sinn machen.“ „Aber warum ist Landis so...?“ „Er muss eine Art Verbindung mit dem Verteidigungsmechanismus eingegangen sein“, antwortete das Shinjuu. „Jedenfalls teilen das Monster und Landis sich dieselbe Aura.“ Nachdenklich sah Leana nach oben. Sand rieselte aus der Dunkelheit von einer höheren Ebene auf sie hinab. „Hätte das auch einem von uns passieren können?“ Nanashi schüttelte mit dem Kopf. „Es ist schwer zu erklären. Narukana oder Salles wüssten es wahrscheinlich besser, jedenfalls hat Landis eine Art... Codierung in seinen Daten.“ „Daten?“, fragte Leana verwirrt. Sie hörte das Wort zum ersten Mal und konnte damit absolut nichts anfangen. „Jeder Körper besteht aus Daten. Daten, die im Laufe des Lebens geschrieben werden – in Nozomus Heimatwelt, nannte man es Gene, hat aber nur einen Bruchteil der Daten eines Körpers entdeckt.“ „Ich verstehe kein Wort“, sagte Leana. Nanashi seufzte. „Um es ganz einfach zu sagen: Er trägt den Schlüssel zum Versteck des Shinken in seinem Körper.“ „Ah, das verstehe ich.“ Das Shinjuu sah den dunklen Gang hinunter. „Lass uns die anderen suchen. Zetsu versteht bestimmt eher, was ich über Landis sagen will.“ „Soll das heißen, ich bin dumm?“ „Das hast du gesagt“, erwiderte Nanashi und lief los. Leana folgte ihr. „Na warte, wenn du wieder klein bist, hänge ich dich wieder an einen Haken.“ „Dafür musst du mich erst einmal kriegen.“ „Das werde ich schon, verlass dich drauf.“ Zetsu, Ruputna und Isolde legten ihren Weg schweigend zurück. Das Shinjuu und der Eternal sahen sich wachsam um, während das Mädchen tief in ihre eigenen Gedanken versunken war. Landis... was ist nur mit dir passiert? Und was soll ich tun, damit du wieder normal wirst? Isolde blieb stehen, den Blick auf ein Wandbild gerichtet. „Ruputna... du sagtest, Landis wäre schon so seltsam gewesen, als er diese Ruine betreten hätte, nicht?“ Zetsu und das Mädchen blieben ebenfalls stehen. Sie nickte. „Ja.“ Das Shinjuu hatte die Stirn gerunzelt. „Der hohe Manaanteil in diesen Ruinen lässt darauf schließen, dass hier ein Stück des ersten Shinken aufbewahrt wurde oder immer noch wird. Natürlich wird dieses Stück mit speziellen Mitteln geschützt und nur jemand mit dem passenden Schlüssel kann die Tür öffnen“ „Dann ist Landis... der Schlüssel?“, folgerte Zetsu. Isolde richtete ihren Blick auf Ruputna. „Wie war das nochmal mit seiner Vergangenheit?“ „Ähm, er erinnert sich an das meiste nicht. Er sagt, es ist als ob ein Teil seiner Erinnerung einfach verschwunden wäre – und das betrifft besonders seinen Vater. Er sagt, er hat keinen, aber gleichzeitig hat er das Gefühl, ihn zu kennen.“ Zetsus Augen verengten sich. „Das klingt, als ob sein Vater zu einem Eternal geworden wäre. Dadurch wurde die Erinnerung an ihn überschrieben.“ Isolde nickte zustimmend. „Das würde Sinn machen. Ich vermute, es war so: Landis' Vater hat auf seinem Heimatplaneten als Bauleiter einen solchen Tempel gebaut und seinem Sohn den Schlüssel zur Schatzkammer in die Daten geschrieben. Als Sharivar dann den Planeten angriff, hat er Landis die Tür öffnen lassen und einen Pakt mit dem Shinken geschlossen. Dadurch hat Landis seinen Vater und auch die Existenz des Schlüssels in seinem Inneren vergessen, aber diese Ruine muss das alles wieder geweckt haben.“ Zetsu verschränkte erneut die Arme vor der Brust. „Aber warum erschien dieses Monster und warum hat Landis uns angegriffen?“ Isolde seufzte und schüttelte ihren Kopf. „Ich weiß es nicht. Das müssen wir herausfinden.“ Die anderen beiden nickten. Sie setzten ihren Weg durch die labyrinthartigen Gänge fort, immer auf der Hut vor Feinden oder dem suchenden Blick nach einem Ausweg – sowie Leana und Nanashi. Erneut war es Isolde, die zuerst stehenblieb. „Hört ihr das?“ Stimmen waren aus einem der Gänge zu hören, sie näherten sich ihnen. Zetsu lächelte. „Damit wären wir dann wohl vollständig. Fehlt nur noch der Ausgang.“ Leana und Nanashi schlossen zu ihnen auf. Isolde lachte. „Na, Zwerg, wieder mal gewachsen? Aber Zwerg bleibt trotzdem Zwerg.“ Nanashi streckte ihr die Zunge heraus und wandte sich an Zetsu. „Ich habe herausgefunden, warum Landis auf den Tempel reagiert hat, er-“ „Hat eine Art Schlüssel-Programm in seinem Körper“, unterbrach Isolde sie gelangweilt. „Woher weißt du das!?“ „Ich bin eher erstaunt, dass dein Erbsengehirn das ausgebrütet hat, Zwerg.“ Nanashi schnaubte. Leana ignorierte die beiden streitenden Shinjuu und wandte sich an Zetsu: „Kannst du mir das mit diesen... Daten erklären? Ich verstehe das nicht.“ „Nun, stell dir Körper wie ein Buch mit lauter leeren Seiten vor. Diese Seiten sind Daten, zu Beginn sind sie noch leer. Im Laufe des Lebens werden die Seiten gefüllt, die Daten werden also geschrieben. Und irgendwo inmitten diesen Seiten und vielen vielen Wörtern, schreibt jemand ein geheimes Wort, ein Codewort, das eben der Schlüssel zu dieser Tür ist.“ „Ooooh!“, sagten Leana und Ruputna einstimmig. Zetsu lächelte zufrieden. „Da wir das nun geklärt haben, lasst uns einen Weg nach oben finden. Ich bin ein Eternal, ich habe keine Lust, die Ewigkeit hier unten zu verbringen.“ Die anderen nickten. Alle gemeinsam gingen sie weiter. Schweigen herrschte zwischen ihnen, lediglich an Abzweigungen gab es kurze Diskussionen über den zu wählenden Weg. Und tatsächlich fanden sie zusammen eine Treppe. Isolde runzelte ihre Stirn. „Der Managehalt auf der nächsten Etage ist wesentlich geringer. Es scheint, als ob das Mana sich hier unten bündelt.“ „Hat das einen bestimmten Grund?“, fragte Leana. „Ich schätze, dass das Monster hier unten irgendwo angekettet war. Vermutlich hat es sich von diesem Mana ernährt.“ Ruputna stürmte die Treppe hinauf. „Los, los, kommt! Wir haben es eilig!“ „So voller Energie“, seufzte Nanashi. Isolde lachte. „Was denn, Zwerg, wirst du alt?“ Nanashi schnaubte und lief Ruputna eilig hinterher. Die anderen folgten ihnen langsamer. Zetsu sah sich um, als er ebenfalls oben ankam. Nach dem hochgradigen Managehalt im unteren Stockwerk, fühlte er sich plötzlich erschöpft und ausgelaugt. Es ist eben doch nicht so einfach, ein Eternal zu sein. Auf Mana angewiesen zu sein, ist nicht sehr angenehm. Ruputna huschte auf dem Stockwerk umher, obwohl es nur diesen einen großen Raum gab und die Treppe nach oben ihnen fast gegenüberlag. Leana beobachtete das Mädchen besorgt. „Zetsu... glaubst du, wir können Landis wieder... normal machen?“ Der Eternal hob die Schultern. „Ich weiß es nicht. Wäre Nozomu hier, würde ich sagen, auf jeden Fall. Aber so... Wir wissen nicht, was genau ihn zu dieser Aktion getrieben hat.“ „Wie steht es um Ruputna?“ „Es nimmt sie sehr mit. Immerhin hängt sie ja sehr an ihm.“ Leana nickte und ging weiter. Zetsu setzte seinen Weg ebenfalls fort. Kaum hatte sie ihren ersten Schritt gemacht, spürte sie, wie sie den Boden unter den Füßen verlor. Nur Zetsus reflexartiger Griff nach ihrem Handgelenk, rettete sie davor wie der Rest der Bodenplatte in die Tiefe zu stürzen. Blass geworden beugte sie sich ein wenig vor und sah in die Dunkelheit. Sie konnte spitze Stacheln emporragen sehen. Der Gedanke, dass sie beinahe von diesen aufgespießt worden wär, ließ ihre Knie weich werden. Sie schluckte heftig, während Zetsu über ihren Rücken strich. „Ganz ruhig.“ „I-ich bin doch ruhig“, sagte sie wenig überzeugend. Warum ist mir das passiert und nicht Ruputna? Zetsu ließ Leana los und zog sein Shinken. Vorsichtig drückte er damit auf eine weitere Bodenplatte, die augenblicklich nachgab. „Hmm, seltsam.“ Er sah wieder zu Ruputna hinüber, die ungeduldig an der Treppe stand und nur noch auf die beiden wartete. Neben ihr stand Isolde, Nanashi war bereits wieder klein geworden. „Wie sind die da rüber gekommen?“ Leana ließ ihren Blick über den Boden schweifen, so dass ihr etwas auffiel. „Zetsu... zwischen manchen Bodenplatten sprießt Unkraut... siehst du das auch?“ Er folgte ihrem Blick. „Tatsächlich.“ Erneut testete er mit seinem Shinken, ob die Platte trug. Er lächelte. „Du hast ein gutes Auge, Leana. Unter diesen Platten ist Erde, sie tragen.“ Sie lächelte über das Lob. „Immer nach dir.“ Zetsu nickte und begann, sich seinen Weg über die sicheren Platten zu bahnen. Leana machte es ihm nach. Tatsächlich beschrieb der Weg einen großen Bogen, so wie der von Ruputna vorhin. Hatte das Mädchen intuitiv gewusst, wie sie am besten vorankommen würde oder war es Glück gewesen? „Da seid ihr ja endlich“, beschwerte Ruputna sich, als die beiden endlich auf der anderen Seite ankamen. „Ich dachte schon, ihr kommt gar nicht mehr.“ Ohne auf eine Erwiderung zu warten, fuhr sie herum und lief nach oben. Das Shinjuu setzte sich auf Zetsus Schulter. „Puh, sie ist so anstrengend.“ Er schmunzelte nur und ging gemeinsam mit Leana und ihrem Shinjuu nach oben. „Vom Gefühl her sind wir wieder auf derselben Ebene wie vorhin“, sagte Isolde schließlich. „Wir sind lediglich in einem anderen Bereich.“ „Dann müssen wir jetzt nur noch Landis finden!“, rief Ruputna entschlossen und lief bereits wieder davon. Die anderen folgten ihr hastig, gespannt, was sie erwarten würde. Kapitel 12: In Sicherheit ------------------------- Der Gang vor ihnen machte eine Kurve – und führte sie direkt in einen Altarraum, in dem das Shinken aufbewahrt worden war. Allerdings war der Altar leer, es war nichts mehr zum Anbeten da. „Wer kann es genommen haben?“, fragte Leana. „Landis?“ Isolde schüttelte ihren Kopf. „Dem Gefühl nach ist es schon lange fort.“ Die Gruppe ging um den leeren Altar herum. Auf dem Boden, direkt davor, saß – „Landis!“, rief Ruputna erleichtert aus und lief auf ihn zu. Zetsu zog sie hastig zurück. Die Klaue der Echse grub sich tief in den Boden, wo Ruputna gerade eben noch gestanden hatte. „Das war knapp“, sagte der Eternal. „Sei nicht so leichtsinnig!“ Sie riss sich von ihm los und sah zu Landis hinüber. „Warum tust du das!? Was soll das? Wir sind doch deine Freunde! Hast du das vergessen!?“ Der Junge stand auf und erwiderte den Blick, doch seine Augen blieben leer, sein Gesicht ausdruckslos. „Diebe“, hauchte er kaum hörbar, während er in langsamen, motorischen Bewegungen erneut seine Kopis zog. „Eindringlinge haben hier nichts verloren.“ Isolde runzelte ihre Stirn. „Das ist es also. Der Tempel hält uns für diejenigen, die das Shinken gestohlen haben und will uns mit Landis' Hilfe zur Rechenschaft ziehen.“ Leana zog ihr Shinken. „Das ist nicht gut. Können wir irgendetwas dagegen tun, ohne Landis zu verletzen?“ „Wenn wir die Echse töten, löst sich die Verbindung und er dürfte wieder normal werden“, meinte Nanashi. „Aber laut dem, was ich in der unteren Etage erfahren habe, gibt es nicht viele Möglichkeiten, sie zu töten.“ „Egal, probieren wirs!“, schnaubte Ruputna, während sie sich in Kampfposition stellte. „Eine Schwachstelle der Echse sind ihre Augen“, sprach Nanashi weiter. „Und eine weitere der untere Teil ihres Körpers.“ Zetsu hob sein Shinken. „Nichts leichter als das.“ Er preschte auf das Wesen zu. Landis vollführte eine Bewegung aus dem Handgelenk. „Achtung!“, rief Leana. Zetsu imitierte Landis' Bewegung. Sein Shinken zerteilte den Schwanz der riesigen Eidechse. Mit einem schmerzerfüllten Schrei richtete sich das Wesen auf und entblößte ihre Brust, die nicht mit schützenden Schuppen bedeckt war. Die Haut war so dünn, dass die Gruppe das Herz schlagen sehen konnte. Landis taumelte, während er sich an den rechten Arm griff. Die Manaverbindung ließ ihn genau wie das Monster Schmerzen erleiden. Ruputna zögerte nicht mehr. Mit einem entschlossenen Blick überholte sie Zetsu. Das Shinken an ihren Füßen leuchtete auf, als sie zu einem hohen Tritt ansetzte. Ein glühender Schweif folgte ihrer Bewegung, eine Fontäne von Blut, das sich augenblicklich in Mana verwandelte, schoss aus der daraus entstandenen Wunde, die sich quer über die Brust zog. Ruputna sprang wieder zurück. Mit einem markerschütterndem Schrei fiel die Echse zu Boden und löste sich langsam auf. Landis' Shinken verschwand. Er taumelte noch einmal, bevor er auf die Knie fiel und dann zur Seite wegkippte und leblos liegenblieb. „Die Manaverbindung ist abgebrochen“, berichtete Nanashi. „Landis!“ Ruputna stürzte zu ihm hinüber. Sie kniete sich neben ihn und hob seinen Oberkörper leicht an. „Landis! Landis, wach auf!“ Leana kam dazu und kniete sich auf die andere Seite. „Keine Sorge, er ist nur ohnmächtig. Bestimmt wacht er bald wieder auf.“ „Glaubst du?“ Ruputna hatte Tränen in den Augen, aber sie kämpfte diese trotzig und tapfer zurück. Leana nickte lächelnd. „Ganz bestimmt, vertrau mir.“ Das Mädchen lächelte ebenfalls. „Gut, dann bringen wir ihn endlich hier weg, ja?“ Sie versuchte, mit ihm auf dem Arm aufzustehen – aber er war deutlich zu schwer für sie. Zetsu trat dazu und nahm ihn ihr wortlos ab. Er wirkte wie eine übergroße Marionette, der man einfach die Fäden durchgeschnitten hatte. „Lasst uns endlich gehen“, sagte der Eternal schließlich. „Diese Ruine macht mich noch ganz krank.“ Die anderen nickten und liefen ihm hinterher, die Ruine zurücklassend, aber aufgrund der Ereignisse nicht erleichtert, sondern nur besorgt. Salles hatte die Ellenbogen auf den Tisch gestützt und ruhte sein Kinn auf seinen gefalteten Händen. Er sah Zetsu und Leana über den Rand seiner Brille hinweg an. Jatzieta stand, in ihrem Arztkittel, neben Salles, die Arme locker vor der Brust verschränkt, mit einem seltenen ernsten Ausdruck im Gesicht. „Landis schläft jetzt auf der Krankenstation“, beendete Zetsu den Bericht. Jatzieta hatte ihn und Leana sofort zu Salles gezerrt, als sie gehört hatte, dass es eine größere Geschichte war. Die beiden Anführer der Brigade blickten Zetsu und Leana ernst und nachdenklich ein, beide in ihre eigenen Gedanken und Überlegungen vertieft. Schließlich räusperte Salles sich. Er schob seine Brille zurück und stand auf. „Ich dachte mir bereits, dass dieser Eternal, der ihn gerettet hat, sein Vater war. Und Landis wusste es unterbewusst wohl auch, immerhin erwachte in dieser Situation sein Shinken. Aber ich wäre nicht einmal im Traum auf den Gedanken gekommen, dass sein Vater das Shinken aus einem Tempel hat, den er selbst erbaute. Ich dachte, die würden schon lange nicht mehr gebaut werden.“ „Möglicherweise hat man das Stück in seiner Welt erst viel später gefunden“, vermutete Jatzieta. „Wenngleich ich nicht erklären kann, wie dann jemand auf die Idee mit dem Tempelbau kam.“ Salles runzelte seine Stirn. „Ich habe das Gefühl, da steckt mehr dahinter als wir ahnen.“ Zetsu legte nachdenklich eine Hand an sein Kinn. „Womöglich hat Landis den Bau aber auch gar nicht mitbekommen. Wir wissen so wenig über diese Daten... vielleicht gehört die Erinnerung an den Tempelbau zum Schlüssel dazu und es wurde alle paar Generationen wieder ein neuer Schlüsselträger ausgesucht.“ Jatzieta grinste. „Der Gedanke ist gar nicht so übel, Zetsu. Hoffentlich weiß deine Freundin ihren schlauen Freund zu schätzen.“ Schweigend legte Leana ihren Kopf schräg. Sie war nur mitgegangen, weil Zetsu sie darum gebeten hatte, zum Thema beitragen konnte sie ohnehin nichts und verstehen tat sie noch viel weniger. Salles räusperte sich noch einmal. „Wenn es Landis wieder besser geht, werde ich das mit Nayas Hilfe untersuchen. Aber bis dahin bringt es auch nichts, wenn wir uns den Kopf ohne Fakten zerbrechen. Zetsu, danke für deinen Bericht.“ „Schon in Ordnung“, sagte der Eternal. Ohne Aufforderung fuhr er herum und verließ das Büro. Leana folgte ihm hastig. Jatzietas Gesichtsausdruck wurde wieder ernst. „Was sagst du dazu, Salles? Glaubst du, er könnte uns jetzt gefährlich werden?“ Sein besorgter Blick gab ihr genug Antwort darauf und er wusste das, weswegen er schwieg. „Ich will aber nicht diejenige sein, die es Ruputna sagt“, merkte Jatzieta an. „Ich bin nicht gern die Überbringerin schlechter Nachrichten.“ „Abergläubisch?“, fragte Salles. Seine Augen blitzten belustigt auf. „Keine Sorge, heutzutage werden die Überbringer von Hiobsbotschaften nicht mehr gelyncht.“ „Da wäre ich mir bei Ruputna nicht so sicher“, lachte sie. Die Spannung im Raum war mit einem Schlag verschwunden. Die beiden lächelten sich an. „Gut, dann werde ich mal gehen und nach den beiden Kinderchen sehen“, sagte Jatzieta. Salles nickte. „Wenn Landis aufwacht, möchte ich es sofort wissen.“ „Natürlich.“ Sie neigte den Kopf und verließ das Büro ebenfalls – nur um auf Zetsu und Leana zu stoßen. „Nanu? Was macht ihr beiden Turteltäubchen denn noch hier?“ Leana wurde rot, aber Zetsu zeigte wie gewöhnlich keine Regung. „Jatzieta, wenn Landis eine Gefahr für uns ist...“ „Dann werden wir einen Weg finden, die Gefahr zu entschärfen.“ Er nickte zustimmend, scheinbar zufrieden, auch wenn das bei ihm manchmal schwer zu sagen war. Anscheinend war das die Antwort, die er erwartet und erhofft hatte. Jatzieta kicherte. „Na dann, ich bin auf meinem Weg auf die Krankenstation, bis demnächst, meine Lieben.“ Sie ging weiter, eine verlegene Leana und einen zufriedenen Zetsu zurücklassend. Still sitzen war ohnehin nichts, was Ruputna lag. Aber still sitzen und nichts tun zu können, während Landis auf dem Bett lag und keine Regung zeigte, war noch um einiges schwerer für sie. Leana hatte gesagt, dass er nur ohnmächtig wäre und auch Jatzieta hatte gesagt, dass er noch leben würde. Aber wie lange dauerte so eine Ohnmacht? Und wenn er wieder aufwachte, würde er sich dann so seltsam verhalten wie Nozomi als Faim ihren Körper übernommen hatte? Oder würde er sie gar wieder angreifen? Ruputna war sich sicher, dass sie nicht gegen Landis kämpfen könnte, genausowenig wie Nozomu sein Shinken sich gegen seine Kindheitsfreundin Nozomi erhoben hatte. Und sie könnte auch nicht zusehen, wenn die anderen gegen Landis kämpfen würden. Hastig schüttelte sie ihren Kopf. Sie durfte nicht so negativ denken, das deprimierte sie nur. Die Tür öffnete sich, eine lächelnde Jatzieta kam herein. „Na? Wie sieht es aus?“ Ruputna senkte den Kopf. „Er ist noch nicht wieder aufgewacht.“ „Na na, nun lass mal den Kopf nicht hängen. Er fängt sich bestimmt bald wieder.“ Ihre Stimme wurde ernst. „Aber du weißt, dass -“ „Ja, ich weiß, dass er nicht mehr mein Landis sein könnte“, unterbrach Ruputna die Ärztin. „Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich bin mir sicher, dass er es sein wird.“ Jatzieta lächelte. Es war anders als ihr normales Lächeln. Es war warm und in gewissem Maße mütterlich – auch wenn man das Jatzieta niemals sagen dürfte, da sie das als Beleidigung aufgefasst hätte. „Ich bin sicher, er weiß, dass du hier bist und auf ihn aufpasst.“ Ruputna nickte glücklich. „Das glaube ich auch.“ Jatzieta klopfte ihr auf die Schulter. „Dann lass uns die Zeit mal zusammen herumbringen, bis dein Freund wieder aufwacht.“ Das Mädchen nickte noch einmal und sah dann mit wesentlich positiveren Gedanken wieder Landis an. Ich weiß, dass du immer noch zu uns gehörst, Lan. Also bitte, wach schnell wieder auf. Fast schon ehrfürchtig berührte Adina die blau leuchtenden Wurzeln, die das gesamte Schulgebäude durchzogen. Ihre Augen leuchteten voll kindlicher Neugier. Nozomi konnte nicht anders als leise zu lachen. Es kam ihr vor als würde sie ein Kind beobachten, das gerade erst begann, die Welt zu entdecken und für das jeder Schritt ein neues Abenteuer war. Adina sah sie an. „Was sind das für Wurzeln?“ „Sie sind ein Teil von Monobe, also dem großen Monobe. Dadurch wird Strom erzeugt und auch fließend Wasser, so dass wir hier auf keine Annehmlichkeit verzichten müssen, egal in welcher Welt wir sind.“ „Wow! Sowas hätte ich auch gern! Aber mein Shinjuu ist leider... weniger nützlich.“ „S-sag doch so etwas nicht“, widersprach Nozomi erschrocken und schielte zu Karfunkel, der unbeteiligt neben Adina saß. „Den stört das nicht“, erwiderte der blonde Eternal. „Karfunkel kennt mich immerhin schon eine Weile.“ „Gutes Stichwort“, fiel Nozomi ein. „Wie lange hast du eigentlich schon ein Shinken? Und seit wann bist du ein Eternal?“ Adina legte ihre Stirn in Falten. „Schwer zu sagen... ich weiß nicht, wieviel Zeit bei euch auf der Erde vergangen ist. Mir kommt es wie eine halbe Ewigkeit vor, weil die Zeit hier draußen ganz anders verläuft. Jedenfalls hab ich mein Shinken im Jahr 2001 bekommen.“ „2001... warte mal!“ Nozomi fiel etwas in Adinas Worten auf. „Du bist von der Erde? So wie wir?“ Der blonde Eternal schnitt eine Grimasse. „Ich weiß nicht, ob es genau dieselbe Welt ist, aber ich befand mich innerhalb des Zeitbaums und es war eine Welt, die zumindest so ähnlich war wie eure.“ Es gab unzählige Welten im Zeitbaum, so dass es öfter vorkam, dass sich zwei oder mehrere Welten ähnelten und sich nur durch Details voneinander unterschieden. Nozomi sah sie erstaunt an. „Was für ein Zufall.“ „Nicht wirklich“, merkte Karfunkel an. Die beiden Mädchen ignorierten ihn. „Und seit wann bist du ein Eternal?“, hakte Nozomi noch einmal nach. „Als ich mein Shinken erhielt, wurde ich ein Eternal. Ich hatte keine... Übergangszeit.“ „Ich verstehe.“ Sie merkte, dass Adina nicht weiter darüber reden wollte, also ließ sie das Thema fallen, obwohl sie eigentlich gern noch mehr gewusst hätte. „Ich muss langsam in die Küche“, sagte Nozomi. „Es wird Zeit fürs Abendessen.“ Adina nickte ihr zu und sah ihr hinterher, bis sie hinter einer Ecke verschwunden war. Karfunkel räusperte sich. „Adina, ich habe etwas gefunden.“ Er hatte damit angefangen, laut zu reden, statt direkt in ihre Gedanken hinein. Seine Partnerin wusste nicht, wieso und es interessierte sie auch nicht wirklich, solange sie ihn verstand. „Und was wäre das?“, fragte sie interessiert. „Es geht um diese Ruine, die wir neulich schon einmal untersucht haben.“ Sie seufzte. „Aber wir haben da doch nichts gefunden.“ „Ja, weil wir vor verschlossenen Türen standen – aber jetzt ist sie offen. Wir können tiefer rein und uns innen umsehen.“ Adina lächelte. „Sehr gut, worauf warten wir also noch? Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es bis zum Abendessen.“ Karfunkel seufzte und folgte seiner hoch motivierten Partnerin zum Teleporter, der sie auf die Oberfläche bringen sollte. Kapitel 13: Besorgniserregende Zeiten ------------------------------------- Eigentlich hatte sie gar nicht von Landis' Seite weichen wollen, aber Jatzieta hatte sie gebeten, ihr zu helfen. Also stand Ruputna nervös und alles andere als ruhig gemeinsam mit der Ärztin in einem Materialraum der Schule. Jatzieta durchsuchte einige der Schränke und drückte Ruputna immer wieder etwas in den Arm, das sie halten sollte. Dabei wirkte sie nicht so sorglos oder erleichtert wie sie es sonst tat. Ihr Gesicht drückte Angespanntheit und Besorgnis aus. Ruputna fragte sich, was los war, traute sich aber auch nicht so recht, zu fragen. Was, wenn es eine schlechte Nachricht war, die sie eigentlich gar nicht hören wollte? Oder – was für sie noch fast schlimmer war – eine Antwort, die sie ohnehin nicht verstehen würde? Doch die Frage wurde ihr abgenommen. Jatzieta seufzte. „Ich habe gewusst, dass das mal passieren wird. Uns gehen langsam die Medikamente aus. Und ich glaube kaum, dass ich aus den Zutaten hier neue zusammenbrauen kann.“ „Was bedeutet das?“, fragte Ruputna. Jatzieta sah sie leicht verwundert an. Vermutlich hatte sie das Mädchen bereits vergessen gehabt und war deswegen über ihre Anwesenheit überrascht. Ob sie wohl öfter Selbstgespräche führte? Die Ärztin seufzte noch einmal und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das bedeutet, dass ich bald niemandem mehr helfen kann.“ „Auch Landis nicht?“ Jatzieta lächelte sanft. „Er braucht derzeit ja keine Medikamente, mach dir also mal keine Sorgen um deinen kleinen Freund.“ Erleichtert atmete Ruputna aus. Die Fläschchen in ihren Armen klapperten klirrend, als sie aneinanderschlugen. Ohne etwas zu sagen, nahm Jatzieta ihr die Dinge wieder ab und stellte sie zurück in die Regale. „Ich kann die ohnehin nicht gebrauchen“, murmelte sie dabei halblaut vor sich hin. Für Ruputna war das eine völlig neue Seite an Jatzieta. Sie hatte die Ärztin bislang als unbeschwerte Frau mit einem Hang zum Alkohol kennen gelernt – dass sie auch ernst und besorgt sein konnte, erstaunte Ruputna in gewisser Weise. Die Fläschchen quittierten es mit einem leisen Klirren, als Jatzieta die Regaltüren schloss. „Gehen wir zurück. Ich kann später mit Salles reden, wie wir das mit der Medikamentenknappheit wieder hinkriegen. Vielleicht kann er ja mit dem König reden.“ Sie kicherte leise und scheuchte Ruputna aus dem Raum hinaus. Der Materialraum und der normale Schulflur waren wie Tag und Nacht. Während der kleine Raum dunkel, eng und vollgestopft mit allen möglichen Dingen und Regalen war, in denen kleine Fläschchen mit zwielichtigen Inhalten Staub ansetzten und einfach nur alt aussah, wirkte der Gang steril, hell und äußerst geräumig. Als ob man den Raum aus einer völlig anderen Schule genommen hätte. Nozomu hatte Ruputna einmal erklärt, dass es daran lag, dass die Materialräume nicht bei der Sanierung des Gebäudes miteinbezogen worden waren – allerdings hatte sie nicht ganz verstanden, was mit einer Sanierung gemeint war und sie hatte auch nicht weiter nachgefragt, weil es sie nicht wirklich interessiert hatte. Gemeinsam gingen Jatzieta und Ruputna zurück. Schon vor der Tür zur Krankenstation, hatte das Mädchen ein seltsames Gefühl in der Brust, als ob etwas in ihrer Abwesenheit passiert wäre. Sie öffnete die Tür. Als erstes fiel ihr Blick auf das geöffnete Fenster, die weißen Vorhänge bauschten sich im Wind. „Komisch“, murmelte Jatzieta. „Ich habe das Fenster vorhin doch geschlossen. War jemand hier?“ Ruputna hörte ihr nicht zu, stattdessen wanderte ihr Blick weiter zu Landis' Bett. Ihr Herz wurde ihr schwer, als sie feststellte, was nicht stimmte. „Leer...“ Es war der zweite Tag, an dem sich Subaru mit Baila traf. Wie üblich schwieg das Mädchen und reagierte höchstens mit einem Nicken, wenn er sie etwas fragte oder ansprach. Dabei hatte er so viele Fragen an sie, auf die er gern eine Antwort gehabt hätte. Satsuki, die irgendwie herausbekommen hatte, dass er sich am Tag zuvor mit Baila getroffen hatte, hatte anscheinend in der Stadt herumgefragt, wer das Mädchen wäre, aber von allen Seiten nur Schulterzucken oder fragende Blicke geerntet. Baila war quasi ein einziges großes Rätsel – und das gefiel Subaru nicht. Er war von Natur aus nicht neugierig und die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass man oftmals mehr erfuhr, wenn man nicht nachfragte. Aber ihr beharrliches Schweigen und die Ratlosigkeit der anderen Stadtbewohner weckte eben diese Neugier in ihm. Wenngleich er das Gefühl hatte, dass er eigentlich gar nicht wissen wollte, was sie verschwieg oder warum sie schwieg. Verzweifelt suchte er nach einem Thema, über das er mit ihr reden konnte, so dass sie auch einmal richtig antworten würde. Wie sollte er eine Freundschaft aufbauen, wenn sie nicht mit ihm redete? Er war so tief in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkte, dass Soukyuu, sein Shinken, auf irgend etwas reagierte. Oder womöglich war er diese Reaktion schon so sehr gewöhnt, dass er es nicht mehr registrierte. Erst als er spürte, dass der Greif Sparth in seinen Gedanken versuchte, ihn auf etwas hinzuweisen, achtete er wieder auf sein Shinken. Es sagte ihm, dass eine weitere Götterwaffe in der Nähe war – und es war keine der bekannten Waffen. Neugierig sah Subaru Baila an. Sie schien keinerlei Waffe zu besitzen oder gar eine Kämpferin zu sein, aber der Impuls kam eindeutig von ihr, soviel konnte er sagen. Subaru beschloss, sie einfach nach einer Waffe zu fragen. Fragend sah sie ihn an. „Was?“ „Ich habe dich gefragt, ob du eine Waffe besitzt.“ Sie legte den Kopf schräg als wolle sie ihn schütteln, aber dann nickte sie. „Ja, das tue ich.“ Sie streckte ihre rechte Hand aus. Ein Stab aus weißem, polierten Holz erschien. An der Spitze befand sich ein farbloser Kristall, in dem sich das Sonnenlicht brach. „Das ist ein Shinken, oder?“ Baila nickte noch einmal, den Stab drückte sie an sich, aber es schien mehr als würde sie sich daran festhalten und ohne ihn sofort zerbrechen. „Ich habe auch eines“, sagte Subaru. „Ich weiß.“ „Ah... ja? Wirklich?“ Ein erneutes Nicken war ihre Antwort. Subaru legte eine Hand auf sein Herz. „Wie wärs? Willst du dich uns nicht anschließen? Dann wärst du nicht mehr allein.“ Dann wärst du bei mir... Baila sah ihn nur an. Ihr Blick leer, ihr Gesicht nichtssagend. Doch schließlich antwortete sie. Es war nur ein Wort und doch genügte es, um Subaru zu deprimieren: „Nein.“ Rehme rieb sich die immer noch schmerzenden Wangen und warf Satsuki böse Blicke zu. Doch diese ignorierte sie und kümmerte sich stattdessen begeistert um ihr Essen und dessen Vertilgung. Nozomus Freundin hatte dem Shinjuu am Tag zuvor ziemlich zugesetzt, um an Subarus Geheimnis zu kommen. Und Rehme hatte ihr das immer noch nicht verziehen. Nozomu aß ebenfalls, wenngleich ein wenig langsamer als Satsuki. Da sie es selbst gekocht hatte, tat sie das wohl nur, um nicht zu bemerken, dass sie sich mal wieder bei den Gewürzen vertan hatte. Er fand allerdings, dass es gar nicht schlecht schmeckte. Rehme schnaubte wütend. „Nozomu, warum hast du nichts zu Satsuki gesagt?“ „Das war gestern. Du hast genug rumgeschrien. Komm langsam darüber weg, dass sie dir die Infos über Subarus Freundin herausgequetscht hat.“ Er hatte sich absichtlich nicht eingemischt. Zwischen Rehme und Satsuki zu geraten war äußerst kritisch und endete nicht selten in Verletzungen für ihn. Außerdem hatten beide ein vorlautes Mundwerk, also konnten sie sich auch selbst gegeneinander behaupten. Reimei, Nozomus Shinken reagierte plötzlich auf etwas. Rehme wurde ebenfalls darauf aufmerksam. „Scheint als würde jemand hier in der Nähe eine Menge Mana einsetzen.“ „Sind es unsere Feinde?“, fragte Satsuki. Das Reiskorn, das oberhalb ihrer Lippe hing, gab ihrem ernsten Gesicht einen lächerlichen Unterton. Rehme hatte ihre Augen geschlossen und konzentrierte sich auf den Ursprung der Energie. Sie schüttelte ihren Kopf. „Nein, kein Feind. Es ist -“ Nachdem sie das gesamte Schulgebäude auf den Kopf gestellt hatten, ohne Landis zu finden, hatten Ruputna und Jatzieta beschlossen, ihn draußen zu suchen. Youran, Ruputnas Shinken gab ihr eine bestimmte Richtung vor, in der sie zu suchen hatte. Ihr Shinjuu Wadatsumi warnte sie vor einem manaintensiven Zauber oder einer Beschwörung, die nichts mit einem Shinjuu zu tun hatte. Was hatte das zu bedeuten? Wurde Landis angegriffen? Oder war er selbst derjenige, der den Zauber ausführte? War er etwa doch nicht mehr der alte Landis? Nein, so etwas durfte sie gar nicht denken. Sie schob den Gedanken weit von sich. Jatzieta, die mit ihren hohen Schuhen anfangs nicht so schnell wie Ruputna gewesen war, holte schließlich auf. Sie hielt ihr leuchtendes Shinken in ihren Händen, ein sicheres Zeichen, dass sie Macht von diesem bezog, um die Geschwindigkeit zu erreichen. Sie nickte Ruputna zu. „Mach dir keine Sorgen. Bald wissen wir, was los ist.“ Die beiden blieben stehen, als sie das Spektakel mit eigenen Augen sehen konnten. Eine Gestalt stand mehrere hundert Meter von ihnen entfernt, laut Youran war es eindeutig Landis. Aber das war es nicht, was die beiden Frauen hatte inne halten lassen. Die Luft um ihn herum war erfüllt von unzähligen goldenen Manafunken, die im Sonnenlicht glitzerten und sie fast blendeten. Die Funken bewegten sich langsam um ihn herum, so dass nur noch eine verschleierte Silhouette von ihm zu sehen war. Ruputna legte eine Hand auf ihr Herz und schluckte. „Landis...“ Die Funken begannen, sich zu einem Körper zu formen. Es war der Körper der Echse, die sie im Tempel besiegt hatten. „Oh nein... nein...“ Jatzieta schmunzelte. „Ganz schön riesiges... Kerlchen.“ In Gedanken verglich sie die Echse mit ihrem Barasterda the Ignis – und kam zu der Erkenntnis, dass ihr Shinjuu um einiges größer war, was sie wieder lächeln ließ. Ruputna war aber gar nicht nach Lächeln zumute. „Landis!“ Die Rekonstruktion der Echse war abgeschlossen, die Luft wieder frei von allen Manafunken. Landis drehte sich leicht zu ihnen herum und - Azzurre tauchte aus der Dunkelheit auf, die den Ort umgab, an dem sich die vier Anführerinnen trafen. Die anderen drei waren bereits da, offensichtlich hatten sie die Nachricht früher bekommen als erwartet – oder sie hatten den Ort gar nicht erst verlassen. „Was liegt an, Azzurre?“, fragte Shani, die bereits voller Energie zu sein schien. Vielleicht stimmte ja etwas an dem Gerücht und Rothaarige hatten dermaßen viel Esprit, zumindest sah es deutlich danach aus. „Es scheint, dass einer der Shinken-Nutzer aus Narukanas Gruppe eine Geheimwaffe hat. Findet ihn und macht ihn unschädlich. Und wenn das schon nicht funktioniert, dann findet wenigstens heraus, was es für eine Waffe ist, die dermaßen viel Mana verbraucht.“ „Klingt spaßig“, kommentierte Shani. Yuina und Sable schwiegen. Azzurre nickte. „Ihr drei werdet diesmal allein gehen. Enttäuscht unseren Meister nicht.“ „Sehr wohl.“ Damit verschwanden sie und ließen Azzurre allein in der Stille zurück. Kapitel 14: Divine Magic ------------------------ Auf Bitten des jungen Mädchens hatte Katima sich schließlich bereit erklärt, gemeinsam mit Naya wieder in die Stadt zu gehen, diesmal nicht um zu essen, sondern einfach um sich die Gegend anzusehen. Als eine der Repräsentantinnen von Saltzwei, interessierte sich Naya für die Lebensbedingungen in dieser Stadt. Katima dagegen wollte sich einfach umsehen, da diese Stadt sie an ihre Heimat erinnerte. Im Gegensatz zu den anderen Welten, in denen sie bisher gewesen waren, sah es hier tatsächlich wie in der Schwertwelt aus. Und auch wenn sie es nicht gern zugab, aber sie vermisste ihre Heimat immer wieder und fragte sich, wie es dort wohl lief. Eine Rückkehr kam aber erst einmal nicht in Frage. Die Pflichten einer Königin setzten ihr mehr zu, als die Reise von Welt zu Welt, um Rogus zu finden. Letzteres war sogar sehr amüsant, wenn sie ehrlich war – und sie konnte bei ihren Freunden sein, die ihr in all der Zeit inzwischen lieb und teuer geworden waren. Und wenn sie zurückging, erwartete sie nichts außer der Einsamkeit in ihrem Palast und der stetigen Erinnerung an den Fluch, der in ihrem Blut lag und sie auf ewig mit Daraba verband. „He! Katima!“ Aus ihren Gedanken gerissen, sah die Königin Naya verwirrt an. Beide blieben automatisch stehen. Das Katzenmädchen erwiderte ihren Blick fröhlich. „Mach dir keine Sorgen. Du bist bestimmt eine gute Königin!“ „Huh? Woher weißt du, was ich denke?“ Naya lachte. „Bei dir ist das leicht. Man kann es dir an der Nasenspitze ansehen.“ Eine rosa Schattierung schlich sich in Katimas Teint. „Wirklich? Das wusste ich nicht.“ Die beiden lächelten sich zu und liefen schließlich weiter. Plötzlich grinste Naya. „Und solltest du dich jemals einsam fühlen in deinem Schloss, schickst du eine Nachricht nach Saltzwei und ich komme dich besuchen.“ Wieder sah die Königin sie verwirrt an. Es dauerte einen Moment, bis die Worte ihre Wirkung entfaltet hatten und sie lächeln ließen. „Danke, Naya.“ „Aber bislang sieht es ohnehin nicht so aus als kämen wir bald nach Hause, jiyaaaa.“ „Das ist richtig. Zuerst müssen wir in dieser Welt für Ordnung sorgen.“ Das Katzenmädchen nickte heftig. Stimmen von spielenden Kindern lenkte die Aufmerksamkeit der beiden auf sich. Im Gegensatz zu ihren Erwartungen spielten nicht nur arme Kinder in dieser Ecke der Stadt, sondern anhand der Kleidung zu urteilen auch Kinder aus den oberen Schichten. Katima verschränkte locker die Arme und beobachtete die Spielenden lächelnd. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus. Eines Tages, so war sie sich sicher, würde das auch in ihrem Königreich sein: Menschen, die nicht mehr auf den Standesunterschied achteten, sondern jeden einfach als das sahen, was er war - ein Mensch. Für dieses Ziel würde Katima alles tun. Naya dagegen sah den Kindern bedrückt zu. Als Mitglied der Herrscherfamilie von Saltzwei hatte sie nie mit anderen Kindern gespielt. Die einzigen, die annähernd in ihrem Alter gewesen waren, waren ihr Bruder Niyaa und die Brigademitglieder Thalia, Sorluska und Satsuki. Aber die meiste Zeit hatte sie mit ihrer Dienerin Philomela verbracht. Wie es dieser wohl gerade ging? Was sie wohl tat, während sie, Naya, nicht dabei war? Sie hätte gern eine Antwort auf diese Frage gewusst, aber offensichtlich würde sie diese nur bekommen, wenn sie es endlich schaffen würde, eine Verbindung nach Saltzwei aufzubauen – was von außerhalb des Zeitbaums gar nicht so einfach war. Aber eines Tages würde es ihr gelingen und dann könnte sie wieder mit Niyaa und Philomela sprechen, ohne ihre Freunde dafür verlassen zu müssen. Beim Gedanken daran, dass alle Mitglieder dieser Gruppe (ausgenommen Narukana, Zetsu und Leana, denn die drei verstand Naya nicht wirklich und würde sie vermutlich auch nie) nun Freunde von ihr waren, fühlte sie sich seltsam beschwingt und auch glücklich. Was aber immer noch nicht erklärte, weswegen sie besonders in der letzten Zeit immer öfter das Gefühl hatte, dass sie mit einer unheimlichen Genauigkeit die Gedanken der sie Umgebenden lesen oder ihre nächste Aktionen vorhersagen zu können. Sie wollte auch nicht Salles danach fragen, denn der Brigadeführer war stets beschäftigt und schien nicht einmal genug Zeit zum Essen zu haben. Und vielleicht hätte er ohnehin keine Antwort darauf und würde sich nur daran setzen, es herauszufinden, was ihm noch mehr von seiner Zeit nehmen würde. Und das wollte Naya auch nicht. Plötzlich reagierte Nayas Shinken auf etwas. Der Stab erschien in ihrer Hand. „Was ist los?“, fragte Katima. „Ich weiß nicht. Es scheint als wäre ein Feind in der Nähe.“ Das Gesicht der Königin verfinsterte sich. Die Kinder hielten im Spielen inne und fixierten einen bestimmten Punkt. Die beiden Shinken-Nutzer sahen ebenfalls hinüber – und erstarrten augenblicklich. „Das kann nicht...“, entfuhr es Katima. Naya schluckte schwer. „Ein weißer... Lakai...“ Ruputna stand immer noch in Angriffsstellung, aber die Echse reagierte nicht. Landis lächelte nur, sagte aber ebenfalls nichts, was bei beiden Frauen zu einem seltsamen irrealen Gefühl führte. Die ganze Szenerie wirkte unwirklich und wie ein Traum. Allerdings wirkte Landis völlig normal. Nicht so wie Ruputna ihn beschrieben hatte. Jatzieta ließ ihr Shinken langsam sinken. „Er erscheint mir nicht wie eine Bedrohung.“ „Bedrohung?“, fragte er überrascht, was beide Frauen zusammenzucken ließ. „Warum sollte ich-?“ Die Echse unterbrach ihn mit einem lauten Schrei. „Oh wirklich?“, fragte Landis. Anscheinend schien er zu verstehen, was das Wesen ihm sagen wollte. Ruputna stellte sich wieder aufrecht hin und sah Jatzieta fragend an. „Was sagt er?“ Die Angesprochene zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich kann ihn nicht verstehen. Aber Landis anscheinend schon.“ Neugierig und ehrfurchtsvoll betrachteten die Frauen Landis, der die Echse verstehend anblickte und hin und wieder nickte. Schließlich sah er in eine bestimmte Richtung. „Landis... was ist?“, fragte Ruputna mit zitternder Stimme. Die Tatsache, dass er nicht auf sie oder Jatzieta einging, machte sie nervös. „Gar nicht mal schlecht, das Haustier“, erklang plötzlich Yuinas Stimme. Ruputna zuckte zusammen, während Jatzieta schmunzelte. „Ist das eine von den Bösen?“ Die grünhaarige Yuina erschien wenige Schritte neben Jatzieta. „Sehr intelligent.“ „Tja, dabei bräuchte sie ihre Intelligenz bei dem Aussehen doch gar nicht“, erklang Shanis Stimme, bevor die Rothaarige neben Ruputna erschien. „Heh, danke“, kicherte Jatzieta. Ruputna rückte näher an die Ärztin. „Aber kämpfen ist dennoch nicht ihre Stärke“, sagte Sable, die hinter ihnen erschien. „Das nehme ich jetzt aber persönlich“, beklagte Jatzieta sich, als sie sich gemeinsam mit Ruputna umdrehte. „Ich bin eine ziemlich gute Kämpferin.“ „Ja, klar.“ Sie runzelte verärgert ihre Stirn. „Was wollt ihr hier überhaupt?“ „Ich muss mich wohl korrigieren“, meinte Shani. „So groß ist ihre Intelligenz doch nicht.“ „Es ist doch klar, was sie wollen“, merkte Landis an, der inzwischen nähergekommen war. Die Echse war spurlos verschwunden. „Was wollen wir denn?“, fragte Yuina lauernd. „Die Mana-Ansammlung hat euch angelockt – und wahrscheinlich sollt ihr auch den Urheber dieser Ansammlung auslöschen, nicht?“ Die drei Feindinnen tauschten verwirrte Blicke miteinander. „Woher weißt du das?“ „Das Mana hat es mir verraten.“ „Was für ein geschwätziges Mana es auf diesem Planeten gibt“, tadelte Sable. „Aber genug der Worte.“ Die drei Feindinnen zogen ihre Waffen. Ruputna stellte sich wieder in Kampfstellung, während Jatzieta und Landis ihre Waffen erscheinen ließen. „Heute ohne Lakaien?“, fragte die Ärztin. „Ausnahmsweise“, kam die Antwort von Yuina. Für den Bruchteil eines Augenblicks standen sich die beiden Gruppen einfach gegenüber – dann wagte Sable den ersten Angriff. Naya und Katima hatten sich schützend vor die Kinder gestellt, aber schon bald waren noch mehr weiße Lakaien erschienen, die die Gruppe umstellt hatten. Sie hatten bereits einige von ihnen getötet, aber sie waren sofort von neuen Lakaien ersetzt worden. Verängstigt hingen die Kinder aneinander und jammerten leise, während Naya und Katima darüber nachdachten, was nun zu tun war. Crowlance konnte nicht beschworen werden, weil die Kinder in der Schusslinie standen und mit Aigears war es genau dasselbe. Und die bloßen Angriffe brachten offensichtlich nichts. Aber irgend etwas mussten sie tun können, um den Kindern zu helfen. Ein Gedanke zuckte durch Nayas Kopf. „Katima! Links von dir!“ Die Königin fuhr herum und riss automatisch ihr Shinken hoch, was dafür sorgte, dass sich ein angreifender Lakai in goldene Funken auflöste. „Danke, Naya. Aber... woher hast du das gewusst?“ Nicht mal ich habe ihn bemerkt. „Ich... ich weiß nicht... es kam einfach so.“ Katima sah sie lächelnd an – und erschrak plötzlich. „W-was...!?“ „Was ist los?“ Naya fuhr herum, konnte aber nichts entdecken. „Nein, in deinem Gesicht!“ In dem Moment spürte auch das Katzenmädchen, dass sich Manafunken vor ihren Augen ansammelten. Den Bruchteil einer Sekunde später hatte sie ein getöntes Visier im Gesicht, ähnlich dem, den sie im Versorgungsturm von Saltzwei trug. Ungläubig betastete sie das Gestell. „Was... was ist das denn?“ Piepsende Geräusche erklangen daraus. Das Visier zeigte ihr an, dass etwas hinter ihr sie angriff. Mit ihrem Shinken im Anschlag fuhr Naya herum – nur um festzustellen, dass der Lakai den Angriff gerade erst begann. Wie kann das sein? Sie wehrte den Lakai ab, ihr Shinken teilte sich in die einzelnen Glieder, so dass sie ihn wie eine Peitsche schwingen konnte und den Lakaien zerstörte. Zwar wurde er sofort von einem neuen Lakaien ersetzt, aber dieser schien nicht angreifen zu wollen. Das Visier hat den Angriff vorhergesehen... „Naya, alles in Ordnung?“ Das Katzenmädchen nickte. „J-ja, alles bestens.“ Ich mache mir ein andermal darüber Gedanken. Katima warf einen Blick umher. Wie sollte sie nur die Kinder alle beschützen? Bislang hatten die Lakaien keinen ernsthaften Angriff auf sie gestartet, aber sobald sie es tun würden, gab es keine Möglichkeit, die Kinder und sie selbst zu schützen. Irgend etwas mussten sie doch tun können. Die Kinder schluchzten leise und verstärkten in Katima den Wunsch, sie zu beschützen, komme was wolle. Das Piepsen erklang erneut. „Pass auf!“, rief Naya. „Sie greifen an!“ Im nächsten Moment griffen die Lakaien gleichzeitig an. Die Kinder schrien auf. Katima spürte Hilflosigkeit – und plötzlich ein heißes Gefühl auf ihrem Rücken. Ein grünes Schutzschild um Yuina fing Ruputnas Angriff ab. Das Mädchen gab einen genervten Laut von sich. Jatzieta hob ihr laternenförmiges Shinken. Flammen strömten daraus hervor und griffen die Feinde an – doch Shani hob einen blauen Kristall, der den Zauber negierte. Die Ärztin knurrte leise. Normalerweise war es nur Shinken-Nutzer des gegenteiligen Elements möglich, einen Zauber zu negieren, aber offensichtlich hatten ihre Feinde einen Weg gefunden, diese Fähigkeit in Manakristallen zu speichern und sie somit für jeden zugänglich zu machen. Sie beschloss, sich das für ihr nächstes Gespräch mit Salles zu merken. „Wie ihr seht könnt ihr nichts gegen uns ausrichten“, sagte Sable. „Yuina kann jeden eurer physischen Angriffe abfangen und selbst eure Zauber nützen euch dank Shani nichts. Gebt einfach auf und händigt uns euren Freund aus.“ „Nie!“, widersprach Ruputna heftig. Sable seufzte. „Okay, ihr störrischen Shinken-Nutzer, dann eben bis zum bitteren Ende.“ „Das wird nicht nötig sein“, bemerkte Landis, als er vortrat. „Gibst du freiwillig auf?“, fragte Shani amüsiert. „Das darfst du nicht tun!“, rief Ruputna. Landis lachte. „Keine Sorge, das tue ich nicht.“ Er hob seine rechte Hand, eines der Kopis immer noch darin. „Draconius! Ruputna und Jatzieta sahen ihn fragend an. Auf seinen Ruf sammelte sich wieder Mana an und das Echsenwesen erschien wieder in voller Pracht. Der Blick der beiden wandelte sich in Staunen. „Er kann es... rufen?“ „So wie ein Shinjuu?“, fragte Ruputna. Jatzieta schüttelte den Kopf. „Nein, das ist anders...“ Sable schmunzelte. „Ja. Ein Shinjuu besteht zwar aus Mana, muss aber nicht beschworen werden, weil es Teil eines Shinken ist. Dieses Wesen allerdings... ist anders.“ „Richtig“, sagte Landis lächelnd. „Ganz anders.“ Glitzernde Federn erfüllten die Luft, als ob gerade unzählige Tauben über die Stadt geflogen wären. Die Sicht der Gruppe klärte sich nur langsam, die Lakaien gaben klagende Laute von sich. Ungläubig starrte Naya auf die weißen Federn an den Flügeln, die aus Katimas Rücken sprossen. „Wow...“ Die Flügel hatten eine enorme Spannweite, die die vier Kinder und Naya umschlossen und zu schützen schienen. Ein leises Raunen ging durch die Reihen der Kinder, während sie die Flügel mit leuchtenden Augen betrachteten. Ungläubig sah Katima ebenfalls die Flügel an. Noch konnte sie diese nicht als Teil ihres Körpers erkennen, nicht einmal der Gedanke kam ihr. „Ein... Engel... Wo ist er?“ Sie wandte den Kopf, um nach dem Engel zu sehen, ihre Augen weiteten sich erschrocken, als sie erkannte, dass die Flügel aus ihrem Rücken hervorwuchsen. Um sie herum standen immer noch weiße Lakaien. Aber nun wusste Katima, was zu tun war. Sie breitete ihre Flügel aus, noch mehr glitzernde Federn stoben durch die Luft, ohne dass die Flügel welche verloren hatten. Plötzlich schienen sich de Federn in scharfkantige Klingen zu verwandeln und griffen die Lakaien an. Die Wesen versuchten auszuweichen, wurden aber nach und nach von den Federn getroffen. Katima beobachtete das Spektakel fasziniert, auch wenn man mit dem bloßen Auge nicht mehr mitbekam als ein Glitzern und anschließend ein goldener Funkenregen. Ein erstauntes Raunen ging durch die Kinder, sogar Naya beteiligte sich daran. Als sämtliche Angreifer besiegt waren, herrschte für einen Moment eine gespannte Stille. Naya und Katima sahen sich konzentriert um. Würden neue Lakaien nachkommen? Oder würde gar ein Anführer auftauchen? Plötzlich verschwanden sowohl Katimas Flügel als auch Nayas Visier gleichzeitig. Die Bedrohung schien vorbei, so plötzlich wie sie aufgetaucht war. Verwirrt über das eben Geschehene, sahen die beiden sich an. „Was... war das?“ „Man nennt es Divine Magic“, erklärte Landis lächelnd. Die Echse stand zwischen seiner Gruppe und den Feinden und gab bedrohliche Laute von sich. „Es ist eine Fähigkeit, die nur unter bestimmten Bedingungen geweckt werden kann – aber auch dermaßen viel Mana verbraucht, dass es nicht ratsam ist, sie in Welten mit wenig Mana einzusetzen. Es sei denn, man will seine eigene Lebensspanne extrem verkürzen.“ Sables Gruppe wich langsam zurück. „Woher weißt du so viel darüber?“ „Keine Ahnung weswegen. Aber ich weiß es. Und das allein reicht mir.“ Seine Selbstsicherheit schüchterte nicht nur seine Feinde, sondern auch seine beiden Verbündeten ein, wenngleich Jatzieta es sich nicht anmerken lassen wollte. Die Echse ließ ihren Schwanz niedersausen. Er grub sich tief in die Erde und wühlte sogar die unmittelbare Umgebung auf. Dabei gab das Wesen einen markerschütternden Schrei von sich. Ruputna wusste nicht, wo er schlimmer geklungen hatte. In der Ruine mit all dem Echo oder hier draußen, wo sich der Schrei noch mehr entfalten konnte? Wie musste das erst für Leute klingen, die keine Ahnung hatten, was hier vorging? Die drei Anführerinnen waren in Abwehrstellung gegangen. Mit blassen Gesichtern betrachteten sie das schuppige Wesen und schienen zu überlegen, was sie nun tun sollten. Jatzieta, die sich in Sicherheit wähnte, amüsierte sich über den Vorfall. Sie war sich sicher, dass die Frauen nicht oft so zu sehen waren. Landis lächelte immer noch. „Na? Wo ist denn euer Selbstvertrauen hin, das ihr sonst immer so groß zur Schau tragt?“ Sable knurrte und wollte angreifen, aber die Echse fauchte noch einmal, was sie wieder zusammenzucken ließ. Die drei Frauen sahen sich an und schienen wortlos miteinander zu kommunizieren. Yuina seufzte. „Ich glaube, es wird Zeit für einen strategischen Rückzug, oder?“ Shani und Sable nickten zustimmend. Gemeinsam verschwanden die drei. Landis ließ seine Echse sich ebenfalls auflösen. „Landis?“ Lächelnd fuhr er zu Ruputna herum, die ihm im nächsten Moment schon schluchzend um den Hals fiel. „Oh Landis! Ich hatte soooooolche Angst um dich!“ „Schon in Ordnung, alles ist gut...“ Tröstend legte er seine Arme um sie und strich ihr über den Rücken. Jatzieta verschränkte die Arme vor ihrer Brust, während sie die Szenerie lächelnd betrachtete. „Ende gut, alles gut, hm? He, ihr Turteltäubchen, lasst uns nach Hause gehen, da könnt ihr weitermachen soviel ihr wollt.“ Und ich muss unbedingt mit Salles sprechen. Katima lächelte den begeisterten Kindern zu. „Jetzt geht nach Hause, ja?“ Sie nickten allesamt und liefen eilig in verschiedene Richtungen davon. Die Königin richtete sich wieder auf und sah Naya an. „Weißt du, was das eben war?“ Die Angesprochene schüttelte ihren Kopf. „Nein, ich bin genauso überrascht wie du. Aber was mich auch wundert: Wir haben heute das erste Mal weiße Lakaien gesehen.“ „Das ist richtig.“ Katima runzelte ihre Stirn. Dann gibt es also wahrscheinlich noch eine Anführerin. Aber was waren das für Kräfte, die wir eingesetzt haben? Wir sollten mit Salles oder Narukana darüber reden. Vielleicht wissen die etwas. „Naya, wollen wir wieder zurückgehen?“ „Ja, gehen wir.“ Während die beiden den Rückweg zu Monobe antraten, sah ihnen jemand aus einer Gasse hinterher. Azzurre lehnte neben einem weißhaarigen Mädchen an der Wand. „Hmmm, schade, wer hätte das gedacht? Wenn du nicht gerade auf die beiden gestoßen wärst...“ „... ja“, war die karge Antwort. „Aber nur keine Sorge. Bei der nächsten Großoffensive wirst du auch dabei sein – und dann wird das schon funktionieren.“ Das Mädchen nickte noch einmal. Azzurre verschwand und ließ sie allein zurück. Das Mädchen fing eine glitzernde Feder, die noch immer durch die Luft flog. Emotionslos betrachtete sie den Gegenstand, dann steckte sie ihn ein und ging langsam davon. Kapitel 15: Erklärende Worte ---------------------------- Salles hatte Jatzietas Ausführungen interessiert gelauscht und dabei immer wieder genickt. Ruputna und Landis waren nicht dabei, sondern hatten beschlossen, direkt auf die Krankenstation zu gehen, so dass die Ärztin ganz allein beim Brigadeführer war. „Hast du schon einmal von so etwas gehört?“ Er zögerte mit der Antwort. Jemand klopfte an die Tür, gleich darauf kamen Katima und Naya herein. Salles schmunzelte. „Und? Was habt ihr zu erzählen?“ Die beiden sahen Jatzieta an, aber diese winkte lächelnd ab. „Kümmert euch nicht um mich. Ich bin auch gespannt, eure Geschichte zu erfahren.“ Katima nickte. Die beiden begannen, Salles haarklein jedes Detail zu erzählen, an das sie sich noch erinnern konnten. Sowohl der Brigadeführer als auch die Ärztin lauschten interessiert. Beide zogen unabhängig voneinander die selben Schlüsse. Als die Erzählung beendet war, sahen sich Salles und Jatzieta an. „Divine Magic.“ „Was?“, fragten Katima und Naya gleichzeitig. „Jetzt wäre Zeit, zu antworten, Salles“, bemerkte Jatzieta. Er nickte. „Anscheinend ist es wohl der richtige Zeitpunkt. Katima, Naya, was ihr da gerade erlebt habt, war eine besondere Fähigkeit, die nicht jeder Shinken-Nutzer erwecken und einsetzen kann. Ich, zum Beispiel, verfügen nicht über eine solche. Ich denke, es hat etwas mit den Genen zu tun, aber ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, denn noch ist es zu wenig erforscht.“ „Und was bedeutet das?“, fragte Naya neugierig. „Unter bestimmten Umständen ist es einem Shinken-Nutzer möglich, extrem viel Mana zu sammeln und eine Technik einzusetzen, die noch stärker ist als die Divine Force. Allerdings zerrt die Divine Magic an dem Mana und dem Nutzer selbst, was sein Leben extrem verkürzen und ihn bei einem exzessivem Gebrauch sogar umbringen kann. Deswegen sollte sie nur eingesetzt werden, wenn wirklich Gefahr für Leib und Leben besteht.“ Naya runzelte ihre Stirn. „So gefährlich?“ Salles nickte. „Landis wusste das bereits“, meinte Jatzieta nachdenklich. „Ob sein Vater etwas damit zu tun hat?“ „Es ist nicht auszuschließen, dass der Eternal, der ihn rettete, beim Einsetzen einer Divine Magic, so stark verletzt wurde, dass er schließlich starb.“ Salles schob seine Brille zurück und blickte Katima und Naya an. „Jedenfalls könnt ihr euch glücklich schätzen, ihr seid nach Landis die ersten, die diese Technik erlernt haben.“ „Oh...“, sagte die Königin nur. Naya grinste einen Moment, doch als ihr etwas bewusst wurde, verzog sie ihr Gesicht wieder. „Da kann ich schon mal mehr als Sorluska und dann kann ich nicht einmal damit angeben, weil ihn so eine defensive Fähigkeit bestimmt nicht interessiert.“ Jatzieta lachte. „Dumm gelaufen. Aber probieren könntest du es ja mal.“ „Oh, gute Idee. Katima, kommst du?“ Die Angesprochene nickte lächelnd und nach einem letzten Gruß an Salles und Jatzieta gingen die beiden wieder hinaus. Für einen Moment herrschte Schweigen im Büro. Beide hingen ihren eigenen Gedanken nach, während die Uhr leise vor sich hintickte. Es war Salles nie aufgefallen, dass man das Ticken so deutlich hören konnte. Obwohl er in diesem Raum sehr viel Zeit verbrachte, schien es ihm, als könne er es das erste Mal bewusst hören. War er sonst zu sehr in seine Arbeit vertieft, um es zu bemerken? Jatzieta seufzte plötzlich, aber sie lächelte. „Neue Abenteuer für uns, hm? Nun, solange wir sie zusammen durchstehen...“ „Zusammen, hm?“ Sie nickte kichernd. „Oh ja. Immerhin sind wir Kameraden, nicht?“ Er lächelte ebenfalls. „Das stimmt. Wir werden das zusammen durchstehen.“ „So gefällst du mir schon besser. Gut, mein Lieber, dann mache ich mich mal wieder an die Arbeit.“ Mit einem süffisanten Lächeln, das für jeden anderen unwiderstehlich und aufreizend gewirkt hätte, verabschiedete sie sich von dem Brigadeführer und verließ das Büro, um auf die Krankenstation zurückzukehren. Amüsiert lächelnd schob er seine Brille zurück und machte sich ebenfalls wieder an die Arbeit. Mit Landis sah die Krankenstation schon wieder viel normaler aus. Er hatte zwar gegen Ruputnas Worte protestiert, aber sie hatte diese nicht beachtet, ihn dennoch dorthin gezerrt und auf einem Bett platziert – nur um sicherzugehen. Nun saß sie neben ihm und hielt ihn stets in ihren Armen. „Oh, Lan, ich habe mir solche Sorgen gemacht. Ich dachte, du wärst jetzt unser Feind.“ Tröstend strich er über ihren Rücken. „Schon in Ordnung. Es ist doch alles gut. Tut mir Leid, dass ich dir Sorgen bereitet habe. Aber... was ist überhaupt passiert?“ Ihre Miene wandelte sich in Erstaunen. „Was? Erinnerst du dich etwa nicht mehr?“ Als er seinen Kopf schüttelte, erzählte sie ihm wieder, was in der Ruine und kurz danach geschehen war. Er hörte ihr aufmerksam zu, ohne sie zu unterbrechen. Als sie schließlich fertig war, pfiff er durch die Zähne. „Klingt alles sehr seltsam. Ich erinnere mich an gar nichts. Außer unseren Kampf gegen die drei Anführerinnen.“ Ruputna legte den Kopf schräg. „Wie kann das sein?“ Er zuckte nur mit den Schultern und löste sich aus ihrer Umarmung. Sie beobachtete ihn fragend, während er seine Stiefel auszog, um auch endlich die Füße aufs Bett zu legen und sich mit dem Rücken gegen das Kopfende gelehnt hinzusetzen. Schließlich streckte er lächelnd seine Arme aus. Vergnügt lachend stürzte sie sich in die geöffnete Arme und kuschelte sich an seine Brust. „Ach, Lan... mach sowas nie wieder, ja?“ „Nie wieder“, versprach er. „Sehr gut“, murmelte sie leise. Es dauerte nicht lange, bis Ruputna eingeschlafen war. Landis strich nach wie vor über ihren Rücken und lächelte vor sich hin. Die Tür öffnete sich und Jatzieta kam herein. Als sie das eng umschlungene Pärchen sah, grinste sie. „Na, komme ich ungelegen?“ Landis schmunzelte. „Ruputna schläft. Und, was hat die Unterhaltung mit Salles gebracht?“ „Nicht viel mehr als du uns bereits gesagt hast. Oh ja, bei Katima und Naya ist die Fähigkeit ebenfalls erwacht.“ „Ah ja?“ Jatzieta nickte und widmete ihre Aufmerksamkeit ihrem Medizinschrank. „Wie siehts mit den Medikamenten aus?“, fragte Landis. „Oh, ich habe Satsuki gebeten, mir neue Medikamente oder zumindest die nötigen Zutaten aus der Stadt zu holen. Mach dir also keine Gedanken.“ Er nickte und betrachtete wieder die schlafende Ruputna, während die Ärztin sich lächelnd an ihren Schreibtisch setzte. Subaru bewegte sich murrend durch die Gänge, durch die Satsuki ihn zog. „Komm schon, stell dich nicht so an“, tadelte sie. „Wir wollen doch nur Medizin holen gehen.“ „Warum nimmst du gerade mich mit? Warum nicht Nozomu?“ Satsuki seufzte. „Weil Nozomu nicht deprimiert ist. Du aber schon und das will ich ändern.“ „Indem du mich hier durch die Gegend zerrst?“ Seufzend blieb Satsuki stehen und ließ ihn los. „Hör mal, seit gestern bist du dauernd nur deprimiert. Das kenne ich gar nicht von dir. Nicht einmal nach der Sache mit Shou warst du so drauf.“ Subaru senkte betrübt den Blick. Sie sah ihn besorgt an. „Weißt du, es nicht gut, dass du dich so hängen lässt. Vor allem nicht wegen einem Mädchen, das du kaum kennst. Erst mal solltest du wieder positiv denken und dann solltest du, wenn sie dir wirklich so viel bedeutet, versuchen, um sie zu kämpfen.“ „Aber...“ „Es ist nicht immer so einfach, wie man es gerne hätte. Aber wenn dir jemand was bedeutet, dann kann dieser Jemand von dir erwarten, dass du auch kämpfst. Weißt du, manche Frauen sagen einfach mal Nein. Manchmal nur um zu sehen, ob sie dir etwas wert sind. Immerhin mag sie dich, sonst hätte sie nicht die Zeit mit dir verbracht.“ Verwirrt sah Subaru sie an. „Das klingt... kompliziert. Ich weiß nicht, ob ich das verstehe...“ Sie winkte ab. „Das kommt davon, weil ihr Männer zu wenig denkt. Frauen dagegen sind wesentlich durchdachter und haben komplexere Gedankengänge.“ „Ich finde Frauen eher verwirrender... Woher soll ein Mann so etwas überhaupt wissen? Und wissen Frauen das auch selbst?“ Satsuki nickte bestimmt. „Das ist eine ungeschriebene Frauenregel.“ Subaru sah sie zweifelnd an, mit dem vergeblichen Versuch, herauszufinden, ob sie die Wahrheit sagte oder sich nur einen Spaß daraus machte, ihn zu ärgern und zu verwirren. Allerdings war ihr Gesicht völlig ernst, auch ihre Augen zeigten kein Anzeichen von Humor. Er seufzte resignierend. „Glaubst du, du kannst mir beibringen, wie ich Frauen besser verstehen kann?“ Sie strahlte. „Aber natürlich, Subaru. Mit dem größten Vergnügen.“ „Danke, Satsuki.“ Sie nahm wieder seinen Arm und ging weiter mit ihm den Gang hinunter. „Als erstes vergisst du am besten Mal dieses Liebe-kann-man-nicht-kaufen-Gesülze, das man viel zu oft hört. Ein paar kleine Geschenke können bei Frauen nämlich Wunder bewirken, weißt du?“ „Oh, wirklich?“ Satsuki nickte. „Jap. Wenn wir in der Stadt sind, werden wir schon sehen, was man Hübsches kaufen kann für deine Freundin.“ „In Ordnung.“ Mit gerunzelter Stirn stand Adina vor dem Altar, auf dem das Shinken geruht hatte. Karfunkel saß davor und verfolgte die Mana-Strömungen. Sie dagegen stand in Gedanken versunken da. Wer baute denn Tempel für Shinken? Es waren Teile eines göttlichen Schwertes, aber machte es sie selbst ebenfalls anbetungswürdig? Oder dienten die Tempel einem anderem Zweck? Vielleicht war es das beste Versteck für die Shinken gewesen? Oder man hatte sie aufgrund ihrer Fähigkeiten und ihres eigenen Willen tatsächlich angebetet. Auf der Erde hatte es Murakumo gegeben. Ein Schwert, das laut der Mythologie (wer wusste schon, wie viel Wahrheit darin steckte) zum japanischen Nationalschatz gehörte und angeblich von dem Gott Susanoo geführt worden war. Wenngleich das Schwert inzwischen als Kusanagi bekannt war. Karfunkel seufzte und riss Adina damit aus ihren Gedanken. „Und? Wie sieht es aus?“ „Ich kann den Manastrom des Shinken nicht verfolgen. Wer immer es gestohlen hat, hat ganze Arbeit geleistet, seine Spuren zu verwischen.“ „Dann weißt du auch nicht, wer es war?“ Das Shinjuu schüttelte den Kopf. „Es scheint auch eine ganze Weile her zu sein, seit das geschehen ist. Es hat also nichts mit unseren aktuellen Feinden zu tun.“ Adina seufzte. „Gut, dann setzen wir das auf die Liste der Dinge, die wir anschließend erledigen.“ „Verstanden.“ Sie seufzte noch einmal. „Karfunkel, tust du mir einen Gefallen?“ Das Shinjuu sah sie auffordernd an. „Also... ich werde für eine Weile weg sein, aber ich will, dass du zu den anderen zurückgehst.“ „Wo willst du hin?“ „Es gibt da etwas, was ich tun muss.“ „Was?“, hakte Karfunkel nach. Adina schwieg und wich seinem Blick aus. Eilig wandte sie sich ab. „Hast du verstanden?“ „Ja, habe ich. Und ich tue, was du von mir verlangst.“ „... danke.“ „Wenn auch unter Protest.“ Sie lächelte leicht. „Natürlich.“ Damit ging sie langsam davon. Karfunkel sah ihr nachdenklich hinterher. Bestimmt macht sie sich Sorgen um Ciar... was ist nur mit ihm passiert? Wo ist er hin? Das Shinjuu wartete einen Moment und machte sich dann auf den Weg nach draußen, um sich gefahrlos in Mana zu verwandeln und zu den anderen zurückzukehren. Azzurre stand gelassen vor dem Thron, auf dem ihr Meister Platz zu nehmen pflegte. Augenblicklich war er nicht da, außer ihr befand sich niemand in dem dunklen Raum, wenngleich sie Blicke auf sich spüren konnte. Im Gegensatz zu den anderen drei Anführerinnen, verspürte Azzurre in diesem Raum keine Furcht und war deswegen die einzige, die regelmäßig Bericht erstattete. Wenngleich ihr das als Älteste der Gruppe auch als ihre Pflicht erschien. Ein kaum sichtbares Portal erschien und heraus trat eine Gestalt mit einem schwarzen Umhang, der sich kaum von der Umgebung abhob, so dass die weiße Maske, die sein Gesicht verdeckte, unheimlich in der Luft zu schweben schien. Schwarzes Haar quoll unter der Kapuze hervor. Der Umhang raschelte, als die Gestalt sich bewegte und schließlich auf dem Thron Platz nahm. „Nun, was hast du mir zu berichten, Azzurre?“ Sie räusperte sich. „Offensichtlich ist bei drei Mitgliedern von Murakumos Gruppe die Divine Magic erwacht. Dies führte dazu, dass weder Sables Gruppe ihren Auftrag ausführen konnte noch dass die weißen Lakaien die Stadt infiltrieren konnten.“ „Ich verstehe.“ Die beiden schwiegen. Ein leises Rauschen war zu hören, das von überall und doch gleichzeitig von nirgendwo zu kommen schien. Azzurre wusste, dass es von einem riesigen Manakristall verursacht wurde, der die Manaströme dieser Welt auffing und an diejenigen abgab, die auf der Seite seines Besitzers standen – in diesem Fall also an die Lakaien und ihre Anführer. Schließlich seufzte die Gestalt. „Daran kann man wohl nichts ändern. Aber gebt euch Mühe, bei der nächste Mission nicht zu versagen. Denkt immer an unseren Plan für eine bessere Welt.“ Azzurre nickte. „Sehr wohl, Meister Ciar.“ Kapitel 16: Freizeit -------------------- Karfunkel seufzte leise, als er bemerkte, neben wem er da gerade in der Monobe Academy erschienen war. Narukana wandte ihm sofort den Blick zu. „Oh, das kleine Shinjuu. Ganz allein?“ „Wie du siehst...“ Der Fuchs lief los und quietschte leise, als Narukana ihm an einem seiner Schwänze packte. „Warte mal, mein Kleiner. Wo ist denn das Blondchen?“ „Was geht dich das an? Lass los!“ „Also weißt du das nicht, huh?“ Karfunkel wand sich weiter unter ihrem Griff und versuchte, sich zu befreien, aber sie legte noch mehr Kraft in das Handgelenk. „Sag schon!“ Während Karfunkel sich weiterhin erfolglos zu befreien versuchte, erschien seine Rettung in Form von Nozomi: „Narukana, was tust du da?“ Die Göttin ließ das Shinjuu sofort los und wandte sich dem Störenfried zu. „Ich quetsche dieses nichtsnutzige Shinjuu aus, was denn sonst?“ Bevor sie ihn wieder greifen konnte, sprang Karfunkel hinter Nozomis Beine, um sich in Sicherheit zu bringen. „Aber warum?“, fragte das Mädchen. Narukana stemmte wütend die Arme in die Hüfte. „Ich will nicht, dass sie abhaut, ohne mir zu sagen, wo Rogus ist.“ Nozomi faltete die Hände vor ihrer Brust. „Warum sollte sie das denn tun?“ „Sei nicht so naiv!“, fauchte Narukana. „Bestimmt steckt sie mit Rogus unter einer Decke und nutzt uns nur aus. Und sobald wir hier alles geregelt haben, haut sie ab und heimst die Lorbeeren ein, während wir hier nur unsere Zeit vergeudet haben.“ Nozomis Blick wechselte zu Ärger. „Vergeudet? Wir retten hier unzählige Menschenleben!“ Die Göttin rollte mit den Augen. „War ja klar, dass da deine sentimentale Ader wieder vorkommt.“ „Narukana!“ „Pah!“ Wütend fuhr sie herum und lief davon, Nozomi und Karfunkel allein lassend. Das Mädchen seufzte leise. „Bestimmt meint sie das nicht so...“ Sie kannte Narukana nicht wirklich, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass der Göttin Menschenleben so egal waren. Dafür hatte sie der Gruppe schon zu oft geholfen. Vielleicht setzte ihr nur ihre Fehde mit Rogus zu. Das Shinjuu seufzte. „Danke für deine Hilfe.“ „Schon gut. Ich bin froh, dass ich dir helfen konnte.“ Sie lächelte und ging ebenfalls wieder davon. Das wird eine wahrlich harte Zeit, dachte Karfunkel. Hoffentlich ist das bald vorbei. Nozomu lag leise summend auf seinem Futon und genoss die ruhige Zeit, die er so selten hatte. Immer war einer der anderen in seiner Nähe, nie hatte er mal Zeit für sich. Ganz im Gegensatz zu früher, als er noch allein in seinem Haus gewohnt hatte und er nur hin und wieder Satsukis Zorn erregt hatte. Manchmal vermisste er diese Zeit noch, aber andererseits würde er seine Erfahrungen und seine Freunde gegen nichts auf der Welt eintauschen wollen. Dennoch wünschte er sich mehr Frieden. Die ewigen Kämpfe und Schlachten gegen irgendwelche Feinde, die etwas Böses planten, gingen ihm langsam aber sicher auf die Nerven. Hmmm, normalerweise, wenn ich die Ruhe genieße... Wie erwartet erschien plötzlich Rehme: „No-zo-mu~ was machst du?“ „Gar nichts.“ Sie setzte sich neben ihn. „Karfunkel ist übrigens wieder da. Aber ohne Adina.“ Aufmerksam geworden wandte er den Kopf, um sie anzusehen. „Was? Wieso das?“ Rehme zuckte mit den Schultern. „Weißt du, irgendwie macht sie mich misstrauisch, dich nicht? Immerhin macht sie, was sie will und verschwindet einfach so und schickt uns dann ihr Shinjuu.“ „Vielleicht hat sie etwas anderes zu tun und will das alleine erledigen.“ Sie grübelte eine Weile und sah ihn dabei genervt an. „Aber was kann sie zu tun haben?“ „Wer weiß?“, antwortete Nozomu nur. „Sei nicht so misstrauisch.“ „Und du solltest nicht so naiv sein.“ Er seufzte. „Ja ja ja.“ Rehme schwieg. Nozomu tat es ihr nach und starrte wieder an die Decke. „Wie spannend“, bemerkte sie plötzlich trocken. „Keiner zwingt dich, hier bei mir zu sein.“ Sie verpasste ihm eine Kopfnuss. „Du Idiot!“ „Blah... wo ist eigentlich Satsuki?“ Er hatte ganz vergessen, zu fragen, wo sie hingehen wollte. Anfangs hatte es ihn nicht interessiert, aber die Kopfnuss hatte sie wieder in sein Gedächtnis gerufen. „Einkaufen, mit Subaru. Jatzieta hat sie Medizin holen geschickt.“ „Wird sie lange dafür brauchen?“ Rehme schmunzelte. „Sehr lange. In der Stadt wird sie nämlich kaum das finden, was sie besorgen soll.“ Satsuki seufzte zum wiederholten Male, während sie auf der Bank saß und die Liste betrachtete, die der Apotheker ihr in die Hand gedrückt hatte. Er hatte ihr zugesagt, ihr alles von Jatzietas Liste zu mischen, sofern sie ihm die erforderlichen Zutaten von seiner Liste bringen würde. Dabei hatte Satsuki doch keine Ahnung von Fauna und Flora dieser Welt. Und auf den geistig abwesenden Subaru konnte sie sich auch nicht verlassen. Was sollte sie nur tun? Am besten wäre es, wenn sie einen Einheimischen dabei hätten, der sich damit auskennt. Aber woher nehmen und nicht stehlen? Subaru saß neben Satsuki und starrte gedankenverloren durch die Gegend. Niemand auf der Straße kam ihm bekannt vor. Auch Baila war nicht zu sehen. Wo sie wohl war? Was sie gerade tat? Mit einemmal sprang Satsuki fluchend auf. „Das darf doch nicht wahr sein!“ Erschrocken sah Subaru sie an. „Was ist los?“ „Diese verdammte Liste! Wie sollen wir das nur jemals abarbeiten!?“ „Beruhige dich doch, bitte.“ Beschwichtigend hob er seine Hände, doch sie schimpfte weiter: „Wie soll ich mich beruhigen!? Wir müssen diese verdammten Pflanzen finden, nur um diese dummen Medikamente zu bekommen. Und wir haben keine Ahnung von allem...“ Subaru runzelte besorgt seine Stirn. Ja, das klang wirklich nach einem Problem, das nicht so einfach zu lösen war. Oder doch? Irgend etwas in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass er etwas übersehen hatte... irgend etwas. „Probleme?“ Die beiden wandten die Köpfe. Ein Junge mit schneeweißem Haar und violetten Augen stand auf dem Weg. Er trug eine kurze weiße Hose, ein bauchfreies Oberteil – ebenfalls weiß, gleichfarbige Stiefel und dazu einen Umhang. Ein kleiner Flügel, der bestimmt nicht zum Fliegen taugte, ragte hinter seiner rechten Schulter hervor. Er lächelte, während er an einer Waffel kaute. „Lange nicht gesehen.“ „Heri!“, rief Satsuki und wirkte dabei deutlich erleichtert. Heridearutsu war der Gruppe während dem Kampf gegen Sharivars Seeker begegnet. Ursprünglich hatte er gemeinsam mit seinem Gegenpart Garubarusu gegen Nozomus Gruppe gekämpft, doch die Güte des Eternal und seiner Freunde hatten den Jungen die Seiten wechseln lassen. Inzwischen unterrichtete er gemeinsam mit Sanae die anderen Schüler der Monobe Academy, auch wenn die Shinken-Nutzer (außer Nozomi und Naya) den Unterricht gern schwänzten. Er redete nie darüber wie alt er war und wenn das Gespräch darauf kam, lächelte er nur vielsagend, aber so viel, wie er wusste, musste er ziemlich alt sein. Unter den Schülern liefen bereits Wetten und gezielte Wettbewerbe, um es herauszufinden, aber bislang hatte es keiner geschafft. „Ich habe gehört, ihr habt viel zu tun“, sagte Heridearutsu. „Die Minion Corps Leader sollen ziemlich hinterhältig sein.“ „Das stimmt.“ Satsuki nickte heftig. „Und dann müssen wir jetzt auch noch Medikamente besorgen. Heri, du kannst uns nicht zufällig helfen?“ Sie wedelte mit der Liste des Apothekers. Neugierig nahm er sie ihr ab und betrachtete die Angaben interessiert. Dabei nickte er immer wieder. Aufgeregt wartete Satsuki auf seine Meinung. Als er sie lächelnd ansah, fiel ihr ein Stein vom Herzen, obwohl er eigentlich immer lächelte, so dass dies nicht als Indikator für eine positive oder eine negative Nachricht dienen konnte. „Gut, ich kann euch helfen. Ich kenne das alles.“ Sie seufzte erleichtert. Auch Subaru lächelte. „Dann fangen wir an?“ Heridearutsu nickte. „Mh-hm. Gehen wir.“ Nach der anfänglichen Euphorie über die ruhige Zeit ohne Satsuki, hatte schließlich die Langeweile eingesetzt. Ziellos wanderte Nozomu durch das Schulgebäude, bis es ihn schließlich aufs Dach verschlug. Da es ein sonniger Tag war, war es nicht nur sehr warm (obwohl es auf dem Dach meist eher kühl war), der Ausblick war auch sehr klar. Wenn es auch nichts anderes zu sehen gab, als Felder, Wiesen, Wälder und ein paar kleinere Städte, von denen die meisten durch die Minion Corps verwaist waren. Rehme, die ihren Partner wie immer begleitet hatte, schwebte umher und betrachtete die Umgebung von allen Seiten, während Nozomu sich auf die Bank setzte, die hier aufgestellt worden war und sich entspannt zurücklehnte. Von seinem Platz aus blickte er direkt auf die Burg von Cresting. Die Aufbauarbeiten, die in der Stadt bereits abgeschlossen waren, kamen bei der Burg gut voran. In ein paar Woche oder Monaten, würden sie auch da beendet sein und die Stadt hätte ihren alten Glanz wieder. Nozomu schmunzelte, während er darüber nachdachte, ob König Aretas und Katima ein gutes Paar wären. Allerdings hatten die beiden sich noch nie gesehen, also würde das wohl nichts werden. Schade, eigentlich. Nozomu nahm eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr, die nicht von Rehme stammte. Er wandte den Kopf. „Was machst du denn hier?“ Nanashi presste ihre Lippen aufeinander und sah ihn schmollend an. Rehme gesellte sich ebenfalls wieder zu ihnen. „Oooooow, ist das kleine Shinjuu eifersüchtig?“ „Nein“, antwortete Nanashi, erstaunlich ruhig. „Ich bin nur hier, weil ich auch einmal allein sein wollte. Aber das geht in dieser Schule wohl nicht.“ Nozomu blinzelte verwirrt. „Es gibt Shinjuu, die allein sein wollen? Rehme klebt immer an mir.“ Die Glocken in ihrem Haar klingelten laut, als Rehme Nozomu wütend in die Wange kniff. „Rede nicht so einen Blödsinn!“ Er lachte leise, während er sie von seiner Wange löste und dann in einiger Entfernung von seinem Gesicht hielt. Nanashi sah die beiden deprimiert an. Rehme wandte ihr den Kopf zu. „Was ist denn los? Warum so deprimiert? Gibt es einen Grund dafür?“ „Was interessiert dich das?“, schnappte Nanashi. Beleidigt pumpte Rehme Luft in ihre Backen. Aber statt einer scharfen Erwiderung, setzte sie nur ein trotziges Gesicht auf. „Pffft, dann eben nicht. Komm, Nozomu, lass uns gehen.“ Wenn er nicht genau gewusst hätte, dass Rehme das störrische Shinjuu damit nur aus der Reserve locken wollte, wäre er nicht darauf eingegangen, aber so nickte er zustimmend. „Ja, gehen wir.“ Als er Anstalten machte, aufzustehen, breitete sich Panik in Nanashis Gesicht aus. „Nein, warte! Warte doch mal, so meinte ich das nicht.“ Er lehnte sich wieder zurück. Rehme setzte sich auf seine Schulter. „Na, dann erzähl doch mal, was dich hier einsam und allein aufs Dach treibt.“ Beide konnten es sich ohnehin denken, aber vielleicht gab es zur Abwechslung ja doch eine Überraschung. „Es geht um Zetsu und Leana.“ „Oooooooh!“, riefen Nozomu und Rehme aus. „Überraschung.“ Nanashi seufzte. „Wenn ihr euch nur über mich lustig machen wollt, können wir das hier auch lassen.“ „Tut mir Leid“, prustete Nozomu. Er räusperte sich und wurde wieder ernst. „Was ist denn mit den beiden?“ Nanashi verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sich auf der Rückenlehne der Bank nieder. „Es geht mir nicht um Eifersucht, nicht mehr, klar? Aber früher gab es nur Meister Zetsu und mich. Viele, viele Jahre lang. Und dann tauchte Leana auf – und Isolde. Und seitdem ignoriert Zetsu mich einfach.“ Rehme schmunzelte. „Dein Meisterchen ist eben verliebt, das musst du akzeptieren. Dich in Selbstmitleid zu suhlen ist der absolut falsche Weg.“ Nanashi sah das andere Shinjuu nachdenklich an. Es war ungewohnt, dass die beiden sich so ernst unterhielten, ohne dass eine der beiden sich über die andere lustig machte. „A-aber“, setzte Nanashi schließlich wieder an, „ich kann nach dem, was ich tun wollte, auch nicht mehr einfach bei ihnen sein...“ Nozomu runzelte seine Stirn. „Was wolltest du denn tun?“ Ertappt presste sie wieder die Lippen aufeinander. Rehme tauschte einen Blick mit ihrem Partner. Beide hatten keine Ahnung, wovon sie sprach, merkten aber, dass es auch keinen Sinn machte, weiterzufragen. In diesem Fall schien Nanashi wirklich nicht sprechen zu wollen. Also übernahm Nozomu wieder das Wort: „Na ja, wie auch immer. Ich an deiner Stelle würde versuchen, mir keine Gedanken darum zu machen. Natürlich wird es, solange Leana da ist, nie wieder so werden wie früher, zwischen dir und Zetsu. Aber wenn dir etwas an ihm liegt, solltest du dich für ihn freuen. Erfülle deine Aufgabe als Shinjuu und unterstütze ihn, ohne dich in den Vordergrund drängen zu wollen.“ Während Nanashi nun ihn nachdenklich ansah, war Rehmes Blick beeindruckt. Er ließ sich nichts anmerken und blieb ernsthaft. Plötzlich begann Nanashi zu lächeln. „Du hast recht, Nozomu. So werde ich das machen. Vielen Dank.“ Ohne Vorwarnung gab sie ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand schließlich. Rehme kicherte. „Na sowas, hast du einen neuen Fan?“ „Ach was. Sie ist nur... überschwänglich dankbar.“ „Ich wusste gar nicht, wie tiefgehend du sein kannst.“ Nozomu grinste. Sie runzelte ihre Stirn. „Was ist? Was ist los?“ „Ich hab mir das nicht selbst ausgedacht. Das hab ich aus einem Manga, den ich mal gelesen habe. Ich musste es nur ein wenig abändern.“ Angesäuert zog Rehme an seinem Ohr. „Du kleiner Lügner! Du hast mich so beeindruckt und dann das!“ Lachend wehrte er sie wieder ab. „Komm schon, die Hauptsache ist doch, dass es funktioniert hat. Oder wolltest du dich weiter mit einer mies gelaunten Nanashi herumschlagen?“ Nachdenklich hielt sie in seiner Hand inne. „Nein, eigentlich nicht. Gut gemacht, Nozomu, du denkst sogar mit.“ „Na was denkst du denn? Und jetzt lass uns unsere Freizeit genießen.“ Sie nickte zufrieden und setzte sich wieder auf seine Schulter, kaum dass er sie losgelassen hatte. Leise summend betrachtete sie die Umgebung. Da er inzwischen viel Zeit mit dem Shinjuu verbracht hatte, hatte er kein Problem damit, alles, was sie tat, auszublenden. Was er allerdings nicht ausblenden konnte, war der Lichtblitz, der aus einem nahegelegenen Wald zu kommen schien. „Was war das denn?“, fragte Rehme überrascht. „Keine Ahnung.“ Nozomu schmunzelte. „Wollen wir nachsehen?“ „Und was ist mit unserer Freizeit?“ „Ist doch langweilig, oder?“ Fassungslos sah das Shinjuu ihn an, doch plötzlich grinste sie. „Hast recht. Also los!“ Kapitel 17: Auf Kräutersuche im Crestwald ----------------------------------------- Satsuki hatte schon einige Wälder gesehen. In Nozomus Heimatwelt, in der Schwertwelt, in der Geisterwelt und auch in Izumo. Dementsprechend glaubte sie, dass nichts im Crestwald sie überraschen könnte. Wie sehr sie sich geirrt hatte, stellte sie aber schon nach wenigen Schritten fest. Etwas huschte über ihren Fuß. Erschrocken kreischend sprang sie zurück. „Was war das!?“ Heridearutsu und Subaru beobachteten den Käfer, der ohne jede Irritation weiterlief. Satsuki kreischte noch einmal. „Igitt! Wie ekelhaft!“ „Zum Glück ist das keine Zutat“, meinte Heridearutsu schmunzelnd. „Sonst müssten wir den mit uns herumtragen.“ Die Schulsprecherin schüttelte sich. „Brrrr, allein der Gedanke daran jagt mir Schauer über den Rücken.“ „Gibt es solche Käfer nicht in anderen Wäldern?“, fragte Subaru. „Nicht, dass ich wüsste.“ „Zumindest nicht in japanischen Wäldern“, ergänzte Heridearutsu. „Kein Wunder, dass Satsuki diese Insekten nicht kennt.“ „Die will ich auch gar nicht kennen.“ Sie grummelte leise und ging weiter, den Blick diesmal auf den Boden gerichtet, um nicht noch so eine Überraschung zu erleben. Subaru und Heridearutsu sahen ihr neugierig hinterher. Durch den gesenkten Blick entging Satsuki aber, was direkt vor ihr war. Das Kreischen hallte laut durch den Wald. Die Spinne, die sich vor ihr heruntergelassen hatte, fiel zu Boden und rannte hastig davon. Die Schulsprecherin ging in die Hocke und legte die Hände auf ihren Kopf. „Ich will hier raus“, jammerte sie. „Ich will nach Hause, weg hier.“ Heridearutsu legte eine Hand auf ihre Schulter. „Beruhige dich doch. So schlimm wird es schon nicht. Wir sehen einfach zu, dass wir hier schnell wieder rauskommen, ja?“ „Versprochen?“, fragte sie leise. Er nickte lächelnd. „Versprochen.“ Subaru sah sich derweil um. Er kannte nicht viele Wälder. In seiner Welt war die Technologie so weit fortgeschritten gewesen, dass man sämtliche Wälder verdrängt hatte, abgeholzt, um Platz für protzige High-Tech-Städte zu schaffen. Allerdings erinnerte er sich, dass er einmal einen Baum in einem Museum gesehen hatte. Einer der letzten Bäume, die es in seiner Welt noch gesehen hatte und selbst dieser war am Sterben gewesen. Hätten die Menschen gewusst, dass das Abholzen der Wälder zum Manaverlust führen würde, hätten sie dann damit aufgehört? Oder wäre es ihnen egal gewesen? Oder wäre die Welt früher oder später ohnehin zugrunde gegangen? Und warum fiel es ihm so schwer, das alles zu akzeptieren? Er war nicht einmal der Subaru Seraphca, der in dieser Welt gelebt hatte, er war lediglich ein Androide, mit den Erinnerungen und den Fertigkeiten des echten Subaru. Und vielleicht war es genau das, was ihn so melancholisch machte, das Bewusstsein, dass er nicht wirklich existierte, sondern nur eine Hülle für einen einst existierenden Menschen war. Aber er verspürte Emotionen, das war sicher. Immerhin trauerte er auch immer noch um Shou. Und dann die Sache mit Baila... er kannte das Mädchen noch nicht lange, aber er hatte das untrügliche Gefühl, dass sie etwas gemeinsam hatten, irgend etwas. Der letzte, mit dem er etwas gemeinsam gehabt hatte, war Shou gewesen, sein bester Freund. Vielleicht hatte er Baila deswegen so überrumpelt. Shou hatte er nicht retten können, aber bei ihr war es noch nicht zu spät. „He, Subaru!“ Satsuki wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. „Bist du noch bei uns, Subaru?“ „Oh, klar. Tut mir Leid, ich war kurz abgelenkt.“ Er lächelte verlegen. Satsuki lächelte ebenfalls. „Gut. Lass uns weitergehen, damit wir endlich hier rauskommen. Wenn wenigstens Nozomu hier wäre...“ Sie seufzte sehnsüchtig, bevor sie wieder ernst wurde. „Aber egal. Es wird Zeit, also komm jetzt.“ Gemeinsam gingen die drei weiter. Warmes Sonnenlicht fiel durch das Blätterdach auf den Waldweg und beleuchtete den roten erdigen Untergrund. Satsuki sah sich nach allen Seiten nach störenden Insekten oder anderen Kleintieren, die ihr ekelhaft vorkamen, um. Heridearutsu blickte derweil nach den Zutaten von der Liste, während Subaru ihnen einfach nur folgte. Wie so oft in seiner freien Zeit, lief Aretas durch die Stadt. Seine Untertanen verneigten sich vor ihm und begrüßten ihn lächelnd. Er war froh, dass sie alle ihn so sehr schätzten. Anfangs hatte er sich Gedanken gemacht, dass seine Jugend für sein ganzes Reich zum Verhängnis werden würde. Aber bislang hatte er die Bestätigung, dass er nicht allzu schlecht war, lediglich die Minion Corps machten dem ganzen Reich, inklusive seinem König, das Leben schwer. Er erinnerte sich daran, wie plötzlich sie erschienen waren und einfach so Cresting angegriffen hatten. Ohne Erklärung, ohne Rechtfertigung hatten sie seinen Vater, mehrere Stadtbewohner und unzählige Soldaten getötet. Jede Waffe war gegen sie machtlos gewesen, noch nie hatte Aretas solch eine Streitkraft gesehen. Er war sich sicher gewesen, dass sie Dämonen waren, wie aus den Überlieferungen. Und gegen Dämonen halfen nur Gebete. Als schließlich das riesige, fliegende Wesen aufgetaucht war und Salles ihm verkündet hatte, dass seine Gruppe die Lakaien bekämpfen konnte, schien es, dass die Gebete erhört worden waren. Für Aretas waren die Shinken-Nutzer (er wusste nicht, was ein Shinken war, aber Salles hatte die Waffen mehrmals als solche bezeichnet) von den Göttern gesandte Engel und da er noch nie wirklich mit ihnen geredet hatte, würde das wohl auch so bleiben. Seine letzte Station auf seinem Stadtrundgang war wie immer die Aussichtsplattform mit den Bänken. Er verbrachte seine Zeit gern dort und außerdem erwartete er an diesem Tag die Rückkehr eines seiner Ritter, den er auf Erkundungstour geschickt hatte und dort würde er bei seiner Ankunft in der Stadt wahrscheinlich als erstes hingehen. Obwohl die Plattform einem einen schönen Blick über die Umgebung bot, gab es dort immer nur wenige Leute. Wahrscheinlich weil die meisten Stadtbewohner mit arbeiten beschäftigt waren, während die Kinder lieber in den Gassen spielten. Doch heute war zumindest eine weitere Person anwesend. Eine junge Frau in einem kurzen braunen Lederkleid und kniehohen Stiefeln stand an der Steinmauer und sah sich um. Ihr langes blondes Haar wehte sacht im leichten Wind. Hätte Aretas gewusst, dass Nozomu im selben Moment auf dem Dach der Schule darüber nachdachte, ob er und diese Frau wohl zusammenpassen würden, hätte er das als Ironie angesehen, aber so war es nur eine Begegnung unter vielen. „Verzeihung...“ Der König trat neben sie und deutete eine Verbeugung an. „Ich will Euch nicht stören, aber würde es Euch etwas ausmachen, wenn ich mich zu Euch stellen würde?“ Irritiert sah sie ihn an. „Natürlich.“ „Darf ich mich vorstellen? Ich bin Aretas Asturions I, der König dieses Reichs. Ich habe Euch hier noch nie gesehen. Woher kommt Ihr?“ Katima überwand ihre Überraschung schließlich und räusperte sich. „Mein Name ist Katima Aigears. Ich komme von...“ Statt einer Antwort deutete sie zu Monobe hinüber, dessen Rücken sogar von hier aus zu sehen war. Aretas nickte verstehend. „Dann seid Ihr eine der Shinken-Nutzer?“ „Ganz genau.“ Er lächelte. „Es freut mich, Euch kennenzulernen. Ich muss sagen, ihr leistet alle hervorragende Arbeit.“ „Nun, wir tun, was wir können und was das richtige zu tun ist.“ „Das ist mit Sicherheit nicht ungefährlich. Warum nehmt ihr alle das auf euch? Bestimmt nicht aus Selbstlosigkeit, oder?“ Katima überlegte einen Moment, was sie am besten antworten sollte oder was die Motivation der Gruppe war. Sie konnte immerhin nur für sich selbst sprechen. „Ich weiß nicht, was die anderen angeht, aber ich mache es, um mein Volk zu schützen.“ „Euer Volk?“ Sie nickte. „Man sieht es mir vielleicht nicht an, aber ich bin Königin. Einst kamen Personen von außerhalb meiner Welt zu uns und verbreiteten Tod und Terror. Um zu verhindern, dass das noch einmal geschieht, habe ich meine Heimat verlassen und bekämpfe nun Leute, die ihre Shinken für böse Machenschaften gebrauchen.“ Aretas nickte verstehend. Er hatte sofort das Gefühl gehabt, dass diese Frau etwas Adeliges an sich hatte. Aber er hätte nie darauf getippt, dass es Königsblut wäre. Spontan dachte er daran, dass sein Volk ihn gern heiraten sehen würde, aber er verwarf den Gedanken wieder. Er würde niemals eine Frau von einer anderen Welt heiraten, aus vielen Gründen nicht. „Was ist mit Eurem König?“, fragte Aretas dennoch interessehalber. Sie lachte leise. „Es gibt keinen König an meiner Seite, überhaupt noch keinen Mann.“ „Oh, ich verstehe.“ Ein Gedanke zuckte durch seinen Kopf, der einerseits interessant, aber andererseits traurig war – zumindest für ihn. Aber wenn es funktionieren würde... Wie auf Stichwort hörte er plötzlich Schritte. Er drehte sich um und entdeckte einen Mann mit langem dunkelblonden Haar. Der Mann trug schwarze noble Kleidung, die ihn als hochrangigen Ritter auszeichnete. Eine Taschenuhr war an einer Kette an seinem Mantel befestigt. „Cynard, gut, dich zu sehen“, sagte der König lächelnd. Der Mann verneigte sich leicht. „Eure Majestät, störe ich gerade?“ „Aber nein. Lady Katima, darf ich vorstellen? Dies ist mein erster Ritter und Cousin Cynard Asturions. Cynard, das ist Katima Aigears, eine der Personen, von denen ich dir erzählt habe.“ Der Ritter verbeugte sich auch vor ihr und betrachtete sie interessiert. Sie verschränkte die Arme locker vor ihrem Körper und erwiderte seinen Blick. Aretas lächelte zufrieden. Immerhin betrachtete Cynard sie schon länger als so manch andere Frau, zumindest während der König dabei gewesen war. Doch schließlich wandte Cynard sich wieder an Aretas. „Eure Majestät, ich habe eine wichtige Nachricht für Euch – und auch für die Shinken-Nutzer.“ Katima horchte auf. „Eine Nachricht für uns?“ „Ja und sie kommt direkt von einem der Minion Corps Leader.“ Zufrieden betrachtete Heridearutsu den Korb mit den gesammelten Kräutern, Beeren und Wurzeln. „Scheint als wären wir gleich fertig. Fehlt nur noch eine Zutat.“ Satsuki seufzte glücklich. „Gott sei Dank. Ich hatte schon befürchtet, wir treffen auf noch mehr Insekten.“ Sie schüttelte sich beim Gedanken daran. Subaru lächelte ebenfalls. „Sehr gut.“ Langsam hatte er auch kein Interesse mehr daran, im Wald herumzulaufen. „Was fehlt denn noch?“, fragte der Bogenschütze. Heridearutsu sah wieder auf die Liste. „Die Schuppe eines Dragins. Das ist irgendeine Reptilienart, die in diesem Wald lebt.“ „Reptilien sind genauso ekelhaft wie Insekten“, stellte Satsuki fest. „Besonders, wenn sie groß sind.“ „Keine Sorge“, lachte der Junge. „Dragins werden nicht sehr groß. Gerade mal wie Hundewelpen.“ „Das ist schon zu groß.“ Satsuki hatte ein angewidertes Gesicht aufgesetzt und rieb sich die frierenden Arme. Subaru lächelte aufmunternd. „Nur keine Sorge, Satsuki-dono, wir haben es bald hinter uns.“ Sie nickte dankbar und folgte Heridearutsu, der inzwischen vorausgegangen war. Wenig später kam die kleine Gruppe auf einer sonnigen Lichtung an, auf der ein einzelner roter Fels stand. Ohne lange Unterredung, setzte Satsuki sich auf den Stein und seufzte erneut. „Wie finden wir diese Dragins überhaupt?“ Heridearutsu runzelte seine Stirn, bevor er antwortete: „Nun, sie rollen sich anscheinend gern im Sonnenlicht zusammen und schlafen dann.“ Er und Subaru hatten gleichzeitig dieselbe Idee und sahen den Fels an, auf dem Satsuki saß. Die Rothaarige bemerkte es nicht, während sie deprimiert durch die Gegend starrte. Sie bemerkte auch nicht, wie sich ihre Sitzgelegenheit plötzlich zu bewegen begann. Stattdessen seufzte sie nur. „Mhm... Satsuki-dono...“ „Was ist los, Subaru?“ Fragend sah sie ihn an. Sein bleiches Gesicht irritierte sie ein wenig, aber sie bemerkte immer noch nichts. „Der Fels...“ Erst jetzt spürte sie etwas und sah hinunter. Ein erschrockenes Kreischen hallte durch den Wald. Hastig sprang sie auf den Boden zurück und stellte sich wieder zu den anderen. „Ist das... ein Dragin?“ Heridearutsu nickte. „Sieht ganz so aus. Und du hast es beim Schlafen gestört.“ Satsuki zog ihr Schwert, während Subaru nach seinem Bogen griff. Das Wesen war mit roten Schuppen bedeckt, auf dem Rücken trug es einen dunkelroten Panzer, der äußerst massiv wirkte. „Das ist aber größer als ein Hundewelpen“, bemerkte Satsuki. „Kümmert ihr euch darum?“, fragte der weißhaarige Junge. „Während ihr ihn ablenkt, werde ich mir eine seiner Schuppen schnappen.“ Die anderen beiden nickten. „In Ordnung.“ Das Dragin hatte sich normal hingestellt und kreischte laut, wobei es zwei Reihen von rasiermesserscharfen Zähnen enthüllte. Satsuki wich zurück. „Wäh, Mundgeruch.“ Subaru lachte, dann spannte er den Bogen. Er ließ die Sehne los. Der Pfeil schnellte auf das Dragin zu und traf es am Hals. Das Wesen bemerkte den Pfeil, schien aber mehr erbost als verrückt vor Schmerzen zu sein. Es preschte vor, wurde aber von Satsukis Schild aufgehalten. „Nicht mit uns.“ Sie schwang ihr Schwert, das einen grünen Schleier hinter sich herzog. Doch die Klinge prallte an dem Panzer des Dragin ab. Satsuki fluchte und sprang zurück. Heridearutsu war inzwischen um das Tier herumgelaufen und wartete nun auf eine günstige Gelegenheit, um diesem eine Schuppe abzunehmen. Bislang sah es aber nicht gut aus. „Ich glaube, ihr müsst das Dragin K.O. schlagen!“, rief er ihnen zu. „Verstanden!“, kam es von Satsuki zurück. „Subaru!“ Der Bogenschütze nickte ernst. Er richtete den Bogen gen Himmel und schoss einen Pfeil ab. In der Luft teilte sich der leuchtende Pfeil in drei auf und fuhren auf das Dragin hinunter. Es kreischte auf, als es von den Spitzen getroffen wurde. Die zwei zusätzlichen Pfeile lösten sich wieder auf, der einzige echte blieb im Nacken des Wesens stecken. Stampfend – aber mit einer überraschenden Geschwindigkeit – kam es auf Subaru zu. Der Bogenschütze wich mit einem Sprung zur Seite aus. „Was für ein Monster...“ „Na ja“, schaltete Heridearutsu sich wieder ein, „eigentlich ist es ja nur ein normales Lebewesen, das hier in Ruhe leben will.“ „Wie auch immer“, meinte Subaru knapp. Im Moment wollte er sich keine Gedanken darüber machen, sondern sich auf den Kampf konzentrieren. Satsuki seufzte. „Okay, machen wir kurzen Prozess.“ Sie ließ ihr Schwert verschwinden und zog die Beine an ihren Körper, der in der Luft schwebte. Eine helle Lichtsäule umgab sie und ließ ihren Körper in einem grünen Glanz erstrahlen. Sie schlang die Arme um ihre Beine – im nächsten Moment raste sie wie eine Kugel auf das Dragin zu. Mit voller Wucht traf sie auf das Wesen auf. Ein Lichtblitz zuckte, das Tier bäumte sich laut kreischend auf und fiel im nächsten Moment einfach um. Satsuki erschien wieder an dem Punkt, an dem sie in der Lichtsäule gebadet hatte. Zufrieden stemmte sie einen Arm in ihre Hüfte. „Na? Wie hab ich das gemacht? Bin ich gut oder bin ich gut?“ Subaru klatschte lächelnd Beifall. „Sehr gut gemacht, Satsuki-dono.“ Heridearutsu kniete sich neben das Dragin und nahm ihm einige Schuppen ab. Subaru kümmerte sich währenddessen um die Pfeile. Dabei fiel ihm auf, dass es um den Hals eine dicke Fettschicht hatte, die dafür gesorgt hatte, dass es die Pfeile nicht gespürt hatte. Es will nur in Ruhe leben... zum Glück haben wir es nicht getötet. Schließlich stand Heridearutsu wieder auf. „Gut, lasst uns gehen, wir haben alles.“ Jubelnd fuhr Satsuki herum und lief davon, ohne darauf zu achten, ob die anderen ihr folgten. Die beiden Zurückgelassenen sahen sich lächelnd an und folgten ihr schließlich. „Nozomu!“ Satsuki fiel dem Eternal am Waldausgang stürmisch um den Hals. „Du hast gespürt, dass ich Hilfe brauche und bist gekommen, um mir zu helfen, stimmts?“ „Äh...“ Hilf- und ratlos sah Nozomu sich um, während er seine Arme um sie legte. „Sag einfach Ja“, schlug Rehme ihm in seinen Gedanken vor, während sie sich ein Kichern verkneifen musste. Nozomu nickte. „Aber natürlich, Satsuki, genau so ist es.“ „Oh, ich liebe dich ja so, du bist mein Held!“ Subaru und Heridearutsu traten ebenfalls aus dem Wald und begrüßten Nozomu lächelnd. „Was habt ihr denn gemacht?“, wollte der Eternal wissen. Die Gruppe erklärte ihm, was sie getan hatten, auf dem Weg zur Apotheke, wo Satsuki triumphierend die Zutaten und die Liste abgab. „Wir sollen morgen wiederkommen“, erzählte sie, als sie wieder herauskam. Die anderen nickten verstehend. „Das geht aber schnell“, sagte Heridearutsu überrascht. „Sind die Leute hier doch ein wenig weiterentwickelt als ich dachte.“ Satsuki nickte. „Also, lasst uns...“ Sie unterbrach sich selbst, ihr Gesicht plötzlich wutverzerrt. Die Federn an ihrem Kopf standen bedrohlich ab. Nozomu hatte sie so noch nie gesehen. „Was ist los?“ Subaru folgte ihrem Blick, hätte er ein schlagendes Herz gehabt, hätte es in diesem Moment wohl schneller geschlagen. „Baila!“ Das Mädchen betrachtete die Gruppe aus einiger Entfernung. Er wollte auf sie zugehen, aber plötzlich stellte sich Satsuki vor ihn und zog ihr Schwert. Ihre Augen, die Baila fixierten, waren leer und emotionslos, als ob sie nicht mehr leben würde. „Du...“ Ihre Stimme war ebenfalls frei von jeden Emotionen und erinnerte Nozomu an Sephirika, die Göttin, die einst Satsuki gewesen und die er im Domain Log getroffen hatte. Baila erwiderte nur den Blick, den sie von Satsuki bekam. Die Rothaarige schnaubte, die Federn an ihrem Kopf wuchsen zu den Schwingen einer Walküre – nur dass sie schwarz waren. Nozomu sah zwischen den beiden hin und her, erwartungsvoll, was nun passieren würde. Ohne weitere Vorwarnung stürzte Satsuki sich auf Baila und – „NEIN!“ Kapitel 18: Gynoid ------------------ Sie war Langeweile gewohnt. Sie war es sogar gewohnt, im Regen herumzusitzen und auf etwas zu warten. Woran sie allerdings nicht gewohnt war, war allein in einer Höhle hinter einem Wasserfall darauf zu warten, dass etwas geschah. Automatisch sah sie auf ihr Handgelenk, wo sie einst ihre Uhr gehabt hatte, aber die trug sie schon lange nicht mehr, fiel ihr gleich darauf auf. Also hob sie den Blick wieder und starrte auf den Wasserfall, der ihre Sicht verschleierte. Doch dahinter waren noch deutlich die Konturen unzähliger Lakaien zu sehen, die sie immer noch suchten und sich dabei hin und her bewegten. Sie seufzte leise, doch es wurde vom ohrenbetäubenden Rauschen des Wassers verschluckt. Wann hauen die endlich ab? Wer hat denn geahnt, dass die ein Frühwarnsystem um ihr komisches Versteck haben? Nächstes Mal hätte ich lieber ne normale Barriere, die verbrennt mir wenigstens nur die Hand. ... Mir ist kalt. Sie schlang die Arme um ihren Körper und zog den nassen Regenmantel dichter um sich. Aber warm wurde ihr dennoch nicht. Ob Eternal eine Erkältung bekommen konnten? Nun war sie so lange schon ein Eternal und wusste nicht einmal solch rudimentäre Dinge darüber. Plötzlich änderte sich etwas im Bewegungsmuster der Lakaien. Sie sahen sich an und schienen wortlos über etwas zu kommunizieren. Oder vielleicht wurden ihre Worte vom Wasserfall verschluckt, das konnte Adina nicht so genau sagen. Angespannt verfolgte sie die weiteren Ereignisse. Möglicherweise zeigten sie nun Intelligenz und besprachen, wie sie nach ihr suchen sollten. Oder es ging um etwas ganz anderes, wer wusste das bei den Lakaien schon? Ohne Vorwarnung verschwanden die Lakaien. Adina blinzelte verwirrt. Wo sind sie hin? Das letzte Mal, als sie einfach verschwunden sind, gab es eine Großoffensive der Leader... Sie wartete noch einen Moment, nichts war mehr zu sehen. Schließlich stand sie auf. Das sieht nicht sehr gut aus. Aber andererseits... während der Großoffensive ist der Schutzmechanismus vielleicht aufgehoben. Ich werde es ausprobieren. Mit einer fahrigen Handbewegung zog sie die Kapuze des Regenmantels über ihren Kopf und ging durch den Wasserfall hindurch. Die Spitze von Satsukis Schwert schwebte direkt vor Subarus Gesicht. Mit ausgebreiteten Armen stand der Bogenschütze vor Baila, die sich nicht einen Millimeter gerührt hatte. Nozomu, Rehme und Heridearutsu starrten gebannt auf die Szenerie, die sich ihnen bot. „Geh zur Seite“, sagte Satsuki finster. In ihren Augen fehlte immer noch jedes Leben, das sie sonst so liebenswert machte. „Nein!“, erwiderte Subaru trotzig. „Niemals! Was ist nur los mit dir, Satsuki-dono?“ „Geh zur Seite!“, wiederholte sie mit etwas mehr Nachdruck. Er bewegte sich kein Stück, sah nur in ihre Augen und wartete darauf, was sie tun würde. Sie allerdings starrte ihn ebenfalls nur an. Irgendwo tief in ihrem Inneren – so hoffte Subaru zumindest –, kämpfte sie gerade mit sich selbst, damit sie aufhörte. Aber wahrscheinlicher war es, dass sie nur überlegte, wie sie ihn am besten aus dem Weg bekam. „Nozomu, sollten wir nicht eingreifen?“, fragte Rehme in seinen Gedanken. Ich weiß nicht... Die Szene wirkte bedrohlich, unwirklich, beängstigend und wenn Nozomu nicht das Gefühl gehabt hätte, dass seine Beine festgewachsen wären, wäre er mit Sicherheit weggelaufen, einfach nur um der Anspannung zu entfliehen. Auch Heridearutsu blieb von den Geschehnissen nicht verschont. Er hatte sein Lächeln abgelegt und betrachtete alles ernst. Nachdem sekundenlang nichts geschehen war, trat Nozomu schließlich vor. Vorsichtig streckte er seine Hand nach Satsuki aus. „H-hey... was ist denn los?“ Sie antwortete nicht, dafür schwebte Rehme zu Baila hinüber, um sie aus der Nähe zu begutachten. Das Mädchen sah das Shinjuu neutral an. Irgend etwas an ihr ist anders, überlegte das Shinjuu. Sie erinnert mich an... Subaru... und gleichzeitig Narukana. Komisch... „Geh zur Seite“, sagte Satsuki noch einmal. Im nächsten Moment fegte sie Subaru beiseite und stürzte sich wieder auf Baila. Ein plötzlicher Lichtblitz blendete die Gruppe. Nozomu blinzelte angestrengt, um die Flecken vor seinen Augen zu vertreiben. Als er wieder sehen konnte, bemerkte er zuerst den auf dem Boden liegenden Subaru. Anschließend fiel sein Blick auf Satsuki, deren Schwert auf einen Stab getroffen war. Nozomu wusste sofort, dass es ein Shinken war. Und es war Baila, die diesen Stab hielt. Subaru richtete sich auf und sah sich um. „B-Baila... Satsuki-dono...“ Die Rothaarige fluchte leise. Die Weißhaarige zeigte immer noch keinerlei Anteilnahme. Keine der beiden rührte sich. Nozomu ging auf Satsuki zu und griff an ihre Hand. „Bitte, hör auf.“ Kaum hatte er sie berührt, schien sich etwas in ihr zu verändern. Ihr Schwert verschwand und sie zuckte zurück. „N-Nozomu...“ Baila ging ebenfalls einige Schritte zurück, drehte sich schließlich um und lief teilnahmslos davon als wäre absolut nichts geschehen. Subaru sah ihr hinterher. Baila... Mit Hilfe von Heridearutsu stand er wieder auf. Er sah Satsuki an. „Warum hast du das getan?“ Die Reaktion der Schulsprecherin war ihm unerklärlich und die Aura, die sie dabei umgeben hatte, war furchteinflößend gewesen. Warum hatte sie so reagiert? Ihr Körper bebte, als sie von einem zum andern sah. „Hört auf, mich so anzusehen! D-das war nicht meine Schuld! Sie...!“ Satsuki beendete den Satz nicht. „Aber sie hat doch gar nichts gemacht“, bemerkte Heridearutsu. „Sie stand einfach nur da.“ „Ihr versteht das nicht!“, rief sie. Im nächsten Moment rannte sie davon. Reflexartig griff Nozomu wieder nach ihr, aber sie war schon außerhalb seiner Reichweite. Die drei Jungen tauschten Blicke miteinander aus. „Was war das denn?“, fragte Subaru. Nozomu zuckte mit den Schultern. Ein solches Verhalten kannte er auch nicht von ihr. Nachdenklich standen die drei herum, bis Heridearutsu plötzlich seufzte. „Lasst uns zu Monobe zurückgehen. Hier finden wir ja doch nichts heraus.“ Die anderen nickten und gingen gemeinsam davon. Narukana empfing die drei in der Schule. Sie trug die Schuluniform, die ihr in Nozomus Augen besser stand als die Sachen, die sie sonst trug. „Sagt nichts, sagt nichts, die große Narukana weiß, was passiert ist.“ Nozomu kannte sie jetzt schon eine Weile, aber dieses Verhalten irritierte ihn nach wie vor. Allerdings hatte er es sich abgewöhnt, es zu kommentieren, da sie ihm in ihrem Größenwahn ohnehin nicht zuhörte. „Was weißt du?“, hakte Nozomu nach. „Was Ikaruga gerade getan hat. Ich habe alles von hier aus mitbekommen, so großartig bin ich.“ Rehme rollte mit den Augen, enthielt sich aber ebenfalls jeglichen Kommentars. „Kannst du uns dann erklären, warum sie das getan hat?“, fragte Subaru sofort. „Warum hat sie Baila angegriffen?“ Narukana runzelte ihre Stirn. „Ihr Name ist... Baila? Man hat sich wirklich die Mühe gemacht, ihr einen Namen zu geben?“ „Was meinst du?“, fragte Subaru verwirrt. Die Göttin stemmte die Hände in die Hüfte. „Was ich meine? Ich erkläre dir, was ich meine. Und sei der großen Narukana dankbar dafür.“ „Ja“, sagten die Anwesenden gleichzeitig, deutlich genervt. Narukana räusperte sich. „Lasst uns dafür aber woanders hingehen. Ihr solltet euch dafür hinsetzen, Kinder.“ Die Gruppe ging gemeinsam in ein leeres Klassenzimmer und setzte sich. Lediglich Narukana blieb stehen. Nozomu kam sich wie im Unterricht vor, mit Narukana als Lehrerin. Allerdings konnte er nicht anders, als auf ihre Beine zu starren, die durch den kurzen Rock noch länger wirkten. Rehme verpasste ihm schließlich einen Schlag auf den Hinterkopf. „Nozomu! Lass das!“ Ja ja ja. Er seufzte innerlich und konzentrierte sich wieder auf Narukanas Vortrag. „Also, wie zumindest Nozomu und Salles wissen, existiert etwas, das man Annullierendes Mana nennt. Es kann jegliches Mana einfach annullieren und ist damit brandgefährlich.“ Die anderen nickten verstehend. „Und zwar stammt dieses Mana aus mir. Deswegen schloss Rogus, dieser Idiot, mich in den Zeitbaum ein. Verstanden?“ Wieder nickten die anderen. Auch wenn sie sich inzwischen fragten, was das mit Baila zu tun hatte. „Und in Satsuki ist dieses Mana inzwischen auch, deswegen wurde sie zu einem Naru-Eternal und ihre Federn sind jetzt schwarz. Auch verstanden?“ Gemeinsames Nicken. „Unter bestimmten Voraussetzungen ist es möglich, dieses Mana einzufangen. Aber man braucht natürlich auch ein Gefäß dafür, nicht? Und das beste Gefäß ist sicherlich... na?“ „Ein Android“, antwortete Subaru monoton. „Ganz genau. Oder in diesem Fall eher ein Gynoid.“ „Dann ist Baila... nur ein künstliches Wesen?“, fragte der Bogenschütze. „So wie ich?“ Narukana nickte. Subaru senkte den Kopf. Er hatte es gewusst, irgendwie hatte er es gespürt. Sie war tatsächlich wie er und Shou, deswegen spürte er diese Verbundenheit mit ihr. Aber das annullierende Mana... „Weswegen hat Satsuki sie dann aber angegriffen?“, fragte Nozomu. „Nun, weil... na ja... anscheinend reagiert ihr Mana auf das von Baila und macht sie aggressiv“, erklärte Narukana leicht verunsichert. „Wenngleich ich nicht weiß, woher unsere Feinde das Mana haben. Eigentlich existiert es nur in mir.“ Oder vielleicht nicht? Möglicherweise sind in den letzten Jahren noch ein paar Dinge geschehen, von denen ich nichts weiß. „Sie führt auch ein Shinken“, bemerkte Nozomu. „Vielleicht geht sie ja mit uns mit...“ Subaru schüttelte den Kopf. „Nein, sie will nicht.“ „Wir könnten sie überreden.“ Narukana runzelte ihre Stirn über Nozomus Vorschlag, schwieg aber. Heridearutsu warf einen Blick umher und machte schließlich einen Vorschlag: „Wir sollten uns vielleicht alle erst einmal ausruhen. In Ordnung?“ Die anderen nickten zustimmend und verließen den Raum, um jeder zu seinem eigenen bevorzugten Aufenthaltsort zu gehen. Subaru begab sich direkt auf den Schulhof, von wo aus er an den Himmel starrte. Er hatte recht gehabt. Und dennoch konnte er sich nicht darüber freuen. Gerade weil Baila genau wie er war, konnte er nicht verstehen, dass sie ihn so ablehnte. War er ihr zu vorschnell gewesen? Zu fordernd? Er konnte es nicht verstehen. Und von Satsuki konnte er wahrscheinlich keine Unterstützung mehr erwarten, nach dem sie so ausgerastet war. Was sollte er jetzt machen? Und wann würde Satsuki wieder zurückkommen? Wo war sie überhaupt hin? Hoffentlich geschah ihr nichts. Satsuki saß unterdessen auf einer Bank auf dem Marktplatz und betrachtete die Leute, die an ihr vorbeigingen, während sie in Gedanken vertieft war. Das Mana in dem Mädchen hatte sie total durchdrehen lassen, obwohl sie das gar nicht gewollt hatte. Bestimmt wusste Narukana bereits davon und würde sich über sie lustig machen, wenn Satsuki wieder in die Schule kam, deswegen zögerte sie es hinaus, so lange es ging. Keiner sucht nach mir... dummer Nozomu. Ich dachte, er liebt mich. Sie seufzte leise. Plötzlich lief jemand hastig an ihr vorbei, kam zurück und stellte sich vor sie. „Satsuki-dono!“ Aus ihren Gedanken gerissen, dauerte es einen Moment, bis die Schulsprecherin ihren Gegenüber erkannte. „Oh, Katima.“ „Du musst unbedingt mitkommen, Satsuki-dono“, sagte die Königin. „Cynard hat mir etwas sehr Wichtiges erzählt.“ „Cynard?“, fragte die Rothaarige verwirrt. In ihrem Kopf drehte sich alles, so dass sie den Namen nicht einordnen konnte, auch wenn sie ihn gekannt hätte. Aber sie war sich ziemlich sicher, ihn noch nie gehört zu haben. „Es bleibt keine Zeit, das zu erklären“, sagte Katima. „Wir müssen sofort zu Salles!“ Satsuki nickte und stand auf. Doch die Königin sah sie auf einmal nur fragend an. „Wo ist eigentlich Nozomu? Sonst sieht man euch immer zusammen.“ Sie nickte nur, sagte dazu aber nichts. Stattdessen ging sie in Richtung Monobe davon. Katima sah ihr ratlos hinterher, zuckte aber schließlich mit den Schultern und folgte ihr. Schon bald holte sie die Schulsprecherin wieder ein, da diese stehengeblieben war. „Sag mal, was ist eigentlich so wichtig?“ „Oh, genau, ich habe es dir noch gar nicht gesagt. Cynard hat erzählt, dass die Corps Leader wieder eine Großoffensive starten – und diesmal werden sie nicht zu viert, sondern zu fünft sein.“ Kapitel 19: Die Offensive ------------------------- Genau wie in Milvania hatte man eilig die Bewohner evakuiert, bevor die Lakaien die nächste Nachbarstadt angegriffen hatten. Salles hatte bereits in der Monobe-Akademie die Gruppen eingeteilt, so dass er keine Verzögerungen erwartete, als sie vor der Stadt ankamen – allerdings hatte er nicht mit Narukana gerechnet. „Ich bin für eine Neueinteilung!“, verkündete sie vor der Stadt. Die anderen hielten inne und sahen sie an. „Was?“, fragte Salles genervt. „Ich will eine Neueinteilung!“, wiederholte sie. Die Gruppe sah zu Salles, der deutlich mit sich kämpfte, ihr eine scharfe Erwiderung zu geben. Das hätte allerdings zu einem Streit geführt und dafür hatten sie keine Zeit. Und an Narukanas siegessicheren Lächeln, konnte Nozomu genau erkennen, dass sie das auch wusste. Er warf einen Blick zu Satsuki, die so weit weg wie möglich von ihm stand und deprimiert zu Boden sah. Er hatte zwar versucht, mit ihr zu reden, aber sie hatte ihm nicht zugehört und Zeit hatten sie dafür eigentlich auch nicht gehabt. Aber er würde es später noch einmal versuchen. „Gut“, gab Salles schließlich widerwillig nach. „An was hast du gedacht?“ Narukana stemmte die Arme in ihre Hüfte. „Nozomu und Subaru gehen mit mir.“ „Was?“, fragte der Bogenschütze. „Warum ich?“ „Frag nicht, sei einfach froh, dass ich dir erlaube, an meiner Großartigkeit teilhaben zu lassen.“ „Und was ist dann mit Satsuki?“, fragte Salles. Narukana sah zu dem Mädchen hinüber. „Ikaruga wird mit Nagamine und Naya auf Shani treffen. Katima wird dafür mit Thalia und Sorluska mitgehen und Jatzieta schließt sich Landis und Ruputna an.“ Salles hob erstaunt eine Augenbraue. „Gut, verstanden. Irgendwelche Einwände?“ Er sah in die Runde. Sein Blick riet jedem, bloß nichts zu sagen. Die anderen schwiegen also. Narukana nickte lächelnd. „Gut, dann gehen wir.“ Die anderen nickten zustimmend und teilten sich in die angegebenen Gruppen auf, bevor sie an die ihnen zugewiesenen Orte gingen, angespannt aufgrund der Situation und hoffend, dass bald wieder alles vorbei war. Zetsu, Leana und Salles, die einzige Gruppe, die nicht neu eingeteilt worden war, standen gemeinsam mit Isolde und Nanashi auf dem Marktplatz, wie schon in Milvania, nur dass es in dieser Stadt keinen Brunnen gab. Und nachdem, was beim letzten Mal geschehen war, waren alle Anwesenden froh darum. Leana warf einen Blick umher. Sie seufzte. „Ich wünschte, wir würden nicht immer so lange warten müssen, bis die Feinde endlich mal auftauchen.“ Zetsu nickte. „Wer wohl die fünfte Anführerin ist?“ „Machst du dir wirklich Gedanken darum?“, fragte Salles. Gyoutens Träger nickte noch einmal. „Ja. Bislang war von den weißen Lakaien noch nichts zu sehen. Also muss die fünfte Anführerin weißes Mana haben. Und das weckt schon mein Interesse.“ Salles runzelte seine Stirn. „Da könntest du recht haben. Ich glaube, Narukana wird auf sie treffen. Frag sie doch später mal.“ „Werde ich machen.“ Ein leises Lachen erklang. „Wenn du das überlebst, mein Lieber.“ Er brauchte sich nicht erst umzudrehen, um zu wissen, dass Sable hinter ihm stand. „Wen haben wir denn da? Die Black Minion Corps Leader, welch Überraschung.“ „Owww, bei der besonderen Beziehung, die wir teilen, sollte man meinen, dass du mich ein wenig herzlicher begrüßen könntest.“ Leana schnaubte, sagte aber nichts dazu. Isolde schmunzelte nur. „Vergiss es“, erwiderte Zetsu, als er Gyouten zog. „Lass uns das hinter uns bringen.“ Als sie ihr Katana zog, erschienen Dutzende von schwarzen Lakaien. Lächelnd schob Salles seine Brille zurück. „Tja, wenigstens wird es nicht langweilig, nicht?“ Leana zog ebenfalls ihr Shinken. „Ja, wenigstens etwas.“ „Also, auf ins Getümmel!“ „Satsuki-senpai...“ Nozomi sah die Schulsprecherin, die deprimiert auf den Boden blickte, besorgt an. „Senpai, was ist denn los mit dir?“ Auch wenn sie Rivalen im Kampf um Nozomus Herz gewesen waren, so waren sie dennoch Freundinnen und Nozomi hatte auch einiges an Respekt für die Schulsprecherin übrig. Die sonst so fröhliche Rothaarige so bedrückt zu sehen, zog auch Nozomi runter. Satsuki schüttelte nur mit dem Kopf. „Vergiss es. Es ist nicht so wichtig. Und ich will auch nicht darüber reden. Konzentrieren wir uns lieber auf unsere Feindin.“ „Wenn sie denn mal auftaucht“, merkte Naya an. „Vielleicht hat sie ja Angst bekommen.“ „Das würde dir so passen, Göre.“ Shani erschien in einer Flamme vor der Gruppe. Fragend sah sich um. „Nanu? Wo sind denn Narukana-Nervensäge und Nozomu-steht-dumm-in-der-Gegend-rum?“, fragte sie schließlich deutlich enttäuscht. „Woanders“, sagte Naya nur. „Heute hast du es mit uns zu tun.“ „Wie langweilig.“ Shani zog ihr Shinken hervor, worauf auch bei ihr Lakaien ihrer Farbe erschienen. „Unterhaltet mich, Shinken-Träger – jetzt!“ Jatzieta klopfte auf Landis' Schulter. „Na, bist du sicher, dass du fit dafür bist? Alles klar?“ Er nickte. „Ja. Wie oft denn noch? Es geht mir gut.“ Ruputna lächelte verschmitzt. „Lan ist stark, Lan übersteht alles!“ Die Ärztin lächelte ebenfalls. „Ja, das Gefühl habe ich auch. Er ist ein kleines Stehauf-Männchen.“ Damit wuschelte sie ihm durch das Haar, was er mit einem empörten Laut zur Kenntnis nahm. „Jatzieta!“ beklagte Ruputna sich. „Lass Lan in Ruhe!“ „Ooooow, eifersüchtig?“, fragte Jatzieta kichernd. Ohne Vorwarnung erschien plötzlich Eneko. Sie fauchte. „Ein Feind!“ Die Gruppe sah zu Yuina, die genervt vor ihnen stand. „Reicht nicht eine Nervensäge in der Gruppe? Müssen es wirklich zwei sein?“ „Charmant, charmant“, meinte Jatzieta. „Und? Kannst du noch mehr als nur reden?“ Die Green Minion Corps Leader zog ihren Speer hervor, die Lakaien erschienen. „Ich werde euch demonstrieren, was ich kann.“ Katima wehrte den Angriff eines blauen Lakais ab, holte dann aus und zerschlug ihren Angreifer, der sich mit einem erstickten Schrei in Mana auflöste. Sorluska und Thalia taten dasselbe in einer wesentlich schnelleren Abfolge. „Und ihr trefft die immer?“, fragte Katima. Die beiden nickten. „Jedesmal wieder.“ „Ich glaube, sie mag uns“, fügte Thalia schmunzelnd dazu. „Seid nicht so arrogant“, merkte eine Stimme an. Azzurre erschien zwischen ihren Lakaien, das Schwert bereits in ihrer Hand. „Eure Arroganz ist ja kaum zum Aushalten. Der einzige Grund, warum ich überhaupt gegen euch kämpfe, ist, dass irgendjemand ja auch gegen euch kämpfen muss. Und die anderen wollten alle nicht.“ „Was soll das heißen?“, wetterten Sorluska und Thalia gleichzeitig. „Genau das, was ich gesagt habe.“ Sie seufzte und wandte sich an Katima. „Wenigstens du verstehst, was ich meine, oder?“ Die Königin blinzelte verdutzt, dann nickte sie langsam. „Ich glaube schon.“ Ihre beiden Kameraden sahen sie wütend an. Entschuldigend hob sie die Schultern. Sorluska knurrte. „Wollen wir nur reden oder können wir endlich mit dem Kämpfen anfangen?“ „Ich bin bereit“, sagte Azzurre und stellte sich in Kampfposition. „Auch wenn ich es leicht traurig finde, dass ihr nur diesen einen Weg zu kennen scheint. Kommt nur her, ich bin bereit!“ Subaru und Nozomu folgten Narukana, die im Alleingang die weißen Lakaien niedermähte. Der Eternal sah sich dabei um. Seit sie in dieser Welt waren, sahen sie das erste Mal weiße Lakaien. Sie hatten weißes Haar und wirkten alles in allem erwachsener als alle andere Lakaien, die es gab. Ein jede Gestalt trug einen weißen Stab mit sich, mit dem sie Magie bewirkten, aber aus Erfahrung nicht viel Kampfkraft hatten. Wer war wohl ihr Anführer? Er hatte ein unangenehmes Gefühl in seinem Magen, als ob er es bereits wüsste. Und ein Blick zu Subaru sagte ihm, dass dieser genau dasselbe dachte. Warum sonst hätte Narukana ihn mitnehmen sollen? Sie hielt immerhin nicht viel von Subaru und würde sich eher mit Jatzieta abgeben als mit ihm. Dennoch wollte Subaru es nicht wahrhaben. Es musste einfach anders sein. In einiger Entfernung blieb Narukana stehen und wartete darauf, dass die beiden aufschlossen. „Ihr seid ganz schön lahm, ihr beiden.“ „Ja, ja“, kam die Antwort. „Es ist ne echte Zumutung mit euch, wisst ihr das? Aber seid froh, dass die große Narukana-sama so viel Nächstenliebe aufbringt, um euch das nicht nachzutragen.“ „Vielen Dank“, kam es unbegeistert im Chor. Sie seufzte. „Jedenfalls sind wir gleich da, also macht euch auf eine Überraschung gefasst.“ Die beiden nickten. Aber sie waren sich sicher, dass es keine Überraschung werden würde. Zu dritt gingen sie weiter, die Lakaien ließen sie ohne weiteres Aufhalten durch. Schließlich blieb Narukana wieder stehen. „Tja, wir sind da.“ Sie nickte zu einer Person vor sich. Nozomu und Subaru folgten ihrem Blick – und obwohl es keine Überraschung war, sogen sie beide scharf die Luft ein. Funken sprühten als die beiden Shinken klirrend aufeinandertrafen, aneinander schrammten und dann wieder auseinander gerissen wurden. Zetsu sprang zurück und rannte direkt wieder auf Sable zu. Sie hob ihr Katana und parierte den Angriff, um gleich darauf einen eigenen zu starten. Doch sie prallte an einem Schutzschild von Nanashi ab. „Ich finde es ziemlich unfair, Shinjuu zu benutzen.“ Zetsu schmunzelte. „Das sagst du nur, weil du keines hast, nicht?“ Leana sah hinüber, da der Strom an Lakaien inzwischen nachließ. Sie hat kein... Shinjuu? Ich dachte, jedes Shinken hat eines. Sable warf den Kopf in den Nacken. „Ich brauche nicht die Hilfe eines nervigen, nichtsnutzigen Shinjuu, das mir nur im Weg rumsteht. Und das hat nichts mit Neid zu tun. Ich konnte mein Shinjuu noch nie leiden.“ „Dann hattest du mal eines?“ „Ja. Aber mein Meister hat es eingeschlossen, wofür ich sehr dankbar bin. Es hat genervt und war überflüssig.“ „Genau wie seine Meisterin“, bemerkte Isolde schmunzelnd. Sable warf ihr einen genervten Blick zu. „Wer hat dich gefragt?“ Das Shinjuu schmunzelte. „Ich habe mich nur in eine offene Diskussion eingemischt.“ Sable holte zu einem Angriff aus, doch plötzlich hielt sie inne und sah sich um. „Was...? Das kann nicht...“ Zetsu und Leana warfen sich fragende Blicke zu. Sable knurrte. „Auch das noch.“ Im nächsten Moment verschwand sie – und mit ihr die die Lakaien. Salles sah nach oben. „Mhm? Wo ist sie hin?“ Nanashi schloss ihre Augen. „Die Lakaien sammeln sich um Narukana... irgendetwas geschieht dort.“ „Dann gehen wir hin“, sagte Zetsu entschlossen. „Finden wir heraus, was passiert.“ Die anderen nickten und gingen gemeinsam mit ihm los. Satsuki annullierte Shanis Feuerzauber mit einem einfachen Spruch. Die Red Corps Anführerin knurrte und versuchte es mit einem normalen Angriff, der allerdings von Nozomis Schild abgefangen wurde. Naya schwang ihren Stab. Die Spitze streifte Shanis Wange und hinterließ einen Kratzer. „Argh, verdammt! Hört auf damit, euch zu wehren! So macht das keinen Spaß mehr!“ Nozomi klammerte sich an ihre Sense. „Warum hörst du dann nicht einfach auf? Dieser Kampf bringt niemandem etwas.“ „Oh, Gott“, stöhnte Shani. „Auch noch eine Pazifistin. Das wird ja immer schöner.“ Das Mädchen runzelte seine Stirn. Naya räusperte sich. „Können wir dann mal weitermachen? Ich habe noch etwas anderes vor.“ „Was kann ein kleines Kind schon großartig vorhaben?“, fragte Shani grinsend. Satsuki seufzte genervt. „Cheiron!“ Ein Zentaur in einer Rüstung und mit einer Lanze erschien zwischen Shani und der Gruppe. Er gab ein lautes Knurren von sich, als er sich auf die Anführerin stürzte. Shani wich zur Seite aus, wurde aber dennoch von der Wucht seiner Energie weggeschleudert. Ihr Rücken machte schmerzhaft Bekanntschaft mit einer Häuserwand. Risse bildeten sich in der Mauer. „Das sollte es gewesen sein“, meinte Satsuki tonlos. Cheiron verschwand wieder. „Ist sie...?“, begann Nozomi. Bevor sie ihre Frage beenden konnte, richtete Shani sich wieder auf. „Ow, verdammt, das hat weh getan! Shinjuu zu benutzen ist unfair. Ich benutze doch auch keines!“ Naya wollte darauf näher eingehen, doch plötzlich wandte die Anführerin ihnen den Rücken zu. „Oh? Gerade jetzt.“ Sie seufzte und verschwand, gemeinsam mit den wenigen verbliebenen Lakaien. „Huh?“, wunderte Nozomi sich. „Wo ist sie hin?“ Naya schloss die Augen und konzentrierte sich. Ihre Divine Magic zeigte ihr vor ihrem inneren Auge einen Punkt der Stadt, an dem die Lakaien sich zu sammeln begannen. Sie teilte das den anderen beiden mit, die ihr zunickten. „Lass uns da hingehen.“ Landis sprach einen Heilzauber auf die verletzte Ruputna und kümmerte sich dann wieder um die noch vorhandenen Lakaien. Es kamen keine neuen mehr nach, aus welchem Grund auch immer, aber die Gruppe war froh darum. Yuina allein war schon hart genug. Nicht nur, dass ihre Abwehr kaum einen Angriff durchließ, ihre Stärke war ebenfalls überdurchschnittlich und mittels eines Manakristalls annullierte sie auch Jatzietas Feuerzauber. Die Ärztin seufzte. „Das ist richtig nervig. Fu, was sollen wir tun?“ „Wie wärs, wenn ich Jii-chan rufe?“, schlug Ruputna vor. Landis schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass das etwas bringen wird. „Shinjuu sind in diesem Kampf nutzlos“, bemerkte Yuina. „Es würde euch absolut nichts bringen. Und außerdem ist es sinnlos, sich immer auf Shinjuu zu verlassen. Irgendwann verlernt man eigenständig zu kämpfen.“ Jatzieta runzelte nachdenklich ihre Stirn. Yuina wollte noch etwas sagen, aber sie hielt mit offenem Mund inne und schien irgend etwas zu hören. Landis und Ruputna sahen sich fragend an. Die Green Minion Corps Anführerin seufzte. „Scheint als müsste ich euch für heute verlassen. Bis dann.“ Sie verschwand und mit ihr die restlichen Lakaien. „Wo ist sie hin?“, fragte Landis. Jatzieta zuckte mit den Schultern. „Lasst uns die anderen suchen, die wissen vielleicht mehr.“ Die beiden nickten und folgten ihr. Weder Aigears noch Black Fang oder Floating Bubbles konnten Azzurre irgendwie beeindrucken. Ganz zu schweigen davon, dass sie sogar von Katimas Attribut-Zaubern unbehelligt blieb. Wenn Thalia es nicht selbst erlebt hätte, hätte sie es nicht geglaubt. Aber es schien tatsächlich, dass ihre Feinde über übermenschliche Kräfte verfügt, die selbst über die eines normalen Shinken-Trägers hinausgingen. Wer immer sie waren oder wie auch immer sie das erreicht hatten, es war geradezu unheimlich. Und langsam fragte Thalia sich, wo das Shinjuu von Azzurre war. In all den Kämpfen hatte sie es bislang noch nicht einmal gesehen oder gar gespürt. Azzurre gähnte. „Ihr langweilt mich. Dieses stupide Kämpfen geht mir wirklich auf die Nerven, meine Lieben.“ Sorluska knurrte. „Na warte!“ Gedankenlos stürmte er auf sie zu. Gelangweilt hob sie ihre Klinge vor sich, so dass die Wucht seines Angriffs sie nicht erreichte. „Netter Versuch, mein Junge. Erlaube mir...“ Sie verstummte und lauschte angestrengt. „Oh, ich muss euch für heute verlassen. Ich werde woanders gebraucht. Lebt wohl.“ Bevor einer der anderen reagieren konnte, war sie bereits gemeinsam mit ihren Lakaien verschwunden. „Huh?“ Sorluska sah sich um. „Sie kann doch nicht einfach im Kampf verschwinden.“ „Offensichtlich schon“, bemerkte Thalia. „Dann lasst uns zu den anderen gehen, vielleicht ist ja irgend etwas passiert?“ Sorluska und Katima nickten. Gemeinsam ging die Gruppe davon. Keiner von ihnen bemerkte, die angespannte Atmosphäre, die in einem bestimmten Bereich der Stadt herrschte. Kapitel 20: Annullierendes Mana ------------------------------- Vor den anderen weißen Lakaien stand, emotionslos wie eh und je, Baila. Ihre roten Augen sahen ihre Feinde teilnahmslos an. Sie war wie immer, nichts an ihrer Aura hatte sich verändert und genau das schmerzte Subaru am meisten. Baila war ihre Feindin – und das offensichtlich nicht, weil sie irgendetwas dazu zwang, sondern weil sie es so wollte. Oder war es das annullierende Mana in ihrem Inneren, das sie dazu zwang? Oder...? Er konnte überlegen, wie er wollte, keine Alternative gefiel ihm wirklich. „Baila, was...?“ Sie zog ihren Stab. „Murakumo no Nozomu... meine Aufgabe ist es, dich zu töten.“ „Huh? Mich? Warum?“ Fragend sah er sie an, aber sie reagierte nicht darauf. Rehme schluckte schwer. Es war keineswegs das erste Mal, dass jemand versuchte, Nozomu zu töten. Aber es war durchaus das erste Mal, dass ein solch emotionsloses Wesen es versuchte und noch dazu ein Wesen, das annullierendes Mana enthielt. Sie war sich sogar sicher, dass Baila das durchaus schaffen könnte, wenn sie ihr Mana gezielt einsetzen würde. „Sag schon!“, wiederholte Nozomu fordernd. „Warum mich?“ Baila hob den Stab, der leicht zu schimmern begann. „Mein Meister hat es mir befohlen und so wird es geschehen. Der Grund interessiert mich nicht.“ Nozomu zog seine Schwerter Reimei. Im nächsten Moment hielt Narukana ihren Arm vor sein Gesicht. „Hör auf damit, bist du wahnsinnig? Du darfst sie nicht verletzen!“ Subarus Gesicht hellte sich auf. „Narukana-sama, du...“ „Tsss, versteh mich nicht falsch. Ich bin nicht um ihre Gesundheit besorgt. Es geht mir darum, dass ihr Mana nicht rausfließt. Aber wenn du sie verletzt, wird genau das geschehen. Und wenn du sie tötest... wird alles auf einmal freigesetzt.“ „Und was sollen wir dann tun?“, fragte Nozomu. Er hatte ohnehin nicht vorgehabt, sie zu töten, schon allein wegen Subaru, aber irgendwie musste er sich doch wehren können. Es konnte nicht einfach vorbei sein. In seiner Brust spürte er ein beklemmendes Gefühl, das anders war als zuvor. War das Jiruol? Der Gott der Zerstörung, der in ihm lebte und sich schon länger nicht mehr gemeldet hatte. Genau genommen seit er ein Eternal geworden war. Nozomu hatte ihn schon fast vergessen. Nun war er aber eindeutig enttäuscht von ihm. Jiruol hatte ihn zu jemandem mit einem starken Charakter erzogen, zu einem Kämpfer, der in der Lage war, Murakumo effektiv zu führen. Und jetzt gab er einfach auf? Nein, das konnte der Gott der Zerstörung nicht dulden. Und Nozomu stimmte ihm zu. Das sah ihm auch nicht ähnlich. Es musste einen Weg geben, sie zu bekämpfen, ohne dabei das annullierendes Mana freizusetzen. Narukana sah ihm seine Gedanken an. „Natürlich gibt es einen Weg, mein Lieber. Bei der großen Narukana-sama gibt es immer einen Weg.“ Baila rief zwei ihrer Lakaien zu sich. Subaru schüttelte ungläubig seinen Kopf. Er trat vor. „Baila, bitte, lass das.“ Die Situation erinnerte ihn an Shou. Er hatte ebenfalls die Gruppe um Nozomu töten wollen. Und das nur, weil sie die Ordnung seiner Welt zerstört hatten. Und Baila wollte Nozomu töten, weil ihr Meister es ihr befohlen hatte. Woran lag es nur, dass Subaru immer solche Leute zu Freunden hatte? Baila reagierte nicht einmal auf Subarus Worte. Ihr Blick war nach wie vor auf Nozomu fixiert. „Was jetzt, Narukana?“, fragte der Eternal. Sie seufzte genervt. „Lass uns kämpfen. Aber pass auf, das Mädchen nicht zu verletzen.“ Die anderen beiden nickten und stellten sich in Position. Subaru holte seinen Bogen hervor und zog einen Pfeil. Auch wenn ich ihr nicht wehtun will... Eine der weißen Lakaien hob ihren eigenen Stab. „Mana-Link.“ Die anderen Lakaien und Baila wurden von vielfarbigen Lichtpunkten eingehüllt und stärkten die Kämpfer. Es war Nozomu schon immer unheimlich gewesen, aber die weißen Lakaien waren stets die emotionslosesten gewesen. Sie redeten kaum und reagierten auch nicht auf Schmerz. Es verwunderte ihn nicht, dass auch ihre Anführerin vom selben Schlag war. „Was die können, können wir schon lange“, bemerkte Nozomu. „Rehme, gib uns Kraft.“ „Klar!“, rief das Shinjuu. „Celestial Ally!“ Rehme hüllte die Gruppe in leuchtenden Nebel ein, der ihnen Kraft und Stärke gab, die sie für diesen Kampf gebrauchen konnten. Narukana lächelte selbstsicher und hob einen ihrer Arme. „Excalibur!“ Sie riss den Arm herunter, zeitgleich wurde eine der Lakaien von einer unsichtbaren Kraft getroffen und löste sich in Mana auf. Baila zeigte sich unbeeindruckt, machte aber immer noch nichts. Stattdessen hob ein anderer Lakai den Stab. „Urteil...“ Weiße Speerspitzen schossen auf die Gruppe zu. Subaru hielt den Bogen schützend vor sich, was ein helles Schild vor Narukana erzeugte und den Angriff abwehrte. „Unterschätze uns nicht!“, sagte sie überzeugt. „Wir mögen vielleicht nicht so aussehen, aber wir sind ein Team!“ Nozomu und Subaru sahen Narukana überrascht an. Sie hatte noch nie von ihnen als Team gesprochen, egal in welchem Zusammenhang. Meistens sah sie sich als Anführerin und alle anderen als ihre Diener. Aber ein Team? Nein, das war neu. Sie bemerkte die Blicke der anderen. „Was denn?!“ „Gar nichts!“, riefen sie gleichzeitig und konzentrierten sich wieder auf den Kampf. „Machen wir weiter“, sagte Narukana. Wie sie erwartet hatte, hatte niemand daran gedacht das Schutzschild um das Versteck neu zu justieren. Aber da alle Lakaien bei der Großoffensive waren, konnte sie unbehelligt in die Festung der Corps eindringen. Die Dunkelheit im Inneren überraschte sie und warf sie ein wenig aus der Bahn. Sie hatte mit düsteren Gängen gerechnet, aber nicht mit mit einer Dunkelheit, die sämtliches Licht aufzusaugen schien und es nur an bestimmten Stellen wieder ausspuckte. Sie fürchtete sich fast schon davor, ihre Füße an die dunklen Stellen zu bewegen, aus Angst, sie würden nicht mehr aus der Finsternis auftauchen. Ruhe herrschte in der Festung und ließ jeden ihrer Schritte umso lauter von den Wänden widerhallen, was ihr eine Gänsehaut bescherte. Mit klopfendem Herzen durchschritt sie die Gänge, ohne zu wissen, wonach genau sie suchen musste. Wo befand sich nur der Anführer der Corps Leader? Sie musste ihn finden, nur um sicherzugehen, dass es nicht ihr Ciar war, sondern jemand ganz anderes mit einer ähnlichen Ideologie. Dass sie sich in Gefahr begab war ihr durchaus bewusst, aber sie ignorierte es. Gefahr hatte sie stets um sich, sie war daran gewöhnt. Aber normalerweise war Karfunkel bei ihr. Diesmal war sie vollkommen allein. Ihr Puls beschleunigte sich, als sie daran dachte. Doch hastig verdrängte sie den Gedanken und konzentrierte sich wieder auf ihren Weg. Offensichtlich hatte sie den richtigen erwischt, denn er führte sie geradewegs zu einem doppelflügigen Tür. Ein samtener Teppich war davor ausgelegt. Jenseits der Tür musste etwas Wertvolles sein. Und wenn nicht der Anführer, wer dann? Adina holte noch einmal tief Luft und öffnete die Tür. Egal wieviele Lakaien die Gruppe tötete, Baila rief immer weitere zu sich, die sich vor sie stellten, sie beschützten und für sie kämpften. Narukana fluchte leise. „Das darf doch nicht wahr sein. Langsam wird das langweilig.“ Plötzlich wurde ein weißer Lakai von einem Laserstrahl getroffen, er löste sich auf. „Nozomu-chan!“ Nozomi und der Rest der Gruppe kam angelaufen. Der Eternal sah sie alle fragend an. „Was macht ihr denn hier?“ „Die anderen Anführer sind plötzlich mit ihren Lakaien verschwunden“, antwortete Naya. „Wir trafen uns auf dem Hauptplatz und beschlossen dann, hierher zu kommen, ~jiyaaa.“ Sie sah zu Baila. „Das ist also die letzte Corps-Anführerin.“ Subaru nickte. Zetsu zog Gyouten. „Nozomu, wir kümmern uns um die Lakaien, ihr nehmt euch die Anführerin vor. Einverstanden?“ Narukana nickte an seiner Stelle. „Alles klar.“ Die anderen griffen ebenfalls nach ihren Shinken. Auf eine stumme Einigung gingen sie alle gleichzeitig auf die Feinde los. Die Lakaien, von dem plötzlichen Ansturm abgelenkt, öffneten eine Gasse, die direkt zu Baila führte. Narukana, Nozomu und Subaru ergriffen die Gelegenheit und spurteten hindurch. Dabei wichen sie fehlgeleiteten Zaubern und übermütigen Shinjuu aus. Direkt vor der Anführerin blieben sie wieder stehen. Ihr Blick war immer noch distanziert, ihre Aura gefühllos. „Murakumo no Nozomu... du trittst mir gegenüber? Hast du Narukana etwa nicht zugehört?“ Rehme runzelte ihre Stirn. „Nozomu, es gibt nur eine Möglichkeit, diesen Kampf zu gewinnen.“ Lass mich raten! Ihr Shinken? „Ganz genau! Wenn du ihr Shinken zerstörst, kannst du sie besiegen, ohne sie zu verletzen.“ Gut, versuchen wir es. Er stellte sich in Kampfposition. Bailas Augen verengten sich. „Du willst es also wissen, hm?“ Narukana schnaubte. „Nozomu! Stellst du dich gegen meinen Befehl!?“ Er reagierte nicht darauf. „Nozomu...“ Subaru sah ihn ungläubig an. Wollte er trotz Narukanas Warnung wirklich gegen sie kämpfen? Aber andererseits: Wann hatte Nozomu mit einer Einschätzung der Situation schon einmal falsch gelegen? Mit Sicherheit würde er auch diesmal wieder recht haben – zumindest hoffte Subaru das. Baila stellte sich ebenfalls in Kampfposition. Als ob sie genau wissen würde, was er vorhatte, hielt sie das Shinken so zurück, dass ihr Körper dafür die ideale Angriffsfläche bot. Kommen wir trotzdem ran? „Aber natürlich, keine Sorge.“ Gut. „Rehme, steh mir bei!“ Er sprang vor. „Crossing Dividers!“, rief das Shinjuu. Nozomu führte die Schwerter in einem x-förmigen Schlag direkt gegen das Shinken – und hörte, wie etwas in Fleisch schnitt. Ungläubig blickte er auf eines seiner Schwerter, an dessen Klinge Blut klebte. Baila hielt sich den blutenden Arm mit dem sie auch das Shinken hielt. Im quasi letzten Moment hatte sie den Arm vorgestreckt, um das Shinken in Sicherheit zu bringen. „Auch das noch“, seufzte Narukana. Nozomu wich zurück. Rehme legte ein besorgtes Gesicht auf. „Verdammt...“ Bailas Blut wandelte sich in schwarzes Mana, das anders war als das normale schwarze Mana. Das normale sah mehr lila aus, aber das von Baila war tatsächlich pechschwarz. War das... annullierendes Mana? „Baila!“ Subaru ließ seinen Bogen fallen und stürzte vor. Sie wollte ihr Shinken heben, um ihn abzuwehren, aber ihr Arm machte da nicht mit. Er griff nach ihren Armen. „Subaru!“, rief Narukana laut. „Fass sie nicht an!“ Doch es war bereits zu spät. Das schwarze Mana aus ihrer Wunde sprang gierig auf Subarus Arm über und suchte nach einem Weg zum Eindringen. Es fühlte sich auf seiner Haut an wie Nadelstiche. Baila sah ihn emotionslos an, dann stieß sie ihn kurzentschlossen weg. Scheinbar enttäuscht zog das Mana sich zurück. Narukana riss Subaru zu sich. „Du Idiot! Ich habe gesagt, du sollst sie nicht anfassen!“ „Aber... aber...“ Sie ließ ihn gar nicht erst seine Gedanken sammeln und sah zu Nozomu. „Und du! Dir habe ich gesagt, du sollst sie nicht verletzen! Männer! Warum hört ihr nie zu!?“ Plötzlich erschienen Azzurre und Yuina neben Baila. Die Anführerin der grünen Corps heilte die Verletzung des Mädchens. Die letzten schwarzen Funken flogen davon. Azzurre hatte die Hände gefaltet und sah die Gruppe um Narukana mild lächelnd an. „Eigentlich hätten wir gern mehr Zeit mit euch allen verbracht, aber leider macht uns ein Eindringling in unserem Hauptquartier zu schaffen. Hoffentlich seid ihr nicht zu enttäuscht. Baila, wir gehen!“ Azzurre und Yuina verschwanden. Baila sah noch einmal Subaru an, dann ging sie mit ihren Lakaien ebenfalls. Die Gruppe scharte sich um Narukana, Nozomu und Baila. Satsuki stellte sich extra weit weg von Nozomu. Jatzieta schüttelte missbilligend ihren Kopf. „Alles in Ordnung, Subaru?“ „Ja. Schon gut.“ „Du bist unverletzt?“ Er nickte. „Gut, dann konnte das Mana auch nicht eindringen.“ Subaru nickte noch einmal. Baila hatte ihn weggestoßen... weil sie sich Sorgen um ihn machte? Oder weil sie seine Berührung nicht hatte ertragen können? Nozomu sah Salles an. „Von was für einem Eindringling haben die beiden geredet?“ Der Brigadeführer hob die Schultern. „Ich weiß nicht, ich habe niemanden geschickt.“ Nozomi legte den Kopf schräg. „Mhm, könnte es vielleicht Adina sein? Karfunkel ist immerhin ohne sie zurückgekommen.“ Salles schob seine Brille zurück. „Das werde ich herausfinden.“ „S-Salles-sama“, stammelte Thalia. „Is-ist das eine gute Idee?“ Ihm blieb keine Zeit zu antworten, denn Jatzieta sprang sofort darauf an: „Ich werde dich begleiten.“ „Und ich auch!“, sagte Satsuki. „Damit wäre das geklärt“, sagte Salles. „Ihr anderen geht zurück zu Monobe und ruht euch aus.“ Der Rest der Gruppe nickte widerwillig. Keiner von ihnen war mit dem Plan einverstanden, aber sich gegen den Brigadeführer aufzulehnen wagten nur Narukana und Zetsu – und keinen von beiden schienen es zu interessieren, das Hauptquartier aufzusuchen. Salles wandte sich Jatzieta und Satsuki zu. „Gehen wir.“ Die drei gingen davon. Der Rest der Gruppe sah ihnen hinterher, bis Zetsu, Leana und Narukana sich abwandten und davongingen. Subaru folgte ihnen langsam. Langsam ging auch der Rest der Gruppe davon, bis nur noch Nozomu und Nozomi dastanden. Er blickte immer noch Satsuki hinterher, obwohl sie längst aus seinem Blick verschwunden war. Er hatte nach dem Kampf mit ihr reden wollen, aber jetzt war sie wieder weg. Hoffentlich kam sie bald zurück. „Nozomu-chan...?“ „Hm?“ Er sah die verschüchtert dastehende Nozomi an. „Ich glaube, wir sollten auch zurückgehen.“ „Ah... ja, genau.“ Gemeinsam gingen die beiden in Richtung Monobe davon, den anderen folgend. Kapitel 21: In der Höhle des Löwen ---------------------------------- Adina betrat den Saal. Ihr Blick ging neugierig umher, kaum, dass sie festgestellt hatte, dass niemand da war. Auch dieser Raum war größtenteils in Dunkelheit getaucht, außer einem Thron und einem Vorhang dahinter, war nichts zu sehen. Aber ein leises Rauschen, ähnlich dem einer Brandung, sagte ihr, dass es noch mehr in diesem Saal gab. Sie musste es nur finden. Langsam durchschritt sie den Saal, aufmerksam auf jedes Geräusch und jede Bewegung achtend. Wenn sie sich zu sicher fühlte, konnte es gut sein, dass sie aus dem Hinterhalt angegriffen werden würde und das wollte sie zumindest hier nicht riskieren. Am Vorhang angekommen wollte sie einen Blick dahinter werfen, als plötzlich Schritte hinter ihr erklangen. Langsam fuhr sie herum. Ein Mann mit einem dunklen Umhang und einer Maske war mitten im Saal aufgetaucht. „Ich mag keinen unerwarteten Besuch“, sagte er. Seine Stimme wirkte hohl, als ob sie aus einem anderen Klangkörper als dem menschlichen Körper stammen würde. Dass die Stimme dabei von den Wänden widerhallte, tat sein übriges dazu. Adinas Mundwinkel zuckten nervös. „Ich hab auf euren Anrufbeantworter gesprochen. Ich kann nichts dafür, wenn niemand ihn abhört.“ „Versuchen wir etwa, lustig zu sein?“ „Aber nicht doch.“ Sie versuchte, seine Aura zu ertasten, aber es war nichts zu spüren. Wie kann das sein? „Wer bist du?“, fragte sie. „Das sollte ich dich fragen. Mein Name ist Kyouikuteki Ciar.“ „Das ist nicht wahr!“, rief sie aus. „Du lügst!“ Er kann nicht Ciar sein! Das ist nicht möglich! Ciar würde nie... Hinter seiner Maske konnte sie keine Emotionen erahnen. Warum trug er eine Maske? Warum einen solchen Umhang? Was war geschehen? „... Ich kenne dich. Kodoku no Adina, nicht wahr?“ „Du bist nicht Ciar!“, erwiderte sie. Er hob einen Arm und zeigte mit der Handfläche auf sie. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, spürte sie einen tiefen, nachhallenden Schmerz in ihrem Inneren. Ihre Knochen selbst schienen in Flammen zu stehen. Mit einem lauten Schrei ging sie in die Knie. Seine Handfläche folgte ihr, um den Zauber nicht abbrechen zu lassen. Dunkle Flammen hüllten ihren Körper ein und wirkten nun auch von außen auf sie ein. Sie schrie lauter, aber er reagierte nicht darauf. Bitte... bitte... Ciar... Die zu Monobe zurückgekehrte Gruppe saß – abgesehen von Subaru – versammelt in der Cafeteria. Sogar Zetsu und Leana hatten sich entschieden, mit den anderen zusammen zu sitzen. „Meint ihr, Salles-sama kriegt das hin?“, fragte Thalia nervös. „Vielleicht hätten wir doch mitgehen sollen.“ Sorluska schnaubte. Nach den Ereignissen im Kampf gegen Sharivar hatte er eigentlich gehofft, dass Thalia ihr Schwärmen für den Brigadeführer einstellen würde, aber sie hatte anscheinend nur eine Pause gemacht – um genau jetzt wieder damit anzufangen. Zetsu schüttelte den Kopf. „Wir wären nur im Weg gestanden. Es reicht, wenn sie zu dritt in der Basis des Feindes herumlaufen und sich in Gefahr begeben.“ „Gefahr?“, fragte Nozomu alarmiert. Der Silberhaarige lächelte beruhigend. „Ah, mach dir keine Sorgen um Ikaruga-senpai. Sie ist zäh und wird da schon wieder rauskommen.“ Nozomi nickte zustimmend. „Das ist richtig.“ Narukana betrachtete ihre Nägel. „Mhm~, ob es hier wohl Nagelpolitur gibt?“ Die anderen sahen sie genervt an. Sie hob den Blick. „Was denn?“ „Schon wieder etwas Falsches gesagt“, merkte Nanashi halblaut an. „Ach kommt“, erwiderte die Göttin. „Natürlich werden die drei das schaffen und bald wieder da sein. Sie sind nicht umsonst Salbar, Sephirika und... ja, wie auch immer sie heißen mag.“ „Narukana-dono hat recht“, bestätigte Katima. „Wir sollten auf unsere Verbündete vertrauen. So wie Salles-sama es auch schon gesagt hat.“ Die anderen nickten zustimmend. Aber zumindest in Nozomu blieb ein kleiner Rest von Sorge. Obwohl sie durch die Barriere getreten waren, erschienen keine Lakaien, um sie anzugreifen. Jatzieta ließ enttäuscht den Blick schweifen. „Kein Willkommenskomitee? Wie langweilig.“ Salles schmunzelte. „Seien wir froh darum.“ Die Gruppe betrat die Festung. Jatzieta ließ ihr Shinken erscheinen, das Feuer aus der Laterne erhellte den Gang für einige Meter. „Bestens gerüstet, Jatzieta hat alles, was der Abenteurer braucht, um zu überleben“, lachte sie. Salles räusperte sich, was sie sofort wieder ernst werden ließ. Gemeinsam durchliefen sie die leeren Gänge. Weder ein Lakai noch einer der Anführer erschien, das flackernde Licht warf bizarre Schatten an die Wände. Sind alle so beschäftigt?, wunderte Salles sich. Oder ist das mehr eine Falle? Die drei kamen im Thronsaal an, der vollständig leer war, abgesehen von – „Adina...“ Jatzieta kniete sich neben sie. Der blonde Eternal stöhnte. „Au...“ „Was tut dir weh, Liebes?“, fragte Jatzieta. „... alles. Irgh, wo ist er?“ Salles und Satsuki sahen sich um, aber sonst war niemand zu sehen. „Es ist niemand da“, sagte der Brigadeführer schließlich. „Der Eindruck mag täuschen“, erklang eine Stimme und im nächsten Moment erschien Azzurre, gemeinsam mit Yuina und Shani. „Bislang sind wir nämlich auch da, um für Ordnung zu sorgen.“ Salles griff nach seinem Shinken, genau wie Satsuki. Azzurre seufzte. „Oh bitte, nicht schon wieder. Warum muss denn dauernd gekämpft werden? Ich hatte gehofft, dass Egen wesentlich vernünftiger ist.“ „Vernünftiger, hm?“ Der Brigadeführer runzelte seine Stirn, sie lächelte mild. Jatzieta hob den Kopf. „Salles, wir sollten Adina hier wegbringen. Hier kann ich sie nicht behandeln.“ „Das können wir nicht zulassen“, erwiderte Yuina. „Auch wenn es Azzurre nicht gefällt, aber wir müssen euch wohl mit Gewalt aufhalten.“ Die drei Anführerinnen zogen ihre Waffen. „Und weglaufen nützt auch nichts“, merkte Shani an. „Draußen warten Sable und Baila mit vielen vielen Lakaien auf euch.“ Satsuki fluchte leise. „Wir hegen keinen Groll gegen euch“, fuhr Azzurre fort. „Wenn ihr Kodoku no Adina hier lasst, sichern wir euch einen sicheren Rückzug zu. Aber nur sofern ihr diese Welt auch gleich verlasst und uns in Ruhe lasst.“ Salles sah zu Adina hinüber, die inzwischen das Bewusstsein verloren hatte. Und er dachte wieder an den Anführer der ganzen Sache zurück. Ob es wirklich Ciar war? Aber wie auch immer, sie konnten diese Welt nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, also kam ein Rückzug nicht in Frage. „Tut mir Leid, aber das kommt absolut nicht in Frage.“ Azzurre seufzte. „Wie schade. Dann lasst ihr uns keine andere Wahl.“ Jatzieta stand auf und griff ebenfalls nach ihrem Shinken. „Lasst uns schnell machen.“ Ein wenig besorgt sah Satsuki ihre beiden Verbündeten an. „Aber wie kommen wir hier weg, wenn wir die drei besiegt haben? Draußen warten doch noch mehr...“ „Darum kümmern wir uns später“, antwortete Salles. Die beiden Frauen nickten und wandten sich wieder ihren Feinden zu. Azzurre griff mit ihrem Schwert an, prallte aber an einem grünen Schild ab, das Salles vor sich aufgebaut hatte. „Den hier könnt ihr nicht aufhalten“, kündigte Shani an. „Feuerball!“ Satsuki lachte nur. „Cheiron! Los!“ Ihr Shinjuu, der Zentaur Cheiron erschien vor der Gruppe. „Verstanden!“ Sein ganzer Körper war gepanzert, so dass er wie eine Maschine wirkte und auch seine Stimme klang nur hohl aus der Rüstung heraus. Eine hörnere Klinge ragte aus seiner Stirn, in seiner rechten Hand hielt er eine große Lanze. Er hob die Hand und absorbierte den Feuerball. Schließlich hob er die Hand mit der Lanze. Ein Energieball schoss daraus hervor und traf Shani, die kreischend in die Knie ging. „Das hat wehgetan!“ Sie versuchte, sich wieder aufzurichten, schaffte es aber nicht. „Uh, ich bin draußen.“ „Beeindruckend“, bemerkte Satsuki spöttisch. „Nicht einmal einen Angriff könnt ihr aushalten.“ „Und da lege ich gleich nach“, sagte Jatzieta. „Ihr Sterne, die ihr das Dunkel zerreißt; ihr Meteore, die den Himmel zum Glühen bringen; kommt herab zu mir! Star Zapper!“ Kristallisiertes Mana stürzte auf die Feinde herab, die ebenfalls in die Knie gingen. „Verdammt...“, fluchte Yuina. Satsuki nickte den anderen zu. „Gehen wir.“ Jatzieta erwiderte das Nicken. Salles hob Adina auf seine Arme. „Schnell.“ Bevor ihre Feinde sich wieder aufrichten konnten, liefen die drei davon. Im Eilschritt ging es die Gänge entlang, bis sie ins Freie traten – Sable, Baila und unzählige weiße und schwarze Lakaien standen im Halbkreis vor ihnen. Verzweiflung breitete sich in der Gruppe aus. So viele Feinde auf einmal konnten sie nicht bekämpfen, besonders nicht so kurz nach der Großoffensive und dem Kampf gegen die anderen drei Anführerinnen. Sable verschränkte lächelnd die Arme vor der Brust. „Wie Mäuse in der Falle. Denkt erst gar nicht daran, abzuhauen, ihr habt keine Chance.“ Satsuki sah zu Baila, aber diesmal spürte sie das Gefühl, das sie letztes Mal überwältigt hatte, nicht so stark wie zuvor. Stattdessen konnte sie es problemlos niederkämpfen. Was hatte sich verändert? Sable sah ebenfalls Baila an. „Na? Willst du anfangen?“ Das weißhaarige Mädchen erwiderte Satsukis Blick. Plötzlich hob sie den Stab, die weißen Lakaien taten es ihr nach. Satsukis Gruppe ging in Abwehrhaltung – aber dann geschah etwas, was niemand erwartet hätte. Die Stäbe der weißen Lakaien leuchteten, doch die Angriffe galten nicht den drei Shinken-Trägern, sondern deren schwarzen Feinden, die sich nach einem heiseren Kichern auflösten und von neuen Lakaien ersetzt wurden. „Was soll das!?“, fauchte Sable Baila an. „Warum tust du das!?“ „Fehler in der Konfiguration“, sagte sie gleichgültig, ohne sich um dessen Behebung zu kümmern. Sable knirschte mit den Zähnen und ließ ihre Lakaien verschwinden, bevor sie noch einmal vernichtet werden konnten. Die weißen Lakaien standen wieder ruhig und ohne jedes Lebenszeichen da. Salles sah umher. „Gut, nutzen wir die Gelegenheit und fliehen.“ Zwar waren alle drei neugierig, was gerade eben geschehen war, aber das musste warten. Gemeinsam liefen sie durch die Reihen der weißen Lakaien. Je weiter sie liefen desto leiser wurden Sables Vorwürfe. Baila reagierte nicht darauf und sah der Gruppe nur stumm hinterher. Jatzieta warf noch einmal einen Blick zurück. Warum hat sie das getan? Sie sah wieder nach vorne und kümmerte sich nicht mehr um das, was hinter ihr geschah. „Was ist geschehen?“, verlangte Azzurre zu wissen, als sie draußen erschien. „Wie konnten die drei Feinde entkommen?“ Sable deutete auf Baila. „Es war ihre Schuld! Ihre Lakaien haben meine angegriffen!“ Das Mädchen reagierte immer noch nicht. Azzurre trat auf sie zu und legte eine Hand auf ihren Kopf. „Mhm... ich verstehe. Das kommt unerwartet.“ „Was ist?“, fragte Sable. Azzurre wandte sich an die schwarzhaarige Anführerin. „Nun, als Bailas Mana aussickerte, wurde sie von einem unserer Feinde berührt. Offensichtlich gab es dabei einen Mana-Austausch, der nun ihre Konfiguration durcheinanderbringt.“ Sable legte ein nachdenkliches Gesicht auf. „Ich verstehe.“ „Es wird eine Weile dauern, sie neu zu konfigurieren. Nur keine Sorge, wir werden noch mehr Gelegenheiten haben, unsere Feinde zu zerschlagen.“ Die schwarzhaarige Anführerin nickte und ging davon. Azzurre sah Baila sanft lächelnd an. „Und um dich kümmere ich mich.“ Sie griff nach ihrer Hand und zog sie mit sich zu Ciar, der sich im Thronsaal befand als wäre nie etwas geschehen und er auch nie weg gewesen. In wenigen Worten erklärte Azzurre was geschehen war. Er rührte sich kaum. „Gut, du weißt, was zu tun ist.“ Sie nickte und zog Baila weiter mit sich, hinter den Thron und jenseits des Vorhangs. Der Rest der Gruppe (abgesehen von Subaru) empfing Salles, Jatzieta und Satsuki bei deren Rückkehr. Der Brigadeführer und die Ärztin hielten sich nicht lange auf und gingen direkt mit Adina und Karfunkel in Richtung der Krankenstation. „Was ist passiert?“, fragte Nozomi besorgt. Satsuki zuckte mit den Schultern. „Was ist los, Senpai?“, fragte Zetsu. „Immer noch sauer?“ Aus welchem Grund auch immer? Sie seufzte plötzlich, ihre Züge wurden weich. „Keine Sorge, alles okay. Ich bin nur müde. Nozomu, ich geh schon mal ins Bett, ja?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, ging sie davon. Er sah ihr mit gerunzelter Stirn hinterher. „Scheint als hättest du heute kein Glück, mein Freund“, meinte Zetsu. „Wenn sie dich abweist, komm zu mir. Narukana-sama wird dich trösten.“ Nozomi schnaubte. „Nozomu-chan wird dann zu mir kommen!“ „Mein Zimmer steht ihm auch immer offen, ~jiyaaa!“ Die beiden Frauen sahen Naya wütend an. „Halt du dich da raus!“ Landis lachte. „Über fehlende Abwechslung kannst du dich ja nicht beklagen.“ „Hauptsache, er kommt nicht zu mir“, sagte Thalia. „Sor, gehen wir?“ Sorluska nickte grinsend und folgte ihr. „Da Nozomu-chan wieder da ist, geh ich jetzt auch ins Bett“, sagte Ruputna. „Komm, Landis.“ Die beiden gingen ebenfalls davon. Zetsu und Leana liefen grußlos ebenfalls in Richtung ihres Zimmers. Zurück blieben nur die drei streitenden Frauen, so wie Katima und Nozomu. Die Königin seufzte leise, lächelte dabei aber. Er schmunzelte. „Gute Nacht, Katima.“ „Gute Nacht, Nozomu.“ Ohne zu den Streitenden etwas zu sagen, gingen beide in Richtung ihrer Zimmer davon. Rehme schien bereits zu schlafen, jedenfalls hatte Nozomu sie seit der Rückkehr in die Monobe-Akademie nicht mehr gesehen. Innerlich auf eine schlafende (oder gar nicht anwesende) Satsuki eingestellt, öffnete Nozomu die Tür. Die Überraschung war umso größer, als er die Schulsprecherin, eingewickelt in einer Decke, auf dem Futon sitzen sah. Ihr Blick war ernst, weswegen sich ein ungutes Gefühl in seinem Inneren ausbreitete. „Nozomu...“ „J-ja?“ „Komm doch mal her.“ Schluckend ging er näher und setzte sich neben sie. Dabei fragte er sich, was das mit der Decke sollte. War ihr so kalt? Satsuki löste die Decke von ihren Schultern und nun erkannte Nozomu, was es damit auf sich gehabt hatte. „S-Satsuki, was...?“ Sie schlang ihre Arme um ihn und küsste ihn, bevor er sie fragen konnte, warum sie nichts mehr anhatte. Satsuki löste sich wieder von ihm. Sie kicherte. „Überrascht?“ „Und wie. Ich dachte, du wärst böse oder... so etwas.“ Lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Ich hab mich nur komisch verhalten. Mir ist klar geworden, dass es keinen Grund gab, böse auf dich zu ein.“ „Stimmt.“ „Also, lass uns unsere Versöhnung feiern.“ Er lächelte zufrieden. „Aber gern.“ Kapitel 22: Heiße Quellen ------------------------- Nach zwei Tagen war fast alles wieder beim alten in der Monobe-Akademie. Lediglich Salles durchbrach die Routine, indem er jeden Tag die Krankenstation besuchte, um nach der noch immer bewusstlosen Adina zu sehen. Er machte sich keine Sorge um sie, er wollte nur wissen, was geschehen und wem sie begegnet war. Die drei Anführerinnen hatten sie bestimmt nicht ins Koma getrieben. Doch wie am Tag zuvor schüttelte Jatzieta ihren Kopf, als er den Raum betrat. „Ihr Zustand ist noch immer unverändert.“ Er hatte es erwartet und dennoch war es enttäuschend. „Ich verstehe. Was denkst du?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Nun, aufwachen wird sie früher oder später – ich weiß nur nicht, wann es soweit sein wird.“ Die beiden blickten auf das bleiche Mädchen, das in einem der Betten lag und sich kein bisschen rührte. Wenn Jatzieta es ihm nicht anders versichert hätte, hätte Salles geglaubt, dass sie inzwischen gestorben war. Salles seufzte leise. „Gut, wenn sie aufwacht -“ „Werde ich es dir sofort sagen, schon verstanden.“ Sie seufzte ebenfalls, allerdings ein wenig lauter als er. „Ich frage mich, was ihr so sehr zugesetzt hat, dass sie davon ihr Bewusstsein verloren hat.“ Ein Geräusch wie splitterndes Glas erklang und im nächsten Moment stand Karfunkel ebenfalls im Raum. Jatzieta schmunzelte. „Als Stola würdest du dich gut machen, mein Kleiner.“ Das Shinjuu reagierte nicht darauf, sondern sprang auf das Krankenbett von Adina. Auf der weißen Decke rollte es sich zusammen und schlief friedlich ein, ohne auch nur etwas gesagt zu haben. Die Ärztin lächelte war. „Auch wenn die beiden oft nicht den Eindruck machen, sie haben sich sehr gern.“ „So soll es auch sein. Gut, ich gehe dann wieder an die Arbeit. Ruf mich, wenn sich etwas ändert.“ Jatzieta nickte noch einmal und sah Salles hinterher. Schließlich blickte sie auf Adina und den schlafenden Karfunkel. Ob das Shinjuu ihr wohl bei ihrer Genesung helfen kann? Der Rest der Gruppe, ausgenommen Subaru, saß unterdessen in einem Klassenzimmer. Der Unterricht war bereits vorbei und die anderen Schüler bereits gegangen, aber die Shinken-Träger saßen, relativ lustlos, noch da und starrten durch die Gegend. Seit der Offensive vor wenigen Tagen war nichts mehr geschehen und auf Training hatte auch keiner mehr Lust. Immer nur zu kämpfen war auf die Dauer ermüdend und wenig abwechslungsreich. Sorluska seufzte laut. „Oooooh Mann, es ist so langweilig.“ „Ich kann dich zum Hauptquartier der Lakaien bringen“, bot Satsuki an. „Da hast du Abwechslung ohne Ende.“ „Nein, danke“, wehrte er sofort ab. „Kämpfen ist auch langweilig.“ Thalia sah ihn gespielt schockiert an. „Sor, bist du krank?“ Er schnitt ihr eine Grimasse. „Nein, bin ich nicht. Ich mag nur keine Langeweile.“ „Du bist ziemlich anstrengend“, bemerkte Zetsu. „Mir egal, was du denkst!“, knurrte Sorluska. Er sah zu Landis hinüber. „He, Totenjunge, weiß dein Shinjuu, ob es hier was Interessantes gibt?“ „Äh, keine Ahnung... Aber ich frag sie mal.“ Ohne eine individuelle Bitte erschien Eneko neben ihm. Er wandte sich an die Nekomata, die ihm sofort Rede und Antwort stand – allerdings nur in seinen Gedanken. Sorluska wartete gespannt. Nervös rutschte er auf seinem Stuhl hin und her. Thalia schüttelte seufzend den Kopf. Schließlich wandte Landis sich wieder an die anderen: „Eneko sagt, dass es in der Nähe heiße Quellen gibt, von denen sie sich fernhält.“ „Woohoo! Heiße Quellen!“ Nozomu sah Sorluska irritiert an. „Huh?“ „Das wird heute unser Ziel“, verkündete er. „Nur wir vier Männer!“ Thalia seufzte erneut. „Idiot.“ „Ihr nehmt Landis-chan mit?“, fragte Ruputna irritiert. „Müssen wir wohl“, antwortete Sorluska. „Er ist der einzige, der den Weg kennt.“ Landis lachte humorlos. „Wie nett. Aber wenn man mich so freundlich bittet, gehe ich natürlich mit.“ „Ich will auch mit!“, verkündete Ruputna, doch Sorluska schüttelte den Kopf. „Nichts da! Nur Nozomu, Zetsu, Landis und ich gehen!“ „Unfair!“ „Das, was sie gesagt hat“, stimmte Zetsu zu. „Muss ich auch mit?“ Sorluska verzog genervt sein Gesicht. „Bist du ein Mann oder eine Memme?“ Zetsu und Nozomu warfen sich gegenseitig einen Blick zu. „Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“, fragte der braunhaarige Eternal schließlich. Der Schwarzhaarige grummelte. „Stellt nicht so viele blöde Fragen. Seid ihr jetzt dabei!?“ Die beiden seufzten ergeben. „Okay.“ In aller Eile trieb er die anderen an, damit sie endlich aufstanden und mit ihm kamen. Kaum hatten sie das Klassenzimmer verlassen, sprang Ruputna auf. „Ooooooooh, die können doch nicht einfach Landis-chan mitnehmen! Ich werde ihnen folgen.“ Und sie mit Jii-chan ein wenig ärgern. Satsuki schmunzelte. „He... keine schlechte Idee. Wir werden ihnen einfach folgen.“ „Wir?“ Nozomi, Narukana und Naya sahen sie fragend an. „Ja, wir. Seid ihr dabei?“ „Warum willst du ihnen folgen?“, fragte Naya. „Oder besser: Warum willst du, dass wir mitkommen?“ Satsuki lachte. „Weil ihr so oder so mitkommen würdet, oder?“ Die drei schwiegen bedrückt. Immerhin hatte Satsuki recht und das war ihnen allen bewusst. „A-aber das gehört sich nicht“, wandte Nozomi schwach ein. Satsuki wischte den Einwand mit einer Handbewegung zur Seite. „Seid ihr jetzt dabei oder nicht?“ Die Gruppe stimmte ein, lediglich Thalia, Katima und Leana saßen schweigend auf ihren Plätzen. „Was ist mit euch?“, fragte die Schulsprecherin. „Ohne mich“, sagte Thalia. „Das ist doch lächerlich.“ Katima schüttelte ihren Kopf. „Ich werde lieber in die Stadt gehen.“ Leana reagierte nicht einmal darauf. Satsuki blickte wieder zu den anderen. „Gut, gehen wir, bevor Ruputna uns abhängt.“ Sie deutete zur Tür, durch die Ruputna eben verschwunden war. Die anderen vier standen auf und folgten ihr hastig. Katima ging ebenfalls, wenngleich wesentlich langsamer, hinaus. Kaum waren die anderen draußen, stand auch Thalia auf. „Leana, kommst du?“ Direkt angesprochen sah sie auf. „Hm-hm, natürlich.“ Leana brauchte nicht genauer nachzufragen, um zu wissen, was sie vorhatte. Sie stand auf und folgte Thalia, die bereits vorausgegangen war. Katima lief unterdessen wieder durch die Stadt, auf der Suche nach einer bestimmten Person, auch wenn sie das nicht gern zugab. Und einem der anderen würde sie bestimmt auch nichts davon erzählen, sie würden ohnehin nur dumme Witze machen und das alles falsch verstehen. Dabei war es überhaupt nichts, sie wollte nur mal wieder mit jemandem reden, der nicht zur Monobe-Akademie oder der Brigade gehörte und das länger als beim letzten Mal. Vor dem Schloss traf sie die gesuchte Person schließlich. „Hallo, Cynard.“ Er wandte sich ihr zu. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus als er sie erkannte. „Lady Katima, wie schön Euch zu sehen. Was führt Euch hierher?“ „Nun, ähm... also...“ Sie druckste ein wenig herum. Wie sollte sie das nur sagen? In der Theorie war das viel einfacher. Schließlich räusperte sie sich. „Ich hatte gehofft, äh, ich meine, gedacht, dass wir vielleicht zusammen essen gehen können.“ „Aber natürlich, Lady Katima. Mit dem größten Vergnügen.“ Sie lächelte erleichtert. Er bat sie zu warten und gab den Soldaten letzte Instruktionen, bevor er sich wieder ihr zuwandte. „Ich bin fertig, Lady Katima, lasst uns gehen.“ Die Königin nickte. „Aber darf ich Euch vorher um etwas bitten?“ „Um was?“ „Bitte duzt mich doch, das wäre mir angenehmer.“ Er lachte leise. „Einverstanden, sofern Ihr das auch tut.“ Sie nickte lächelnd. Gemeinsam gingen sie wieder die Straße hinunter, in Richtung eines Restaurants, wesentlich gelassener als zuvor. Sorluska streckte sich genüsslich. „Aaaaaaaah, das ist das Leben.“ Zetsu schmunzelte. „Ja, es ist mal was anderes als das Bad in der Schule.“ „Ich frage mich nur, ob es eine gute Idee war, sich in der Mitte von Nirgendwo auszuziehen, um zu baden“, meinte Nozomu. „Eneko sagt, dass niemand in der Gegend ist, von daher musst du dir keine Gedanken machen.“ Der Eternal nickte dazu. „Wenn du das sagst.“ „Mich wundert nur, dass die Mädchen, außer Ruputna, uns einfach gehen ließen.“ Sorluska runzelte seine Stirn. „Sonst hängen sie doch immer an euch.“ „Hängt Thalia nicht an dir?“, fragte Landis. „Absolut nicht.“ Zetsu schmunzelte. „Bei ihnen ist das andersrum.“ „Ich an deiner Stelle würde nicht reden“, bemerkte Sorluska. „Du und deine Freundin hängen gegenseitig aneinander.“ Doch Zetsu ließ diese Erwiderung völlig kalt. „Und?“ Sorluska grummelte genervt. Keiner der drei ließ sich irgendwie aus der Reserve locken, was ihn als sehr impulsiven Kämpfer ziemlich störte – auch wenn er zumindest Nozomu mochte. „Ich weiß nicht, was falsch daran sein soll, wenn ein Paar aneinander hängt“, spann Landis das Gespräch weiter. „Wenn man nicht mit dem anderen zusammensein will, muss man ja kein Paar werden.“ „Yo, irgendwie hast du nicht ganz verstanden, warum man sich überhaupt eine Freundin nimmt, oder?“ Zetsu, der genau wusste, was nun kommen würde, rollte mit den Augen, während Nozomu und Landis Sorluska gespannt ansahen. „Hier irgendwo muss es sein...“ Ruputna, Satsuki, Nozomi, Narukana und Naya liefen schon eine ganze Weile durch die Gegend, ohne eine Spur der vier Jungen zu finden. Satsuki seufzte. „Ruputna-chan, bist du sicher, dass Wadatsumi weiß, wo wir hinmüssen?“ „Aber natürlich! Jii-chan kann die heißen Quellen spüren und...“ Eine plötzliche Bewegung vor ihr, ließ sie innehalten. Thalia stand da, begleitet von ihrem quallenförmigen Shinjuu Floating Bubbles. „Oh, Thalia“, rief Satsuki überrascht. „Hast du dich nun anders entschieden.“ „Nicht ganz.“ Sie zog ihr Naginata hervor. Die anderen sahen sie schockiert an. „W-was soll das?“ „Noch einen Schritt näher an meinen Mann und ihr werdet es bereuen!“ Eingeschüchtert wichen die anderen zurück, selbst Narukana schien davon nicht unberührt geblieben zu sein. Die Gruppe fuhr herum und erblickte - „Leana?“ Die Anführerin der Rosenritter stand gemeinsam mit Isolde auf der anderen Seite der Gruppe, ihr Claymore Shoubi bereits in der Hand. „H-hey...“, sagte Satsuki. „Wollt ihr uns etwa... äh...?“ „Oh, keine Sorge“, sagte Leana. „Ihr dürft wegrennen – aber lasst euch das eine Lehre sein.“ Narukana schnaubte. „Glaubst du wirklich, ich renne vor dir weg? ICH?“ Sie stellte sich in Kampfposition. Nozomi stellte sich hastig vor sie. „Narukana, bitte, das ist es doch nicht wert. Lasst uns doch einfach wieder gehen.“ „Nozomi hat recht, jiyaaaa~ Uns gegenseitig zu bekämpfen bringt nichts.“ „Nochmal Glück gehabt“, schnaubte Narukana. Damit rauschte sie als erstes an Leana vorbei, zurück in Richtung Monobe. Nozomi und Naya folgten ihr hastig, beide ein wenig verschämt. Als Ruputna und Satsuki ebenfalls traurig abziehen wollten, steckten Leana und Thalia ihre Shinken wieder ein. „Ihr dürft bleiben.“ „Wirklich?“ Thalia nickte. „Sind ja auch eure Männer dabei.“ Ruputna vollführte glücklich einen Luftsprung. Satsuki dagegen wirkte besorgt. „Wisst ihr denn, wo die heißen Quellen sind? Wir laufen hier schon eine Weile durch die Gegend.“ „Das haben wir bemerkt“, sagte Isolde. Thalia deutete hinter sich. „Sie wären gleich dort drüben gewesen. Wir sind also fast da. Aber seid leise!“ Sie beachtete dabei besonders Ruputna, die hastig nickte. „Natürlich.“ Das Mädchen flüsterte fast, war aber deutlich aufgeregt und schien es kaum noch erwarten zu können – obwohl sie nicht genau wusste, was sie da zu sehen bekommen würde, aber da alle anderen sich darauf gefreut hatten, freute sie sich auch darauf. Und außerdem wollte sie ja noch die Jungs ärgern. „Gut, dann gehen wir“, sagte Thalia, drehte sich um und ging voraus. Die anderen folgten ihr hastig. „... und dafür braucht man eine Frau“, beendete Sorluska seinen Vortrag. Zetsu griff sich an die Stirn und versuchte krampfhaft, ein Lachen zu unterdrücken. Nozomu hatte die Stirn gerunzelt und Landis sah Sorluska mit großen Augen an. „Wa...? Wirklich?“ „Habt ihr das noch nie gemacht?“, fragte der Schwarzhaarige erstaunt. Landis schüttelte den Kopf. „Nein.“ „Wundert mich bei Ruputna nicht“, sagte Zetsu. „Sie ist doch praktisch noch ein Kind.“ Nozomu nickte zustimmend. „Den Eindruck habe ich manchmal auch.“ „Stimmt schon... irgendwie“, sagte Landis. „Aber ich finde das okay.“ Nozomu nickte noch einmal. „Besser ein Kind als jemand wie Thalia.“ Sorluska sah ihn mit hochgezogenen Brauen an. „Was hast du gegen Thalia?“ „Sie ist wie ein Fisch – eiskalt und glitschig.“ Er erwiderte Sorluskas Blick, in Erwartung nun einiges an Ärger zu bekommen – aber stattdessen lachte dieser nur. „In gewisser Weise stimmt das ja. Aber mir gefällt das. Besser als wenn eine Frau einem die ganze Zeit am Arm hängt. Ich brauche immerhin auch meine Freiheiten.“ „Du liebst Thalia also, weil sie so kaltschnäuzig ist?“, hakte Nozomu nach. „Ganz genau. Aber selbst da gibt es Grenzen. Sowas wie Leana würde mir nicht ins Bett kommen.“ Zetsu lachte leise. „Sowas wie Leana hätte genug Niveau sich meilenweit von deinem Bett entfernt zu halten.“ „Von deinem vermutlich auch“, knurrte Sorluska. „Oder habt ihr schon...?“ Zetsu schwieg. Jeder aus der Gruppe zog seine eigenen Schlüsse. Während Nozomu und Landis dabei die treffenden Schlüsse hatten, lag Sorluska weit daneben. „Also habt ihr noch nicht. War ja zu erwarten.“ Er wandte sich an Nozomu. „Und wie sieht es bei dir und Satsuki aus? Ha! Ich wette, ihr habt schon. So wie ich dich und Satsuki kenne...“ Nozomu seufzte leise. „Ja~“ „Und? Ist sie auch im Bett so feurig?“ Nozomu sank ein wenig tiefer ins Wasser und ignorierte die Fragen, was bei Zetsu erneut ein leises Lachen hervorrief. „Willst du nicht über dich und Senpai sprechen?“ „Ah, Feigling“, seufzte Sorluska enttäuscht. Er sah wieder Landis an. „Sag mal, wenn du eh nie darfst und sie so kindisch ist, warum bist du dann mit Ruputna zusammen?“ Der Angesprochene lächelte andächtig. „Sie ist süß.“ „Da spricht die Jungfrau“, kommentierte Sorluska abfällig. Nozomu und Zetsu sahen ihn mit gerunzelter Stirn an, während Landis' Blick nun deutlich seine Genervtheit zum Ausdruck brachte. „Mach dir nichts daraus“, meinte Nozomu. „Früher oder später ist es bei euch auch soweit.“ „Und dann wirst du davon nicht mehr loskommen“, ergänzte Sorluska. Zetsu lachte durch die Nase. „Ja ja ja.“ „Du weißt es wohl besser, huh?“ „Vielleicht.“ Die beiden sahen sich gegenseitig an. Zetsu, die Gelassenheit pur, Sorluska, der offensichtlich versuchte, den Silberhaarigen zu hypnotisieren – oder mit seinen Blicken zu bedrohen. Jedenfalls schwiegen sie während dieses Blicks, was nicht gerade zur Atmosphäre beitrug. „Das ganze Baden macht mich hungrig“, sagte Nozomu schließlich. „Können wir nicht langsam wieder gehen und was essen?“ „Yeah, die Hitze steigt Sorluska schon zu Kopf“, stimmte Zetsu zu. „Ich fürchte, er ist immer so“, widersprach Landis. Zetsu und er lachten gleichzeitig. Sorluska brummelte leise. „Okay, okay, gehen wir wieder. Beim nächsten Mal nehme ich euch beide nicht mehr mit.“ „Vielen Dank“, sagten die beiden im Chor. Lachend machte das Quartett sich bereit, wieder zu Monobe zurückzugehen. Die Mädchen hatten es sich flach liegend auf einer leicht erhöhten Felsformation bequem gemacht, so dass die Jungen sie nicht sehen konnten. Satsuki hatte Sorluskas Bericht über den „Zweck einer Frau in einer Beziehung“ recht interessiert gelauscht, während Ruputna nicht viel verstanden hatte und Thalia und Leana genervt bis gleichgültig ebenfalls zugehört hatten. Als er geendet hatte, knurrte Thalia leise. „So sieht er eine Beziehung also, huh?“ „Ich versteh das nicht“, bemerkte Ruputna, aber die anderen ignorierten sie. „Besser ein Kind als jemand wie Thalia“, sagte Nozomu. Die Erwähnte schnaubte, bevor sie halblaut murmelte: „Pfff. Du würdest mit jemandem wie mir doch nie klarkommen.“ Satsuki kicherte. Das Gespräch schwenkte zu Leana. Die Mädchen sahen zu ihr hinüber, aber bevor sie etwas sagen konnte, antwortete Zetsu bereits darauf: „Sowas wie Leana hätte genug Niveau sich meilenweit von deinem Bett entfernt zu halten.“ Sie neigte zufrieden den Kopf. Satsuki stieß Thalia leicht in die Rippen. „Frag Leana mal, ob sie und Zetsu es bereits getan haben.“ „Frag sie doch selbst“, erwiderte Thalia. Leana, die die Frage natürlich ganz genau gehört hatte, machte es genau wie Zetsu und hüllte sich in Schweigen. Satsuki seufzte enttäuscht, aber dann kam das Gespräch auf sie: „Und? Ist sie auch im Bett so feurig?“ Nozomu antwortete darauf nicht, weswegen Thalia die Schulsprecherin ansah. „Und? Bist du das?“ Die Antwort schien sie nicht wirklich zu interessieren, dennoch nickte Satsuki. „Aber natürlich.“ „Sag mal, wenn du eh nie darfst und sie so kindisch ist, warum bist du dann mit Ruputna zusammen?“ Ruputna setzte ein fragendes Gesicht auf. „Was darf Landis-chan nie?“ Sie hatte das Gesprächsthema bislang noch nicht verstanden und langweilte sich deswegen. Eigentlich war sie ja nur hergekommen, um die Jungen mit Wadatsumi zu ärgern, aber Satsuki hatte ihr das verboten. Entweder verstand die Schülersprecherin keinen Spaß oder sie machte sich Sorgen um Nozomu. Was alle gerade so interessant fanden, verstand Ruputna auch nicht. Satsuki kicherte leise. „Das erkläre ich dir, wenn wir wieder in der Schule sind.“ „Oh, okay...“ Die Jungen machten Anstalten, wieder aus der Quelle zu steigen. „Wir sollten jetzt auch gehen“, sagte Thalia. Sie, Leana und Ruputna machten sich vorsichtig daran, von der Felsformation herunterzuklettern. Lediglich Satsuki richtete sich auf, um einen besseren Blick auf die vier Badenden werfen zu können. „Satsuki!“ Thalia fauchte und zog sie mit sich. „Wir müssen vor denen wieder in der Akademie sein, sonst merken die was.“ „Schon gut“, sagte Satsuki. „Ich weiß das ja.“ Im Eilschritt liefen die vier Mädchen wieder in Richtung Monobe, jede von ihnen mit ihren eigenen Gedanken über die Zeit, die sie auf diese Weise verbracht hatten, beschäftigt und deswegen schweigsam. Als die vier Jungen wieder in der Schule waren, schien sich nichts verändert zu haben. Lediglich Katima, Satsuki und Ruputna fehlten. Thalia, Nozomi, Narukana, Naya und Leana saßen im Klassenzimmer als hätten sie sich kein Stück weg bewegt. Nur erschienen die drei Single-Mädchen nicht gerade gut gelaunt zu sein. „Was ist denn hier los?“, fragte Nozomu. „Gar nichts!“, erwiderte Narukana patzig. Die vier Jungen sahen sich fragend an. Nozomu wandte sich wieder an die Mädchen. „Und wo sind Satsuki und Ruputna?“ „Die sind zusammen weggegangen“, antwortete Thalia gleichgültig. „Es ging um... Nachhilfeunterricht.“ Ihre Stimme hatte einen merkwürdigen Unterton, aber keiner der Jungen konnte sich einen Reim darauf machen. „Habt ihr euch gut amüsiert?“, fragte Thalia. Sorluska runzelte seine Stirn. „Äh... ja, danke.“ „Schön“, sagte sie tonlos, während sie eine Seite in ihrem Buch weiterblätterte. Zetsu, dem die Atmosphäre mehr als unangenehm war, schlug schließlich vor, in die Cafeteria zu gehen, um etwas zu essen. Kaum war das Quartett wieder draußen, schmunzelte Thalia. Ob Satsukis Unterricht wohl hinhaut? „Eeeeeeeeh? Das soll ich machen?“ Ruputna sah Satsuki schockiert an. Die Rothaarige nickte lächelnd. „Glaub mir, das ist echt toll. Es wird dir gefallen und Landis wird dir danach zu Füßen liegen.“ „Glaubst du?“ Satsuki nickte noch einmal. „Vertrau mir, ich habe Erfahrung.“ Ruputna musterte sie forschend. „Wieviel?“ „Genug, glaub mir.“ „In Ordnung.“ Die Schwarzhaarige nickte. „Gut.“ Sie holte tief Luft. Sollte sie das wirklich tun? Allerdings hatten neben Satsuki auch Thalia und Leana – mehr oder weniger – gesagt, dass sie es nicht bereuen würde. Und immerhin war es für Landis – richtig? Kapitel 23: Künstliche Existenz ------------------------------- Während die Gruppe um Nozomu mit den heißen Quellen beschäftigt gewesen war, hatten Katima und Cynard bereits gegessen. Nach dem Essen saßen sie immer noch im Restaurant und unterhielten sich leise über die verschiedensten Dinge, die ihnen einfielen. Sie saßen direkt neben dem Fenster, so dass sie gleichzeitig das Stadtleben mitbekommen konnten. Katima genoss das Gespräch mit Cynard in vollen Zügen. Der Ritter strahlte nicht nur den Hauch von Adel aus, sondern war auch richtig sympathisch und hatte Humor, genau wie sie gehofft hatte. Unter anderen Umständen hätte sie sich bestimmt in ihn verlieben können, aber so konnte sie das nicht verantworten. Er gehörte in diese Welt und sie in eine andere. Aber darum machte sie sich im Moment keine Gedanken. Stattdessen wunderte sie sich über die Behandlung, die das Restaurantpersonal allen Gästen zukommen ließ. Nicht nur Cynard wurde bevorzugt behandelt, auch jeder andere Gast, der das Restaurant betrat. Eine solche Gleichstellung aller Leute wünschte sich Katima auch für ihre Welt. Eines Tages würde sie das auch schaffen, da war sie sicher. Sie musste nur für ein Umdenken in den Köpfen ihrer Untertanen sorgen. Vielleicht konnte sie dafür irgendwie Hilfestellungen von Cynard bekommen. Auch den Gedanken schob sie beiseite. Cynard lächelte sie an. „Katima, wie kamst du eigentlich auf die Idee, heute mit mir essen zu gehen?“ „Ich wollte mal mit jemand anderem reden, als denen in der Monobe-Akademie.“ „Mo... no... be?“ Sie nickte. „Das ist der Name der Schule, die auf dem Rücken des Wesens ist.“ „Ah, ich verstehe. Ich nehme an, es sind nicht viele Leute dort, die einen Stand haben wie du.“ „Nun, es sind hauptsächlich Mitschüler von Nozomu dort. Außerdem Heridearutsu, Sanae-san, Jatzieta und Salles-sama, aber niemand mit dem ich mich wirklich unterhalten kann.“ „Das muss sehr deprimierend sein.“ „Eigentlich habe ich nie darüber nachgedacht.“ Sie verstummte. Im Grunde hatte er recht. Es war zwar nett über belanglose Dinge zu reden, aber manchmal fehlte ihr das Gefühl, dass man auch ihre größeren Probleme verstand und mit ihr darüber redete. Außer ihr hatte niemand ein Königreich zu führen oder gar eine Ahnung, wie es überhaupt war, zu regieren. Niemand konnte ihre Ängste in Bezug auf ihre Fähigkeiten als Herrscherin verstehen. Cynard lächelte. „Ich kann dich verstehen. Aretas geht es ähnlich. Allerdings hat er genug Leute, mit denen er über so etwas reden kann. Auch einige seiner Berater. So ziemlich jeder hier ist aufgrund der Umstände sehr von ihm angetan.“ Katima lächelte ebenfalls. „Das klingt wundervoll. Wenngleich die Umstände, unter denen er König wurde, traurig sind.“ Er neigte betrübt den Kopf und seufzte. „Das ist wahr. Wie läuft es eigentlich mit der Bekämpfung der Anführerinnen?“ Sie runzelte ihre Stirn. „Es geht nicht wirklich voran. Sie sind bislang zwar keine besondere Herausforderung gewesen, aber sie fliehen immer, bevor wir sie besiegen können.“ Cynard legte eine Hand an sein Kinn und schien nachzudenken. „Das ist seltsam. Ich habe das Gefühl, da steckt noch mehr dahinter. Als sie uns angriffen waren sie nämlich alles andere als schwach.“ „Das liegt vielleicht daran, dass ihr keine Shinken hattet“, vermutete Katima. Überrascht sah er sie an. „Shinken?“ „Ja, das sind spezielle Waffen, gegen die normale Waffen nichts ausrichten können.“ „So etwas wie...?“ Eine plötzliche Bewegung jenseits des Fensters, lenkte Katimas Aufmerksamkeit von Cynard weg. Sie sah hinaus und sprang plötzlich auf. „Baila!“ Cynard zuckte zusammen, fragend sah er die Königin an. „Wer?“ Ohne ihm zu antworten ging sie hinaus, um Baila zu verfolgen. Er runzelte seine Stirn und ging ihr schließlich hinterher. Subaru starrte von der Bank auf der Aussichtsplattform aus auf die Umgebung. Die letzten zwei Tage hatte er bereits hier verbracht, aber Baila war nicht aufgetaucht. Er hatte die Hoffnung bereits fast aufgegeben, sie jemals wieder abseits des Schlachtfelds zu sehen. Doch plötzlich hörte er Schritte hinter sich, gefolgt von einer leisen Stimme: „Subaru...“ Er wandte den Kopf und stand auf. „Baila...“ Ihr Gesicht verriet immer noch nicht, was sie dachte oder fühlte, aber in diesem Moment war ihm das egal. „Warum hast du das getan?“ „... Was?“ „Warum hast du mir nicht gesagt, dass du zu den Anführerinnen gehörst?“ Sie schwieg einen Moment, bevor sie antwortete: „Das hat nichts mit dir zu tun. Ich muss nur Murakumo no Nozomu töten.“ „Aber Nozomu ist ein Freund von mir!“, rief Subaru aufgebracht. „Du kannst ihn nicht einfach umbringen! Das ist falsch!“ Sie zuckte mit den Schultern. „Es ist mein Auftrag.“ Er legte seine Hände auf ihre Schultern und bevor er wusste, was er tat, schüttelte er sie bereits. „Hör endlich auf damit! Denk nach! Denk nach!“ Baila wollte vor ihm zurückweichen, stolperte dabei und fiel hin. Subaru, der sie immer noch festhielt, fiel dabei ebenfalls hin. Er richtete sich ein wenig auf, behielt die Hände aber auf ihren Schultern. „Hör endlich auf...“ Für einen Moment schloss sie die Augen. Sie nahm seine Hände und legte diese an ihren Hals. „W-was tust du da?“, fragte er perplex. „Subaru... du magst mich doch, oder?“ Er nickte verwirrt. „Natürlich.“ „Dann töte mich.“ Es verschlug ihm die Sprache, zog ihm den Boden unter den Füßen weg. Sie wollte, dass er...? Das konnte er doch nicht tun. Das war einfach nicht möglich. „Bitte...“, sagte sie leise. Ein flehender Unterton hatte sich in ihre Stimme geschlichen. Es war das erste Mal, dass sie Emotionen zeigte. Subaru hatte diesen Augenblick herbeigesehnt, aber nicht so, nicht auf diese Art und Weise. Entschlossen schüttelte er seinen Kopf. „Nein... das werde ich nicht tun.“ Subaru ließ sie los und stand auf. Sie blieb mit geschlossenen Augen auf den Boden liegen. Er warf noch einen letzten Blick zu ihr. „Das ist es nicht wert... Ich mag dich und genau deswegen kann ich dich nicht umbringen.“ Sie antwortete nicht darauf. Er wandte sich ab und ging davon. Katima und Cynard, die alles aus dem Verborgenen heraus beobachtet hatten, warteten, bis Subaru außer Sichtweite war. Die Königin hatte der Szene entgeistert zugesehen. Sie hatte nicht viel von der Anführerin der weißen Lakaien mitbekommen, aber das kam selbst ihr nicht passend vor. Sie erinnerte sich wieder an das, was Satsuki im Nachhinein über ihre Flucht aus dem Hauptquartier erzählt hatte. Die weißen Lakaien hatten die von Sable angegriffen und Baila hatte etwas von einer Fehlkonfiguration geredet. Ob das immer noch aktuell war? Als Subaru weg war, traten Katima und Cynard aus ihrem Versteck. Baila stand gerade auf und klopfte sich den Staub von der Kleidung. Sie musterte die beiden. Die Regung war wieder komplett aus ihrem Gesicht verschwunden. „Baila, was geht hier vor? Warum verlangst du so etwas von Subaru?“ Sie schwieg einen Moment. Katima wollte gerade noch einmal nachhaken, aber da öffnete Baila ihren Mund, um zu antworten: „Er ist der einzige, den ich darum bitten kann. Weil er es war, der mir die Augen geöffnet hat, was für eine Existenz ich hier führe.“ Katima und Cynard warfen sich fragende Blicke zu, bevor sie wieder Baila ansahen. „Was meinst du damit? Was für eine Existenz?“ „Ein Gynoid voll annullierendem Mana, künstlich geschaffen, nur um Murakumo no Nozomu zu töten.“ Katima hielt die Luft an. „Was?“ Cynard runzelte seine Stirn. Baila nickte. „Ich wurde nach dem Tod der letzten weißen Anführerin geschaffen, um ihren Platz einzunehmen und gleichzeitig die ultimative Waffe gegen Murakumo zu haben.“ Die Königin dachte wieder an Subaru und dessen Welt zurück. Es waren Parallelen zu erkennen, die sicherlich auch Subaru aufgefallen waren. Spätestens seit er davon erfahren hatte, musste er bestimmt daran gedacht haben. Und das war sicher einer der Gründe, warum er sie mochte. Subaru musste es genauso gehen wie Katima, er sehnte sich nach Leuten, die wie er waren und seine Probleme verstanden. Und diese Person hatte er in Baila gefunden. Ihre Bitte, sie umzubringen, musste ihm das Herz gebrochen haben. Cynard sah Katima an. „Wenn sie die Feindin ist, warum kämpfst du nicht gegen sie?“ Die Königin antwortete nicht, registrierte die Frage nicht einmal. Auch wenn sie sich diese hätte auch stellen sollen. Aber Baila machte keinen Eindruck einer Feindin. Sie wirkte nur wie eine verlorene Seele, die man hier vergessen hatte. Plötzlich erschien der Schimmer des Wiedererkennens in den roten Augen. „Du bist... der Engel...“ „Huh?“ Baila zog eine glitzernde weiße Feder hervor. Katima erkannte diese sofort als eine von ihren wieder. „Du warst damals dabei!“ Natürlich war sie es gewesen, immerhin hatten weiße Lakaien angegriffen, also musste sie dabei gewesen sein. Auch wenn sie sich versteckt gehalten hatte. Baila nickte. „Engel... so schön...“ Sie steckte die Feder wieder ein und wandte sich ab. „Warte! Wohin gehst du?“, fragte Katima. Die Anführerin reagierte nicht darauf und ging davon. Keiner der beiden hielt sie auf. Die Königin seufzte. Cynard runzelte seine Stirn. „Warum hast du sie nicht bekämpft?“ „Subaru mag sie... und er ist einer meiner Verbündeten. Außerdem schien sie nicht gefährlich zu sein. Oder was sagst du?“ Er schüttelte den Kopf. „Du hast recht.“ Verlegen sah sie zu Boden. „Ich sollte dann auch langsam wieder gehen. Vielen Dank für das Essen, Cynard.“ Er nickte lächelnd. „Gern geschehen. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag und ich freue mich darauf, wenn wir das wiederholen können. Dann aber vielleicht ohne Störung.“ Sie konnte spüren, wie ihre Wangen sich erhitzten, als er das sagte. „Natürlich. Also, bis dann.“ Hastig fuhr sie herum und lief davon. Cynard sah ihr lächelnd hinterher und gab schließlich ein Zeichen mit dem Kopf. Ein Schatten löste sich und folgte Katima. Nun zufrieden wandte Cynard sich ab und ging in die andere Richtung, um wieder zum Schloss zurück zu gehen. „Katima!“ Die Königin, die gerade in die Akademie zurückgekehrt war, sah sich um und entdeckte Satsuki und Ruputna. „Hallo.“ „Wo warst du denn?“, fragte Satsuki neugierig. Katima spürte erneut, wie warm ihre Wangen wurden. „Ähm, nun ja...“ Die Schülersprecherin musterte sie forschend. Als ihr etwas klar wurde, kicherte sie. „Oh, du hast einen Freund?“ Katima sammelte sich wieder und schüttelte ernst den Kopf. „Nein, habe ich nicht. Ich war nur in der Stadt, nichts weiter.“ „Wie langweilig“, seufzte Satsuki. „Was habt ihr denn gemacht?“, fragte Katima. Satsuki warf der ungewohnt schüchtern dastehenden Ruputna einen Blick zu, bevor sie Katima zuzwinkerte. „Das ist ein Geheimnis.“ „Äh... verstehe... glaube ich.“ Die Schülersprecherin strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Wir gehen dann mal in die Cafeteria. Willst du mitkommen?“ Katima lehnte dankend ab und sah ihnen dann hinterher, bis sie aus ihrer Sicht verschwunden waren. Sie lächelte warm und ging in Richtung ihres Zimmers. Ohne ihres Wissens immer noch verfolgt von dem seltsamen Schatten. Kapitel 24: Valentinstag ------------------------ Am Tag danach ging Satsuki mit Ruputna und Naya durch die Stadt, um essen zu gehen. Thalia, Katima und Nozomi hatten abgelehnt, Narukana, Jatzieta und Leana hatte man erst gar nicht gefragt und die Jungs auch nicht. Immerhin sollte das ein reines Frauengespräch werden – allerdings hatte Satsuki es auch nicht geschafft, das Katzenmädchen wieder abzuschütteln, nachdem diese mitbekommen hatte, dass es ums Essen ging. Zu dritt und mit vielen Waffeln bestückt, saßen sie schließlich auf der Aussichtsplattform und unterhielten sich. Ruputna hielt dabei ungewöhnlich oft den Kopf unten und aß auch nicht mit so großen Appetit wie sonst. Satsuki zog ihre eigenen Schlüsse daraus und sprach sie an: „Du hast dich wohl noch nicht getraut, was?“ Rot geworden schüttelte sie den Kopf. „N-nein. Das ist so...“ Satsuki lachte. „Ja, ich weiß, was du meinst. Beim ersten Mal ist es immer ein wenig seltsam. Aber du musst doch keine Angst haben.“ „Wovor denn?“, fragte Naya neugierig. „Gar nichts“, erwiderte Ruputna sofort. Satsuki hatte derweil einen Finger an ihr Kinn gelegt und dachte nach. „Hmmm, vielleicht wäre es auch besser, auf eine besondere Gelegenheit zu warten. Ein Geburtstag, zum Beispiel oder so etwas...“ Ruputna verzog ihr Gesicht. „Landis-chan weiß nicht, wann er Geburtstag hat, wegen den unterschiedlichen Kalendersystemen... oder so.“ „Ah, ich verstehe. Dann vielleicht das Ende unseres Kampfes, wenn er mal endet? Hmmm, nein, zu weit entfernt.“ Naya betrachtete die beiden mit hochgezogenen Augenbrauen. Sie hatte keine Ahnung, worüber sie redeten, konnte es sich aber denken. Auch wenn die anderen sie immer für ein Kind hielten, so war sie das nur von ihrem Körper. Geistig dagegen war sie wesentlich älter und reifer. Warum akzeptierte das nur niemand? „Satsuki, warum willst du Ruputna unbedingt dazu bringen?“, fragte Naya. „Was bringt dir das?“ Die Schülersprecherin sah sie irritiert an. „Ich will den beiden nur helfen, das ist alles.“ „Sollte sie dann nicht selbst entscheiden, wann sie dafür bereit ist?“ „Aber Satsuki hilft mir wirklich“, schaltete Ruputna sich ein. „Echt. Nur... was für einen besonderen Tag könnte man dafür nehmen?“ Satsuki überlegte wieder, während Naya schmollend ihre Waffeln aß. Ruputna sah die Rothaarige unterdessen neugierig an. Sie selbst kannte sich nicht mit solchen Dingen aus, also hoffte sie, dass Satsuki ihr auch hier wieder helfen konnte. Während sie noch überlegte, liefen zwei Frauen an ihnen vorbei. „Und?“, fragte die eine plötzlich. „Hast du schon alles eingekauft?“ Ihre Gesprächspartnerin nickte. „Natürlich. Sobald ich zu Hause bin, werde ich gleich mit dem Kochen anfangen. Ich freue mich schon das ganze Jahr darauf.“ „Ich auch. Wer immer sich diesen Brauch ausgedacht hat, seinem Liebsten an diesem Tag selbstgemachte Schokolade zu schenken, verdient eine Medaille.“ „Oh ja, ich freue mich schon auf sein Gesicht morgen, wenn er die Schokolade isst.“ „Und ich erst.“ Die beiden gingen wieder davon, ihre Stimmen wurden immer leiser. Satsuki sah ihnen hinterher und ließ sich das Gesagte durch den Kopf gehen. Schokolade für den Liebsten? Morgen? Klingt wie unser Valentinstag... das ist DIE Idee! „Jetzt hab ich es, Ruputna!“ Ihre beiden Begleiter sahen Satsuki fragend an. „Was denn?“ „Morgen ist Valentinstag, zumindest auf dieser Welt. Das ist nicht nur das perfekte Ambiente für dich, Ruputna, nein, ich kann Nozomu-kun auch wieder selbstgemachte Schokolade schenken.“ „Hast du Schokolade schon mal selbst gemacht?“, fragte Naya misstrauisch. „Was ist... Wallendienstag?“, fragte Ruputna verwirrt. Satsuki sprang auf. „Ich erklärs euch in der Schule. Die anderen Mädchen sollen das auch hören.“ Naya und Ruputna nickten, standen auf und folgten der Schülersprecherin, die bereits voll Enthusiasmus vorausgelaufen war. Sorluska stand am Fenster und sah misstrauisch auf die Turnhalle. „Warum treffen sich die Mädchen heute alle in der Turnhalle? Und warum dürfen wir nicht rein?“ Nozomu, der gerade Nozomis Unterrichtsnotizen abschrieb, hielt inne. „Vielleicht planen sie einen Komplott gegen uns.“ Zetsu lachte leise. „Ja, bestimmt. Wir sollten ein Gegen-Komplott schmieden, schnell.“ Sorluska schnaubte. „Ihr solltet die Sache ein wenig ernster nehmen. Wer weiß, was die da drin alles besprechen? Vielleicht reden sie wirklich über unseren Untergang?“ Heridearutsu, der sich mit ihnen im Klassenzimmer aufhielt, lachte nun ebenfalls. „Hast du so wenig Vertrauen in deine Freundin? Sieh dir Landis an, der ist völlig entspannt.“ Er deutete auf den braunhaarigen Jungen, der über seinem Tisch eingeschlafen war und im Schlaf nur leise murmelte. „Beschmeißen wir ihn mit Papierkugeln?“, schlug Zetsu vor. Nozomu reagierte nicht einmal darauf, während er fortfuhr, Nozomis Notizen abzuschreiben. „Warum mache ich das eigentlich?“, beschwerte er sich. „Ich bin ein Eternal, warum muss ich diesen ganzen Schwachsinn lernen? Ich werde bestimmt nie vor einem Feind stehen, vor dem ich mich nur retten kann, indem ich ihm sage, in welchem Winkel seine Beine zueinander stehen.“ Heridearutsu schmunzelte. „Wahrscheinlich nicht. Aber Geometrie kann dennoch auch im Kampf wichtig sein.“ Nozomu seufzte. „Mag ja sein... ich finde es dennoch überflüssig. Und Landis offensichtlich auch.“ Er deutete ebenfalls auf den Schlafenden. „Und Subaru auch“, warf Sorluska ein. „Der war seit der letzten Offensive nicht mehr beim Unterricht. Und Salles hat gesagt, wir sollen ihn in Ruhe lassen.“ Nozomu sah zu Boden, als er an Subaru im Kampf gegen Baila zurückdachte. Und gleichzeitig dachte er wieder daran zurück, wie sich Nozomi gegen ihn gestellt hatte, als Faim ihren Körper übernommen hatte. Subaru musste sich neulich so wie er damals gefühlt haben. Daher war auch Nozomu dafür, dass man den Bogenschützen erst einmal in Ruhe ließ, denn genau das brauchte er jetzt. Sorluska sah wieder auf die Turnhalle. „Ich frage mich, was die Mädchen da drinnen besprechen.“ Satsuki hatte sämtliche Mädchen aus der Schule in der Turnhalle versammelt, um die Nachricht mit dem Valentinstag zu verkünden und gleich im Anschluss die Küche einzunehmen und mit dem Fertigen der Schokolade zu beginnen. Sogar Narukana war dem Ruf der Schülersprecherin gefolgt und stand mit in die Hüfte gestemmten Armen in der Turnhalle. Neben ihr standen Nozomi, Naya, Ruputna und Thalia. Leana stand hinter ihnen und wirkte deutlich desinteressiert. Dass sie überhaupt mitgekommen war, wunderte die anderen. Katima dagegen hatte man nicht finden können, vermutlich war sie wieder einmal in der Stadt. Alle Anwesenden wunderten sich, was Satsuki ihnen wohl zu verkünden hatte und warum es nur für Mädchen bestimmt war, weswegen an allen Ecken leise geflüstert wurde. Satsuki stellte sich an das Podest, das extra für schulische Veranstaltungen aufgebaut worden war und räusperte sich. Das Mikrofon auf dem Podest gab das Geräusch mehrfach verstärkt wieder. Sofort kehrte Ruhe ein, alle Augen richteten sich gespannt auf die Schülersprecherin. „Gut, dass ihr so kurzfristig herkommen konntet. Wie ihr wisst, sind wir schon lange von zu Hause fort. Heute habe ich durch Zufall erfahren, dass in dieser Welt morgen ein Tag ansteht, den wir auch zu Hause gern gefeiert haben: der Valentinstag.“ Ein freudiges Raunen ging durch die Schülerinnen. Auch Nozomi und Narukana lächelten zufrieden. Thalia, Ruputna, Naya und Leana dagegen tauschten ratlose Blicke miteinander. Satsuki lächelte ebenfalls. „Wir werden also Schokolade machen und sie verschenken. Sofern ihr Interesse daran habt, könnt ihr euch direkt im Anschluss in die Küche begeben. Das ist alles.“ Allgemeines Gemurmel setzte wieder ein, diesmal von deutlich zufriedenen Schülerinnen. „Nozomi-chan...“, begann Ruputna, „was ist denn der Wallendienstag?“ Die Gefragte wandte sich ihr lächelnd zu. „Es heißt Valentinstag. An diesem Tag schenken Mädchen der Person, die sie mögen, selbstgemachte Schokolade. In unserer Welt ist das ein ganz besonderer Tag.“ „Aaaaah, ein besonderer Tag!“ Ruputna wusste plötzlich, was Satsuki gemeint hatte. Diesen Tag sollte Ruputna für Landis nutzen. Sie schluckte. Am nächsten Tag also... Thalia schüttelte seufzend ihren Kopf. „Ohne mich. Das ist doch alles schwachsinnig.“ „Das dachte ich mir“, sagte Satsuki, die gerade dazukam. „Was ist mit dir, Leana?“ „Ich werde mir das mal ansehen.“ „Uuuh, Zetsu wird sich freuen. Er liebt die Valentinstags-Schokolade und bekommt auch immer sehr viel.“ Leana zeigte keine Regung darauf, aber Satsuki war sich sicher, dass sie da einen Nerv getroffen hatte. Naya grinste. „Ich werde für Nozomu Schokolade machen.“ „Das wollte ich schon!“, merkte Nozomi an. „Ich hatte die Idee zuerst!“, warf Narukana ein. Satsuki lachte. „Versucht es nur. Nozomu liebt ohnehin nur mich.“ Sie wandte sich an Ruputna. „Hast du es auch verstanden?“ Das Mädchen nickte. „Ja, habe ich.“ „Gut, dann gehen wir in die Küche und fangen mit der Schokolade an.“ Die umstehenden Mädchen nickten begeistert und so begann der Zug in die Küche. Landis hob gähnend seinen Kopf. „Mann, hab ich gut geschlafen.“ Sorluska sah ihn grinsend an. „Yo, warum schläfst du nicht nachts? Eigentlich dürfte dich da ja nichts davon abhalten.“ „Na ja... manchmal schon. Aber es hängt mehr mit meinem Shinjuu zusammen.“ „Unnützes Wesen.“ Landis lächelte. „Dann willst du nicht wissen, was Eneko in der Turnhalle mitbekommen hat?“ Sorluska sprang sofort darauf an. „Dein Shinjuu weiß das? Sag es mir, los!“ „Ich habs nicht genau verstanden, aber Eneko sagt, dass es morgen etwas wie Valentinstag geben soll und darüber haben die Mädchen gesprochen.“ Zetsu juchzte vergnügt, was ihm irritierte Blicke der anderen einbrachte. „Was denn?“, fragte er lachend. „Ich liebe den Valentinstag. Man kriegt ganz viel Schokolade und wird nochmal extra von Mädchen umschwärmt.“ Nozomu schmunzelte verstohlen. „Und wo versteckst du dich dieses Jahr am White Day? Hier wird dir das schwer fallen.“ „Absolut nicht. Ich verstecke mich hinter Leana, Isolde und Nanashi.“ „Was sind das denn für Tage?“, fragte Landis. Sorluska nickte dazu, um die Frage zu bekräftigen. Nozomu erklärte ihm zum Valentinstag dasselbe, was auch Nozomi Ruputna erklärt hatte. „Und am White Day, der einen Monat später ist, müssen dann die Jungen den Mädchen etwas schenken.“ Sorluska grinste breit. „Woo-hoo! Ich freue mich schon darauf.“ Zetsu sah ihn an. „Du glaubst, dass Thalia dir etwas schenkt? Darauf würde ich nicht wetten.“ „Yeah, Thalia ist doch ein Fisch, schon vergessen?“, stimmte Nozomu zu. „Pah!“, schnaubte Sorluska. „Ihr werdet schon sehen!“ Landis und Heridearutsu schüttelten lächelnd ihre Köpfe. „Immer dasselbe...“ Satsuki klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit der Mädchen auf sich zu ziehen. „Also, wie ihr merkt haben wir hier nicht sonderlich viel Platz und wir werden die Jungs zum Abendessen auch in die Stadt schicken, aber wir müssen uns wohl oder übel damit arrangieren. Alles, was wir brauchen, haben Cheiron und ich bereits besorgt. Und ebenso wird er uns mit frischem Kaffee versorgen, bis wir fertig sind.“ Der ausdruckslose Zentaur schien zu schmunzeln. „Sehr wohl, Meisterin.“ „Gibt es noch Fragen?“ Ruputna hob vorsichtig die Hand. „Ich habe keine Ahnung, wie man das macht...“ Satsuki lächelte ihr zu. „Keine Sorge, ich werde dir helfen.“ Nozomi hustete erschrocken, worauf Satsuki noch etwas ergänzte: „Und Nozomi-chan natürlich auch. Hier ist niemand auf sich allein gestellt.“ Die Versammelten lächelten erleichtert und stürzten sich nach Satsukis Ansage in die Arbeit. Die Geübten redeten nebenher darüber, wem sie ihre Schokolade schenken wollten. Satsuki, die mit einem Ohr immer zuhörte, stellte zufrieden fest, dass so gut wie niemand Nozomu etwas schenken wollte. Die meisten schienen es mehr auf Zetsu abgesehen zu haben. Leana war allerdings zu sehr damit beschäftigt, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren als sich darum zu kümmern. Isolde stand währenddessen neben ihr und sah ihr aufmerksam dabei zu. „Senpai!“, kam plötzlich eine panische Stimme vom anderen Ende der Küche. „Ich komme schon, keine Panik!“, rief Satsuki und huschte davon. Das kann ja noch eine lange Nacht werden... Die Mädchen hatten die Küche die ganze Nacht belegt, um Schokolade herzustellen. Wann immer einer der Jungen versucht hatte, einen Blick hineinzuwerfen, um mehr mitzubekommen oder sich noch etwas zu essen zu holen, wurde er von einem Shinjuu verscheucht. Am nächsten Morgen waren die Mädchen übermüdet, aber offensichtlich glücklich – und vergnügt genug, um die Jungen ihrer Wahl zu umringen. Katima und Leana waren gar nicht anwesend, keiner aus der Gruppe wusste, wo sie waren und auch Subaru war wie gewohnt nicht da. Zetsu lächelte und bedankte sich im Akkord bei den Mädchen, die ihm Schokolade brachten – Leana war nicht dabei. Nozomu war nur von Narukana, Naya, Nozomi und Satsuki umringt. Alle vier hielten ihm ihre Schokolade hin und forderten ihn auf, davon zu kosten. „Reicht das nicht später noch?“, fragte er. „Nein! Du musst sofort sagen, dass Narukana-samas Schokolade am besten schmeckt!“ „Das würde Nozomu-chan nie sagen!“, erwiderte Nozomi erbost. „Das wäre eine Lüge!“ „Ja, denn meine ist die beste, jiyaaaa~!“ Satsuki lachte noch einmal. „Lasst endlich gut sein, jeder weiß doch, dass Nozomu meine Schokolade am meisten mögen wird.“ Seufzend rollte er mit den Augen. Landis dagegen freute sich über die Schokolade und die Küsse von Ruputna, auch wenn er noch nicht einmal ahnte, was ihn an diesem Abend noch erwarten würde. Thalia saß mit verschränkten Armen auf ihrem Platz, den schmollenden Sorluska neben ihr. „Warum kriege ich keine Schokolade?“, murrte er. „Ich habe dir gesagt, dass ich bei dem Schwachsinn nicht mitmache. Also nimm es wie ein Mann.“ Er seufzte laut und legte sich grummelnd auf seinen Tisch. „Voll unfair.“ Katima bekam von dem Ritual in der Monobe-Akademie nichts mit. Wie so oft in den letzten Tagen, war sie mit Cynard in der Stadt unterwegs. Ratlos sah sie sich die anderen Stadtbewohner an. „Was ist denn heute los?“ „Oh, heute ist ein besonderer Tag, an dem die Frauen denen, die sie mögen, selbstgemachte Schokolade schenken.“ „Das hört sich... wie ein schöner Brauch an“, sagte sie nachdenklich. Den könnte ich auch einführen... Cynard nickte. „Das ist es auch. Den Frauen macht es Spaß, etwas für die, die sie mögen, anzufertigen und die Männer freuen sich über die Schokolade.“ Katima runzelte ihre Stirn. Hätte ich für Cynard auch etwas machen müssen? Argh, nein, Moment mal! Er ist weder mein Freund noch fühle ich irgend etwas für ihn. Oder? Hastig schüttelte sie ihren Kopf. Besorgt sah er sie an. „Ist alles in Ordnung?“ Aus ihren Gedanken gerissen, erwiderte sie seinen Blick verwirrt. „Uh, was?“ „Ist alles in Ordnung?“ Langsam nickte sie. „N-natürlich.“ Sie räusperte sich heftig. „Was wollen wir nun tun?“ Er lächelte wieder und schlug ihr einen Ausflug ins Schloss vor. Sie stimmte lächelnd zu und ging gemeinsam mit ihm weiter. Zetsu hatte Leana den ganzen Tag nicht gesehen, was ihn in gewisser Weise enttäuscht hatte. Auch wenn er nicht damit gerechnet hatte, dass sie ihm etwas schenken würde, aber er hätte sie dennoch gern gesehen. Und Nanashi hatte sich auch seit einigen Tagen nicht mehr gezeigt. Hatte er schon wieder irgend etwas Falsches getan, ohne es zu merken? Er seufzte, bevor er sein Zimmer betrat. Leana zuckte zusammen und ließ etwas hinter ihrem Rücken verschwinden. Panisch sah sie ihn an. „W-was willst du hier?“ „Das ist mein Zimmer“, antwortete er. „Ich wohne hier. Wo warst du den ganzen Tag?“ „Hier. Wo warst du?“ Wortlos leerte er seine Taschen und legte die Schokolade auf den Tisch. Frustriert sah sie auf den Stapel. „Oh... hast du schon etwas davon gegessen?“ „Das meiste, ja. In der Küche konnten wir ja nichts zu essen holen, weil Cheiron dort gerade saubermacht.“ Sie nickte leicht. „Ähm, Zetsu...“ Er wandte seinen Blick vom Stapel ab und dafür Leana zu. „Hmm?“ „Ich... habe etwas für dich.“ Sie zog den Gegenstand hervor, den sie zuvor versteckt hatte. Sie reichte Zetsu das Objekt, das er als Schokolade erkannte. „Das ist für dich. Ich habe es gemacht, aber... ich glaube nicht, dass es schmecken wird.“ Zetsu lächelte glücklich und nahm ihr die Schokolade ab. „Ich bin sicher, dass sie lecker schmecken wird. Vielen Dank, Leana.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor er seine Lippen auf ihre legte. Sie schloss die Augen und erwiderte den Kuss. Ohne den Kuss zu unterbrechen, zog Zetsu langsam die Jacke seiner Schuluniform aus und signalisierte damit das Ende des Tages. Sorluska grummelte leise vor sich hin, während er gemeinsam mit Thalia in Richtung ihres Zimmers ging. Er hatte es ihr immer noch nicht verziehen, dass sie ihm keine Schokolade geschenkt hatte und da sie heute auch nicht die Küche hatten benutzen können und Sorluska niemanden gefunden hatte, mit dem er in der Stadt hatte essen können, knurrte sein Magen so laut, dass er sich einen Wettstreit mit seinem brummelnden Besitzer zu liefern schien. Thalia, die mit verschränkten Armen neben ihm herlief, kommentierte es nicht, wie es sonst ihre Art war, sondern schwieg einfach. Und diese Tatsache brachte wieder Sorluska zur Weißglut. Hatte Nozomu wirklich recht und sie war nichts anderes als ein eiskalter glitschiger Fisch? Vielleicht war sie auch nicht die richtige für ihn... Diese Gedanken deprimierten ihn und brachten ihn dazu, nur noch mehr zu grummeln. Vor der Tür ihres Zimmers blieben beide stehen. Thalia seufzte. „Du bist ein Idiot, Sor, weißt du das?“ „Wieso das denn?“, fragte er wütend. Sie öffnete die Tür und ließ ihm den Vortritt. Seine finstere Miene hellte sich schlagartig auf, als er entdeckte, was auf dem Tisch stand. Thalia hatte ihm nicht nur Schokolade hingestellt, sondern auch ein komplettes Abendessen. Lächelnd betrat sie hinter ihm den Raum und schloss die Tür hinter sich. „Ich dachte mir, dass die Küche heute nicht benutzt werden kann, deswegen hab ich dir aus der Stadt etwas zu essen geholt. Ich kenne dich doch immerhin.“ Impulsiv umarmte er Thalia. „Danke!“ Sie lachte leise. „Aber verrat es bloß niemandem. Ich muss doch an mein Image denken.“ „Natürlich nicht!“ „Und jetzt lass uns essen. Ich hab auch Hunger.“ Er nickte heftig und setzte sich gemeinsam mit ihr an den Tisch, um zu essen. Landis hatte schon den ganzen Tag das Gefühl, dass Ruputna nervös und aufgeregt war. Allerdings hatte er keine Ahnung weswegen. Jedenfalls kannte er sie so absolut nicht. Es war ihm auch seltsam vorgekommen, dass sie bereits eine Viertelstunde zuvor ihr Zimmer aufgesucht hatte. Ob sie vielleicht krank wurde? Landis betrat das in Dunkelheit getauchte Zimmer. Ist Ruputna gar nicht hier? Er schaltete das Licht ein und zuckte erschrocken zusammen. Sein Blick streifte über das Mädchen, das auf dem Futon saß, offensichtlich völlig unbekleidet. Mit vor Aufregung hochrotem Gesicht sah sie auf den Boden. „Ruputna, was ist los?“ Es fiel ihm schwer, den Blick von ihr abzuwenden, wollte sie aber auch nicht anstarren. Es war ein innerer Kampf, dem sie ihm abnahm, als sie ihn zu sich winkte. Langsam setzte er sich neben sie. Sie schluckte schwer. „Landis-chan... ich will dir etwas schenken. Etwas Besseres als Schokolade.“ „Oh... wirklich?“ Sein Gesicht wurde genauso rot wie ihres. Das war es also von dem Sorluska gesprochen hatte. Die Aufregung mischte sich mit der Vorfreude und verdrängte sein rationales Denken. Ruputna zog seinen Kopf zu sich und küsste ihn leidenschaftlich. Er erwiderte den Kuss, wenngleich leicht verwundert, wo diese Emotionen von ihr plötzlich herkamen. Sanft zog sie ihn zu sich runter, bereit, ihn alles andere vergessen zu lassen. Salles hatte von dem ganzen Trubel des Tages nichts mitbekommen, da er den ganzen Tag nicht aus dem Büro herausgekommen war. Erst am Abend schaffte er es, auf die Krankenstation zu kommen, um nach Adina zu sehen. Jatzieta empfing ihn bereits lächelnd. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr, mein Lieber.“ „Ja, ich hatte viel zu tun.“ „Oh, ich habe ein Geschenk für dich, mein Bester.“ Salles hob eine Augenbraue. „Ein Geschenk? Warum?“ „Tja, heute ist Valentinstag, das kennst du doch, oder?“ Er überlegte einen Moment und nickte schließlich. „Ja, stimmt. Eine Tradition aus Nozomus Welt. Wird die hier auch gepflegt?“ „Jawohl.“ Sie lachte und reichte ihm schließlich Pralinen. „Ich habe sie selbst gemacht, als die Mädchen eingeschlafen sind. Cheiron hat seine Putzaktion für mich aufgeschoben.“ Verwirrt sah er die Schokolade an, bevor sie plötzlich lachte. „Keine Sorge, ich bin nicht in dich verliebt. Aber ich dachte mir, dass du dich vielleicht über Schokolade von einer Freundin freuen würdest.“ Salles lachte leise. „Vielen Dank, Jatzieta.“ „Freut mich, dass du dich freust“, sagte sie lächelnd. Ein Geräusch von einem der Betten ließ sie herumfahren. Karfunkel saß aufrecht da und sah auf das Kopfende. Adina seufzte leise, bevor sie ihre Augen öffnete. Fragend sah sie sich um. Salles und Jatzieta warfen sich zufriedene Blicke zu. Da der Eternal wieder wach war, konnte sie befragt werden und das würde ihnen in ihrer Mission mit Sicherheit weiterhelfen – zumindest hofften die beiden das. Kapitel 25: Einsatzbesprechung ------------------------------ Salles hatte Adina die Nacht lang noch ausruhen lassen. Am nächsten Morgen empfing er sie gemeinsam mit den anderen im Direktorat. Die anderen wirkten allerdings weder begeistert noch irgendwie interessiert. Allein die Vorstellung, dass sie noch einmal eine absolut langweilige Geschichte erzählen würde, sorgte für Verdruss. Landis und Ruputna wirkten geistig sogar ziemlich abwesend – auch wenn Nozomu das zumindest von ihr so gewohnt war. Adina wirkte auch nach dem Frühstück noch blass, Karfunkel schien ihr nicht von der Seite zu weichen und immer direkt neben ihr zu stehen, was ihr augenscheinlich Sicherheit gab. Salles lächelte ihr aufmunternd zu. „Also, Adina, erzähl uns, was passiert ist.“ „Ich war im Hauptquartier der Minion Corps, wo sich auch deren Auftraggeber aufhielt – und dem begegnete ich dort. Er sagt, er sei Kyouikuteki Ciar, die Anführerinnen nannten ihn Meister Ciar.“ Sie schwieg wieder. Salles und Jatzieta senkten ihre Blicke. Der Rest der Gruppe warf sich nur fragende Blicke zu. Plötzlich schüttelte Adina ihren Kopf. „Aber es ist nicht Ciar! Er würde so etwas nie tun!“ Es war das erste Mal, dass sie so aufbrausend wurde. Salles hob seine Hände, um sie zu beruhigen. „Hast du ihn gesehen?“ „Er trug einen Mantel und eine Maske und... er hörte sich seltsam an. So, als ob seine Stimme nicht von den Stimmbändern erzeugt wird.“ Salles runzelte seine Stirn. „Wenn er wirklich Ciar ist, warum sollte er sich verkleiden?“ „Vielleicht hat er sich mal verletzt“, mutmaßte Jatzieta, „und will seine Wunden verstecken.“ „Dann könnte diese Verletzung vielleicht der Grund für seinen Wandel sein“, meinte Salles. Nozomu hob vorsichtig die Hand. „Kann uns vielleicht mal jemand erklären, wer dieser Ciar sein soll und von was für einem Wandel ihr redet?“ Jatzieta und Adina sahen Salles an. Er schwieg einen Moment, kämpfte mit sich selbst, ob er wirklich darüber reden sollte, aber schließlich gab er seufzend nach. „Ciar ist ein Chaos-Eternal – zumindest war er das noch, als ich ihn das letzte Mal traf. Damals war ich noch Salbar, einer der verwaltenden Götter im Idealen Stamm. Der Tod seiner gesamten Familie hatte ein Shinjuu angelockt, mit dem er schließlich einen Pakt geschlossen hatte, was ihn zu einem Eternal gemacht hatte. Allerdings widerstand er der Stimme seines Shinkens und wurde zu einem Chaos-Eternal, statt sich der Law-Seite anzuschließen.“ Salles hielt einen Moment inne, atmete tief durch und sprach weiter: „Ciar träumte von einer besseren Welt, in der niemand leiden musste, alle frei waren und bereit, sich gegenseitig zu helfen. Eine Utopie, die er niemals finden würde, wie ich ihm schon damals sagte. Aber er gab den Traum nicht auf und wollte solange jede einzelne Welt und deren Bewohner beschützen.“ Zetsu runzelte seine Stirn. „Klingt ganz so als hätte er sich übernommen.“ Salles antwortete darauf nicht, aber Adina schüttelte ihren Kopf. „Ciar war so voller Energie und Kraft, auch wenn man es ihm nicht ansah. Er war es auch, der mir das Leben gerettet hat, indem er mir half, ein Eternal zu werden. Aber vor einigen Jahren verschwand er spurlos. Ich habe mich auf die Suche nach ihn gemacht und traf dabei auf die Minion Corps, deren Spur mich auch zu Ciar führte – oder eben desjenigen, der sich für ihn ausgibt.“ „Aber warum sollte sich jemand für ihn ausgeben und hier für Chaos sorgen?“, fragte Leana. Adina und Salles zuckten gleichermaßen mit den Schultern. Darauf wussten sie keine Antwort – und vielleicht würden sie diese auch nur bekommen, wenn sie den Maskierten zur Rede stellten. Katima runzelte ihre Stirn. „Adina, du sagtest am Anfang, dass du die Anführerin der weißen Lakaien nicht kennen würdest, nicht wahr? Baila sagte, die letzte Anführerin wäre gestorben. Weißt du etwas davon?“ Der Eternal schüttelte mit dem Kopf. „Aber ich vermute, dass sie wohl nach einer Offensive auf dieser Welt gestorben ist. Deswegen wurde die neue Anführerin so lange zurückgehalten.“ Katima runzelte nachdenklich ihre Stirn. Was könnte der Anführerin passiert sein? Außer uns kann doch niemand ein Shinken führen. Wie konnte sie also sterben? Salles sprach ihre Gedanken aus, aber Adina zuckte nur mit den Schultern. Auch das noch, durchfuhr es Nozomu. Es tun sich immer mehr Fragen auf. „Oh!“, fiel Jatzieta ein. „Wenn du dich mit den Corps so auskennst, kannst du uns sagen, warum sie so schwach sind? Richtig stark sind sie ja nicht.“ Adina lächelte. „Das ist leicht. Früher waren sie stärker und wirklich gefürchtet, da hatten sie auch noch ihre Shinjuu. Allerdings haben ihre Shinjuu ihnen auf der Nase herumgetanzt und deswegen haben sie diese in die Shinken gesperrt. Ohne deren Unterstützung ist ein Shinken allerdings nicht mehr viel wert, es sei denn, du bist ein Gott.“ Alle Gruppenmitglieder legten ein wissendes Lächeln auf. Lediglich Naya wirkte nachdenklich. „Wenn sie also ihre Shinjuu wieder freilassen würden, wären sie wieder stärker?“ Sie erntete ein zustimmendes Nicken von Adina. „Das ist richtig. Aber das werden sie allein nicht schaffen – und auch nicht wollen, immerhin mögen sie ihre Shinjuu nicht.“ Woher weiß sie das alles?, fragte Nozomu sich. Hat sie so viel recherchiert? „War das alles?“, fragte Salles sie schließlich. Adina nickte. „Ja. Mehr gibt es nicht zu erzählen.“ „Gut, dann seid ihr für heute entlassen. Geht ruhig.“ Erleichtert verließ die Gruppe das Direktorat. Jatzieta legte eine Hand auf Adinas Schulter. „Wir gehen zusammen wieder auf die Krankenstation. Du musst dich noch etwas ausruhen.“ Der Eternal nickte. „In Ordnung.“ Katima fuhr herum. Der Rest der Gruppe blieb stehen und sah sie fragend an. „Was ist los?“, fragte Satsuki. Keiner der anderen wusste, was sie gestört hatte, denn keiner hatte irgend etwas mitbekommen. Die Königin sah wieder zu den anderen. „Ich hab gedacht, da wäre etwas gewesen. In letzter Zeit fühle ich mich irgendwie verfolgt.“ „Vielleicht bist du erschöpft“, vermutete Zetsu. „Du solltest dich ein wenig ausruhen.“ Sie nickte seufzend. „Ja, ist vielleicht besser.“ Katima ging an den anderen vorbei. Kaum war sie aus der Sicht der Gruppe verschwunden, erschien Nanashi. „Katima hat gar nicht so unrecht. Sie wird tatsächlich von jemandem verfolgt.“ Rehme nickte zustimmend. „Und zwar von einem Schatten.“ „Ihr habt zu viele Mangas gelesen, oder?“, fragte Nozomu grinsend. Sein Shinjuu zog kurz an seinem Ohr, bevor sie weitersprach. „Es ist wahr. Katima wird von einem Schatten verfolgt, der anscheinend zu einem Shinken gehört.“ „Es ist also ein Shinjuu?“, fragte Nozomi. Rehme und Nanashi nickten. „Korrekt.“ „Aber zu wem gehört es?“, fragte Naya. „Und ist es gefährlich?“ Nanashi verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir können nicht bestimmen, zu wem es gehört, aber es scheint nicht gefährlich zu sein. Es redet zwar auch nicht mit uns, aber es hat deutlich keine bösen Absichten.“ „Trotzdem ist es seltsam“, meinte Zetsu. „Irgendjemandem muss das Shinjuu doch gehören.“ „Tut es auch, Meister. Wir wissen eben nur nicht, wem und warum es Katima verfolgt.“ „Aber früher oder später kriegen wir das schon raus“, sagte Rehme zuversichtlich. „Und ich helfe euch!“, bot Naya an. „Sehr gute Idee“, stimmte Nozomu zu und setzte Rehme auf die Schulter des Katzenmädchens. Zetsu tat es ihm mit seinem Shinjuu nach. „Und seid vorsichtig, bis dann.“ Damit rauschte er gemeinsam mit Leana davon. Satsuki sah ihnen irritiert hinterher. „Na sowas. Was ist denn mit den beiden los?“ Nanashi schnaubte. „Gehen wir, Naya?“ „Äh, ja, natürlich.“ Ein Shinjuu auf jeder Schulter, ging das Katzenmädchen in Richtung ihres Zimmers. „Irre ich mich oder will Zetsu sein Shinjuu immer öfter loswerden?“, fragte Nozomi. „Vielleicht ist er genervt von ihr?“, überlegte Satsuki laut. „Oder er will einfach Zeit mit Leana verbringen und hat Angst, dass Nanashi ihn dabei stört oder eifersüchtig sein könnte.“ „Oder alles zusammen“, sagte Nozomu. „Ich bin jedenfalls froh, wenn Rehme mich eine Weile in Ruhe lässt. Sie hängt dauernd um mich herum.“ „Ja, endlich haben wir Ruhe“, sagte Satsuki zufrieden und schnappte sich seinen Arm. „Gehen wir!“ Sie zog ihn mit sich. Der Rest der Gruppe sah ihnen hinterher. „Was für ein glückliches Paar“, bemerkte Landis lächelnd. Die anderen nickten zustimmend. Lediglich Nozomi wirkte ein wenig bedrückt. Sorluska stemmte die Hände in die Hüften und beschloss, das Thema zu wechseln: „Sagt mal, glaubt ihr wirklich, dass wir so sehr von den Shinjuu abhängig sind?“ Thalia verschränkte die Arme vor der Brust, ihre Stirn nachdenklich gerunzelt. „Es kann schon sein. Besonders stark fällt es mir bei Zetsu, Ruputna und Satsuki auf. Die drei verlassen sich sehr auf ihr Shinjuu. Und bei uns wird es auch so sein, ohne dass wir es merken.“ „Das hätte ich nie gedacht“, meinte Sorluska. „Ich dachte, es kommt nur auf die Shinken an und die Shinjuu wären ein nettes Extra.“ „Jetzt wissen wir es besser“, stimmte Ruputna zu. „Was sagst du dazu, Subaru?“, fragte Landis und sah sich nach dem Bogenschützen um. „Subaru?“ „War er überhaupt bei der Besprechung dabei?“, fragte Sorluska. „Er ist so unauffällig, dass ich mich nicht daran erinnern kann.“ „Aber Narukana ist heute auch so ruhig. Bist du krank?“, fragte Thalia und sah sich nach der Göttin um, doch auch diese war nirgends zu sehen. „Haben beide gefehlt?“, fragte Ruputna. „Es sieht so aus“, meinte Landis. „Ich frage mich nur, warum.“ Die anderen zuckten mit den Schultern, schließlich ging die Gruppe auseinander, ohne weiter darüber nachzudenken, was die Fehlenden wohl machten. Subaru saß wie so oft auf dem Dach der Schule und starrte in die Gegend, während er immer noch an Baila und ihre Bitte, sie umzubringen, dachte. Wie hatte sie das nur von ihm verlangen können? Gerade weil sie wusste, dass er sie mochte, war es umso grausamer. Er seufzte leise und hörte plötzlich eine Stimme hinter sich: „Oh, wie erbärmlich.“ Subaru zuckte zusammen und wandte den Kopf. Narukana stand hinter ihm. Ihr Blick zeigte eine Mischung aus Mitgefühl und Abscheu. „Narukana-sama...“ Sie seufzte. „Du lässt dich ziemlich hängen. Ich hoffe, du weißt, dass das nicht okay ist. Besonders nicht zu dieser Zeit. Wir haben einen schweren Kampf vor uns.“ „Aber...“ Sie schüttelte den Kopf, um ihm das Wort abzuschneiden. „Kein Aber. Ich weiß, was Baila von dir verlangt hat. Und ich weiß, dass du das nicht tun kannst. Und das ist auch gut so. Aber dich hängen zu lassen ändert nichts an der Situation. Wenn dir etwas an ihr liegt, hast du gefälligst um sie zu kämpfen. Sie ist nicht durch und durch böse, also solltest du es schaffen können.“ „Glaubst du wirklich?“ Sie nickte lächelnd. Sprachlos von ihren Worten, die so anders klangen als das, was sie sonst von sich gab, konnte er nicht mehr anders als sie nur erstaunt anzusehen. Narukana legte den Kopf schräg. „Was ist los? Nicht erwartet, dass Narukana-sama auch empathisch sein kann?“ „Ähm, vielleicht wenn ich wüsste, was das bedeutet...“ „Wie auch immer“, erwiderte sie. „Meinst du, du kannst dich demnächst mal wieder aufraffen?“ Er nickte enthusiastisch. „Ja!“ Sie lächelte zufrieden. „Sehr gut. Mit dieser Einstellung solltest du es schaffen können. Dann lass uns jetzt etwas essen gehen, ich bin fast am Verhungern und du sicherlich auch.“ „Oh ja, gehen wir.“ Zufrieden gingen beide in die Cafeteria, um sich dort nach etwas zu essen umzusehen. Kapitel 26: Die Ruine --------------------- Sorluska sah sich grummelnd um, aber überall waren nur Bäume und verfallene Mauerreste zu sehen. „Warum schickt Salles uns hier in die Wildnis? Was sollen wir hier denn überhaupt?“ „Hörst du eigentlich nie zu?“, fragte Thalia genervt. „Wir sollen uns hier ein paar Ruinen ansehen. Es könnten Fabriken für Lakaien sein. Verstanden?“ Er nickte. „Ja ja. Und wo sind die Ruinen? Ich seh nichts davon.“ „Wieso bin ich mit dir gestraft?“, fragte sie seufzend. „Wir stehen drauf, falls dir das noch nicht aufgefallen ist.“ Er senkte den Blick und erkannte, dass sie tatsächlich auf alten Fliesen, die mit Moos überwachsen waren, standen. „Oh... okay. Und jetzt? Ich sehe keine Lakaien.“ „Such einen Eingang, du Idiot!“, schnaubte Thalia. Sie ging los, um zu suchen. Er schnaubte ebenfalls und begann in einem anderen Bereich zu suchen. Seit diesem Valentinstag letzte Woche war sie wieder distanziert und redete auch selten. Manchmal war Sorluska wirklich ratlos, was sie anging. Aber immer noch besser als wenn sie ihm den ganzen Tag am Arm hängen würde. Eine Steinplatte auf dem Boden erweckte Sorluskas Neugier. Sie lag schräg da, die Pflanzen darunter zerquetscht. Irgendjemand hatte die Platte also erst kürzlich bewegt. Sorluska kniete sich hin und hob den Stein an, sein Shinken leuchtete auf und ließ ihn die Platte beiseite schieben. Und tatsächlich, darunter befand sich eine Treppe, die in das Innere der Ruine zu führen schien. „He, Thalia! Ich hab was gefunden!“ Sie kam sofort zu ihm hinüber und sah sich die Treppe genauer an. „Mhm, gut gemacht, Sor. Anscheinend sind wir hier genau richtig.“ „Gehen wir rein.“ Gemeinsam gingen sie die Treppe hinunter. Die Fackeln an den Wänden entzündeten sich, als sie daran vorbeiliefen, so als ob sie nur auf ihren Besuch gewartet hätten. Irgendwie unheimlich..., dachte Sorluska. Aber auch verdammt langweilig. Am Fuß der Treppe folgte ein langer Gang, dem sie folgen konnten, auch wenn große Wurzeln einige Felsbrocken aus der Wand gebrochen hatten. Die Aura war eindeutig anders als die in einem längst verlassenen Tempel. Jemand war erst vor kurzem hier gewesen – aus welchem Grund auch immer. Vielleicht hatte Salles recht und es gab hier wirklich eine Lakaien-Fabrik. Irgendwo mussten all diese Wesen in dieser Welt ja herkommen. Bestimmt gab es hier mehrere dieser Fabriken. Der Gang mündete in eine große Halle, in der sich ein Becken mit Wasser befand. Auf der anderen Seite der Halle stand ein steinerner Sarkophag, umringt von Goldmünzen, an den Wänden entlang lagen Skelette, teilweise in Rüstungen und mit Waffen und teilweise in teuer aussehender Kleidung mit Schmuck. Dem Anschein nach war dies also eine Grabstätte. „Vielleicht ist der Tempel hier verflucht“, überlegte Sorluska laut. Thalia lachte humorlos. „Spinn nicht rum. So etwas wie Flüche gibt es nicht.“ „War ja nur eine Idee.“ Vorsichtig gingen sie weiter. Es schien keine weiteren Räume zu geben. Womöglich war es also doch nur eine falsche Spur gewesen. Sorluska seufzte gelangweilt. „Dann wäre das wohl geklärt. Können wir dann wieder gehen?“ „Gleich“, sagte sie ungeduldig und ging zum Sarkophag hinüber. Neugierig beugte sie sich darüber und besah sich die die Inschriften. Sorluska sah sich währenddessen gelangweilt im Rest der Halle um. Von der Decke tropfte Wasser herunter, das auf das darunterliegende Becken traf und das Wasser darin in Bewegung versetzte. Er sah in das Becken hinein und versuchte, auf den Grund zu sehen. Er konnte nichts erkennen, das Wasser schien zu tief zu sein. Thalia seufzte. „Ich kann die Inschriften nicht lesen. Wenn nur Salles-sama da wäre...“ Sorluska fuhr herum und schnaubte. „Hör endlich auf mit deinem Salles-sama! Das nervt!“ „Wenn du ein bisschen so wie er wärst, müsste ich nicht dauernd von ihm schwärmen!“, giftete sie. „Träum weiter!“ Sie wollte noch etwas sagen, aber plötzlich richtete sie ihren Blick auf das Becken. Sorluska folgte ihrem Beispiel. Luftblasen stiegen an die Wasseroberfläche. Thalia griff sofort nach ihrem Shinken, Sorluska stellte sich in Abwehrhaltung. Was immer daraus hervorsteigen würde, sie waren bereit. Ein leises Klappern erklang hinter ihnen. Während Thalia weiter konzentriert auf das Wasser sah, fuhr Sorluska herum. Erschrocken zuckte er zusammen. „D-die Skelette bewegen sich!“ Tatsächlich richteten sich die bewaffneten Skelette auf und gingen in Angriffsstellung. „Was soll das denn?“, fragte Sorluska irritiert. Angst verspürte er keine, er hatte schon Schlimmeres gesehen, aber was geschah da nur? „Was ist los?“, fragte Thalia, die immer noch gebannt auf das Wasser starrte. „Die Skelette greifen uns an.“ Jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. „Oh, auch das noch...“ Im selben Moment durchbrach ein Tentakel die Wasseroberfläche und verharrte so. Er schien nichts zu machen, aber ignorieren konnten sie es auch nicht. Gerade als Sorluska dachte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, hörte er wie Stein auf Stein schabte. Er wandte den Blick und bemerkte, dass der Deckel des Sarkophags wie von Geisterhand zur Seite geschoben wurde. Mit einem lauten Knall landete er auf dem Boden und zerbrach dort. Eine Hand erschien auf dem Rand des Sarkophags, kurz darauf folgte der ausgemergelte Körper einer jungen Frau. Ihr langes Haar fiel strähnig vor ihr Gesicht. Sorluska schluckte schwer. Was waren das nur für Wesen? Und warum griffen sie die beiden an? Die Frau stieg aus dem Sarkophag, die Skelette rasselten mit den Waffen, scheinbar erfreut darüber, dass ihre Meisterin oder was immer es für sie war, wieder aufgewacht war. „Thalia, glaubst du, es ist zu spät, um abzuhauen?“ Sie lachte humorlos. „Na na, seit wann denn so feige? Wir ziehen das hier durch.“ „In Ordnung.“ Auch wenn ich keine Ahnung habe, was hier vor sich geht. Stumm gab die Frau Anweisungen, die Skelette griffen an. Thalia fuhr herum, ihr Naginata ließ einen Angreifer in seine Einzelteile zerfallen. Sorluska tat es ihr mit seinen Klauen nach. Doch wie von Zauberhand setzten sich die Skelette wieder zusammen und gingen erneut zum Angriff über. Thalia knurrte – und spürte plötzlich wie sich etwas um ihren Fuß schlang. „SOR!“, war das letzte, was sie rufen konnte, bevor sie ins Wasser gezogen wurde. Panisch sah er ins Wasser. „Thalia!“ Er wollte hinterherspringen und ihr helfen, aber ein Strahl aus der Hand der Anführerin ließ die Wasseroberfläche vereisen. „Nein! Thalia!“ Sorluska wandte sich wieder um. Nun war er allein mit den Skeletten und deren Anführerin. Er atmete tief durch und stürzte sich wieder in den Kampf. Thalia kämpfte unterdessen unter Wasser gegen den Tentakel, der sie immer weiter nach unten zog, weg von der Oberfläche, dem Sauerstoff und dem Licht. Sie schwang ihr Naginata und verletzte damit den Tentakel. Er ließ sie los. Sie ließ ihr Shinken verschwinden und schwamm schnell nach oben – nur um gegen eine Eiswand zu stoßen. Panisch hämmerte sie gegen das Eis, suchte eine Schwachstelle darin, fand aber keine. Ihre Lungen fühlten sich an als würden sie gleich platzen, sie brauchte Sauerstoff, sofort! Sie ließ ihr Shinken wieder erscheinen und versuchte damit erfolglos ein Loch ins Eis zu schlagen. Erneut griff der Tentakel nach ihrem Fuß und zog sie nach unten. Ver... dammt... das darf doch... nicht wahr sein... Sollte es wirklich so enden? In dieser Ruine, am Grunde eines Wasserbeckens? Heimtückisch hereingelegt von einem unbekannten Feind? Nein, das durfte nicht sein! Aber was sollte sie tun? Um sie herum wurde es langsam schwarz, vor ihren Augen verschwamm ihre Umgebung. Das einzige, was das Wasser noch einmal erhellte, waren blaue Funken, die sie einhüllten. Werde ich auch noch wahnsinnig bevor ich sterbe? Plötzlich spürte sie eine Veränderung an ihrem Körper. Blaue Schuppen erschienen daran, Kiemen öffneten sich an ihrem Hals und schenkten ihr neuen Sauerstoff. Gemeinsam mit dem neuen Sauerstoff kehrte auch der Kampfeswille wieder zurück. Sie riss das Naginata hoch und mit einem schwachen Schlag zerschnitt sie die Tentakel. Sie kehrte wieder an die Eisfläche zurück und holte mit ihrer Waffe aus. Mana sammelte sich darum. Als das Shinken auf das Eis traf, wurde ein Stück davon mit einem lauten Knall herausgeschleudert. Thalia kletterte aus dem Wasser heraus und stellte sich an der Oberfläche wieder in Kampfposition. Sorluska, der in den Kampf mit den Skeletten verstrickt gewesen war, hatte bei der Explosion inne gehalten – was ihm in diesem Moment das Leben gerettet hatte. Der herausgesprengte Eisblock erschlug das Skelett direkt vor ihm und zermalmte dessen Gebeine. Verwirrt sah er das schuppige Wesen an, das da erschienen war und entfernte Ähnlichkeit mit Thalia hatte, aber doch mehr an eine Undine erinnerte. Das Haar schien aus flüssigem Wasser zu bestehen, das sich nicht verformte. Ihr ganzer Körper war mit bläulichen Schuppen bedeckt. „W-was ist denn mit dir passiert?“ Sie antwortete nicht, stattdessen warf sie sich direkt in den Kampf gegen die Skelette. Sorluska beschloss, das Gespräch auf ein andermal zu verschieben und stürzte sich auf die Anführerin der Skelette. Das Wesen wich behände aus. Normalerweise sah sich Sorluska selbst als extrem schneller Kämpfer, doch diese Frau schien jeden Angriff vorhersehen zu können, ganz egal was er tat. Ähnlich wie die verwaltenden Götter im Idealen Stamm. Allerdings machte sie keine Anstalten, ebenfalls anzugreifen. Die Passivität seiner Feindin machte ihn fast wahnsinnig. Solche Gegner war er nicht gewohnt. Erst als er sie in die Ecke gedrängt hatte, hob sie endlich den Blick. Er zuckte zurück, als er ihre weißen Augen sah, die ihn ausdruckslos anstarrten. „Was zum...!?“ Er spürte, wie er in die Luft gehoben wurde. Mit einem schmerzhaften Knacken wurde er gegen die Wand geschleudert und landete auf den Knien. Verdammt! Was ist das für eine Frau!? Sie lachte spöttisch und ging auf ihn zu. Die Skelette waren derweil mit der Undine Thalia beschäftigt, doch sie zermalmte gnadenlos jeden einzigen mit ihren Angriffen. Ihr leuchtendes Shinken schien das als Kinderspiel abzustempeln, nichts widerstand dieser Waffe. Die Luft war schon bald von dem Staub zerbröselter Knochen erfüllt und machte Sorluska das Atmen schwer. Zum Luft holen blieb ihm aber auch gar keine Zeit, denn die Anführerin schien sich einen Spaß daraus zu machen, ihn immer wieder von Wand zu Wand zu schleudern, so dass ihm jedes Mal aufs Neue die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Die Anführerin kam langsam näher und hob ihn wieder in die Luft. Das Lächeln, das ihr Gesicht zierte, verhieß nichts Gutes. Doch auf einmal hielt sie inne. Schwarze Manafunken sammelten sich um Sorluska und genau wie bei Thalia veränderten sie sein Äußeres. Die Krallen seines Shinkens verwuchsen mit seiner Haut, die von einem schwarzen Fell überzogen worden. Er spürte, wie sein Schädel sich verformte und sein ganzer Körper die Form eines Werwolfs annahm. Auch in seinem Kopf ging eine Veränderung vor sich. Zurück blieb nur der Gedanke zu kämpfen und zu siegen, egal wie. Die Anführerin wich zurück. Die Undine Thalia, die inzwischen alle Skelette pulverisiert hatte, wandte sich ebenfalls der Frau zu. Sorluska knurrte leise. Die Anführerin sah immer wieder hin und her. Offensichtlich wusste sie nicht, was sie tun sollte. Sorluska stürzte sich auf sie. In einem Knäuel aus Haaren und Körperteilen fielen sie zu Boden. Sie kreischte laut auf, während Sorluska versuchte, ihr mit den Klauen tiefe Wunden zuzufügen. Thalia stand währenddessen daneben und beobachtete die Kämpfenden aufmerksam. Die Frau schleuderte Sorluska von sich. Er landete mit allen Vieren an der Wand und hinterließ dort tiefe Furchen. Thalia wirbelte wieder ihr Naginata und griff die Frau an. Sie wich aus, allerdings hatte die Undine das vorhergesehen und zog das Shinken horizontal in Richtung ihrer Feindin. Keine Flüssigkeit strömte aus der Wunde, aber dennoch schrie die Verletzte auf. Sorluska stürmte wieder auf sie zu und verpasste ihrem Rücken einen heftigen Schlag. Ein hässliches Knacken erklang, mit gebrochenem Rückgrat und einem Schrei fiel die Frau zu Boden. Sie fauchte hasserfüllt, konnte aber anscheinend auch nicht mehr die Telekinese einsetzen. In all den Jahren des Schlafs schien sie das Sprechen verlernt zu haben oder sie hatte es nie gekonnt. Ohne ihre Skelette und ihre Telekinese schien sie nichts mehr bieten zu können. Sorluska und Thalia holten beide gleichzeitig aus und verpassten ihr gemeinsam den letzten Schlag. Die vereinte Wirkung beider Shinken ließ auch diese Frau zerbersten. Noch mehr Staub erfüllte die Luft, die feindliche Atmosphäre war dafür verschwunden. Thalia und Sorluska verwandelten sich wieder zurück. „W-was war das denn?“, fragte er überrascht. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, um ihr Zittern zu unterdrücken. „Frag doch nicht so blöd. Hast du Salles-sama nicht zugehört? Das war Divine Magic.“ „Oh ja... stimmt.“ Er hatte das Gespräch über die neue Fähigkeit schon lange vergessen gehabt, erst Thalias Erwähnung hatte ihn wieder daran erinnert. Plötzlich runzelte er verärgert seine Stirn. „He! Salles weiß auch nicht alles!“ „Pfff, er weiß jedenfalls mehr als du. Und er hat viel mehr Stil als du!“ „Ach ja!?“ „Oh ja!“ Die beiden starrten sich für einen Moment hasserfüllt an, dann wandten sie sich demonstrativ voneinander ab und verschränkten die Arme vor der Brust. „Lass uns gehen“, sagte Thalia schließlich. „Hier gibt es nichts zu sehen.“ Sorluska nickte. Sie verließen die Ruine und entdeckten - „Katima!“ Die Königin wandte sich ihnen lächelnd zu. „Ah, da seid ihr ja. Wir haben nach euch gesucht.“ „Wir?“, fragte Thalia. Erst jetzt fiel ihr der blonde Mann auf, der bei Katima war. „Das ist Cynard“, stellte sie ihn vor. „Cynard, das sind Thalia und Sorluska.“ „Es freut mich“, sagte er. „Wir haben uns bereits Sorgen gemacht, dass euch etwas passiert sein könnte. Die Ruine hier ist immerhin... sehr gefährlich.“ Sorluska stemmte die Arme in die Hüfte. „Ha! Keine Sorge. Diese Frau da war doch keine Herausforderung für uns!“ „Frau? Oh, du meinst Ifurita?“ Thalia und Sorluska warfen sich einen fragenden Blick zu. „Wer ist das?“ „Ifurita war einst die Herrscherin über dieses Reich. Sie hatte Fähigkeiten, die die anderer Menschen um ein Vielfaches überstiegen. Als sie starb kündigte sie ihre Rückkehr an – und eine grausame Rache an jedem, der es wagen würde, ihren Schlaf zu stören.“ Sorluska schmunzelte. „Na sowas. Tja, jetzt wird sie sowas wohl nie wieder tun.“ Thalia runzelte besorgt ihre Stirn. „Wir werden jetzt aber nicht wegen irgendetwas bestraft, oder?“ Cynard schüttelte den Kopf. „Nein, keine Sorge. Ihr seht doch, wie es hier aussieht. Wir haben jahrelang versucht den Tempel restlos zu vernichten, um auch sie zu erwischen. Wir sind nämlich... sehr abergläubisch.“ Er schmunzelte. Katima lächelte zufrieden. „Gut, lasst uns wieder gehen. Und unterwegs erzählt ihr uns, was genau im Inneren passiert ist, ja?“ Die beiden nickten und gemeinsam traten sie den Rückweg zur Stadt an. Kapitel 27: Der Schatten ------------------------ Salles wusste nicht, ob er zufrieden oder enttäuscht sein sollte. Thalia und Sorluska hatten keine Lakaienfabrik gefunden, dafür aber eine andere potenzielle Feindin dieser Welt getötet. Immerhin hatten sie einen Erfolg verbucht – waren dafür aber ihrem eigentlichen Feind keinen Schritt nähergekommen. Und gesehen hatte Salles ihn auch noch nicht. Bislang war Adina immer noch die einzige, die ihn je erblickt hatte. Er zweifelte nicht an ihrer Aussage, aber er hatte gelernt, alles erst einmal mit seinen eigenen Augen zu bestätigen. Doch wie sollten sie sich diesem Feind nähern? In das Hauptquartier einbrechen konnten sie nicht und raus kam er höchstwahrscheinlich auch nicht. Während er darüber nachdachte, klopfte es plötzlich an der Tür. Aus seinen Gedanken gerissen hob er den Kopf. „Herein!“ Naya betrat gemeinsam mit Rehme und Nanashi den Raum. „Störe ich?“ Lächelnd schüttelte er den Kopf. „Nein, nein, was kann ich für dich tun?“ Seufzend setzte sie sich auf den Stuhl. „Es geht um Katima.“ Überrascht hob er eine Augenbraue. „Hat die Königin etwas angestellt? Das passt gar nicht zu ihr.“ Diesmal schüttelte sie den Kopf. „Sie hat nichts getan. Es geht darum, dass sie verfolgt wird.“ „Haben wir einen feindlichen Eindringling in der Schule?“, fragte er alarmiert. „Nein“, antwortete Naya mit gerunzelter Stirn. „Es ist ein Shinjuu von einem unbekannten Shinken. Leider kann ich allein auch nicht seinen Ursprung ausfindig machen und er redet auch nicht mit den beiden Shinjuu.“ Rehme und Nanashi nickten zustimmend. „Wie ist seine Erscheinung?“ Salles hatte sofort ein wissenschaftliches Gesicht aufgelegt. „Es ist ein Schatten. Er scheint auch keineswegs gefährlich zu sein. Aber Sorgen macht es mir trotzdem.“ „Mir auch. Es ist also ein Shinjuu, dessen Meister wir nicht kennen und das nur Katima verfolgt... dann muss es mit jemandem zusammenhängen, der ihr nahsteht.“ Naya runzelte ihre Stirn. Auf die Idee war sie noch gar nicht gekommen. Statt es durch eine Observierung Katimas herauszufinden, hatte sie sich ganz auf das Shinjuu konzentriert. „Eine gute Idee, Salles. Ich werde mir das mal ansehen.“ Sie stand wieder auf, lächelte ihm zu und ging wieder hinaus. Zurück blieb der Gelehrte, der sich fragte, was sie nun vorhatte und das beunruhigende Gefühl hatte, zu alt für diese Gruppe zu werden. Wie angekündigt hefteten Naya, Rehme und Nanashi sich an Katima und folgten ihr im Laufe des Tages sogar in die Stadt. Die Königin schien davon nichts mitzubekommen und begab sich zielstrebig zum Palast, wo bereits ein blonder Mann auf sie zu warten schien. Naya staunte nicht schlecht, als die beiden sich gegenseitig ziemlich herzlich mit einer Umarmung begrüßten. „Katima, schön dich zu sehen.“ „Freut mich ebenfalls, Cynard“, sagte sie lächelnd. „Ob das Katimas Freund ist?“, überlegte Nanashi laut in ihrem Versteck, von dem aus sie die beiden beobachteten. Rehme kicherte. „Geschmack hat sie ja.“ Naya schnurrte zustimmend. „Er sieht richtig gut aus. Wäre es nicht toll, wenn er das Shinken hätte und uns begleiten würde?“ Die beiden Shinjuu nickten hingerissen. Gemeinsam gingen Katima und Cynard davon. Ihre drei Verfolger hefteten sich erneut an ihre Fersen. Den ganzen Tag schlenderten die beiden durch die Stadt und unterhielten sich dabei über belanglose Dinge, die zumindest die Verfolger nicht interessierten. Erst als Katima (aus für Naya nicht nachvollziehbaren Gründen) auf den Angriff der Anführerinnen auf die Burg zu sprechen kam, horchten sie wieder auf. „Du warst da doch auch dabei, oder?“ Cynard nickte. „Das ist richtig. Warum interessierst du dich dafür?“ „Ich habe mich nur gefragt, warum es nicht mehr zu mehr Verlusten kam.“ Nachdenklich blickte er in die Entfernung. „Nun, ich habe die Angriffe einiger Lakaien abwehren können – scheinbar als einziger.“ Der Blick der Königin wurde ernst. Auch die drei Verfolger hoben nachdenklich eine Augenbraue. „Wenn er die Lakaien abgewehrt hat, bedeutet das, dass er ein Shinken haben muss“, schlussfolgerte Naya. „Normale Waffen können das nicht.“ „Hast du... sie auch besiegt?“, fragte Katima zögernd. Als Antwort bekam sie nur ein Kopfschütteln. Naya legte einen Finger an ihre Schläfe, während sie nachdachte. „Er hat also ein Shinken, kann damit aber nicht kämpfen. Wieso das denn?“ „Na ja, Shinken können viele Formen annehmen“, meinte Nanashi. „Vielleicht hat seines eine Form, die es ihm nicht erlaubt, damit zu kämpfen. Oder aber er weiß nicht einmal, dass er eines hat. Sein Schwert ist jedenfalls kein Shinken.“ Andere Waffen als das Schwert an seiner Hüfte schien er nicht zu tragen. Das einzige, was Naya noch auffiel war die Taschenuhr, die an einer langen Kette an seinem Mantel befestigt war. „Könnte es diese Uhr sein?“ Nanashi und Rehme konzentrierten sich auf den Gegenstand. Es vergingen mehrere Sekunden, erfüllt von Schweigen, bis beide Shinjuu nickten. „Ja, das ist tatsächlich ein Shinken. Eine sehr außergewöhnliche Form allerdings.“ Eine Götterwaffe in Form einer Uhr hatte Naya auch noch nie gesehen. Und auch in der Erinnerung von Himeora, der Göttin, die sie einst gewesen war, konnte sie keine Waffe in solch einer Form finden. Allerdings hatte sich Himeora nur im Zeitbaum befunden und auch nur einen kleinen Teil der Welten und Shinken dort gesehen, bevor sie getötet worden war. Außerdem befanden sie sich im Moment außerhalb des Zeitbaums, da gab es viel mehr Variationen. Und wenn die beiden Shinjuu es sagten und es mit seiner Aussage übereinstimmte, musste es wahr sein. „Aber wie kann es sein, dass das Shinken ihn schützt, aber nicht unterstützt?“, fragte sie. „Das kann ich nicht sagen“, meinte Rehme entschuldigend. Nanashi nickte zerknirscht. „Das werden wir herausfinden“, sagte Naya motiviert. „Lasst uns zurückgehen. Vielleicht fällt uns nach einem ordentlichen Brainstorming etwas ein.“ „Nicht schon wieder“, seufzten die Shinjuu, während sie ihr folgten. Weder Katima noch Cynard hatten etwas von den drei Beobachtern bemerkt. Stattdessen waren sie in den Ausblick und ihr Gespräch vertieft gewesen. „Warum fragst du das denn?“, fragte Cynard. Katima hob die Schultern. „Ich bin nur neugierig. Ist dir das unangenehm?“ Er ließ die Schultern hängen und sah zu Boden. Ein ungewöhnlicher Anblick für einen Mann, der sonst immer stolz und aufrecht schien. Und es bedrückte Katima auf eine eigenartige Art und Weise. Sie wollte ihn nicht so sehen, sie wollte, dass er weiterhin stolz und aufrecht war. Es dauerte seine Zeit, dass er antwortete, aber er tat es tatsächlich: „Die Tatsache, dass ich als einziger in der Burg diese Wesen abwehren konnte, hat für einiges an Gerüchten gesorgt. Mir wurde sogar vorgeworfen, mit dem Feind im Bunde zu stehen.“ Ein Hauch von Bitterkeit schlich sich in seine Stimme. Traurig blickte sie ihn an. „Das ist nicht fair.“ In ihrer Welt hatte man von dem Shinken gewusst, das in ihrer Welt von einer Generation in die nächste gereicht worden war. Aber bei Ruputna hatte sie aus erster Hand gesehen, wie die Leute auf Shinken und ihre Träger reagierten, wenn sie die Götterschwerter nicht kannten. Und bei Cynard, der anscheinend keine solche Waffe trug, mussten sie noch weiter verunsichert sein. Hastig winkte er ab. „Es ist nicht so schlimm. Aretas hat mir versichert, dass er das nicht glaubt. Aber ich glaube, er kann sich nicht auf ewig gegen diese Vorhaltungen mir gegenüber wehren.“ Die Bitterkeit verstärkte sich. Es war mit Sicherheit ein sehr empfindliches Thema für ihn, das konnte sie überdeutlich spüren. Tröstend legte Katima eine Hand auf seinen Arm. „Cynard... ich glaube nicht, dass Aretas dich aufgrund der Meinung anderer fallenlassen wird. Ich glaube, er hält sehr viel von dir und er vertraut dir. Mach dir keine Sorgen.“ Leicht lächelnd sah er sie an. „Danke, Katima.“ Sie lächelte ebenfalls. „Keine Ursache.“ „Ich bin dir dennoch dankbar.“ Er nahm ihre Hand und hauchte ihr einen Kuss auf den Handrücken. Die Hitze schoss in ihr Gesicht, ein flaues, aber dennoch wohltuendes Gefühl breitete sich in ihrem Innerem aus. Es erinnerte sie an das, was sie anfangs bei Nozomu verspürt hatte, lediglich um einiges stärker. „Oh, verzeih“, sagte Cynard. „Ist dir das unangenehm?“ „N-nein, absolut nicht, tut mir Leid. Ich weiß auch nicht, was eben mit mir los war.“ Verlegen lächelnd strich sie sich eine Strähne aus der Stirn. „Nun, Katima, wollen wir etwas essen gehen?“ „Gern“, sagte sie zufrieden und ging gemeinsam mit ihm los, ohne zu bemerken, dass er immer noch ihre Hand hielt und sie den Händedruck sogar erwiderte. Naya saß wieder in Salles' Büro und wartete darauf, was er zu der Situation zu sagen hatte. Nachdenklich starrte er an die Wand. Auch für ihn war die Nachricht überraschend gekommen und vollkommen neu. „Katima trifft sich also regelmäßig mit jemandem aus der Burg? Und dieser Jemand besitzt ein Shinken?“ Von diesem Mann namens Cynard hatte er auch noch nie gehört und ihn auch noch nie gesehen. Naya und die Shinjuu nickten zustimmend. „Dann gehört dieser Schatten wohl zu ihm. Aber warum verfolgt er Katima?“ Auf diese Frage wusste keiner von ihnen eine Antwort. War Cynard im Endeffekt vielleicht doch ein Feind? Nein, das konnte nicht sein. Der Schatten war nicht feindselig, also wollte er sie nicht angreifen, aber vielleicht spionierte er sie aus. Andererseits, was sollte das bringen? Sie hegten keine Geheimnisse, planten keine Angriffe und hatten auch sonst nichts, was einem Spion irgendwie nützen könnte. „Was sollen wir tun?“, fragte Naya. „Sollen wir handeln?“ Salles schmunzelte. „Was willst du denn tun? Cynard umbringen? Ihn zur Rede stellen?“ „Ja, warum nicht? Sollen wir etwa warten, bis er Katima etwas antut?“ Sanft schüttelte er seinen Kopf. „Nein. Solange wir keine weiteren Indizien haben, die für eine feindliche Aktion sprechen, sollten wir nichts Voreiliges unternehmen. Im Endeffekt könnten wir damit Katima gefährden. Behaltet die beiden ein wenig im Auge, wenn ihr könnt, aber tut nichts Unüberlegtes. Und erzählt der Königin nichts von Cynards Shinken. Wenn er es ihr bisher noch nicht erzählt hatte, sollten wir es auch nicht tun.“ Ein leises Seufzen entfuhr ihr. „In Ordnung, mach dir keine Sorgen.“ „Sehr gut, danke.“ Nach einem letzten Gruß verließen Naya und die Shinjuu sein Büro wieder. Salles wandte sich zum Fenster und sah hinaus. Ein Mann in dieser Welt besitzt ebenfalls ein Shinken. Woher auch immer er es hat. Es muss einige Shinken im gesamten Universum geben... Viel mehr als ich ursprünglich annahm. Nachdenklich blickte er auf Egen. Hatte er dieses Shinken von Anfang an gehabt oder hatte er es erst bekommen, nachdem man ihn in den Zeitbaum geholt hatte? Es gab so viele Dinge, die er über seine eigene Vergangenheit nicht wusste – und vielleicht niemals herausbekommen würde. Aber immerhin konnte er andere Geheimnisse ergründen und Welten retten und das war... nicht einmal schlecht, wenn er so darüber nachdachte. Aber wie würde es nun weitergehen? Sein Blick wanderte zu der Karte, die er an einer Magnettafel befestigt hatte. Die ausgestorbenen Städte sowie die bereits besuchten und für unwichtig befundenen Plätze waren durchgestrichen, ihr aktueller Aufenthaltsort und das Versteck der Minion Corps Anführerinnen waren eingekreist. Wo sollten sie als nächstes ansetzen? „Wenn ich helfen darf...“ Karfunkel war geräuschlos hinter ihm auf dem Tisch erschienen. Das Shinjuu warf einen neugierigen Blick auf die Karte. „Ich denke, ich weiß, welcher Ort als nächstes näher untersucht werden sollte.“ Salles machte eine einladende Handbewegung. „Bitte sehr. Deine Hilfe wäre nicht verkehrt.“ Der Rubin auf Karfunkels Stirn leuchtete und warf ein rötliches Licht auf die Karte, genauer gesagt auf einen bestimmten Berg. „Der Belzec-Berg war einst ein Vulkan, ist inzwischen aber weitgehend erloschen“, erklärte das Shinjuu sofort. „Allerdings gibt es Gerüchte, dass im Inneren seltsame Dinge vor sich gehen.“ „Und du beziehst das auf die Minion Corps Anführerinnen?“ Karfunkel nickte. „Ich bin sogar ziemlich sicher, dass es so ist.“ Salles kreiste den Berg mit einem Stift ein. „Gut, dann wird das unser nächstes Ziel.“ Aber wen schicke ich dorthin? Kapitel 28: Tanz im Vulkan -------------------------- „Womit habe ich das eigentlich verdient?! Mit zwei Kindern in einem ekelhaften Vulkan herumzulaufen! Bäh! Währenddessen werden Nozomu und Satsuki... irgh!“ Narukanas Meckertirade klang Landis und Ruputna bereits in den Ohren. Anfangs hatten sie versucht, die Göttin zum Schweigen zu bringen, aber schließlich hatten sie aufgegeben und sie einfach weiterreden lassen, was sie auch ausgiebig tat. Warum hatte Salles sie noch einmal losgeschickt und nicht jemand anderes? Landis rief es sich ins Gedächtnis. Der Mann hatte davon gesprochen, dass er den heißblütigen Shinken-Träger auch ein wenig Bewegung verschaffen müsste, wenn sie denn schon keine feste Aufgabe in der Schule hatten. Da Sorluska und Thalia erst vor kurzem eine Ruine untersucht hatten, war seine Wahl auf Narukana (die sich heftig gesträubt hatte) und Ruputna (die nur mit Landis hatte gehen wollen) gefallen. Am Ende hatte Salles zufrieden gelächelt, da man mit rot, grün und blau eine Ur-Gruppe wieder zusammen hatte. Landis hatte nicht genau verstanden, was er damit hatte sagen wollen, aber das war auch egal. Was nicht so egal war, war Narukanas Meckerei, seit sie Monobe verlassen hatten. Sie lief hinter den beiden, die sich interessiert das Innere des Vulkans ansahen. Es war das erste Mal, dass sie in einem waren, dementsprechend neugierig waren sie auch. Obwohl keine Lava zu sehen war, herrschte eine angenehme Wärme und ein rötliches Licht, das keine erkennbare Quelle hatte, erfüllte die Höhle. Als Landis die Wände berührte, spürte er eine enorme Hitze. Langsam bezweifelte er, dass dieser Vulkan wirklich erloschen war. Woher sollte sonst die immense Hitze kommen? Kaum hatte er den Gedanken offen ausgesprochen, verstummte Narukana. Sie runzelte nachdenklich ihre Stirn, als sie stehenblieb und die Arme in die Hüften stemmte. Die anderen blieben ebenfalls stehen. „Was ist los?“ Es dauerte eine ganze Weile, bis sie antwortete und das tat sie auch nur mit einer Gegenfrage: „In dieser Welt gibt es doch heiße Quellen, oder? Ich nehme an, dass sie mit diesem Vulkan verbunden sind. Anders können diese Quellen ja nicht heiß werden.“ Ruputna und Landis warfen sich einen Blick zu, dann sahen sie wieder Narukana an und zuckten mit den Schultern. „Und?“ Keinen von beiden interessierten die Gründe, die das Wasser heiß sein ließen, solange es heiß war und man darin baden konnte. Narukana verzog verärgert ihr Gesicht. „Ihr seid so ignorant.“ Beide rollten mit ihren Augen. „Bla bla bla.“ Sie stöhnte genervt. „Lasst und weitergehen, bevor ich euch doch noch die Köpfe abreiße.“ Die Gruppe lief weiter. Dass Narukana auch eine andere, weiche Seite hatte, konnte ihr in diesem Moment niemand glauben. Besonders Ruputna fiel das schwer. Sie hatte Narukana immer nur als gemeines und zickiges Biest kennengelernt. Landis stand ihr ein wenig neutraler gegenüber, aber immer noch mit einer größeren Abneigung. Dass die Göttin das merken und sich deswegen extra so abscheulich verhalten könnte, darauf kam keiner von den beiden. Je tiefer sie in den Berg kamen, desto wärmer wurde es. Ruputna seufzte. „Jii-chan sagt, dass es weiter unten noch heißer wird – und dass jemand mit einem Shinken hier ist.“ „Außer uns?“, fragte Landis überflüssigerweise. „Ob es eine der Anführerinnen ist?“ Narukana schnaubte wütend. „Das ist bestimmt Shani. Hier unten muss ihr Mana enorm verstärkt werden.“ „Ist sie hier, weil wir hier sind oder gibt es wirklich eine Lakaien-Fabrik?“, hakte Landis nach. Die Göttin zuckte mit den Schultern. „Am besten wir fragen sie einfach mal, nicht?“ Ihre Begleiter nickten nur und folgten dem Weg weiter – bis sie schließlich in eine Halle mit einem kuppelförmigen Dach kamen. Unzählige Gerätschaften waren darin verstaut und neben ihnen auch zahllose Lakaien, die die Vorgänge zu überwachen schienen. Wasser dampfte in den natürlich geformten Becken, die überall zu sehen waren. „Eine Lakaien-Fabrik“, bestätigte Narukana grimmig. „Aber anscheinend nur für rote Lakaien. Nun, immerhin ist es die perfekte Umgebung für sie.“ Das Paar nickte zustimmend. „Kümmern wir uns darum.“ Die Lakaien nahmen keine Notiz von ihnen, fuhren stattdessen mit ihren Tätigkeiten fort. Doch egal wie sehr sich die dreiköpfige Gruppe umsah, von einer Anführerin war nichts zu sehen. Hatte Wadatsumi nur die Lakaien gespürt? „Dann räumen wir mal auf!“, verkündete Narukana. Sie knackte mit ihren Fingerknöcheln, faltete die Hände und lehnte ihren Oberkörper leicht zurück. Rote Manafunken sammelten sich um sie, während sie lautlos eine Beschwörung murmelte. Schließlich riss sie ihre Arme auseinander. „Reincarnation!“ Ein Phönix in einem bunten Federkleid erschien aus dem Nichts, fegte über die Lakaien hinweg und hinterließ nur eine Spur aus goldenen und roten Manafunken, als er wieder verschwand. Doch statt einem befriedigendem Siegesgefühl blieb Narukana nur ein verdutztes Gesicht. „Was zum...!?“ Die Gerätschaften standen völlig unbeschädigt da und produzierten sofort neue Lakaien, die die Arbeit ihrer Vorgängerinnen aufnahmen. Die Göttin knurrte wütend. „Was soll das denn?“ „Ooooow, hat Narukana mal keine Ahnung von etwas?“ Shani erschien zwischen den Lakaien. Sie lächelte, offensichtlich zufrieden über etwas, was sie der Gruppe nicht verriet. Doch gleich darauf wandelte sich ihre Miene in leichte Enttäuschung. „Wo sind denn Nozomu und Satsuki? Ich hatte mich schon soooo~ auf die beiden gefreut.“ „Das tut mir Leid“, entschuldigte Landis sich lächelnd. „Wir sind Landis und Ruputna.“ „Stell dich doch nicht auch noch vor!“, schnauzte Narukana ihn an, aber Shani klatschte lächelnd in die Hände. „Wenigstens einer, der etwas von Höflichkeit versteht.“ Als sie einen Finger hob, nahm ihre Haltung etwas Lehrerhaftes an. „Aber hast du vergessen, dass wir uns schon einmal getroffen haben? Du warst doch dieser kleine Biestbeschwörer, oder?“ „Du erinnerst dich an mich?“, fragte Landis lächelnd. „Das ist schön.“ Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Anführerinnen sich wirklich seinen Namen merken würden – auch wenn dieses Wesen schon sehr eindrucksvoll gewesen war. Aus einem ihm unerfindlichen Grund konnte er es nicht ertragen, dass jemand ihn womöglich vergessen könnte, deswegen war er umso glücklicher, dass man sich an seinen Namen erinnerte, auch wenn es eine Feindin war. Narukana stöhnte genervt. „Wir sind Feinde, schon vergessen!? Hört auf zu turteln!“ Empört griff Ruputna nach Landis' Arm. „Landis-chaaaaan~“ Die Anführerin lachte wieder. „Ihr drei seid so süß.“ „Hör auf dich über uns lustig zu machen!“ Narukana schwang ihre Faust. Shani schien davon nicht beeindruckt zu sein, sie gähnte stattdessen nur. „Du langweilst mich, meine Liebe. Lass uns endlich abrechnen.“ Shanis Shinken erschien in ihrer Hand. Narukana lächelte grimmig. „Mit Vergnügen. Also haltet euch zurück ihr beiden.“ Landis und Ruputna warfen sich einen Blick zu und nickten. „In Ordnung. Mach, was du willst, Narukana.“ Zufrieden mit der Zurückhaltung der beiden trat die Göttin vor. „Du hast keine Chance. Bislang konntest du schon nichts, also wird es auch diesmal nichts.“ „Unterschätze mich nicht, meine Liebe. Sonst hast du schon verloren.“ Shani schwang ihr Shinken. Landis runzelte seine Stirn und auch Ruputna bemerkte eine Veränderung. Plötzlich schien die Anführerin stärker zu sein als bei ihrem letzten Treffen. Woher kam diese Kraft? Landis versank in Gedanken. Normal war das jedenfalls nicht. Sie müsste Tag und Nacht trainiert haben, um dieses Level zu erreichen. Aber was war es nur, was ihr half? Er ließ seinen Blick über die Halle schweifen. Irgendwo hinter den Geräten blitzte in unregelmäßigen Abständen ein helles rotes Licht auf. War das ein Teil der Lakaienherstellung? Oder doch etwas anderes? Nun, warum sollte er nicht einfach nachsehen gehen? „Ruputna, lass uns nach einer Vorrichtung suchen, die das verursacht, ja?“ Sie nickte schweigend, was ungewöhnlich für sie war und ging los, genau wie er. Narukana wagte derweil einen ersten Angriff. „Excalibur!“ Die Attacke prallte an Shanis Schutzschild ab. Keinerlei Anstrengung zeigte sich auf dem Gesicht der Anführerin. Ohne auf Narukanas Reaktion zu warten, griff Shani sie an. Die Göttin baute ein Schutzschild auf – und erschrak. Das gegnerische Shinken schnitt durch ihr Schild wie durch weiche Butter. Sie konnte gerade noch ausweichen, bevor sie verletzt wurde. „D-das war nur ein Glückstreffer!“, rief sie mit zitternder Stimme. „Glaubst du?“, fragte Shani lachend. „Soll ich es wiederholen?“ Erneut durchbrach sie Narukanas Schutzschild, was der Moral der Göttin ziemlich zusetzte. Dennoch gab sie nicht auf. Immer weder holte sie aus, um Shani zu treffen. Sie trug kein Shinken, aber schemenhaft war ein Schwert in ihrer Hand zu sehen, das Ähnlichkeit mit Murakumo hatte. Doch egal wieviel Kraft, wieviel Verzweiflung, wieviel Zorn sie aufbrachte, jeder einzelne Angriff prallte an einem rot leuchtenden Schild ab. Erschöpft hielt Narukana wieder inne. Ungläubig starrte sie ihre Gegnerin an, die immer noch zuversichtlich lächelte. „Es ist so schön mitanzusehen, wie du zugrunde gehst, meine Liebe. Ich wollte schon immer mal eine Göttin töten. Wie ungemein praktisch.“ Narukana schwieg verbissen. „Owww, plötzlich so sprachlos, Naru? Na ja, es dauert ja nicht mehr lange.“ Shani stellte sich direkt vor sie und hob ihr Shinken. „Noch irgendwelche letzten Worte?“ „Wie kann es sein, dass du plötzlich so... stark bist?“ Sie lächelte zufrieden. „Du willst es wirklich wissen? Fein, ich erklärs dir.“ Siegessicher stellte Shani sich in Position. Landis und Ruputna waren in ihrer Vorstellung längst vergessen. „Das hier ist es.“ Landis blieb vor einem Gerät stehen, das nicht zur Lakaienherstellung diente. Ein roter Kristall leuchtete in einem gläsernen Gefäß. Wann immer Shani ihre Macht gebraucht hatte, hatte er noch einmal heller aufgeglüht. Es gab also keinen Zweifel. Aber was war es? Und wie kam es hierher? Landis erinnerte sich an den Manakristall, den die Anführerinnen dabeigehabt hatten, um Angriffe zu negieren, die sie normalerweise nicht hätten negieren können. War das hier ähnlich? Ruputna nickte zustimmend. Sie schwieg immer noch. Langsam machte Landis sich Sorgen, aber er schob es auf seine Unterhaltung mit Shani vorhin und kümmerte sich lieber um das Glasgefäß. Wider Erwarten prallten seine Kopis aber nur daran ab, ohne auch nur einen Sprung zu hinterlassen. Ratlos musterte er die Oberfläche, berührte das Glas, fand aber nichts, was ihm Aufschluss über die Beschaffenheit gab. „Geh zur Seite“, bat Ruputna plötzlich. Landis sah zu ihr hinüber und zuckte unwillkürlich zurück. Blaue Manafunken hatten sich um ihren Körper angesammelt. Eilig trat er zur Seite, um ihr aus dem Weg zu sein. Kaum stand er da, holte Ruputna mit einem Schrei aus. Sie trat nicht nur mit ihrem leuchtenden Shinken gegen die Vorrichtung – ein stahlharter Wasserstrahl begleitete ihren Tritt. Als er auf das Glas traf, zersprang es klirrend in unzählige Teile – und der Kristall löste sich in rote Manafunken auf. „Das wars!“, rief Ruputna, so enthusiastisch wie eh und je. „Und jetzt kümmern wir uns um Shani!“ „Ja!“ „Du siehst, Manakristalle können so einiges, Narukana“, verkündete Shani selbstbewusst. Die Göttin lachte spöttisch. „Ihr benutzt solche schmutzigen Tricks und seid auch noch stolz darauf. Wie erbärmlich ist das denn!?“ Die Aussage schien Shani mehr als nur zu verstimmen. Verärgert runzelte sie ihre Stirn. „Es ist genauso erbärmlich wie mit einem Shinken zu kämpfen – es gibt keinen Unterschied.“ „Und ob es einen gibt!“, widersprach Narukana heftig. „Aber du würdest das nie verstehen!“ Wortlos stürzte Shani sich wieder auf sie. Sie baute noch einmal ein Schutzschild auf, aber die Anführerin durchbrach es ohne Probleme. Da die Göttin die Kraft verließ, konnte sie auch nicht mehr ausweichen. Stattdessen versuchte sie, einfach ihr Gesicht vor den Angriffen zu schützen. Shani benutzte ihr Shinken nicht, offensichtlich wollte sie damit ein Exempel statuieren. Aber ihre Faustschläge waren schmerzhaft genug. Bitte, lass es aufhören! Sie soll aufhören! Mit einem Kreischen wurde Shani zur Seite geschleudert. Vorsichtig ließ Narukana ihre Arme sinken. Es ist vorbei. Zum Glück. Mit vor Wut verzerrtem Gesicht stand Shani wieder auf. „Was fällt dir ein!?“ Ruputna stellte sich in Kampfposition. Ein Wasserstrahl hatte sich um ihren Körper geschlungen und begleitete ihre Bewegungen. „Ich werde nicht zusehen, wie du Narukana verletzt!“ Landis war in einiger Entfernung stehen geblieben, um das Spektakel zu betrachten. „Nicht schon wieder!“, knurrte Shani. „Was sollen diese ganzen Hokuspokus-Tricks?“ „Das sind keine Tricks!“, erwiderte Ruputna. „Das ist Können! Oder anders: Meine Divine Magic!“ Landis hatte schon immer gewusst, dass seine Freundin äußerst temperamentvoll und enthusiastisch war, aber das erstaunte sogar ihn – im positiven Sinne. Aber nicht nur er, auch Narukana starrte das Mädchen überrascht an. Bislang hatte sie in ihr nur ein übereifriges, nerviges Wesen gesehen, das hier war eine vollkommen andere Seite von ihr. Shani knurrte. Sie zog ihr Shinken wieder und stürzte sich auf Ruputna. Das Mädchen wich dem Angriff aus und erwiderte sofort mit einem Tritt. Youran durchbrach das gegnerische Schutzschild ohne Probleme und schleuderte Shani von sich. Die Anführerin landete auf den Füßen, doch nicht für lange. Der Wasserstrahl folgte ihr und warf sie mit Wucht gegen die nächste Wand. Schließlich kehrte das Wasser zu Ruputna zurück. Aber davon ließ Shani sich nicht unterkriegen. Ein helles Licht erstrahlte über ihr, anscheinend noch ein Manakristall. Im nächsten Moment sprang sie auf und warf sich mit einem Schrei wieder in den Kampf. Ruputna ließ sich davon nicht beeinflussen. Immer wieder wich sie den Angriffen aus als ob sie diese vorhersehen könnte. Dabei war es nur ihre Intuition, die ihr half. Schlussendlich trat Ruputna gegen Shanis Arm, was diese dazu bewegte, ihr Shinken loszulassen. Die Waffe verschwand augenblicklich. „Das wars!“ Shani wich sofort einige Schritte zurück. „Fireball!“ Es war der letzte verzweifelte Strohhalm gewesen – und er verpuffte ganz einfach an dem Wasserstrahl, der Ruputna nach wie vor umgab. Noch einmal wich die Anführerin zurück, bis sie mit dem Rücken zur Wand stand. Ihr Blick glich dem eines gehetzten Tieres, das keinen Ausweg mehr fand – besonders als Ruputna näherkam. „L-lass mich in Ruhe!“, rief Shani panisch. „Geh weg!“ Das Mädchen hielt nachdenklich inne, der Wasserstrahl wurde wieder schwächer. Landis sah fragend zwischen den beiden hin und her. Er sah das Blitzen als erstes. „Ruputna, pass auf!“ Shanis Shinken war wieder erschienen – und prallte erneut an dem kurzzeitig erstarkten Strahl ab. Die Anführerin taumelte zurück. „Das kann nicht sein...“ Sie stürzte zu Boden, ihr Shinken verschwand – und dann rührte sie sich nicht mehr. Ruputna wandte sich ab. „Kümmern wir uns erst um diese Geräte.“ Der Wasserstrahl fegte durch die Halle und zerstörte jede einzelne Maschine, die er vorfinden konnte. Als schließlich sämtliche Gerätschaften zerstört waren, verschwand auch der Strahl und die seltsame Aura um Ruputna. „Gut gemacht“, sagte Landis lächelnd. Sie freute sich sichtlich über das Kompliment, als Narukana schon wieder dazwischenfuhr: „He! Shani ist weg!“ Tatsächlich war der Platz, an dem sie gelegen hatte, verlassen. Ruputna seufzte laut. „Oh nein...“ Landis ging zu ihr. Tröstend legte er einen Arm um ihre Schulter. „Das ist doch nicht so schlimm.“ Als Narukana ebenfalls dazutrat, befürchtete er bereits, dass sie wieder losschimpfen würde, doch stattdessen lächelte sie dem Mädchen ebenfalls zu. „Immerhin hast du die Maschinen unbrauchbar gemacht. Das ist doch auch was.“ Ruputna lächelte zaghaft. „Wirklich?“ Die Göttin nickte zustimmend, worauf Ruputna sich wieder sichtlich freute. Anscheinend ist Narukana doch nicht so schlimm, dachte Landis bei sich. Finde ich doch sehr erfrischend. „Wollen wir dann wieder gehen?“, fragte sie schließlich. Die anderen beiden nickten zustimmend und traten den Rückweg zu Monobe an. Narukana blieb noch einmal stehen und drehte sich um. Wie hatte Shani einfach verschwinden können? Teleportation sollte eigentlich nicht zum Repertoire eines einfachen Shinken-Nutzers gehören. Und nichts anderes war Shani, was die Göttin auch an ihrer Technik erkennen konnte. Also musste sie diese Fähigkeit von der Person haben, die hinter ihr stand. Langsam wuchs in Narukana die Neugier auf den Anführer im Hintergrund und rückte Rogus aus ihrem Fokus. „Narukana, kommst du?“ Landis und Ruputna waren stehengeblieben, um auf sie zu warten. Wortlos fuhr sie herum und lief weiter. Kapitel 29: White Day --------------------- Nach der Sache im Belzec-Berg vergingen wieder mehrere Tage, in denen absolut gar nichts geschah. Die Gruppe langweilte sich bereits, denn auch die Ausflüge in die Stadt verloren nach mehr als einem Monat ihren Charme. Bei den ersten Schülern meldete sich aufgrund der Langeweile auch schon der Wunsch, wieder heimzukehren. Salles machte keine Angaben darüber, was er als nächstes vorhatte, was ein eindeutiger Indikator dafür war, dass er ebenfalls keinen Plan hatte. Jatzieta war die einzige, die es gelassen sah. Sie und Adina verbrachten die Zeit damit, Karten zu spielen. Seit ihrer letzten Unternehmung, die sie beinahe das Leben gekostet hätte, war sie nicht mehr so erpicht darauf, Monobe zu verlassen. Der Rest der Gruppe versuchte unterdessen, den Unterricht zu überleben, was nicht immer leicht war. Besonders an diesem Tag, an dem die Jungen fast kollektiv eingeschlafen waren. Lediglich Zetsu hielt sich noch wacker wach, hing aber ebenfalls bereits über dem Tisch, als Heridearutsu das Buch zuschlug. „So, wir sind fertig für heute.“ „Von mir aus für den Rest des Jahres“, murmelte Nozomu. „Gut, dass ihr heute tagsüber schlaft“, meinte Heridearutsu. „So wie ich euch einschätze, werdet ihr heute Nacht nämlich viel zu tun haben.“ „Was ist denn heute Nacht?“, fragte Sorluska neugierig geworden. „Es sind 29 Tage seit dem Valentinstag vergangen“, erklärte Heridearutsu. Während Sorluska und Landis ihn nur verwirrt ansahen, seufzten Nozomu und Zetsu einstimmig. „Oh nein... White Day.“ Auf die fragenden Blicke der anderen, fühlte Nozomu sich zu einer Erklärung berufen: „Der White Day ist das Gegenteil zum Valentinstag, genau einen Monat danach. An dem Tag müssen sich die Jungs mit selbstgemachter weißer Schokolade bei den Mädchen bedanken.“ „Auch das noch“, seufzte Sorluska. „Haben wir überhaupt die Zutaten dafür?“ Heridearutsu nickte. „Sanae-san hat sie extra eingekauft, damit ihr euch nicht rausreden könnt.“ Nozomu fluchte leise, sah dann aber zu Zetsu hinüber. Der Silberhaarige, der immer die meiste Schokolade bekam, hatte sich am White Day bislang immer krank gemeldet. Was würde er wohl hier machen? Hier konnte er schlecht ausweichen. Würde er sich wirklich hinter Leana verstecken, wie er angekündigt hatte? Dass die Mädchen vor ihr Respekt haben würden, konnte er sich gut vorstellen. Aber das war doch keine Lösung. Als Zetsu ihm einen schmunzelnden Blick zuwarf, fragte Nozomu sich, was er machen sollte. Sollte er für alle vier Mädchen etwas machen oder nur für Satsuki? Und wie sollte er das hinkriegen? Bislang war jeder Versuch, Schokolade zu machen, fehlgeschlagen. „Keine Sorge“, sagte Heridearutsu. „Ich werde euch natürlich beistehen. Ich weiß, wie man Schokolade macht. Und Sanae-san auch.“ Während Sorluska leise grummelte, freute Landis sich sichtlich. Subaru, der die ganze Zeit aus dem Fenster gestarrt hatte, lächelte ebenfalls. Zumindest zwei sind glücklich. „Oh, Nozomu, sei nicht immer so pessimistisch“, fuhr Rehme in seinen Gedanken dazwischen. „Satsuki freut sich bestimmt über Schokolade. Das wird echt toll morgen.“ Ich wills hoffen... Später befanden sich Nozomu, Sorluska, Landis, Subaru und Heridearutsu in der Küche und versuchten, weiße Schokolade herzustellen. Sanae kümmerte sich derweil um die anderen Schüler, die wesentlich mehr Erfahrung und daher weniger Probleme hatten. Zu Nozomus Überraschung hatte sich auch Salles in die Küche verirrt, er schien aber nicht aktiv teilnehmen zu wollen, sondern beobachtete die anderen nur. „Was ist nun, Nozomu?“, fragte Landis, dem das alles erstaunlich einfach von der Hand ging. „Machst du für alle vier was oder nur für Satsuki-san?“ Nozomu seufzte. „Wenn das so weitergeht, werde ich keiner was schenken.“ Bislang hatte keines seiner Ergebnisse auch nur Ähnlichkeit mit Schokolade gehabt. Landis lachte leise. „Sorluska ergeht es nicht besser.“ Er nickte zu dem jungen Mann hinüber, der leise vor sich hingrummelte und dabei immer wieder aufs Neue mit Heridearutsus Hilfe versuchte, essbare Schokolade hinzubekommen. „Also, wie siehts aus, Nozomu?“ „Wie kommt es, dass du so gut bist?“, stellte er die Gegenfrage. Landis lächelte und konzentrierte sich wieder auf seine Schokolade. „Ich musste meiner Mutter oft beim Kochen und Backen helfen. Das hat seine Spuren hinterlassen. Ich weiß nur nicht mehr, für wen wir das alles gemacht haben...“ „Bestimmt war das für seinen Vater“, sagte Rehme. „Der Eternal, an den er sich nicht erinnert.“ „Ich wette, Sorluska hat vorher nie gekocht.“ Von jedem anderen hätte es wie ein Vorwurf oder eine Randbemerkung geklungen, aber Landis schaffte es tatsächlich es mehr wie eine Bemerkung voll Mitleid klingen zu lassen. Obwohl Sorluska sich bislang nicht an der Unterhaltung beteiligt hatte, bekam er das mit und legte sich noch einmal extra ins Zeug. Mitleid wollte er keines – besonders nicht von Landis. „Machst du das alles für Ruputna?“, fragte Nozomu. Dabei deutete er auf die Massen von Schokolade, die der Junge da zu fabrizieren schien. Landis nickte, ein verlegenes Lächeln zierte sein Gesicht. „Sie hat mir zum Valentinstag ein Geschenk gemacht, das schwer zu überbieten ist. Also gibt es eben viel Schokolade.“ „Sie wird sich bestimmt darüber freuen.“ Was das wohl für ein Geschenk war? „Gute Frage...“ Lange Zeit arbeiteten die Schüler schweigend vor sich hin, bevor Landis etwas auffiel: „Wo ist eigentlich Zetsu?“ „Er sagte, dass er sich ein anderes Geschenk überlegen muss, weil Leana Süßigkeiten hasst.“ „Verstehe. Ich frage mich, was er ihr schenken will.“ Nozomu nickte. Ich mich auch. In dem Moment war er froh, dass Satsuki ein so gut berechenbarer Mensch war, so dass er nicht großartig raten musste, was sie haben wollte. Wie wollte Zetsu nur unauffällig herausbekommen, was sie von ihm wollte? Die Frage stellte Zetsu sich auch. Er wusste, dass sie keine Süßigkeiten wollte, also wollte er irgend etwas anderes für sie tun, aber was nur? Nanashi war ihm keine sonderlich große Hilfe, sie war zwar empathisch (zumindest meistens), aber für Leana brauchte man wohl mehr als pure Empathie, um zu wissen, was sie wollte. Also hatte er kurzerhand beschlossen, Isolde zu fragen. Was nicht sonderlich einfach war. Erst einmal hatte er sie unauffällig von Leana loseisen müssen und dann musste er sich mit ihr unterhalten, was noch schwerer war. Er hatte ihr die Situation erklärt und wartete nun auf ihre Antwort. „Also, du willst Leana was schenken, ja?“, fragte sie belustigt. Er seufzte genervt. „Ja. Das habe ich dir jetzt schon zehn Mal gesagt.“ „Ich höre das nur immer wieder gern“, kicherte sie. Manchmal – und das war ziemlich oft der Fall – strafte ihr Verhalten ihrem strengen Aussehen Lügen. Normalerweise war es Zetsu, der in ihre Scherze mit einstimmte, aber im Augenblick ging es ihm eher auf die Nerven. Dumm nur, dass er auf ihre Hilfe angewiesen war. „Isolde, bitte...“ „Es ist dir ziemlich ernst, hm?“ Er nickte nur. Sie schmunzelte leicht. „Was denkst du, was sie sich wünscht?“ Zetsu rollte mit den Augen. „Wenn ich das wüsste, würde ich dich nicht fragen.“ Diesmal war sie es, die seufzte. „Du enttäuschst mich. Ich dachte, du würdest sie kennen.“ Er sah sie an und überlegte, was er sagen sollte. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte er gesagt, dass er sie kennen würde, aber das war vor ihrer Rückkehr in die Rosenwelt gewesen. Er hatte diese Entscheidung verstanden und akzeptiert, sie aber nie wirklich verwunden. Eigentlich hatte er sie auch nur wieder in die Gruppe geholt, weil er gehofft hatte, dass alles wieder so werden würde wie früher – aber die Hoffnung war nicht aufgegangen. Er hegte immer noch tiefe Gefühle für Leana, aber genauso hatte er das Gefühl, dass sie sich unheimlich fern waren. Er konnte nicht mehr guten Gewissens sagen, dass er sie kannte, denn das tat er nicht mehr. Wenn sie und Isolde ihn nicht wiedererkannt hätten, wäre er sich sicher gewesen, dass er die falsche Leana abgeholt hatte. Doch er wollte diesen Zustand nicht hinnehmen. Selbst wenn am Ende dieses Abenteuers wieder ihre Trennung wartete, so wollte er sich am Ende nicht von einer Unbekannten verabschieden, sondern von seiner Leana, das hatte er sich vorgenommen. Obwohl er nichts sagte, schien Isolde seine Gedanken zu erahnen. Sie lächelte unvermittelt. „In Ordnung, du silberner Tagesanbruch. Ich werde dir sagen, was Leana sich am Meisten wünscht.“ „Nenn mich nicht so“, murmelte er. Sein Gesicht hellte sich auf, als er sich den zweiten Satz verinnerlichte. „Danke, Isolde.“ Sie kicherte noch einmal, dann flüsterte sie ihm etwas ins Ohr. Noch einmal erhellte sich sein Gesicht. „Aaaah.“ Ähnlich wie bei den Mädchen am Valentinstag, hatten die Jungen fast die ganze Nacht in der Küche verbracht. Nur mit dem Unterschied, dass sie am Ende selbst aufräumen mussten, da keines ihrer Shinjuu dafür geschaffen war oder gar wollte. Erst gegen Morgen gaben Landis und Heridearutsu den anderen zu verstehen, dass sie den Rest machen würden, so dass alle anderen erschöpft abziehen konnten. Nozomu fühlte sich nach dem Aufstehen jedenfalls so als hätte er nie geschlafen. Wenigstens war an diesem Tag kein Unterricht, so dass er mittags noch schlafen konnte – sofern man ihn ließ. Durch seine Übungsversuche (die einigermaßen essbar geworden waren), hatte er am Ende doch noch genug Schokolade hinbekommen, um allen vier Mädchen etwas zu schenken. Lediglich die Schokolade für Satsuki schmeckte auch wirklich, so dass sie nicht eifersüchtig sein musste. Tatsächlich freuten sich alle vier über die Schokolade – aber nur bei Satsuki war die Freude von Dauer. Nozomi, Narukana und Naya verzogen schon nach den ersten Bissen die Gesichter. Aber zumindest Nozomi und Narukana bekamen von anderen Schülern noch Schokolade geschenkt, die man tatsächlich essen konnte. Satsuki küsste Nozomu vergnügt, nachdem sie die Schokolade probiert hatte. „Mhm, schmeckt besser als die, die ich dir geschenkt habe. Vielen Dank, Nozomu.“ Das war kein Kunststück, dachte er bei sich. Doch nach außen hin lächelte er nur. „Du musst dich nicht bedanken.“ Immer noch äußerst vergnügt, legte sie ihren Kopf auf seine Schulter. Landis und Ruputna hingen wie üblich zusammen. Sie klammerte an seinem Arm und deckte ihn mit unzähligen Küssen ein. Manchmal fragte Nozomu sich, wie er das nur aushielt, aber Landis schien es absolut nicht zu stören. Sorluska war über dem Tisch eingeschlafen, bevor er Thalia seine Schokolade hatte geben können, aber sie hatte diese schon allein gefunden und lächelte deswegen selig vor sich hin, während er neben ihr schlief. Was immer Nozomu sonst über sie dachte, sie liebte Sorluska mit Sicherheit und das konnte man in solch seltenen Momenten wirklich sehen. Sogar Heridearutsu verschenkte ein wenig Schokolade an einige Mädchen, die darüber verlegen kicherten. Nozomu glaubte nicht, dass der Weißhaarige das aus „Liebe“ tat. Wahrscheinlich eher Mitleid, weil die betreffenden Mädchen sonst nichts bekommen hatten. Aber jemand fehlte. Subaru, Zetsu, Leana und Katima waren nirgends zu sehen. Was Zetsu seiner Freundin wohl geschenkt hatte? Bei Gelegenheit sollte Nozomu ihn mal fragen, aber vorerst würde er erst einmal schlafen. Mit dem Gedanken daran, löste er Satsuki (die nichts mitbekam, da sie eingeschlafen war – warum war sie wohl so müde?) vorsichtig von seiner Schulter, legte sich mit dem Oberkörper auf den Tisch und schloss die Augen. Leana hatte sich überrascht gezeigt, als Zetsu sie bereits am Morgen am Arm gegriffen und mit sich gezogen hatte. Isolde und Nanashi hatten sich dagegen in eine andere Richtung verzogen. Gemeinsam mit Leana verließ Zetsu Monobe und brachte sie in den Wald, in die Nähe der Ruine, in der Landis' Divine Magic erwacht war. Überrascht sah Leana auf das, was Zetsu auf einer Lichtung vorbereitet hatte. „W-wann hast du das denn gemacht?“ Ein vollständiges Picknick mit Decke und Korb und allen möglichen nicht-süßen Leckereien waren zu sehen. Zetsu lächelte. „Ich bin früh aufgestanden. Ich habe ganz lange überlegt, was ich dir schenken könnte, da du keine Schokolade magst. Schließlich habe ich mich dafür entschieden, dass wir einen ganzen Tag lang Zeit zusammen verbringen, nur du und ich.“ Dass es Isoldes Vorschlag gewesen war, erwähnte er nicht. „Was sagst du dazu?“ Gespannt sah er Leana an. Nun entschied sich, ob Isolde recht gehabt hatte oder ob sie doch lieber etwas anderes gehabt hätte. Doch plötzlich lächelte sie entspannt, eines ihrer seltenen echten Lächeln. Also hatte Isolde tatsächlich recht gehabt. Innerlich atmete er erleichtert auf. Sie umarmte ihn. „Danke, Zetsu. Das habe ich mir schon lange gewünscht.“ „Das macht mich froh“, sagte er lächelnd, als er die Umarmung erwiderte. Sie tauschten einen kurzen Kuss miteinander aus und setzten sich dann dicht nebeneinander auf die Decke, um zu essen. So harmonisch wie schon lange nicht mehr, da keines ihrer Shinjuu dabei war. Katima war wie fast jeden Tag inzwischen, mit Cynard unterwegs. Mit jedem Tag wurde ihre Vorfreude auf ihn stärker und die Trennung von ihm am Abend schwerer. Was bedeutete das nur? An diesem Tag begrüßte Cynard sie wie üblich am Schlosseingang. Doch statt zu einem Stadtrundgang, lud er sie zu einem Schlossrundgang ein. Das Gemäuer war inzwischen wieder hergestellt, so wie es sein sollte und Cynard wollte es ihr unbedingt zeigen. Es war eigentlich wie jede Burg, dieselben verträumten Ecken, dieselben überflüssig erscheinenden Räume, die für verschiedene Dinge genutzt werden konnten. Der Rundgang endete in einem bewohnten Zimmer, das geschmackvoll eingerichtet war. Katima gefiel es sehr. „Wem gehört dieses Zimmer?“ „Mir“, antwortete er. Sie lächelte. „Das ist ein sehr schönes Zimmer.“ „Vielen Dank.“ Dennoch verstand sie nicht wirklich, was sie hier eigentlich sollte. Warum führte er sie in sein Zimmer? Bei dem Gedanken, was er vorhaben könnte, schoss ihr das Blut ins Gesicht. Doch sie beruhigte sich schnell wieder. Nein, nein, das würde er nie machen. Er ist ein Edelmann, warum sollte er dann so etwas tun? Cynard erahnte ihre Gedanken. Er holte etwas hervor, was in eine durchsichtige Tüte eingepackt war und reichte es Katima. „Für dich.“ Sie nahm es ihm ab. Es schien weiße Schokolade zu sein, gemeinsam mit einigen Keksen. „Womit habe ich das verdient?“ Er räusperte sich leicht. „Vor einem Monat war dieser Tag an dem die Frauen ihren Liebsten selbstgemachte Schokolade schenken. Heute ist der Tag an dem die Männer dasselbe machen.“ Seine Stimme klang, als ob er den Text extra einstudiert hätte, aber trotzdem nicht gezwungen. Als Katima klar wurde, was das bedeutete, spürte sie erneut, wie sie rot wurde. „D-danke, Cynard. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.“ Er lächelte warm. „Du musst nichts sagen. Dass du dich darüber freust, ist genug.“ Katimas Gesicht wurde noch roter. Verlegen senkte sie den Blick. Für einen kurzen Augenblick verspürte sie den Wunsch, bei ihm zu bleiben, für immer, auch wenn sie sich über ihre Gefühle nicht klar war. Aber es war nicht möglich. Sie musste irgendwann wieder zu ihrem Volk zurückkehren. Außerdem war es lächerlich. Sie wusste nicht, was sie für ihn fühlte, sie musste sich erst klar darüber werden – und dann musste sie entscheiden, was zu tun war. Auch wenn das bedeuten würde, Cynard oder ihr Volk im Stich zu lassen. Mit festem Schritt, aber aufgeregtem Herzen, befand Subaru sich auf dem Weg zur Aussichtsplattform. Mit Sicherheit würde Baila auch an diesem Tag wieder da sein. Würde sie sich über sein Geschenk freuen? Oder würde sie nach wie vor keine Gefühle zeigen? All die Gedanken wirbelten durch seinen Kopf und sorgten dafür, dass ihm regelrecht schlecht wurde. Schon von weitem erkannte Subaru Bailas Kopfbedeckung. Wieder einmal saß sie auf der Bank, diesmal schien sie aber keine Waffeln zu essen. Die anderen Stadtbewohner wussten nichts davon, dass sie ebenfalls eine Anführerin war. Salles hatte in ihr keine Bedrohung für die Bewohner gesehen und es deswegen nicht für angebracht gehalten, sie zu verraten. Außerdem konnte man sie so besser im Auge behalten. An diesem Tag war Subaru froh darum, dass der Mann so entschieden hatte, auch wenn er seit Bailas Bitte nicht mehr hier gewesen war. Ob sie jeden Tag auf ihn gewartet hatte? Oder hatte sie gar nicht mehr an ihn gedacht? Subaru blieb neben ihr stehen, die Schokolade hinter seinem Rücken verborgen. „Baila.“ Sie hob den Blick und sah ihn an. Ein Schatten schien sich auf ihr Gesicht zu legen, dann sah sie wieder woanders hin. Dabei schwieg sie. Er setzte sich neben sie. „Ich habe etwas für dich.“ Fragend wandte sie sich ihm wieder zu. „Für mich? Warum?“ Subaru deutete auf ein anderes Paar, das in der Nähe stand. Die junge Frau bedankte sich gerade verlegen bei dem Mann vor ihr für die Schokolade. „Heute ist ein besonderer Tag in dieser Welt“, erklärte Subaru dabei. „Man schenkt dem Mädchen, das man mag, etwas.“ Baila öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber sofort wieder und sah ihn nur abwartend an. Subaru konnte nicht die Überraschung über das Spektrum ihrer Mimik verbergen. Früher war das bei ihr nicht möglich gewesen. Er zog die Schokolade hervor und reichte sie ihr. „Das habe ich für dich gemacht.“ Das habe ich hinter mir, dachte er erleichtert. Gespannt wartete er auf ihre Antwort. Würde sie sich freuen? Oder gleich einfach weggehen? Was sollte er nur tun, wenn sie wortlos aufstehen würde? Doch lange versank er nicht in diesen düsteren Gedanken, denn plötzlich lächelte Baila leicht. „Vielen Dank, ... Subaru. Das ist das erste Mal, ... dass mir jemand etwas schenkt.“ Noch nie zuvor hatte er sie lächeln gesehen, aber er hatte es sich immer gewünscht. Die Tatsache machte ihn glücklich und ließ ihn ihre letzte Begegnung vergessen. Ihr Lächeln verschwand zwar wieder, aber dafür kam eine andere Mimik in ihr Gesicht: Verwirrung. „Was ist das denn?“ Subaru lachte leise. „Schokolade. Man kann sie essen.“ Ihr Gesicht hellte sich auf. „Aaaah. Wollen wir sie zusammen essen?“ „Gern.“ Wieder sahen sie essend und schweigend in die Entfernung – nur war es diesmal ein angenehmes Gefühl für beide. Adina bestaunte den Stapel an Schokolade und Keksen, den Jatzieta im Laufe des Tages bekommen hatte. „Wow. Da wo ich herkomme, gibt es keinen White Day. Beide Geschlechter haben was an Valentinstag verschenkt.“ Jatzieta kicherte. „Schlechte Organisation. So haben die Männer doch einen Monat Vorlauf, um sich daran zu erinnern und etwas vorzubereiten.“ „Hat hier aber auch nicht funktioniert“, warf Adina ein. „Das wurde alles letzte Nacht gemacht. Irgendjemand hat sogar heute Morgen noch die Küche benutzt.“ „Das war nicht irgendjemand“, widersprach Jatzieta. Eine bestimmte Tafel Schokolade nahm sie dabei in die Hand. Adina konnte den daran befestigten Zettel nicht lesen, aber sie konnte sich dennoch denken, von wem die Tafel war. Besonders da Karfunkel ihr verraten hatte, dass Salles der letzte Nachzügler gewesen war. Doch im Gegensatz zu Jatzieta schätzte sie diese Geste falsch ein und lächelte. Liebe ist etwas Schönes. Kapitel 30: Regenschauer ------------------------ Zetsu hob den Blick und kniff die Augen zusammen. Die Sonne versteckte sich hinter einer dicken Wolkendecke, die Regen versprach. Wenn er sich richtig erinnerte, wäre dies das erste Mal seit ihrer Ankunft, dass es regnete. Typisch. Und genau an dem Tag müssen wir hier durch die Flora wandern. Zetsu senkte den Blick wieder und sah sich suchend nach seinem Begleiter um. Sie standen auf einem Feld mit hochgewachsenem Gras, das ihm bis zur Hüfte reichte. Eigentlich müsste er ihn sehen können. „Nozomu! Komm schon! Lass uns zurückgehen!“ Keine Antwort erklang, kein Nozomu erschien inmitten des Feldes. Zetsu seufzte. Nanashi erschien auf seiner Schulter. „Meister, warum habt Ihr Euch auch überreden lassen, hier herzukommen?“ „Nozomu meinte, er will mal was ohne die anderen unternehmen. Also hab ich mitgemacht.“ „Sogar ohne Leana...“ Er schmunzelte. „Ausnahmsweise. Das wird doch wohl erlaubt sein, oder?“ „Ich finde es gut.“ Bevor er eine weitere Frage stellen konnte, grollte Donner in der Ferne. „Auch das noch.“ Nanashi verschwand wieder. Zetsu lief weiter und rief dabei immer wieder Nozomus Namen. Wo kann er denn hin sein? Während Zetsu sich weiter umsah, entdeckte er plötzlich eine Höhle. Vielleicht ist er ja da. Er schlenderte hinüber, während in der Ferne weiterhin Donner grollte und Blitze den Himmel erhellten. Als er endlich im Höhleneingang stand, fielen bereits die ersten Tropfen. Das wird ne Weile dauern, bis das wieder aufhört. In der Höhle musste er nicht erst nach Nozomu fragen. Sein Shinken reagierte bereits auf seinen Freund und führte ihn tiefer in die Höhle hinein. Nozomu hatte inzwischen ein Feuer entfacht und stand nun vor der Wand, die er nachdenklich musterte. „Na, was gibt’s Tolles?“, fragte Zetsu. Nozomu zuckte zusammen und wandte sich ihm zu. „Ah, du bist es. Na ja, es gibt nichts. Ich habe nur gedacht, ich schau mir diese Höhle mal an.“ Zetsu sah sich ebenfalls die Wand an, konnte aber nichts entdecken. „Was hast du da gesehen?“ „Ich weiß nicht... vorhin sah es wie Höhlenmalerei aus, aber jetzt ist es weg.“ „Wann hast du etwas gesehen?“ Hilflos deutete Nozomu zwischen dem Feuer und der Wand hin und her. „Bevor ich das Feuer angemacht habe. Ich habe 'Reimei' als Lichtquelle benutzt – aber das hat Rehme nicht gefallen.“ Die beiden kamen im selben Moment zur selben Lösung. Sie zogen ihre Shinken und hielten sie vor die Wand. Beide Klingen glühten im Einklang. Leuchtende Runen erschienen auf der Wand. Nozomu sah sie ratlos an. „Kannst du das lesen, Zetsu?“ Der Gefragte betrachtete die Zeichen eingehend und schweigend. „Nein, nicht wirklich. Aber irgend etwas von Eternal Oath.“ „Was bedeutet das?“ Zetsu hob die Schultern. „Wenn ich das wüsste... Kümmern wir uns später darum.“ Er setzte sich hin und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Nozomu setzte sich ebenfalls. „Deine Ruhe will ich haben.“ Zetsu lachte. „Nein, das wünschst du dir nicht. Das kann ziemlich entnervend sein.“ „Ich stell es mir trotzdem äußerst beruhigend vor.“ „Vielleicht.“ Der Silberhaarige lachte. Nozomu lächelte. „He, was denkst du machen Satsuki und Leana gerade?“ Zetsu schmunzelte. „Wahrscheinlich werden sie in der Schule sitzen und sich fragen, was sie anstellen sollen.“ Zetsus Gedanke wäre auch Leana lieber gewesen. Stattdessen folgte sie Satsuki durch den eingesetzten Regen über die Ebene, um nach den beiden Eternal zu suchen. Die Schülersprecherin summte fröhlich vor sich hin, der Niederschlag schien sie gar nicht zu stören. „Na ja, sie hat ja auch blaues Mana“, erinnerte Isolde. Ihre gute Laune geht mir trotzdem auf die Nerven, erwiderte Leana. Aber natürlich sagte sie das nicht laut, auf einen Streit hatte sie auch keine Lust. Auf einmal lief Satsuki langsamer, auch das Summen stellte sie ein. Lächelnd lief sie neben Leana her, der das ganze Verhalten langsam unheimlich wurde. "Sag mal, Lea, du-" "Leana!", erwiderte sie genervt. "Hör auf, mich Lea zu nennen!" Satsuki rollte mit den Augen. "Schon gut. Sag mal, Leana, du und Zetsu, ihr seid doch ein Paar, oder?" "Was geht dich das an?" "Also seid ihr eines." Warum fragt sie mich das?, fragte Leana sich. Sie weiß es doch. Nachdenklich legte Satsuki sich einen Finger an die Lippen. "Aber ich habe nie gesehen, dass ihr euch wie ein Paar verhaltet." Leana musste sich zurückhalten, sie nicht im nächsten Moment anzufahren, sie schwieg lieber. Wie verhält sich ein Paar denn? "Stattdessen hast du ihn sogar mal verlassen", fuhr die Schülersprecherin fort. "Liebst du ihn denn wirklich?" Leana überlegte, was sie antworten sollte. Es war ihr zuwider, mit Satsuki über dieses Thema zu sprechen. Eigentlich wollte sie mit niemanden darüber reden. Es war eine Sache, die nur sie und Zetsu anging. Warum mischten sich andere Leute darin ein? Während sie noch über eine Antwort nachdachte, erschien plötzlich Cheiron neben Satsuki, die sofort stehenblieb. Leana zuckte zusammen, als sie ebenfalls innehielt. Der Zentaur ragte bedrohlich neben den Frauen auf. In diesem Moment konnte Leana kaum glauben, dass das Shinjuu tatsächlich Kaffee kochte – und gerüchteweise auch Satsukis Wäsche wusch. „Was gibt es, Cheiron?“, fragte Satsuki. „Es sind Minion Corps Leader in der Nähe.“ Isolde erschien bei dieser Nachricht ebenfalls. „Wie viele? Ich spüre keine.“ Cheiron lachte. Das Lachen war von einem metallischen Laut begleitet, genau wie seine normale Stimme, als ob er aus dem Inneren einer metallenen Apparatur heraus sprechen würde „Vertrau mir. Es sind drei. Die Düstere, die Ruhige und die Unscheinbare.“ Leana hob fragend eine Augenbraue. Satsuki lachte. „Er meint Sable, Azzurre und Yuina.“ „Oh...“ Die Anführerin der Rosenritter verzog ihr Gesicht, als sie an die Anführerin der Black Minion Corps dachte. Letztes Mal, als sie Sable getroffen hatten, hatte sie mit Zetsu geflirtet und das gefiel Leana gar nicht. „Was wollen sie?“ „Wenn ich das wüsste“, meinte Cheiron. „Wir können es euch sagen.“ Die drei Anführerinnen erschienen mit jeweils einem Dutzend ihrer Lakaien plötzlich um sie herum. Satsuki, Leana und ihre Shinjuu gingen in Abwehrhaltung. Sable stemmte einen Arm in ihre Hüfte. „Sieh an, sieh an. Noch einfacher konnte man es uns nicht machen, oder?“ „Was wollt ihr?“, fragte Leana noch einmal. „Wir wollen sie.“ Yuina deutete auf Satsuki. „Wir hatten bereits befürchtet, wir müssten eure Schule stürmen. Aber jetzt lauft ihr hier im Regen herum und wartet nur darauf, dass wir sie einsammeln, das ist so nett von euch.“ „Was wollt ihr von mir?“, fragte Satsuki. Die anderen beiden Anführerinnen sahen zu Azzurre. Diese strich ihr Haar zurück. „Mhm, du erinnerst dich bestimmt an deine erste Begegnung mit Baila...“ Die Schülersprecherin musste nicht lange nachdenken. Zu gut war ihr noch dieses unerträgliche Gefühl von Hass und Verachtung in Erinnerung. Azzurre lächelte, als sie Satsukis Gedanken erahnte. „Ich wusste es doch. So etwas vergisst man nicht einfach, nicht wahr?“ Leana zog ihr Shinken. „Kommt ihr zu nahe und wir werden euch zeigen, was Schmerzen sind.“ Satsuki tat es ihr nach. Das Schild an ihrem Arm leuchtete auf. „Genau! Wenn ihr mich haben wollt, müsst ihr mich schon holen.“ Sable zeigte den Anflug eines Lächelns. „Ich hatte schon befürchtet, ihr würdet es uns zu einfach machen. Dann lasst uns spielen.“ Nozomu fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Satsuki würde ihn nach seiner Rückkehr in die Akademie bestimmt wieder mit Pflegebalsam eindecken. Manchmal war es nicht leicht, eine Freundin zu haben. Da fiel ihm ein, dass er Zetsu noch etwas fragen wollte. „Sag mal... Zetsu...“ Der Silberhaarige wandte den Blick von der Flamme ab. „Mhm? Was ist los?“ „Da gibt es etwas, was mich interessiert. Liebst du Leana wirklich?“ Zetsu sah ihn amüsiert an. „Warum fragst du mich so etwas? Liebst du mich etwa?“ Er lachte, als er in Nozomus genervtes Gesicht sah. „Ich meine es ernst, Zetsu.“ Der Silberhaarige wurde schlagartig wieder ernst. „Ich auch. Warum fragst du mich so etwas?“ „Na ja, ich finde, ihr wirkt nicht so... also wie ein verliebtes Paar. Und ihr habt auch noch nie so gewirkt.“ „Du und Senpai auch nicht“, erwiderte Zetsu. Nozomu stöhnte genervt auf. „Du weißt, was ich meine.“ „Ja, ich weiß. Aber was erwartest du als Antwort?“ Der Angesprochene zuckte mit den Schultern. „Irgend etwas. Ein Ja oder ein Nein oder sonst etwas.“ Zetsu schwieg lange nach diesem Satz und sah wieder ins Feuer. Die tanzenden Flammen spiegelten sich in seinen Augen, verdrängten alles Kühle und Blaue daraus. „Eigentlich muss ich darüber nicht nachdenken“, sagte er schließlich. „Natürlich weiß ich nicht, wie sich diese wahre Liebe anfühlt, aber ich liebe Leana wirklich. Sie erfüllt mich... mit einem guten Gefühl, auch wenn ich manchmal genervt von ihr bin und Probleme habe, sie zu verstehen.“ Nozomu seufzte lächelnd. „So geht es mir auch mit Satsuki.“ Zetsu lachte leise. „Na siehst du? Wir sind uns gar nicht so unähnlich.“ Der Braunhaarige nickte. Rehme und Nanashi erschienen gleichzeitig bei ihnen. „Seid ihr jetzt fertig?“, fragte das blonde Shinjuu genervt. „Warum bist du heute so genervt?“, stellte Nozomu die Gegenfrage. „Weil Männergespräche langweilig sind.“ „Sind Frauengespräche auch.“ Empört pumpte sie Luft in ihre Backen, aber bevor sie zu einer Erwiderung ansetzen konnte, ergriff Nanashi das Wort: „Das hat uns nichts anzugehen, immerhin sind wir Shinjuu und keine Frauen.“ Die anderen sahen sie verwundert an. Sonst benahm sie sich auch nicht so. Ihre elegante Haltung wechselte zu einem genervten Gesichtsausdruck. „Was denn? Ist doch die Wahrheit.“ „Schon...“, stimmte Zetsu zu. „Aber es ist ein wenig ungewohnt.“ „Wenigstens wirst du endlich vernünftig“, sprach Rehme zufrieden. Nanashi wollte ihr etwas Scharfes erwidern, aber die Worte blieben in ihrem Hals stecken. Stattdessen starrte sie auf etwas hinter Nozomu, der mit dem Rücken zum Eingang stand. Er fuhr herum und sprang abrupt auf. „Cheiron!“ Der transparente Zentaur machte keine Anstalten, näherzukommen. „Es ist etwas Furchtbares passiert! Meine Herrin...!“ Er löste sich auf, bevor er den Satz beenden konnte. „Was ist passiert?“, fragte Nozomu in die leere Luft. Ein Gefühl, das einer Mischung von Panik und Ratlosigkeit glich, breitete sich in Nozomu aus. Was war mit Satsuki geschehen? Warum löste sich sogar ihr Shinjuu vor ihnen auf? Zetsu erhob sich ebenfalls. „Lass uns nachsehen gehen.“ Die beiden verließen die Höhle wieder. Der Regen hatte ein wenig nachgelassen, schaffte es aber dennoch in kürzester Zeit, sowohl Nozomu als auch Zetsu zu durchweichen. Der Silberhaarige erkannte schon von Weitem die Gestalt, die im Gras lag, nicht zuletzt wegen dem Shinjuu, das neben ihr kniete. „Leana!“ Zetsu rannte zu ihr hinüber und kniete sich hin. „Isolde, was ist los mit ihr?“ Das Shinjuu seufzte. „Satsuki wollte nach euch suchen. Dabei wurden wir von drei Minion Corps Leadern überrascht. Sie waren ungewöhnlich stark und haben Satsuki mit sich genommen.“ „Was wollen sie von Satsuki?“, fragte Nozomu alarmiert. Isolde hob die Schultern. „Azzurre sagte etwas von Baila und ihrer ersten Begegnung mit Satsuki. Mehr weiß ich auch nicht.“ „Es... tut mir Leid, Nozomu...“, sagte Leana leise. Zetsu machte sich bereit, Partei für sie zu ergreifen, aber der Braunhaarige schüttelte den Kopf. „Mach dir keine Gedanken. Du hast bestimmt alles gegeben. Wir sollten erst mal zurückgehen und mit den anderen reden. Wir müssen Satsuki retten.“ Der Silberhaarige lächelte zufrieden. Mit einem Ruck hob er Leana auf seine Arme. Nozomu fuhr herum und lief los. Und falls nötig werde ich sie allein retten! Ihr heftiger Husten weckte sie aus ihrer Ohnmacht. Automatisch riss sie ihren Arm hoch und traf dabei irgendetwas, was einen überraschten Aufschrei von sich gab. Verwirrt richtete Satsuki sich auf und warf einen Blick umher. Das schmucklos eingerichtete Zimmer in dem sich nur ein einfacher Schrank, ein Tisch und das Bett, auf dem sie saß, befanden, hatte sie noch nie zuvor gesehen. Ihr Blick fiel auf Baila, die auf dem Boden lag und sich gerade ihre Mütze richtete. Erneut spürte Satsuki diesen unerklärlichen Drang in sich, ihr Shinken zu ziehen und sie anzugreifen, aber wie bei der letzten Begegnung kämpfte sie diesen Drang nieder. „Baila... tut mir Leid, habe ich dich verletzt?“ Das Mädchen schüttelte seinen Kopf. Betont langsam richtete sie sich auf und klopfte den Schmutz von ihrer Kleidung. „Warum bist du hier?“, fragte Satsuki. „Ich... wohne hier.“ Die Erkenntnis traf die Schülersprecherin wie ein Blitzschlag. „Ich bin im Hauptquartier der Minion Corps Leader?“ Baila nickte zustimmend. „Aber warum?“ „Sie wollen mehr über dich herausfinden. Sie wollen wissen, warum du so reagiert hast. Und dann wollen sie dich benutzen...“ Satsuki schüttelte langsam mit dem Kopf. „Wofür?“ Diesmal zuckte Baila mit den Schultern. Die Schülersprecherin schluckte schwer. Wie sollte sie hier nur wieder rauskommen? Sie konnte wohl kaum einfach durch den Hauptausgang hinausmarschieren. Oder? Warum war Baila bei ihr? „Warum bist du hier bei mir?“, fragte Satsuki. Das Mädchen wippte auf ihren Ballen vor und zurück. Sie wirkte wie ein kleines Kind, das sich langweilte. „Wenn du hier bist... werden sie dich retten kommen. Ich wollte dabei sein, wenn Subaru kommt. Und bislang haben die anderen noch nicht gemerkt, dass ich hier bin.“ Satsukis Gesicht hellte sich schlagartig auf. Natürlich! Die anderen werden bestimmt kommen! Doch genauso schnell verdüsterte sich ihr Gesicht wieder. Salles wird das bestimmt nicht zulassen. Er wird bestimmt sagen, dass das viel zu riskant ist. Na ja, wie viele heldenhafte Rettungen kann man in einem Leben denn schon erwarten? Satsuki ahnte nicht im Mindesten, dass die Nachricht ihrer Entführung besonders bei Salles zu einer ungeahnten Reaktion geführt hatte. „Wir werden das Hauptquartier stürmen!“, verkündete er, als er die gesamten Shinken-Träger wieder im Büro versammelt hatte. Jatzieta lachte leise. „Wie unerwartet. Bei Satsuki kommt der Beschützerinstinkt durch, hm?“ Er ignorierte sie und konzentrierte sich lieber auf Nayas Frage: „Aber wie sollen wir das anstellen? Adina ist damals nur hineingekommen, weil wir die anderen abgelenkt haben, ~jiyaaa.“ Katima nickte zustimmend. „Außerdem werden sie wissen, dass wir Satsuki retten wollen und werden bestimmt noch mehr Vorrichtungen anbringen.“ Sogar Narukana nickte. „Noch dazu wissen wir inzwischen, dass sie Manakristalle benutzen, um ihre eigene Macht zu erhöhen. Ich gehe davon aus, dass sie diese ebenfalls im nächsten Kampf gegen uns benutzen werden.“ Thalia runzelte besorgt ihre Stirn. „Du meinst, dass sie uns bislang haben gewinnen lassen, um uns bei einer solchen Gelegenheit mit den Kristallen kalt zu erwischen?“ „So ähnlich“, bestätigte Narukana. Sorluska knurrte. „Mit solch schmutzigen Tricks kommen die mir nicht davon, die kaufe ich mir!“ Nozomi pumpte Luft in ihre Backen. „Sie können nicht einfach Senpai entführen und glauben, dass sie damit durchkommen!“ Ruputna nickte heftig zustimmend. Landis und Subaru taten es ihr nach, wenngleich weniger heftig. „Jetzt ist nur noch die Frage, wie wir hineinkommen“, meinte Zetsu. „Die werden ja wohl kaum für uns eine Fußmatte mit einem Willkommensgruß vor die Tür legen.“ Leana, die sich dank Jatzieta schnell wieder erholt hatte, legte den Kopf schräg. „Irgendwie muss es aber gehen, oder?“ „Tut es auch.“ Adina, die sich bislang im Hintergrund gehalten hatte, trat vor. „Es gibt nur eine Möglichkeit, hineinzukommen: Jemand muss die Aufmerksamkeit auf sich lenken, während die anderen in das Innere der Anlage eindringen.“ „Dann werden drei von uns reingehen und der Rest wird sie ablenken“, sagte Nozomu entschlossen. Salles nickte bestätigend. „Machen wir das. Teilen wir die Gruppen wie folgt ein...“ Kapitel 31: Ein Kampf voller Überraschungen ------------------------------------------- „Alle sind auf Position“, bestätigte Naya nur wenige Schritte von dem Schutzschild entfernt. Sorluska und Thalia standen erwartungsvoll und mit gezogenen Shinken neben ihr. Das Abbild von Salles, das durch die Shinjuu projiziert wurde, nickte zufrieden. „Sehr gut. Wir sind auch bereit. Ihr werdet alle in zwei Minuten angreifen. Verstanden?“ Die Zustimmung erklang mehrfach von verschiedenen Personen, dann stellte Naya die Projektion ab. Sie wandte sich an Sorluska und Thalia. „Ich bin gespannt, ob wir einer Anführerin oder nur Lakaien begegnen.“ „Jedenfalls sollten wir vorsichtig sein“, bemerkte Thalia mit gerunzelter Stirn. „Ich glaube auch, dass sie uns damit nur aus der Reserve locken wollen.“ „Das werden sie nicht schaffen“, erwiderte Sorluska grimmig. „Wir werden besonders vorsichtig sein.“ „Ganz neue Worte von dir, Sor“, sagte Thalia. Früher hätte er das sicherlich als sarkastische Bemerkung aufgefasst, aber er musste nur in ihr warm lächelndes Gesicht sehen, um zu erkennen, dass sie es ernst meinte. Naya lächelte ebenfalls. „Da haben sich zwei aber gesucht und gefunden.“ Thalia räusperte sich ertappt. „Konzentrieren wir uns wieder auf das, was vor uns liegt. Die Zeit dürfte gleich um sein.“ Schweigend standen die drei vor dem Schutzschild und warteten. Als Crowlance das Signal gab, hob Thalia ihr Shinken. Mit einem lauten Schrei stieß sie das Naginata in den Schutzschild. Nicht einmal der Bruchteil einer Sekunde verging, als sie plötzlich von Lakaien umzingelt waren. Es waren Wesen verschiedensten Sorte, also war kein Leader dabei. Sorluska grinste und entblößte dabei einen scharfen Eckzahn. „Dann können wir uns ja austoben, oder? Das wird sicherlich ein Spaß.“ Thalia schüttelte dagegen mit dem Kopf. „Werd nicht leichtsinnig, Sor. Da steckt bestimmt ein Trick dahinter.“ Er nickte und stellte sich in Kampfposition. „Komm schon, lass uns anfangen.“ Zetsu ließ den Blick über die Lakaien schweifen. Dabei suchte er nach etwas, aber die verschiedenfarbigen Lakaien sagten ihm bereits, dass er vergeblich suchte. „Diesmal sind keine Leader dabei“, bestätigte Nanashi, was er sich ohnehin schon gedacht hatte. Ruputna atmete auf. „Ich hatte schon Angst. Die Anführerinnen sind immer ein wenig seltsam.“ Landis nickte zustimmend. „Aber diese Lakaien sind auch nicht viel besser. Sie sind anders...“ „Solchen Lakaien sind wir auch im Zeitbaum begegnet“, sagte der Silberhaarige. „Sie sind stärker als die normalen und auch... emotionaler...“ Das letzte Wort klang mehr wie eine Frage. Offensichtlich wusste er selbst nicht, ob dies das richtige Wort dafür war. Aber ein besseres fiel ihm auch nicht ein. „Verstehe“, sagte Landis. „Wollen wir uns nun darum kümmern?“ „Ruputna leistet doch schon ganze Arbeit.“ Zetsu deutete auf das Mädchen hinüber, das sich bereits mitten ins Kampfgetümmel gestürzt hatte. Doch anders als sonst lösten sich diese Lakaien nicht direkt bei der ersten Berührung mit dem Shinken in Funken auf. Stattdessen konterten sie sogar, was Ruputna überraschte. Erschrocken kreischte sie auf und sprang zurück. Ein Lakai hinter ihr griff sie ebenfalls an. Geistesgegenwärtig duckte sie sich unter dem Schwert hinweg. Zetsu runzelte seine Stirn. „Helfen wir ihr lieber, bevor ihr etwas passiert.“ Landis nickte und begab sich an Ruputnas Seite, um ihr zu helfen. Nanashi setzte sich auf Zetsus Schulter. „Wollen wir auch, Meister?“ Er nickte, worauf das Shinjuu verschwand, dann zog er sein Shinken und folgte Landis, um Ruputna zu helfen. Nozomi fing einige der Angriffe, die von den Lakaien auf ihre Gruppe verübt worden, ab. Mit jedem Schlag spürte sie, wie es ihr schwerer fiel. Aber genauso sehr wuchs mit jedem Schlag das Bedürfnis, die anderen zu retten, um Satsuki zu helfen. Sie könnten jederzeit wegrennen, wenn sie wollten und bei Monobe Schutz suchen, aber nur wenn sie lange genug hier aushielten, würde Nozomu seine Mission erfüllen und Satsuki retten können. Auch wenn das bedeutete, dass sie ihm erneut half, ihre Konkurrentin zu retten. Andererseits war Satsuki aber auch ihre Freundin, also musste sie ihr helfen – und das tat sie am besten, indem sie hier draußen die anderen beiden Mitglieder ihrer Gruppe beschützte, die wiederum die Feinde ablenkten. „Aigears!“ Katimas düsteres Shinjuu erschien. Seine Klingen zerstörten die Lakaien mühelos, während die Shinken-Träger damit einige Probleme hatten. Auch diese Gruppe hatte bemerkt, dass die Feinde anders waren als sonst. Doch genau wie im Zeitbaum fehlte ihnen auch hier die Erklärung dafür. Jeder einzelne zerstörte Lakai löste sich erst nach einem herzzereißenden Schrei in Manafunken auf. Hätten sie das nicht schon so oft durchgemacht, wäre es ihnen um einiges schwerer gefallen. Jatzieta knurrte leise. „Wieso werden es immer mehr statt weniger?“ Ein Wolf aus Feuer schoss aus ihrer Lampe und griff die Lakaien um sie herum an, um diese auf Abstand zu halten. „Wir sind in der Nähe ihrer Quelle“, meinte Nozomi. „Natürlich sind es sehr viele.“ „Aber so viele?“, fragte Katima atemlos. „Die anderen haben doch auch welche.“ Hilflos zuckte Nozomi mit den Schultern. „Reden wir später darüber. Jetzt müssen wir uns erst einmal um diesen Kampf kümmern.“ Die anderen beiden nickten und konzentrierten sich wieder auf die Gegner. Subaru, Narukana und Adina waren die einzigen, die auf einen Leader trafen. Shani stand genervt vor der Gruppe. „Nicht schon wieder Narukana. Bleibt mir denn gar nichts erspart?“ „Na sowas“, sagte Narukana amüsiert. „Musst du nicht auf Satsuki aufpassen? Ach nein, warte! Geht ja gar nicht, sie könnte deine Zauber auflösen.“ Shani schnitt eine Grimasse, dann sah sie Adina an. „Und du Unglücksbotin lebst auch noch. Hast du nicht genug Anstand, einfach zu sterben?“ „Sorry, ich kann euch auch nicht helfen“, erwiderte diese. Zuguterletzt sah sie Subaru an. „Und du... du künstliche Existenz. Ehrlich gesagt machst du uns mehr Ärger als Murakumo und Narukana.“ „Warum?“, fragte er verwirrt. Sie seufzte. „Du Idiot. Du hast Baila berührt, als ihr Mana auslief. Dabei kam es zu einem Manaaustausch und seitdem funktioniert sie nicht mehr richtig.“ „Funktioniert?“, fragte Narukana mit verärgertem Gesicht. „Baila ist kein Mana-Golem!“ Shani rollte genervt mit den Augen. „Ja ja ja. Fangen wir endlich an!“ „Du willst verlieren?“, fragte Narukana grinsend. Die Anführerin zog ihr Shinken und stürzte sich ohne weitere Vorwarnung auf Narukana. Sie scheiterte an dem Schutzschild der Göttin, das sie schmerzhaft zurückschleuderte. Hustend richtete Shani sich auf. Geistesgegenwärtig wehrte sie mit ihrem Shinken die von Adina geworfenen Chakram ab. Narukana runzelte ihre Stirn. Shani war längst nicht mehr so stark wie bei ihrem letzten Kampf. Diesmal trug sie also keinen Kristall mit sich – und es befand sich auch keiner in der Nähe. Mit dem Mut der Verzweiflung stürzte sie sich dieses Mal auf Adina. Der blonde Eternal wich nach hinten zurück, erwiderte den Angriff dann aber sofort. Shani schrie auf. Aus einer Wunde an ihrer Schulter strömte rotes Mana. Sie fluchte. „Verdammt! Ihr nervt! Warum könnt ihr nicht einfach verschwinden!?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, setzte sie Adina wieder nach. Subaru hob den Bogen. „Mana Link!“ „Genau das habe ich gebraucht!“, sagte Narukana. „Apocaplypse!“ Das verrückte Lachen der Göttin begleitete die feurige Energiewelle, die Shani verschluckte, bis sie nur noch als schwarzer Schatten im Herzen der Flammen zu erkennen war. Adina holte mit ihren Chakram aus. „Crossing Throw!“ Die beiden goldenen Ringe flogen in einer x-förmigen Formation auf Adina zu. Anhand des gellenden Schreis zu urteilen, trafen sie sogar. Als die Waffen wieder in Adinas Hand erschienen, erstarben die Flammen. Shanis Körper war zerschunden, Mana strömte aus verschiedenen Verletzungen an ihrem Körper. Dennoch stand sie stolz und mit erhobenem Haupt vor der Gruppe. „Ihr macht mich wirklich wütend. Jetzt... wollen wir andere Seiten aufziehen.“ Sie griff in eine Tasche und zog eine rote, reich verzierte Flasche heraus. Subaru erinnerte sich an diese Flaschen. Auf ihrer Reise durch den Zeitbaum hatte die Brigade Unterstützung von Crystal Children erhalten. Mädchen, die in Kristallen lebten und kämpften, deren Welt aber vor langer Zeit untergegangen war. Im Gegensatz zu den anderen Shinken-Trägern hatte das Mana ihrer besiegten Feinde sie nicht stärker gemacht – aber die Flüssigkeit in diesen Flaschen hatte es. Shani öffnete die Flasche und trank den Inhalt in einem Zug aus. Narukana verschwendete keine Zeit mehr, während sich ihr Mana regenerierte. „Subaru, du gehst in den Angriff! Adina, Support! Falls nötig musst du dein Shinjuu rufen! Ich übernehme die Verteidigung!“ Die anderen beiden nickten, da sie bereits ahnten, was die Göttin vorhatte und wandten sich wieder Shani zu. Diese lachte leise, während ihre Wunden heilten und die roten Manafunken um sie herum erloschen. „Ihr könnt uns nicht aufhalten. Nicht uns, die Minion Corps Leader!“ Während draußen gekämpft wurde, schlichen sich Nozomu, Salles und Leana in das Innere des Schlosses, das Ciar sich als Versteck auserkoren hatte. Während der Eternal in Gedanken bei Satsuki war, warf er einen Blick zu Leana hinüber. Sie hatte das sichere Gefühl gehabt, die Verantwortlichen für die Entführung hier drinnen zu finden, deswegen hatte sie unbedingt mitgehen wollen, um sich persönlich für die Niederlage zu revanchieren. Nozomu konnte sich nicht erinnern, jemals an ihrer Seite gekämpft zu haben und er war sich nicht sichern, ob es eine gute Idee war, zwei Kämpfer mit weißem Mana in einer Gruppe zu haben, aber nun war es ohnehin zu spät und Salles schien nichts dagegen gehabt zu haben. Nozomus Blick ging zum Brigadeführer. Selten hatte er ihn so enthusiastisch gesehen wie bei dieser Mission. Lag ihm an Satsuki wirklich so viel? Satsuki hatte keine Eltern und Salles keine Familie – vielleicht stimmte es, was die Schülersprecherin einmal gesagt hatte und der Brigadeführer war eine Mischung aus großem Bruder und Vater für sie. Dass er ähnliche Gefühle für sie hegte, kam aber erstmals bei dieser Sache heraus, fand Nozomu. Er verwarf die Gedanken und konzentrierte sich auf den Weg. Wenngleich ihm schon nach wenigen Schritten etwas auffiel: „Weiß einer hier, wo wir überhaupt hinmüssen?“ Die Gruppe blieb stehen. „Ich bin Egens Schwingungen gefolgt“, gab Salles zu. Leana schnaubte. „Damit laufen wir höchstens dem Feind in die Arme. Es muss doch einen besseren Weg geben.“ Rehme erschien mit einem selbsgefälligen Lächeln im Gesicht. „Gibt es auch. Shinken führen einen zu Mana-Wesen – Satsuki ist aber ein Naru-Eternal, darauf reagieren Shinken nicht. Aber!“ „Jetzt kommt das große Aber“, spottete Nozomu. Rehme ging nicht darauf ein. „Aber Shinjuu können das sehr wohl. Besonders weil Satsuki auch ein Shinjuu hat.“ „Ich dachte, Shinken können auch andere Shinken aufspüren“, warf Nozomu ein. „Und Satsuki hat doch so eines.“ Salles schob seine Brille zurück. „Du hast tatsächlich aufgepasst. Das ist korrekt – aber es führt dich immer nur zum stärksten Shinken. Und das ist in diesem Fall...“ „Nicht Satsukis“, beendete Nozomu den Satz. „Verstanden.“ Leana seufzte leise. Ich versteh gar nichts. „Rehme, bitte bring uns zu Satsuki“, sprach Nozomu. Das Shinjuu nickte. „Folgt mir.“ Die Gruppe ging ihr hinterher. Die Atmosphäre war immer noch dunkel, kalt und ungemütlich, so wie schon bei Salles' erstem Besuch. Vermutlich würde sich daran auch erst wieder etwas ändern, wenn Ciar – oder wer auch immer – sich nicht mehr darin befand. Vor einer Tür hielt Rehme wieder inne. „Hier drin muss sie sein.“ Nozomu wollte hineinstürmen und sich selbst davon überzeugen, aber er beherrschte sich und lauschte stattdessen an der Tür. Aus dem Inneren des Raumes erklangen zwei Stimmen. Die eine gehörte Baila und die andere - „Das ist nicht Satsuki“, erwiderte Nozomu. „Das ist Cheiron.“ „Gehen wir rein“, bestimmte Salles. Nozomu betrat das Zimmer. Baila sah auf. Cheiron atmete erleichtert aus. „Nozomu! Gut, dass du da bist!“ „Wo ist Satsuki?“ „Sie wurde abgeholt“, antwortete Baila leise. Cheiron nickte zustimmend. „Drei der Minion Corps Leader waren hier und haben sie mitgenommen.“ „Wohin?“, fragte Salles mit gerunzelter Stirn. Baila erhob sich. „In den Forschungsraum wahrscheinlich. Sie wollen sie... untersuchen.“ „Und du sitzt einfach hier und machst nichts?“, fragte Leana abfällig. Das Mädchen antwortete nicht, aber Cheiron sprang bereits für sie ein: „Im Grunde ist Baila unsere Feindin. Und allein kann sie gegen die anderen Anführerinnen nichts ausrichten.“ „Warum nicht?“, erwiderte Leana. „Sie hat doch dieses... annullierende Mana-Dingens, oder? Damit könnte sie die anderen doch spielend erledigen.“ „So einfach ist das nicht“, antwortete Salles diesmal. „Aber darüber sollten wir ein andermal reden. Wir müssen Satsuki finden.“ Baila stand von ihrem Stuhl auf. „Ich werde euch hinbringen.“ „Gut, dann schnell“, sagte Salles. „Ich glaube, wir haben nicht mehr viel Zeit. Cheiron, tust du mir einen Gefallen?“ Das Shinjuu wandte sich ihm zu, verwundert, worum es gehen konnte. „Was gibt es?“ „Nun...“ Naya lehnte sich erschöpft gegen ihren Stab, während sie auf dem Boden kniete. „Ich... kann nicht mehr“, keuchte sie atemlos. Auch Sorluska und Thalia stand die Anstrengung ins Gesicht geschrieben. Doch beide hielten sich tapfer, wenngleich erschöpft, aufrecht. Crowlance zählte inzwischen mehr als zweihundert dieser starken Lakaien, die sich bereits aufgelöst hatten. Doch für jeden besiegten Gegner schienen drei nachzukommen. Woher nahmen ihre Feinde nur ihre Ressourcen? „Ich werde kämpfen, ... bis ich Manastaub bin“, brachte Thalia angestrengt hervor. „Nur noch ein wenig“, knurrte Sorluska. „Wir müssen durchhalten!“ Angestrengt richtete Naya sich wieder auf. „Du hast recht!“ Sie mussten Satsuki helfen und deswegen mussten sie durchhalten, egal was es kostete. Das Katzenmädchen schwang seinen Stab. „Crowlance, hilf mir!“ Sie stellte den Stab wieder auf den Boden. „Fireball!“ Ein glühendheißer Ball aus Flammen erschien aus dem Nichts und fegte durch die Reihen der Lakaien, die sich für einen Moment lichteten. Aber sofort kamen neue Feinde nach. „Chaos Impact!“ Unter einem der Lakaien erschien eine Hand aus dem Boden, die nach dem Feind griff, diesen herumschleuderte und schließlich wegwarf. Beim Aufprall lösten sich zwei weitere Lakaien auf. „Immer noch nicht genug“, knurrte Sorluska als mehr Wesen nachkamen. Ein blauer Lakai rannte auf Thalia zu und hob dabei sein Schwert. Thalia fing den Angriff mit ihrem Naginata ab. Statt selbst anzugreifen, ging sie in die Knie und trat dem Lakai die Beine weg. Mit einem überraschten Aufschrei fiel der blaue Lakai zu Boden, wo sie von Thalias Shinken getötet wurde. Erschöpft richtete sie sich wieder auf. „Heilung... Mana...“ Ihre Stimme war ein einziges Krächzen. Wenn wir weiterkämpfen, werden wir von unseren Shinken verschlungen, fuhr es Naya durch den Kopf. Auch die Divine Magic können wir so nicht verwenden. Aber wir können auch nicht einfach gehen. Plötzlich wurden einige der Lakaien von einer Lanze zur Seite gefegt als wären sie Abfall. „Noch ein Feind?“, fragte Sorluska schockiert. Doch schon im nächsten Moment erkannten sie den Neuankömmling: „Cheiron!“ Der Zentaur blieb vor ihnen stehen. „Salles hat gesagt, dass ihr euch zurückziehen sollt.“ „Was ist mit Satsuki?“, fragte Thalia sofort. „Salles hat gesagt, dass ihr euch zurückziehen sollt“, wiederholte Cheiron. „Und zwar sofort.“ Naya nickte. „In Ordnung, gehen wir.“ Salles wird schon seinen Grund haben. Cheiron schien zufrieden. „Ich werde das noch den anderen mitteilen.“ Er verschwand wieder. Naya deutete in die entgegengesetzte Richtung zum Schloss. „Dann auf, lasst uns verschwinden! Crowlance!“ Sie sammelte die letzten Manareserven, um ihr Shinjuu zu rufen und folgte der Schneise, die das Wesen durch die Feinde zog. Genau wie Thalia und Sorluska. Aber noch etwas verband die drei in diesem Moment: Die Sorge darum, was mit der Gruppe im Schloss geschehen sollte. Landis' grünes Schild zersplitterte. Das Katana seiner Angreiferin verletzte ihn schmerzhaft am Arm. Fauchend und mit ausgefahrenen Krallen vertrieb Eneko den schwarzen Lakai wieder, der sich heiser kichernd wieder zurückzog. Mit einer Hand auf die Verletzung gepresst, taumelte Landis zurück. Er fluchte innerlich. „Landis-chan!“ Ruputna ging zu ihm. „Alles okay?“ „Das wird gleich wieder.“ Sein Körper wurde von einem grünen Licht eingehüllt, die Wunde verschwand. Er seufzte leise. „Das war erst mal mein letztes Mana.“ Ein blauer Strahl von Nanashis Händen lichtete die Reihen der Feinde für eine Weile. Zetsu ging einige Schritte rückwärts, um ebenfalls bei ihnen zu stehen. „Mein Mana ist erst einmal aufgebraucht.“ „Was sollen wir jetzt machen?“, fragte Nanashi. Die Lakaien hatten innegehalten und sahen sie nur abwartend an. „Worauf warten sie?“, fragte Ruputna leise. „Wahrscheinlich dass wir wieder auseinandergehen“, vermutete Zetsu. Das Mädchen klammerte sich an Landis' Arm. „Ich werde Landis beschützen...“, murmelte sie leise. Doch mit einemmal wandelte sich ihr besorgtes Gesicht in einen entschlossenen Gesichtsausdruck. Sie ließ Landis los und lief wieder auf die Lakaien zu. „Ruputna!“, riefen die Zurückgebliebenen erschrocken. Mit einer unbekannten Entschlossenheit trat sie gegen jeden Lakai, der es wagte, ihr zu nahe zu kommen. Ihr Shinken leuchtete auf und zerteilte jeden Feind ohne Probleme. „Wie macht sie das?“, fragte Landis ungläubig. Kurz zuvor war ihr Shinken noch genauso machtlos gewesen wie das der anderen beiden. Zetsu verzog sein Gesicht. „Sie ist dabei, ihrem Shinken nachzugeben...“ Ruputna nutzte einen Lakai, um in die Luft zu springen. Sie vollführte einen Salto, Eis sammelte sich um ihre Beine. Die Lakaien, die von ihrem folgenden Tritt getroffen wurden, wurden geradezu zerschmettert, das absplitternde Eis verletzte auch die umstehenden Feinde. Landis schüttelte seinen Kopf. „Das darf nicht...“ Gerade als er zu ihr hinübergehen wollte, hob Zetsu den Arm vor seine Brust. „Warte.“ Ruputna hielt abrupt inne und starrte auf Cheiron, der vor ihr aufgetaucht war. „Salles sagt, dass ihr fliehen sollt. Sofort!“ Zetsu nickte. „Wenn er das sagt, wird es schon passen.“ Er senkte den Arm wieder und befahl Nanashi, einen Fluchtweg in die andere Richtung zu bahnen. Landis griff währenddessen nach Ruputnas Hand. „Lass uns gehen, Rupu.“ Sie reagierte nicht darauf, ließ sich aber problemlos mitziehen und so Zetsu folgen, der bereits wenige Schritte vorausgegangen war. Die Lakaien beobachteten den Rückzug nur kichernd und verschwanden schließlich selbst einer nach dem andern. „Gehts, Nozomin?“ Jatzieta sah besorgt zu dem Mädchen hinüber. Dieses nickte aber nur. „Alles bestens.“ Die Ärztin lächelte. Nozomi war ohne Zweifel die beste Verteidigerin und Heilerin in der Gruppe. Nicht einmal diese verstärkten Lakaien konnten an ihrem Schild kratzen und natürlich ließ sie sich ihre Erschöpfung nicht anmerken. Bei Jatzieta selbst und Katima sah es dagegen anders aus. Besonders Katimas schweres Shinken nahm ihr langsam jegliches Gefühl aus den Armen. Aber aufgeben lag ihr auch fern. Ohne signifikanten Grund erschien ein Schwall an neuen Lakaien. „Oh Mann“, seufzte Jatzieta laut. „Kann mal jemand die Quelle zum Versiegen bringen? Ist ja nicht zum Aushalten.“ „Statt zu jammern solltest du kämpfen“, erwiderte Katima, während sie erneut eine Pause einlegte. Die Abständen zwischen ihren Pausen wurden immer kürzer, die Ruhezeit dafür immer länger. Es war nur noch eine Frage der Zeit bis sie gar nicht mehr kämpfen könnte. Jatzieta ging nicht auf diese Provokation ein. Stattdessen stellte sie sich erneut in Position, um zu kämpfen – als plötzlich Cheiron erschien und die erneut angreifenden Lakaien abwehrte. „Was gibt es?“, fragte Nozomi. „Was ist mit Nozomu-chan?“ „Er ist noch beschäftigt. Salles will, dass ihr die Flucht ergreift.“ Jatzieta runzelte ihre Stirn. „Einfach so?“ Cheiron hätte mit den Schultern gezuckt, wenn er gekonnt hätte. „Okay, okay“, gab die Ärztin seufzend nach. „Verschwinden wir eben.“ Das Shinjuu verschwand zufrieden. Eines der Feuerwesen aus Jatzietas Shinken bahnte ihnen einen Fluchtweg, dem sie sofort folgten. Katima hielt plötzlich inne. Sie fuhr herum – und sah nur noch wie ein Lakai auf sie zugesprungen kam. Automatisch schloss sie die Augen und erwartete den Schmerz. Doch stattdessen hörte sie nur einen erstickten Schrei. Fragend öffnete sie ihre Augen wieder. Ein Wesen, ungefähr zweimal so groß wie ein Mensch, stand vor. Es schien vollkommen aus schwarzer Materie zu bestehen. Was war es nur? Ein neuer Feind? Nein, er schien sie sogar beschützt zu haben. Doch bevor sie tiefer darüber nachdenken konnte, wurde ihr schwarz vor Augen. Jatzieta fuhr herum. „Katima!“ Das Wesen vor ihr hob sie locker auf die Arme und lief los. Jatzieta verstand diese Geste. Sie fuhr wieder zu Nozomi herum und lief ebenfalls weiter, wobei sie schon bald von dem Schattenwesen überholt wurde. Was ist das für ein Wesen? Jatzieta schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf den Weg vor sich. Lachend stand Shani vor ihnen. „Seht es ein, es ist zwecklos.“ Sie holte mit ihrem Shinken aus und warf es auf die Gruppe. Eine durchaus ordinäre Attacke – bis die Waffe mitten in der Luft unsichtbar wurde. Narukana sah sich hektisch um, spürte aber nur noch den Schmerz in ihrem Rücken, als sie getroffen wurde. Fluchend ging die Göttin in die Knie, genau wie Subaru und Adina schon zuvor. „Uh, so stark hab ich sie aber nicht in Erinnerung“, meinte der blonde Eternal. „Aber wir können hier nicht aufgeben“, brachte Narukana mit zusammengebissenen Zähnen hervor. „Wir müssen sie... besiegen.“ Subaru bemühte sich, sich wieder aufzurichten. Er hob den Bogen. „Dimension Twist!“ Der Greif Sparth erschien vor der Gruppe und erzeugte einen Wirbelsturm, der allerdings an Shanis Schutzschild abprallte, statt ihr Energie zu entziehen. Sie lachte erneut. Ihr Gesicht verzerrte sich dabei zu einer furchteinflößenden Grimasse. Karfunkel stellte sich neben Adina. „Diese Flüssigkeit lässt sie ihren Verstand verlieren. Menschen sollten sie eigentlich nicht zu sich nehmen.“ Narukana nickte zustimmend und stand ebenfalls wieder auf. „Reincarnation!“ Ihre Shinjuu erschien und gab der Gruppe neue Kraft, bevor es Shani angriff. Die Anführerin wurde nach hinten geschleudert. Sie landete auf den Füßen und holte sofort aus. „Fireball!“ Das Juwel auf Karfunkels Stirn leuchtete hell auf. Statt von Shani ging der Zauber nun von Adina aus – die getroffene Anführerin taumelte wieder zurück. Ihr ausgestießener Schmerzenslaut klang wie der eines Tieres. Sie legte eine Hand vor ihre Augen und taumelte weiter, während sie leise vor sich hinjammerte. Sparth stand immer noch neben Subaru. Der Greif bemerkte zuerst den Neuankömmling, danach tat Subaru es ebenfalls. „Cheiron! Was ist mit Satsuki-dono?“ „Die anderen kümmern sich darum. Salles hat mir aufgetragen, euch zu sagen, dass ihr euch zurückziehen sollt. Sofort!“ „Aber wir sind hier noch nicht fertig!“, erwiderte Narukana. Cheiron deutete mit seiner Lanze zu Shani hinüber. „Ihr könnt sie heute nicht besiegen. Zieht euch zurück, los!“ „Ich stimme Cheiron zu“, unterstützte Karfunkel ihn. „Unser Mana neigt sich dem Ende zu und Shani ist heute unberechenbar.“ Seufzend gab Narukana nach. „Gut, dann gehen wir.“ Subaru half der verletzten Adina, auf Sparth aufzusteigen. Die Göttin nickte zufrieden, nachdem der Eternal auf dem Greif saß. „Gehen wir.“ Cheiron wandte sich Shani zu, während die anderen wegliefen. „Du solltest für eine Weile schlafen.“ Er hob die Hand und hüllte die jammernde Anführerin in blaue Funken ein. Als diese wieder verschwanden, fiel Shani schlafend zu Boden. Der Zentaur nickte zufrieden und verschwand ebenfalls, um zu Satsuki zurückzukehren und sich anzusehen, wie es dort weitergehen würde. Kapitel 32: Begegnung mit Meister Ciar -------------------------------------- Baila blieb stehen. „Wir sind da.“ Tatsächlich spürte Nozomu Satsukis Shinken hinter der Tür. Gemeinsam mit drei anderen Shinken. Leana schnaubte. „Das sind die drei Entführerinnen.“ Salles lächelte grimmig. „Gut, dann gehen wir rein.“ Die vier betraten den Raum. Azzurre wandte sich ihnen lächelnd zu. „Wie nett, dass ihr euch extra hierher bemüht habt. Dafür haben wir auch ein nettes Geschenk für euch.“ Sie trat einen Schritt zur Seite. „Satsuki!“ Nozomu wollte auf sie zulaufen, doch er hielt inne. „Satsuki...?“ Ihre Augen waren leer, ein Gefühl der Bedrohung ging von ihr aus. Azzurre lachte. „Das Mädchen gehört nun zu uns. Es war nicht mal schwer, sie zu manipulieren. Annullierendes Mana ist so ein fantastischer Vorteil, nicht wahr, Baila?“ Das Mädchen antwortete nicht. Sable schmunzelte. „Satsuki, töte Murakumo no Nozomu.“ Für einen Moment hoffte Nozomu, dass sie nichts tun würde, doch plötzlich hob sie ihr Shinken. „Verstanden.“ Ihre Stimme klang genauso monoton wie die von Baila. Nozomu hatte das Gefühl, Subaru tatsächlich endlich verstehen zu können. Als er Satsuki auf sich zukommen sah, zog sich seine Brust schmerzhaft zusammen. Er konnte doch nicht gegen sie kämpfen. Satsuki rauschte vor. Nozomu wich zurück und duckte sich unter ihrer Klinge weg. „Satsuki, hör auf damit!“ „Das wird dir nichts bringen“, erwiderte Yuina. „Sie ist ganz in unserer Gewalt.“ Nur widerwillig ließ Salles sein Shinken erscheinen. „Vielleicht muss es sein.“ Doch Nozomu schüttelte heftig seinen Kopf. „Nein! Es muss einen anderen Weg geben.“ Erstaunlicherweise nickte Leana. „Nozomu hat recht.“ Baila hielt sich aus der Sache raus. Mit einem entschlossenen Schrei stürzte Satsuki sich erneut auf Nozomu. Geistesgegenwärtig zog er eines seiner Shinken und fing damit ihre Klinge ab. Mit aller Macht stemmte er sich gegen sie, aber sie besaß unheimlich viel Kraft. Das war er nicht von ihr gewöhnt. „S-Satsuki... bitte...“ Sie reagierte nicht, aber der Gegendruck schien ein wenig nachzulassen. Davon angespornt, machte er weiter: „Bitte, erinnere dich an mich. Ich bin es, Nozomu!“ „No... zomu... töten!“ Sie stieß einen Schrei aus. Eine plötzliche Welle von Mana warf Nozomu einige Meter zurück. Er fing sich sofort wieder und wich einem erneuten Angriff aus. Sie setzte ihm nach, ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Salles und Leana standen unschlüssig daneben und wussten nicht, was sie tun sollten. Die drei Anführerinnen beobachteten das Geschehen mit unverhohlener Neugier. Satsuki drängte Nozomu in eine Ecke und hob erneut ihr Shinken. Er machte sich bereit, sein Shinken erneut zur Verteidigung einzusetzen und sah ihr direkt in die Augen. „Satsuki, bitte, erinnere dich. Weißt du denn nicht mehr? Du und ich, wir haben Nozomi aus der Log Domain gerettet. Und dann habe ich dich dort rausgeholt. Du hast gesagt, du liebst mich...“ Ihre Augen blieben leer, ihr Blick dunkel. „Erinnerst du dich wirklich nicht mehr?“ „Es ist zwecklos“, murmelte Sable. „Sie wird nicht mehr erwachen... oder?“ Azzurre schwieg dazu. „Satsuki, bitte! Du und ich sind gemeinsam mit den anderen unterwegs, um Rogus und Euphoria zu finden... erinnere dich. Und wenn schon nicht an mich, dann doch wenigstens an die anderen.“ Nozomus Stimme wurde eindringlicher. Sein Blick flehend. Auch wenn er es nicht oft zeigte, weil große emotionale Nähe ihm Furcht einflößte, er Angst davor hatte, in eine Abhängigkeit zu geraten. Aber er liebte Satsuki und er könnte niemals gegen sie kämpfen oder auch nur den Gedanken ertragen, sie so zu verlieren. Aber was sollte er tun, wenn sie nie erwachen würde? Satsuki zog ihr Shinken herunter. Nozomu kniff seine Augen zusammen und hob die Waffen in Abwehrbereitschaft. Doch es kam zu keinem Aufprall, stattdessen spürte er, wie jemand unter seinen Armen hindurch kam – und ihm umarmte. „Nozomu~, es tut mir Leid! Du bist gekommen, um mich zu retten!“ Erleichtert atmete er auf. „Satsuki... Satsuki...“ Azzurre lächelte zufrieden und legte eine Hand an ihr Kinn. „Wie ich es mir dachte.“ Überrascht sahen die anderen sie an, worauf sie fortfuhr: „Emotionen und Erinnerungen sind stärker als unsere Behandlung.“ Salles hob eine Augenbraue. „Was bedeutet das?“ Azzurre warf ihre Haar zurück. „Wir hatten nie vor, Satsuki als Waffe zu gebrauchen. Ich wollte nur herausfinden, warum Baila nicht mehr funktioniert und dieses Mädchen war unsere beste Wahl.“ „Ihr habt sie also nur benutzt?“, fragte Salles. Azzurre schmunzelte. „Aber natürlich. War auch gar nicht schwer. Weder sie noch diese andere haben einen großartigen Kampf abgeliefert.“ „Was!?“, fauchte Leana. Sie zog ihr Shinken und stellte sich in Kampfposition. Sable schmunzelte nun ebenfalls. „Awww, ist Gyoutens kleine Freundin nun sauer?“ „Nicht nur sie!“ Nozomu und Salles stellten sich ebenfalls in Kampfposition. „Ihr könnt nicht einfach Satsuki entführen und glauben, dass ihr damit durchkommt!“, rief Nozomu. „Fein, dann fangen wir an.“ Die Anführerinnen ließen ihre Shinken erscheinen, Satsuki und Baila stellten sich ein wenig abseits. Baila, weil sie ohnehin nicht mitkämpfen wollte und Satsuki, weil sie jegliches Gefühl in den Armen verloren hatte. „Sie werden es nicht schaffen, Nozomu zu besiegen“, bemerkte die Schülersprecherin. „Besonders nicht, wenn er sauer ist.“ Nozomu sprang auf Yuina zu. „Crossing Dividers!“ Sie wehrte den Angriff seiner gekreuzten Klingen ab, dabei zerbrach allerdings ihr Schild. Salles nutzte die Chance und zog einen Wirbelsturm aus seinem Shinken. „Page: Hurricane!“ Bevor Yuina von dem Angriff erwischt wurde, ging Sable dazwischen. Mit ihrem Katana schleuderte sie den Angriff zurück. Salles baute ein eigenes Schild auf, an dem die Attacke abprallte. Leana ging in die Offensive. Ihre Klinge schabte an der von Sable entlang. Die Black Minion Corps Leader lachte. „Ist das alles?“ „Na warte!“ Die Anführerin der Rosenritter holte aus. Ihr Shinken glühte hell und warf Sable einige Meter zurück. Leana setzte ihr nach, um erneut anzugreifen. Die Corps Leader fing den Angriff erneut ab, rechnete aber nicht damit, von einer Faust getroffen zu werden -weswegen Leanas Faustschlag umso überraschender für sie kam. Sie stolperte zurück und fiel hin. Leana hielt der Gefallenen ihr Schwert an den Hals. „Sieht aus als hättest du verloren.“ Azzurre zog ihr Schwert und wollte Leana angreifen, doch diesmal ging Salles dazwischen. Ein erneuter Wirbelsturm von ihm, fegte die Angreiferin zurück. Nozomu holte derweil aus. Mit einem heftigen Tritt beförderte er Yuina an die nächste Wand, wo sie stöhnend liegenblieb. Er wandte sich genau wie Salles nun der blauen Anführerin zu, die immer noch aufrecht stand. „Gar nicht schlecht“, sagte sie anerkennend. „Eure Emotionen verleihen euch anscheinend außerordentlich viel Macht. Menschen, sie sind faszinierend.“ Sie wirkte wie eine Wissenschaftlerin, die gerade interessiert ihr Experiment begutachtete. „Seid ihr nicht auch Menschen?“, fragte Salles. „Wisst ihr, was Baila ist? Dasselbe sind wir auch – nur dass wir anderes Mana in uns tragen.“ „Wer hat euch erschaffen?“ Sie lachte. „Denkst du, das wissen wir heute noch? Wir sind so alt... das kannst du dir gar nicht vorstellen. Auch nicht, wenn du einer dieser Götter warst.“ Nozomu schmunzelte. „Dafür seid ihr aber nicht sonderlich kampferprobt.“ „Warum auch? Wir haben die Lakaien, die für uns kämpfen.“ „Leana, du behältst Sable und Yuina im Auge“, bat Nozomu. „Wir kümmern uns um Azzurre.“ „Geht klar.“ Nozomu steckte seine Schwerter zusammen. Salles verstand den Wink. Der Brigadeführer zog ein grünes Objekt aus seinem Buch. „Page: Vacuum!“ Er schleuderte das Objekt auf Azzurre. Die Anführerin ließ sich nicht beirren und schleuderte es mit ihrem Shinken von sich. „Namebreaker!“ Nozomu sprang auf Azzurre zu. Sie ging in die Knie, als sein Shinken auf ihres traf – aber ansonsten schien ihr der Angriff nichts auszumachen. Sie ist stärker als ich dachte. „Nicht aufgeben, Nozomu! Du kannst das!“ Er sprang zurück, um wieder Abstand zwischen sie zu bringen. Diesen gleichte Azzurre aber sofort wieder aus, um selbst anzugreifen. Er wehrte ihr Schwert aus dem Handgelenk ab und setzte zum Gegenangriff an, dem sie sich mit aller Macht widersetzte. Er dachte wieder daran zurück, dass sie seine Satsuki entführt hatte. Sein Shinken begann in einem hellen Licht zu glühen. Mit einem heftigen Ruck stieß er Azzurre von sich, sprang aber sofort hinterher. Mit schnellen Schwertstreichen schlug Nozomu auf sie ein. Es fiel ihr immer schwerer, ihn abzuwehren – bis sie schließlich tatsächlich in die Knie ging. Direkt vor ihr blieb Nozomu stehen. Das Glühen seines Shinken erlosch sofort. „Ich glaube, wir haben gewonnen“, sagte er siegessicher. „Glauben heißt nicht wissen.“ Die unbekannte Stimme erklang geradezu aus dem Nichts. Nozomu sah sich um. „Wer ist da?“ Aus den Schatten erschien eine in einen Mantel gehüllte Gestalt mit einer Maske. „Meister Ciar!“, rief Azzurre erleichtert. Salles runzelte seine Stirn. „Geht, Leader. Lasst uns allein.“ Die drei Anführerinnen sprangen auf und liefen hastig davon. Lediglich Baila blieb zurück. Ciar lachte leise. „Du weigerst dich also, Baila. Gut. Und du bist Murakumo no Nozomu, wie es mich freut, dich endlich persönlich anzutreffen.“ Er wandte sein Gesicht Nozomu zu. Die Maske verbarg jeden Gesichtsausdruck. Der Eternal hatte das Gefühl, genau gemustert zu werden, von etwas, das nicht menschlich war. Ciar trat auf ihn zu. „Aber ich habe nicht gedacht, dass du ein kleiner Junge bist. Wie enttäuschend.“ Plötzlich packte er Nozomu am Hals und hob ihn mit Leichtigkeit über den Boden. Der Junge keuchte und schnappte nach Luft. Verzweifelt suchte er mit seinen Füßen nach festem Grund. Sein Shinken war inzwischen vergessen, stattdessen versuchte er mit seinen Händen den Griff um seinen Hals zu lösen. „Nozomu!“ Leana preschte vor und zog dabei ihr Shinken hoch. Mit einem gezielten Schlag trennte sie Ciars Arm von seinem Körper. Doch der Arm fiel nicht leblos zu Boden, genausowenig wie es eine Blut- oder Manafontäne gab. „Was zum...?“ Die Anwesenden starrten den Arm, der immer noch Nozomu würgte, überrascht an. „Wie kann das sein?“, fragte Salles. Plötzlich holte der Arm aus und warf Nozomu schmerzhaft gegen die nächste Wand. „Nozomu!“ Satsuki huschte zu ihm hinüber und kniete sich hin. „Nozomu!“ Stöhnend richtete er sich auf. „Alles in Ordnung, Nozomu?“ „Geht schon.“ Der nun nutzlos gewordene Arm zerfiel zu Staub, dafür wuchs Ciar ein neuer. „Er ist kein Mensch“, stellte Salles überflüssigerweise fest. „Was immer er ist, wir sollten fliehen.“ Leana nickte zustimmend. Satsuki stützte Nozomu, um ihn zum Ausgang zu bringen. Ciar lachte. Es schien von überall zu kommen, nicht nur von der Gestalt im Mantel. „Ihr wollt weglaufen? Denkt ihr, das lasse ich zu?“ Ein schwarzer Stab erschien in seiner Hand. „Ihr werdet hier nicht lebend herauskommen!“ Schwarzes Mana schoss aus der Spitze auf Nozomu zu. Satsuki baute ein Schild auf, an dem der Angriff abprallte. „Du wirst Nozomu nicht töten!“ „Was sollen wir tun, Salles?“, fragte Leana. Der Gelehrte runzelte seine Stirn. Bevor er irgendetwas sagen konnte, trat Baila vor. „Ich kümmere mich darum. Ihr solltet weglaufen.“ „Bist du sicher?“, fragte Salles. Leana begab sich bereits in Richtung des Ausgangs. Baila nickte. „Ganz sicher. Aber könnt ihr Subaru etwas ausrichten?“ „Natürlich.“ Sie lächelte leicht. „Sagt ihm Danke.“ Salles nickte. „Das werde ich. Sei vorsichtig.“ Er folgte Leana, Nozomu und Satsuki, die bereits vorausgelaufen waren, hinaus. Baila wandte sich Ciar zu. Er lachte wieder. „Du willst wirklich gegen mich antreten? Das wirst du noch bereuen – und das weißt du.“ Ohne weitere Probleme gelangten die Nachzügler wieder in der Monobe-Akademie an, als es bereits dunkel war. Die Schülersprecherin wurde sofort begeistert von den anderen Schülern empfangen. Abgesehen von Leana steuerten sie die Krankenstation an, wo sich neben Jatzieta und einer ohnmächtigen Katima auch ein blonder Mann befand, den Nozomu noch nie zuvor gesehen hatte. „Wer seid Ihr?“, fragte Salles. Der Mann stand auf und verbeugte sich. „Mein Name ist Cynard Asturions.“ Der Brigadeführer schmunzelte leicht, als er den Namen hörte. Das war also Katimas Freund, von dem Naya, Rehme und Nanashi erzählt hatten. „Ein Verwandter des Königs?“, hakte Salles nach. Cynard nickte. „Und einer seiner Ritter.“ Jatzieta räusperte sich. „Cynards Shinjuu hat Katima gerettet.“ „Ich verstehe. Darf ich vielleicht unter vier Augen mit Euch reden, Sir Cynard?“ Der blonde Mann nickte. „Selbstverständlich.“ Gemeinsam verließen die beiden die Krankenstation. „Wie sieht es mit dir aus, Nozomu?“, fragte Jatzieta. „Bist du verletzt?“ „Ein wenig.“ Mit Satsukis Hilfe legte er sich auf eines der Betten und ließ sich auch zudecken. Danach legte sie sich ohne zu zögern neben ihn und schlang ihre Arme um ihn. „Ich bleibe bei dir, bis es dir besser geht.“ Nozomu schmunzelte. „In Ordnung. Danke, Satsuki.“ Jatzieta kicherte. „Owww, wie süß.“ Satsuki ignorierte das und kuschelte sich enger an Nozomu, worauf er zu lächeln begann. Beide schlossen die Augen, um zu schlafen und sich nach den Strapazen richtig auszuruhen. Die Ärztin lächelte und löschte das Licht auf der Krankenstation, um im Licht ihres Shinken weiterzuarbeiten. Kapitel 33: Atempause --------------------- Die Anführerinnen hatten sich schnell von dem Angriff wieder erholt und standen versammelt im Thronsaal. Weder Ciar noch Baila waren anwesend, beide befanden sich im Hinterzimmer aus dem ein seltsames Geräusch zu hören war. Die verbliebenen Fünf sahen sich an. Keine von ihnen wollte mit Baila tauschen. Annullierendes Mana in sich zu tragen war mit Sicherheit nicht leicht. Dennoch... sie war selbst Schuld. Sie und dieser Subaru. „Wir müssen ihn töten“, sagte Azzurre. „Wenn er weg ist, wird es Baila besser gehen.“ Die anderen nickten. Shani gähnte. „Also konzentrieren wir uns auf ihn beim nächsten Angriff. Wie lange müssen wir darauf warten?“ Azzurre wollte gerade antworten, als Ciar und Baila ebenfalls den Saal betraten. Die roten Augen des Mädchens waren leer, genau wie vor der Ankunft von Subaru. „Ihr werdet sofort gehen“, bestimmte ihr Meister. „Und nehmt Baila mit.“ „Ist das nicht gefährlich?“, fragte Yuina. Er schüttelte mit dem Kopf. „Keine Sorge, sie wird es schon schaffen. Ihr müsst nur ein wenig auf sie aufpassen und sie nicht in die Nähe von diesem Jungen lassen.“ Subarus Name verschwieg er absichtlich, damit Baila nicht darauf reagieren würde. Sable nickte. „In Ordnung. Das sollte nicht so schwer werden.“ Shanis Augen leuchteten plötzlich. „Oh, das bedeutet, dass wir dieses Shinjuu angreifen dürfen! Dieses Riesige auf dem die Schule steht!“ Ciar nickte zustimmend. „Ganz genau. Und haltet euch nicht zurück, ein paar Tote mehr oder weniger sind nicht weiter wichtig.“ „Jawohl!“, riefen alle vier einstimmig. Cynard betrachtete interessiert den Computer, der im Büro des Direktors stand. Salles schmunzelte leicht, während er ihn beobachtete. Schließlich schien er aber genug gesehen zu haben, denn er setzte sich. „Worüber wollt Ihr mit mir reden?“ „Ich sollte mich erst einmal vorstellen. Mein Name ist Salles Cworcs, ich bin der Führer der Brigade.“ Genau wie die Namen der anderen Shinken-Träger, sagte auch dieser Cynard etwas. Aber diesmal weitaus positiver als bei einigen anderen. „Ah! Katima hat mir von Euch erzählt. Sie bewundert Eure Intelligenz sehr.“ Salles lächelte geschmeichelt. „Nun, kommen wir zu dem, worüber ich mit Euch sprechen wollte: Ihr besitzt also ein Shinken und ein Shinjuu...“ „Ich verstehe davon nichts“, seufzte Cynard. „Ist mein Schwert ein Shinken?“ Salles schüttelte mit dem Kopf. Er deutete auf die goldene Taschenuhr, die deutlich sichtbar an dem Mantel des Ritters befestigt war. „Woher habt Ihr diese Uhr bekommen?“ Nachdenklich sah Cynard darauf hinunter. „Das ist ein altes Familienerbstück. Es wird von Generation zu Generation weitergegeben. Als ich die Uhr bekommen habe, erschien auch dieses Schattenwesen...“ Er war kaum mit dem Satz fertig, da erschien das Wesen ebenfalls im Raum. Es sagte nichts, aber es war eindeutig ein Shinjuu – und noch eindeutiger das, das Katima die letzten Wochen beobachtet hatte. Salles lächelte. „Die Uhr ist offensichtlich ein Shinken und das Wesen ein Shinjuu.“ Cynards Augen weiteten sich überrascht. „Ist das so? Darum also...“ „Verzeihung?“ Der Ritter erzählte Salles dieselbe Geschichte, die er auch schon Katima erzählt hatte und wegen der er im Palast verpönt war. Die Brigadeführer nickte verstehend. „Darf ich Euer Shinken mal sehen?“ Bedenkenlos reichte er ihm die Uhr. Salles spürte deutlich das Mana, das den Gegenstand umgab und ihm den Namen verriet. „Kanshinin, Rang Fünf.“ „Rang?“, fragte Cynard. Der Brigadeführer schmunzelte, während er dem Mann erklärte, dass es insgesamt neun Ränge gab, je niedriger die Zahl des Ranges desto stärker die Waffe. Er fühlte sich fast wie bei einem Schüler, der älter war als alle anderen, die er bislang unterrichtet hatte. Aber der Ritter war auch um einiges aufmerksamer als alle anderen bisherigen Schüler. „Ich verstehe“, sagte Cynard schließlich. „Aber es gibt eines, was ich nicht verstehe. Wie soll ich damit kämpfen?“ Salles reichte ihm die Uhr zurück. „Das kommt von alleine. Genau wie die Herrschaft über dein Shinjuu. So etwas ist instinktiv. Dass es Euch bereits vor den Lakaien geschützt hat, ist ein Zeichen dafür, dass es Euch gehorcht. Allerdings denke ich, dass Ihr es ohnehin bald nicht mehr brauchen werdet.“ „Warum?“ Salles neigte den Kopf. „Wir werden die Lakaien und ihre Anführer in dieser Welt vernichten – und dann dafür sorgen, dass so etwas nicht noch einmal passiert, bevor wir diese Welt verlassen.“ Cynards Gesicht verfinsterte sich. „Oh, natürlich, ihr werdet bald wieder gehen...“ „Na ja... bald ist weit hergeholt“, erwiderte Salles. „Warum?“ „Ach, nichts weiter.“ Der Brigadeführer nickte. „Gut, Ihr könnt nun gehen, wenn Ihr wollt.“ Cynard nickte. Er verabschiedete sich von Salles und ging hinaus. Sein Weg führte ihn direkt zur Krankenstation zurück, die er in Dunkelheit getaucht vorfand. „Ähm, störe ich?“, fragte er leise. Jatzieta schüttelte lächelnd ihren Kopf und winkte ihn zu sich. Arglos setzte er sich zu ihr. „Worüber hat Salles mit dir gesprochen? Lass mich raten – er hat dir erklärt, was es mit den Shinken und den Shinjuu auf sich hat und jetzt bist du verwirrt.“ Er war es bereits gewohnt, dass Jatzieta ihn duzte und es störte ihn auch nicht. Besonders, da sie darauf bestand, ebenfalls geduzt zu werden. „Erklärt, ja, verwirrt, nein.“ Anerkennend hob sie die Augenbrauen. „Mhm, dann bist du nicht nur hübsch, sondern hast auch noch Köpfchen. Katima hat wirklich Glück.“ Sein Gesicht verfinsterte sich wieder. Jatzieta sah ihn mitleidig an. „Oh, stimmt ja. Unsere kleine Königin wird nie hierbleiben, immerhin hat sie noch ihr Reich.“ Er nickte zustimmend. „Das ist mir bewusst.“ Es war ihm sogar geradezu schmerzhaft bewusst, weswegen er sich seine Gefühle bislang noch nicht hatte eingestehen wollen. Aber sie waren nun einmal ein unumstößlicher Fakt. Jatzieta runzelte ihre Stirn. „Du willst unserer Königin wirklich nicht sagen, was du für sie empfindest?“ „Wäre das denn eine gute Idee?“, stellte er die Gegenfrage. Sie lächelte wieder. „Weißt du, was man immer so schön sagt? Von allen Worten, die es gibt, sind die Traurigsten Was wäre gewesen. Verstehst du, was ich dir damit sagen will?“ Er lachte leise, bevor er nickte. „Ja, ich verstehe. Danke, Jatzieta.“ „Oh, nichts zu danken. Versprich einfach, immer lieb zu unserer Katima zu sein. So, jetzt solltest du aber mal schauen, dass du dich auch zum Schlafen hinlegst. Das Bett neben unserer Königin ist sogar noch frei. Sollte sie aufwachen, werde ich dich wecken.“ Er nickte und legte sich auf das angegebene Bett. Jatzieta grinste. Oh ja, unsere Königin kann sich glücklich schätzen. Ruputna streckte sich, als sie auf ihrem Futon lag. „Ah, das ist so bequem...“ Landis lag neben ihr und sah sie immerzu an. Als sie seinen Blick bemerkte, erwiderte sie ihn. „Was ist los, Landis-chan?“ „So was wie heute darfst du nicht mehr machen, Rupu.“ „Aber ich musste dich doch beschützen!“ Sie kuschelte sich an ihn. „Ich kann nicht zulassen, dass dir etwas passiert.“ „Aber ich will auch nicht, dass dir etwas geschieht, besonders nicht wegen mir. Das könnte ich mir nie verzeihen.“ Liebevoll strich er ihr durch das Haar, was sie beinahe schon schnurrend zur Kenntnis nahm. „Wir passen einfach gegenseitig auf uns auf, ja?“ Er nickte zustimmend. „So wie wir es uns versprochen haben.“ Sie kicherte. „Und irgendwann kriegen wir viele kleine Babys~“ Schlagartig wurde er rot. „Äh, ja~ Irgendwann.“ Wenn es nach ihm ging, konnte man damit ruhig noch ein wenig warten. „Also tun wir unser Bestes“, murmelte sie noch, bevor sie endgültig einschlief. Lächelnd sah er auf sie hinunter. Niemals würde er zulassen, dass seiner Ruputna etwas geschah, selbst wenn es ihn das Leben kosten sollte, wie kitschig das auch klang. Zetsu lachte. „Du hast ihr wirklich nen Fausthieb verpasst?“ Leana nickte. „Ooooh ja. Und du glaubst gar nicht, wie gut das getan hat. Und wenn sie dir nochmal schöne Augen macht-“ „Du glaubst, sie macht mir schöne Augen?“, fragte er überrascht. „Dann hast du sie wegen mir geschlagen?“ „Öhm, ja, auch“, gab sie leicht rot geworden zu. Er lächelte. „Das ist so romantisch~“ Sie erwiderte das Lächeln und rutschte näher zu ihm. „Kriege ich jetzt auch eine Belohnung dafür?“ „Aber natürlich.“ Zetsu legte seine Arme um ihren Körper und küsste sie, was sie sofort erwiderte. Isolde erschien grinsend. „Na, wenn das mal keine gute Belohnung ist.“ Die beiden unterbrachen den Kuss wieder und sahen sie böse an. Sie schnitt eine Grimasse. „Ups! Ich störe wohl.“ Nanashi erschien auf Isoldes Schulter. „Bei Meister und Leana stört man doch immer.“ „Ein wahres Wort.“ Zetsu seufzte. „Bei euch beiden hat man auch nie Ruhe.“ Schweigend legte Leana sich hin und deckte sich zu. „Ist sie sauer?“, fragte Nanashi. „Glaube ich kaum“, antwortete Isolde. „Wie auch immer“, erwiderte Zetsu. Er legte sich ebenfalls hin. „Gute Nacht.“ „Bist du jetzt satt?“, fragte Thalia. Rülpsend schob Sorluska den Teller von sich. „Jap. Mhm, das war lecker.“ Sie lächelte. „Freut mich, dass es dir geschmeckt hat. Dann bist du ja bald für den nächsten Kampf bereit. Auch wenn ich hoffe, dass der nicht so bald kommt.“ Seufzend fuhr sie sich durchs Haar. „Wir sollten darüber nachdenken, uns mal zur Ruhe zu setzen.“ „Dann wärst du aber von Salles getrennt“, erwiderte er lauernd. Für einen Moment schien sie zu überlegen, aber dann zuckte sie mit den Schultern. „Egal. Solange ich bei dir bin, ist das schon okay.“ Er lächelte zufrieden. „Tja, aber so schnell werde ich mich nicht zur Ruhe setzen. Du kennst mich doch.“ Sie nickte lachend. „Ja, das stimmt. Und wenn es nach dir ginge, könnten die nächsten Feinde gleich auf der Matte stehen, nicht?“ Er bleckte seine Zähne. „Klar doch. Wenn die ne Abreibung haben wollen, können sie die von mir auch haben.“ Thalia unterließ es, ihn daran zu erinnern, dass er bislang auch keinen Anführer dauerhaft besiegt hatte. Warum sollte sie seine gute Laune zerstören? Plötzlich flog die Tür zum Speisesaal auf. Ein braunhaariger Schüler kam panisch herein. „Sor-nii!“ Die beiden drehten sich zu ihm. „Shinsuke, was ist los?“ Shinsuke Mori kam auf die beiden zu. „Sor-nii, wir werden angegriffen?“ Die Shinken-Träger fuhren hoch. „WAS!?“ Der Schüler deutete in eine unbestimmte Richtung. „Misato und ich haben sie gesehen! Sie kommen auf die Schule zu! Es sind unendlich viele! Misato hat es schon Sanae-san gesagt, die es Salles-sama erzählt.“ Thalia schmunzelte. Ganz schön lange Kommunikationswege. „Dann gehen wir auch zu ihm!“, rief Sorluska sofort. Sie nickte zustimmend und lief bereits voraus. Er wandte sich wieder an Shinsuke. „Gut, dass du uns Bescheid gesagt hast. Ruft die Schüler zusammen, sie sollen in die Sporthalle, damit ihnen nichts passiert.“ Der Schüler nickte heftig. „In Ordnung, mach ich!“ Gemeinsam verließen die beiden den Saal. Shinsuke hetzte sofort los, um die anderen Schüler zu suchen, Sorluska dagegen schmunzelte. Woohoo! Action! Ich hoffe nur, die anderen sind fit. Kapitel 34: Gegenschlag ----------------------- „Es tut mir Leid, dass ich euch alle wieder wecken musste“, sagte Salles, als die Gruppe versammelt im Büro stand. „Aber wie ihr mitbekommen habt, wird Monobe angegriffen. Augenblicklich sind wir noch geschützt, aber es wird nicht mehr lange dauern, bis sie hier oben angekommen sind.“ Die Spannung, die in der Luft lag, war von allen deutlich zu spüren, weswegen keiner von ihnen sich auch nur im Geringsten beschwerte. Besonders Nozomi, die über Monobe mitbekam, was gerade geschah, sah den Brigadeführer entschlossen an. „Wie sollen wir vorgehen?“, fragte Jatzieta angespannt. Salles schloss die Augen. Er hatte sich bereits überlegt, wer in welche Gruppe gehen sollte. Nun kam es nur noch darauf an, dass drei der Beteiligten mit seinem Plan einverstanden waren. „Satsuki, Narukana, Rehme, für diesen Kampf werden wir 'Murakumo' brauchen. Nozomu, glaubst du, du bist fit genug dafür?“ Die Angesprochenen nickten. „Natürlich.“ Eigentlich fühlte Nozomu sich ganz und gar nicht in der Verfassung dafür, auch wenn er ein Eternal war, aber er hatte keine andere Wahl. Solange es immer noch Mana gab, würde er das auch hinkriegen. Salles atmete hörbar auf. Er hatte befürchtet, dass die Frauen und das Shinjuu damit nicht einverstanden wären. „Nozomu, Adina und ich bilden also eine Gruppe.“ Adina nickte ebenfalls, schwieg aber. „Naya, Thalia und Sorluska, ihr werdet ebenfalls wieder zusammenarbeiten.“ Wie sagt man in Nozomus Welt so schön? Never change a winning team, also belasse ich es auch dabei. „Verstanden“, kam es einstimmig von den Angesprochenen. „Jatzieta, du gehst mit Zetsu und Leana.“ Zetsu und Leana gehen ohnehin immer zusammen und sind erfolgreich, also warum sollte ich daran etwas ändern? Die beiden letzteren schienen nicht sehr angetan, widersprachen aber auch nicht, so dass Salles fortfahren konnte: „Subaru, du gehst mit Ruputna und Landis.“ Sie geht ohnehin nicht ohne den Jungen. Also geben wir ihr ihren Willen. Es schadet immerhin auch nicht. Ruputna hatte schon immer gut gekämpft, aber seit Landis bei ihnen war, schien sie sich um einiges mehr zu engagieren als zuvor. Ein Umstand, der Salles schon lange positiv aufgefallen war. „Aber was ist mit Baila?“, fragte Subaru. „Wir wissen noch nicht, ob sie überhaupt dabei ist“, antwortete Salles. „Wir werden wohl abwarten müssen. Keine Sorge, wir werden aufpassen, dass ihr nichts passiert, wenn sie wirklich mitkommt.“ Es war nicht ganz die Wahrheit. Salles war sich absolut sicher, dass das Mädchen dabei war, sein Shinjuu hatte ihm das bereits mitgeteilt. Aber das musste er dem Bogenschützen nicht auf die Nase binden. Bei seinem emotionalen Verhalten hätte er damit nur die Operation gefährdet. Höchstwahrscheinlich hätte er seinen Posten und seine Gruppe im Stich gelassen, nur um zu ihr zu kommen. Subaru nickte wenig überzeugt. „Okay...“ „Was ist mit mir?“, fragte Nozomi. Salles wandte sich ihr zu. „Du wirst einen sehr wichtigen Part haben. Du gehst in die Sporthalle und beschützt gemeinsam mit Cynard und Heridearutsu die Schüler, die bereits dort sind.“ Salles hatte den Ritter bereits mit der bewusstlosen Katima in die Sporthalle geschickt, genau wie Heridearutsu, der zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder einmal sein Lächeln abgelegt hatte. „Gut, mache ich.“ Salles atmete auf. „Gut, dann gibt es nicht mehr viel zu sagen, außer uns zu verteilen. Naya, Subaru, eure Gruppen bleiben im Schulgebäude und wehren die Lakaien ab, die sich im Inneren ausbreiten. Zetsus und meine Gruppe wird sich auf dem Schulhof einfinden.“ Die Anwesenden nickten zustimmend. „Dann lasst uns gehen.“ Nozomi betrat die Sporthalle und wurde sofort von Schülern umringt, die sie mit Fragen bestürmten. Offensichtlich hatten sie es bereits bei Heridearutsu versucht, waren aber nur abgeblockt. Aber bei Nozomi hatten sie auch nicht mehr Erfolg. Sie winkte ab und scheuchte alle ans andere Ende der Sporthalle, weg von der Eingangstür. Cynard hatte Katima auf die Bank gelegt, die in der Halle stand und sich neben sie gesetzt. Heridearutsu hielt sich in seiner Nähe auf. Nozomi ging ebenfalls zu ihnen hinüber. „Seid ihr bereit?“ Der Weißhaarige nickte ernst, während der Ritter nicht darauf reagierte. Nozomi faltete ihre Hände. „Sir Cynard, Ihr habt doch ein Shinken, oder?“ Sie wusste nicht, dass er wirklich ein Ritter war (statt bei der Vorstellung dabei gewesen zu sein, hatte sie für den bettelnden Sorluska noch etwas zu essen gemacht), es erschien ihr anhand seiner Ausstrahlung einfach richtig, ihn so anzusprechen. Diesmal sah er auf und nickte stumm. „Ihr macht Euch bestimmt Sorgen, dass Ihr es nicht benutzen könnt, oder?“ Er nickte noch einmal. Sie lächelte. „Ich bin sicher, dass Ihr es einsetzen könnt, sobald es darauf ankommt. Es wird einfach... so funktionieren. So war es bei uns allen.“ Cynard ließ ihre Worte auf sich wirken, bevor er lächelte. „Du musst Nozomi sein.“ Sie blinzelte überrascht. „Ja, das ist richtig. Hat Katima Euch davon erzählt?“ „Das ist korrekt. Es ist seltsam, dass ich so gut wie jeden von euch anhand von Katimas Erzählungen erkennen kann. Eigentlich ist es so, als ob wir uns alle schon... von früher kennen würden.“ Heridearutsu runzelte nachdenklich seine Stirn, doch Nozomi beschloss, nicht näher darauf einzugehen. „Dann lasst uns unser Bestes geben, sonst werden wir uns nicht mehr lange kennen.“ Er nickte und stand auf. Ein lauter Schrei hallte über das Schulgelände. Er kam direkt von dem Shinjuu, auf dem sich dieses Gelände befand. Nozomi atmete tief durch und ließ ihr Shinken erscheinen. „Es wird ernst. Seid ihr beide bereit?“ Heridearutsu und Cynard nickten und begaben sich gemeinsam mit Nozomi vor die Tür, bereit die Schüler im Inneren zu schützen. Das ohrenbetäubende Kreischen von Monobe hallte durch das Schulgebäude. Naya hielt sich genervt die Ohren zu. „Wir haben es kapiert! Sie sind da! Hör jetzt endlich auf damit!“ Die Gruppe hatte Tische und Stühle beiseite geräumt, um beim Kämpfen freie Bahn zu haben. Angespannt standen sie in Kampfhaltung und warteten darauf, dass der Feind erschien. Es war so leise, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Doch es geschah nichts. „Hat Monobe sich geirrt?“, fragte Thalia. Sorluska schüttelte den Kopf. „Ich kann sie auch spüren, sie sind da.“ „Aber wo sind sie?“ Sie verfielen wieder in Schweigen. Lediglich Thalias aufgeregtes Atmen war zu hören. Sie schluckte schwer. Naya zuckte zusammen, als plötzlich Crowlance neben ihr erschien. Die anderen wandten sich ihnen zu. „Was ist los?“ Die Auge des Katzenmädchens weiteten sich, als sie ihrem Shinjuu lauschte. „Was denn?“, fragte Sorluska ungeduldig. Naya wandte sich ihren Partnern zu. „Crowlance sagt, dass die meisten Lakaien und drei Anführerinnen bei Subaru sind! Sie wollen ihn umbringen!“ Nozomus und Zetsus Gruppen standen auf dem Sportplatz den weißen und den schwarzen Lakaien gegenüber – gemeinsam mit deren Anführerinnen. Während Sable wie immer aufgelegt war, wirkte Baila emotionslos, abwesend und so als ob sie im nächsten Moment einschlafen würde. „Was habt ihr mit ihr gemacht?“, fragte Salles. Sable lächelte leicht. „Unser Meister hat sie neu konfiguriert. Und das hat er gut gemacht, oder?“ „Ansichtssache“, meinte Leana gelangweilt. „Na, hast du schon, die Abreibung verdaut?“ Die Anführerin wandte sich ihr zu. „Oh, du bist ja auch da. Dich habe ich gar nicht bemerkt.“ Leana schmunzelte nur. Sie konnte die Wahrheit hinter Sables Worten spüren – und das war der Anführerin mit Sicherheit auch bewusst, denn sie wandte sich hastig ab. „Also, wollen wir noch lange hier rumstehen?“ Nozomu hob Murakumo, was Sable noch nervöser werden ließ. „Das kann nicht sein...“ „Ich heiße nicht umsonst Murakumo no Nozomu“, erwiderte er grimmig. „Und ich werde auch nicht zulassen, dass du dieser Schule schadest.“ Zetsu seufzte hingerissen. „Ich mag es, wenn er so ernst ist.“ Jatzieta warf ihm einen spöttischen Blick zu. „Wir wissen, dass du Nozomu liebst.“ Der Silberhaarige schnitt ihr eine Grimasse. „Kümmern wir uns um Sable!“ Adina wartete nicht auf eine weitere Ankündigung und warf ein Chakram, das die Anführerin locker abwehrte. Nozomu und Zetsu liefen los und griffen sie an. Sie ließ sich fallen, um 'Murakumo' zu entgehen und wehrte 'Gyouten' mit ihrem Shinken ab. Bevor die beiden wieder angreifen konnte, rollte sie sich in Sicherheit und richtete sich wieder auf. Sofort sprang sie zurück, um Leanas Schwert und auch dem folgenden Fausthieb zu entgehen. Sie fuhr herum und baute direkt ein Schutzschild auf, um Salles' Angriff abzuwehren. Zeit zum Verschnaufen blieb ihr keine. Adina war ebenfalls in den Nahkampf übergegangen und zwang Sable dazu, immer wieder auszuweichen, bis sie wieder ins Fadenkreuz von Nozomu und Zetsu geriet. Baila dagegen stand teilnahmslos in einiger Entfernung, genau wie ihre Lakaien, während die von Sable sich in Richtung Sporthalle begaben. Die Anführerin des Black Minion Corps versuchte anzugreifen, aber sie scheiterte an Leana, die den Angriff abfing – und ihr erneut einen Faustschlag verpasste, der sie zurücktaumeln ließ. „Verdammt, was soll das!?“, fluchte Sable. „Das ist nicht fair!“ „In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt“, erwiderte Leana schulterzuckend. „Gibst du jetzt auf?“ „Das ist unfair!“, wiederholte die Anführerin. „Sechs gegen eine!“ Salles deutete in Richtung der Sporthalle. „Ist das fair?“ Sie schmunzelte. „Wahrscheinlich nicht. Aber was solls? Wir sind auch nicht die Guten.“ „Machen wir endlich kurzen Prozess mit ihr“, meldete Zetsu sich. Nozomu trat auf sie zu – und wurde von einem hellen Licht, aus Richtung der Sporthalle abgelenkt. Alle Blicke wandten sich in diese Richtung. „Was ist das?“ Wenige Minuten zuvor knickte Heridearutsu bereits immer wieder ein. Der Strom an Lakaien riss nicht ab, die Manafunken der besiegten Gegnerinnen ließen sein Sichtfeld immer wieder verschwimmen. Aber genausowenig wie Nozomi und Cynard, die erbittert kämpften, konnte er nicht einfach aufgeben. Er musste die Schüler beschützen. Das Schattenshinjuu erschien wieder und räumte problemlos mehrere Lakaien aus dem Weg, bis es wegen Manamangel erneut verschwand. „Nicht... aufgeben...“, murmelte Nozomi immer wieder, während sie ihr Shinken schwang. „Nur nicht aufgeben!“ Ein Strahl schoss aus der Spitze ihrer Sense und schaffte eine Schneise, die sofort wieder geschlossen wurde. „Das wird so nichts“, meinte Heridearutsu irgendwann. „Können wir nicht irgendwas machen?“ Cynard sagte nichts. Die Anstrengung war ihm anzusehen, aber er hielt sich tapfer, nicht zuletzt durch die Tatsache, dass Katima, die er unbedingt beschützen wollte, sich im Inneren der Halle befand. Nozomi murmelte nur „Nicht aufgeben“, als sie einen Angriff abwehrte. Der Feuerball eines roten Lakai ließ Heridearutsu schließlich in die Knie gehen. „Ich kann nicht mehr.“ Nozomi wandte den Kopf. Die Erkenntnis, dass sie jetzt einen Heilzauber sprechen müsste, aber keine Zeit dafür hatte, traf sie unerwartet hart. Es war ihr Wunsch, Menschen zu beschützen. All jene, die ihr wichtig waren und auch Heridearutsu gehörte dazu. Doch ausgerechnet ihn und damit auch alle anderen sollte sie nicht beschützen können? Das konnte nicht sein! „Heri!“ Plötzlich sammelt sich grünes Mana um sie – und im nächsten Moment war die Gruppe und der Eingang der Sporthalle von einer hellen Kuppel umgeben. Alle Geräusche schienen verschwunden zu sein, die Stille innerhalb der Kuppel drückten allen drei auf den Ohren. Die Lakaien versuchten, das Schild zu durchbrechen, scheiterten aber kläglich. „Divine Magic“, sagte Heridearutsu ehrfurchtsvoll. „Gerade rechtzeitig, Nozomin.“ Sie blinzelte überrascht. „Das ist von mir?“ Die anderen hatten ihr davon erzählt, aber bislang hatte sie nicht geglaubt, dass sie ebenfalls eine solche Technik haben würde. Doch die Tatsache, dass es gerade das war, was sie am meisten gebraucht hatte, ließ einen Stein von ihrem Herzen fallen. Erleichterung durchströmte sie und gab ihr neue Kraft und Zuversicht, die sie auch brauchen konnte. Heridearutsu nickte lächelnd und stand wieder auf. „Ich fühle mich schon viel besser.“ Nozomi lächelte erleichtert. „Ein Glück.“ Cynard schmunzelte nur, enthielt sich aber jeden Kommentars. „Was machen wir jetzt mit den Lakaien?“, fragte Heridearutsu und deutete auf die Wesen außerhalb. Ihre Angreifer versuchten inzwischen einen Weg um die Kuppel herum zu finden, um in die Sporthalle einzudringen. „Eine Pause wäre nicht schlecht“, sagte Cynard plötzlich. Seine Taschenuhr leuchtete auf – und im nächsten Moment bewegten sich die Lakaien nicht mehr. Nozomi blinzelte verdutzt. „Was ist das denn?“ Sie sah den Ritter an, bevor ihr Blick zu Heridearutsu weiterging. Der Weißhaarige lächelte verstehend. „Cynards Shinken kann die Zeit beeinflussen, kein Wunder, wenn es schon wie eine Uhr aussieht. Aber vermutlich wird es nicht lange anhalten.“ „Dann sollten wir das ausnutzen. Itzal!“ Das Schattenshinjuu tauchte wieder auf, allerdings auf der anderen Seite der Kuppel. Das Wesen bewegte sich durch die Reihen der Lakaien und zermalmte diese ohne Anstrengung. „Ihr habt es Itzal genannt?“, fragte Nozomi neugierig. Cynard zuckte mit den Schultern. „Es kam mir einfach so. Ich glaube, es hieß schon immer so.“ Heridearutsu schmunzelte. Itzal verschwand in dem Moment, als der Effekt des Shinken nachließ. Zurück blieben nur die Manafunken der besiegten Lakaien, es kamen keine neuen nach. Erleichtert sank Nozomi in die Knie. „Wir haben es geschafft.“ „Wir sollten aber nach wie vor wachsam bleiben“, meinte Cynard und sah sich dabei aufmerksam um. Ein helles Licht vom Schulgebäude lenkte die Aufmerksamkeit aller auf sich. Nozomi stand wieder. „Oh nein... sie greifen Subaru an!“ Kapitel 35: Opfer ----------------- Nayas Gruppe war der von Subaru zu Hilfe geeilt, so dass diese sich inzwischen bis auf den Gang hinausgekämpft hatten. „Wir müssen zu den anderen!“, rief Naya. „Wir müssen auf den Sportplatz!“ Die endlose Anzahl an Lakaien und die drei Anführerinnen waren stärker als sie, aber Nozomu würde sie mit Sicherheit besiegen können. Landis und Ruputna wehrten auf ihrem Rückzug die Angriffe der Lakaien ab, während Naya, Sorluska und Thalia die Anführerinnen von der Verfolgung abhielten. Da sich die Angriffe der Wesen nur auf Subaru konzentrierten, hatten Landis und Ruputna es einfach, indem sie ihn einfach immer hinter sich hielten. Der Bogenschütze dagegen bahnte sich seinen Weg durch plötzlich auftauchende Lakaien auf den Schulhof. Azzurre lächelte unterdessen Nayas Gruppe an. „Denkt ihr wirklich, ihr könnt uns aufhalten?“ „Warum wollt ihr Subaru töten?“, stellte Thalia die Gegenfrage. „Was hat er euch getan?“ „Er bringt unsere kleine Baila durcheinander“, antwortete Azzurre freundlich. Naya sah ihre beiden Begleiter fragend an. Was meint sie damit?, fragte das Katzenmädchen sich. Wie bringt er sie durcheinander? Die Anführerinnen zogen ihre Shinken. „Na dann... legen wir los.“ Naya schwang ihren Stab. Die Spitze, die mittels eines Seils am Stab befestigt war, löste sich. Sie holte noch mehr Schwung und griff dann damit Yuina an. Die Angegriffene versuchte, die Waffe abzuwehren, wurde dabei allerdings von einem der Stacheln erwischt. Sie fluchte, als grünes Mana aus der Wunde strömte. Azzurres Angriff wiederum wurde von Sorluska aufgehalten. Ohne zu zögern versuchte sie es mehrmals wieder, doch er war um einiges schneller als sie, so dass sie am Ende verletzt zurücksprang. „Euer Glück hat lange genug angehalten“, brummte Shani. „Fireball!“ Mana sammelte sich um die Anführerin, Thalia hob ihr Shinken. „Ice Vanisher!“ Ein blauer Würfel schloss sich um Shani, absorbierte das rote Mana und zerbrach schließlich. Sie fluchte leise, während Thalia grinste. „Das ist kein Glück, das ist das pure Können!“ „Seht es ein, wir sind besser als ihr!“, stimmte Sorluska zu. „Mit Sicherheit nicht.“ Ohne Absprache stürmten alle drei Anführerinnen los. Die Gruppe ging in Abwehrhaltung – aber die Frauen stürmten an ihnen vorbei. Perplex sah die Gruppe ihnen hinterher. Naya begriff die Situation als erstes. „Schnell, hinterher! Wir müssen Subaru retten!“ Der Bogenschütze hatte inzwischen den Sportplatz erreicht. „Baila!“ Sie zuckte kurz zusammen, reagierte sonst aber nicht. Sable sprang auf, zog ihr Katana und stürzte auf ihn zu. Er wich aus – und fand sich im nächsten Moment von allen vier Anführerinnen umzingelt. „Subaru!“ Nozomu wollte zu ihm, aber plötzlich erschienen weitere angriffslustige Lakaien vor dem Eternal, die ihm den Weg versperrten. „Auch das noch“, seufzte Zetsu. Subaru drehte sich nach allen Seiten um, aber überall stand ihm eine Anführerin im Weg. Und jenseits dieser Frauen befanden sich unzählige Lakaien, die den Rest der Gruppe in Kämpfe verwickelten. Azzurre lächelte wieder sanft. So sanft, dass Subaru am liebsten zurückgelächelt hätte, aber er behielt seinen bösen Blick. „Was wollt ihr von mir!?“ „Gar nichts“, antwortete Yuina. „Wir wollen nur, dass du stirbst.“ „W-warum?“ „Idiot!, schnaubte Shani. „Wegen Baila natürlich! Du Volltrottel bringst ihre Konfiguration dauernd durcheinander. Das darf nicht sein!“ Hilflos sah Subaru sie an. „Aber ich kann doch nichts dafür... ich will ihr nur helfen.“ „Tja und das ist dein Fehler“, wies Sable ihn zurecht. Sie machten ihre Shinken bereit. Was sollte er nur tun? Er konnte sich nicht gegen alle wehren. Zwischen den Anführerinnen konnte er Baila sehen. Sie stand ein Stück weit entfernt und sah desinteressiert zu ihnen hinüber, ihr Blick so leer wie bei ihrer ersten Begegnung. War alles, was er bislang für sie getan hatte, umsonst gewesen? Würde er sie niemals retten können? Der plötzliche Schmerz in seiner Brust, der nach wenigen Sekunden wieder abflaute, kam ihm wie ein Traum vor. Unwirklich, verzerrt... Wieso... fühle ich Schmerz? Wie durch Watte hindurch hörte er Ruputna seinen Namen rufen, gefolgt von einem erschreckten Schrei von Naya und einem Fluch von Sorluska. Ansonsten hörte er nichts, es war als ob alle anderen Geräusche ausgelöscht worden waren. Bislang hatte er das für einen unnötigen dramatischen Effekt in Filmen gehalten, aber er empfand es wirklich so. Wie in Zeitlupe sank Subaru in die Knie. Die Anführerinnen wichen zurück, um ihm Platz zu machen, während er zu Boden fiel. Er kämpfte gegen das Gefühl an, das ihn einzulullen drohte, ihm mit einer warmen Umarmung lockte. Er wollte nicht sterben, nicht so, nicht hier... „Bai... la...“ Sein Blick war auf das Mädchen fixiert. Er schob es auf seinen deliriumsartigen Zustand, als wieder Leben in ihre Augen zu kommen schien. Ungläubig starrte sie ihn an. Als sie zu begreifen schien, was sie da sah, traten Tränen in ihre Augen. „Subaru...“ Er lächelte leicht. Sie... erinnert sich an mich. „Subaru!!“ Baila rannte auf ihn zu, sie kniete sich neben ihn und hob seinen Oberkörper vorsichtig an. „Subaru! Nicht sterben, bitte!“ Er lächelte sie an. „Du... erinnerst... dich an mich...“ Die Worte kamen nur stockend hervor, jedes einzelne kostete ihn unendliche Überwindung. „Ich bin... so froh...“ „Subaru...“ Die anderen vier Anführer wollten auf sie zugehen und sie wieder wegziehen, doch die weißen Lakaien, die bislang untätig herumgestanden hatten, griffen nicht nur die Anführerinnen, sondern auch die anderen Lakaien an. Die anderen Shinken-Träger kamen nun näher. Nozomu sah ungläubig auf Subaru hinunter und erwartete jeden Moment, dass der Bogenschütze sich in Mana auflösen würde. Ruputna klammerte sich schluchzend an Landis, der wiederum damit beschäftigt war, nicht loszuweinen. Naya, Thalia , Sorluska und Jatzieta sahen bedrückt auf den Verletzten hinunter. Salles, Adina, Zetsu und Leana wirkten teilnahmslos, wer wusste, was sich hinter ihrer Stirn abspielte? „Armer Subaru...“, hörten die anderen Satsukis Stimme aus dem Schwert. Narukana schwieg dazu. Baila schluchzte. „Subaru, du darfst nicht sterben. Du darfst nicht!“ „Es tut mir Leid“, sagte er leise, bevor er seine Augen schloss, ihre Tränen tropften auf sein Gesicht und vermischten sich dort mit seinen eigenen. „Aber... ich bin froh,... dass du um mich weinst...“ „SUBARU!“ Sie schrie seinen Namen mit Inbrunst aus als ob sie ihn damit davon abhalten könnte, zu sterben. Er öffnete seine Augen nicht mehr, sein Körper begann in einem weißen Licht zu glühen. „Nein...“ Baila schloss ebenfalls ihre Augen. Schwarzes Mana schien aus ihrem Körper zu strömen und diesen wie eine schützende Schicht zu umgeben. „Passt auf!“, rief Narukana aus 'Murakumo'. „Sie setzt annullierendes Mana frei! Nozomu! Du musst sie töten, schnell!“ Der Eternal fühlte sich unfähig zu handeln – und war dementsprechend froh, dass Salles den Kopf schüttelte. „Warte, Narukana! Was tut sie da? Will sie wirklich...?“ Er beendete seinen Satz nicht, aber da er befohlen hatte, zu warten, hielt Nozomu sich auch daran. Überrascht sog er die Luft ein, als er wieder zu Baila sah. Ihr annullierendes Mana, das sonst schwarz war, nahm einen hellen Schimmer an, sprang auf Subarus Körper über und hüllte ihn langsam ein. Wie auf eine stumme Einigung ging das weiße Glühen, das ihn eingehüllt hatte, im Austausch auf Baila über. „Was bedeutet das?“, fragte Jatzieta ehrfürchtig. Salles' Gesicht hellte sich merklich auf. „Ich denke, ich weiß es.“ Die anderen sahen den lächelnden Brigadeführer fragend an, aber er schwieg und betrachtete weiterhin das glitzernde Spektakel. Baila murmelte immer wieder Subarus Namen, während sich ihr Mana auf ihm und seines auf ihr ausbreitete, bis schließlich beide von dem Mana des jeweils anderen eingehüllt wurden. Die Verletzung in Subarus Brust verheilte. Er schlug seine Augen auf. Als er Baila erblickte, die in einem hellen weißen Licht zu baden schien, lächelte er. „Ich wusste es... du bist ein Engel.“ Sie öffnete ebenfalls ihre Augen. „Su... baru? Geht es dir gut?“ Er nickte. „Ja. Danke.“ Baila lächelte ebenfalls. „Ich bin so... froh.“ Das Glitzern erlosch bei beiden gleichzeitig. Baila schloss die Augen – und stürzte vorüber. Erschrocken hob Subaru sie wieder an. „Baila? Alles okay?“ Sie antwortete nicht. Die weißen Lakaien verschwanden augenblicklich wieder. Jatzieta huschte hinüber und kniete sich neben sie. „Keine Angst. Sie scheint nur ohnmächtig zu sein. Nichts Schlimmes.“ Die vier Anführerinnen schnaubten. „Auch das noch. Jetzt ist sie vollkommen unbrauchbar.“ Vorsichtig legte Subaru sie auf den Boden und stand auf. Er drehte sich zu den Frauen um, die ihn genervt ansahen. Sein Bogen erschien in seiner Hand, weißes Mana sammelte sich um ihn. „Divine Magic“, murmelte Naya. Die Anführerinnen fluchten und versuchten, ihn anzugreifen, aber ihre Körper schienen gelähmt zu sein, keine von ihnen konnte reagieren. Ohne etwas zu sagen wirbelte Subaru den Bogen. Er zog einen Pfeil und legte ihn an, zeigte damit nach oben an den dunklen Nachthimmel. Die anderen sahen ihm gebannt zu. Das Zeichen auf seiner Stirn, das von seinem Stirnband verdeckt wurde, leuchtete ebenfalls, genauso als ob er seine Divine Force wirken würde. Der Pfeil glühte, als er mit einem Zischen in den Himmel schoss. Doch statt in unzählige Pfeile zu zersplittern, schien dieser den Himmel zu durchbrechen. Das helle Mana erleuchtete den Nachthimmel als sei es hellichter Tag, keine einzige Wolke war auf dem strahlendblauen Himmel zu sehen. Die Shinken-Träger und auch die Anführerinnen starrten auf den illuminierten Fleck inmitten des dunklen Nachthimmels – bis wieder ein Glitzern zu sehen war. Eine hell strahlende Lanze schoss auf sie hinunter. Keine von ihnen wurde getroffen, aber die ungeheure Wucht dieses Angriffs ließ die Anführerinnen in die Knie gehen, die verbliebenen Lakaien lösten sich ebenfalls auf. „Baila ist nicht nutzlos“, sagte Subaru schließlich. Knurrend richtete Azzurre sich wieder auf. „Langsam reicht es mir mit euch.“ „Mir auch“, sagte Nozomu und trat vor. Er steckte 'Murakumo' und 'Reimei' zusammen und holte aus. „Fühlt die Macht des Gottes der Zerstörung! Catastrophe!“ Starke Energiewellen fegten auf die Anführerinnen zu. Yuinas Schutzschild zerbrach klirrend, die Frauen wurden von dem Angriff zurückgeworfen. Sorluska ließ seine Fingerknöchel knacken. „Na? Seid ihr immer noch der Meinung, dass ihr besser seid als wir?“ Thalia schmunzelte. „Wir können genauso gut zusammenarbeiten wie ihr – nur dass wir dann noch stärker sind.“ „Wollt ihr noch eine Lektion, ~jiyaaaa?“ Die Anführerinnen richteten sich wieder auf. Azzurre klopfte den Staub von ihrer Kleidung, sie hatte dabei deutliche Schmerzen. „Wir gehen. Aber wir werden uns wiedersehen!“ Gemeinsam verschwanden die vier. 'Murakumo' verschwand ebenfalls, dafür erschienen Satsuki, Narukana und Rehme wieder. „Die Gefahr ist vorbei~“ Alle Blicke richteten sich auf Subaru, der verlegen in die Runde lächelte. „Jetzt ist alles wieder gut, nicht?“ Mit einem Ausruf der Erleichterung fielen Ruputna, Landis und auch Naya ihm um den Hals. „Es ist gut, dass du wieder da bist, ~jiyaaaa!“ „Ruputna hat sich Sorgen um dich gemacht!“ „Ich bin froh, dass alles gut ausgegangen ist.“ Die anderen blieben in einiger Entfernung stehen, aber Nozomu nickte zustimmend. „Willkommen zurück, Subaru. Pass auf, dass so etwas nicht nochmal passiert.“ „Natürlich.“ Salles wandte sich an Adina, die wie ein unbeteiligter Zaungast immer noch neben ihm stand. „Kannst du bitte zur Sporthalle hinübergehen und sagen, dass es vorbei ist?“ Sie nickte und ging wortlos davon. Er konnte noch sehen, wie sie sich über die Augen fuhr, bevor sie aus seinem Blickfeld verschwand. Salles ging zu Jatzieta hinüber, die immer noch neben Baila kniete. „Wie sieht es aus?“ „Sie ist völlig unverletzt. Es gab wirklich nur einen Manaaustausch.“ Zufrieden nickte er. „Wir bringen sie dann auf die Krankenstation. Hoffen wir, dass sie bald wieder aufwacht.“ „Ich mache das!“ Subaru, der sich wieder von den anderen dreien befreit hatte, kam herüber. „Ich werde sie hintragen.“ „Bist du sicher?“, fragte Jatzieta. Er nickte und hob das Mädchen hoch. „Gar kein Problem.“ Gemeinsam mit Jatzieta ging er in Richtung Krankenstation. Salles ging wieder zu Nozomu zurück, der inzwischen von den anderen umringt war. „Ihr habt heute alle gut gekämpft.“ „Danke“, sagten alle einstimmig. Er lächelte. „Offensichtlich verbessert sich eure Teamfähigkeit immer mehr.“ Die anderen grinsten zufrieden, besonders bei seinen folgenden Worten: „Jetzt dürft ihr euch alle ausruhen gehen. Erholt euch gut, wir sehen uns morgen beim Frühstück.“ Geknickt standen die Anführerinnen vor Ciar. Wie üblich ließ die Maske keine Emotionen erkennen, aber sein Schweigen vermittelte ihnen, dass er äußerst unzufrieden war. Sie hatten es nicht nur nicht geschafft, Subaru zu töten oder sonst einen Schaden bei den Feinden anzurichten, nein, sie hatten auch noch Baila verloren und bei zwei weiteren Feinden war die Divine Magic erwacht. Ganz zu schweigen davon, dass die Shinken-Träger mit jedem Kampf besser zu werden schienen. Schließlich seufzte Ciar. „Es sieht schlecht aus. Aber vorerst sollten wir uns bedeckt halten. Der Feind wird bald wieder bei uns eindringen – dann können wir uns um sie alle kümmern.“ „Seid Ihr sicher?“, fragte Sable. Ciar nickte. „Sehr sicher. Menschen sind so leicht einzuschätzen.“ Die vier Anführerinnen sahen sich an und nickten. „Gut, wir vertrauen auf Euch.“ Sie zogen sich zurück und ließen Ciar allein, der daraufhin leise zu lachen anfing. Was für dumme Menschen... Kapitel 36: Geständnisse ------------------------ Wie Salles sich gewünscht hatte, versammelte sich die Gruppe am nächsten Morgen zum Frühstück im Speisesaal, abgesehen von Cynard und Subaru, die beschlossen hatten, auf der Krankenstation zu bleiben. Der Gott, der keinen Schlaf benötigte, hatte bereits alles vorbereitet und dabei nichts ausgelassen, so dass auch für jeden etwas dabei war. Das Ergebnis war ein reich gedeckter Tisch mit köstlich aussehenden Speisen. Nozomu konnte sich gar nicht entscheiden, mit was er anfangen sollte. „Habt ihr alle gut geschlafen?“, fragte Salles lächelnd. Er wirkte wie ein Kindergartenerzieher, der gerade mit seiner Gruppe nach dem Mittagsschlaf zusammensaß. Die anderen nickten. „Ja, haben wir.“ „Nach der körperlichen Arbeit gestern ohnehin“, fügte Zetsu hinzu. Sorluska nickte zustimmend. „Ganz genau!“ „Ich bin nur froh, dass alles so gut ausgegangen ist“, sagte Landis. „Stimmt“, sagte Satsuki. „Und jetzt haben wir sogar endlich Baila bei uns, jetzt kann Subaru endlich mal beruhigt sein. Oh und nicht zuletzt haben wir jetzt einen gutaussehenden Ritter an unserer Seite.“ Sie kicherte. Nozomu sah sie schmunzelnd an, bevor Salles erwiderte: „Noch gehört Cynard nicht zu uns. Er hat uns nur ausgeholfen, ich bin mir nicht sicher, ob er dauerhaft bei uns bleibt.“ „Aber er ist doch so in unsere Königin verliebt“, gurrte Jatzieta. „Meinst du wirklich, er wird sich von ihr loseisen können?“ Spöttisch lächelnd blickte er zu ihr hinüber. „Nun, es liegt nicht in meinem Ermessungsbereich, zu erkennen, ob er das kann oder nicht. Zu gegebener Zeit werden wir es wissen.“ Isolde lachte. „Ziemlich viele Worte, nur um zu sagen, dass du keine Ahnung hast.“ Salles zwinkerte ihr zu. „Selbstverständlich.“ „Müssen Gelehrte immer so reden?“, fragte Leana genervt. „Das ist die Grundvoraussetzung, um sich so zu nennen“, antwortete Zetsu. Die anderen lachten, bevor sie sich wieder auf das Essen konzentrierten. Sogar Salles nahm etwas zu sich, obwohl er sonst nichts aß. „Mhm, Salles-sama, wir sollten dich öfter kochen lassen“, sagte Naya. „Das schmeckt so lecker~“ Er schmunzelte wieder nur. „Das wird nie passieren. Das hier... bleibt eine Ausnahme.“ „Dann sollten wir wohl öfter solche großen Kämpfe durchführen“, schlussfolgerte Thalia. „Dann wird Salles-sama auch öfter kochen.“ „Muss nicht sein“, erwiderte Ruputna, deren Augen noch ein wenig rot waren. „So ungern ich das auch tue, aber ich gebe Ruputna recht“, sagte Narukana. Nozomi nickte zustimmend, da sie mit Kauen beschäftigt war. „Ich finde es schön, dass ihr euch alle so gut vertragt“, meinte Salles lächelnd. „Hoffentlich bleibt das auch so.“ Die anderen lachten verlegen. Adina lächelte andächtig. „Es muss schön sein, in einer so großen Gruppe zu reisen.“ „Lass dich nicht täuschen“, erwiderte Zetsu. „Es ist eher anstrengend. Dauernd dieser Lärm und diese gute Laune und Nozomus Helfersyndrom...“ Den letzten Teil des Satzes sprach er lachend aus, was auch die anderen wieder zum Lachen brachte. Schließlich verfiel die Gruppe wieder ins Schweigen, um weiterzufrühstücken. Nach dem Frühstück zersplitterte die Gruppe wieder geradezu. Jeder begab sich zurück in den Bereich, in dem er am besten war. Während Nozomi und Adina sich gemeinsam um die Wäsche kümmerten, waren Sorluska und Thalia in der Schwimmhalle unterwegs, Salles war in das Büro des Direktors zurückgekehrt, Narukana hatte sich zum Mangalesen zurückgezogen, die Paare verbrachten wie üblich ihre Zeit jeweils zu zweit und Jatzieta und Naya waren auf die Krankenstation gegangen. Cynard und Subaru saßen ebenfalls noch dort, Schweigen herrschte zwischen ihnen, als sie darauf warteten, dass die Ohnmächtigen wieder zu Bewusstsein kamen. Jatzieta seufzte. „Na sowas. Warum herrscht hier denn das Schweigen im Walde? Habt ihr euch etwa nichts zu sagen?“ Cynard lachte leise. „Der Junge schläft.“ Neugierig ging Naya zu Subaru hinüber – und fand ihn tatsächlich mit geschlossenen Augen und gleichmäßiger Atmung vor. „Er schläft wirklich...“, sagte sie erstaunt. Der Ritter nickte. „Er war auch die ganze Nacht wach und hat auf sie aufgepasst. Offensichtlich hatte er Angst, dass jemand kommen und sie wegbringen könnte.“ Naya grinste breit. „Awwwwwwwww~“ Jatzieta legte einen Finger auf ihre Lippen, so dass Naya sich leise wieder in den vorderen Bereich der Krankenstation zurückzog. „Ah, Cynard, wir haben gehört, wie gut du gekämpft hast.“ Verwirrt sah er die Ärztin an. „Von wem habt ihr das gehört?“ „Von Heridearutsu und Nozomi. Die beiden sind ja ganz begeistert von dir~“ Er schüttelte nur den Kopf und wehrte das Lob damit ab. „Ich bin noch lange nicht so gut wie einige andere von euch.“ „Das kommt noch mit der Übung“, meinte Naya zuversichtlich. Er wollte gerade antworten, als eine weibliche Stimme ihm das bereits abnahm: „Cynard hat hier seine Verpflichtungen. Er kann nicht einfach mit uns mit.“ Alle Blicke richteten sich auf Katima, die endlich wieder ihre Augen öffnete und sie müde ansah. Dennoch lächelte sie, als sie den Ritter erblickte. Naya sprang näher an das Bett. „Du bist wieder wach, ~jiyaaaa!“ Vorsichtig setzte Katima sich auf. Cynard stand sofort auf und trat ebenfalls ans Bett. „Du solltest dich ein wenig ausruhen, leg dich lieber wieder hin.“ Sie schüttelte bestimmt den Kopf. „N-nein, ich will aufstehen. Bitte...“ Jatzieta nickte, Cynard und Naya traten zurück, so dass Katima aufstehen konnte. Sie schwankte ein wenig, hielt sich aber an dem Ritter fest, um so ihr Gleichgewicht zurückzubekommen. „Alles in Ordnung?“, fragte er fürsorglich. Sie nickte lächelnd. „Ja, schon gut. Cynard, können wir... in die Stadt gehen?“ Fragend sah er Jatzieta an, die noch einmal nickte. Er sah wieder Katima an. „Gehen wir.“ Die beiden verließen die Krankenstation gemeinsam. Nayas Ohren zuckten, als sie ihnen hinterhersah. „He he~ Die beiden sind ein tolles Paar. Hoffentlich wird ihnen das mal klar.“ Jatzieta setzte sich auf ihren Stuhl und schlug die Beine übereinander. „Ja, hoffentlich~ Dann fehlen jetzt nur noch Subaru und Baila.“ Die beiden kicherten und begannen damit, den Bogenschützen zu beobachten. Während Cynard und Katima durch die Stadt liefen, wurde ihm bewusst, dass sie immer blasser wurde und ihre Schritte immer unsicherer. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er erneut. Sie wollte nicken, aber ihre Knie gaben bereits unter ihr nach. Seufzend sank sie zu Boden. Cynard kniete sich neben sie und legte einen Arm um ihre Schulter. „Katima... du solltest dich ausruhen.“ Für einen Moment schmiegte sie sich an ihn, gab sich dem Traum hin, dass sie in seinen Armen liegen und alles andere vergessen könnte. Doch schon Bruchteile von Sekunden später rief sie sich selbst wieder zur Ordnung. „Vielleicht hast du recht.“ Er half ihr wieder hoch. „Das Schloss ist näher als Monobe, ich werde dich in mein Zimmer bringen. Ist das in Ordnung?“ „Natürlich.“ In diesem Moment wäre sie mit allem einverstanden gewesen, wenn es von ihm gekommen wäre. Langsam brachte er sie in sein Zimmer, wo er sie auf das Bett niederdrückte. „Ruh dich aus. Du bist gerade erst wieder aufgewacht, da solltest du dich noch nicht so sehr anstrengen. Soll ich dir vielleicht etwas zu essen holen lassen?“ Entschieden schüttelte sie den Kopf. „Nein, es ist schon gut, danke.“ Er setzte sich auf einen Stuhl und beobachtete sie schweigend, während sie stumm an die Decke starrte. Sein Blick wurde ihr mit jeder Sekunde unangenehmer, andererseits wollte sie aber auch nicht, dass er wegsah. Sie seufzte innerlich. Das ist so kompliziert. Das Gefühl kehrte schließlich wieder in ihre Beine zurück, was ihr die Kraft gab, endlich etwas zu unternehmen. Sie setzte sich auf und drehte ihm den Rücken zu. Seinen fragenden Blick bemerkte sie nicht. „Cynard... darf ich etwas fragen?“ „Natürlich“, sagte er verwundert. Noch nie zuvor in ihrem Leben waren ihr Worte so schwer gefallen wie diese, die sie nun aussprechen wollte. „W-was wäre, wenn sich eine Königin in dich verlieben würde, sie aber ihr weit entferntes Reich nicht verlassen könnte? Wenn du nie mehr hierher zurückkommen könntest... was würdest du tun?“ „Nun, es käme natürlich darauf an, ob ich diese Königin auch liebe. Aber wenn ich das tun würde, dann würde ich für sie auch meine Heimat verlassen.“ „Und wenn... ich diese Königin wäre?“, fragte sie leise. Er lächelte. „Dann würde ich mit Freude meine Welt verlassen, um bei dir sein zu können.“ Cynard erwartete, dass ich sich zu ihm umwenden, lächeln und ihn umarmen würde, doch stattdessen begann sie an ihrer Kleidung zu nesteln. „Und wenn diese Königin ein schreckliches Geheimnis hätte, ein Fluch, der auf ihr lastet?“ „Nun, das ist nicht so einfach...“ „Das dachte ich mir.“ Sie schaffte es, ihre Kleidung zu öffnen und ihren Rücken freizulegen. Cynards Augen weiteten sich überrascht, als er das Muster, das wie ein Siegel aussah, erblickte. „Was ist das?“ „Das ist... das Prosia-Dokument. Es ist der Beweis, dass ich Teil der königlichen Aigear-Familie bin. Aber es ist auch ein Fluch.“ Sie hielt einen Moment inne und wandte ihm den Kopf zu. Aus ihren Augen sprach Trauer, es war das Gesicht eines Menschen, der ein schweres Schicksal auf den Schultern trug. Das Muster begann sacht zu glühen. „Dieses Dokument existiert, solange es Shinken und meine Blutlinie gibt. Und es besagt, dass meine Familie auf alle Ewigkeit gegen Daraba und seine Reinkarnationen kämpfen muss. Sollte ich jemals Kinder haben, wird der Fluch auf sie übergehen...“ Schweigen lastete zwischen beiden. Plötzlich stand Cynard auf. Katima war sich sicher, dass er sie darum bitten würde, sie wieder zu Monobe zurückbringen zu dürfen, sie kämpfte die aufsteigenden Tränen nieder – und zuckte überrascht zusammen, als er sich neben sie setzte. „Katima, selbst wenn wir niemals Kinder haben würden, ich würde bei dir bleiben“, sagte er sanft. Seine Stimme klang so liebevoll und vermittelte ihr so viel Hoffnung, dass ihr erneut Tränen in die Augen stiegen. „Cynard...“ Zärtlich strich er ihr über die Wange. „Du musst nicht weinen. Ich werde dir immer beistehen.“ Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, aber auch das wurde ihr von ihm abgenommen. Sein Kuss war zärtlich, liebevoll, aber auch lustvoll und verlangend. Ein Gefühl, dem Katima nur zu gerne nachgab. Sie legte ihre Arme um ihn und zog ihn mit sich, als sie in die Kissen zurücksank. Nur für einen Moment wollte sie alles vergessen, was sie an Verantwortung trug und sich fallen lassen. Und sie wusste, dass sie das mit Cynard konnte. Salles betrat die Krankenstation, wo er Jatzieta und Naya beim Kartenspielen vorfand. „Nanu? Wo sind denn Katima und Cynard?“ Die Ärztin kicherte. „Die beiden sind zusammen in die Stadt gegangen. Wer weiß, was sie da alles anstellen.“ Naya schmunzelte. „So ist Katima nicht. Sie stellt bestimmt nichts an.“ Salles ging nicht darauf ein. „Dann ist sie also wieder wach, das ist gut. Wie sieht es mit Baila aus?“ Jatzieta deutete hinüber. Subarus Oberkörper war inzwischen auf das Bett gesunken, er schlief immer noch, genau wie das Mädchen. „Sie wacht bestimmt bald wieder auf, sie scheint nur erschöpft zu sein“, antwortete die Ärztin. Der Brigadeführer nickte zufrieden. „Wir haben viel vor, wenn Baila wieder wach ist.“ „Was denn?“, fragte Naya neugierig. „Wir werden erneut ins Hauptquartier eindringen – aber diesmal werden wir Meister Ciar zur Rede stellen. Dafür brauchen wir allerdings Baila und auch die komplette Gruppe wieder.“ Jatzieta und Naya nickten verstehend. „Klingt wie ein guter Plan.“ Das Katzenmädchen hob den Kartenstapel. „Wollt Ihr mitspielen, Salles-sama?“ Im ersten Moment wollte er ablehnen, doch er besann sich eines Besseren und setzte sich zu ihnen. „Gern doch.“ „Wieso kriegen wir eigentlich immer nur die Reste?“, fragte Rehme grummelnd, während sie sich das übrig gebliebene Frühstück ansah. „Wieso essen Shinjuu überhaupt etwas?“, erwiderte Karfunkel, der auf dem Boden saß und ihr neugierig dabei zusah. Nanashi tat es Rehme nach, während Isolde in einiger Entfernung stand und schmunzelte. „Verfressene Shinjuu essen nun mal etwas.“ Rehme schnitt Isolde eine Grimasse. „Hör auf zu nerven.“ „Hör auf so klein zu sein“, erwiderte Isolde grinsend. Die beiden Engelsshinjuu grummelten leise, was Karfunkel ein leises Lachen entlockte. Isolde sah das Fuchsshinjuu an. „Was glaubst du? Ist Ciar wirklich der Böse?“ Das Wesen wurde sofort wieder ernst. „Mhm... es ist schwer zu sagen. Der Ciar, den ich kannte, würde das mit Sicherheit nicht machen. Aber möglicherweise hat Salles recht: Wer weiß schon, was mit ihm geschehen ist, während Adina ihn nicht gesehen hat.“ Isolde lehnte sich gegen die Küchentheke. „Aber eine solche Änderung-“ „Wir werden es sicher bald wissen“, unterbrach Karfunkel sie. „Salles hat vor, ihn zur Rede zu stellen, sobald Baila uns ins Hauptquartier führen kann.“ Sie nickte verstehend und beobachtete weiter Rehme und Nanashi, die sich inzwischen etwas zum Essen genommen und zu essen begonnen hatten. „Jatzieta! Du betrügst doch!“ Naya sah die Ärztin empört an, doch diese lächelte nur unschuldig. „Nein, ich habe nur Glück.“ Salles schmunzelte. „Deswegen hat sie Pech in der Liebe.“ „Ich habe aber auch Pech in der Liebe, ~jiyaaa.“ Er lachte leise. „Man kann eben nicht alles haben.“ Eine Bewegung von Subaru lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Bogenschützen, der sich wieder gerade hinsetzte. Die anderen beiden sahen ebenfalls hinüber. Im nächsten Moment setzte sich auch Baila auf und sah sich mit großen fragenden Augen um. Subaru lächelte. „Baila, alles in Ordnung?“ Ihr Blick richtete sich auf ihn, sie nickte langsam. Salles stand auf und trat an ihr Bett. „Gut, dass du wieder wach bist.“ Verwirrt sah sie ihn an. „Wieso?“ Er lächelte leicht. „Wir brauchen deine Hilfe.“ „Meine... Hilfe?“, fragte sie irritiert. Noch nie hatte jemand sie um ihre Hilfe gebeten. Salles nickte. „Es geht um Folgendes...“ Kapitel 37: Hinter der Maske ---------------------------- Baila hatte darauf bestanden, nicht in der Krankenstation zu übernachten, sondern in Subarus Zimmer, was Jatzieta ihr mit einem Kichern schließlich erlaubt hatte. Der Bogenschütze wusste nicht so recht, was er davon halten sollte, aber er beobachtete Baila, die sich neugierig umsah, aufmerksam. Es war das erste Mal, dass sie sich in einem so normalen Raum befand – und für ihn war es das erste Mal, dass sich ein Mädchen in seinem Zimmer befand. Schließlich setzte sie sich neben ihn auf seinen Futon. „Subaru... geht es dir gut?“ „Das ist schon das vierte Mal, dass du fragst“, erwiderte er lächelnd. „Ja, es geht mir sehr gut – dank dir.“ Sie legte eine Hand auf ihr Herz. „Ich bin froh, dass ich dir helfen konnte. Wenn du nicht mehr da wärst...“ Betroffen senkte sie den Blick. „Es ist schon gut“, sagte er. „Es ist doch alles gut gegangen.“ Sie nickte. „Weißt du... ich glaube, du hast mir erst ein Herz gegeben. Dafür danke ich dir.“ Respektvoll verneigte sie ihren Oberkörper. Hastig winkte er ab. „Das musst du doch nicht machen. Ich wollte dir doch helfen.“ Er dachte wieder an all die Zeiten zurück, in denen sie schweigend nebeneinander gesessen und Waffeln gegessen hatten und auch an ihre schroffe Abweisung, die ihn so sehr verletzt hatte. Aber nun, da sie neben ihm saß, erschien ihm das alles nur wie ein böser Traum – oder war dies nur ein besonders schöner Traum? Wenn es einer war, würde er hoffentlich nie aufwachen. „Wir sollten schlafen gehen“, meinte Subaru schließlich. „Schlafen?“, fragte sie. „Ja, du weißt schon, wenn man sich nachts hinlegt und die Augen schließt~“ Fragend legte sie den Kopf schräg. Er lachte leise. „Hast du noch nie geschlafen?“ „Es war nicht nötig.“ „Dann fangen wir heute damit an.“ Sie nickte heftig. Er legte sich hin und zeigte auf den Platz neben sich. Lächelnd legte Baila sich neben ihn und schmiegte sich an ihn, als er sich und sie zudeckte. „Gute Nacht, Baila.“ „Gute Nacht, Subaru.“ Er schloss die Augen und war schnell eingeschlafen. Baila dagegen beobachtete ihn nach wie vor mit nachdenklichem Blick und fand die ganze Nacht hindurch keinen Schlaf. Am nächsten Morgen versammelte Salles wieder die gesamte Gruppe im Direktorat. Neben der normalen Gruppe waren auch Baila und Cynard anwesend. Letzterer war mit Katima und der Entschlossenheit, mitzukämpfen wieder in die Schule zurückkehrt. Salles begrüßte das durchaus, zusätzliche Kampfkraft konnten sie immer brauchen. „Wir sollen also... in das Hauptquartier eindringen?“, fragte Satsuki. „Wir alle?“ Der Brigadeführer nickte. „Ganz genau. Baila wird uns sozusagen die Tür öffnen. Heute werden wir endlich herausfinden, wer hinter diesem Anführer steckt.“ Thalia runzelte ihre Stirn. „Klingt ganz schön-“ „Aufregend!“, platzte es aus Sorluska heraus. „Ich bin dabei!“ Sie schlug sich die Hand vor die Stirn. „Idiot!“ Nozomi lachte vergnügt. „Klingt ganz nach Sor-kun. Wann fangen wir an, Salles-sama?“ „Sobald ihr alle bereit seid – das gilt auch für dich, Baila. Für dich wird es am Gefährlichsten.“ Er sah das Mädchen auffordernd an, sie neigte den Kopf. „Ich bin bereit.“ Er nickte zufrieden und sah zu Katima. „Was ist mit dir? Bist du schon bereit für eine neue Schlacht?“ Sie nickte. „Das bin ich.“ „Gut, dann gibt es nicht mehr viel zu sagen. Wenn wir alle fertig sind, gehen wir.“ Wenige Stunden später befand sich die gesamte Gruppe vor dem Schutzschild des Hauptquartiers. Baila trat mit ihrem Shinken vor. Als sie den Stab hob, löste sich das Schild lautlos auf. Sie drehte sich um. „Die anderen werden wissen, dass wir da sind, aber macht euch keine Sorgen. Ich werde sie ablenken und ihr begebt euch direkt in den Thronsaal. Ich habe Salles erklärt, wo er ist.“ Der Brigadeführer nickte. „Sei vorsichtig.“ „Pass auf dich auf, Baila“, stimmte Subaru zu. Sie zeigte den Hauch eines Lächeln, bevor sie sich umdrehte und davonlief. „Gut, wir gehen auch. Folgt mir.“ Salles lief voraus, die anderen folgten ihm gehorsam. Nozomu schmunzelte unwillkürlich. Wahrscheinlich hatte es keiner von ihnen bemerkt, aber abgesehen von Salles an der Spitze liefen sie alle in Zweierpärchen durch das Schloss. Wenn sie sich noch an die Hand genommen hätten, hätte das den Eindruck von Kindergartenkindern oder Grundschülern auf einem Ausflug noch verstärkt. Er lachte innerlich Rehme seufzte. „Bleib doch mal bei der Sache, Nozomu.“ Tut mir Leid. Aber es ist doch so. „... Stimmt irgendwie.“ Die Gänge des Schlosses waren verwaist, von irgendwo erklang das Tropfen von Wasser. „Sind hier die Wasserleitungen kaputt?“, fragte Zetsu spöttisch, um das Schweigen zu überbrücken. „Sei mal ernst, Zetsu“, zischte Thalia. „Du bist unmöglich!“ Er schnitt ihr eine Grimasse. Nozomu räusperte sich. „Streitet euch doch nicht. Wir haben was Wichtigeres zu tun. Nachher könnt ihr euch stundenlang schlagen.“ Thalia seufzte genervt. Vor einer doppelflügigen Tür blieb Salles wieder stehen. „Hier sind wir. Seid ihr alle bereit?“ Gespannt ließ er seinen Blick über die anderen schweifen, sie nickten. „Gut, dann gehen wir rein.“ Salles wandte sich wieder der Tür zu. Er hob die Hände und öffnete die Tür. Die Gruppe betrat den Saal, wo sie bereits von der verhüllten Gestalt erwartet wurden. „Willkommen.“ „Warum bist du zurückgekommen?“, fragte Azzurre. Baila sah die anderen Anführerinnen an. Jede einzelne erwiderte ihren Blick strafend und böse. „Salles-sama möchte Meister Ciar zur Rede stellen. Deswegen habe ich sie hierher gebracht.“ Ohne es zu merken, hatte sie die Eigenart der anderen angenommen, ihm das Suffix -sama anzuhängen. „Du hast WAS!?“, fauchte Shani. „Wie konntest du nur!?“ Sable und Yuina wirkten ebenfalls entsetzt. Baila dagegen hob beruhigend ihre Hand. „Es ist das Beste so, vertraut mir.“ Die anderen sahen Azzurre an, um zu erfahren, was sie nun tun sollten. Sie war völlig gefasst und sah das Mädchen nachdenklich an. „Und warum soll es das Beste sein? Ich bin neugierig, die Gründe für dein Handeln zu erfahren.“ Baila faltete ihre Hände. „Meister Ciar ist nicht das, was er vorgibt zu sein – und Salles-sama weiß das. Wir sollten nicht für jemanden arbeiten, der vorgibt, jemand anderes zu sein.“ „So ein Unsinn“, kommentierte Sable, aber Azzurre brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Kannst du das auch beweisen, Baila?“ Das Mädchen nickte. „Wir müssen nur das Gespräch von Nozomus Gruppe belauschen, dann werden wir es wissen.“ Azzurre nickte, was die anderen nur mit ungläubigem Schweigen quittierten. „Ihr habt Baila gehört, lasst uns gehen.“ Während sie mit dem Mädchen den Raum verließ, sahen sich die anderen drei ungläubig an. Keine von ihnen wusste, was sie davon zu halten hatte, aber wenn Azzurre als ihre Anführerin diesen Befehl gab, konnten sie sich nicht verweigern. Seufzend folgten sie den anderen beiden. Die Gruppe ging in Abwehrhaltung, doch die Gestalt auf dem Thron winkte ab. „Ihr müsst keine Angst haben. Ihr seid gekommen, um mir eine Frage zu stellen, nicht wahr? Ich bin bereit, sie euch zu beantworten. Langsam bin ich das Versteckspiel leid.“ Die anderen sahen sich fragend an, lediglich Salles wandte den Blick nicht von der Gestalt ab. „Wer bist du wirklich? Ich weiß, dass du nicht Kyouikuteki Ciar bist.“ „Das ist korrekt.“ Die Gestalt stand auf. „Und dieser Körper ist nicht mehr vonnöten.“ Der blaue Mantel fiel ihm von den Schultern und entblößte einen Körper, der völlig aus Ton zu bestehen schien. Zuletzt fiel die Maske – das Gesicht darunter war glatt und ohne jeden Ausdruck. Naya sog erschrocken die Luft ein. „Das... das ist kein Mensch...“ Bevor einer der anderen etwas sagen konnte, zerfiel der Körper zu Staub. Doch statt sich zu entspannen, sahen die anderen sich alarmiert um. Wo war derjenige, der diese Puppe gesteuert hatte? Salles' Blick hatte sich bereits wieder auf den Thron konzentriert, wo im nächsten Moment tatsächlich ein Mann erschien. Er hatte langes schwarzes Haar, orange-farbene Augen und trug über seiner weinroten Kleidung einen schwarzen Kapuzenumhang. „S-Sarosh...“ Adina schluckte schwer, Karfunkel knurrte leise. „Also bist du es.“ „Wer ist das?“, fragte Nozomu. Statt Adina oder Karfunkel antwortete Salles: „Das ist Sarosh, der dunkle Engel. Ciars Shinjuu.“ Sarosh seufzte. „Das ist wahr. Ciar war mein Meister.“ Seine Stimme klang spöttisch. Adina trat vor, das erste Mal, dass Nozomu sie wirklich wütend sah. „Wo ist Ciar!? Was hast du mit ihm gemacht!?“ „Warum interessiert dich das?“, stellte Sarosh die Gegenfrage. „Ist es nicht deine Schuld, dass du ihn aus den Augen verloren hast?“ „Das ist nicht wahr und das weißt du!“ Ein feines Lächeln bildete sich auf dem Gesicht des Shinjuu. „Ach ja? Ihr seid damals im Streit auseinandergegangen. Und wer war Schuld an dem Streit? Genau – du.“ Adina presste die Lippen aufeinander, so dass nur noch ein feiner weißer Strich zu sehen war. Nozomu schluckte die Frage nach dem Grund des Streits herunter. Eigentlich ging es ihn ja auch gar nichts an. Sarosh dagegen erfreute sich an Adinas schuldbewusstem Gesichtsausdruck. „Also ist es auch deine Schuld, dass ich ihm etwas antun konnte.“ „Was hast du ihm angetan?“, fragte sie flehend. „Das werdet ihr schon noch herausfinden.“ Er stand auf und ließ den schwarzen Stab in seiner Hand erscheinen. Adina sog noch einmal scharf die Luft ein. „Ciars Shinken...“ „Eigentlich ist es Yuas Shinken!“, erwiderte er wütend. „Yua ist die einzige, die diesem Shinken würdig war!“ Die anderen zuckten bei seinem plötzlichen Wutausbruch zurück. Funken sprühten von der Spitze des Stabes. „Jahrelang hat Ciar sich für besser gehalten als Yua! Aber das ist vorbei! Niemand wird je besser sein als Yua!“ Flügel, die aus Klingen zu bestehen schienen, schossen aus seinem Rücken und unterstreichten noch einmal seinen Zorn. „Auch ihr nicht!!“ Der Stab sendete eine Schockwelle aus, die die gesamte Gruppe zurückwarf. Adinas Ellenbogen schmerzten, als sie sich wieder aufrichtete. „Owww...“ Die anderen stöhnten ebenfalls, während sie versuchten, aufzustehen. „Ihr alle werde mitansehen, wie ich sämtliche Welten zerstöre, um einen neuen Ort für Yua und mich zu schaffen. Denn wenn keine Welt uns akzeptiert, werde ich uns unsere eigene Welt schaffen, indem ich alle anderen zerstöre!“ Nozomu deutete ein Kopfschütteln an. Er wollte etwas sagen, fand aber nicht die richtigen Worte dafür. Yua musste ihm viel bedeutet haben. Wie sollte man ihm diesen Plan nur ausreden? „Und jetzt werde ich euch aus dem Weg schaffen, damit ihr mir nicht mehr in meinem Plan herumpfuscht.“ „Was für ein Plan genau?“, fragte Thalia. Sarosh lachte humorlos. „Ah-ah-ah! Ich bin nicht so dumm, euch das zu verraten. Aber ihr könnt gern Ciar fragen – ich werde euch nämlich zu diesem Verlierer bringen.“ „Was?“, fragte Salles. Dann hat er Ciar gar nicht getötet? Aber was hat er dann mit ihm gemacht? Er hob erneut den Stab, der zu leuchten begann. „Ich wünsche euch allen viel Spaß. Auf Nimmerwiedersehen!“ Die Gruppe wollte sich widersetzen, ihre Waffen ziehen und sich in den Kampf stürzen, aber jeder einzelne fühlte sich wie gelähmt. Ein helles Licht hüllte die Gruppe ein – als es wieder erlosch, waren sie alle verschwunden. Sarosh lächelte leicht, die Flügel verschwanden wieder. Zufrieden ließ er auch den Stab verschwinden und begab sich in den Raum hinter dem Thronsaal. Die Anführerinnen betraten den Thronsaal. Während Baila zufrieden wirkte, schienen die anderen sauer zu sein. „Er hat uns reingelegt!“, wetterte Shani. „Unser Vertrag sieht keine Zerstörung ALLER Welten vor!“ „Ist das überhaupt möglich?“, fragte Yuina. Azzurre legte eine Hand an ihr Kinn. „Nun, wenn er auf dieser Welt genug Mana angesammelt hat, dürfte es funktionieren. Du hast doch selbst gesehen, dass sein Wutausbruch eben spielend leicht sogar die Eternal umgeworfen hat.“ „Und was tun wir jetzt?“, fragte Sable. „Wir verprügeln ihn!“, schlug Shani vor. Azzurre ließ ihre Hand wieder sinken. „Nein. Wir haben ihm so viel Macht verschafft, wir würden ihn niemals besiegen können. Aber es gibt jemanden, der das kann.“ „Und die wurden gerade woanders hingebracht“, erklärte Yuina. „Wie sollen wir sie retten?“ Baila runzelte ihre Stirn. „Vielleicht, wenn wir unsere Shinken benutzen, können wir das Tor zu dieser Dimension öffnen, in der die anderen sind.“ „Das wird aber schwer werden“, bemerkte Azzurre. „Seid ihr sicher, dass ihr das machen wollt?“ Die anderen nickten ohne zu zögern. Sie mochten es „böse“ zu sein, aber sie waren nicht wahnsinnig. Sie wussten, dass es auch ihr Untergang war, wenn Sarosh sein Ziel erreichte – und so wollte keine von ihnen sterben. „Dann gehen wir woanders hin“, schlug Azzurre vor. „Hier ist es zu gefährlich.“ Die anderen nickten. Gemeinsam verließen sie das Schloss, ohne zurückzusehen. Kapitel 38: Ciar und Yua ------------------------ Etwas zog an seinen Haaren. Er wollte die Hand heben, um den Störfaktor wegzuwischen, als er bemerkte, dass etwas auf seinem Arm lag. Widerwillig öffnete er seine Augen. Die groß gewordene Rehme kniete neben ihm und zog ihm immerzu an den Haaren, während sie auf ihn einzureden schien. Allerdings hörte er nur ein seltsames Rauschen. Sein Blick ging weiter. Satsuki lag auf ihm, was auch der Grund war, weswegen er seinen Arm nicht hatte heben können. Als sie sah, dass Nozomu wach war, wandte Rehme sich an Satsuki, um diese auch zu wecken. Der Eternal ließ solange seinen Blick schweifen, sofern es ging. Die anderen lagen oder saßen ebenfalls herum. Aber wo waren sie eigentlich? Der seltsame, von leuchtenden Linien durchzogene, Boden erinnerte Nozomu an den Ort, an dem Et Ca Repha gehaust hatte. Die Wände schienen genau auf demselben Prinzip zu funktionieren. Die weit entfernte Decke war mit Wurzeln durchzogen. Satsuki wachte schließlich auf, sagte etwas zu Nozomu und stand auf, worauf er sich ebenfalls aufrichtete. Satsuki sagte noch einmal etwas zu ihm, aber er zeigte nur auf seine immer noch rauschenden Ohren. Sie nickte verstehend und winkte Jatzieta zu sich. Die Ärztin schmunzelte nur – und hielt seine Nase zu. Als Nozomu erschrocken nach Luft schnappte, kehrten schlagartig alle Geräusche wieder zurück. Allerdings gab es ohnehin nicht viel zu hören, außer dem Murmeln der anderen Gruppenmitglieder, die sich langsam alle aufrichteten. Als alle aufrecht saßen oder standen und sichergestellt war, dass alle unverletzt waren, trat Nozomu an den Rand des Bodens. In der Ferne konnte er eine weitere Plattform erkennen, aber in der Tiefe erstreckte sich nur eine unendlich erscheinende Dunkelheit. Von irgendwoher schwebten farbige Partikel nach oben, doch lösten sie sich auf, bevor sie die Plattform erreichen konnten. Vorsichtshalber trat er zurück und ging zu den anderen. „Wo sind wir?“, fragte Nozomu. Salles hatte seine Augen geschlossen. „Es muss ein Nebenzweig des Labyrinths der Zeit sein.“ „Labyrinth der Zeit?“, fragte Ruputna mit großen Augen. „Ja, das ist ein Teil des Zeitbaums, in dem sozusagen der Hauptsektor zusammenläuft. Dort befinden sich auch die meisten hochrangigen Shinken, damit sie nicht gestohlen werden können. Sarosh muss uns hierher gebracht haben, wohl wissentlich, dass wir aus eigener Kraft nicht mehr herauskommen.“ „Kann Narukana uns nicht hier rausschaffen?“, fragte Zetsu grinsend. „Sie kann doch sonst alles.“ „Fang bloß keinen Streit an mit mir“, erwiderte sie gereizt. „Normalerweise wäre das kein Problem, aber wir sind hier nicht innerhalb meines Zeitbaums, deswegen kann ich hier nicht viel machen.“ „Owww, zu schade~“ Salles schüttelte seinen Kopf. „Wir haben keine Zeit für so etwas, bleibt bitte bei der Sache. Wir müssen Ciar finden. Sarosh hat gesagt, dass er ebenfalls hier ist.“ Die anderen nickten. Rehme und Nanashi standen gemeinsam mit Isolde und Karfunkel ein wenig abseits. „Aber was, wenn wir hier nie wieder rauskommen?“, fragte Nanashi ängstlich. Rehme seufzte. „Sei nicht immer so pessimistisch. Wir schaffen das schon.“ „Der Zwerg hat recht, Zwerg.“ Die beiden sahen Isolde genervt an, Karfunkel lachte nur leise. „Dann fangen wir mal mit der Suche an“, schlug Nozomu vor. Die anderen nickten zustimmend und folgten Salles, der automatisch wieder die Führung übernahm. Sie liefen stundenlang, so kam es Nozomu vor. Und genau so sehr hatte er den Eindruck, dass sie immer nur im Kreis liefen. Die Gegend veränderte sich kein bisschen, es geschah nichts, sie redeten noch nicht einmal miteinander. Bedrücktes Schweigen herrschte zwischen ihnen und zog die ohnehin schon am Boden kriechende Atmosphäre noch weiter hinab. Ein leises Lachen ließ die Gruppe innehalten. „Was war das?“, fragte Leana. „Wahrscheinlich ein Lakai“, antwortete Salles. „Hin und wieder gibt es Risse in den Dimensionen, so dass die Lakaien auch in dieses Labyrinth kommen können.“ Leana seufzte genervt. „Auch das noch.“ „Solange es nur einer ist, soll es mir egal sein“, meinte Zetsu. An einer Kreuzung blieben sie stehen. Das Kichern kam näher. Nozomu legte eine Hand auf Reimeis Griff, bereit, sein Shinken sofort zu ziehen, wenn der Lakai in Sichtweite kam. Doch was sich da in ihr Blickfeld begab, war mit Sicherheit kein Lakai. Ruputna kreischte erschrocken auf. „Was ist das!?“ Das Wesen sah aus wie ein eine missglückte Mischung aus Raupe und Mensch. Das Gesicht war zu einer ewiggrinsenden Grimasse entstellt, das dunkelrote Fleisch wirkte wund, aus offenen Stellen floss zähes, übelriechendes Sekret. Die gesamte Gruppe wich zurück. Zetsu hatte noch den Rest eines Grinsen auf dem Gesicht, aber selbst ihm verging bei diesem Anblick die Lust darauf, einen Witz zu reißen. „S-Salles-sama...“ Satsukis Stimme war nur ein klägliches Flüstern. „Was sollen wir tun?“ Ihre Stimme riss den Mann wieder aus seiner Starre. „Lauft!“ Er machte es vor und lief als erstes in eine andere Richtung davon. Die anderen folgten ihm eilig, während das das Wesen hinter ihnen wieder zu kichern anfing. Ein ekelhaftes Geräusch erklang, als es sich in Bewegung zu setzen schien, um ihnen zu folgen. Dies war einer der Momente, in denen Nozomu froh über sein Shinken war. Es gab ihm die Kraft, weiterzurennen, egal wie sehr seine Beine oder seine Lunge unter normalen Umständen schmerzen müssten. Genauso erging es auch den anderen mit ihren Shinken. Da keiner wusste, wohin sie rennen sollten, folgten sie weiterhin Salles – bis Adina plötzlich einen Schrei ausstieß. Abrupt blieb die Gruppe stehen und fuhr herum. Doch statt eines erwarteten Gegners, war nur das Mädchen zu sehen, das offensichtlich gestolpert und hingefallen war. Wenige Schritte von ihr entfernt lag ein kleines Kästchen offen auf dem Boden. Eine Melodie erklang daraus. Nozomu kniete sich daneben. Diese Melodie... ich kenne sie. Nozomi kniete sich neben ihn. „Das klingt... hübsch.“ Adina richtete sich hastig auf und hob die Spieluhr hoch. Irritiert blickte sie das Kästchen an. „Das kann nicht sein. Sie hat doch gar nicht mehr funktioniert...“ „Vielleicht hat der Sturz nachgeholfen“, mutmaßte Subaru. Sie hob nur die Schultern. „Was ist das für eine Melodie?“, fragte Nozomu neugierig. „Na ja... das ist die Spieluhrmelodie von einem Lied... dessen Namen ich vergessen habe. Es ist schon lange her, dass ich es zuletzt gehört habe.“ „Es muss ein westliches Lied sein“, bemerkte Nozomu. Zetsu nickte zustimmend. „Das Lied hieß sogar Music Box. Aber frag mich nicht, wie der Name der Band war. Den vergesse ich immer.“ „Woher weißt du so etwas?“, fragte Leana. Er zuckte mit den Schultern. „Internet.“ Fragend sah sie ihn, aber er ging nicht weiter darauf ein. Adina nickte. „Genau so hieß es. Und ja, es war eine westliche Band. Diese Spieluhr ist auch nur eine Sonderanfertigung – sie war unheimlich teuer. Ciar... hat dieses Lied geliebt.“ Sie schloss das Kästchen, worauf die Musik verstummte – dafür erklang ein Summen. Adina sah die anderen an, aber alle hoben unschuldig ihre Schultern. „Dann muss dieses Summen von...“ Salles ließ den Satz unbeendet, aber Adina lief bereits in die Richtung, aus der das Summen zu hören war. Die anderen folgten ihr eilig. In einer Sackgasse blieben sie wieder stehen. An einer Wand waren Ketten befestigt, die wiederum mit einer Person verbunden waren, die auf dem Boden saß. Das schwarze Haar, das im Nacken zusammengebunden war, hing der Person vorne wiederum Gesicht. Er trug einen zerschlissenen Trenchcoat, der wohl ehemals weiß gewesen war, darunter eine normale Hose und einen hellbraunen Pullover mit V-Ausschnitt. Das Summen kam eindeutig von ihm. Leana seufzte kaum merklich. Noch ein Streber? Adina kniete vor ihm. „Ciar! Was hat er mit dir gemacht?“ Der Mann hörte auf zu summen und hob den Kopf ein wenig. Er lächelte. „Adina... habe ich wieder Wahnvorstellungen?“ Karfunkel gesellte sich ebenfalls dazu. „Das sind keine Wahnvorstellungen, Ciar. Wir sind wirklich hier.“ Er sah das Shinjuu an. „Karfunkel... ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen.“ Salles kniete sich ebenfalls hin und machte sich an den Fesseln zu schaffen. „Wir sollten ihn erst einmal befreien.“ Ciars Blick ging zu ihm. „Salbar?“ „Das war mal“, antwortete Salles. „Inzwischen bin ich Salles Cworcs.“ Er hob den Kopf und betrachtete die anderen. „Ihr habt... ziemlich viele Freunde mitgebracht.“ „Das sind Murakumo no Nozomu und Narukana“, erklärte Adina lächelnd. „Sie haben mir geholfen, Saroshs Verkleidung auffliegen zu lassen – und dann sind wir hier gelandet... Im Endeffekt habe ich wohl alles noch schlimmer gemacht.“ Bei dieser Erkenntnis senkte sie schuldbewusst den Blick. Die anderen schwiegen, aber Rehme schüttelte den Kopf. „Ganz bestimmt nicht. Ich weiß nicht, warum... aber Nozomu hat immer mehr Glück als Verstand, das wird uns hier schon rausbringen.“ „Vielen Dank“, bemerkte Nozomu. Die anderen lachten. Ciar lächelte. „Es stimmt also, was man über euch sagt. Ihr seid ein Team.“ Die Gruppe nickte einvernehmlich. „Beneidenswert“, sagte er mit geschlossenen Augen. Adina presste erneut die Lippen aufeinander. Nozomu runzelte seine Stirn. Worüber hatten sie sich gestritten, dass sie glaubte, dass er ihr das tatsächlich noch nachtrug? Schließlich hatte Salles beide Fesseln gelöst. Ciar bedankte sich knapp. Er zog eine Brille aus seiner Tasche und setzte sie auf. „Ah, ich fühle mich schon viel besser.“ Er ließ seinen Blick schweifen, bevor er Salles wieder besorgt ansah und Adina dabei geflissentlich ignorierte. „Hat Sarosh euch von seinem Plan erzählt?“ Salles schob seine eigene Brille zurück. „Eigentlich nur von einem Teil. Er will alle Welten vernichten, um einen Platz für sich und Yua zu schaffen... aber was bedeutet das?“ „Ich werde wohl ein wenig ausholen müssen“, bemerkte Ciar, was die anderen zum Seufzen animierte. Er lachte. „Keine Sorge, ich bin ganz gut in Geschichten erzählen, anders als andere Leute.“ Ciar sah Adina nicht an, aber es war klar, dass er sie meinte. Sie wandte den Blick ab. „Dann fang mal an“, forderte Sorluska. „Vor vielen vielen Jahren lebten in dieser Welt zwei Frauen namens Ifurita und Yua.“ Nozomu hatte plötzlich den Eindruck, dass sich etwas veränderte, er sah eine Art Wand vor sich, auf der Wandmalereien das zeigten, was Ciar erzählte. Zwei Frauen erschienen auf dem Bild. Thalia hob eine Augenbraue. „Ifurita? Hieß sie nicht auch die Mumie, die du platt gemacht hast, Sor?“ Er nickte grimmig. „Oh ja.“ Ciar schmunzelte. „Jedenfalls waren diese Frauen beste Freundinnen und sehr abenteuerlustig. Eines Tages fanden sie bei ihrer Erkundung zwei hochrangige Shinken und schlossen einen Pakt mit ihnen, um Eternal zu werden. Ihre neue Macht half ihnen schließlich, den alten Diktator zu fällen und zwei neue Königreiche zu gründen.“ Neben den Frauen erschienen unzählige lachende Gesichter, aufgeteilt in zwei verschiedene Bereiche um die Frauen herum. „Doch Macht korrumpiert und so wurden beide über kurz oder lang – nicht zuletzt durch den Einfluss ihrer hasserfüllten Shinken – ebenfalls zu Diktatorinnen.“ Die lachenden Gesichter verzogen sich, bis sie wütend und schlecht gelaunt aussahen. „Doch wie von einem Eternal zu erwarten, konnte niemand die beiden besiegen.“ Auf beiden Seiten häuften sich tot daliegende Figuren. „Durch all diese Probleme hindurch blieben die beiden Freundinnen. Ihre Freundschaft war so stark, dass sie einen Eternal Oath ablegten.“ Man konnte sehen, wie die beiden Frauen ihre Shinken erhoben. „Was bedeutet das?“, fragte Zetsu. Genau wie Nozomu erinnerte er sich wieder an die Worte in der Höhle. Bedeutete das, dass die beiden Frauen dort diesen Schwur abgelegt hatten? Salles verschränkte die Arme vor der Brust. „Der Eternal Oath bindet die Orichalcum-Namen zweier Eternal einander, so dass sie sich auch in ihren darauf folgenden Leben immer wieder treffen. Normalerweise reicht die reguläre Bindung, die man zwischen Herzen aufbaut, um sich wiederzutreffen, aber der Schwur ist um einiges... effektiver.“ Ciar nickte zustimmend. „Da sich die Bewohner nicht mehr anders zu helfen wussten, begannen sie zu beten. Und eines Tages wurden ihre Gebete erhört und zwei Götter stiegen auf diese Welt herab.“ Zwei Gestalten erschienen auf dem Bild. Narukana schnaubte plötzlich. „Das ist Rogus!“ Sie zeigte auf den Mann. „Ich erkenne ihn ganz deutlich!“ „Und die andere?“, fragte Jatzieta. Narukana hob die Schultern. „Keine Ahnung... aber das ist auf jeden Fall Rogus!“ „Wie auch immer“, fuhr Ciar fort. „Die Götter versuchten die beiden Frauen zu maßregeln, aber Ifurita wollte nicht gehorchen. Also töteten die Götter sie, aber um zu verhindern, dass sie wiedergeboren wird, wurde ihr Name versiegelt. Ifurita schwor dafür Rache in ihrem letzten Lebensmoment.“ Man konnte sehen, wie Rogus Ifurita in einer Gruft ablegte. „Das schien seinen Zweck als Exempel erfüllt zu haben, denn Yua schwor fortan, nur das erdenklich Beste für ihr Volk zu tun. Ifuritas Land dagegen wurde einer rechtschaffenen Familie mit Namen Asturions zugesprochen.“ Eine Krönungszeremonie und eine demütig dreinblickende Yua wurde gezeigt. „In all dieser Zeit kamen Yua und ihr Shinjuu Sarosh sich gefährlich nahe.“ Yua wurde in einer innigen Umarmung mit dem Mann gezeigt, den sie im Thronsaal getroffen hatten. „Die Götter waren damit jedoch nicht einverstanden.“ Man konnte sehen wie Rogus und seine Begleiterin das Ganze beobachteten und darüber absolut nicht erfreut waren. „Ich verstehe nicht...“, sagte Naya. „Wenn das Shinjuu so menschlich ist, wieso ist es dann schlimm, wenn sie ein Paar sind?“ Salles seufzte. „Shinjuu und Menschen dürfen kein Paar sein, es bedroht die natürliche Ordnung der Welten. Es heißt, dass eine Katastrophe über den Zeitbaum hereinbricht, wenn eine solche Beziehung geduldet wird – oder sogar Früchte trägt.“ „Oh...“ Die anderen sahen sich schulterzuckend an. Nanashi rieb sich nervös über das Handgelenk, Isolde warf ihr einen vielsagenden Blick zu. Ciar räusperte sich, bevor er fortfuhr: „Die Götter verboten diese Beziehung, doch Yua und Sarosh wollten nicht hören. So kam es, dass man auch ihr den Tod androhte, doch die beiden widersetzten sich weiterhin, schworen, dass nicht einmal der Tod sie trennen könne.“ Es schien der Gruppe als würde der nächste Satz wirklich direkt aus Rogus' Mund kommen: „Selbst wenn euch der Tod nicht trennen kann – ich kann es.“ „Statt Yua zu töten, sperrte Rogus sie in einen Kristall voll annullierenden Mana und löste die Verbindung zwischen ihr und ihrem Shinken, wobei er Saroshs Erinnerung löschte.“ Die Bilder verschwanden, die Gruppe befand sich wieder im Labyrinth. „Wie ging es weiter?“, fragte Landis bedrückt. Ciar seufzte schwer. „Gewillt, einen neuen Meister zu finden, reiste das Shinken wieder umher und fand eines Tages mich, inmitten einer Feuerkatastrophe. Meine gesamte Familie war darin umgekommen – aber ich konnte durch den Pakt mit dem Shinken 'Keimou' überleben. Wenige Jahre darauf traf ich ein schwerverletztes blondes Mädchen, dem ich ebenfalls zu einem Pakt verhalf.“ Er nannte bewusst keinen Namen, was Adina durchaus zu verletzen schien. Sie hatte sich schon längst abgewandt und sah ihn eine andere Richtung. „Das Mädchen und ich reisten zusammen umher, bis wir uns wegen eines Streits trennten. Irgendwann kam ich in diese Welt, wo Sarosh seine Erinnerung wiederbekam – und mich dann hier einsperrte, um seinen Plan zu erfüllen.“ „Aber was genau hat er vor?“, fragte Thalia. Ciar stand endlich auf und lief einige Schritte, bevor er antwortete: „Ciar sammelt das Mana dieser Welt. Wie ihr selbst gemerkt habt, ist diese Welt voll davon, sie hat Mana im Überfluss. Damit nährt er den Kristall mit dem annullierenden Mana, in dem Yua eingeschlossen ist.“ Narukana sog scharf die Luft ein. Nozomu sah sie fragend an. „Was ist los?“ „Ich weiß, was er vorhat“, sagte die Göttin. „Er will den Kristall solange speisen, bis dieser der Energie nicht mehr standhalten kann.“ „Und was geschieht dann?“, hakte Zetsu nach. „Der Kristall zerbricht und es kommt zu einer Art schwarzem Loch.“ Die Gruppe hielt den Atem an – aber nicht für lange, denn plötzlich kratzte Sorluska sich am Kopf. „Äh... was bedeutet das denn?“ Thalia verpasste ihm eine Kopfnuss. „Hast du im Unterricht etwa nicht aufgepasst?“ „Mich interessiert das auch“, meldete Ruputna sich. Narukana seufzte theatralisch, aber noch bevor sie zu einer Erklärung ansetzen konnte, kam ihr Satsuki zuvor: „Schwarze Löcher verschlingen sämtliche Materie um sich herum. Nehmen wir an, du stehst neben einem solchen Loch, dann wirst du einfach eingesaugt.“ Ruputna quietschte erschrocken. „Und was passiert dann?“ Die Schulsprecherin hob die Arme. „Das weiß niemand.“ Ciar lächelte bitter. „In diesem Fall würde dein gesamter Körper in annullierendes Mana aufgelöst und damit zu einem Teil des Lochs werden, so dass es weiterwächst und noch mehr verschlingen kann.“ Ruputna schluckte schwer. Cynard runzelte seine Stirn. „Dass so etwas in meiner Welt existiert... unvorstellbar...“ „Ja, das ist wirklich nicht leicht zu verdauen“, stimmte Ciar zu. „Aber jetzt sollten wir uns nach einem Fluchtweg umsehen. Hier ist es nicht sonderlich sicher.“ „Aber Salles hat gesagt, hier kommen wir nicht aus eigener Kraft raus“, warf Landis ein. „Was sollen wir also tun?“ Als ob es nur auf diese Frage gewartet hätte, erschien plötzlich ein helles Licht an einer Wand. Ciar schmunzelte. „Scheint als hättet ihr da draußen noch Verbündete.“ „Das können nur die Minion Corps Leader sein“, meinte Salles. „Aber warum helfen sie uns?“ „Können wir sie das nicht später fragen?“, bemerkte Sorluska ungeduldig. „Lasst uns hier verschwinden!“ Die anderen nickten zustimmend und bewegten sich auf das Licht zu. Zetsu blieb plötzlich stehen und fuhr herum. Leana tat es ihm nach. „Was ist los?“ Das Lachen von vorhin erklang wieder. Leana verzog ihr Gesicht. „Nicht schon wieder.“ Die missgebildete Gestalt erschien vor ihnen. Nanashi und Isolde kamen ebenfalls zurück, beachteten das Wesen aber nicht weiter. „Meister, die anderen sind schon durch, wir sollten auch gehen.“ Zetsu nickte. Er fuhr herum und wich zurück. „Wo kommen die her!?“ Zwischen ihnen und dem Portal waren weitere dieser Wesen aufgetaucht, die sich kichernd auf sie zubewegten. „Auch das noch...“ Zetsu seufzte. „Okay, wenn es gar nicht anders geht...“ Statt sein Shinken zu ziehen, ergriff er Leanas Hand und begann zu rennen. Verwirrt rannte sie ebenfalls durch die Reihe der Angreifer hindurch, ihre Shinjuu direkt hinter ihnen. Ihr blieb nicht einmal mehr Zeit zu schreien, als Zetsu gemeinsam mit ihr in das Portal hechtete. Stöhnend richtete Nozomu sich auf. „Noch mehr solcher Bruchlandungen und ich breche mir etwas.“ „Sei nicht so empfindlich“, wies Shani ihn zurecht. „Sei froh, dass wir dich überhaupt gerettet haben.“ Sie schnitt ihm eine Grimasse. Seufzend wandte er sich an Salles. „Wie sieht es aus? Sind alle da?“ Das Portal hatte sich bereits wieder geschlossen, Baila hatte ihm erklärt, dass man es nicht so lange offenhalten könne, weil man nie wusste, was sich sonst noch hineinbegeben könnte. Allerdings lagen alle so verstreut, dass Nozomu keinerlei Überblick hatte. Der Brigadeführer erwiderte seinen Blick besorgt. „Ich fürchte nicht.“ „Wer fehlt denn?“, fragte die wieder klein gewordene Rehme. Salles seufzte leise, als er seine Augen schloss. „Zetsu und Leana.“ Kapitel 39: Eternal Oath ------------------------ Ratlos und verzweifelt ließ sie ihren Blick schweifen. Weit und breit war nichts zu sehen außer vertrocknete Bäume und ausgedörrtes Land. Bei ihrer Suche nach einem Versteck hatte sie sogar einen Fluss gesehen, dessen Wasser blutrot gewesen war. In unregelmäßigen Abständen war ein ohrenbetäubendes Kreischen von einem vermutlich riesigen Monster zu hören. Doch in dieser Höhle, so hoffte Leana, waren sie vor möglichen Angriffen geschützt. Zetsus Kopf ruhte auf ihrem Schoß, sein Atem ging regelmäßig, aber sie konnte ihm ansehen, dass es ihm nicht gut ging. Seit sie in diese Welt gekommen waren, schien es ihm immer schlechter zu gehen, aber inzwischen hatte sich sein Zustand einigermaßen eingependelt. Von den Shinjuu war nichts zu sehen. Wo waren sie hier nur gelandet? Und warum sah alles so trostlos und verlassen aus? Es gab niemanden, der ihr diese Frage beantworten konnte. Nicht einmal Zetsu, der einen tiefen und traumlosen Schlaf hatte und ihr sonst alles beantworten konnte. Die wichtigste Frage war aber: Wie sollten sie hier wieder wegkommen? Zetsus Zustand hing eindeutig mit dieser Welt zusammen, sie konnten also nicht bleiben, nicht einmal, wenn sie das gewollt hätten. Sie seufzte leise und lehnte sich zurück. Diese Welt war schon deprimierend genug, aber dann auch noch technisch gesehen allein zu sein, das gab Leana den Rest. Noch dazu machte sie sich Sorgen um Zetsu. Noch nie zuvor war es ihm so ergangen – wie lange würde dieser Zustand anhalten? „Zetsu... was haben wir nur angestellt?“ „Habt ihr sie immer noch nicht gefunden?“, murrte Sorluska. Azzurre seufzte. „Das geht nicht so schnell. Es gibt unzählige Möglichkeiten, wo sie gelandet sein könnten. Wir müssen jede einzelne ausführlich überprüfen.“ „Es ist schon zwei Tage her“, bemerkte Nozomu. „Können wir sie überhaupt noch finden?“ „Sei nicht so pessimistisch!“, fuhr Shani ihn an. „Wir haben bislang noch jeden gefunden, den wir suchen!“ „Über kurz oder lang“, ergänzte Yuina schmunzelnd. „So viel Zeit haben wir aber nicht!“, beharrte Nozomu. Sable hob eine Hand. „Ganz ruhig, ganz ruhig. Wir kümmern uns ja schon darum.“ Der Eternal stand auf, nickte ihnen zu und verließ den Raum. Sorluska blieb zurück. Nozomu legte den Weg zur Krankenstation zurück, wo Ciar sich aktuell befand. Der Junge fand es erstaunlich. Obwohl Ciar eine enorme Ähnlichkeit zu Salles aufwies, war er von seinem Charakter her ein wenig... anders. Nozomu war sich sicher, dass er nur noch auf der Krankenstation war, weil er es genoss, mit Jatzieta zu flirten – und sie machte auch ausgiebigen Gebrauch davon. Vor der Krankenstation fand Nozomu Adina, die immer noch schmollend davorstand. „He, Adina. Was ist los?“ Erschrocken zuckte sie zusammen und fuhr herum. „Oh, Nozomu...“ „Also? Was ist? Geh doch rein.“ Trotzig schüttelte sie mit dem Kopf. Fragend sah er sie an. „Warum nicht? Du hast Ciar doch so lange gesucht, du solltest dich entschuldigen.“ „Nein. Das will er doch gar nicht.“ „Bist du sicher?“ Diesmal war sie es, die ihn fragend ansah. Er schmunzelte. „Na ja, du bedeutest ihm ziemlich viel. Er sagte, er hätte Wahnvorstellungen von dir gehabt. Die hatte er, denke ich, nur, weil er oft an dich gedacht und sich nach dir gesehnt hat.“ „D-du verstehst da was falsch!“, sagte sie hastig. Ein rosa Schimmer legte sich auf ihr Gesicht. „Ich bin nicht verliebt in Ciar! Er ist... wie ein großer Bruder für mich.“ „Trotzdem stehst du hier und schmollst, weil er mit Jatzieta flirtet.“ Das saß. Sie zuckte zusammen und wich zurück. „W-was sagst du da!? W-wie k-k-kannst du...!?“ Anstatt weiter zu stottern, fuhr sie herum und lief eilig davon. Dafür erschien Karfunkel vor Nozomu. Das Shinjuu seufzte. „Manchmal kann sie so schwierig sein.“ „Wie alle Frauen“, stimmte Nozomu zu, was Karfunkel zum Lachen brachte. „Mach dir keine Sorgen“, sagte das Shinjuu plötzlich. „Sie werden deine Freunde bestimmt finden.“ Nozomu nickte zustimmend. „Das glaube ich auch.“ Ich hoffe nur, es geht ihnen gut. „Ich habe Hunger“, murmelte Leana. „Ich auch.“ Sie öffnete ihre Augen und sah auf ihn hinunter. Seine Augen gingen ziellos umher, während er versuchte, sich an das bisher Geschehene zu erinnern. „Du bist wieder wach“, stellte sie überflüssigerweise fest. Er nickte. Seufzend fuhr sie ihm durch das Haar. „Was ist nur los mit dir?“ „Es gibt hier... kaum Mana. Ein Eternal ist nichts ohne sein Mana.“ „Ich verstehe. Darum sieht es hier so... trostlos aus.“ Mit viel Mühe und Leanas Hilfe richtete er sich auf. „Wir müssen ein Tor finden, um hier wegzukommen. Jede Welt wäre besser als die hier. Und wenn wir in einer Welt mit Mana sind, kann Nanashi uns mittels des Spirit Corridor wieder zu den anderen bringen.“ Angewidert verzog Leana ihr Gesicht. „Dann müssen wir da wieder raus...? Zu diesen ganzen Monstern?“ „Monster? Das klingt doch interessant.“ Er versuchte zu lachen, aber aus seiner Kehle kam nur ein leises Krächzen. Es war ein bedrückender Moment für Leana ihn in diesem Zustand zu sehen. „Dann gehen wir lieber schnell“, sagte sie. Die beiden standen auf und verließen die Höhle. Die rote Erde knirschte unter ihren Schuhen, die trostlose Vegetation schien sogar Zetsu aufs Gemüt zu schlagen. Ziellos wanderten sie umher, um zumindest einen Hinweis auf Bevölkerung oder das Tor zu entdecken. Die kreischenden Schreie der Monster fuhren Leana durch Mark und Bein. Am liebsten wäre sie einfach aus diesem Albtraum aufgewacht, selbst wenn sie wieder in der Rosenwelt zu sich gekommen wäre. Alles war besser als das hier. Ihr Blick ging zu Zetsu. Sein Gesicht verriet die Strapazen und die Schmerzen, die seinen Körper durchfluteten. Wenn ich stärker wäre... könnte ich ihm helfen. Vielleicht sollte ich ihn ablenken... „He, Zetsu~“ „Was gibt’s?“ Er sah sie an, bemühte sich dabei zu lächeln, was ihm außerordentlich schwer fiel. Sie lächelte ebenfalls. „Ich habe mir überlegt, dass wir auch so einen Eternal Oath schließen könnten.“ „Weswegen?“, fragte er mit gerunzelter Stirn. Sie versuchte zu schmollen, so wie Nozomi es immer tat, aber es gelang ihr nicht. „Es ist doch... eine nette Idee. Außerdem... wenn wir uns nach dieser Sache wieder trennen, dann wäre dafür gesorgt, dass wir uns auf jeden Fall wieder begegnen.“ Sein Lächeln erlosch augenblicklich, er sah wieder nach vorne. „Du willst danach also wieder in deine Welt zurück?“ „Äh, na ja... eigentlich... hab ich darüber noch gar nicht sonderlich viel nachgedacht. Aber ich habe Verpflichtungen. Das verstehst du doch, oder?“ „Ja... natürlich.“ Er presste die Lippen aufeinander und sah stur nach vorne. Schuldbewusst senkte sie den Blick. Jetzt habe ich was Falsches gesagt. Schweigend liefen sie nebeneinander her. Es schienen Stunden zu vergehen, bevor Zetsu ohne Vorwarnung ihr Handgelenk packte und sie mit sich hinter einen Felsen zog. Hastig bedeutete er ihr still zu sein und deutete dann zur Seite. Leana sah hinüber – und zuckte unwillkürlich zusammen. Ein riesiges Wesen, ähnlich einer Eidechse, bewegte sich schwerfällig über den Boden. „Das ist... was ist das?“, wisperte sie. Er zuckte nur mit den Schultern. Nicht einmal in dieser Situation sagte er etwas. Ein weiteres Kreischen erklang, diesmal schien es gefährlich nah. Leana wandte den Blick. Jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. „Z-Zetsu... Zetsu...“ Als er nicht reagierte, zupfte sie an seinem Ärmel. „Was denn?“, fragte er genervt. Er wandte ebenfalls den Blick. „Auch das noch...“ Eine weitere Echse kroch in wenigen Metern Entfernung an ihnen vorbei. Vielleicht sieht es uns ja nicht. Kaum hatte sie den Gedanken gedacht, wandte das Wesen den Kopf. Es stieß einen lauten Schrei aus, als es sie entdeckte und kam überraschend schnell auf sie zu. Zetsu griff an sein Shinken, aber Leana stellte sich vor ihn. „Ich kümmere mich schon darum!“ Sie zog ihr Schwert und fing damit das Monster ab. Ein knirschendes Geräusch erklang, Schmerz zuckte durch Leanas rechten Arm. Das Wesen kreischte noch einmal – und fiel dann tot um. Blut floss aus seinem Maul, mit dem es auf die Waffe gestoßen war. Leana atmete erleichtert durch und sah auf ihren Arm. Keine Verletzung war zu sehen, woher war nur der Schmerz gekommen? Zetsu fuhr herum. „Das kommt jetzt auch.“ Das andere Wesen, das sie zuerst erblickt hatten, kam nun ebenfalls auf sie zu. Leana wollte wieder vorgehen, aber Zetsu hatte bereits sein Shinken gezogen. „Das übernehme ich.“ Die Stärke und die Eleganz schienen zurückgekehrt zu sein. Ob das etwas mit dem eben erlegten Monster zu tun hatte? Violettes Mana sammelte sich um ihn, 'Gyouten' begann silbern zu glühen. Leana starrte ungläubig hinüber. Ist das Divine Magic? Zetsu hob sein Shinken, als das Wesen nah genug dran war. Eine Serie von Schwertstreichen prasselten so schnell auf das Monster ein, dass Leana ihm nicht mit den Augen folgen konnte. Als das Glühen von 'Gyouten' wieder erlosch, fiel auch dieses Monster leblos zu Boden. Zetsu steckte sein Shinken wieder ein, Leana lief zu ihm hinüber. „Alles in-?“ Bevor sie den Satz beenden konnte, ging er bereits in die Knie. Besorgt kniete sie sich neben ihn. „Zetsu! Warum hast du...?“ „Ich konnte doch nicht zulassen, dass du die ganze Arbeit alleine machst.“ Sein Lachen ging schnell in ein Husten über. Hastig nahm sie einen seiner Arme, legte ihn sich um die Schulter und stand auf. Er ist so schwer... „Ich bringe dich in Sicherheit!“ Er wollte etwas sagen, doch es kam nur ein Seufzen dabei raus. Die ersten Schritte konnte er noch mitlaufen, doch schon nach wenigen Metern erschlafften seine Beine, so dass diese über den Boden schleiften und Leana ihn mit sich zerren musste. Tränen traten in ihre Augen, doch sie schluckte sie tapfer hinunter. Sie musste Zetsu retten, koste es, was es wolle. Er dagegen schien bereits wieder das Bewusstsein verloren zu haben. Ich wünschte, ich könnte auch einfach ohnmächtig werden. Aber ich muss ihm helfen. So wenig Leben es in dieser Welt auch gab, Leana fand erneut nach kurzem Suchen eine Höhle, in der sie Zetsu unterbringen konnte. Wieder legte sie seinen Kopf auf ihren Schoß und fuhr ihm durch das vom Schweiß verklebte Haar. Was soll ich nur tun? Was, wenn er stirbt? Warum musste er diese dumme Technik auch unbedingt jetzt lernen? Warum nicht in der Manawelt, so wie die anderen? Trotz der Anstrengung und der Aufregung, siegte die Erschöpfung über sie. Als ihre Augen zufielen, war sie bereits in Schlaf versunken. Sie erwachte, als eine Hand sanft über ihre Wange strich. Es kam ihr vor als hätte sie gar nicht geschlafen, so sehr schmerzte ihr ganzer Körper. Wieviel Zeit war wohl bereits vergangen? Trotz ihrer Besorgnis bemühte sie sich, Zetsu anzulächeln. „Wie geht es dir?“ Er versuchte ebenfalls zu lächeln, aber er schaffte es nur zu einer schiefen Grimasse. „Es ging mir schon besser. Leana...“ „Hmm? Was ist?“ „Wegen dem Eternal Oath... können wir ihn ablegen?“ Verwirrt sah sie ihn an. „Warum bist du plötzlich so dafür?“ Er seufzte. „Ich... werde das wohl nicht überleben.“ „Sag doch sowas nicht!“, rief sie erschrocken. „Wir kommen hier wieder raus! Nozomu und die anderen werden uns helfen, ganz sicher!“ Ihre Stimme zitterte. Egal wie überzeugend sie sich gab, tief in ihrem Inneren zweifelte sie ebenfalls daran, dass es so war. Die anderen wussten mit Sicherheit nicht einmal wo sie waren. „Bitte, Leana...“ Auch wenn es ihr widerstrebte, nickte sie zustimmend. Sie wollte fragen, was sie zu tun hatte, aber ihr Orichalcum-Name schien selbst zu wissen, was zu tun war. Automatisch nahm sie seine Hand. Die kryptischen Zeichen ihrer Namen begannen im Einklang zu glühen. „Gyouten no Zetsu schwört, auf ewig mit Vartanian verbunden zu sein.“ Im Gegensatz zu seinen letzten Sätzen, kamen diese Worte klar und deutlich aus ihm heraus. „Vartanian schwört, auf ewig mit Gyouten no Zetsu verbunden zu sein.“ Ein warmes, vertrautes Gefühl erfüllte ihr Innerstes bis in ihre letzte Faser. Sie wünschte sich, sich fallen lassen zu können und für immer darin zu versinken, auf immer diese wunderbare Emotion genießen zu können. Die Buchstaben schienen sich ineinander zu verknoten – und verschwanden genauso schnell wieder wie sie gekommen waren – und damit auch das Gefühl. Ich fühle mich... gar nicht so anders. Hat es funktioniert? „Hat es bestimmt“, beantwortete er ihre unausgesprochene Frage leise. Er schloss seine Augen wieder. „Leana, bitte... geh nie... wieder fort...“ Im nächsten Moment war er bereits eingeschlafen. Müde lächelnd fuhr sie ihm durch das Haar. Wenn das so weitergeht, komme ich ohnehin nicht weit. Als sie erneut erwachte, hörte sie ein lautes Donnern. Erschöpft hob sie den Blick und sah nach draußen. Dunkle Gewitterwolken hatten sich am Himmel zusammengebraut und verdunkelten diesen, Blitze erhellten für Sekundenbruchteile die Dunkelheit. Leana blinzelte verdutzt, als sie einige Meter von der Höhle entfernt eine Gestalt entdeckte. Euphorie machte sich in ihr breit. Sie waren nicht allein in dieser Welt, da war noch jemand! „Zetsu, da ist-“ Ihre leuchtenden Augen wurden sofort wieder stumpf, als sie erkannte, dass die Person, die dort stand, Zetsu selbst war. Außer ihr war niemand mehr in der Höhle. Hastig stand sie auf und ging zu ihm hinüber. „Zetsu! Es ist gefährlich, was machst du hier?“ Er atmete tief durch. „Ich hatte das Gefühl, in der Höhle zu ersticken.“ „Du solltest dich wieder hinlegen, du bist erschöpft.“ Entschieden schüttelte er seinen Kopf. „Nein, es... geht schon wieder besser.“ Wie als Gegenbeweis begann er zu husten. Leana legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Zetsu, bitte, sei nicht so leichtsinnig.“ „Lass uns weitersuchen“, lenkte er das Thema ab. „Ich will hier weg – und du willst sicherlich nach Hause.“ Sie seufzte lautlos, folgte ihm aber widerstandslos. Wieder einmal liefen sie scheinbar unzählige Stunden. Schließlich bewegte Zetsu sich nur noch schleppend vorwärts. Es zog Leanas Innerstes zusammen, als sie ihn dabei beobachtete. Nur weil ich so schwach bin... Mit einem lauten Seufzen ging Zetsu schließlich wieder in die Knie. Leana blieb neben ihm stehen. „Zetsu, komm, wir können nicht...“ Sie griff nach seinem Arm, doch er schubste sie weg. „Ich brauche dein Mitleid nicht.“ Erschrocken zuckte sie zurück. „Es t-tut mir Leid.“ Zetsus Stimmungsschwankungen waren fast noch furchteinflößender als diese gesamte Welt. Seufzend schüttelte er seinen Kopf. „Tut mir Leid, ich wollte dich nicht so anfahren.“ „Ist schon gut. Ich... wollte mich noch bei dir bedanken.“ „Wofür?“ „Für den Eternal Oath. Ich bin froh, dass du ihn zusammen mit mir abgelegt hast.“ Er lachte lautlos. „Ich auch – aber ich hatte gehofft, es wäre um einiges aufregender.“ „Ich auch“, gab sie zu. „Aber es war ein gutes Gefühl... fandest du nicht?“ „Das stimmt.“ Die beiden lachten einstimmig. Ein aufgeregtes Kreischen ließ beide zusammenfahren. Als Leana sich umsah, spürte sie wie jegliche Hoffnung aus ihr wich. „Es sind... Dutzende...“ Wie auch immer diese Wesen sich hatten unbemerkt anschleichen können, sie kamen inzwischen von allen Seiten. Zetsu lachte humorlos. „Scheint als wars das. Ich kann jedenfalls nicht mal meine Arme heben.“ „Ich werde dich beschützen!“, sagte Leana entschlossen. „Aber-“ Ihr entschiedenes Kopfschütteln unterbrach ihn. „Ich werde dich beschützen!“ Manafunken sammelten sich um sie. Zetsu sah sie erstaunt an. „L-Leana?“ Sie schloss die Augen und falteten ihre Hände. In ihrem Inneren hörte sie eine ihr unbekannte Melodie, die unbedingt von ihr in Worte gefasst werden wollte. Sie öffnete ihren Mund und setzte Silben zusammen, die für sie unbekannte Wörter ergaben. Völlig gedankenverloren sang sie so vor sich hin, während die hell glitzernden Manafunken um sie tanzten und Zetsu sie fasziniert beobachtete. Ihre Stimme bildete eine Einheit mit einer Melodie, die er nicht hören konnte, die unbekannten Worte flossen direkt aus ihrem Innersten und auch wenn er deren Bedeutung nicht erfassen konnte, fühlte er sich ergriffen. Ein glitzerndes Schild, geformt wie ein Diamant, bildete sich um Leana und Zetsu. Ein Schutz? überlegte er. Wird er halten? Sein Zweifel stellte sich sogleich als unbegründet heraus, als eines der Wesen bei einem Versuch das Schild zu durchbrechen kreischend zusammenbrach. Die anderen Wesen versuchten es ebenfalls, doch jedes einzelne scheiterte genau wie sein Vorgänger. Binne kürzester Zeit waren sämtliche ihrer Feinde besiegt. Zeitgleich ließ auch der Effekt der Divine Magic nach. Leana sank in die Knie, das Schild verschwand. Lächelnd legte sie ihre Arme um ihn. „Ich... habe doch gesagt, dass ich dich beschütze, oder?“ Er nickte. „Ja, das hast du.“ Ohne zu zögern glich er die letzte Distanz zwischen ihren Gesichtern aus und küsste sie. Leana erwiderte den Kuss. Wir werden hier wegkommen, ganz sicher. Es kann so nicht enden. Als sie sich wieder voneinander lösten, erschien ein Portal vor ihnen. „Ist das ein Tor?“, fragte Leana. Er schüttelte mit dem Kopf. „Jemand benutzt den Spirit Corridor.“ „Yo, Zetsu!“ Sorluska erschien mitten im Portal. Der Silberhaarige schmunzelte. „Das ist das erste Mal, dass ich froh bin, ihn zu sehen.“ Leana lachte und half Zetsu hoch. „Wir haben es gleich geschafft, dann geht es dir besser.“ Sorluska kam ebenfalls dazu und legte Zetsus anderen Arm um seine Schulter. Zusammen schafften sie es, den Silberhaarigen durch das Portal zu befördern. In der Monobe-Akademie fiel Zetsu wieder auf die Knie. „Puh... endlich.“ Leana wischte sich über die Stirn, setzte sich daneben und lehnte sich gegen ihn. „Ja...“ Ein Räuspern lenkte die Aufmerksamkeit der beiden nach oben. Sie hoben die Köpfe und sahen in Nozomus lächelndes Gesicht. „Willkommen zurück ihr beiden.“ Zetsu lächelte ebenfalls, sein erstes richtiges Lächeln seit einiger Zeit. „Es ist gut, wieder da zu sein.“ Leana lächelte zustimmend. „Oh... ja... das...“ Noch bevor sie den Satz beenden konnte, war sie bereits eingeschlafen, um sich endlich auszuruhen. Kapitel 40: Zerbrochen ---------------------- Zwei Tage später lief Leana genau wie Zetsu wieder quicklebendig durch die Monobe-Akademie. Die Zeit, die sie in der anderen Welt verbracht hatten, kam beiden inzwischen wie ein Albtraum vor, den man vergessen musste. Lediglich die Erinnerung an den Eternal Oath behielten beide in ihrem Herzen, wenngleich Zetsu immer einen verdrossenen Gesichtsausdruck zeigte, wenn er daran dachte, dass Leana nach der ganzen Sache wieder in ihre Welt zurückkehren wollte. Aber was hatte er auch erwartet? Bereits einmal hatte sie ihn verlassen, wie war er nur auf die Idee gekommen, dass es diesmal nicht so ablaufen würde? Bislang hatte er sich an die irrige Hoffnung geklammert, dass sie bei ihm bleiben würde, aber inzwischen hatte sie ihm bestätigt, dass sie das nicht tun würde. Wollte sie nicht oder konnte sie nicht? Vielleicht lag es ja an ihm. „Mache ich irgendwas falsch?“, fragte er seufzend. Nozomu, der genau wie die beiden Shinjuu mit ihm auf dem Dach saß, zuckte mit den Schultern. „Das solltest du sie schon selber fragen. Oder vielleicht lieber nicht. Die Tatsache, dass du so etwas fragst, könnte sie abschrecken. Das bist so gar nicht du. Früher warst du ganz anders.“ „Ich weiß, ich weiß.“ Seufzend sah Zetsu in die Entfernung. Nozomu machte es ihm nach. Ein Adler flog am Horizont und stieß dabei einen lauten Schrei aus. „Aber wenn du schon Leana nicht fragen kannst, frag doch Isolde“, schlug Nozomu vor. „Die steht dir doch sonst immer mit Rat und Tat zur Seite.“ „Gute Idee“, meinte Zetsu. „Uh-uh, schlechte Idee“, warf Rehme ein. Die beiden Eternal sahen sie fragend an, aber es war Nanashi, die weitersprach: „Wir haben Isolde seit dem Labyrinth der Zeit nicht mehr gesehen.“ „Was bedeutet das?“, fragte Zetsu. Rehme hob die Schultern. „Vielleicht ist 'Shoubi' beschädigt. Das kann dazu führen, dass das Shinjuu sich nicht mehr materialisieren kann.“ Beschädigt? Das könnte passiert sein, als sie eines der Wesen abgewehrt hat... „Das werde ich herausfinden.“ Der Silberhaarige stand auf, worauf Nozomu sich auf die frei gewordene Bank legte und die Augen schloss. „Erzähl mir dann, wie es gelaufen ist.“ Zetsu schmunzelte. „Geht klar.“ Er fuhr herum und ging davon. Nanashi und Rehme, die zurückblieben, setzten sich auf Nozomus Brust, was dieser mit einem leisen Grummeln zur Kenntnis nahm, sonst aber nichts weiter dagegen sagte. Zetsu betrat das Zimmer, in dem Leana sich aufhielt. Sie blickte hoch und sah ihn an. „Oh... Zetsu.“ Er war ihr in den letzten Tagen aus dem Weg gegangen, um herauszufinden, weswegen sie ihn wieder verlassen wollte. Allerdings war er allein nicht wirklich weitergekommen. Er blieb an der Tür stehen, weswegen sie ihn fragend ansah. „Was ist los?“ „Leana... wo ist Isolde?“, kam er ohne Umschweife auf den Punkt. Bedrückt sah sie wieder auf den Tisch hinunter. „Ich weiß es nicht...“ Langsam kam er näher. „Kann ich dein Shinken mal sehen?“ Wortlos reichte sie ihm das Schwert. Es kam ihm um einiges schwerer vor als sein eigenes Shinken. Sein prüfender Blick fuhr die Waffe hinauf und hinunter, bis er schließlich an einem haarfeinen und kaum sichtbaren Riss hängenblieb. Diese Monster haben es geschafft, das Shinken zu beschädigen... wie haben sie das nur gemacht? „Es ist kaputt, nicht?“, fragte Leana leise. Zetsu nickte. „Ja.“ Entmutigt sank sie auf dem Stuhl tiefer. Tränen traten wieder in ihre Augen. „Das kann doch nicht... das kann doch nicht sein...“ Er hob den Blick von dem Shinken und sah sie an. Fahrig fuhr sie sich mit der Hand über die Augen. „Jetzt bin ich nutzlos!“ Zetsu trat zu ihr und schloss sie fürsorglich in seine Arme. „Das ist doch nicht wahr. Red dir das nicht ein.“ „Aber was soll ich tun?“, fragte sie leise schluchzend. „Ich habe kein Shinken mehr. Ich kann euch nicht mehr helfen.“ Ihr ganzer Körper bebte, beruhigend strich Zetsu über ihren Rücken. „Wir können mit Salles reden. Vielleicht fällt ihm etwas ein.“ „Meinst du?“ „Ganz sicher.“ Er war sich selbst nicht sicher, aber fragen konnte nie schaden, oder? Mit sanfter Gewalt löste sie sich aus seiner Umarmung. Sie fuhr sich noch einmal über die Augen und nickte. „Fragen wir ihn.“ Zusammen suchten sie Salles in seinem Büro auf. Der Brigadeführer lauschte der Erklärung der beiden interessiert, aber mit vor Besorgnis gerunzelter Stirn. „Was waren das für Monster, die ein Shinken zerstören können?“ Zetsu seufzte genervt. „Ich habe sie nicht gefragt. Aber wenn du willst, bringen dich die Corps Leader vielleicht auch hin.“ Salles schmunzelte. „Schon gut. Also, was genau erwartet ihr jetzt von mir?“ „Dass dir etwas einfällt, was Leana nun tun kann.“ „Wie wärs mit nach Hause gehen?“, schlug Salles vor, was zu einem genervten Brummen von Zetsu und einem leisen Seufzen von Leana führte. Der Brigadeführer schob seine Brille zurück. „Das klingt nicht begeistert. Aber ich bin mir nicht sicher, ob dir der nächste Vorschlag besser gefällt, Leana.“ „Egal, ich will ihn trotzdem hören“, bestand sie. „Die Alternative wäre, dass du ein Eternal wirst.“ Er ließ die Worte auf die beiden wirken, wenngleich es zwei völlig verschiedene Reaktionen gab. Sie verzog ihr Gesicht, während Zetsu leicht schmunzelte. Ihm gefiel die Alternative sicherlich, würde das doch bedeuten, dass sie bei ihm bleiben würde. „Wie soll das funktionieren?“, fragte sie schließlich. „Du musst in das Labyrinth der Zeit zurückkehren und dort ein Shinken finden, das deinem Anspruch genügt und das dich auch unter Vertrag nehmen will.“ Sie seufzte noch einmal und sah auf den Boden. „Du musst die Entscheidung nicht sofort treffen“, warf Salles ein. „Überleg es dir am besten bis Morgen, das ist nichts, was man überstürzt entscheiden sollte.“ Leana nickte und verließ das Büro hastig wieder. Zetsu sah ihr hinterher, bis er bemerkte, dass Salles ihn musterte. Zetsu sah den Gelehrten an. „Was ist los?“ „Ich denke, die Entscheidung wird von dir abhängen. Du musst wohl für sie entscheiden.“ „Das ist mir nicht wirklich recht“, erwiderte er. Salles neigte den Kopf. „Das kann ich verstehen. Aber keine Sorge. Sie wird sich schon richtig entscheiden.“ Zetsu nickte und verließ das Büro ebenfalls. Die Neuigkeit, dass Leanas Shinken nicht mehr funktionsfähig war, verbreitete sich wie ein Lauffeuer an der Monobe-Akademie. Bereits wenige Stunden später wussten nicht nur die anderen Shinken-Träger sondern auch die normalen Schüler davon – und alle überlegten, wie es nun weitergehen sollte. Seufzend saßen Satsuki, Nozomi und Naya zusammen im Raum des Schülerbeirats. Der von Cheiron gekochte Kaffee dampfte in den Tassen, während sie über die Sachlage nachdachten. „Also, mir würde Leana nicht fehlen“, bemerkte Naya. „Sie hat eh nie mit uns gesprochen.“ „Aber Zetsu-kun würde sie vermissen“, erwiderte Nozomi. „Er mag sie sehr.“ „Er liebt sie“, korrigierte Satsuki. „Bestimmt würde er wieder depressiv werden, so wie vorher.“ Nayas Ohren zuckten. „Hmm~ das war wirklich nicht schön, ~jiyaaaa.“ Die Schulsprecherin nickte. „Ganz genau. Salles-sama hat gesagt, dass Leanas Entscheidung von Zetsu-kun abhängen wird.“ Nozomi seufzte. „Er wird bestimmt nicht mit ihr vorher reden. Er ist manchmal so kompliziert.“ Die anderen beiden nickten zustimmend. Satsuki legte eine Hand an ihr Kinn. „Hmmm, vielleicht könnten wir Zetsu-kun ja überreden, mit ihr zu sprechen?“ Nozomi hob eine Augenbraue. „Ist das wirklich eine gute Idee?“ In einem Zug trank Satsuki ihre Tasse leer, bevor sie aufstand. „Natürlich ist es das! Wir werden Zetsu und Leana zu ewigem Glück verhelfen!“ Die beiden anderen Mädchen wichen aufgrund dieses Enthusiasmus unwillkürlich zurück. Satsuki huschte als erstes hinaus, Nozomi und Naya sahen ihr ratlos hinterher. „Warum ist sie so erpicht darauf, die beiden für immer zusammenzubringen?“, fragte das Katzenmädchen. „Na ja, sie verkuppelt gerne, glaube ich... Und sie mag Zetsu-kun wohl.“ „Folgen wir ihr lieber.“ Sie standen auf und folgten Satsuki, die bereits draußen auf sie wartete. „Wo bleibt ihr denn? Kommt endlich. Wir haben nicht ewig Zeit.“ „Wir sind ja schon unterwegs.“ Zu dritt suchten sie Zetsu in seinem Zimmer auf, in dem er seit ein paar Stunden saß und an die Wand starrte. Er verdrehte die Augen, als er die kleine Gruppe sah. „Was wollt ihr denn?“ „Mit dir reden“, erklärte Satsuki fröhlich. „Muss das sein?“, erwiderte er unbegeistert. Die Schulsprecherin nickte und setzte sich auf einen Stuhl. Nozomi und Naya blieben stehen und sahen sie an, genau wie Zetsu. „Also?“ Wenn es schon sein musste, konnte er es auch hinter sich bringen. „Hast du vor, mit Leana zu reden?“ „Worüber?“ Satsuki beugte sich vor und verpasste ihm eine Kopfnuss. „Idiot. Willst du sie einfach wieder in ihre Heimatwelt zurückkehren lassen? Dir ist bewusst, dass du sie dann nie wiedersehen wirst?“ Er nickte schweigend. „Wenn du sie liebst, solltest du ihr sagen, was du darüber denkst. Du musst ihr die Entscheidung nicht abnehmen, aber du solltest ihr sagen, wie du dich fühlst. Das schuldest du ihr.“ „Glaubst du?“ Sie verpasste ihm noch eine Kopfnuss. „Natürlich, sonst würde ich das doch nicht sagen.“ „Hör endlich auf damit. Nagamine, was sagst du dazu?“ Er sah Nozomi an, die verlegen lächelte. „Na ja, ich bin derselben Meinung wie Senpai. Sonst wirst du ihr am Ende ewig nachtrauern.“ Nachdenklich senkte Zetsu seinen Blick. Naya schnaubte. Mich fragt er nicht? Schließlich stand er auf. „Okay, ich werde mit ihr reden.“ Die Mädchen lächelten zufrieden. „Sehr gut~“ Er tätschelte noch Nayas Kopf, bevor er den Raum verließ. „Idiot, ~jiyaaa.“ Zetsu legte den Weg zu Leanas Zimmer zurück. Dabei dachte er an die Zeit in dieser seltsamen Welt zurück. Möglicherweise wollte sie auch kein Eternal werden, aus Furcht, dass sie wieder einmal in einer solchen Umgebung landen und es ihr dann genau wie ihm gehen könnte. Aber ohne funktionierendes Shinken würde sie es auch in ihrer Heimat schwer haben. Er erinnerte sich daran, dass sie oft Kraft aus dem Schwert geschöpft hatte, um alles erledigen zu können. Was würde sie ohne Shinken machen? Er wusste es nicht und sie höchstwahrscheinlich auch nicht. Vor ihrer Tür blieb er stehen und nach einem kurzen Klopfen hinein. Sie lächelte nicht, als sie ihn ansah. „Was ist los?“ „Ich wollte nur kurz mit dir reden.“ Sie bot ihm einen Stuhl an, er setzte sich. „Leana... ich will dir deine Entscheidung nicht abnehmen. Niemand kann dir deine Entscheidung abnehmen.“ Sie nickte nur, er fuhr fort: „Ich will dir nur sagen, dass ich jede deiner Entscheidungen akzeptieren werde. Ich kann es verstehen, wenn du kein Eternal werden willst. Die Verantwortung und der Druck, der auf einem lastet, kann ziemlich hart sein. Noch dazu ist man gezwungen, in unregelmäßigen Abständen eine liebgewonnene Welt zu verlassen, weil man diese sonst zerstören könnte. Und all deine Freunde und die, die du kanntest, kennen dich nicht mehr.“ Ein melancholisches Gefühl überkam ihn. Schweigend sah sie ihn an. Ihr Gesicht verriet nicht, was sie dachte oder fühlte. „Ich... wäre traurig, wenn du wieder nach Hause gehen würdest. Ich weiß, dass ich dich in deinem jetzigen Leben nicht mehr sehen würde und ich würde dich wirklich vermissen. Aber wenn du dich entscheidest, wieder nach Hause zu gehen, könnte ich das verstehen und ich würde es akzeptieren. Solange du glücklich bist, bin ich zufrieden. Mir bliebe nur noch, mich bei dir zu entschuldigen, weil dein Shinken nur durch mich zerstört werden konnte.“ Leana seufzte leise. „Das war alles, was ich dir sagen wollte.“ Sie nickte ihm zu, schwieg aber nach wie vor. Er fuhr herum und verließ das Zimmer wieder. In seinem Inneren fühlte er sich nicht wirklich besser. Die Ungewissheit über Leanas Entscheidung nagte immer noch an ihm. Könnte er wirklich zufrieden sein, wenn sie wieder nach Hause ging? Seufzend lehnte Leana sich zurück. Hmmm... das vereinfacht mir das Ganze. „Das ist schon deine dritte Portion Ramen heute“, warf Jatzieta ein. „Wie viele willst du noch?“ Ciar leerte die Schlüssel und bat inständig um noch eine. „Ich habe mehr als vier Monate nichts richtiges zu essen gehabt, ich bin hungrig.“ Subaru lachte, als er Ciar eine weitere volle Schüssel hinstellte. „Jatzieta-san meint es nicht so.“ Da sie kein Cup Ramen mehr hatten, hatte Subaru sich bereit erklärt, Ramen selbst zu machen, wenn das jemand wollte. „Wo ist eigentlich Baila?“, fragte die Ärztin, um von sich selbst abzulenken. „Sie schläft. Seit sie weiß, was das ist, macht sie das gerne.“ „Kann ich verstehen“, meinte Ciar zwischen zwei Bissen. Salles, der das Quartett vervollständigte, schmunzelte. „Es ist auf jeden Fall ein angenehmer Zeitvertreib.“ Die Unterhaltung der Vier wurde unterbrochen, als Leana in den Speisesaal kam. Die Aufmerksamkeit aller wandte sich ihr zu. „Leana, was ist los?“, fragte der Brigadeführer neugierig. „Du solltest doch bis morgen überlegen.“ Sie nickte. „Aber das ist nicht mehr nötig. Ich habe meine Entscheidung getroffen. Subaru, könntest du vielleicht Zetsu holen?“ Der Bogenschütze nickte. „Selbstverständlich.“ Hastig ging er los, um nach dem Silberhaarigen zu suchen. „Wie sieht deine Entscheidung aus?“, fragte Salles. „Ich möchte warten, bis Zetsu da ist, wenn das okay ist.“ Er nickte verstehend. Nach wenigen Minuten kam Subaru mit einem fragend dreinblickenden Zetsu in den Speisesaal. Salles sah Leana auffordernd an. Sie holte tief Luft. „Ich habe mich entschieden. Ich werde ein Eternal.“ Kapitel 41: Im Labyrinth der Zeit --------------------------------- „Ich weiß nicht, was unheimlicher ist“, bemerkte Subaru leise. „Ein schlecht gelaunter Zetsu, der Nozomu umbringen will oder ein so gut gelaunter Zetsu.“ Jatzieta schmunzelte. „Ich finde letzteres eher süß.“ Genau wie die anderen Anwesenden beobachtete sie Zetsu bei seinem kleinem euphorischen Ausbruch – wenngleich der sich darauf beschränkte, dass er strahlte wie ein Kind an Weihnachten und Leana fast schon erdrückte. Salles schmunzelte ebenfalls bei dem Anblick. Er hatte damit gerechnet, dass Zetsu sich freuen würde, aber gleich so? Leana schien etwas aus dem Eternal hervorzuholen, das sonst niemand sehen konnte. Salles fand das äußerst interessant und wert, weiter beobachtet zu werden. Allerdings gab es nun wichtigere Sachen zu tun. Der Brigadeführer räusperte sich. Verlegen löste Leana sich aus Zetsus Umarmung und wandte sich Salles zu. Allerdings ließ der überglückliche Eternal sich nicht so leicht abschütteln und umklammerte sie nun von hinten. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Wie geht es nun weiter?“ „Ciar und ich werden dich ins Labyrinth der Zeit bringen. Dort musst du eines der Shinken finden, das dich unter Vertrag nehmen will. Das kann einige Zeit dauern...“ Mich unter Vertrag nehmen will? Wie habe ich mir das vorzustellen? „Kann ich mitgehen?“, fragte Zetsu sofort. Salles und Ciar tauschten einen Blick miteinander. „Ich weiß nicht genau, ob das eine gute Idee ist.“ „Warum?“, fragte Jatzieta neugierig. Ciar wandte sich ihr lächelnd zu. „Erst einmal kann es wie gesagt, sehr lange dauern, in diesem Labyrinth umherzuirren. Und dann wäre Zetsu außerdem ziemlich überflüssig – außer einigen schwachen Lakaien gibt es dort nichts für ihn. Salles nickte zustimmend. „Für diese Lakaien würde eines der Crystal Children der Brigade reichen.“ „Was für Dinger?“, fragte Leana. „Ah ja, du kennst sie nicht“, stellte Salles fest. „Ich werde sie dir vorstellen, wenn du und Zetsu wieder da seid.“ „Dann heißt das, ich darf mit?“, fragte Zetsu. Der Brigadeführer nickte. „Auch wenn ich mir der Sachen bewusst bin, die Ciar angebracht hat, ist mir dennoch klar, dass es besser ist, wenn du mit ihr gehst. Du wärst wahrscheinlich zu ohnehin nichts zu gebrauchen.“ Zetsu lachte. „So siehts aus.“ Ciar seufzte theatralisch. „Okay, dann bringen wir euch beide dorthin. Aber beeilt euch bitte. Ich bin ziemlich sicher, dass Sarosh demnächst seinen Plan vorantreiben wird.“ „Hat er denn überhaupt noch Untergebene?“, fragte Jatzieta. Der Mann zuckte mit den Schultern. „Bei Sarosh weiß man nie.“ „Könnt ihr das später klären?“, fragte Leana. „Ich würde das gern schnell hinter mich bringen.“ „Selbstverständlich.“ Salles stand auf und bedeutete Ciar dasselbe zu tun. Zu viert gingen sie ins Direktorat. „Ich habe noch eine Frage“, meldete Zetsu sich. „Wie kommen wir am Ende wieder zurück?“ „Das Shinken wird euch aus dem Labyrinth rausbringen – aber seht zu, dass ihr einige Meter entfernt von Monobe landet. Höchstwahrscheinlich werden einige hier sich nicht mehr an Leana erinnern und es als Bedrohung ansehen, wenn sie plötzlich einfach da ist.“ Zetsu und Leana nickten. „Verstanden.“ Salles zog sein Shinken und hob es hoch, es leuchtete hell. Ciar, dessen Shinken immer noch in Saroshs Besitz war, hob einfach seine Hand, die zu glühen begann. Erneut öffnete sich ein Portal vor ihnen. Leana griff nach Zetsus Hand und atmete tief durch. Der Silberhaarige drückte aufmunternd ihre Hand. „Gehen wir.“ Sie nickte, machte aber keine Anstalten, etwas zu tun. Zetsu ergriff die Initiative und lief los, Leana hinter sich herziehend. Erst als sie durch das Portal getreten waren, hielt er wieder an. Der Zugang schloss sich wieder. Dafür offenbarte sich vor den beiden ein riesiges Tor, das geradezu einlud, das Labyrinth zu betreten und sich darin für immer zu verlaufen. Leana hatte das Gefühl, dass es tatsächlich so sein würde, wenn sie erst einmal drin war. Nachdenklich sah sie auf ihre Hand, die immer noch von der von Zetsu gehalten wurde. „Mhm... sag mal...“, begann sie. Fragend sah er zu ihr. „Was ist los?“ „Warum bist du mitgegangen? Vielleicht wirst du die anderen so nie wiedersehen?“ Er seufzte leise, bevor er lächelte. „Eigentlich solltest du das inzwischen wissen. Aber ich kann es dir auch einfach mal direkt sagen: Ich liebe dich, Leana. Deswegen begleite ich dich hierher.“ Sprachlos sah sie ihn an. Es war das erste Mal, dass er ihr diese Worte sagte. Bislang hatte er ihr über andere Wege zu verstehen gegeben, was er empfand, aber noch nie zuvor hatte er es in Worte gefasst. Doch noch bevor sie das richtig verarbeitet hatte oder gar darauf reagieren konnte, sah er bereits wieder zum Tor. „Gehen wir!“, sagte Zetsu noch einmal enthusiastisch und lief los. Leana, die immer noch seine Hand hielt, folgte ihm direkt. Für eine Weile liefen sie schweigend durch die stillen Gänge. Lediglich ein leises Geräusch, das direkt aus den Wänden zu kommen schien und ihre Schritte begleiteten ihre Wanderung. Allerdings war dieses Schweigen um einiges angenehmer als in der Welt ohne Mana. „He Zetsu... wenn ich auch ein Eternal bin... werden wir dann immer zusammenbleiben?“ Er nickte ihr lächelnd zu. „Das werden wir.“ Sie erwiderte sein Lächeln. „Dann war diese Entscheidung wirklich richtig.“ „Hast du daran gezweifelt?“ „Na ja, fandest du es so toll, Eternal zu werden?“ Skeptisch sah sie ihn an. Er hob die Schultern. „Besser als früh zu sterben, oder? Vielleicht wird es irgendwann mal langweilig, aber bis dahin gibt es noch viel zu sehen und zu tun.“ Leana nickte. „Genau diese Einstellung will ich auch haben.“ „Die kriegst du bestimmt noch.“ Damit versanken sie wieder in Schweigen. Doch diesmal hielt es nicht lange. Drei Lakaien erschienen vor ihnen. Zetsu blieb stehen und ließ ihre Hand los. „Ich kümmere mich darum, bleib zurück.“ Sie wollte widersprechen, aber ihr fiel wieder ihr kaputtes Shinken ein, weswegen sie einen Schritt zurücktrat. Zetsu dagegen zog 'Gyouten'. Er machte einen Schritt vor und verschwand – nur um hinter dem grünen Lakaien wieder zu erscheinen. Er rammte sein Shinken dem Wesen in den Rücken, worauf es sich in Manafunken auflöste. Direkt im Anschluss baute Zetsu ein Schild auf. Der Angriff des blauen Lakai prallte daran ab. Der rote Lakai beschwor einen Feuerball, dem Zetsu spielend auswich. Sein Angreifer von eben schaffte dies jedoch nicht mehr und löste sich auf. Der Eternal wandte sich dem letzten Feind zu. „Chaos Impact!“ Unter dem Lakai öffnete sich ein schwarzes Loch, eine Klaue schoss daraus hervor und zerquetschte den Gegner. Zetsu steckte sein Shinken wieder ein. „Das wars.“ Leana lief wieder zu ihm und nahm wieder seine Hand. „Mein Held~“ Er lachte. „Ach, das war doch gar nichts. Lass uns weitergehen. Wer weiß, wie lange wir schon hier sind?“ Sie nickte zustimmend. Gemeinsam liefen sie weiter. Die Umgebung änderte sich nicht, egal wie oft sie eine andere Abzweigung wählten. Irgendwann seufzte Leana. „Denkst du, wir werden hier für immer herumirren?“ Er schmunzelte. „Selbst wenn: Immerhin sind wir zusammen.“ Lächelnd sah sie ihn an. „Du hast recht.“ Sein selbstsicheres und sorgloses Auftreten machte ihr erneut Mut. Ob ich irgendwann auch mal so werden kann? Ohne weitere Zwischenfälle gelangten sie in eine Sackgasse. Ein helles Licht leuchtete vor ihnen. Es war kein Portal, stattdessen schien dieses Licht komplett aus Mana zu bestehen. „Ist das... ein Shinken?“, fragte Leana? „Es könnte eines sein... ein formloses.“ „Gut erkannt“, sprach eine Stimme, die von überall zu kommen schien. Zetsu und Leana sahen sich um, aber beide kamen zu dem Schluss, dass es das Shinken sein musste, das mit ihnen redete. Sie blickten wieder auf das Licht. „So, Leana Vartanian, du bist also hier, weil du einen Pakt schließen willst?“ Sie hob ihr Shinken. „Ich möchte, dass dieses Shinken wieder ganz ist – und wenn ich dafür ein Eternal werden muss, dann werde ich das tun.“ Die Stimme lachte. „Ich verstehe. Aber dafür musst du dich erst einer Prüfung unterziehen?“ „Eine Prüfung?“ Kaum hatte sie das gesagt, fand sie sich selbst inmitten eines Sternenmeers wieder. Unter ihr existierte kein Boden, auch keine Wände waren zu sehen. „Was...?“ „Nur keine Sorge, dir wird nichts passieren. Ich habe nur einige Fragen an dich.“ Leana sah sich um, aber es war nichts zu sehen, also sah sie einfach weiter geradeaus und lauschte der Stimme. „Warum willst du ein Eternal werden? Du bist dir über die Konsequenzen bewusst und nimmst es trotzdem in Kauf – weswegen?“ Leana atmete tief ein. „Ich möchte bei Zetsu bleiben und ich möchte nicht nutzlos sein. Ohne Shinken bin ich aber genau das. Ohne mein Shinken kann ich nichts tun...“ „So... ich schließe aus deinen Worten, dass es dir hauptsächlich um deine Liebe geht.“ Sie erwiderte nichts darauf, immerhin hatte ihr Gesprächspartner recht. „Du würdest deine gesamte Vergangenheit, deine Heimat und deinen Status für den silbernen Tagesanbruch opfern? Was, wenn die Liebe irgendwann vergeht? Keine Liebe hält ewig.“ Leana legte eine Hand auf ihr Herz. Sie dachte wieder an das warme Gefühl zurück, als sie den Eternal Oath abgelegt hatte. „Ich denke... diese Liebe wird bis zum Ende halten.“ Sie konnte ein leises Schmunzeln in der Stimme hören, als diese weitersprach: „Du gehst also nicht davon aus, dass du gemäß eines Eternal ewig leben wirst?“ „Nichts lebt für ewig“, erwiderte sie. „Auch wenn ein Eternal nicht an Altersschwäche stirbt, er kann durch andere Umstände getötet werden.“ „Weise Worte. Das habe ich nicht erwartet.“ Leana lächelte zuversichtlich – und begann plötzlich zu fallen. Erschrocken kreischte sie auf. „Wie groß ist deine Selbstsicherheit jetzt? Ein Eternal kann nie wirklich in Sicherheit sein.“ Sterne rauschten an ihr vorbei, sie kniff die Augen zusammen und faltete die Hände vor ihrer Brust. „Eternal ziehen das Unglück an, immer sind sie und alle um sie herum in Gefahr. Bist du sicher, dass du dieses Risiko in Kauf nehmen willst?“ Angestrengt versuchte sie nachzudenken. Sollte sie das wirklich in Kauf nehmen? Sie dachte an ihre Heimat zurück, den schweren Duft der Rosenblüten, den sie so gehasst hatte. Sie dachte an Prinz Alvis, an ihre rechte Hand Faris, an alle Ritter und Bewohner der Königreichs. Würden sie diese Entscheidung akzeptieren? Was würde ihre Familie dazu sagen? Doch zwischen all diesen Fragen sah sie immer wieder zwei Gesichter, die ihr bei ihrer Entscheidung weiterhalfen. Schließlich öffnete sie ihren Mund. „Ja, das will ich. Für Zetsu – und Isolde!“ Ihr Shinjuu fehlte ihr, das war noch ein Grund, weswegen sie ein Eternal werden wollte, sie wollte Isolde wiederhaben und wenn es nur so ging, dann ging es nur so. Der Fall stoppte abrupt. Verwirrt sah Leana sich um. Sie stand wieder gemeinsam mit Zetsu im Labyrinth vor dem hellen Leuchten. „Was ist passiert?“, fragte der Silberhaarige. Sie schüttelte nur den Kopf und sah wieder auf das Licht, das erneut zu sprechen begann: „Ich gratuliere dir, Leana. Ich werde einen Pakt mit dir eingehen. Du wirst Shoubi no Leana sein.“ „Aber das ist doch der Name meines Shinken... bedeutet das...?“ „Vollkommen richtig. Ich bin der verlorene Wille deines Shinken.“ Zetsu schmunzelte. Ich habe mich schon gewundert, was mit dem Willen passiert, wenn das Shinken kaputtgeht. Er kehrt also hierher zurück und wartet auf einen Bündnispartner. Das Licht ging auf 'Shoubi' über und ließ den Riss verschwinden. Leana konnte fühlen, wie die Macht wieder in die Waffe zurückkehrte. Gleichzeitig fühlte sie, wie eine neue Form von Energie sie durchströmte, sie glaubte sogar jeden einzelnen Manapartikel in der Luft spüren zu können. „Hat es funktioniert?“, fragte Zetsu. Sie wandte sich ihm zu und nickte. „Oh ja!“ Hastig umarmte sie ihn. Er erwiderte die Umarmung lächelnd. „Dann bleiben wir jetzt wohl für immer zusammen.“ „Ja... nur du, ich, Nanashi und Isolde.“ Wie auf Befehl erschien das Shinjuu in diesem Moment. „Ah, endlich! Ich dachte schon, ich komme da nie wieder raus~“ „Willkommen zurück, Isolde“, sagte Zetsu lächelnd. Leana löste die Umarmung und sah das Shinjuu glücklich an. „Es ist gut, dass du wieder da bist.“ Isolde grinste. „Oh ja, ich werde endlich wieder die Zwerge quälen können.“ Die beiden Eternal lachten. „Dann lasst uns gehen“, schlug Isolde vor. „Die anderen warten bestimmt schon.“ Zetsu nickte und nahm wieder Leanas Hand. „Lass uns gehen.“ Isolde brachte sie unweit von Monobe wieder in die Manawelt zurück. Leana spürte den Manaüberfluss in jeder Faser ihres Körpers, eine unbekannte Macht durchströmte sie. Es war überwältigend. Wie konnten Zetsu und Nozomu davon nur unbeeindruckt bleiben? Oder waren sie das vielleicht nur nach außen? Gemeinsam betraten sie die Monobe Akademie und suchten als erstes den Speisesaal auf, wo tatsächlich die gesamte Gruppe versammelt war, um zu essen. Sorluska sah grinsend auf. „He, Zetsu! Wo warst du solange? Und wen hast du da mitgebracht?“ Neugierig geworden hoben die anderen auch ihre Blicke. Während bei den Eternal und Göttern der Schimmer des Wiedererkennens zu sehen war, blieben bei den anderen die metaphorischen Fragezeichen. Zetsu trat einen Schritt zur Seite und ging in Präsentationshaltung. „Darf ich vorstellen? Shoubi no Leana. Sie wird uns ab sofort im Kampf zur Seite stehen.“ Ein Raunen ging durch die Anwesenden. Nozomu lächelte. „Willkommen, Leana. Deine Hilfe kommt wie gerufen.“ Leana nickte nur, Zetsu legte den Kopf schräg. „Ist irgend etwas passiert?“ Salles stand auf. „So ist es. Ihr ward wieder zwei Tage weg und in der Zwischenzeit hat Sarosh uns seine neue Untergebene vorgestellt. Ihr Name ist -“ „Luned. Was sagst du zu den Shinken-Trägern?“ Die Frau vor Sarosh hatte langes weißes Haar, bleiche Haut und goldene Augen. Sie trug eine schwarze Dienstmädchenuniform. „Sie sind erstaunlich stark, obwohl ihnen zwei ihrer Mitstreiter gefehlt haben.“ Sarosh nickte zustimmend. „Das ist wahr. Aber du wirst mit ihnen fertig, oder?“ „Mit Sicherheit. Vertraut mir, Meister.“ Der dunkle Engel lächelte. „Sehr gut, dann enttäusche mich nicht.“ Kapitel 42: Geburtstag ---------------------- Nozomi lächelte, während sie durch die Monobe-Akademie lief. Schon seit einiger Zeit freute sie sich auf diesen Tag, allerdings brauchte sie Hilfe dafür. Rehme konnte sie nicht fragen, sonst würde Nozomu gleich dahinterkommen. Aber Nanashi war genauso geeignet dafür, deswegen wollte sie Zetsu in seinem Zimmer aufsuchen. Der Silberhaarige band gerade sein Haar zusammen, als sie reinkam. „Ah, guten Morgen, Nagamine. Was gibt’s?“ „Guten Morgen, Zetsu-kun. Ich wollte fragen, ob Nanashi mir heute bei etwas helfen kann.“ „Bei was denn?“, hakte er nach. „Nozomu-chan hat heute Geburtstag und wir wollen etwas dafür vorbereiten. Ich soll einen Kuchen backen, aber ich bräuchte jemanden, der mir dabei hilft.“ Nanashi erschien schlechtgelaunt. „Warum soll ich dir dabei helfen? Warum kann Rehme das nicht machen?“ „Weil Nozomu-chan sonst gleich mitbekommt, was ich vorhabe.“ Das Shinjuu seufzte. „Okay, okay, ich mache mit.“ Zetsu grinste. „Weiß Nozomu überhaupt, dass er heute Geburtstag hat?“ „Bislang noch nicht“, antwortete sie. „Und ich hoffe, er findet es auch nicht so schnell heraus, sonst ist die Überraschung weg.“ Der Silberhaarige runzelte seine Stirn, was Nanashi zu einem Seufzen bewegte. Wenn er so aussah, hatte er einen Plan und sie wusste genau, dass sie diesen Plan nicht mögen würde. „Okay, Nagamine. Du kannst Nanashi haben und ich kümmere mich den Tag über um Nozomu.“ Nozomi lächelte. „Vielen Dank, Zetsu-kun.“ Er winkte ab. „Nichts zu danken.“ „Werde ich eigentlich nicht gefragt?“, beschwerte das Shinjuu sich. Keiner der beiden beachtete sie weiter. Widerstandslos und genervt folgte sie schließlich Nozomi, die bereits wieder in die Küche vorging. „Ich kann aber gar nicht backen“, wagte Nanashi einen letzten verzweifelten Versuch. „Ich kann dir also gar nicht helfen.“ Doch Nozomi lächelte ihr nur sanft zu. „Keine Sorge, du musst auch nicht backen. Aber du kannst mir die Zutaten reichen, um die ich dich bitte, oder?“ Nanashi legte den Kopf schräg. „Ich glaube schon.“ „Na bitte.“ Das Mädchen band sich eine Schürze um, als Heridearutsu ebenfalls die Küche betrat. Der Junge lächelte wie üblich. „Na, schon aufs Backen vorbereitet?“ Nanashi zeigte auf ihn. „Warum kann er dir nicht helfen?“ „Heri muss schon das Abendessen machen – nur mit Kuchen allein ist uns immerhin nicht geholfen. Wir müssen auch noch was anderes essen.“ Das Shinjuu verzog sein Gesicht. „Wie doof...“ „Nun stell dich nicht so an“, meinte Nozomi. „Es wird auch nicht lange dauern.“ Seufzend ergab Nanashi sich ihrem Schicksal und begann auf ihre Anweisungen zu handeln. Begeistert von der Stadt sah Zetsu sich mit leuchtenden Augen in Cresting um. Nozomu stand in einiger Entfernung mit Rehme auf der Schulter an der Seite und beobachtete ihn fragend. „Ich habe das Gefühl, dass er krank ist... er war doch früher nie so.“ Ah, manchmal schon. Ich erinnere mich noch, als ich mit ihm einen Ring für Nozomi gekauft habe... oder wenn er sich über mich lustig machen konnte. „Mhm, kann schon sein, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich finde ihn so jedenfalls unheimlich.“ Ich auch... „He, Nozomu, schau mal, was ich bekommen habe!“ Zetsu hielt ihm einen glänzenden roten Apfel unter die Nase. „Ähm, Zetsu... kann es sein, dass es dir nicht gut geht?“ Perplex sah der Silberhaarige ihn an. Anscheinend überlegte er gerade, was genau Nozomu damit meinte. Schließlich seufzte der Braunhaarige. „Deine gute Laune ist ein wenig seltsam.“ „Ich bin doch nur glücklich“, erwiderte sein Freund betroffen. „Leana wird jetzt für immer bei mir bleiben und wir werden glücklich sein... und so.“ Nozomu und Rehme setzten beide ein wissendes Gesicht auf. „Aber bist du sicher, dass du für immer mit Leana zusammensein willst?“, fragte Rehme. „Hast du das Nozomu auch bei Satsuki gefragt?“ Sie schwieg, zufrieden wandte Zetsu sich wieder ab und biss in seinen Apfel. Lass ihn doch, wenn er Leana liebt. „Ich finde sowas nur manchmal seltsam. Aber, na ja, er hat recht, du hast das ja eigentlich auch mit Satsuki vor, also sollte ich ihn nicht so etwas fragen.“ Ganz zu schweigen davon, dass es dich gar nichts angeht. Rehme schnitt ihm eine Grimasse. Kauend lief Zetsu weiter und gab ihm dabei ein Zeichen, ihm zu folgen. Seufzend tat Nozomu es, immer mit der Frage im Kopf, was sie eigentlich hier machten. Es war Zetsus Idee gewesen, in die Stadt zu gehen, ohne die Mädchen, aber wie üblich verriet er nicht, weswegen eigentlich. Nozomu konnte sich nicht vorstellen, dass sein bester Freund nur Zeit mit ihm verbringen wollte, das sah ihm immerhin absolut nicht ähnlich. Aber fragen würde ihn auch nicht weiterbringen, so wie er ihn kannte. Also half nur abwarten, dann würde Zetsu selbst sagen, was los war. Zusammen liefen sie zu der Aussichtsplattform, wo sie sich auf eine Bank setzten. Zetsu seufzte lächelnd und atmete tief ein. „Ich werde diese Welt vermissen.“ „Ich nicht. Mir werden nur die Waffeln fehlen und unser Verhältnis zu den Stadtbewohnern.“ Selten waren sie von den Bewohnern einer Stadt so herzlich aufgenommen worden wie in Cresting. Normalerweise wurden sie während ihres Aufenthalts misstrauisch beäugt und man atmete erleichtert auf, sobald Monobe sich wieder in Bewegung setzte. Hier dagegen war das ganz anders. Nicht nur, dass sie fast täglich etwas von den Bewohnern geschenkt bekamen, einige Schüler schienen sogar regelrecht in Familien integriert worden zu sein und aßen regelmäßig bei ihnen. Ja, das würde ihm wirklich fehlen. Zetsu lachte. „Ja, die Leute werden mir auch fehlen. Glaubst du, ein Eternal kommt irgendwann wieder in eine Welt, die er einmal besucht hat?“ Nozomu neigte den Kopf. „Ich weiß nicht, ich habe zu wenig Erfahrung mit sowas. Warum? Willst du hier irgendwann wieder zurückkommen?“ „Na ja, warum nicht?“ Er lächelte Nozomu zu. „Es wäre doch bestimmt interessant zu sehen, was nach einigen Jahren aus einer Welt wird. Meinst du nicht?“ Nachdenklich sah der Braunhaarige in die Entfernung, wo einige Wolken sich zusammenballten. Er hatte noch nie darüber nachgedacht, ob ihn so etwas interessierte und auch keinen Gedanken an bereits besuchte Welten und deren Veränderungen. Also zuckte er mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich bin gar nicht so sehr daran interessiert.“ „Das sieht dir ähnlich“, lachte Zetsu. „Nun, mich interessiert das, keine Ahnung warum. Findest du das seltsam?“ Diesmal überlegte er nicht lange und schüttelte seinen Kopf. „Nein, natürlich nicht. Ich finde das ganz normal. Da bin eher ich seltsam, weil es mich nicht interessiert.“ „Ja, das bist du wirklich. Aber nur manchmal. Alles in allem... bist du ein guter Kerl, merk dir das.“ Überrascht sah Nozomu ihn an. „Warum sagst du mir so etwas?“ Zetsu fuhr ihm durch die Haare. „Einfach nur so.“ Lächelnd sah er wieder in die Entfernung, Nozomus Blick ignorierend. Rehme seufzte innerlich. „Du hast dir da wirklich einen seltsamen Freund ausgesucht.“ Er hat mich ausgesucht, nicht ich ihn... das ist ein Unterschied. „Wenn du meinst.“ Aber ich hatte auch nichts dagegen... von daher hast du wohl recht. Rehme lächelte ihn an. Nozomu tat dasselbe wie Zetsu und sah in die Entfernung, während er die Ruhe um sie herum genoss. Wenn es nur immer so sein könnte. In der Monobe-Akademie war der Großteil der Gruppe inzwischen damit beschäftigt, den Speisesaal für die Feier zu schmücken. Neben einem Geburtstagsbanner, das man in einem der Lagerräume gefunden hatte und das Sorluska mit Subarus Hilfe gerade aufhing, galt es nur noch, die unnötigen Stühle und Tische wegzuräumen und Konfetti herzustellen. Besonders an letzterem schienen Baila und Ruputna einiges an Freude zu entwickeln. Beide saßen, je mit einem Locher und jeder Menge Papier bewaffnet zusammen und verarbeiteten den Papierkram zu Konfetti. „Haben wir überhaupt ein Geschenk für ihn?“, fragte Naya plötzlich inmitten der Vorbereitungen. Die anderen hielten inne und wandten sich ihr nachdenklich zu. Satsuki lächelte. „Also ich habe eines.“ „Darauf wette ich“, brummte Thalia. Die Schülersprecherin lachte. „Nein, im Ernst, ich bin sicher, dass ihm diese Feier reichen wird. Nozomu ist nicht so anspruchsvoll, wisst ihr?“ „Wäre mir bislang nicht aufgefallen“, bemerkte Narukana mit einem Seitenblick auf Satsuki. Die Angesprochene reckte die Nase in die Höhe. „Natürlich nur weil er bereits mich hat. Wer braucht da denn noch was anderes als Geschenk?“ „Satsuki-senpai ist die Bescheidenheit in Person“, lachte Landis. „Ich glaube, sie hat recht. Nozomu-kun wird sich bestimmt schon über die Feier an sich freuen – und über Satsuki-senpais Geschenk – und braucht daher nichts extra von uns.“ „Da spricht ja die Weisheit in Person“, fauchte Narukana ihn an, aber Landis ließ sich davon nicht beeindrucken. Er lächelte stattdessen. „Wenn du meinst, Narukana-sama.“ „Fu fu fu, wie sieht es denn hier aus?“ Jatzieta betrat den Speisesaal. Sie lächelte breit. „Aus der Küche hat man mich rausgeworfen, aber vielleicht kann ich euch helfen?“ Sie hatte kaum ausgesprochen, da drückte Katima ihr einen Besen in die Hand. „Hier. Jemand muss noch fegen, der Raum ist groß.“ Ein wenig missgelaunt betrachtete die Ärztin das Gerät, dann begann sie trotz ihres sichtlichen Missfallens zu fegen. Katima dagegen begab sich zu Cynard, um diesem mit den restlichen Stühlen zu helfen. „Wo sind eigentlich Leana, Adina und Ciar?“, fragte Sorluska plötzlich. „Die könnten ruhig auch helfen.“ „Als ob wir uns nicht schon so gegenseitig auf die Füße treten würden“, brummte Thalia. „Leana und Adina machen die Krankenstation sauber“, antwortete Jatzieta. „Ciar dagegen sitzt mal wieder bei Salles rum, die beiden Männer haben so viel zu besprechen~“ Sie kicherte. Bei dem Gedanken an eine putzende Leana musste Satsuki lachen. „Das passt so gar nicht zu ihr.“ Die anderen sahen sie fragend an. Außer Narukana erinnerte sich sonst niemand an die frühere Leana und der Rest der Gruppe hatte bislang zu wenig von ihr gesehen, um sie einschätzen zu können. Satsuki streckte ihnen die Zunge raus und kümmerte sich wieder um das Decken des Tisches, an dem sie sitzen wollten. Insgeheim freute sie sich aber mehr auf die Zeit nach der Feier, wenn sie allein mit Nozomu sein konnte. Eine Stunde später kehrten Nozomu und Zetsu in die Monobe-Akademie zurück. Sowohl Nozomu als auch Rehme hatten Hunger, lediglich Zetsu wirkte wie immer. Immerhin hatte er ja auch den Apfel gegessen. „Wo sind denn alle?“, fragte Nozomu. Niemand war auf den Gängen zu sehen, ansonsten stand mindestens einer ihrer Gefährten immer im Eingangsbereich und wenn es nur Narukana war. An diesem Tag aber... Zetsu schmunzelte. „Ah, es ist doch Abendessenzeit. Bestimmt sind sie schon alle im Speisesaal, du weißt doch, wie gefräßig sie sind.“ „Das stimmt... Lass uns auch hingehen, ich habe Hunger.“ „Jap, gute Idee.“ Zusammen gingen sie in Richtung Speisesaal, aber aufgrund der Stille, die daraus hervorkam, zweifelte Nozomu für einen Moment daran, dass die anderen dort drin waren. Normalerweise war es nie leise, wenn die Gruppe zusammensaß. Ein Umstand, den Nozomu mit Sicherheit vermissen würde, sollte er eines Tages nicht mehr vorhanden sein. Grinsend öffnete Zetsu die Tür zum Speisesaal aus dem ihnen Dunkelheit entgegenkam. Der Silberhaarige gab ihm ein Zeichen, ihm zu folgen und trat ein. Fragend ging er ihm hinterher. Kaum war er ebenfalls drinnen, fiel die Tür hinter ihm wieder ins Schloss, so dass er in völliger Dunkelheit dastand. Fragend sah Nozomu sich um – und zuckte überrascht zusammen, als plötzlich das Licht aufflammte. „Überraschung!“ Konfetti regnete auf ihn herab, während er nicht wusste, wo er zuerst hinsehen sollte. „Huh?“ Die gesamte Gruppe stand versammelt im Speisesaal und lächelte ihn an. „Was ist los?“, fragte er. „Hab ich was verpasst?“ „Alles Gute zum Geburtstag, Nozomu-chan!“ Ratlos sah er Nozomi an. „Ich habe Geburtstag?“ Sie nickte lächelnd. „Mh-hm. Weißt du das etwa nicht mehr?“ Nachdenklich legte er seine Stirn in Falten, Rehme zählte schnell nach. „Tatsächlich, Nozomu!“ Satsuki griff nach seinem Arm und zog ihn mit sich. „Dann komm, komm. Heri hat lecker gekocht und Nozomi-chan hat Kuchen gebacken.“ Er ließ sich von ihr auf einen Stuhl setzen und dann seinen Teller auffüllen. „Mhm, Nozomu, ist das nicht dein Lieblingsessen?“ Ja, tatsächlich. Dass sich daran noch jemand erinnert hat... Rehme setzte sich auf den Tisch. „Lasst uns essen!“ Die anderen setzten sich ebenfalls. „Guten Appetit!“ Die Feier ging bis tief in die Nacht und auch wenn es keine Geschenke gab, vermisste Nozomu diese gar nicht. Die gemeinsame Zeit, die er mit dem Rest der Gruppe verbrachte, gefiel ihm, auch wenn sie so chaotisch wie üblich ablief und irgendwann damit endete, dass Sorluska ein Kuchenstück im Gesicht hatte. Satsuki hing an Nozomus Arm, als sie gemeinsam wieder in ihr Zimmer zurückgingen. „Nozomu-kun, ich habe noch ein Geschenk für dich.“ „Aber das ist doch nicht nötig“, erwiderte er. „Ich brauche kein Geschenk.“ „Doch, doch, das ist nötig“, sagte sie lächelnd. „Es wird dir gefallen, glaub mir.“ Ihr Lächeln verriet ihm bereits, was sie vorhatte. Das rief ebenfalls ein Lächeln in ihm hervor. „Ja, da bin ich mir sicher.“ Sie küsste ihn flüchtig und öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. „Dann lass uns keine Zeit mehr verlieren.“ Er lächelte und folgte ihr hinein, wohl wissend, dass er diesen Geburtstag so schnell nicht wieder vergessen würde. Kapitel 43: Satsukis Zweifel ---------------------------- Die nächsten Tagen vergingen nur zäh und widerspenstig. Die Hitze schien nicht nur die Shinken-Nutzer, sondern auch ihre Feinde zu lähmen, denn weder Luned noch ein Lakai erschienen in dieser Zeit. Die ganze Manawelt stand bei dieser Temperatur still. Zum ersten Mal seit ihrer Abreise waren die Schüler der Monobe-Akademie froh, dass sie einen schuleigenen Swimming-Pool hatten, der zu diesen Zeiten auch ausgiebig benutzt wurde. Abgesehen von Salles und Ciar, die beide wie üblich im Direktorat saßen und sich dort über Dinge unterhielten, von denen keiner der anderen etwas wusste. Und abgesehen von Satsuki und Nozomu. Grummelnd und schwitzend zog die Schülersprecherin durch die Räume und kümmerte sich um die angefallene Wäsche. Ihr Freund folgte ihr dabei (um einiges leiser), um ihr zu helfen. „Nun beschwer dich nicht“, versuchte Rehme schließlich, sie zu beschwichtigen. „Immerhin muss hier jeder Mal die Wäsche machen, auch bei dieser Temperatur.“ „Aber warum geht das nicht später?“, maulte Satsuki. „Ich will auch schwimmen gehen!“ „Du kannst doch auch später schwimmen“, erwiderte Nozomu. „Heute Nacht zum Beispiel.“ Plötzlich blieb sie stehen. Verführerisch lächelte sie ihn an. „Aber nur, wenn du auch mitgehst.“ Er überlegte, das abzulehnen, stimmte schließlich aber doch zu. „In Ordnung, wenn du magst.“ Zufrieden lächelnd lief sie weiter, summend nahm sie ihre Aufgabe wieder auf. „Holla, du kannst aber gut mit ihr umgehen!“ Alles eine Sache der Übung. Satsuki ist relativ unkompliziert – und wenn es um mich geht sowieso. „Aaaaw, sie ist ganz verrückt nach dir.“ Rehme kicherte innerlich, so dass nur Nozomu es mitbekam. Cheiron kam ihnen auf halbem Weg entgegen. „Ich habe alles in diesem Bereich eingesammelt, Satsuki. Sonst noch etwas?“ „Wir werden jetzt in die Waschküche gehen“, verkündete sie gut gelaunt. „Nozomu, du kannst jetzt zu den anderen gehen, danke.“ „Bist du sicher?“ Sie nickte. „Jap. Absolut.“ Lächelnd reichte er Cheiron die eingesammelte Wäsche und ging davon. Satsuki ging unterdessen mit ihrem Shinjuu in Richtung Waschküche. „Ich hasse es, Wäsche zu waschen“, brummte sie dabei. „Deswegen lässt du mich das immer machen“, erinnerte Cheiron sie, was sie lachend zugab. „Aber du machst das auch zu gut. Ich kann froh sein, dich als Shinjuu zu haben... das sage ich dir viel zu selten, oder?“ Verwundert sah er sie an. „Normalerweise sagst du das gar nicht. Stimmt etwas nicht?“ Satsuki seufzte schwer. „Nein, alles bestens – auch wenn es nicht so klingt. Tut mir Leid, ich komme mir nur manchmal so undankbar vor.“ Er wirkte nicht überzeugt, aber mehr schien sie nicht sagen zu wollen. Ihr trauriges Lächeln sagte aber mehr als ihre Worte je könnten. Satsuki... In der Waschküche angekommen, kümmerte Cheiron sich pflichtbewusst um die Wäsche, während Satsuki ihm dabei gelangweilt zusah. Sie würde sicher keine gute Hausfrau abgeben – aber dafür hatte sie ja Cheiron, der ihr all die Dinge abnahm, die sie nicht konnte und sie auch noch in den Dingen unterstützte, die sie konnte. Dennoch kam sie sich undankbar vor. Sie hatte Cheiron, sie hatte Nozomu – aber sie besaß, zumindest bislang, keine Divine Magic. Aus einem ihr unerfindlichen Grund setzte ihr diese Tatsache zu. Genau wie Nozomu verfügte sie über mehr Fähigkeiten als die anderen und genau wie ihr fehlte ihm diese Fähigkeit noch (ganz zu schweigen von Narukana, Salles und Jatzieta), aber dennoch konnte sie das Gefühl nicht abschütteln, dass die anderen sie langsam aber sicher überholten und zurückließen. Irgendwann würde sie den anderen eine Last sein – und was sollte sie dann tun? Würde Nozomu ihr dann immer noch beistehen? Oder würde er sie auch allein lassen? Ballast musste man immerhin abwerfen, oder nicht? Egal, was sie tat, sie wurde diese Gedanken einfach nicht mehr los und besonders in dieser Zeit der Tatenlosigkeit in der es nichts gab, was sie ablenken konnte, wurde sie davon heimgesucht. Darüber reden konnte sie auch mit niemandem, denn das hätte bedeutet, ihre eigene Schwäche eingestehen zu müssen und darin war sie noch nie sonderlich gut gewesen. Sogar vor Cheiron verschloss sie ihre Gedanken, damit er sie nicht darauf ansprechen konnte. Nicht einmal mit Salles konnte sie darüber reden, weil er ständig mit Ciar zusammen saß. Es war wirklich zum Verrücktwerden. Plötzlich seufzte Satsuki, was ihr die Aufmerksamkeit ihres Shinjuu einhandelte. „Ist irgend etwas?“ Erschrocken schüttelte sie den Kopf. „Nein, nein, schon okay. Alles bestens.“ Sie lachte nervös. Nicht überzeugt wandte er sich wieder ab, bis er schließlich die Waschmaschine laufen ließ. „So, ich bin hier nun fertig. Gibt es sonst noch etwas?“ Diesmal schüttelte sie den Kopf. „Nein, danke. Du kannst jetzt gehen. Vielen Dank.“ Er neigte gefällig sein Haupt und verschwand. Endlich allein seufzte sie noch einmal. Es ist so... schwer... Statt an den Pool zu gehen, hatte Nozomu sich entschlossen, sich ein schattiges Plätzchen auf dem Dach zu suchen. Durch den heftigen Wind war die Hitze nicht so stark zu spüren, auch wenn Rehme das gar nicht gefiel. „Fu fu fu, ich hasse das.“ Sie hielt ihre Kappe fest – und quietschte erschrocken, als Cheiron plötzlich neben ihnen erschien. „Musst du mich so erschrecken?“ Er lachte verlegen. „Tut mir Leid.“ Nozomu warf einen suchenden Blick umher. „Wo ist denn Satsuki?“ Das Shinjuu seufzte. „Darüber wollte ich gerade mit dir reden. Ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast, aber in letzter Zeit stimmt etwas nicht ihr.“ Betrübt nickte Nozomu. Natürlich war ihm das auch schon aufgefallen, immerhin verbrachte er jeden Tag zusammen mit ihr und je stärker sie versuchte, es vor ihm zu verbergen desto mehr spürte er, dass etwas vor sich ging, was er nicht begreifen konnte. Natürlich wollte er sie darauf ansprechen, aber er kannte sie gut genug um zu wissen, dass sie abblocken würde, wenn er den Versuch starten würde. Genau wie sie wollte er mit Salles darüber sprechen, hatte es bislang aber immer vor sich hergeschoben. Doch damit musste endlich Schluss sein, wenn sogar Cheiron ihn schon darauf ansprach. Nozomu stand auf und begab sich ins Direktorat, wo er wie üblich Salles und Ciar zusammen antraf. Während der Brigadeführer auf seinem Platz saß, als ob er einen Stock verschluckt hätte, hing sein Freund mehr auf dem Stuhl als dass er saß. „Was gibt es, Nozomu?“, fragte Salles. „Ich wollte mit dir allein sprechen – es geht um Satsuki.“ Wie üblich, wenn dieser Name erwähnt wurde, horchte der Brigadeführer auf. Er nickte und bat Ciar, sie allein zu lassen. Ein zweideutiges Grinsen später, waren sie tatsächlich allein. Nozomu setzte sich auf einen der Stühle. „Was ist mit Satsuki?“ Nozomu erklärte dem Mann die Situation, wie er sie sah. Er erzählte von ihrer Verschlossenheit und dass sie etwas zu bedrücken schien. Es erinnerte ihn unheimlicherweise an die Zeit, als das annullierende Mana von ihrem Körper Besitz ergriffen hatte. Damals war sie genauso drauf gewesen und hatte niemanden an sich rangelassen. Hoffentlich war es diesmal nicht so schlimm, wie damals. Salles nickte langsam. „Ich verstehe. Und sie redet wirklich mit niemandem?“ „Wirklich mit niemandem, nicht einmal mit Cheiron.“ Sorgenfalten bildeten sich auf der Stirn des Brigadeführers. Die Beziehung zwischen Shinken-Träger und Shinjuu war normalerweise eine sehr innige, die auf einem tiefen Vertrauen basierte. Wenn Satsuki nicht einmal dieses Vertrauen noch besaß, wie sollte man ihr da helfen? „Ich werde mit ihr reden“, meinte Salles schließlich. Nozomu hob eine Augenbraue. „Meinst du, sie wird mit dir reden?“ Salles schmunzelte. „Ich bin mir ziemlich sicher.“ Der Junge nickte zufrieden. „In Ordnung, viel Erfolg...“ Gelangweilt sah Adina aus dem Fenster im Speisesaal. „Willst du nicht auch schwimmen gehen?“, fragte Karfunkel. Sie schüttelte den Kopf. „Nein... keine Lust.“ Das Shinjuu seufzte. Seit sie Ciar gerettet hatten, war seine Meisterin immer in dieser Stimmung. Es tat ihm selbst auch weh, aber was sollte er machen? Sie verzichtete auf jede Form des Trosts und lehnte jede Form der Ablenkung ab. Jemand betrat den Saal und blieb stehen. Widerwillig wandte Adina den Kopf und wurde blass. „Ciar...“ „Ich dachte, du wärst auch draußen.“ „Wär dir lieber, oder?“, konterte sie. Er hob die Schultern. „Mir doch egal. Von mir aus kannst du machen, was du willst.“ Karfunkel sah zwischen den beiden hin und her. „Müsst ihr euch so anfahren? Das bringt doch auch nichts. Ihr habt euch seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen, ihr solltet euch lieber freuen.“ Die beiden schwiegen. Ciar ging in die Küche hinüber, während Adina wieder aus dem Fenster sah. Das Shinjuu grummelte. „Ihr seid beide so verdammt stur.“ „Was kümmert dich das?“, fauchte sie. Er seufzte und verschwand, was sie mit einem Knurren quittierte. Erneut erklangen Schritte, dann hörte sie, wie sich jemand zu ihr an den Tisch setzte. Als sie noch einmal den Kopf wandte, erblickte sie erneut Ciar. In seiner Hand hielt er ein Glas Wasser. „Vielleicht hat Karfunkel ja recht.“ Fragend sah sie ihn an. „Bist du krank?“ Er lachte leise. „Denk doch mal nach. Nur weil wir im Streit auseinandergegangen sind, müssen wir uns nicht weiterhin streiten, oder? Danke jedenfalls für deine Hilfe. Ohne dich würde ich wahrscheinlich immer noch in diesem Labyrinth sitzen.“ „Ohne mich wärst du da erst gar nicht hineingeraten“, erwiderte sie. „Wenn ich bei dir gewesen wäre, dann hätte Sarosh das mit Sicherheit nicht machen können.“ Lachend tätschelte er ihren Kopf. „Mach dir keine Vorwürfe. Im Endeffekt ist es nicht deine Schuld.“ „Wirklich nicht?“ „Wirklich nicht“, versicherte er ihr. Sie lächelte wieder. „Danke, Ciar.“ Er nahm einen Schluck aus seinem Glas, bevor er ebenfalls lächelte. „Dann erzähl mal, wie es dir inzwischen ergangen ist und wie du mich gefunden hast.“ „Pfff, ich kann doch nicht erzählen.“ Er lachte noch einmal. „Ach, komm schon, ich möchte es wirklich wissen und Schlaf fehlt mir auch ein wenig.“ Sie lachte ebenfalls leise und begann zu erzählen. Als er Satsuki endlich in einem leeren Klassenzimmer gefunden hatte, atmete Salles auf. „Da bist du ja.“ Erschrocken hob sie den Kopf. „S-Salles? Was gibt es?“ Bevor er antwortete, setzte er sich genau wie sie auf einen der Tische. „Ich dachte, ich rede mal ein wenig mit dir.“ „Mit mir?“, fragte sie verdutzt. Er nickte zustimmend. „Wir haben schon lange nicht mehr miteinander gesprochen. Wie geht es dir?“ Sie zögerte. Da war endlich der Moment, den sie so herbeigesehnt hatte und nun wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Sollte sie ihm wirklich von ihren Zweifeln erzählen? Sein auffordernder Blick und das väterliche Gefühl besiegten schließlich ihre Zurückhaltung. Ein Schwall an Worten schoss aus ihrem Mund, als sie endlich das aussprach, was sie in der letzten Zeit so beschäftigt hatte. Salles verzog dabei keine Miene und er unterbrach sie auch nicht, so dass sie immer weiter redete. Als sie schließlich fertig war, fühlte sie sich als wäre ihr ein ganzer Felsbrocken vom Herzen gefallen. Dennoch fürchtete sie sich vor Salles' Worten, die unweigerlich auf ihre folgen mussten. Gespannt hielt sie den Atem an, als er den Mund öffnete. „Ich denke, du machst dir umsonst Sorgen“, sagte er sanft. „Auch wenn es dir erscheint als ob die anderen dich überholen, so ist das nur eine recht subjektive Einschätzung. Du bist ein sehr ehrgeiziges Mädchen und du hast Sephirikas Orichalcum-Namen, warum solltest du je so schlecht werden, dass du den anderen eine Last bist?“ Auf diese Frage wusste sie keine Antwort. Es gab keinen eindeutigen Grund für diese Annahme, eigentlich wusste sie selbst nicht so genau, wie sie darauf gekommen war. Als Antwort hob sie nur die Schultern, was ihn wieder zum Lächeln brachte. „Siehst du? Es gibt keinen Grund, an dir selbst zu zweifeln, Satsuki. Du solltest deswegen erst gar nicht damit anfangen.“ „Ja, ich weiß...“ Sie senkte wieder den Kopf. Sie wusste, dass es keinen Grund zu zweifeln gab, aber sobald sie wieder darüber nachdachte, kehrte der Zweifel zurück und umhüllte ihr Denken. Es war nicht normal, da war sie sich sicher. Aber davon erzählte sie Salles nichts, wann immer sie dazu ansetzte, blieben ihr die Worte im Hals stecken. Sie rang sich zu einem Lächeln durch. „Danke, Salles. Ich bin froh, dass ich mit dir reden konnte.“ Er streckte die Hand aus, um ihren Kopf zu tätscheln. „Das kannst du jederzeit, vergiss das nicht. Ich bin für dich da, das weißt du doch.“ Sie nickte, glücklich über seine Worte, aber gleichzeitig auch besorgt über das, was sich in ihren Gedanken versteckte und darauf wartete zuzuschlagen. „Und mit Nozomu kannst du auch reden“, fügte er lächelnd hinzu. Eifrig nickte sie noch einmal. „Ja, ich weiß!“ Mit Sicherheit hat Nozomu-kun Salles darauf angesprochen... Ach Nozomu-kun, was täte ich nur ohne dich? „Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“, hakte er nach. „Nein. Noch einmal danke, Salles.“ Zufrieden klopfte er ihr auf die Schulter und stand wieder auf. „Wenn du mit deiner Arbeit fertig bist, solltest du auch endlich an den Pool. Bestimmt geht es dir dann besser.“ „Mit Sicherheit.“ Er verließ das Klassenzimmer wieder. Satsuki sah ihm lächelnd hinterher, doch das Lächeln wurde von einem Schatten überdeckt. Aber was, wenn...? Entgegen ihrer Zusage, dass sie sofort an den Pool gehen würde, wartete Satsuki, bis die Nacht eingebrochen war und alle anderen Schüler sich bereits in ihren Zimmern oder sonst irgendwo befanden, damit sie wie den Rest des Tages allein sein konnte. Lächelnd atmete sie tief ein. Die Nachtluft war wesentlich angenehmer als die drückende Hitze am Tag, die es schwer zu atmen machte. Vorerst war sie allein am Pool, Nozomu hatte ihr aber versprochen, in kurzer Zeit nachzukommen. Seufzend ließ sie sich durch das Wasser gleiten. Was sollen diese ganzen Zweifel? Warum suchen sie gerade mich heim? Genau wie Nozomu zuvor, dachte sie wieder an die Zeit zurück, als das annullierende Mana ihren Körper erfüllt und ihre Seele zu verschlingen gedroht hatte. Sie hoffte, dass es diesmal kein Vorzeichen einer schlechten Zeit war. Warum musste eigentlich sie immer von solchen Sachen betroffen sein? Nicht nur, dass sie das annullierende Mana in sich trug, nein, ihre Feinde hatten ihr in dieser Welt auch schon zugesetzt und nun auch noch diese Zweifel, die sie immer wieder heimsuchten. Sie hoffte, dass diese Zeiten bald vorbei sein würden. Eigentlich wollte sie doch nur mit Nozomu glücklich sein, war das wirklich zuviel verlangt? Das Gefühl, dass sie nicht mehr allein war, ließ sie innehalten. Sie schwamm an den Beckenrand und sah sich von dort aus um. Das Pool-Gelände lag nach wie vor verlassen da, lediglich sie war anwesend. „Nozomu!?“ Wollte ihr Freund ihr vielleicht einen Streich spielen? Wenn ja, dann konnte er sich auf etwas gefasst machen. In ihren Gedanken malte sie sich bereits eine Strafe für ihn aus. „Das ist nicht lustig! Komm raus!“ Doch er erschien nicht, um ihr zu sagen, dass das alles nur ein Witz war. Ein leises Lachen direkt vor ihr, ließ sie zusammenzucken. Ihr ganzer Körper versteifte sich, als sie langsam den Kopf wieder zum Beckenrand wandte, als sie die Füße vor sich erblickte, ging ihr Blick Ungutes ahnend nach oben. „Du...?“ „He, Nozomu, wo gehst du hin?“ Der Junge hielt inne, als er hörte, wie jemand nach ihm rief. Sorluska kam grinsend auf ihn zu. „Ich wollte an den Pool, Satsuki wartet dort auf mich.“ „Um die Zeit?“, fragte Sorluska überrascht. „Ist doch schon dunkel.“ „Ja und?“ Nozomu hob eine Augenbraue, aber Sorluska lachte nur verlegen. „Ich mein ja nur. Ist ne komische Zeit, um Schwimmen zu gehen.“ „Satsuki hat den ganzen Tag gearbeitet, deswegen.“ „Yo, verstehe. Aber kannst du mir vorher noch bei etwas helfen?“ Innerlich seufzte Nozomu. „Worum geht’s denn?“ Sorluska winkte ihn mit sich. Genervt folgte Nozomu ihm. Ich hoffe, dass das nicht lange dauert. Kapitel 44: Mit Überschall -------------------------- Seufzend stellte Nozomu den Karton an der angegebenen Stelle ab, Sorluska reichte ihm bereits einen neuen. „Kannst du noch?“ Aretas hatte ihnen wie versprochen neue Vorräte zukommen lassen, aber aufgrund der Hitze hatten sie bislang alles stehen lassen, um auf eine kühlere Temperatur zu warten. Viel kühler als im Moment würde es allerdings erst einmal nicht werden, weswegen Salles angeordnet hatte, die Vorräte nun zu verstauen. Er selbst hatte sich aber natürlich aus der Verantwortung gezogen und es Sorluska überlassen. Der Braunhaarige nickte, als er den neuen Karton woanders hinstellte. „Ich frage mich nur, warum wir mitten im Sommer die neuen Vorräte einladen müssen.“ „Willst du lieber bis Herbst warten?“ Sorluska grinste. Nozomu zuckte nur mit den Schultern. „Von mir aus auch bis Winter.“ Da die Kartons ohnehin in einem Seitengang gestanden hatten, waren sie niemandem im Weg gewesen, also hätte man in Nozomus Augen auch noch länger warten können. Schweigend arbeiteten sie wieder vor sich hin. Nach einer halben Ewigkeit räusperte Sorluska sich. „Sag mal, bist du sicher, dass du noch zum Pool gehen willst?“ Nozomu setzte den Karton ab und sah seinen Freund fragend an. „Warum fragst du?“ Das Gesicht seines Gesprächspartners nahm einen gequälten Ausdruck an. „Ich habe gehört, dass nach Einbruch der Dunkelheit seltsame Dinge am Pool geschehen.“ Der Braunhaarige schmunzelte. „Was denn für Dinge?“ Bereits in ihrer Heimatwelt hatte es Gerüchte über nächtliche Vorgänge am Pool gegeben, aber es gab weder Augenzeugen noch dokumentierte Berichte darüber, also blieben es für Nozomu Gerüchte. „Na ja, schreckliche Dinge“, kam die ausweichende Antwort. „Angeblich sollen Geister in der Nacht den Pool heimsuchen.“ „Angeblich ist das richtige Stichwort“, warf Nozomu ein, während er ein Lachen unterdrückte. „Das ist doch völliger Unsinn. Sowas wie Geister gibt es nicht.“ Wütend über diese Widerrede, runzelte Sorluska seine Stirn. „Ach ja? Sowas wie Lakaien dürfte es eigentlich auch nicht geben, schon mal daran gedacht? Oder die Kristallmädchen...“ Nozomu dachte wieder an die fünf Mädchen zurück, die sie hin und wieder im Kampf unterstützten. Schon lange hatte er sie nicht mehr gesehen. Was sie wohl machten, wenn sie ihnen nicht halfen? Eigentlich wusste er gar nichts über sie, außer dass ihre Welt zerstört worden war. Dennoch wollte er weder Shinken noch die Mädchen in eine Reihe mit Geistern gestellt sehen. „Das ist etwas anderes“, erwiderte Nozomu. „Shinken und sogar die Kristallmädchen kannst du physikalisch erklären, Geister aber nicht.“ Deutlich verärgert wandte Sorluska sich demonstrativ ab, um sich wieder an die Arbeit zu machen. „Jetzt ist er sauer.“ Ist das mein Problem? Wenn er mit solchen Sachen ankommt, muss er damit rechnen. „Er wollte dir doch nur helfen.“ Vielleicht. Aber er muss doch auch nicht gleich sauer werden, nur weil ich ihm widerspreche. „Mhm, stimmt auch wieder.“ Mit angespanntem Schweigen arbeiteten die beiden weiter, bis sämtliche Kartons im Lagerraum verstaut waren. Als sie fertig waren, schien der Ärger wieder von Sorluska abzufallen. Lächelnd wandte er sich an Nozomu. „Yo, danke. Soll ich dich vielleicht sicherheitshalber zum Pool begleiten?“ Der Braunhaarige schüttelte den Kopf. „Musst du nicht. Ich bin sicher, dass nichts passieren wird. Geh lieber zu Thalia, sie ist doch bestimmt ganz allein.“ Sorluska schmunzelte. „So ruhig wie immer. Na gut, wenn du das sagst. Wir sehen uns dann morgen.“ Nozomu nickte ihm zu und sah ihm hinterher, als er den Raum verließ. „Jetzt ist er gar nicht mehr sauer...“ Ja, das dauert bei ihm nie lange. Lustig, oder? „Wenn du das unter lustig verstehst...“ Gehen wir zu Satsuki. Mit lässigen Schritten ging er in Richtung Pool davon, auch wenn er am liebsten einfach ins Bett gegangen wäre. Aber Satsuki konnte er einfach keinen Wunsch abschlagen und außerdem hatte sie es verdient, dass er ihr mal wieder ein wenig mehr Aufmerksamkeit zukommen ließ. Seit sie in dieser Welt waren, hatten sie sich deutlich weniger Zeit füreinander genommen, auch wenn Nozomu nicht wusste, weswegen eigentlich. Er öffnete die Tür zur Poolanlage und trat hinaus. Überrascht stellte er fest, dass niemand da zu sein schien. Das Wasser schwappte gegen den Beckenrand, ansonsten herrschte Stille. Außer verwaisten Liegen war nichts zu sehen, nicht einmal Satsukis roter Haarschopf. „Satsuki!?“, rief er ins Ungewisse. Keine Antwort erklang, was das ungute Gefühl, das in seinem Inneren entstand, nährte. Langsam lief er auf den Pool zu. Unwillkürlich kamen ihm Horrorfilme in den Sinn, in denen der bald sterbende Charakter an einem Pool entlanglief, nur um in diesen hineingeschubst und dann umgebracht zu werden. Schmunzelnd schüttelte er den Gedanken ab, diese Gedanken waren doch lächerlich. Rehme schnappte heftig nach Luft und zeigte ins Wasser. „Nozomu, schau!“ Er folgte ihrem Blick – und spürte wie sein Herz einen Schlag auszusetzen schien. Satsukis Körper trieb knapp über dem Boden, sie rührte sich nicht. Ohne weiter zu zögern, zog Nozomu seine Schuhe aus und sprang kurzentschlossen mit einem Kopfsprung ins Wasser. „Nozomu!“ Rehme wollte ihm folgen, überlegte es sich dann aber doch anders. In dieser Gestalt konnte sie ihm immerhin auch nicht helfen, eher würde sie ihm im Weg stehen. Gespannt beobachtete sie, wie er immer tiefer tauchte und schließlich bei Satsuki ankam. Erschrocken quietschte Rehme auf. Ranken schossen aus dem Körper und umklammerten Nozomu, hielten ihn so am Grund des Pools gefangen. „Nozomu! Nozomu!“ Panisch flog Rehme um das Becken herum. Was sollte sie nur tun? Vielleicht hatten die Schüler ja recht und es gab wirklich Geister am Pool? Wie sonst sollte man dieses Wesen da unten erklären? Aber was half das nun? „Nozomu!“ Der schrille Schrei ließ sie wieder inne halten. Rehme hob den Blick. Oberhalb der Tür gab es ein kleines Vordach und auf diesem stand Luned, die Satsuki fest umklammert hielt. Die Rothaarige starrte panisch auf das Wasser. Nozomus Anstrengungen wurden langsam weniger, es schien, dass das Leben immer mehr aus seinem Körper wich. Satsuki versuchte, sich loszureißen, aber Luned hielt sie weiterhin fest. Die goldenen Augen ihrer Feindin leuchteten schwach im ausströmenden Licht des Pools. „Das war viel zu einfach...“ Ihre Stimme klang emotionslos und kühl wie eh und je. „Ich hatte erwartet, dass Murakumo no Nozomu auch seinem Ruf gerecht wird.“ Tränen liefen über Satsukis Gesicht, während der Junge im Pool aufhörte, sich zu bewegen. „Nozomu! Nein!“ Blaue Manafunken sammelten sich um sie herum an. Luned sah sie an. „Was ist jetzt los?“ Rehme blickte sie ebenfalls überrascht an. Ist das eine Divine Magic? Ein blauer Blitz schleuderte Luned von Satsuki weg. Schneller als Rehme sehen konnte, war die Rothaarige von dem Vordach herunter- und ins Wasser gesprungen. Im nächsten Moment durchbrach sie die Wasseroberfläche wieder und schwamm mit dem nach Luft schnappenden Nozomu an den Beckenrand. Gemeinsam kletterten sie hinaus. Wieder an Land umarmte Satsuki ihn stürmisch. „Oh Nozomu! Alles in Ordnung?“ Er hustete und spuckte Wasser aus. „S-Satsuki...“ Erleichtert drückte sie ihn an sich. Wie hat sie das gemacht?, fragte Rehme sich. Sie war so schnell... Seufzend stellte Luned sich ebenfalls an den Beckenrand. „Müsst ihr mir diese Extra-Arbeit machen? Ich habe eigentlich keine Lust auf so etwas.“ Satsuki ließ Nozomu los und stand auf. Ein leidenschaftliches Feuer schien in ihren Augen zu brennen. Ihr leuchtendes Shinken erschien in ihrer Hand, als sie in Kampfhaltung ging. „Ich werde Nozomu-kun beschützen! Keiner wird ihm etwas antun, solange ich hier bin!“ An Luneds Gesichtsausdruck änderte sich nichts. „Oh bitte...“ Statt ihrer eigenen Waffe erscheinen zu lassen, kletterte das Wesen, das Nozomu festgehalten hatte, aus dem Wasser. Inzwischen erinnerte es gar nicht mehr an Satsuki, es war nur noch ein unförmiges braunes Wesen, aus dem unzählige grüne Ranken sprossen. „Ich wünsche dir viel Spaß“, sagte Luned kühl und verschwand. Die Schülersprecherin lächelte grimmig. „Als ob du mich besiegen könntest.“ Das Wesen gab ein leises Kreischen von sich und schlug mit einer Ranke nach ihr. Sie hob den linken Arm, der Angriff prallte auf das grün strahlende Schild. Ein Hieb von Satsuki genügte, um die Ranke abzutrennen. Das Monster schrie gequält auf. Als sie noch einmal angreifen wollte, wurde sie von einem Schutzschild zurückgeworfen. Hastig richtete sie sich wieder auf. Noch einmal sammelten sich blaue Funken um sie und bevor einer der Anwesenden reagieren konnte, befand sie sich hinter dem Monster. Ein gezielter Schwertstreich von ihr und das Wesen gab einen letzten kläglichen Laut von sich, bevor es in sich zusammensackte und sich nicht mehr rührte. Die Ranken fielen lasch zu Boden, im nächsten Moment löste sich das gesamte Wesen in Manafunken auf, die in die Nacht entschwebten. Lachend warf Satsuki sich in Pose und warf ihr Haar zurück. „Na bitte, wer sagts denn?“ Sie ließ ihr Shinken wieder verschwinden und kniete sich neben Nozomu, den sie sofort in ihre Arme schloss. Er lächelte müde. „Das hast du gut gemacht, Satsuki.“ Sie kicherte und küsste ihn hastig, um ihre seltene Verlegenheit zu überspielen. „Danke~“ „Aber wie hat das funktioniert?“, fragte Rehme neugierig. Nozomu sah sie ebenfalls gespannt an. Er wusste, dass sich die Divine Magic bei jedem unterschiedlich manifestierte, aber besonders in diesem Fall interessierte ihn auch die Dynamik. Hatte Satsuki ihre eigene Zeit beschleunigt? Oder wie sonst hatte sie das geschafft? Die Schülersprecherin wurde wieder ernst und runzelte ihre Stirn. „Ich glaube... ich habe die Zeit um mich herum verlangsamt und war damit schneller als die anderen. Zumindest... habe ich das so in Erinnerung.“ „Erinnerung?“, fragten Nozomu und Rehme gleichzeitig. Sie lachte verlegen. „Oh, ich weiß auch nicht. Irgendjemand hat mir das einmal so erklärt. Aber ich weiß leider nicht mehr, wer das war.“ Nachdenklich legte sie den Kopf schräg. Ihr Freund und sein Shinjuu warfen sich ebenfalls einen fragenden Blick zu. Wer hatte mit Satsuki einmal über so etwas gesprochen? Und warum erinnerte sie sich nicht mehr daran? Je mehr Zeit sie alle miteinander verbrachten desto mysteriöser wurde alles und desto mehr Fragen warfen sich für Nozomu auf. Aber zumindest für diesen Abend wollte er darüber nicht mehr nachdenken. Erleichtert drückte er sie wieder an sich. „Ich dachte echt, ich sterbe da unten.“ Sie lachte noch einmal. „Ich würde dich doch nie sterben lassen.“ Bevor er noch etwas sagen konnte, entfuhr ihm ein heftiges Niesen. Satsuki keuchte erschrocken. „Du solltest aus deinen nassen Sachen raus! Komm, wir gehen auf unser Zimmer~“ Er nickte und stand auf. Sie stand ebenfalls auf, worauf sie von ihm geküsst wurde. „Also lass uns gehen.“ Hand in Hand gingen sie davon, um in ihr Zimmer zu kommen. „Damit fehlen nur noch vier aus der Gruppe, die keinerlei Divine Magic haben...“ Luned nickte. „Murakumo no Nozomu, Narukana, Salbar und Jatzieta.“ Sarosh runzelte seine Stirn. Nachdenklich rieb er sich über sein Kinn. „Wir dürfen ihnen keine Gelegenheit lassen, noch mehr davon zu lernen.“ Es sind ohnehin schon zu viele... Wenn sie ihre Techniken geballt gegen mich wenden... „Sind diese Techniken denn wirklich so gefährlich für uns?“, hakte Luned nach. „Ihr habt immerhin ein hochrangiges Shinken und außer Nozomu und Adina ist das bei dieser Gruppe nicht der Fall.“ Er sah sie belustigt an. „Du verkennst leider ein ganz wichtiges Kriterium.“ „Und das wäre?“ Sie erwiderte seinen Blick erwartungsvoll, er lächelte. „Die Gruppe um Nozomu ist bekannt für ihr Teamwork. Selbst in den unmöglichsten Situationen halten sie zusammen, sie sind absolut eingestimmt aufeinander. Und dann ist da noch diese Liebe...“ Er sprach das Wort mit so viel Verachtung aus wie ihm möglich war. Unbeeindruckt hob Luned eine Augenbraue. „Ihr seid sicher, dass dies Euch zum Verhängnis werden wird?“ „Wie sonst erklärst du dir, dass sie alles schaffen, was sie anpacken? Und warum all meine Pläne fehlschlagen, seit sie hier sind?“ Sie schwieg auf diese Frage, eine richtige Antwort gab es darauf immerhin auch nicht. Sarosh nickte schnaubend. „Wie ich mir dachte. Also wie gesagt: Kümmer dich darum, dass nicht noch mehr von ihnen ihre Divine Magic entdecken, sonst wird es bald unmöglich, zu gewinnen.“ Luned verneigte sich. „Sehr wohl, Meister Sarosh.“ Kapitel 45: Saroshs Verbündete ------------------------------ Leicht gelangweilt und sich fehl am Platz fühlend, saß Katima im Speisesaal der Monobe-Akademie. Obwohl sie gemeinsam mit den anderen Shinken-Trägern dort gerade dabei war, zu Mittag zu essen, fühlte sie sich nicht mehr sonderlich zugehörig, wenn Cynard nicht bei ihr war. Der Ritter wiederum hatte an diesem Tag wegen irgend etwas das Schloss von Cresting besuchen wollen. Sie hatte ihn nicht gefragt, ob sie mitgehen konnte, denn wenn er gewollt hätte, dass sie ihn begleitet, hätte er sie mit Sicherheit darum gebeten. Dennoch blieb für sie die Frage, was er wohl im Schloss wollte. Ihr fielen unzählige Dinge ein, die er tun könnte, aber keines davon gefiel ihr wirklich. Jede einzelne Variante lief nämlich darauf hinaus, dass er sich doch dazu entscheiden könnte, in seiner Welt zu bleiben, statt mit ihr zu kommen. Eine Entscheidung, die auch sein gutes Recht war. Sie kam sich immer noch schrecklich egoistisch vor, von ihm zu verlangen, seine Welt und seine Familie nur wegen ihr zu verlassen. Er sagte zwar, er würde das mit Freuden tun, aber das war leicht dahergeredet. Und vielleicht – es zerriss ihr das Herz, diese Möglichkeit auch nur in Betracht zu ziehen – hatte er das auch nur gesagt, um endlich das zu bekommen, was laut ihrer ehemaligen Zofe jeder Mann wollte. Hastig schüttelte sie den Gedanken wieder ab. Nein, so war Cynard nicht. Bestimmt nicht. Katima war sich sicher, dass er es so meinte, als er ihr gesagt hatte, dass er sie liebte, als sie aneinandergeschmiegt in seinem Bett gelegen hatten. Inzwischen schaffte sie es auch, nicht mehr rot zu werden, wenn sie daran zurückdachte und die Erinnerung stattdessen zu bewahren. Die Stimme von Ruputna riss sie aus ihren Gedanken. „Katima, isst du das noch?“ Das Mädchen deutete auf den Teller, den die Königin noch nicht einmal zur Hälfte geleert hatte. Sie lächelte. „Willst du es essen?“ Ruputna nickte. Katima schob ihr den Teller hinüber. „Lass es dir schmecken.“ Fröhlich stürzte das Mädchen sich auf das Essen, während die Königin aufstand und den Speisesaal verließ. Nozomi sah ihr besorgt hinterher. „Was ist los mit ihr?“ Naya wusste sofort, wer gemeint war. „Vielleicht vermisst sie Cynard.“ „Den würde ich auch vermissen, wenn er mein Freund wäre“, bemerkte Satsuki kichernd. Nozomu hob eine Augenbraue. „Mich nicht?“ Kichernd gab sie ihm einen Kuss auf die Wange. „Du musst nicht eifersüchtig sein.“ Dafür wurde sie von Nozomi, Naya und Narukana mit einem wütenden Blick bedacht. Die Gruppe wandte sich wieder dem Essen zu und redete dabei wieder über andere Themen. Schritte hallten durch den Gang des Schlosses, während vereinzelt Soldaten, Ritter oder Dienstboten hindurchliefen. Normal gesprochene Worte wurden von den Wänden zurückgeworfen und kamen nur als undeutliches Flüstern am anderen Ende des Ganges an. All das verstärkte den Eindruck von Einsamkeit und Verlassenheit, den das Gemäuer seit dem Wiederaufbau verströmte, noch einmal. Davon unberührt stand ein einzelner Mann mit dunkelblondem Haar im Porträtsaal. Schon seit Stunden betrachtete er ein bestimmtes Gemälde. Es zeigte Aretas als kleinen Jungen mit seinen Eltern. Die Königin hielt ein Baby auf dem Arm, Aretas' kleine Schwester. Doch Cynards Blick galt einzig und allein der Mutter. Ihr weißes Haar und ihr blasser Teint wiesen tatsächlich eine enorme Ähnlichkeit zu Luned auf. Auch wenn er Saroshs neue Verbündete nur für einen Moment gesehen hatte, so war es ihm direkt ins Auge gesprungen. Auch die Gesichtsform und überhaupt ihr ganzer Körperbau entsprach dem der verschwundenen Königin. Es konnte einfach kein Zufall sein, dafür wäre er zu verrückt gewesen. Die Schritte, die als nächstes erklangen, kamen in den Porträtsaal. „Cynard, schön dich zu sehen.“ Der Ritter wandte den Kopf und lächelte Aretas an. „Tut mir Leid, ich war beschäftigt. Sir Salles wollte seine Strategien ausführlicher besprechen, das hat einiges an Zeit in Anspruch genommen.“ Das Schmunzeln des Königs sagte ihm, dass Aretas noch seine ganz eigene Theorie für die fehlende Anwesenheit im Schloss parat hatte, doch er behielt sie für sich. „Was führt dich hierher?“, fragte der König. Cynard nickte zu dem Gemälde hinüber. „Ich habe einen Verdacht überprüfen wollen.“ „Welchen denn?“ Statt einer Antwort, stellte der Ritter eine Gegenfrage: „Es ist inzwischen dreizehn Jahre her, dass die Königin und deine Schwester verschwunden sind, nicht?“ Aretas nickte. „Man hat keinen von beiden je wiedergefunden, lediglich die leere Kutsche.“ Seufzend sah er ebenfalls auf das Gemälde. Cynard dagegen dachte wieder nach. Ciar und Sarosh kamen aber erst viel später hierher. Wer ist dann für das Verschwinden verantwortlich und wieso sieht Luned aus wie die Königin? „Aretas, wo genau wurde die Kutsche gefunden?“ Der Gefragte überlegte einen Moment. „In der Nähe des Schlosses, in dem unsere Feinde nun ihr Hauptquartier haben. Damals war es einfach ein verlassenes Schloss, aber die Leute fürchteten sich schon damals vor diesem Ort. Es heißt, dass dort ein Geist umherstreift.“ Cynard erinnerte sich an die Geschichten, die darüber erzählt wurden. Die Leute erzählten von nächtlichem Wehklagen und geisterhaften Erscheinungen. Wenn er doch nur nachsehen könnte, was dahintersteckte... Er hatte noch nie an Geister geglaubt, sich aber nichts weiter aus diesen Gerüchten gemacht, aber nun ergab sich für ihn ein völlig neues Bild. Gab es möglicherweise jemanden in dieser Welt, der auf Saroshs Ziel während dessen Abwesenheit hingearbeitet hatte? Diese Person musste die letzten dreizehn Jahre damit verbracht haben, in diesem Schloss zu hausen, Neugierige abzuschrecken und möglicherweise etwas mit der Königin und der Prinzessin anzustellen. Aber wer könnte das sein? Und warum? Cynard seufzte leise, worauf Aretas lachte. „Seufzen steht dir gar nicht. Oder ist dir deine Bürde als Shinken-Träger zu schwer?“ „Sehr witzig. Es ist nur sehr kompliziert... am Anfang sah es viel einfacher aus.“ „Ich bin froh, dass ich damit nichts zu tun habe. Für mich sah es am Anfang schon zu kompliziert aus.“ Cynard klopfte ihm auf die Schulter. „Sag doch so etwas nicht. Du bist immerhin der König von Asturion, das ist noch komplizierter.“ „Oh, das ist für mich ganz einfach. Anscheinend haben wir beide unsere Steckenpferde.“ Die beiden lächelten sich zu – als plötzlich hastige Schritte erklangen. Im nächsten Moment stand ein Soldat in der Tür. „Sir Cynard! Eine Frau vor dem Schloss verlangt nach Euch!“ Aretas schmunzelte und wollte etwas sagen, aber der Soldat fuhr bereits panisch fort: „Sie ist nicht nur bewaffnet, sondern auch gefährlich!“ Cynard runzelte seine Stirn. „Das muss Luned sein. Bring mich zu ihr.“ Katima stand derweil gedankenverloren auf dem Dach der Schule und sah zum Schloss hinüber. Das Wissen, dass Cynard dort war und sie hier, ließ ihr Herz schmerzen. Am liebsten wäre sie immer bei ihm gewesen, wenn das gegangen wäre. Bedeutete dies wirklich, verliebt zu sein? Ein seltsames Gefühl der Gefahr beschlich Katima plötzlich. Irgendetwas Schlimmes geschah gerade. Aber was? Monobe blieb stumm, also gab es keinen Angriff auf die Schule oder eine größere Offensive in der Nähe, aber was war es dann? Plötzlich erschien Aigears neben ihr. Katima zuckte im ersten Moment zusammen. Normalerweise erschien ihr Shinjuu nur, wenn sie es rief. Ob etwas passiert war? Sie lauschte dem Wesen angespannt, das ihr zu verstehen gab, dass in diesem Augenblick etwas vor den Toren des Schlosses geschah. Cynard! Katima zögerte nicht mehr lange und verließ hastig das Dach. Sie würde Cynard retten, komme was da wolle. Aretas, genau wie die Soldaten und Ritter, die sich ebenfalls am Eingang versammelt hatten, sahen Luned überrascht und verwundert an. Sie sieht genauso aus wie die verschwundene Königin... Lediglich Cynard, der ihr genau gegenüberstand, behielt seinen gefestigten Blick. „Was willst du hier?“ Luned ließ einen Dreizack in ihrer Hand erscheinen. „Ich werde das tun, was ich schon vor dreizehn Jahren hätte mit dir machen sollen – aber wer konnte damals ahnen, dass du mir einmal im Weg stehen würdest?“ Cynard runzelte seine Stirn. „Also ist es wahr, du bist damals nicht verschwunden, du hast dich versteckt, Tante. Aber weswegen? Warum hilfst du Sarosh?“ Aretas warf einen verwirrten Blick zu seinem Cousin, dieser reagierte jedoch nicht. Luned lachte. „Von deiner lieben Tante ist in diesem Körper nicht mehr viel übrig. Hat Salbar es dir nicht erklärt? Ein Shinken kann die Seele seines Trägers verschlingen und genau das habe ich bei diesem Körper gemacht. Und es war so einfach~“ Verstehe, so war das also. „Bei der kleinen Prinzessin hat es leider nicht so gut funktioniert, deswegen mussten wir sie gegen einen Gynoiden voller annullierendem Mana austauschen.“ Das muss Baila sein. Zumindest so wie die anderen mir das erklärt haben. „Aber was ist das für ein Shinken?“, fragte Cynard weiter. „Woher kommt es?“ „Ciar hat euch bestimmt erzählt, dass die Familie Asturions dieses Reich von Ifurita übernommen hat. Ifurita wurde dabei von Rogus in einer Ruine schlafen gelegt – aber ihr Shinken wurde hiergelassen und wurde von der ursprünglichen Inhaberin dieses Körpers gefunden.“ Dann kam meine Tante also in Kontakt mit dem Shinken, es raubte ihre Seele und dann ist sie untergetaucht... Sie lachte leise. „Es war Glück, dass ich den Kristall fand, in dem Yua eingesperrt ist. Mein Plan war es eigentlich, sie daraus zu befreien. Aber Saroshs Plan gefällt mir um einiges besser, deswegen folge ich diesem jetzt.“ Sie konnte nicht wissen, dass er irgendwann wiederkommt. Also hat sie nicht von Anfang an für ihn gearbeitet, sondern erst später. Aretas tippte gegen Cynards Arm. „Was bedeutet das? Ich verstehe das nicht...“ Der Ritter wandte den Kopf. „Vergiss es besser, es ist unwichtig.“ Er hätte ihm die ganze Sache natürlich genauer erklären können, aber das hätte dem jungen König nur das Andenken an seine Mutter zerstört. Also beschloss Cynard, zu schweigen. „Es ist wirklich nicht weiter wichtig. Kümmer dich nicht darum.“ Er schien mit der Antwort zwar nicht zufrieden zu sein, sagte aber auch nichts mehr. Luned deutete mit ihrem Dreizack auf den Ritter. „Und jetzt wird es Zeit, kurzen Prozess mit dir zu machen, bevor du uns noch in die Quere kommst!“ Cynard zog sein Schwert. „Aretas, geh mit den anderen hinein. Das könnte gefährlich werden.“ Der König nickte. Mit einem knappen Befehl brachte er die Ritter dazu, sich ins Schloss zurück zu ziehen. „Sei vorsichtig.“ Damit ging er ebenfalls hinein. Zurück blieben nur Luned und Cynard. Sie lächelte kalt. Ohne Vorwarnung warf sie den Dreizack auf ihn. Die Uhr an seinem Mantel leuchtete auf und errichtete ein Schutzschild, das ihn vor dem Aufspießen rettete. Luned sprang ihrem Shinken hinterher, packte es und stieß noch einmal zu. Cynard wich zur Seite aus. Dabei holte er aus und stieß mit seinem Schwert zu. Sie lachte höhnisch, als sie nach hinten sprang. „Jemand wie du kriegt mich nie!“ Verbissen setzte er ihr nach. Doch statt nach hinten wich sie dieses Mal zur Seite aus. Ein heftiger Schmerz zuckte durch seine Hand, mit einem Schmerzensschrei ließ er das Schwert fallen. „Na, jetzt fühlst du dich nicht mehr so siegessicher, nicht? Ohne Waffe sind Menschen nämlich immer so hilflos.“ Sie lachte noch einmal. Cynard wich zurück. Zu dieser Tageszeit ist Itzal auch schwach. Vielleicht hätte ich doch nicht allein hierher kommen sollen... Als Luned erneut zustieß, traf ihr Dreizack auf Metall. Cynard sah auf die Klinge, die vor ihm erschienen war, sein Blick ging weiter. „Aigears?“ Das Wesen gab ein zustimmendes Schnauben von sich. Luned seufzte. „Auch das noch.“ Katima erschien mit gezogenem Shinken neben Cynard. „Alles in Ordnung?“ Er nickte. „Nur ein Kratzer, keine Sorge.“ Sie lächelte knapp, dann stellte sie sich entschlossen vor ihn. Sie schwang ihr Shinken über ihre Schulter. „Ich werde nicht zulassen, dass du ihm etwas antust.“ Luned rollte mit den Augen. „Du nervst, Blondchen.“ Katima erwiderte darauf nichts. Schwarzes Mana sammelte sich wieder um sie. Im nächsten Moment wuchsen wieder schneeweiße Flügel aus ihrem Rücken. Cynard starrte sie überrascht an. Ein... Engel...? Luned runzelte ihre Stirn. „Das ist also deine Divine Magic? Interessant.“ Sie griff erneut mit ihrem Dreizack an. Einer von Katimas Flügeln wehrte den Angriff ab, ohne dabei verletzt zu werden. Im nächsten Moment sprang sie selbst vor und schwang dabei ihr Schwert. Glitzernde Federn lösten sich dabei von ihren Flügeln und wirbelten umher. Cynard betrachtete das Spektakel fasziniert. Sie sieht aus wie ein Racheengel... ein wunderschöner. Katimas Schwert traf auf Luneds Shinken. Die beiden lieferten sich einen erbitterten Willenswettstreit – der nur dadurch entschieden wurde, dass Katima ihre Feindin mit einem ihrer Flügel zurückwarf. Cynard richtete sich auf. Im nächsten Moment standen Nozomi und Naya neben ihm. Er zuckte erschrocken zusammen. „Was macht ihr hier?“ Das Katzenmädchen grinste. „Wir sind Katima gefolgt, weil wir wissen wollten, wo sie hingeht.“ Er schmunzelte. Die beiden Mädchen ließen ihre Shinken erscheinen, aber die Königin warf einen Blick über ihre Schulter. „Bleibt zurück!“ Die Mädchen und Cynard nickten und traten fast schon synchron einen Schritt zurück. Luned baute ein Schutzschild auf, Katima hob die Hand. Die umherwirbelnden Federn hielten inne, die Spitzen richteten sich auf die Feindin. Einen Augenblick lang geschah nichts. Die drei Beobachter sahen gebannt hinüber. Mit rasender Geschwindigkeit schossen die Federn auf Luned zu. Ihr Schild zerbrach klirrend, sie schrie auf, als die verbliebenen Federn auf ihre Haut trafen und sie aufspießten. Mana strömte aus den Wunden. Katima lächelte zufrieden, ihre Flügel verschwanden wieder. Luned taumelte zurück und ließ ihr Shinken fallen. „D-das tut so weh...“ „Keine Sorge, das ist gleich vorbei.“ Die Königin holte wieder mit dem Schwert aus – doch ihr Shinken traf auf den Boden auf. Luned war verschwunden. Sie kann auch teleportieren... „Katima!“ Sie fuhr herum. Nozomi und Naya stellten sich zu ihr. „Das war klasse!“ Der kleine Monobe erschien ebenfalls vor ihr und begab sich in ihre Arme. „Kueeee!“ Katima lachte leise. „Danke. Auch dafür, dass ihr gekommen seid, um mir zu helfen.“ Naya winkte ab. „Du hast ja keine Hilfe gebraucht. He! Bislang bist du die einzige in der Gruppe, die ihre Divine Magic zum zweiten Mal anwenden konnte!“ Die Königin lächelte verlegen. „Da hatte ich wohl nur Glück.“ Doch Nozomi warf einen vielsagenden Blick zu Cynard hinüber. „Ich glaube eher, dass deine Liebe zu groß war~“ „N-Nozomi!“ Diesmal wurde Katima wieder rot, sie senkte den Blick. „S-sag doch so etwas nicht.“ Möglicherweise will er jetzt ja doch nicht mehr mit. Manche Männer mögen es immerhin nicht, wenn sie von einer Frau beschützt werden. Sie warf einen scheuen Blick zu Cynard, der inzwischen neben Aretas stand. Der König von Asturion reichte seinem Cousin das Schwert, das er zuvor verloren hatte. Cynard nahm es dankend an und steckte es wieder ein. „Du wirst mir nicht sagen, was das alles bedeutet hat, oder?“ „Glaub mir, Aretas, es ist besser, wenn du das nicht weißt.“ Er sah zu Katima hinüber, die mit den anderen beiden Mädchen zusammenstand und den kleinen Monobe wie eine Puppe in ihren Armen hielt. Sie lächelte leicht. Ihr Lächeln setzte ein befreiendes Gefühl in seinem Inneren frei. Er ahnte nichts von dem, was in ihr vorging und wie schwer ihr dieses Lächeln bei ihren Gedanken fiel. „Was sagst du dazu, dass dich eine Frau gerettet hat?“ Aretas schmunzelte, aber Cynard lachte nur leise. „Was soll ich dazu sagen? Natürlich sollte ich als Ritter eher eine Frau beschützen, statt mich beschützen zu lassen. Aber bei einem Feind, der stärker ist als ich, wäre ich töricht, wenn ich mir nicht helfen lassen würde.“ Aretas schien zufrieden. „Weise Worte.“ Der Blick des Königs folgte dem von Cynard. Der Ritter holte tief Luft. „Aretas... ich werde nach diesem Kampf diese Welt verlassen.“ Überrascht sah der König ihn an, doch einen Moment später lächelte er wieder. „Ich verstehe. Lady Katima bedeutet dir viel, nicht?“ „Ja... bist du denn gar nicht enttäuscht?“ Cynard wandte seinen Blick von Katima ab, um Aretas anzusehen. „Ich hatte erwartet, dass du mich nicht gehen lassen willst.“ „Ich hatte gehofft, dass du und Lady Katima euch näher kommt. Ihr passt sehr gut zusammen und natürlich habe ich erwartet, dass du dann gehen würdest. Ich will dich nicht loswerden, ich finde nur, dass du auch mal glücklich sein solltest. Immerhin weiß ich doch, wie sehr dir die Gerüchte zugesetzt haben.“ Cynard lächelte und sah wieder zu Katima, die ihm ebenfalls einen Blick zuwarf. „Danke, Aretas.“ Katima seufzte leise. Cynard war zwar wieder mit in die Monobe Akademie gekommen, aber bislang redete er noch mit Salles. Sie hatte nicht dabei sein wollen und sich deswegen in ihr Zimmer zurückgezogen, um allein mit ihren Sorgen zu sein. Außerdem hatte sie durch Aigears mitbekommen, dass Luned ursprünglich Aretas' Mutter gewesen war und Baila lediglich eine Rekonstruktion seiner Schwester. Im Prinzip interessierte es Katima nicht, sie verstand ohnehin nur die Hälfte. Alles, was zählte war nun, dass Luned ihre Feindin war und nicht mehr länger die Mutter des jetzigen Königs. Sie drehte sich auf die Seite und zog die Decke dichter um sich. Wenn er nur endlich kommen würde, dann könnte ich mit ihm reden... und ich könnte endlich herausfinden, was er denkt... Ob er nicht vielleicht doch lieber bleiben will. Noch während sie den Gedanken dachte, öffnete sich die Tür. Sie zuckte zusammen. Die Schritte, die hereinkamen, erkannte sie sofort, dennoch drehte sie sich nicht um. Er schloss die Tür hinter sich und blieb stehen. „Katima?“ Nur zögernd wandte sie ihm den Kopf zu. Er kniete sich neben sie und lächelte. „Fühlst du dich nicht gut? Stimmt etwas nicht?“ Sie schlug die Augen nieder. „Kann ich dich etwas fragen?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr sie fort: „Willst du immer noch mit mir kommen oder willst du lieber hier bleiben? Es ist immerhin deine Heimat. Ich will nicht, dass du das Gefühl hast, dass ich dich dazu zwinge, mit mir zu kommen.“ Zärtlich strich er mit seiner frisch verbundenen Hand durch ihr Haar und über ihre Wange. „Denkst du wirklich, dass ich dich wieder verlassen würde? Ich habe dir ein Versprechen gegeben, hast du das etwa schon vergessen?“ „N-nein... ich dachte nur...“ Mit einem Kuss brachte er sie zum Verstummen. Katima schloss die Augen und erwiderte ihn. Ich werde ab sofort nicht mehr an ihm zweifeln. Nie mehr... Kapitel 46: Wieder bei der heißen Quelle ---------------------------------------- Thalia öffnete das Fenster und atmete tief ein, während der Wind ihr Haar zerzauste. „Wenigstens ist es nicht mehr so heiß.“ Satsuki nickte zustimmend. „Mh-hm, jetzt ist es richtig angenehm.“ Da der Unterricht bereits vorbei war und die Mädchen mit dem Aufräumen des Klassenzimmers dran waren, waren nur noch diese da. Die Jungen waren, bis auf den schlafenden Landis, bereits im Speisesaal, wo sie sich vermutlich um Heridearutsus Essen stritten. Nozomi wandte sich von der Tafel ab, die sie bis gerade eben noch gewischt hatte. Fragend sah sie zu Landis hinüber. „Warum schläft er eigentlich so viel?“ Satsuki kicherte. „Wahrscheinlich lässt Ruputna ihn nachts nicht schlafen~“ „Eh? Eh? Eh?“, kam es sofort von dem erwähnten Mädchen. „Gar nicht wahr! Ich schlafe nachts immer tief und fest. Ich weiß nicht, warum Lan so viel schläft.“ „Vielleicht kann er neben einem so hübschen Mädchen auch nicht schlafen“, vermutete Satsuki weiter. Ruputna schüttelte den Kopf. „N-nein... Ich glaube, es hat etwas mit Eneko zu tun. Er hat es mir mal erklärt, aber es ist so... kompliziert.“ Thalia seufzte genervt, als sie sich wieder um das Fensterbrett kümmerte. Manchmal ist sie einfach nur doof... und nervig. Katima und Baila beendeten das Fegen des Bodens und legten Besen und Schaufel wieder an ihren Platz zurück. „Was werden wir heute noch tun?“, fragte die Königin neugierig. Narukana schnaubte. „So, sind wir heute wieder gut genug für dich?“ Naya schenkte ihr einen missbilligenden Blick, aber Katima antwortete für sich selbst: „Ich wusste nicht, dass du Wert auf meine Anwesenheit legst, Narukana-sama.“ Ihr entwaffnendes Lächeln erstickte jedes weitere Wort von der Göttin. Grummelnd widmete sie sich wieder ihren Aufgaben, mit denen sie noch nicht fertig war. „Was ist mit Cynard?“, fragte Naya neugierig. Katima wandte sich ihr zu. „Er ist heute beschäftigt. Seit es offiziell ist, dass er seine Welt verlassen wird, muss er viele Dinge für seine Nachfolge regeln.“ Grinsend sprang Satsuki neben die Königin und kniff ihr in die Seite. „Na, na, na? Wer ist denn da verliebt? Ah, es ist so schön, dich glücklich zu sehen.“ Schlagartig lief Katimas Gesicht rot an. „S-Satsuki-dono...“ Nozomi räusperte sich, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Nun... was wollen wir denn heute tun? Es wäre doch nicht schlecht, wenn mal nur wir Mädchen etwas unternehmen, oder?“ Die anderen nickten zustimmend, Naya brachte auch sofort den passenden Vorschlag: „Wie wärs mit den heißen Quellen? Das Wetter würde doch passen, oder?“ Baila legte den Kopf schräg. „Heiße Quellen?“ „Ja, du weißt schon, Quellen aus denen heißes Wasser sprudelt“, erklärte Satsuki. „Darin kann man baden, das ist richtig angenehm.“ Das junge Mädchen nickte verstehend. Ruputna legte den Kopf schräg. „Wir gehen ohne die Jungs?“ „Natürlich“, erwiderte Satsuki. „Sie sind auch ohne uns gegangen.“ Leana, die sich bislang aus der Sache herausgehalten hatte, schmunzelte, als sie daran dachte, dass sie die Jungen beim Baden beobachtet und belauscht hatten. Aber die Jungen würden das mit Sicherheit nicht machen, vor allem weil keiner von ihnen wusste, dass sie dorthin gehen würden. „Worauf warten wir noch?“, fragte sie. Satsuki sah sie begeistert an. „Leana, das sieht dir so gar nicht ähnlich. Das gefällt mir!“ „Gewöhn dich bloß nicht dran.“ Strahlend hob Naya den Arm in die Höhe. „Dann erkläre ich hiermit den Wellness-Tag der weiblichen Shinken-Träger für eröffnet!“ Leise lachend verließen die Mädchen das Klassenzimmer. Kaum waren sie draußen, hob Landis den Kopf. Er gähnte herzhaft. „Interessant~“ Noch schlaftrunken stand er auf und ging ebenfalls hinaus. „Nozomu-kun, gib mir noch was davon, bitte.“ Zetsu deutete auf die Schüssel, die zu weit entfernt von ihm stand. Mit einem lockeren Handgriff schob Nozomu diese zu ihm hinüber. Er wusste nicht, was das darin war (es schien eine Art Gemüse zu sein, von dem er noch nie gehört hatte), aber Zetsu schmeckte es offensichtlich, denn es war bereits das zweite Mal, dass er sich davon einen Nachschlag nahm. „Wie behältst du nur deine Figur, Zetsu-kun?“, fragte Subaru neugierig. Der Silberhaarige schluckte sein Essen hinunter. „Ich habe einen guten Stoffwechsel.“ „Was ist das denn schon wieder?“, fragte Sorluska. „Das ist mir echt zu kompliziert, dir das zu erklären“, bemerkte Zetsu, was ihm einen genervten Blick von seinem Gegenüber einhandelte. Sorluska sah zu Nozomu, doch der winkte sofort ab. „Lass mal, ich bin schlecht in Biologie.“ „Außer in Sexualkunde“, feixte Zetsu. Das schallende Gelächter von Sorluska erfüllte den Speisesaal. „Der war gut!“ „Danke sehr. Ah, seht mal, wer da kommt. Die Schlafmütze.“ Landis kam an den Tisch herüber. „Habt ihr gut gegessen?“ Die anderen nickten. Sorluska hob eine Augenbraue. „Warum fragst du sowas?“ „Na ja... ich dachte mir, ihr wollt vielleicht wissen, was die Mädchen heute vorhaben.“ Die Blicke der anderen wurden sofort fragend. Subaru legte den Kopf schräg. „Sind sie etwa weg?“ Landis nickte. „Sie wollten alle zusammen zu den heißen Quellen.“ Triumphierend erhob Sorluska sich. „Und wir werden ihnen folgen!“ „Ich wusste, dass du das sagen würdest.“ „Schlauer Totenjunge. Also, was sagt ihr anderen?“ Zetsu und Nozomu warfen sich fragende Blicke zu, aber bevor sie etwas sagen konnten, ergriff Sorluska noch einmal das Wort: „Wenn ihr nicht wollt, gehen Landis, Subaru und ich allein.“ Während Landis nicht reagierte, blinzelte der Bogenschütze verwirrt. „Was? Warum ich?“ „Weil dein Mädchen auch dabei ist!“, kam die Antwort. „Mein Mädchen?“ Landis nickte noch einmal. „Sie haben Baila mitgenommen.“ „Aber Baila ist nicht mein...“ Sein kläglicher Widerspruch erstickte sofort. Seufzend standen Zetsu und Nozomu auf. „Okay, okay, wir gehen mit. Aber nur weil wir eh nichts Besseres vorhaben.“ Sorluska jubelte, während Subaru ebenfalls aufstand. „Wie kommen wir dahin?“ „Der Totenjunge führt uns, nur keine Sorge. Also komm endlich.“ Damit setzte sich die Gruppe in Bewegung, um den Mädchen zu folgen. Diese waren unterdessen bei der Quelle angekommen. Während die meisten von ihnen noch mit Ausziehen beschäftigt waren, befand sich Ruputna bereits im Wasser. Baila stand unschlüssig daneben, als sie plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter spürte. Als sie den Kopf wandte, sah sie in Satsukis lächelndes Gesicht. „Na? Worauf wartest du? Eine Extra-Einladung gibt es leider nicht.“ „Es ist warm?“, fragte Baila leise. „Mh-hm, das garantiere ich dir. Also steig rein, bevor du dich erkältest.“ Zusammen mit Satsuki stieg sie schließlich in die Quelle hinein. Die anderen Mädchen folgten ihnen kurz darauf. Narukana seufzte. „Ah, so kann eine Göttin gut leben.“ „Glaub ich dir gern“, bemerkte Thalia. Bevor es zu einem Streitgespräch kommen konnte, schnitt Satsuki der Göttin das Wort ab: „Na, worüber wollen wir reden?“ Leana, die genau wusste, was kommen würde, rollte genervt mit den Augen. Thalia seufzte ebenfalls leise, sie wusste es also auch. „Da keiner einen Vorschlag macht, mache ich einfach einen: Wie zufrieden seid ihr denn mit euren Männern?“ „Das ist in meinen Augen kein angemessenes Thema“, bemerkte Nozomi, doch die Schülersprecherin winkte ab. „Das sagst du nur, weil du gerade niemanden hast.“ Diese Reaktion brachte ihr einen wütenden Blick ihrer Freundin ein. Baila legte wieder den Kopf schräg. „Zufrieden mit... unseren Männern?“ „Das versteh ich auch nicht“, stimmte Ruputna zu. „Ich wills gar nicht verstehen“, bemerkte Naya. „Seid doch nicht so zickig“, erwiderte Satsuki. Genervt hievte Nozomi sich wieder aus der Quelle. „Von mir aus könnt ihr darüber reden, aber ohne mich.“ Naya und Narukana machten es ihr nach. Die Göttin nickte dabei zustimmend. „Ich will nicht wissen, was du mit meinem Nozomu anstellst.“ „Wenn schon, dann ist es meiner“, bemerkte Nozomi wütend. „Ihr irrt euch beide, jiyaaa~“ Satsuki seufzte. „Okay, dann haut wenigstens endlich ab und streitet euch nicht hier.“ Wutschnaubend zogen die drei sich wieder an und rauschten davon. „Eiskalt verjagt“, bemerkte Thalia. „Ah, sie hätten ohnehin nichts Interessantes zu erzählen gehabt.“ Die Blicke der Anwesenden wandten sich Katima zu, die diese nur fragend erwiderte. „Es wundert mich ein wenig, dass du noch da bist.“ „S-soll ich auch gehen?“, fragte die junge Königin verunsichert. „Nein!“, antwortete Satsuki sofort. „Ich dachte nur, du würdest dich der allgemeinen Empörung anschließen und dann abhauen.“ Katima schüttelte mit dem Kopf, die Verlegenheit stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. „Nein, eigentlich... eigentlich würde ich gern darüber reden...“ „Also ist es wahr!“, rief Satsuki aus. „Du und Cynard, ihr habt schon...!“ „Habt schon was?“, fragte Baila neugierig. Verlegen lächelnd winkte Katima ab. „Sch-schon gut.“ Ihr Gesicht war wieder rot geworden und es lag mit Sicherheit nicht an der heißen Quelle. Bailas Gesicht dagegen blieb fragend. Satsuki hob einen Finger. „Okay, Baila, ich erklärs dir.“ „Muss das sein?“, fragte Thalia. „Das dauert doch nicht lange~“ Immer noch wütend betraten Nozomi, Narukana und Naya die Stadt. „Wofür hält die sich eigentlich?“, bemerkte die Göttin. „Für ein Mädchen mit einem Freund?“, antwortete das Katzenmädchen. „Ja, mit einem Freund, der ihr nicht zusteht!“ Nozomi hielt plötzlich inne. „Aber Nozomu-chan hat sie doch ausgewählt.“ Die anderen beiden blieben ebenfalls stehen. Narukana schnaubte. „Bestimmt hat sie irgendwelche Tricks benutzt. Welcher Mann, der noch recht bei Verstand ist, würde nicht mich wählen?“ Nozomi und Naya warfen sich einen Blick zu, schwiegen aber auf diese ohnehin rhetorische Frage. „Ah, euch kenne ich doch.“ Die Mädchen wandten ihre Gesichter und sahen den lächelnden Cynard überrascht an. „Ich dachte, Ihr hättet zu tun“, meinte Nozomi. „Hatte ich auch“, erwiderte er. „Aber für heute bin ich fertig. Wart ihr unterwegs?“ Die Mädchen nickten. „Wo ist denn Katima?“ Auf diese Frage hatte Narukana gewartet, weswegen sie direkt antwortete: „Bei den heißen Quellen.“ Er schmunzelte. „So so, vielen Dank. Habt noch einen schönen Tag in Cresting.“ Zum Abschied hob er die Hand, bevor er davonging. Die Mädchen sahen wieder Narukana an. „Warum hast du ihm das gesagt?“ „Damit Katima sieht, dass ihr Ritter kein toller Saubermann ist.“ Nozomi schüttelte den Kopf. „Denkst du wirklich, ein ehrenwerter Ritter wie Sir Cynard würde die anderen in der Quelle bespannen?“ Narukana warf den Kopf zurück. „Im Endeffekt ist er auch nur ein Mann – und die sind alle gleich.“ Damit schritt sie davon. „Meinst du, das stimmt?“, fragte Naya nachdenklich. Entschieden schüttelte Nozomi mit dem Kopf. „Nein, ganz bestimmt nicht.“ „Wenn du das sagst“, meinte das Katzenmädchen. „Wollen wir was essen gehen?“ Ohne es zu wissen, beobachteten die Jungen die Quelle von derselben Erhöhung aus wie auch die Mädchen es bei ihnen getan hatten. Subaru war der einzige, der sich nicht zwischen Hin- und Wegsehen entscheiden konnte. „Ich dachte, alle Mädchen wären hier“, flüsterte Nozomu. „Eneko sagt, die drei fehlenden haben sich mit den anderen gestritten und sind deswegen gegangen.“ Zetsu seufzte theatralisch. „Aww und ich hatte gehofft, ich würde Narukana endlich nackt sehen.“ Nozomu warf ihm einen entgeisterten Blick zu, den der Silberhaarige mit einer Grimasse erwiderte. „Worüber reden sie da?“, murmelte Sorluska. „... jedenfalls ist das eine ziemlich klebrige Angelegenheit“, beendete Satsuki gerade einen Vortrag. Nozomu betete innerlich, dass sie über das Backen von Plätzchen redete, aber Ruputnas entgeisterter Gesichtsausdruck und die intensive Röte in Katimas Gesicht sagten ihm, dass er damit meilenweit danebenlag. Warum muss sie immer über so etwas reden? „Ich verstehe“, meinte Baila monoton. „Aber warum sollte jemand so etwas tun wollen? Der Logik zufolge klingt das ekelhaft.“ Thalia brach in prustendes Gelächter aus. „Stimmt, das tut es.“ „Aber es ist toll!“, versicherte Ruputna. Baila wandte ihr den Kopf zu. „Du hast es schon getan?“ Das Mädchen nickte heftig. Sorluska schmunzelte. „So so, Totenjunge, dann bist du wohl keine Jungfrau mehr.“ Landis sagte dazu nichts. Sein Blick konzentrierte sich auf einen Punkt direkt hinter Katima, aber die anderen konnten dort nichts erkennen, so dass sie sich wieder auf das Gespräch konzentrierten. „Also solltest du es auch mal tun, Baila“, sagte Satsuki gut gelaunt. Das Mädchen legte einen Finger an ihren Mund. „Ich weiß nicht... Mein... Programm sieht so etwas eigentlich nicht vor.“ „Denk doch nicht immer an dieses Programm“, wies die Schülersprecherin sie zurecht. „Du musst in diesem Fall auf dein Herz hören.“ „Mein Herz...“ „Was sagst du dazu, Subaru?“, fragte Zetsu neugierig. Der Bogenschütze schwieg, sein Blick war dafür inzwischen auf Baila gerichtet. Satsuki wandte ihren Blick zu Ruputna. „Da fällt mir ein, dass du noch gar nicht erzählt hast, wie es mit Landis war.“ Bevor das Mädchen antworten konnte, seufzte Leana. „Eigentlich könntest du dir das auch so denken, oder? Danach hing sie immerhin noch mehr an ihm als vorher.“ „Du bist eine recht gute Beobachterin“, erwiderte Satsuki. Thalia schmunzelte. „Man sieht ziemlich viel, wenn man so still ist wie sie. Eine Eigenschaft, die du dir auch mal aneignen solltest.“ „Ja ja ja~ Ein andermal vielleicht. Also war es gut, Ruputna?“ Das Mädchen lächelte. „Es war toll! So etwas habe ich noch nie gespürt.“ Sorluska grinste. „Musst ja ein richtiger Bringer sein.“ „Vielleicht“, antwortete Landis ausweichend. „Dabei sieht er aus wie ein kleiner Junge“, meinte Zetsu grinsend. „Kommen wir zur Königin“, fuhr Satsuki fort. Überrascht sahen die Jungen Katima an. „Wie jetzt?“, fragte Sorluska. „Sag mir nicht...“ Die Königin zuckte zusammen und erwiderte die Blicke der anderen Mädchen. „J-ja?“ „Wie war es mit Cynard?“ Ein wenig verlegen wandte Katima ihr Gesicht ab. „Ich... ich hatte befürchtet, dass es wehtun würde, aber Cynard war sehr vorsichtig. Es... hat nur ein wenig geschmerzt. Ansonsten...“ Sie lachte leise. „Ansonsten hat es mir gefallen.“ Satsuki nickte lächelnd. „Sag ich doch, sag ich doch. Das ist echt toll! Wenn sogar Thalia und Leana dieser Meinung sind...“ „Wann habe ich das gesagt?“, fragten beide gleichzeitig. „Oder etwa nicht?“, erwiderte Satsuki mit einer Gegenfrage. Die beiden Mädchen sahen sie genervt an. Katima und Ruputna dagegen lachten wieder. Baila legte den Kopf schräg. Satsuki klatschte in die Hände. „Leana, was ich schon immer wissen wollte... wie ist Zetsu-kun so im Bett?“ „Ich würde es dir nicht einmal sagen, wenn ich es wüsste“, erwiderte Leana frostig. Während Thalia schmunzelte, runzelte Satsuki ihre Stirn. „Okay, okay, dann reden wir eben über was anderes. Und ich dachte, über diese Phase wärt ihr schon hinweg.“ „Scheint als wären die interessanten Gespräche nun vorüber“, bemerkte Sorluska, als das Gespräch der Mädchen sich plötzlich einem komplett anderen Thema zuwandte. Zetsu nickte. „Mhm, ja, Frisuren sind nicht wirklich mein Thema.“ Nozomu, der sich erstaunlich schäbig vorkam, hoffte, dass sie nun wieder gehen könnten, aber stattdessen grinste Sorluska. „So, dann kommen wir nun zur Bewertung.“ Nozomu sah ihn fragend an. „Beginnen wir mit... Baila. Obwohls da nicht viel zu sagen gibt. Kaum Oberweite, große Augen... nicht mein Typ. Was sagt ihr?“ Zetsu grinste. „Ich kenne jede Menge Lolicon-Fans, die begeistert von ihr wären.“ „Ich auch“, bemerkte Nozomu schmunzelnd. Landis hob die Schultern, Subaru schwieg. „Als nächstes... Leana. Hier sieht es schon ein wenig besser aus, aber wenn du mich fragst, sieht sie immer noch aus wie ein Junge.“ „Findest du?“, fragte Zetsu. „Ich finde sie nicht schlecht.“ „Ihre Brüste sind größer als die von Nozomi“, bemerkte Nozomu gedankenverloren. Diesmal war es, der von den anderen fragend angesehen wurde. Ertappt zuckte er zusammen. „Ähm, zumindest glaube ich das.“ Ohne die anderen beiden zu fragen, machte Sorluska weiter: „Wie stehts mit Satsuki? Da scheint alles perfekt – aber... ist sie im Bett auch so eine Labertasche?“ Nozomu nickte. „Ja, ist sie. Reden oder schreien, eins von beiden muss sie immer tun.“ Zetsu schmunzelte. „Typisch Senpai.“ „Wie ist es mit Ruputna? Ihre Oberweite ist ja wirklich enorm, aber ist sie immer so ein Kindskopf?“ Landis schmunzelte. „Eigentlich nicht, nein.“ „Aber bestimmt experimentierfreudig“, meinte Zetsu. Der Junge lachte leise. „Das schon, ja.“ „Gut, auf zu Katima. Auch wenn niemand hier etwas dazu sagen kann. Wenn sie nicht dauernd so formell wäre, wäre sie ne prima Partie. Seht euch mal diese Figur an.“ „Ja, nett“, sagte Zetsu. „Aber ich steh nicht auf Blonde.“ Nozomu seufzte gedankenverloren. „Katimas Haut ist sehr weich.“ Wieder einmal richteten sich die Blicke der anderen auf ihn. Verlegen zog er den Kopf zwischen die Schultern. „Also, ich beneide nicht die Person, die mit Katima zusammen ist“, sagte Landis. „Es muss schwer sein, der Mann einer Königin zu sein.“ Zetsu nickte zustimmend. Die Jungen sahen zu Thalia, die als einzige noch fehlte. Sorluska schwieg, weswegen Nozomu für ihn das Wort übernahm: „Wie sieht es nun mit Thalia aus?“ Der Silberhaarige rieb sich das Kinn. „Auch nicht viel anders als Leana, allerdings scheint Thalia ein wenig mehr auf den Hüften zu haben.“ Sorluska schnaubte. „Was soll das denn heißen!?“ „Shhht! Sei leise!“, zischte Landis sofort. „Sie hören uns sonst noch.“ „Ich bin dafür, dass wir jetzt gehen“, sagte Subaru. Er begann bereits damit, wegzukriechen, damit er sich aufrichten konnte. Landis nickte zustimmend und tat es ihm nach. Zetsu und Nozomu folgten den beiden. Lediglich Sorluska verharrte noch für einen Moment, bevor er sich ebenfalls anschloss. Auf dem Rückweg blieb Landis plötzlich stehen. Die anderen hielten auch inne. „Was ist?“ Der Junge sah zu einem bestimmten Baum hinüber. „Ihr solltet nicht dort stehenbleiben, Cynard-sama. Nachher finden Euch die Mädchen noch.“ Überrascht sahen die anderen ihn an. „Cynard?“ Tatsächlich trat der Ritter hinter dem Baum hervor. „Woher wusstest du, dass ich hier bin?“ „Ich habe Itzal an der Quelle gesehen. Also eigentlich hat Eneko ihn gesehen...“ „Verstehe. Ich sollte wohl vorsichtiger sein.“ Zetsu lachte. „Habt Ihr etwa auch die Mädchen beobachtet?“ Lächelnd hob Cynard den Zeigefinger und schüttelte mit dem Kopf. „Ah, ah, ah. Natürlich nicht – nur Katima.“ „Ein Mann bleibt wohl ein Mann“, schloss Nozomu daraus. „Auch wenn er ein Ritter ist.“ „Zuallererst bin ich ein Mensch, dann bin ich ein Ritter“, berichtigte Cynard. „Aber darüber können wir reden, während wir zu Monobe zurückgehen.“ Die Jungen nickten und gingen gemeinsam mit ihm davon. Als die Mädchen am Abend wieder heimkamen, befanden die Jungen sich wieder im Speisesaal, wo sie mit Essen beschäftigt waren. Nur dass Cynard und Landis diesmal auch bei ihnen waren. Leana packte direkt Zetsus Hand und zog ihn mit sich, ohne etwas zu sagen oder auf seine Quengeleien einzugehen, was sein Essen anging. Satsuki kicherte. Bestimmt hat dieses Gespräch sie endlich darauf gebracht, es auch machen zu wollen. Da kann Zetsu sich später bei mir bedanken. „Was habt ihr heute gemacht?“, fragte Nozomu beiläufig. „Och, nicht viel“, antwortete Satsuki. „Wir haben nur ein wenig gesprochen. Und ihr?“ „Nur ein wenig gegessen.“ Thalia hob eine Augenbraue. „Ein wenig? Ihr seid seit heute Mittag beim Essen.“ „Zwischendurch hatten wir einen Verdauungsschlaf“, erwiderte Sorluska. Satsuki lachte. „Aber ich hoffe, ihr habt uns etwas übrig gelassen. Wir haben nämlich auch Hunger.“ Ruputna nickte heftig. Landis lächelte. „Aber natürlich.“ Zufrieden setzten die Mädchen sich hin, um mit den anderen zu essen. Zetsu-kun hat bestimmt viel Spaß. Leana warf die Tür hinter sich zu und ließ Zetsu wieder los. Fragend sah er sie an, ihr Gesichtsausdruck war völlig neutral, aber er konnte spüren, dass sie unter der Oberfläche brodelte. „Ist etwas?“ Sie schnaubte. „So, du willst also Narukana nackt sehen?“ Ertappt zuckte er zusammen. „W-woher...?“ Knurrend hielt er inne. „Isolde.“ „Dass du uns beim Baden zugesehen hast, ist ja nicht so schlimm, damit sind wir quitt, aber diese Aussage...!“ „Also, ich... he, Moment mal! Was soll das heißen, quitt?“ Diesmal war sie es, die zusammenzuckte. „Ihr habt uns auch beobachtet?“ „Darum geht es jetzt nicht!“, erwiderte sie. „Es geht um das, was du gesagt hast!“ „Und das ist nur ein Scherz gewesen!“, wehrte er ab. „Was denkst du eigentlich von mir?“ Prüfend sah sie in sein Gesicht, bevor sie sich abwandte. Erneut warf sie die Tür zu, aber diesmal als sie den Raum verließ. Er seufzte genervt. Warum macht sie mir so eine Szene? Das war doch nur ein Scherz... Schlecht gelaunt und verletzt zog er seine Schuljacke aus und legte sich hin, um zu schlafen. Frauen. Man kann nicht mit ihnen, aber auch nicht ohne sie... leider. Kapitel 47: Krieg und Frieden ----------------------------- Nozomu und Rehme liefen neben Zetsu durch die Stadt und warfen immer wieder einen besorgten Blick zu dem Silberhaarigen hinüber. Im Gegensatz zu ihrem letzten Ausflug war er diesmal wütend. Mit energischen Schritten lief er durch die Straße, dabei grummelte er leise vor sich hin. „Was ist denn los?“, fragte Nozomu schließlich, der diese Laune nicht länger aushielt. Weder Zetsu noch Leana waren beim Frühstück gewesen, was Satsuki mit einem Kichern quittiert hatte. Die Idee, in die Stadt zu gehen, war wieder Zetsus Idee gewesen, lange nach dem Frühstück. Nozomu war sich sicher, dass Zetsu seine Zeit nicht mit Leana verbracht hatte, allein schon seine schlechte Laune war Beweis genug dafür. Fragte sich nur weswegen. Der Silberhaarige schnaubte. „Was soll denn los sein? Ich habe einen harmlosen Witz gemacht! Und Isolde hatte nichts Besseres zu tun, als das Leana zu erzählen!“ Rehme nickte verstehend. „Es geht um diesen Narukana-Witz, nicht? Bestimmt war Leana sauer deswegen auf dich.“ „Sauer ist noch untertrieben“, erwiderte Zetsu. „Sie hat mir ne Szene gemacht... was bei ihr eben eine Szene ist. Seitdem redet sie nicht mehr mit mir.“ „Das wird wohl eine schweigsame Ewigkeit“, bemerkte Nozomu. „Pff, die Ewigkeit kannst du vergessen. Ich werde nie wieder mit ihr reden.“ Nozomu und Rehme sahen sich besorgt an. Keiner von beiden konnte sich daran erinnern, dass Zetsu und Leana sich einmal so gestritten hatten. Plötzlich seufzte der Silberhaarige. „Okay, doch, ich werde wieder mit ihr reden – sobald sie sich entschuldigt hat.“ „Das kann dauern“, urteilte Rehme. „Du weißt doch am besten, wie stur sie sein kann.“ „Ja, ich weiß...“ Aber sie kann jetzt auch nicht mehr nach Hause. Meinst du nicht, dass sie sich entschuldigen wird? „Bestimmt nicht. Es ist immerhin Leana. Notfalls schlägt sie sich allein durch.“ Warum muss Zetsu auch so stur sein? Er könnte sich doch auch entschuldigen. „Er hat sich nicht einmal dafür entschuldigt, dass er dich umbringen wollte.“ Das ist doch was anderes. Leana liebt er immerhin... Rehme seufzte in seinen Gedanken leise. Zetsu sah ihn forschend an. „Worüber habt ihr gerade geredet?“ „Woher weißt du, dass wir das haben?“, fragte Nozomu. Der Silberhaarige schnaubte. „Halt mich nicht für blöd! Nanashi und ich machen das auch hin und wieder. Ich weiß, wie der Blick sich bei so etwas verändert.“ „Tut mir Leid. Wir haben uns nur über die Situation unterhalten.“ Zetsu vergrub seine Hände in seinen Taschen. „Und ihr haltet bestimmt zu Leana.“ Rehme schüttelte mit dem Kopf. „Wir halten zu niemandem. Wir meinen nur, dass du aufpassen solltest, dass du Leana nicht wegen so etwas verlierst.“ Er wehrte ab. „Das werde ich schon nicht. Wer kann mich schon freiwillig verlassen?“ Sein selbstbewusstes Schmunzeln rief bei Nozomu nur ein besorgtes Stirnrunzeln hervor. Ich hab irgendwie das Gefühl, dass ihm das mal das Genick brechen wird. „Ich auch...“ Zetsus Gesichtsausdruck verfinsterte sich wieder. „Ich seh schon, du hältst mich für verrückt.“ „N-nein, tue ich nicht“, wehrte Nozomu ab. Der Silberhaarige wandte sich ab. „Ich bin dann mal weg, wir sehen uns später.“ Bevor Nozomu widersprechen konnte, war Zetsu bereits davongelaufen. Der Eternal seufzte. „Manchmal verstehe ich ihn einfach nicht.“ „Ich verstehe ihn nie“, bemerkte Rehme. „Deswegen verstehe ich auch nicht, wie ihr Freunde sein könnt.“ Er hob die Schultern. „Manchmal weiß ich es auch nicht... aber meistens mag ich ihn.“ „Ihr zwei seid schon seltsam... Na ja, lass uns was essen gehen. Ich hab Hunger auf Waffeln.“ Nozomu nickte und lief in Richtung Bäcker davon. Zetsu lief unterdessen allein aus der Stadt hinaus. Er wusste nicht, wohin er gehen sollte, aber im Moment war ihm das auch egal, solange er nur allein war. Nicht einmal Nanashi wagte es, sich ihm zu zeigen. Langsam fragte er sich wirklich, wo sie war. Niemals würde er sich bei Leana entschuldigen, auch nicht wenn sie wieder gehen würde. Es wäre ihr Verlust, wenn sie ihn verlassen würde und nicht seiner. So etwas wie ihn würde sie nie wieder finden. Nachdenklich hielt er inne. Vielleicht hat Nozomu doch recht und mein Verhalten wird mich selbst noch verletzen... Soll ich mich bei Leana entschuldigen? Ach was! Was verstehen Nozomu und Rehme schon davon? Oder... vielleicht doch? Während er noch in Gedanken versunken dastand, spürte er plötzlich jemanden hinter sich. Zetsu fuhr herum, aber er war nicht schnell genug. Er spürte einen dumpfen Schmerz auf seinem Kopf, dann wurde es schwarz vor seinen Augen. „Du willst wirklich nichts essen gehen?“, fragte Isolde bedrückt. Leana antwortete nicht. Ihr Blick war nach wie vor stur auf das Fenster gerichtet. Das Shinjuu seufzte leise. Eigentlich hatte sie Leana nicht von Zetsus Aussage erzählt, damit sie auf ihn losging, sondern dass sie gemeinsam lachen konnten. Zumindest Isolde hatte Zetsus Aussage auch nur als Witz verstanden und ihn als solchen behandelt. Dass Leana gleich so sehr darauf anspringen würde, hatte sie nicht gedacht. Aber für Vorwürfe war es nun ohnehin zu spät. Jetzt konnte man die beiden nur noch wieder miteinander versöhnen... irgendwie. Leider waren beide sehr stur, so dass das nicht einfach werden würde. Isolde seufzte noch einmal, als plötzlich Nanashi erschien. „Was willst du hier, Zwerg?“ Zetsus Shinjuu sah beide gehetzt an. „Ihr müsst Meister helfen!“ Leana reagierte nicht, ihr Shinjuu dafür schon: „Was ist denn los?“ „Er wurde entführt!“ Erst nach diesem Satz drehte Leana sich um. „Wann?“ „Gerade eben. Bitte, Leana.“ Doch sie wandte sich wieder dem Fenster zu. „Soll Narukana ihm doch helfen. Oder Nozomu.“ „Das geht aber nicht!“, erwiderte Nanashi hitzig. „Du musst das tun!“ Leana sah Nanashi forschend an. „Weswegen?“ Trotzig presste das Shinjuu die Lippen aufeinander. „Du solltest doch froh sein, wenn wir uns trennen, oder?“ „Hör endlich auf, so etwas zu sagen! Meister liebt dich! Und deswegen musst du ihm helfen! Er wird sich danach auch bei dir entschuldigen!“ „Darauf kann ich verzichten“, erwiderte Leana kühl. Flehend sah Nanashi das andere Shinjuu an. „Bitte, Isolde!“ Entschuldigend hob sie die Schultern. „Tut mir Leid, Zwerg, aber wenn Leana nicht will...“ Enttäuscht senkte das kleine Shinjuu den Kopf. „Sag mal, wer hat Zetsu denn entführt?“, fragte Leana plötzlich. „Nun...“ Stöhnend richtete er sich wieder auf. Er hielt sich den schmerzenden Kopf. „Autsch... was ist denn passiert?“ Fragend sah er sich um. Er schien sich in irgendeinem Keller zu befinden, fragte sich nur in welchem. Gesehen hatte er diesen jedenfalls noch nie. Vorsichtig stand er auf und lief einige Schritte. Ein Klirren erklang und um nächsten Moment spürte er, wie etwas an seinem Bein zog. Irritiert sah er hinunter und entdeckte eine Kette, die von seinem Knöchel zu einem im Boden eingelassenen Ring führte. „Auch das noch...“ Er versuchte, den Ring mit einem Ruck herauszuziehen, doch dieser hielt sich fest an den Boden geklammert. Mit einem Seufzen ließ er sich wieder auf den Boden fallen. „Nanashi! ... Nanashi!?“ Keine Antwort erklang und sein Shinjuu erschien auch nicht. „Nanashi?“ Wo ist sie hin? Zum ersten Mal war er wirklich vollkommen allein – und dann konnte er das nicht einmal genießen, weil er in einem Keller angekettet war. Zu allem Überfluss fühlte sich auch sein Kopf an, als würde er gleich platzen. Wer immer ihm da eins übergezogen hatte, der würde das bereuen. Vorsichtig tastete er seinen Kopf ab, um sicherzugehen, dass er keine weitere Verletzung davongetragen hatte. Bis auf eine Beule war jedoch nichts zu spüren. „Nochmal Glück gehabt“, murrte er. Fragend sah er sich um. „Wie komme ich nur hier weg?“ Er merkte gar nicht, dass er laut vor sich hinredete. In diesem Moment wünschte er sich, dass irgend jemand kommen und ihn retten würde – solange es nicht Leana war. Andererseits wünschte er sich, dass gerade sie ihn retten kommen würde. Während er in seinen Gedanken versunken dasaß, merkte er nicht, wie jemand die Hütte betrat und sich dem Keller näherte. Erst als dieser jemand die Treppe herunterkam, wandte Zetsu den Kopf. Er wollte zufrieden lächeln und sie begrüßen, doch stattdessen sah er demonstrativ wieder in eine andere Richtung. „Was willst du hier?“ „Dich retten“, bemerkte sie genervt, als sie die letzte Distanz überbrückte. „Ich will aber nicht von dir gerettet werden.“ „Benimm dich nicht so kindisch“, erwiderte Leana. „Sei lieber froh, dass überhaupt jemand kommt. Dein arrogantes Gehabe geht einem nämlich mit der Zeit ganz schön auf die Nerven.“ Er schnaubte. „Dann hättest du vielleicht lieber kein Eternal werden sollen.“ Statt zu antworten, zog sie ihr Shinken. Mit einem gezielten Schlag zertrennte sie Kette, die ihn an den Boden fesselte. „Und dumm bist du auch noch. Wenn du nicht einmal auf die Idee kommst, dein Shinken zu benutzen.“ Zetsu schluckte eine scharfe Erwiderung hinunter. Er ärgerte sich selbst darüber, dass er nicht auf diese Idee gekommen war, wollte aber auch keinen weiteren Streit heraufbeschwören. Er stand auf und ging auf die Treppe zu. Davor blieb er noch einmal stehen. „Danke, Leana.“ „Pfff, ich habe dich nur gerettet, weil Nanashi darum gebettelt hat. Bilde dir nichts darauf ein.“ Warum hat Nanashi das getan? Zusammen verließen die beiden die Hütte und schlugen schweigend den Rückweg zu Monobe ein. Während Leana stur geradeaus sah, hielt Zetsu den Blick gesenkt. Wahrscheinlich bin ich wirklich ein arroganter Idiot. Und wenn sie mich verlassen würde, hätte ich das sogar verdient. Aber... Er blieb stehen, was Leana dazu bewegte, dasselbe zu tun. Mit versteinertem Gesichtsausdruck fuhr sie zu ihm herum. „Was ist jetzt schon wieder? Tun dir deine empfindlichen Füße weh?“ Zetsu hob den Blick und sah sie an. „Leana... es tut mir Leid.“ „Was?“, fragte sie. „Alles. Dass du dich mit jemandem wie mir abgeben musst. Und dass ich manchmal so unausstehlich bin und deine Gefühle verletze.“ Langsam schüttelte sie mit dem Kopf. „Du verstehst es einfach nicht, oder?“ Fragend sah er sie an. Sie seufzte. „Du bist nicht unausstehlich – zumindest nicht immer. Meistens bist du der Zetsu, in den ich mich verliebt habe. Ein warmherziger, guter Junge, den nichts so leicht aus der Ruhe bringt. Aber manchmal... manchmal bist du wirklich unausstehlich und machst dann solche Witze. Es ist als ob du ein ganz anderer Mensch wärst. Und das besonders oft, wenn du mit Nozomu und den anderen zusammen bist. In solchen Momenten würde ich dich am liebsten umbringen.“ Zetsu seufzte leise. „Das ist mir nie aufgefallen.“ „Mir schon. Und es nervt mich. Aber bislang wollte ich nichts dazu sagen – bis eben dieser Witz kam. Ich wusste, dass du es nicht ernst meinst, aber es ist trotzdem immer wieder... seltsam. Und dann frage ich mich immer wieder, wer du eigentlich bist. Bist du der Zetsu, den ich liebe oder bist du der, den ich nicht ausstehen kann?“ Ihre versteinerte Miene wurde durch einen bedrückten Ausdruck ersetzt. Wortlos trat er auf sie zu und nahm sie in den Arm. Sie wehrte sich nicht, machte aber auch keine Anstalten, die Umarmung zu erwidern. „Kannst du das verstehen?“, fragte sie leise. Er dachte wieder an die Zeit zurück, als er sich unsicher gewesen war, ob sie wirklich seine Leana wäre und er sich Sorgen darüber machte, ob sie sich inzwischen zu weit voneinander entfernt hätten. Er nickte. „Das kann ich.“ Sie schloss die Augen. „Dann bitte... sei der Zetsu, der du wirklich bist.“ Und ich hoffe, dass es der ist, den ich liebe. Isolde und Nanashi beobachteten das Ganze aus der Entfernung. „Scheint als wäre es für heute gut ausgegangen“, bemerkte eine dritte Person, die bei ihnen stand. „Ich fand das lustig, ich sollte öfter Leute entführen.“ Nanashi sah ihn forschend an. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre, Ciar.“ Der Mann lachte leise. „Stimmt. Nicht jeder macht es einem so leicht wie er.“ „Das war nur, weil er nicht ganz bei sich war“, verteidigte Nanashi ihren Meister. Ciar lachte noch einmal. Isolde tippte das kleine Shinjuu auf den Kopf. „Wie bist du denn auf diese tolle Idee gekommen?“ „Ich habe nachgedacht... und da beide so stur sind, musste es so eine Situation sein. Mir war klar, dass die beiden sich erst streiten und er sich dann entschuldigen würde.“ „Oh, du kannst ja denken, Zwerg.“ Nanashi streckte ihr die Zunge raus und sah dann wieder zu den beiden hinüber. „Ich hoffe nur, dass die beiden sich endgültig wieder vertragen und auch eine Lösung dafür finden.“ Isolde nickte. „Das hoffe ich auch.“ Ciar lächelte. Schweigend fuhr er herum und ging wieder davon. Die beiden Shinjuu nickten sich zu und lösten sich auf, um zu ihren jeweiligen Meistern zurückzukehren. Kapitel 48: Luneds Zorn ----------------------- Wenige Tage nach diesem Vorfall, von dem Nozomu absolut nichts mitbekommen hatte, hatte Zetsu sich um einiges gewandelt. Die meiste Zeit verbrachte er mit Leana, mit der er sich wieder versöhnt hatte und die wieder ein Herz und eine Seele waren. Rehme lächelte glücklich über diesen Umstand, auch wenn Nozomu nicht wusste, weswegen sie das so glücklich stimmte. Zetsu war weder der Meister des kleinen Shinjuu noch hatte sie sonst irgend etwas mit diesem zu tun. Aber Nozomu musste zugeben, dass ihm das auch gefiel. Leana machte Zetsu glücklich, also war es gut, dass sie sich versöhnt hatten. Der einzige Nachteil war, dass der Silberhaarige so auch keine Zeit mehr für ihn hatte, aber viel Zeit, um sich darum Sorgen zu machen, blieb ihm nicht, da Sorluska ihn bereits mit Beschlag belegte. „Yo, Nozomu.“ Nicht schon wieder. Der Junge fuhr zu ihm herum. „Was gibt’s?“ „Salles will, dass du und ich uns um etwas kümmern.“ Rehme hob eine Augenbraue. „Worum denn? Und warum gerade du und Nozomu?“ Sorluska grinste und entblößte dabei einen spitzen Eckzahn. „Wir sollen eine Waldruine untersuchen.“ „Nur wir beide?“, fragte Nozomu. Cynard gesellte sich ebenfalls zu ihnen. „Nein, wir drei. Sir Salles hat mich gebeten, euch zu begleiten. Ich war früher oft in der Ruine unterwegs.“ „Warum habt ihr so viele Ruinen?“, fragte Rehme. „Unsere Welt ist ziemlich alt, da geht schon mal einiges zu Bruch dabei.“ Er zwinkerte ihr zu, worauf das Shinjuu rot anlief. Hast du Fieber? „Idiot!“ „Und was soll es in der Ruine geben?“, fragte Nozomu interessiert. „Sir Salles vermutet eine Lakaien-Fabrik dort. Jedenfalls soll es dort auffällige Mana-Aktivitäten geben. Also werden wir nachsehen, was es dort gibt.“ Nozomu nickte verstehend. „Gehen wir gleich los?“ Diesmal waren es die anderen beiden, die nickten. Gemeinsam verließen sie die Monobe-Akademie und begaben sich entsprechend Cynards Anweisungen in Richtung eines Waldes. Mitten während der stillen Wanderung unterbrach Nozomu das Schweigen. „Eines interessiert mich dann aber doch.“ Fragend sahen die anderen beiden ihn an. „Was gibt’s denn? „Also... ihr beide habt schwarzes Mana... und ich weißes. Warum schickt Salles also uns drei dorthin, statt eine andere Gruppe?“ Betretenes Schweigen trat ein. „Warum schickt er eigentlich nicht Thalia?“, fragte Nozomu weiter. Sorluska seufzte. „Die ist derzeit schlecht drauf, keine Ahnung weswegen.“ Ich kann es mir denken. „Nun, bei Mädchen ist das wohl nicht schwer zu erraten.“ „Und warum schickt er nicht Katima?“ Diesmal war es Cynard, der die Antwort übernahm: „Sir Salles befürchtet, dass Katima aufgrund ihres Shinken zu langsam sein könnte.“ „Stimmt, dieses riesige Schwert zehrt ganz schön an ihrer Geschwindigkeit.“ Sie hat meinen Respekt dafür, dass sie es überhaupt schwingen kann. „Okay, Sir Cynard, Ihr begleitet uns also, weil Ihr uns führen sollt, das ist schon mal eine sinnvolle Begründung. Aber warum Sorluska und ich“?“ Der Ritter lächelte entschuldigend, als er antwortete: „Ich nehme an, dass Sir Salles ihn mitschickte, damit er seine überschüssige Energie loswerden kann.“ Nozomus Blick ging zu Sorluska, der gar nicht zugehört hatte, da er vollkommen mit sich selbst und seltsamen Boxübungen beschäftigt war. Ja, auch diese Erklärung klang vollkommen logisch. „Aber warum bin ich dabei?“ Cynard nickte zu Sorluska. „Das war seine Idee. Ich glaube, er mag dich.“ „Das ist wahr“, stimmte Rehme zu. „Er will ja auch, dass Nozomu ihn Sornii nennt.“ Sie kicherte leise, der Ritter dagegen lachte. „Das klingt ganz nach ihm.“ „He, worüber redet ihr?“ Grinsend kam Sorluska wieder dazu. Seine beiden Begleiter lächelten einstimmig. „Über nichts Besonderes.“ Der Rest des Weges verlief schweigend, erst vor der gänzlich zerfallenen Ruine blieben sie wieder stehen. Sorluskas Blick schweifte über die eingestürzten Mauern und die überwucherten Steine. „Ich glaube kaum, dass wir hier etwas finden. Oder gibt es einen unterirdischen Zugang?“ Cynard schüttelte mit dem Kopf. „Nein. Das hier ist ein Tempel aus einer Periode, in der es nicht gestattet war, unterirdische Räume zu haben. Es hieß, man könne sich so vor den Göttern verstecken und das würde diese erzürnen.“ Bei der Erwähnung des Wortes „Götter“ musste Nozomu unwillkürlich an Ciars Erzählung zurückdenken. Dort waren die Götter zwei Eternal gewesen. Ob diese Welt im Laufe ihres Daseins immer Eternal als Götter angebetet hatte? Vielleicht machte das nicht nur diese Welt, sondern auch andere. 'Murakumo' galt immerhin als das Schwert von Susanoh. Vielleicht, nur vielleicht, war in jeder Welt, in der Götter angebetet wurden, nur ein Eternal die Quelle des Glaubens. Aber wäre das wirklich so falsch? Eternal lebten ewig und verfügten über weitaus mehr Kraft als normale Menschen. In gewissem Maße waren sie wohl Götter. Aber wenn Eternal die Götter waren, die von Menschen angebetet wurden und die damaligen Götter von den Verwaltern des Zeitbaums erschaffen worden waren, wer hatte dann die Zeitbäume und die Verwalter erschaffen? Und wenn das Ursprungsshinken für all das verantwortlich war, wer hatte dann dieses erschaffen? Und wieso war es zersplittert und hatte all diese Welten mit seinen Bewohnern gebildet? Es war kompliziert, zu kompliziert für ihn. Eine plötzliche Bewegung von Sorluska holte Nozomu wieder in die Wirklichkeit zurück. Noch nicht wieder ganz in der Wirklichkeit, beobachtete er wie sein Freund durch einen halb eingestürzten Türrahmen trat. Dabei murmelte er leise vor sich hin. Cynard dagegen sah sich wachsam um. Hab ich was verpasst? „Nicht wirklich. Der Ritter hat Sorluska nur den Vortritt gelassen.“ Ohne auf eine Aufforderung zu warten, folgte Nozomu seinem Freund. Cynard ging ihnen hinterher. Missmutig sah Sorluska sich um. „Hier gibt es nichts außer alten Tonscherben. Was soll das für eine Aktivität sein, von der er geredet hat?“ „Dummkopf!“ Die Stimme erklang aus dem Nichts. Alarmiert ging die Gruppe in Abwehrbereitschaft und sah sich um. „Das ist Luned!“, verkündete Cynard. „Seid vorsichtig!“ Die anderen beiden nickten, während sie ihre Shinken zogen. Im nächsten Moment erschien Saroshs Dienerin bereits, ihren Dreizack schon in der Hand. „Ich dachte schon, ich muss hier ewig warten, bevor mal einer von euch Idioten vorbeikommt.“ „Warum wolltest du uns hierhaben?“, fragte Nozomu. Mit einem Blick, der fragte, wie man eine solche Frage nur stellen konnte, antwortete sie: „Um euch zu vernichten natürlich. Allerdings...“ Sie sah zu Sorluska, ihre goldenen Augen schienen förmlich vor Zorn zu sprühen. „Ich hätte nicht gedacht, dass du hierher kommst! Du hast meine Meisterin getötet! Dafür sollst du büßen!“ Verständnislos hob er eine Augenbraue. „Eh? Was soll ich getan haben?“ Cynard sah ebenfalls hinüber. „Erinnerst du dich? Du und Thalia habt Ifurita getötet.“ „Oh ja, genau! Daran erinnere ich mich gut.“ Sorluska grinste breit und genau das schien Luneds Zorn noch mehr anzufachen. „Du widerlicher kleiner Mensch, du wagst es!?“ „Ich wage noch einiges mehr“, erwiderte er. Sie konnte seinen plötzlichen Angriff im letzten Moment abwehren, doch die Überraschung auf ihrem Gesicht war deutlich zu sehen. „Wie kannst du es nur wagen, mich anzugreifen? Ich werde dir zeigen, was es heißt, mich wütend zu machen!“ Sie stieß ihn zurück. Mana verdichtete sich um sie herum, während sie einen Zauberspruch murmelte. Cynard gab Nozomu ein Zeichen. Der Eternal verstand sofort. Um seinen Angriff abzuwehren musste sie den Zauber unterbrechen. Das Mana verflüchtigte sich sofort wieder. „Wisst ihr, was euer Problem ist?“, fragte Luned, nachdem Nozomu wieder zurückgesprungen war. „Ihr seid stark – aber nur in der Gruppe. Das macht euch schwächer als mich!“ Die Shinken-Träger tauschten einen Blick miteinander und kamen alle zum selben Ergebnis. Nozomu sah wieder Luned an. Er hob die Schultern. „Wir sind nun mal eine Gruppe, was macht es da für einen Unterschied, ob wir zusammen oder einzeln stark sind?“ „Nozomu hat recht“, unterstütze Sorluska ihn. „Aber dich würden wir auch mit auf einem auf den Rücken gebunden Arm schlagen.“ Erneut entblößte sein Grinsen seine scharfen Zähne. Luned knurrte wieder, eine rote Aura schien um sie herum zu entstehen. „Hör endlich auf, dich über mich lustig zu machen!“ Mit einem Schrei stürzte sie sich auf ihn. Doch ihre schnellen Stöße waren kein Problem für den flinken Sorluska, der immer wieder lachend auswich. „Ist das alles?“, frotzelte er. „Das kann doch nicht sein!“ Cynard, Nozomu und Rehme beobachteten das unfreiwillige lustige Schauspiel, während die beiden quer über das ganze Gelände rannten. Der Ritter schmunzelte. „Das scheint Sorluska Spaß zu machen.“ „Ja, das ist ganz sein Geschmack“, stimmte Nozomu zu. Rehme lachte leise. „Jetzt fehlt nur noch Thalia, die auch noch hinterher rennt.“ Die anderen stimmten in ihr Lachen mit ein. Sorluska gähnte unterdessen. „Das wird langweilig. Bringen wir es zu Ende.“ Mit einem gezielten Tritt brachte er Luned aus dem Konzept und zu Fall. Er beugte den Oberkörper vor. „Das sollte die Sache regeln!“ Mit beiden Klauen schlug er auf Luned ein, ihr Schutzschild gab darunter nach. Hastig schüttelte sie den Kopf. „Ich gebe nicht so einfach auf!“ Erneut griff sie ihn an. Obwohl er zurücksprang, schaffte sie es, ihn am Arm zu verletzen. Rehme kniff ein Auge zusammen. „Autsch!“ Na ja, eine Narbe mehr oder weniger... Sorluska reagierte gar nicht darauf. Er nickte Cynard und Nozomu zu. Beide handelten sofort und griffen Luned gleichzeitig an. Das Schwert des Ritters konnte sie abwehren, aber die linke Klinge von Reimei durchbrach ihr Schutzschild, während die rechte Klinge durch ihren Unterleib fuhr. „Gut gemacht, Nozomu!“ Luneds Augen weiteten sich, als sie hinunter blickte. Langsam zog Nozomu das Schwert wieder heraus. Goldene Manafunken strömten zäh aus der Wunde und klebten auch an Reimei. Sie taumelte zurück. „Wie... konntest du... es wagen...?“ Bevor sie den Satz beenden konnte, verschwand sie wieder so plötzlich wie sie gekommen war. Eine merkwürdige Stille trat ein, die erst wieder von Sorluska unterbrochen wurde: „Das wäre wohl erledigt. Können wir gehen?“ Die anderen beiden antworteten nicht darauf. Cynard blickte zu Nozomu. „Haben wir sie nun besiegt?“ „Ich glaube kaum. Die Verletzung war mit Sicherheit nicht tödlich. Aber weiterkämpfen konnte sie auch nicht.“ „Genau, genau“, verkündete Sorluska. „Also gehen wir endlich. Jetzt habe ich Hunger und heute kocht Thalia.“ Keine Ahnung, warum er sich so sehr darauf freut. Thalia kocht echt furchtbar. „Aber er liebt sie doch, da schmeckt ihm alles besser.“ Ich liebe Satsuki – und ihr Essen ist... na ja, ganz okay. Das von Nozomi schmeckt besser. „Oh, Nozomu...“ Die Gruppe machte sich auf dem Rückweg. Je länger sie liefen desto mehr veränderte sich Sorluskas Verhalten. Er war bei weitem nicht mehr so aufgedreht, sondern still und zurückhaltend. Doch kurz vor Monobe sank sein Oberkörper immer tiefer, Schweißtropfen rannen über sein Gesicht. „Sor, was ist los?“, fragte Nozomu besorgt. Der Gefragte schüttelte nur den Kopf. Aus seinem Mund erklangen nur unverständliche Worte, als er zu sprechen versuchte. Nozomu sah zu Cynard, dessen Gesicht ebenfalls einen besorgten Zug angenommen hatte. Mit einemmal blieb Sorluska stehen – und brach wortlos zusammen. Rehme entfuhr ein erschrockener Ausruf. Nozomu und Cynard knieten sich neben den Jungen. „Er ist glühend heiß“, bemerkte der Ritter. „Wie kann das sein? Bis gerade eben ging es ihm doch noch gut.“ Nozomus Blick ging zu der frischen Verletzung, die Haut darum herum hatte sich seltsam verfärbt. „Kann es sein, dass sie ihn vergiftet hat?“ Cynard fluchte leise. Ohne weitere Worte hob er Sorluska hoch und lief weiter. Nozomu sprang auf und folgte ihm. Hoffentlich können wir ihm helfen. „Natürlich können wir das. Wir haben nicht umsonst Salles als unseren Anführer. Er weiß bestimmt, was zu tun ist.“ Ja, hoffentlich. Eine besorgte Falte war auf Salles' Stirn zu sehen, während er Sorluska untersuchte. Nozomu, Cynard und Jatzieta standen daneben und warteten angespannt auf das Ergebnis. Eigentlich hatte Nozomu auch Thalia Bescheid geben wollen, aber Salles hatte ihn gebeten, noch damit zu warten, bis die Diagnose feststand. Seufzend erhob sich der Brigadeführer schließlich und wandte sich den Wartenden zu. An seinem Gesicht war wie üblich nichts abzulesen. „Luned hat wirklich ein Gift verwendet.“ Jatzieta hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. Nozomu seufzte, während Cynard betroffen den Kopf senkte. „Es ist ein sehr verbreitetes Gift im Zeitbaum, deswegen kenne ich auch das Gegengift.“ Die Anwesenden atmeten erleichtert aus. „Können wir es auch hier finden?“, fragte Cynard. „Ihr müsst mir nur sagen, was es ist, dann kann ich Euch sagen, ob es das auch hier gibt.“ Salles nickte. Er trat an ein Bücherregal, in dem allerlei medizinische Fachliteratur stand. Zielsicher griff er nach einem dicken Buch und blätterte darin herum. Nach wenigen Seiten hielt er inne und hielt es Cynard hin. Der Ritter betrachtete das Bild eingehend, Nozomu und Rehme warfen ebenfalls einen Blick darauf. „Oh! Die Pflanze kenne ich!“ Ja, die gab es auch bei uns. Und in der Schwertwelt, der Geisterwelt und so ziemlich jeder Welt, die wir bislang besucht haben. Bestimmt gibt es die auch hier. Doch ein Blick in Cynards Gesicht gab seiner Hoffnung einen extremen Dämpfer. Der Ritter dachte angestrengt nach, also schien es keine verbreitete Pflanze zu sein. Auch das noch. Schließlich seufzte der Ritter. „Diese Pflanze wächst in dieser Welt auch – aber nicht überall. Eigentlich nur in einem bestimmten Gebirge. Und ich bin nicht sicher, ob es die richtige Jahreszeit dafür ist.“ „Dann werden wir es herausfinden!“ Thalia rauschte auf die Krankenstation, gefolgt von Naya. „Habt ihr gelauscht?“, fragte Jatzieta. Das Katzenmädchen nickte, Thalia setzte einen entschlossenen Gesichtsausdruck auf. „Ich werde persönlich das ganze Gebirge durchkämmen, wenn es sein muss!“ Mit einem zufriedenen Lächeln nickte Salles. „Wir werden zusammen dorthin gehen.“ Nozomu wartete darauf, dass Thalia zu strahlen anfangen würde, da sie immerhin von „ihrem“ Salles-sama begleitet werden würde, doch sie reagierte gar nicht wirklich darauf. „Ich gehe auch mit“, verkündete Naya. „Damit ist es beschlossene Sache!“, ließ Thalia verlauten. „Wir brechen sofort auf!“ Während Cynard dem Brigadeführer erklärte, wo das Gebirge sei und wo sich die gesuchte Pflanze befinden würde, blickte Thalia auf den bewusstlosen Sorluska. Sie legte eine Hand auf ihr Herz. Nozomu lächelte unwillkürlich. Sie liebt ihn wirklich – auch wenn sie wie ein Fisch ist. „Oh ja. Schön, oder?“ Diese Erkenntnis gab ihm wieder neue Hoffnung für Sorluska. Thalia würde ihn mit Sicherheit nicht sterben lassen. Kapitel 49: Rettungsmission in den Bergen ----------------------------------------- Nur wenige Stunden später waren sowohl Naya als auch der sonst so geduldige Salles mit den Nerven am Ende. Der Berg war nicht schwer zu finden und zu besteigen gewesen, aber die Pflanze war nicht zu finden. An keinem Ort, den Cynard genannt hatte, war die gesuchte Pflanze zu finden gewesen und Thalia zeigte die ersten Anzeichen eines drohenden Nervenzusammenbruchs. Immer wieder lief sie auf und ab und murmelte dabei verzweifelt vor sich hin. Der Beschluss, eine Pause zu machen, war von ihr nicht sonderlich gut aufgenommen worden, weswegen sie sich standhaft weigerte, sich auch nur hinzusetzen. Salles und Naya beobachteten sie dabei, teilweise interessiert, teilweise aber auch genervt. Beide sehnten sich zurück zu Monobe, um ein Bad zu nehmen und etwas zu essen. Die Berglandschaft war karg und bot wenig Abwechslung für die beiden gelangweilten Begleiter. Zu einer anderen Jahreszeit standen die zahlreichen Äste sicherlich in voller Blüte und waren schön anzusehen. Aber im Sommer war das offensichtlich nicht der Fall. Plötzlich blieb Thalia stehen. Sie warf den Kopf in den Nacken und stieß einen verzweifelten Schrei aus, der die beiden anderen wieder aufschrecken ließ. Wütend stampfte Thalia weiter, während sie allerlei Beschimpfungen losließ. Salles war sich nicht sicher, wen genau sie in diesem Moment beschimpfte. Sich selbst, das Schicksal, Luned oder Sorluska dafür, dass er sich hatte vergiften lassen. Aber wer auch immer daran glauben musste, sie tat es mit voller Inbrunst. Naya, die es schließlich Leid war, seufzte. „Gibt es nicht eine Stelle, die wir vielleicht übersehen oder vergessen haben, Salles?“ Der Brigadeführer lehnte sich zurück. Er ließ sich Zeit, um sicherzugehen, dass er diese Frage nach bestem Wissen und Gewissen beantworten konnte. Gedanklich ging er alle Orte durch, die Cynard ihm genannt hatte und verglich sie gleichzeitig mit allen Orten, an denen sie gewesen waren. Dabei fiel ihm tatsächlich etwas auf. „Ein Ort fehlt noch.“ Thalia hielt wieder inne. Ihr Blick war eine Mischung aus Aufspießen und Erleichterung, eine Mischung, die Salles noch nie zuvor gesehen hatte und die er auch nie wieder sehen wollte. „Wo ist dieser Ort?“, zischte sie gefährlich leise. Obwohl er von diesem Verhalten deutlich eingeschüchtert war, versuchte er, sich nichts anmerken zu lassen und antwortete ihr stattdessen kurzangebunden auf ihre Frage. Thalia nickte verstehend. Kaum war Salles fertig mit der Beschreibung, fegte sie bereits davon. Die Zurückgebliebenen sahen ihr hinterher. Naya seufzte noch einmal. „Für Sorluska würde sie wohl sogar durch die Hölle gehen. Wie romantisch, ~jiyaa.“ Salles erhob sich. „Romantisch... für Romantik ist hier leider kein Platz. Folgen wir ihr lieber.“ Das Katzenmädchen sprang auf. Gemeinsam folgten sie Thalia, die inzwischen aus ihrer Sicht verschwunden war. Naya hing inzwischen ihren Gedanken nach. Würde irgendjemand irgendwann auch einmal so weit für sie gehen? Es war einer ihrer Träume, aber würde er sich jemals erfüllen? Sie wusste es nicht und in die Zukunft sehen konnte sie auch nicht, aber bis es sich erfüllen würde – und sie wünschte sich inständig, dass es passieren würde – würde es nach wie vor ihr größter Traum bleiben. Vor einem Höhleneingang blieb Salles wieder stehen. Das Geräusch von tropfendem Wasser drang daraus hervor, weit entfernt konnte man auch noch das Fluchen und die Schritte von Thalia vernehmen. Allein bei dem Gedanken daran, hineinzugehen, schauderte es Naya. „Bist du sicher, dass wir hier richtig sind? Wie kann eine Pflanze in einer Höhle wachsen?“ „Das müssen wir herausfinden“, antwortete Salles ausweichend. Wie so oft klang seine Stimme gefasst und neutral, aber Naya konnte heraushören, dass er im Gegensatz zu ihr neugierig war und es deswegen kaum erwarten konnte, die Höhle zu erforschen. Seufzend gab das Katzenmädchen nach und ging zuerst hinein. Sollte sie etwas von hinten anspringen, würde Salles sie immerhin beschützen können – oder er würde statt ihr angegriffen werden. Nach nur wenigen Schritten trat Naya direkt in eine Pfütze. Sie stöhnte genervt auf. „Meine schönen Schuhe... total ruiniert.“ „Das ist doch nur Wasser“, erwiderte Salles leicht gereizt. Sie warf ihm einen glühenden Blick zu, verzichtete aber auf jedes weitere Wort – als plötzlich ein Schrei die Höhle erfüllte. Thalia war weniger zimperlich gewesen, was die Pfützen in der Höhle anging. Ohne zu zögern oder auch nur genauer nachzusehen, wohin sie ging, lief sie immer weiter in die Höhle hinein. Dass sie dabei Insekten und Fledermäuse aufschreckte, die sich hastig einen neuen Ort zum Ausruhen suchten, interessierte sie dabei nicht. Ihre Gedanken waren stets bei Sorluska, der leblos auf der Krankenstation lag und nur darauf wartete, dass sie ihm das Gegenmittel brachte. Wann auch immer ihre Beine unter ihr nachzugeben drohten, rief sie sich wieder sein Bild ins Gedächtnis, was ihr die Kraft zum Weitergehen gab. Genau genommen gab ihr das sogar so viel Kraft, dass sie noch genug Energie zum Fluchen besaß. Je tiefer sie in die Höhle vordrang desto dunkler wurde es um sie herum, so dass sie schon bald gar nichts mehr sehen konnte. Doch auch das hielt sie nicht davon ab, immer weiterzulaufen – bis sie plötzlich spürte, wie sie den Boden unter den Füßen verlor. Mit einem lauten Schrei stürzte sie in die Tiefe. Ein schmerzhafter Aufprall, verbunden mit einem weiteren Schrei, stoppte den Fall. Sterne tanzten vor ihren Augen, ein taubes Gefühl hatte sich ihres Körpers bemächtigt. Die Ohnmacht lockte mit einer verführerisch warmen Umarmung, doch das Bild ihres Freundes, der um sein Leben kämpfte, ließ Thalia dagegen ankämpfen. Sor... Sor, ich kann jetzt nicht einfach nachgeben... Als das Gefühl langsam in ihren Körper zurückkehrte, versuchte sie, sich wieder aufzurichten. Ein scharfer Schmerz, der durch ihren Arm zuckte, verhinderte dies jedoch. Ein Stöhnen entwich ihr. Langsam ließ sie sich wieder auf den Boden sinken. Das warme Gefühl der drohenden Ohnmacht war verschwunden und hatte einer klammen Kälte Platz gemacht, die sich langsam in ihre Haut fraß und sie schläfrig machte. „M-mir ist so... kalt, Sor...“ Von oben erklangen Schritte, gefolgt von Stimmen: „Thalia!?“ Salles-sama...! Sie hob den Kopf, um zu antworten, doch kein Laut kam aus ihrer Kehle. Stattdessen ruhte ihr Blick auf einem Durchgang, aus dem sanftes Licht strömte. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass es ihr Ziel war. Sie musste sich nur noch aufrichten und hinübergehen. Mühselig richtete sie sich auf, dabei biss sie die Zähne zusammen, um dem Schmerz nicht erneut nachzugeben. Sie musste Sorluska retten, sie musste ihm beistehen, nur sie konnte das. Langsam, an der Wand abgestützt, humpelte sie zu dem Licht hinüber. Nur noch... wenige... Meter... Salles und Naya standen am Abgrund und starrten in die Dunkelheit. Die Kristallkugel, die als Spitze von ihrem Stab fungierte, gab ein helles Leuchten von sich, konnte die Finsternis aber nur wenige Meter weit durchdringen. Es reichte nicht bis auf den Grund. „Thalia!?“, versuchte Salles es noch einmal. „Kannst du mich hören!?“ Keine Antwort erklang. Die beiden wussten nicht, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Naya seufzte. „Wir sollten auch runter.“ Er nickte. Sein suchender Blick offenbarte ihm eine ungerade Treppe, die in die Tiefe führte. „Gehen wir dort hinunter. Das erscheint mir sicherer als ein Sprung.“ Ohne etwas zu sagen ging sie voraus, da sie die Lichtquelle mit sich trug. Salles folgte ihr, darauf bedacht, nicht zu nah aufzulaufen und keinen zu großen Abstand zu halten. Die Treppe war mehr als nur ungerade, an manchen Stellen fiel sie geradezu flach ab, weswegen Naya bei manchen Stufen länger brauchte, um nicht abzurutschen. Der Boden war immer noch nicht zu sehen, im Gegenteil. Die Dunkelheit schien sich um sie beide zu verdichten, um das ungebetene Licht auszulöschen. Lediglich Nayas Wille schien dagegenzuhalten. Ein erschrockener Schrei entfuhr ihr, als ihr Fuß tatsächlich von einer Stufe rutschte. Automatisch griff Salles nach ihrem Handgelenk. Doch seine Finger schlossen sich nicht darum. „Naya!“ Das Licht ihres Stabes erlosch, den Bruchteil einer Sekunde später hörte er einen dumpfen Aufprall – nur wenige Zentimeter unterhalb seiner Position. „Miau~“, kam es leise von ihr. Auch ihre Stimme schien nicht weit entfernt zu sein. Erneut begann der Kristall zu leuchten. Salles lachte leise, als er von der Treppe herunterstieg. Sie waren bereits auf dem Grund angekommen. „Alles in Ordnung?“, fragte er fürsorglich, bevor sie sich über sein Lachen beschweren konnte. Naya saß inzwischen auf dem Boden und rieb sich den Kopf. „Ja, ~jiyaaa. Nur mein Kopf tut weh, ich hab ihn mir angeschlagen.“ Er kniete sich hin und strich ihr beruhigend über das Ohr. „Das wird schon wieder.“ Ihr Nicken bestätigte, dass sie dasselbe glaubte. Mit dem Stab in der Hand stand sie wieder auf. „Wir müssen uns beeilen, wir wissen nicht, wieviel Zeit Sorluska noch hat – und was mit Thalia passiert ist.“ Gemeinsam mit Salles ging sie weiter, bis sie an dem Ort ankamen, an dem Thalia aufgeschlagen sein musste. Frisches Blut war auf dem Boden zu sehen, doch glücklicherweise war es nur sehr wenig. Allerdings war daran noch nicht abzusehen, ob sie nicht vielleicht schwere innere Verletzungen erlitten hatte, sie mussten sie also schnell finden. Wortlos deutete Naya auf eine Blutspur, die sich auf dem Boden entlang der Wand zog. Als Salles der Spur mit den Augen folgte, entdeckte er auch das sanfte Licht, das er aufgrund Nayas grellem Kristall nicht hatte wahrnehmen können. Die Augen des Katzenmädchens weiteten sich erstaunt, als sie bei der Lichtquelle angekommen waren. Inmitten dieser finsteren Höhle fielen Kaskaden von Wassermassen in einen See, der durch eine Öffnung nach draußen floss. Sonnenstrahlen fielen durch Öffnungen im Gestein herein und erzeugten im Zusammenspiel mit den Wassertropfen unzählige kleine Regenbögen. Saftiges grünes Gras wuchs neben dem See. Und inmitten der Wiese lag Thalia. Salles kniete sich neben sie und griff sanft an ihre Schulter, so dass sie die Augen aufschlug. Sie lächelte leicht. „Salles-sama... ich habe die Pflanze.“ Mit einer triumphierenden Geste hob sie die Hand, in der sich tatsächlich das befand, was sie die ganze Zeit über gesucht hatten. „Das hast du gut gemacht, Thalia“, sagte er lächelnd. „Ruh dich aus, wir kümmern uns um alles weitere.“ Sie nickte und schloss wieder die Augen. „Ist das nicht gefährlich?“, fragte Naya, während Salles Thalia hochnahm. „Sie könnte eine Kopfverletzung haben.“ „Da würde ich mir keine Sorgen machen“, erwiderte er zuversichtlich. „Sie hat einen unzerstörbaren Dickschädel.“ Das Katzenmädchen lächelte wieder und trat den Rückweg an. Nicht lange danach waren die drei dank einer Abkürzung aus der Höhle hinaus wieder zurück im Schulgebäude. Thalia lag nun ebenfalls in einem Bett der Krankenstation, mit verbundenen Wunden, während Salles sich um die Herstellung des Gegengifts für Sorluska bemühte. Cynard und Nozomu befanden sich ebenfalls noch mit Jatzieta auf der Station, wo sich ihnen Naya nach ihrer Rückkehr für eine erneute Partie Karten angeschlossen hatte. Nebenbei erzählte sie den Daheimgebliebenen von dem, was sie in den Bergen erlebt hatten und genoss es, die anderen drei so aufmerksam lauschend zu sehen. „Ich bin froh, dass ihr noch ein Exemplar der Pflanze finden konntet“, meinte Cynard, als sie mit ihrem Bericht fertig war. „Wie gesagt, sie kommt nur sehr selten vor bei uns.“ „Thalia ist auch froh“, erklärte Naya grinsend, wurde aber sofort wieder ernst. „Wie kommt es, dass du eigentlich noch hier bist? Hat Katima noch keine Sehnsucht nach dir?“ Cynard ordnete seine Karten neu, während er seine Antwort hinauszögerte. „Nun... Katima scheint heute gar nicht da zu sein.“ „Wirklich?“, kam es von Nozomu. „Wo ist sie denn?“ „Ich weiß nicht. Ich habe sie heute noch nicht gesehen.“ Jatzieta lächelte wissend, was die Aufmerksamkeit der anderen auf sie zog. Doch statt etwas zu sagen, schwieg sie genießerisch, wie es so ihre Art war. „Manchmal hasse ich dich“, murmelte Nozomu. Sie lachte darüber nur, schwieg aber weiter. Das Kartenspiel ging still weiter vonstatten, bis sich die Tür öffnete und Salles wieder hereinkam. „Das Gegenmittel ist fertig.“ Und ich dachte schon, er sagt, dass er Mist gebaut hat und es deswegen nicht funktioniert hat. „Oh, Nozomu, du bist so fies.“ Ja, ja, ja. Salles und Jatzieta traten gemeinsam an Sorluskas Bett und verabreichten ihm das Mittel, das Nozomus Magen umdrehen ließ, so sehr stank es. Bah, zum Glück schläft Sor, der würde das nie trinken. Zufrieden mit sich selbst fuhr Salles wieder herum. „Damit sollte es ihm bald wieder besser gehen. Aber für heute sollten wir alle ins Bett gehen, um uns von der Aufregung zu erholen.“ Naya und Nozomu nickten erleichtert und huschten bereits hinaus. Lediglich Cynard blieb noch im Raum stehen, um Jatzieta etwas zu fragen: „Was ist denn nun mit Katima?“ Sie wartete, bis Salles ebenfalls wieder draußen war, bevor sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitete. „Katima wollte etwas ganz Besonderes für dich in der Stadt besorgen. Aber ich nehme an, dass sie immer noch gemeinsam mit Nozomi unterwegs ist...“ „Was kann das denn sein?“, wunderte er sich laut. „Du wirst es sehen, wenn sie wieder da ist. Und jetzt husch-husch, raus mit dir.“ Sie machte eine Handbewegung als würde sie ihn fortjagen wollen. Lächelnd verließ Cynard die Krankenstation wieder, mit dem Kopf immer noch bei der Frage, was Katima ihm wohl besorgen wollte. Kapitel 50: Ein Geschenk für Cynard ----------------------------------- „Das nicht, das auch nicht und das sowieso nicht...“ Mit einer unheimlich sicheren Hand legte Satsuki alles beiseite, was Nozomi zuvor ausgewählt hatte. Die Jüngere nahm das mit einem Schmollen zur Kenntnis, während Katima nur verdutzt dasitzen und der Schulsprecherin dabei zusehen konnte. Satsuki hatte sich ihnen kurzfristig bei der Suche nach einem Geschenk für Cynard angeschlossen. Die Königin wusste nicht, was sie davon halten sollte, aber Satsukis Sicherheit beruhigte sie ein wenig. Sie selbst hatte immerhin keine Ahnung gehabt und war deswegen mit Nozomi in ein Pralinengeschäft gegangen. Die Schulsprecherin war allerdings nicht sonderlich begeistert von dieser Art Geschenk und das brachte sie auch offen zum Ausdruck. Aber was sollte man ihm dann schenken? Schließlich fuhr sie lächelnd herum. „Katima, Katima. Wir reden hier doch von dem Mann, den du liebst, dem du ein Geschenk machen willst, oder?“ Die Königin nickte langsam, ohne zu verstehen worauf Satsuki hinauswollte. Nozomi fing den Gedanken allerdings auf und griff sich seufzend an die Stirn. „Oh Senpai...“ Fragend sah Katima zu ihr hinüber, aber sie reagierte nicht darauf. Also sah sie wieder Satsuki an. „Und was soll ich nun tun?“ Sie hatte so wenig Erfahrung mit Männern, dass es ihr fast schon peinlich war. Aber als Mitglied einer königlichen Familie war das wohl nicht weiter verwunderlich. Die Schulsprecherin warf lächelnd ihr Haar zurück. „Oh, da weiß ich schon was. Dafür müssen wir aber woanders hin. Hier drin werden wir das nicht finden.“ Sie warf noch einmal einen abschätzenden Blick auf die Auslagen, in denen die verschiedensten Pralinensorten präsentiert wurden. Nozomi schnaubte und stand gemeinsam mit Katima auf. Zu dritt verließen sie den Laden – nach einem fröhlichen Gruß der Angestellten, die sich offensichtlich darüber freuten, dass die drei Mädchen endlich wieder weg waren. Viel mehr als den Betrieb aufzuhalten, hatten sie ohnehin nicht getan. Mit suchendem Blick lief Satsuki durch die Straßen. Katima fragte sich, wohin sie wohl gehen würden, während Nozomi nur verschämt zu Boden sah. Vor einem Bekleidungsgeschäft blieb Satsuki wieder stehen. Triumphierend zeigte sie darauf. „Da gehen wir rein! Hier finden wir bestimmt etwas Passendes.“ „Aber es soll doch für Cynard sein“, warf Katima zurückhaltend ein. Mit einem Grinsen wandte die Schulsprecherin sich an sie. „Oh, das wird für Cynard sein. Er wird sich auch darüber freuen.“ „Senpai, bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?“, wagte Nozomi den Einspruch. „Nicht jeder kann so wie du sein.“ Katima verstand immer noch nicht, worauf das Ganze hinauslaufen sollte. Satsuki wischte den Einwand ihrer Freundin zur Seite. „Ah, komm schon, Nozomin, stell dich nicht so an. Es wird Cynard gefallen und das ist es doch, was Katima will, oder?“ Die Blicke beider Mädchen wandten sich der Königin zu, der die Aufmerksamkeit unangenehm wurde. „Oh, ähm, natürlich.“ Mit einem zufriedenen Nicken betrat Satsuki das Geschäft, Katima und Nozomi folgten ihr. Alle drei wurden von einer lächelnden jungen Verkäuferin begrüßt. Satsuki erklärte ihr in wenigen Worten, dass sie etwas Besonderes für eine Hochzeitsnacht suchten. Katima sah sie fragend an, aber die Schulsprecherin zwinkerte ihr nur zu. Allein bei dem Gedanken daran, Cynard zu heiraten, wurde sie wieder rot. Die Vorstellung hatte was. Aber nein, damit konnte sie sich im Moment nicht abgeben. Bevor sie ans Heiraten denken konnte, mussten sie Sarosh besiegen. Die Verkäuferin nickte verstehend und führte die drei in den Hinterraum. Katima wurde schlagartig wieder rot. „W-was ist das denn...?“ Mit einem Lächeln stellte er ihr den Teller hin, bevor er sich auf seinen Platz ihr gegenüber setzte. „Lass es dir schmecken, Leana.“ Sie betrachtete das Essen misstrauisch. „Das hast du selbst gekocht?“ „Klar. Glaubst du mir nicht?“ Ihr Blick zeigte ihm ganz genau, dass sie nicht nur ihm, sondern auch dem Essen, so verführerisch es auch aussah, nicht ganz traute. Um ihr zu zeigen, dass es unbedenklich war, aß er als erstes. Sein Lächeln brach dabei kein einziges Mal ab. Leana wartete noch eine Weile, nachdem er geschluckt hatte. Erst als sie völlig sicher war, dass es unbedenklich war, begann sie ebenfalls zu essen. „Mhm~ das schmeckt ja wirklich lecker.“ Er lachte nur und aß ebenfalls weiter. „Wie kommt es, dass du so gut kochen kannst?“, fragte sie. „Die pure Verzweiflung. Ich hatte kein Geld, mir dauernd was vom Imbiss zu holen und musste deswegen selbst kochen, wenn ich nicht verhungern wollte.“ „Ich dachte, Nanashi hätte für dich gekocht“, bemerkte sie verwundert. Er schüttelte mit dem Kopf. „Nicht immer. Eigentlich nur, wenn ich krank war. Und das kam eher selten vor. Ich bin ziemlich widerstandsfähig.“ Leana betrachtete ihn neugierig. „Weißt du, eigentlich weiß ich ziemlich wenig über dich, du dafür aber einiges über mich. „Das stimmt.“ Er aß weiter. Ein wenig enttäuscht sah sie ihn an. „Du erzählst mir also gar nicht mehr über dich?“ „Meine Vergangenheit ist doch langweilig.“ „Das finde ich nicht!“, erwiderte sie energisch. Überrascht hielt er inne. „Uhm?“ Seufzend lehnte sie sich zurück. „Weder du noch deine Vergangenheit sind langweilig. Ich würde gern viel mehr über dich wissen. Erzähl es mir doch.“ Schließlich gab er nach. „In Ordnung. Ich erzähl es dir später, nach dem Essen. Besonders der Anfang ist nicht unbedingt für ein Essensgespräch geeignet.“ Sie lächelte leicht und machte sich wieder ans Essen. Zetsu lächelte ebenfalls und machte es ihr nach. Ziellos lief Adina durch das Schulgebäude, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Als sie am Speisesaal vorbeikam, blieb sie verwundert stehen. „Was macht ihr da?“ Nozomu, Rehme, Nanashi und Isolde zuckten zusammen und sahen sie unschuldig an. „Warum fragst du?“ Der blonde Eternal gestikulierte zur Tür. „Ihr beobachtet jemanden im Speisesaal, nicht? Warum macht ihr das?“ Die Shinjuu wandten sich Nozomu zu, der allerdings schwieg. „Solltest du nicht im Bett sein?“, fragte Adina ihn. „Es war doch ein anstrengender Tag für dich.“ „Ja, aber ich wollte vorher noch was herausfinden.“ Neugierig lief sie an ihm vorbei und sah ebenfalls in den Speisesaal. „Ah, ihr beobachtet die beiden. Das hätte ich mir denken können.“ Statt etwas zu sagen, blickte Nozomu auf ihren Schal. Noch nie hatte er sie ohne diesen gesehen. Wurde ihr das nicht irgendwann zu warm? Er deutete darauf und fragte sie danach. Sie lachte verlegen. „Ich bemerke das oft schon gar nicht mehr. Der ist inzwischen fast schon ein Teil von mir, weißt du?“ „Aber das würde mir trotzdem zu warm werden. Selbst meine Uniform wird mir manchmal zu warm und die trage ich auch schon seit Jahren.“ Sie lachte noch einmal. „Ach, ich weiß auch nicht, woher das kommt.“ Ich würds auch gar nicht wissen wollen. Immerhin sind ihre Erzählungen immer total langweilig. „Nozomu, sei doch nicht so.“ Das ist nur die Wahrheit. „Na ja, ich bin dann mal wieder weg. Ich will euch ja nicht bei euren Beobachtungen aufhalten.“ Sie lächelte Nozomu zu und ging davon. Isolde grinste. „Die Zeit mit Ciar scheint ihr gutzutun. Sie ist nicht mehr ganz so steif wie am Anfang.“ Rehme nickte zustimmend. „Das ist wahr. Vielleicht hat sie sich jetzt auch an uns gewöhnt.“ „Meint ihr, sie und Ciar werden am Ende mit uns kommen?“, fragte Nozomu neugierig. Isolde schüttelte mit dem Kopf. „Glaube ich kaum. Ich kann mir die beiden schwer in einer Gemeinschaft wie dieser vorstellen.“ „Wir sollten froh sein“, meinte Nanashi. „Noch mehr Leute wären nicht sonderlich passend.“ „Stimmt, weil du Zwerg ja schon für zwei futterst.“ Nanashi warf Isolde einen vernichtenden Blick zu. Nozomu schüttelte mit dem Kopf. „Also, wenn ihr euch streiten wollt bin ich dann mal weg, ich bin müde.“ Er winkte beiden zu und ging davon, Rehme folgte ihm. Isolde grinste wieder. „Wir sehen uns dann, Zwerg.“ Sie verschwand ebenfalls. Nanashi schnaubte empört, bevor sie selbst verschwand. Mit hochrotem Kopf folgte Katima ihren beiden Freundinnen. Immer wieder sah sie auf die Tüte, die sie in ihren Händen hielt. „S-Satsuki, ist das wirklich ein gutes Geschenk?“ Es hatte Stunden gedauert, bis sie mit Aussuchen fertig gewesen waren und Katima fühlte sich immer noch nicht ganz wohl dabei. Die Schulsprecherin nickte grinsend. „Glaub mir, jeder Mann steht auf Dessous.“ „Nozomu-chan bestimmt nicht“, murmelte Nozomi kleinlaut. Satsuki warf ihr einen Blick zu. „Da kennst du ihn aber schlecht.“ „Hast du es denn mal ausprobiert?“, fragte Katima. „Das nicht. Aber ich weiß, was Nozomu so für Kataloge zu Hause hatte.“ Sie kicherte leise, Nozomi hustete verlegen. Die Königin legte den Kopf schräg. „Was ist ein Katalog? Und warum verrät er dir was über Nozomus Vorlieben?“ Satsuki erklärte ihr, dass Kataloge dem Zweck dienten, Leuten Dinge zu verkaufen. Über Bilder konnte man sich bestimmte Dinge aussuchen und dann bequem bestellen. Katima sah sie bei dieser Erklärung ungläubig an. „Wirklich? Das kann ich mir gar nicht vorstellen.“ „Ist aber so. Wenn ich einen hätte, würde ich es dir zeigen, aber leider haben wir in der Schule keine Kataloge. Zumindest nicht, dass ich wüsste.“ Katima winkte ab. „Schon gut. Ich muss das auch nicht unbedingt wissen.“ Die Mädchen betraten die Monobe-Akademie, wo sich ihre Wege schließlich trennten. In ihrem Zimmer angekommen, stellte Katima erleichtert fest, dass Cynard im Moment nicht anwesend war. Bevor er dazu kommen konnte, versteckte sie die Tüte in der Tasche, mit der sie sich der Gruppe angeschlossen hatte. Da sieht er hoffentlich nicht rein. Kaum war sie fertig, ging die Tür auf. Als Cynard sie sah, lächelte er. „Ah, du bist wieder zurück. Hast du alles erledigt?“ Sie konnte nicht verhindern, dass sie rot wurde. Hastig nickte sie. „Ja, alles fertig.“ Zum Glück schien er nicht zu wissen, was sie eigentlich vorgehabt hatte, jedenfalls stellte er keine weiteren Fragen dazu. Er setzte sich neben sie. „Und was hast du heute erlebt?“, fragte sie neugierig. Lächelnd begann er, von dem heutigen Tag zu erzählen. Kapitel 51: Die Ruhe vor dem Sturm ---------------------------------- Wenige Tage später hatten sich Sorluska und Thalia wieder erholt, so dass sie wieder im Dauerclinch liegen konnten. Etwas, was Nozomu ganz gern beobachtete, nachdem Zetsu und Leana sich am liebsten irgendwo zusammen versteckten, wo sie allein sein konnten. Nur manchmal fehlte Nozomu das Popcorn, das die Auftritte der beiden Streithähne perfekt gemacht hätte. Rehme dagegen langweilten die Streitereien, weswegen sie sich mehr als Nozomu freute, als Salles sie alle wieder ins Direktorat rief. Es war lange her, seit sie zuletzt alle gemeinsam in diesem Raum gestanden hatten. Doch diesmal waren auch die vier Anführerinnen dabei, die das letzte Mal noch in der Festung des Feindes gewesen waren. Satsuki hing lässig auf dem Ledersofa, direkt neben Nozomu. „Salles-sama“, begann die Schulsprecherin, „weswegen hast du uns gerufen?“ Der Brigadeführer schmunzelte. „Wie ihr wisst, verbringen wir schon ziemlich viel Zeit in dieser Welt. Damit gibt es hier insgesamt fünf Eternal. Selbst für eine Welt, die so intensiv mit Mana gesegnet ist, wird das langsam zu viel.“ Er ließ die Worte auf die Anwesenden wirken. Auch wenn jeder seinen eigenen Schluss zog, waren sie sich alle einig, was er ihnen damit sagen wollte. „Wir können also nicht mehr lange hier bleiben?“, hakte Naya nach. Salles nickte zustimmend. „Das ist korrekt. Wenn wir hier noch lange verweilen, werden wir am Ende für den Untergang dieser Welt verantwortlich sein.“ Nozomu konnte sehen, wie Cynard erschrocken einatmete. „Nun, was schlägst du dann vor?“, fragte Jatzieta. Der Brigadeführer schloss die Augen. „Wir werden Luned in eine Falle locken und töten. Anschließend werden wir Saroshs Versteck stürmen und ihn ebenfalls überwältigen.“ „Wird das denn so einfach funktionieren?“, fragte Zetsu mit einem deutlich zweifelnden Unterton. Die gesamte Gruppe sah zu ihm hinüber. Fragend erwiderte er die Blicke. „Habe ich was Falsches gesagt?“ „Gibt es irgendeinen Grund zu zweifeln?“, stellte Salles die Gegenfrage. „Bei Et Ca Repha hat es doch auch funktioniert.“ Zetsu setzte an, um etwas zu sagen, doch Subaru kam ihm zuvor: „Da war auch Euphoria bei uns.“ Die Gruppe seufzte synchron. Adina und Ciar warfen sich einen fragenden Blick zu. Aber es war Baila, die die Frage stellte: „Wer ist Euphoria?“ „Sie war eine unserer Gefährtinnen“, antwortete Nozomu. „Sie war ein Eternal, die ihr Gedächtnis verloren hatte. Nach unserem Kampf gegen Et Ca Repha ist sie wieder zu ihren Eltern gegangen. Unsere Reise dient nicht nur Rogus zu finden, sondern auch Euphoria. Anscheinend ist sie nämlich ein Law-Eternal geworden und wir wollen sie natürlich davon wieder abbringen.“ Adinas Gesicht verfinsterte sich. „Law-Eternal...“ „Ist das etwas Böses?“, fragte Baila. Subaru nickte, sparte sich jedoch eine ausführliche Antwort. Salles deutete ein Kopfschütteln an. „Euphoria war uns eine große Hilfe, aber es war nicht sie, die den letzten Kampf gewonnen hat. Und im Kampf gegen Sharivar war sie auch nicht bei uns. Ich bin sicher, dass wir auch ohne sie gewinnen können.“ Obwohl er von der gesamten Gruppe sprach, war sein Blick auf Nozomu gerichtet. Narukana stand hinter ihm, die Arme in die Hüften gestemmt. „Wir werden das schon schaffen. Nozomu und ich schaffen das im Alleingang.“ „Ich bin auch ein Teil von Murakumo!“, schnaubte Satsuki. Narukana machte eine wegwerfende Handbewegung. Nozomu schüttelte seufzend mit dem Kopf. Salles schmunzelte erneut. „Ihr solltet euch für heute ausruhen. Wir werden morgen nach dem Frühstück gegen Luned antreten.“ Die Gruppe nickte und trat langsam den Rückzug aus dem Büro an. Lediglich Salles und Jatzieta blieben zurück. Fragend sah er sie an. „Was ist los?“ Sie verschränkte die Arme vor ihrem Körper. „Was werden wir danach machen? Wir waren so lange hier, meinst du nicht, wir haben Zeit verschwendet?“ Entschieden schüttelte er den Kopf. „Ich bin ziemlich sicher, dass Adina oder Ciar uns einen Hinweis geben können, wohin wir gehen sollen.“ „Sagte Karfunkel nicht, dass Adina wüsste, wo Rogus ist?“ „Das ist wahr, aber ich habe berechtigte Zweifel daran. Aber selbst wenn... wir sind sogesehen Feinde von Rogus, warum sollte uns eine seiner Verbündeten also sagen, wo er ist?“ Schweigend dachte Jatzieta über diese Worte nach, allerdings kam sie zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. „Dann wurden wir also reingelegt?“ „Mehr oder weniger“, gab Salles zu. „Aber wir haben auf diese Art und Weise unzählige Leben gerettet. Das war es doch wert, oder?“ Sie lächelte wieder. „Du hast recht. Wie immer, scheint mir.“ Geschmeichelt schob er seine Brillengläser zurück, um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen. „Nicht immer, aber ich gebe mir Mühe.“ Sie lachte und verließ dann ebenfalls das Büro. Salles sah ihr lächelnd hinterher und begab sich dann wieder hinter den Schreibtisch. Als sich Nozomu gemeinsam mit Satsuki, Thalia, Sorluska und Nozomi im Speisesaal wiederfand, konnte er nicht anders als sich an ihre erste gemeinsame Reise zurückzuerinnern. Nach Satsukis Rettung aus der Log Domain hatten sie ebenfalls so zusammengesessen. Lediglich Katima, Subaru und Ruputna fehlten noch, aber diese waren höchstwahrscheinlich mit ihren jeweiligen Partnern zusammen. „Ich kann es kaum erwarten, dieser Furie eins überzuziehen!“, verkündete Sorluska grinsend. Nozomu verkniff sich einen Vergleich mit Thalia, um sich Ärger zu ersparen. Sie nickte ihrem Freund zustimmend zu. „Ich werd dafür sorgen, dass sie den Tag bereut, an dem sie von uns gehört hat.“ Satsuki lachte. „Das wird sie bestimmt.“ Das tun wir alle. „Sei nicht so fies, Nozomu.“ Nozomi stellte ein Tablett voll beladen mit Essen auf den Tisch. „Aber vorher sollten wir noch einmal richtig reinhauen. Morgen geht es vielleicht nicht mehr.“ „Keine negativen Gedanken, bitte“, forderte Satsuki. „Wir werden gewinnen und uns dann weiter auf die Suche nach diesem Rogus machen.“ „Den gibt’s ja auch noch“, seufzte Nozomu. „Ich hatte ihn schon verdrängt.“ „Keine Lust mehr?“, fragte Satsuki neugierig. „Nicht wirklich. Aber ich hab's Narukana versprochen – und mehr zu tun gibt’s ohnehin nicht. Außer Euphoria finden und das wird nebenher funktionieren.“ Die anderen nickten zustimmend. Sorluska entblößte seine Eckzähne. „Außerdem erleben wir spannende Abenteuer und sehen neue Welten. Das ist doch was.“ Nozomu neigte den Kopf. „Stimmt schon irgendwie.“ Er konnte sich nicht daran erinnern, sein Zuhause zu vermissen. All die Dinge, die er erlebte, füllten ihn mit Erinnerungen, die er nie wieder missen wollen würde. Stattdessen war er sogar entschlossen, noch mehr solche Erinnerungen zu sammeln. Davon konnte er nie genug haben. Satsuki ergriff seinen Arm. „Komm schon, Nozomu, lass uns was essen und fröhlich sein.“ Ihrem Lächeln konnte er nach wie vor nicht widerstehen. Er lächelte ebenfalls und stimmte in das Essen mit ein. Mit gesenktem Blick lief Katima neben Cynard durch die Stadt. Nicht weil sie sich schämte, sondern weil ihre Augen auf ihre ineinander verschlungenen Hände fixiert waren. Ein warmes Gefühl durchflutete ihr Inneres bei diesem Anblick. Die ihnen Entgegenkommenden grüßten lächelnd, was sie beide genauso erwiderten. Der dunkle Schleier, der über dem Ritter gelegen hatte, war verschwunden und hatte wieder Anerkennung und Respekt Platz gemacht. Etwas, was ihn deutlich erleichterte. Katima hob den Kopf und lächelte ihn zurückhaltend an. „Bald werden wir wohl weiterziehen...“ Er nickte, ohne ihren Blick zu erwidern. Es schien als würde er jede einzelne Faser dieser Welt in sich aufsaugen. Die Königin neigte den Kopf. „Bist du wirklich sicher, dass du gehen willst?“ Seufzend wandte er sich ihr zu. Er lächelte warm. „Darüber haben wir schon mehrmals gesprochen, Katima. Und die Antwort wird jedes Mal dieselbe sein: Ich werde diese Welt verlassen, um bei dir sein zu können. Auch wenn...“ Er seufzte noch einmal und sah sich wieder um. „Auch wenn es mir jetzt erst wirklich bewusst wird, dass ich das hier wirklich nie wieder sehen werde.“ Sie senkte wieder den Kopf und sah zu Boden. Vielleicht wäre es doch besser, ihn hier zu lassen, bei all dem, was er kannte und offensichtlich liebte. Als er seine Hand aus ihrer löste, spürte sie, wie ihr Mut tiefer sank. Doch im nächsten Moment legte er seinen Arm um ihre Schulter und zog sie näher zu sich. Diese Handlung brachte sie für einen Moment aus dem Tritt, aber sie fing sich gleich wieder und sah ihn lächelnd an. Er erwiderte das Lächeln. „Ein Sprichwort sagt, Zuhause ist, wo das Herz ist und da du mein Herz bist, bin ich überall da zu Hause, wo du bist.“ Blut schoss in ihren Kopf. Noch nie zuvor hatte jemand ihr so etwas gesagt, nicht einmal davon geträumt hatte sie. Aber bei Cynard schien es ohnehin egal zu sein, was er sagte, alles schmeichelte sie und ließ sie glücklich werden. Erst als er wieder stehenblieb, erkannte Katima, dass sie sich auf der Aussichtsplattform befanden. Die Luft war dermaßen klar, dass sie bis zur nächsten Stadt sehen konnten. Genau wie an dem Tag, an dem sie sich das erste Mal getroffen hatten. Cynard lächelte. „Hier haben wir uns damals zum allerersten Mal gesehen.“ Katima nickte. „Ich habe mich mit Aretas unterhalten, als du plötzlich aufgetaucht bist. Ich war gleich fasziniert von dir.“ „Und ich eingenommen von dir. Obwohl ich erst dachte, dass du die zukünftige Frau von meinem Cousin wärst. Ich war... ausgesprochen erleichtert, als ich hörte, dass dem nicht so wäre.“ Sie lachte leise. „Hättest du gedacht, dass wir einmal so hier stehen würden?“ „Damals nicht, nein. Aber heute will ich mir das gar nicht mehr wegdenken. Bei dir gibt es sicherlich auch schöne Aussichten, oder?“ „Natürlich. Ich werde dir mein ganzes Reich zeigen, sobald wir bei mir sind.“ Für Katima lag es inzwischen auf der Hand, dass sie Nozomus Gruppe nicht weiter begleiten, sondern gemeinsam mit Cynard nach Hause zurückkehren würde. Sie würde die Gruppe vermissen, aber jede einzelne Erinnerung in ihrem Herzen bewahren und ihren Kindern davon erzählen – wenn sie denn mal welche haben sollte. Aufgrund des Prosia-Dokumentes hatte sie eigentlich nie Kinder haben wollen, aber mit Cynard an ihrer Seite hatte sie das Gefühl, dass alles gut werden würde, auch für ihre Nachfahren. Sie drängte sich noch ein wenig dichter an ihn, was er mit einem Lächeln zur Kenntnis nahm. Ja, mit ihm sah sie einer glücklichen Zukunft entgegen. Ruputna versuchte, einen Blick über ihre Schulter zu werfen. „Halt still, sonst tue ich dir noch weh.“ Schmollend sah sie zu Boden. Mit sanften, aber sicheren Strichen führte Landis die Bürste durch ihr langes Haar. Ihr rotes Haarband lag neben ihnen auf dem Boden und wartete darauf, wieder in Gebrauch genommen zu werden. „Hast du keine Angst?“, fragte Ruputna, als die Stille für sie zu drückend wurde. „Nein“, antwortete er lächelnd. „Wovor denn? Ich muss ja nicht alleine kämpfen. Du und Eneko seid doch bei mir.“ „Und Ji-chan!“ Er lachte. „Genau, der auch. Hattest du vor dem Kampf gegen Et Ca Repha Angst?“ Nachdenklich runzelte sie ihre Stirn. „Nicht wirklich. Ich war sicher, dass wir nicht verlieren.“ „Wie das?“, fragte er neugierig. Sie legte einen Finger an ihre Lippen. „Mhm, ich wusste es einfach.“ Er nickte murmelnd. Sehr seltsam. Schließlich beendete er das Bürsten und befestigte das Band wieder in ihrem Haar. Sie stand auf und drehte sich lachend. „Danke, Landis.“ Er stand ebenfalls auf. „Kein Problem. Was willst du jetzt machen?“ Als sie wieder stehenblieb, nahm sie seine Hand. Ihr Blick veränderte sich schlagartig. „Ich weiß schon, was wir machen können.“ Sanft, aber bestimmt führte sie ihn zu ihrem Futon hinüber, wo sie sich mit ihm niederließ. Sie lächelte verführerisch. „Lass uns die Nacht genießen~“ Verlegen sah er zu Boden, konnte ihrem Blick aber schlecht ausweichen, da sie so nah bei ihm saß. „Gut, in Ordnung.“ Sie lachte glücklich und küsste ihn, bevor sie ihn mit sich runterzog. Leana beobachtete Zetsu, während er einige seiner Sachen in eine Tasche räumte. Isolde und Nanashi saßen neben ihr und taten es ihr nach. Keiner von ihnen sagte etwas, während er nachdenklich vor einem Regal stand und überlegte, was er davon einpacken könnte. „Bist du sicher, dass du das machen willst?“, fragte Leana schließlich. Seine Entscheidung war überraschend gekommen, aber zumindest bei der Verkündung hatte er sehr entschlossen gewirkt. Mit ihrer Frage wollte sie ihn nur aus der Reserve locken, um herauszufinden, ob es wirklich so durchdacht war, wie er vorgab. Er drehte sich lächelnd zu ihr. „Klar. Oder hast du einen Einwand?“ Eine solche Reaktion hatte sie tatsächlich von ihm erwartet. „Nein, natürlich nicht. Es überrascht mich nur.“ „Mich auch“, gab er zu. „Aber solange du bei mir bist, geht das schon.“ Sie lächelte leicht, aber nur für einen Moment. „Verstehe.“ Um ihr Verständnis zu signalisieren, neigte sie den Kopf. Schließlich beendete er das Packen und ließ sich neben Leana fallen. „Du wirst sehen, wir werden eine schöne Reise haben – zu viert.“ Er warf einen Blick auf die beiden Shinjuu, die dem Gespräch neugierig lauschten. Leana schmunzelte. „So wird es wohl sein. Aber wirst du die anderen nicht vermissen?“ „Oh, ein wenig. Aber es wird schon gehen, denn immerhin bist du bei mir.“ Lächelnd schmiegte sie sich an ihn. „Ach, Zetsu...“ Er legte einen Arm um ihre Schulter. Ja, diese Entscheidung würde er mit Sicherheit nicht bereuen. Neugierig sahen Baila und Subaru zu Narukana hinüber, die damit beschäftigt war, wütende Runden auf dem Sportplatz zu drehen. Immer wieder trug der Wind kaum verständliche Worte zu ihnen herüber. „Was tut sie da?“, fragte das Mädchen. „Ich nehme an, dass sie wütend ist“, meinte er. „Sie ist ziemlich oft wütend.“ Das hatte Baila in der kurzen Zeit, in der sie in der Schule gewesen war, auch oft zu spüren bekommen. Sie seufzte leise und sah Subaru an. „Was wirst du nach dem Kampf machen?“ „Zweifelst du nicht an dem Sieg?“ Sie schüttelte mit dem Kopf. „Zweifeln ist nicht gut. Man sollte immer zuversichtlich sein. Das sagt zumindest Satsuki immer.“ Ja, das klang wirklich nach ihr. Nachdenklich sah Subaru in die Ferne. „Na ja, wahrscheinlich werden wir weiterziehen, um Rogus und Euphoria zu suchen. Du kannst ja mitkommen.“ Lächelnd sah er sie wieder an. Traurigkeit schlich sich in ihr Lächeln. „Ja, das könnte ich...“ Sie sah wieder zu Narukana hinüber, die immer noch quer über das Spielfeld lief. Subaru sah sie neugierig an, wagte aber nicht, nachzufragen, was mit ihr wäre. Schließlich folgte er ihrem Blick und beobachtete ebenfalls die tobende Göttin. Doch der Schleier, der sich über sie gelegt hatte, war kaum noch zu ignorieren. „Ich soll was machen?“ Naya sah Ciar erstaunt an. Adina, die neben ihm stand, war genauso überrascht. Der Eternal lächelte unbeirrt. „Es würde mich freuen, wenn Crowlance die Koordinaten berechnen könnte. Das würde Zeit sparen.“ „Nun, natürlich kann Crowlance das tun, kein Problem. Aber warum brauchst du die Koordinaten für die Schwertwelt?“ Ciar lachte. „Ich brauche sie gar nicht. Aber Katima und Cynard werden sie brauchen.“ „Woher weißt du das?“, fragte Adina ihn. „Ich habe meine Quellen“, antwortete er darauf nur. Ohne weiter nachzuhaken nickte Naya. „Verstehe. Gut, das kann ich machen.“ „Vielen Dank, Naya. Bist du schon nervös wegen morgen?“ Lachend schüttelte sie den Kopf. Ihre Ohren zuckten. „Nein, natürlich nicht. Alles wird gut ausgehen, schon allein weil wir Nozomu haben.“ Schmunzelnd legte Ciar eine Hand an sein Kinn. „Euer unerschütterlicher Glaube an ihn ist wirklich bemerkenswert. Liegt das nur daran, weil er 'Murakumo' trägt?“ Sie schüttelte mit dem Kopf. „Nein, sicher nicht. Unser Vertrauen in ihn existierte schon früher. Nozomu ist ein unverbesserlicher Optimist und steckt uns alle damit an.“ „Ich verstehe. Dann muss ich mir ja keine Gedanken machen.“ Sie nickte. „Überlass das nur uns.“ Ciar gab Adina ein Zeichen mit dem Kopf und verließ mit ihr den Raum. Naya blieb allein zurück. „Gut, Crowlance, dann lass uns anfangen.“ Kapitel 52: Ein kleiner Tropfen... ---------------------------------- Am nächsten Morgen gab es nur ein karges Frühstück, bevor Salles die Shinken-Nutzer weg von Monobe führte. Er brachte sie auf ein freies Feld, auf dem weit und breit nichts zu sehen war. Nozomu fühlte sich erneut wie auf einem Schulausflug. „Salles-sama, woher soll Luned wissen, dass wir hier auf sie warten?“, fragte Satsuki neugierig. Lächelnd wandte er sich ihr zu. „Keine Sorge, sie wird uns finden.“ Die Gruppe warf sich einen fragenden Blick zu, als weitere Erklärungen ausblieben. Er lächelte nur wissend. „Wo sind eigentlich die anderen?“, fragte Subaru. „Also die Minion Corps Leader?“ „Dort, wo wir später hingehen werden“, erklärte Salles ruhig. „Ich habe sie vorausgeschickt.“ Noch einmal wurde ein fragender Blick getauscht. „Müssen wir das wirklich alles in einem Durchgang machen?“, fragte Landis. „Wäre es nicht besser, wir würden uns erst wieder ausruhen?“ Der Brigadeführer schüttelte mit dem Kopf. „Nein. Nur so können wir Sarosh überwinden. Wir müssen ihn direkt nach Luneds Tod angreifen, um ihn zu erwischen.“ Diesmal nickten die anderen verstehend. Sämtliche Shinken-Träger aus Nozomus Gruppe und auch Adina waren anwesend und warteten nun schweigend darauf, dass etwas geschah. Salles ließ sich nichts anmerken, völlig ruhig stand er da und sah in eine bestimmte Richtung. Der Wind zerzauste sein grünes Haar und bauschte seinen Umhang, aber selbst das kümmerte ihn nicht. Wie lange wird es noch dauern?, fragte Nozomu sich. Überrascht stellte er fest, dass Rehme ihm diesmal gar nicht auf seine Gedanken antwortete. Das Shinjuu saß auf seiner Schulter und sah gedankenverloren durch die Gegend. Woran sie wohl denkt? Ein Geräusch wie von einem Flügelschlag erklang. Nozomu konnte die düstere Aura von Luned spüren. Genau wie die anderen. Die gesamte Gruppe wandte sich der Feindin zu. Sie hielt bereits ihr Shinken in ihrer Hand. Wenn sie sich wirklich zu ihnen teleportiert hatte, war ihr vorher klar gewesen, wie viele Feinde sie erwarteten. Abschätzend ging ihr Blick durch die Reihen. „So viele gegen eine einzige Frau? Schämt ihr euch denn gar nicht?“ Lachend schob Salles seine Brille zurück. „Du solltest uns kennen. Mit Sicherheit wisst ihr einiges über uns, oder?“ Luneds Gesicht verfinsterte sich. „Ihr seid also hier, um mich zu töten, ja? Das werdet ihr nicht schaffen. Aber versucht es ruhig.“ Sie ging in Angriffsstellung. Nozomus Gruppe tat es ihr nach. „Zeigen wir ihr, woraus wir geschnitzt sind!“, verkündete Sorluska. Subaru schwang den Bogen über seinen Kopf. „Mana Link!“ Der Rest der Gruppe wurde von bunten Funken eingehüllt, genug Mana, um eine kleine Armee von Lakaien zu besiegen. Narukana ging wie üblich mit dem ersten Angriff voran. „Excalibur!“ Sie schwang ihre Arme nach unten. Ein kaum sichtbarer Schatten eines Shinken war in ihrer Hand zu sehen. Luned hielt ihren Dreizack vor sich. Ein weißes Schild aus Mana schützte sie. „So einfach wird das nicht!“ Sie rauschte auf Narukana zu, doch diese wich geistesgegenwärtig aus. Salles, der nun das Ziel von Luned war, hob abwehrend die Hand. Luned prallte an seinem grünen Schild ab. Hastig sprang sie zurück, um dem Schwerthieb von Cynard auszuweichen. Der Ritter setzte ihr nach und bekam alsbald Unterstützung von Katima. „Aigears!“ Ihr düsteres Shinjuu erschien und griff Luned ebenfalls an. Diesem Angriff war sie wehrlos ausgeliefert. Sie gab einen schmerzerfüllten Laut von sich, ging aber nicht in die Knie. Manafunken umschwirrten sie, kommend aus nicht sichtbaren Wunden an ihrem Körper, hüllten sie in einen überirdischen Glanz ein. Doch statt erschöpft zu wirken, nahm ihre Entschlossenheit noch einmal zu. Mit einem entschiedenen Stoß drängte Luned Cynard von sich. Sie wirbelte herum, automatisch riss sie ihren Dreizack hoch. Zetsus und Leanas Shinken trafen klirrend auf das Metall. Er trat gegen ihr Schienbein – oder zumindest versuchte er es. Luned schien die Aktion vorhergesehen zu haben, weswegen sie ihr Shinken runterriss. Eine der Spitzen schrammte an seinem Bein entlang und hinterließ eine Verletzung, aus der dunkles Mana strömte. Er kniff ein Auge zusammen und wich zurück. Leana nutzte die entstandene Lücke in Luneds Verteidigung und stieß noch einmal zu. Die Feindin wich aus, doch nun flossen auch aus einer Verletzung an ihrer Seite Manafunken. Bevor Luned mit einem Angriff erwidern konnte, begab sich Leana außerhalb ihrer Reichweite. Ehe ihre Feindin ihr nachsetzen konnte, wirbelte Thalia ihr Shinken vor sich. Weißes Mana sammelte sich um das Naginata. „Hale Storm!“ Sie drehte sich einmal um ihre eigene Achse, mit Schwung warf sie den weißen Ring auf Luned, die buchstäblich von den Beinen gerissen wurde. Manafunken stiegen von ihrem Kopf auf. Sorluska versuchte, die am Boden liegende mit seinen Krallen zu erwischen, aber im letzten Moment schaffte sie es, auszuweichen. Noch in ihrer Bewegung, mit der sie sich wieder aufrichtete, stieß sie Sorluska mit dem stumpfen Ende ihres Dreizacks zu Boden. Langsam machte sich der Manaverlust bei ihr bemerkbar. Sie atmete schwer und stand leicht vornüber gebeugt da. Dennoch schien ihr das Aufgeben fern zu liegen. Nozomu wurde das Gefühl nicht los, dass sie tatsächlich bis zum bitteren Ende kämpfen wollte. Jatzieta ließ ihr keine Pause und jagte einen ihrer Feuerwölfe auf Luned. Diesem Angriff hielt das Schild wieder stand, doch die Spitze von Nayas Stab traf sie direkt an der Schulter. Luned stieß einen spitzen Schrei aus. „Verdammt! Wie könnt ihr es wagen!?“ Rotes Mana sammelte sich um sie, als sie einen Zauber konzentrierte. Satsuki wandte den Kopf. „Cheiron, halt dich bereit!“ Kaum hatte Luned den Zauber beendet, erschien der Zentaur bereits. Er saugte das fremde Mana in sich auf, wandelte es in blaues Mana – und nutzte es, um Luned damit anzugreifen. Diesmal folgte kein Schrei, aber sie wich stöhnend zurück. „Verfluchte... Shinken-Träger...! Ihr müsst euch überall einmischen...!“ „Was erwartest du?“, fragte Nozomu. „Wir werden nicht zulassen, dass ihr Welten zerstört, wie es euch passt!“ Luned lachte. „Wie es uns passt? Alles, was wir wollen, ist ein Ort, an dem wir leben können. Ohne dass Götter kommen und uns vorschreiben, wie wir unser Leben zu gestalten haben.“ „Du redest von der Sache mit Yua und Sarosh, oder?“, fragte Adina ungewohnt leise. Der Blick ihrer Feindin ging zu ihr hinüber. „Ganz genau. Aber nicht nur Yua und Sarosh, auch andere haben unter diesen selbsternannten Göttern zu leiden. Law-Eternal, Chaos-Eternal, egal wie sie sich nennen, sie sind alle gleich.“ „Ihr seid doch auch nicht besser“, bemerkte Nozomi. „Ihr wolltet alles Leben auf dieser Welt in annullierendes Mana umwandeln und das dann auch mit allen anderen Welten machen.“ Narukana nickte zustimmend. „Die Law-Eternal wollen alles zum Ursprung zurückführen und ihr wollt alles ins selbe Mana verwandeln. Wo ist der Unterschied?“ Luned lächelte. „Der Unterschied? Nun, vielleicht habt ihr recht und es gibt keinen. Aber das wird euch nicht mehr weiter kümmern, wenn ihr erst einmal eins mit uns seid.“ „So weit wird es nicht kommen“, mischte Landis sich ein. Ruputna nickte zustimmend. Sie wirbelte zweimal um ihre eigene Achse und gab dabei jedes Mal ein Tritt von sich. Zwei blaue Sicheln aus gefestigtem Wasser schossen aus ihrem Shinken. Mit ihrem Dreizack wehrte Luned beide Sicheln ab. Diesmal war es Landis, der die fallen gelassene Verteidigung nutzte. Seine Shinken zogen tiefe Wunden über ihren Arm und ihre Hüfte. Er sprang zurück und wich so gerade noch ihrem Dreizack aus. Luned ging in die Knie. Verzweifelt klammerte sie sich an ihrem Shinken fest, ihr ganzer Körper zitterte und wurde langsam immer blasser. „Ihr... ihr... ich werde nicht... so einfach sterben!“ Salles sah zu Nozomu hinüber. „Du weißt, was zu tun ist, oder? Wir können nicht zulassen, dass sie oder das, was mit dem Shinken verbunden ist, wiedergeboren wird.“ Der Junge nickte und trat vor sie. Luned versuchte noch einmal, sich aufzurichten, doch ihre Beine brachen unter ihr weg. Nozomu steckte seine beiden Klingen zusammen. Die Feindin atmete heftig. „Selbst wenn ihr mich tötet... ihr gewinnt damit nichts. Ich bin nur ein kleiner Tropfen in einem riesigen Ozean von Hass und Zerstörung.“ Rehme erhob sich von Nozomus Schulter. „Lass es uns hinter uns bringen.“ Er nickte wortlos und holte mit dem Schwert aus. „Namebreaker!“ Die Klinge ging durch den Körper wie durch Butter, sie und ihr Shinken lösten sich augenblicklich in Manafunken auf, die begierig von seinem Shinken aufgesaugt wurden. „Nozomi, Jatzieta, kümmert euch bitte um die Verletzten.“ Salles' Stimme schien wie durch Watte bei Nozomu anzukommen. Die Antworten der beiden Angesprochenen hörte er gar nicht. Er starrte auf die verbliebenen Manafunken, die sich langsam in der Luft auflösten. Ein kleiner Tropfen in einem riesigen Ozean von Hass und Zerstörung. „Was ist los, Nozomu?“ Ich schätze, Eternal sind auch nicht anders als normale Menschen, oder? „Warum sollten sie? Immerhin sind sie ja noch Menschen... irgendwie. Nur weil andere sie als Götter bezeichnen und sie über übermenschliche Kräfte verfügen, fallen ihre menschlichen Charakterzüge nicht einfach von ihnen ab. Du bist auch noch so wie früher.“ Bin ich das? Manchmal zweifle ich daran. „Nozomu...“ Er schreckte aus seinen Überlegungen, als Satsuki nach seinem Arm griff. Sie lächelte ihn an. „Nozomu-kun, alles klar? Wir gehen gleich weiter, sagt Salles-sama.“ „Natürlich.“ Mit sicherer Hand zog sie ihn mit sich zu den anderen hinüber. Zetsu und Sorluska standen inzwischen wieder aufrecht und sahen gut gelaunt aus wie eh und je. „Wollen wir weiter?“, fragte der Silberhaarige direkt. „War diesmal kein Gift an ihrem Dreizack?“, stellte Salles die Gegenfrage. Zetsu schüttelte mit dem Kopf. „Ich habe nichts bemerkt.“ Der Brigadeführer atmete auf. „Gut, seid ihr dann alle bereit, weiterzugehen? Das ist die letzte Gelegenheit für euch, zu Monobe zurückzukehren.“ Da keiner etwas sagte, übernahm schließlich wieder Jatzieta das Wort: „Scheint als wären wir alle bereit und keiner will einen Rückzieher machen. Also wollen wir dann los?“ Die Shinken-Nutzer nickten einvernehmlich. Salles fuhr herum und lief voraus. Die anderen folgten ihm sofort, lediglich Nozomu blieb stehen und sah noch einmal auf die Stelle zurück, auf der Luned gekniet hatte. Einige Funken schwirrten noch immer umher. Ein riesiger Ozean... Er wandte sich ab und folgte dem Rest der Gruppe. Kapitel 53: ... in einem riesigen Ozean --------------------------------------- Vor der Festung, in der sich Sarosh immer noch aufhielt, hielt Salles wieder inne. Er stieß einen gellenden Pfiff aus, auf den sofort alle fünf Anführerinnen erschienen. Rehme legte den Kopf schräg. „Ich wusste gar nicht, dass Salles-sama so pfeifen kann.“ Huh? Ja, vielleicht... „Nozomu, alles okay?“ Ja, kümmere dich nicht darum. „Es ist alles bereit, Salles-sama“, sagte Azzurre. „Und es sind kaum Lakaien unterwegs.“ Shani warf sich in die Brust. „Wir werden die Lakaien beschäftigen, ihr begebt euch sofort in den Thronsaal zu Sarosh.“ Salles nickte bestätigend. „Das werden wir tun. Seid vorsichtig.“ „Ihr auch“, entgegnete Sable. Yuina sah zu Baila hinüber. „Es wird Zeit.“ Das Mädchen nickte. Sie hob ihren Stab, der zu leuchten begann. „Mana Link!“ Noch einmal wurde die Gruppe von bunten Manafunken eingehüllt. Die letzte Reserve vor dem allerletzten Kampf, in dem es nur eine Alternative gab: Gewinnen. Die Minion Corps Leader fuhren herum und begaben sich ins Innere der Festung. Salles drehte sich zu seiner Gruppe. „Denkt daran, das ist der letzte Kampf und es gibt kein Zurück mehr. Gebt euer Bestes, es gibt keine zweite Chance.“ „Salles-sama...“, begann Nozomi zögerlich, „wie wollen wir ihn davon abhalten, uns diesmal wieder in das Labyrinth der Zeit zu sperren?“ Er lächelte. „Nur keine Sorge, ich habe für alles vorgesorgt. Also, wollen wir gehen?“ Nozomi legte den Kopf schräg, wollte aber keine weiteren Fragen stellen. Die Gruppe nickte einvernehmlich. „Gehen wir.“ Sie folgten Salles, der wie bei ihrem letzten Besuch vorauslief. Diesmal kam es Nozomu weniger wie ein Schulausflug vor, dafür wirkte die Atmosphäre geladen und bedrohlich. Beim letzten Mal waren sie alle wesentlich lockerer gewesen, ohne Furcht vor ihrem Gegner, nur getrieben von Neugierde. Diesmal jedoch waren die meisten nicht nur von dem Kampf zuvor noch leicht ausgelaugt, da war auch noch die Ungewissheit, wie ihr Gegner nun auf sie reagieren würde. Beim letzten Mal waren sie ins Labyrinth der Zeit katapultiert worden, was würde Sarosh dieses Mal tun? Vor dem Thronsaal blieb Salles mit der Gruppe noch einmal stehen. Nozomu konnte Schwingungen von anderen Shinken spüren, die gegeneinander kämpften und sich gegenseitig zerstörten. Lediglich das Schwert direkt vor ihnen ruhte, angespannt wartend darauf, dass es endlich zum Einsatz kommen würde. „Sind alle bereit?“, fragte Salles. „Das ist die allerletzte Gelegenheit, zurückzugehen.“ Nozomu nickte zustimmend. „Selbst wenn ihr jetzt alle zurückweicht, ich werde den Kampf alleine durchziehen.“ „Das musst du nicht“, sagte Zetsu. „Ich werde auf jeden Fall bleiben.“ Leana und die anderen stimmten ihm zu. Jatzieta schmunzelte. „Wir werden dir folgen, Nozomu.“ „Vielen Dank, alle.“ Nozomu lächelte allen zu und wandte sich dann an Satsuki und Narukana. „Ich bräuchte 'Murakumo', wäre das in Ordnung?“ Satsuki nickte lächelnd, Narukana seufzte gespielt. „Wenn es sein muss. Satsuki, Rehme!“ Die zwei Frauen und das Shinjuu verschwanden, zurück blieb das Shinken 'Murakumo', das Nozomu sofort ergriff. „Gehen wir rein.“ Die anderen nickten, gemeinsam betraten sie den Thronsaal. Sarosh saß auf dem Thron und sah finster auf die Gruppe hinab. „Ihr seid also wieder da.“ „Natürlich“, erwiderte Nozomu. „Wir sind hier, um dich aufzuhalten.“ Seufzend schüttelte Sarosh seinen Kopf. „Ist es denn wirklich so verwerflich, sein eigenes Leben zu beschützen?“ „Nein“, antwortete der junge Eternal. „Aber unzählige Leben zu vernichten, um seinen Willen durchzusetzen, DAS ist verwerflich!“ Der Blick des Shinjuu verdüsterte sich. „Ist es nicht um einiges verwerflicher, Welten zu vernichten oder ihnen ihren Willen aufzuzwingen?“ „Du kannst ein Unrecht nicht mit einem anderen aufwiegen! Aber warum redet ihr immer nur von den Extremen? Ich bin auch ein Eternal, aber ich zerstöre keine Welten und zwinge niemanden so zu leben, wie ich es für richtig halte. Das ist auch ein möglicher Weg.“ Für einen Augenblick schien es als würde Sarosh tatsächlich über diese Worte nachdenken, doch schon im nächsten Moment stand er auf. „Deine Worte langweilen mich. Es wird Zeit, euch wieder wegzuschicken – und diesmal werdet ihr dort bleiben.“ Er hob seinen Stab, dessen verästelte Spitze zu glühen begann. Die Gruppe stellte sich in Abwehrposition – lediglich Salles blieb völlig ruhig stehen. Im nächsten Moment wusste Nozomu auch warum. Das Shinken verschwand aus Saroshs Hand. „Du solltest nicht mit Spielzeug spielen, das dir nicht gehört.“ Ciar betrat den Thronsaal, der Stab befand sich nun wieder in seiner Hand. Salles schmunzelte. „Perfektes Timing.“ „Wie immer eben“, erwiderte Ciar. Sarosh knurrte. „Wie könnt ihr es wagen, euch mir entgegen zu stellen? Wieso könnt ihr mich nicht in Ruhe lassen!?“ Die Gruppe stellte sich in Kampfposition. Nozomu schnaubte. „Wir werden nicht zulassen, dass du so viele Leben opferst! Trage die Konsequenzen deines Handelns!“ Wie schon beim letzten Mal schossen Flügel aus Klingen aus seinem Rücken, als er wütend zu werden schien. „Ich werde euch alle vernichten!“ Nozomu zögerte nicht mehr lange und griff ihn an. Aus dem Nichts erschien ein Schwert in der Hand des Shinjuu mit dem es den Angriff abwehrte. Es war kein Shinken, aber dennoch stark genug, ein solches abzuwehren. Sarosh schleuderte Nozomu zurück. „Lightning Blast!“ Weißes Mana sammelte sich um Sarosh. Er wich zur Seite aus, bevor das Mana explodieren konnte. „Eure jämmerlichen Fähigkeiten reichen nicht aus, um mich zu besiegen!“ Ein Vogel aus dunklem Feuer bildete sich. Mit einem Schrei stürzte er sich auf Salles, dessen Schild klirrend unter dem Angriff zusammenbrach. Schützend hielt der Brigadeführer den Arm vor seine Augen. Der Vogel hüllte ihn in seine Flammen ein. „Salles-sama!“ Ein wenig hilflos stand die Gruppe vor dem brennenden Mann, der allerdings keine Verletzungen davonzutragen schien. Sarosh schmunzelte. „Sein Feuer verbrennt nicht. Aber es ist geradezu atemberaubend.“ Er lachte laut, Salles ließ den Arm sinken und griff sich stattdessen an den Hals. „Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Thalia panisch. Nozomi lehnte ihren Kopf gegen ihr Shinken. „Wish Pliers!“ Ein sanftes grünes Licht hüllte den Brigadeführer ein, der Vogel gab einen Schrei von sich und zog sich von Salles zurück. Doch als er auf Zetsu zuflog, machte er Bekanntschaft mit dessen Shinken und löste sich augenblicklich auf. Sarosh runzelte seine Stirn. „Ich verstehe, wie ihr Et Ca Repha töten konntet. Aber noch erkenne ich nicht, wie ihr auch Sharivar besiegen konntet.“ Die Gruppe wandte sich wieder ihm zu. „Wir werden dir zeigen, wie wir unsere Siege errungen haben!“, kündigte Sorluska an. Gemeinsam mit Thalia stürmte er vor. Als Sarosh auswich, warf Adina ihre Chakram, die das Shinjuu nur schwer abwehren konnte, ohne nicht gleichzeitig die Deckung gegenüber Sorluska zu verlieren, der die Distanz inzwischen ausgeglichen hatte. Als Thalia ihn ebenfalls erreichte und zuschlug, wandte Sarosh ihr den Rücken zu. Ihr Naginata prallte an den metallenen Flügeln ab. Funken sprühten dabei. Salles öffnete sein Shinken. „Page: Hurricane!“ Er zog einen kleinen Wirbelwind aus dem Buch und schleuderte diesen auf Sarosh. Noch in seiner Abwehrbewegung erschien auch in seiner freien Hand ein Schwert, mit dem er Sorluskas zweiten Angriff abwehrte. Eine finstere Energiewelle schleuderte Sorluska und Thalia zu Boden. Doch ihre Plätze wurden direkt von Ruputna und Landis eingenommen, die dem Shinjuu mit Tritten und Dolchhieben zusetzten. Bevor er die beiden ebenfalls wegschleudern konnte, konnte Ruputna ihm eine Verletzung an seinem Arm zufügen. Kein Mana floss daraus, aber auch kein Blut. Es war einfach... ein dunkler Riss in der Haut. Ist das normal bei Shinjuu? „Ja, ist es“, antwortete Rehme. „Wir bestehen zwar aus Mana, aber Verletzungen haben dennoch keinen Einfluss auf uns. Um ein Shinjuu zu töten... musst du seinen Meister töten.“ Klasse. Wie sollen wir das hinkriegen? Die mit Stacheln besetzte Kugel am oberen Ende von Nayas Stab warf Sarosh brutal zurück. Er traf auf den Vorhang im hinteren Teil des Saals, der daraufhin zu Boden fiel. Nozomu sog überrascht die Luft ein. Ein riesiger fünfeckiger Kristall schwebte vor ihnen. Er war vollständig mit einer Art schwarzen Energie gefüllt. Anhand des Glitzerns konnte Nozomu sagen, dass es Mana war, das sich darin befand. „Das ist der Kristall, in dem er das annullierende Mana ansammelt!“, rief Ciar aus. „Kann er es gegen uns benutzen?“, fragte Adina. Er schüttelte mit dem Kopf. „Er bräuchte dafür ein Shinken als Katalysator.“ Wenigstens etwas. Sarosh erhob sich wieder. Er stand immer noch aufrecht, war lediglich ein wenig atemlos. Salles stellte sich neben Nozomu. „Wir haben womöglich nicht genug Mana, um ihn auf die herkömmliche Art und Weise zu besiegen.“ „Dann machen wir es so wie bei Sharivar“, entschied der Junge. Die anderen nickten zustimmend. „Aber zuerst müssen wir ihn noch einmal aus dem Konzept bringen.“ „Das übernehme ich“, bot Leana an. Sie schloss die Augen und begann wieder zu singen. Die Manafunken tanzten um sie herum und bevor Sarosh reagieren konnte, war er bereits in die Knie gesunken und schien zu schlafen. „Perfekt“, bemerkte Zetsu grinsend. „Gut gemacht.“ Sie warf ihm einen schmunzelnden Blick zu, dann hob sie bereits ihr Shinken, das zu glühen begann. Die anderen taten es ihr nach, jedes einzelne Shinken glühte in der Farbe seines entsprechenden Mana-Attributs. Nozomu hob sein Reimei zuletzt. Sein ganzer Körper begann in allen Manafarben zu leuchten, bis sich das weiße Mana schließlich wieder durchsetzte und das Licht erlosch. Zurück blieb ein leuchtender Schimmer um seinen Körper herum. Nozomu ging in Angriffsposition. „Crossing Dividers!“ Er zog seine Klingen über den Körper des schlafenden Shinjuu. Sarosh schrie schmerzerfüllt auf und taumelte zurück. Die geballte Ladung Mana hatte ihm sämtliche Kraft geraubt, doch er stand immer noch. Die anderen sahen ihn erschrocken an. „Er... er steht noch.“ „Nicht einmal Sharivar konnte danach noch stehen“, stellte Jatzieta ungläubig fest. Salles nickte, seine Stirn war vor Besorgnis gerunzelt. „Wenn wir jetzt noch länger kämpfen müssen...“ Sarosh machte allerdings nicht den Eindruck, noch kämpfen zu können. Sein Gesicht war vor Schmerz verzerrt. „Weswegen...? War der Weg, den ich eingeschlagen habe, falsch? Nein, es kann nicht sein! Yua und ich... es war unser Traum! Es kann nicht der falsche Weg gewesen sein!“ Ruckartig fuhr er herum und sprang auf den Kristall zu. Die anderen atmeten erschrocken ein – doch statt dagegen zu prallen, verschwand er darin. Das Mana, das zuvor friedliche Kreise gezogen hatte, geriet nun in tosende Aufruhr. Sofort wandte sich die Gruppe Ciar zu. „Was hat er nun vor?“, fragte Nozomi. „Er will das Mana auf einen Schlag freisetzen, um so viel wie möglich zu zerstören.“ Die fünf Anführerinnen betraten den Saal. Azzurre deutete auf den Kristall, der eine rötliche Färbung angenommen hatte. „Wenn wir nichts unternehmen, wird Sarosh den Kristall von innen heraus zerstören.“ „Was sollen wir tun?“, fragte Thalia. „Um Sarosh davon abzuhalten, müsste er getötet werden – und mit ihm auch Yua. Nur so kann das Unglück noch verhindert werden.“ Naya wurde blass. „Aber dann muss ja jemand auch da hinein.“ „Ich gehe!“, verkündete Nozomu kurzentschlossen. Über so etwas brauchte er nicht nachzudenken. Für ihn war es nur natürlich, alles zu tun, um eine Katastrophe abzuwenden. Die anderen sahen ihn überrascht an. „Willst du das wirklich tun?“ Er nickte, seine Entschlossenheit wankte kein Stück. Zetsu lächelte. „Dann werde ich dich begleiten.“ Diesmal richteten sich alle Blicke auf ihn. „Zetsu...“ Er sah Leana an. „Nur keine Sorge, das schaffe ich schon.“ „Das ist gefährlich“, bemerkte Nozomu. „Bist du sicher, dass du es machen willst?“ Sein Blick ging weiter zu seinem Freund. „Eben darum kann ich dich nicht allein da hineinlassen.“ Die beiden Eternal nickten sich lächelnd zu. Ohne weitere Umschweife liefen beide auf den Kristall zu und sprangen ebenfalls hinein. Azzurre sah den Rest der Gruppe an. „Ihr solltet gehen. Wir werden ein Kraftfeld erstellen, damit sich der Schaden in Grenzen hält. Aber für diesen Ort können wir nicht garantieren.“ „Was wird dann mit euch?“, fragte Subaru. Baila lächelte ihm zu. „Nur keine Sorge. Ich zweifle daran, dass wir sterben werden. Aber jetzt geht.“ Bevor noch jemand einen Einspruch bringen konnte, nickte Salles. „Wir werden draußen warten.“ Er fuhr herum und ging hinaus. Die anderen folgten ihm. Lediglich Subaru und Leana zögerten noch einen Moment. Als die beiden jedoch ebenfalls draußen waren, zogen die Anführerinnen ihre Shinken. Jede von ihnen stellte sich an eine der Ecken. Die leuchtenden Shinken verbanden sich miteinander und bildeten eine glühende Barriere um den Kristall herum, bereit, das Äußerste für die Rettung der Welten zu geben. Kapitel 54: Eternal's Serenade ------------------------------ Das warme Gefühl, das ihn einhüllte und ihn zum Schlafen verlocken versuchte, war so vertraut wie der Geruch einer Mutter. Ein Nebel aus rotem und schwarzen Mana schränkte seine Sicht empfindlich ein. Das Farbenspiel erinnerte ihn an die Log Domain, aber doch war es in diesem Kristall ganz anders. Statt einer feindlichen Welle, die versuchte, sich seinen Körper einzuverleiben, fühlte er sich willkommen, behütet und beschützt. Irgendwo in weiter Ferne glaubte er, Musik zu hören. Ein vertrauter Klang, den er noch von früher zu kennen glaubte. Jiruol in seinem Inneren, begann mitzusummen. Erst stockend, doch dann immer selbstsicherer, als er sich selbst an die Melodie erinnerte. Nozomus Blick ging an seinem Körper hinunter. Obwohl er es nicht spürte, hielt er immer noch die Schwerter 'Reimei' und 'Murakumo' in seiner Hand. Plötzlich fühlte er eine Hand auf seiner Schulter. Er wandte den Kopf und entdeckte Zetsu, der ihn anlächelte. „Hab ich dich gefunden. Alles klar, Nozomu?“ Der Gefragte nickte. „Ja. Jetzt müssen wir nur noch Sarosh finden.“ Er warf einen Blick umher, aber in diesem Nebel konnte er kaum einen Meter weit sehen. „Vielleicht sollten wir der Musik folgen“, schlug Zetsu vor. „Ich habe so das Gefühl, dass sie uns direkt zu ihm bringen wird. Und mein Gefühl täuscht mich selten.“ Nozomu nickte. Gemeinsam schwebten sie durch das Mana, das ihnen bereitwillig den Weg freimachte und sie gewähren ließ, anstatt sich ihnen als Hindernis entgegen zu stellen. Er genoss das warme Gefühl, in dem sie badeten und begann langsam zu vergessen, weswegen er eigentlich hier war. Die Melodie wurde lauter, doch je näher sie dem Ursprung kamen desto gleichgültiger wurde es ihm. Jiruol begann Worte zu singen, die für Nozomu keinen Sinn machten. Zetsu griff wieder an seine Schulter. Er schreckte aus seinen Gedanken und sah seinen Freund an. Der Silberhaarige lächelte warm. „Denk daran, warum wir hier sind. Wir wollen Sarosh aufhalten.“ Schweigend sah er ihn an. Wie kommt es, dass Zetsu sich nicht so sehr verliert wie ich? „Das muss an Rutsuruji liegen“, bemerkte Rehme in seinen Gedanken. Ja, so musste es sein. Zetsu griff ihn am Handgelenk und zog ihn mit sich mit, weiter durch die Manamassen. Die Musik wurde lauter und eindringlicher und schließlich erblickten sie Sarosh, der mit geschlossenen Augen vor sich hinsang. Doch Nozomu Blick wurde von etwas anderem angezogen. Neben dem Shinjuu befand sich eine Frau, die er als die Yua aus Ciars Erzählung wiedererkannte. Ihre Arme waren mit Ketten an irgendwas befestigt, was Nozomu nicht erkennen konnte. Sie schien zu schlafen, aber die Augenbinde machte es schwer, etwas zu erkennen. Die Musik verstummte, Sarosh öffnete die Augen. „Ihr seid mir also gefolgt. Aber was habt ihr nun vor? Wollt ihr mich wirklich töten?“ „Das hatten wir von Anfang an vor“, sagte Zetsu. „Und damit werden wir nicht aufhören, bis wir gesiegt haben!“ Das Shinjuu seufzte. „Ihr beide... ich werde euch hier und jetzt töten und anschließend eure Freunde. Und keiner von euch wird wiedergeboren werden, denn ihr werdet alle eins mit meiner neuen Weltordnung.“ Nozomu und Zetsu gingen in Angriffsposition. Keiner von beiden war sich sicher, ob er ohne festen Boden unter den Füßen kämpfen könnte, doch es musste sein. Sie mussten Sarosh töten, hier und jetzt, während auch Yua anwesend war. Sarosh lächelte nur matt. „Ihr wollt also hier gegen mich kämpfen. Wie bedrückend.“ „Das wird nicht lange dauern“, sagte Nozomu entschieden. Manafunken sammelten sich um ihn, verdichteten sich, bis sein Körper wieder zu leuchten begann. Die Erhabenheit, die er in diesem Moment ausstrahlte, flößte nicht nur Zetsu, sondern auch Sarosh gegen dessen Willen Respekt ein. Das Shinjuu stellte sich schützend vor Yua. „Niemals werde ich zulassen, dass Leute wie ihr es seid ihr schadet!“ Nozomu nickte Zetsu zu. Der Silberhaarige verstand sofort. In einen silbernen Schweif gehüllt, rauschte er auf Sarosh zu. Genau wie in der toten Welt ließ Zetsu einen Hagel von Schwerthieben auf das Shinjuu niederregnen. Die Entschlossenheit allein half Sarosh in diesem Moment nicht weiter. Von Schmerzen getrieben sank er in sich zusammen und fiel einige Meter in den Mananebel hinunter. Nozomu nutzte seine Chance und griff Yua an. Genau wie bei Zetsu folgten blitzschnelle und unzählige Schwerthiebe, nach jedem einzelnen Hieb floss mehr Mana in die Luft. Der Nebel nahm einen intensiven, gefährlichen Rotton an. Kaum hatte Nozomu den letzten Hieb angebracht, löste sich ihr Körper in unzählige Funken auf. Er glaubte, einen leisen Dank zu hören, der allerdings von einem anderem vor Wut und Schmerz verzerrten Schrei übertönt wurde. Nozomu und Zetsu sahen hinunter. Ein schwarzer Schatten mit einer furchterregenden Fratze schoss auf sie zu. Nozomu konnte noch hören, wie Zetsu seinen Namen rief, im nächsten Moment spürte er bereits, wie etwas durch seinen Körper glitt – und er das Bewusstsein verlor. Einen Augenblick später fand er sich in einer schwarzen Umgebung wieder. Wo bin ich? Sonst war nichts zu sehen. Egal wohin er sah, überall erblickte er nur Dunkelheit. Noch immer hielt er die Shinken in seiner Hand, aber dennoch konnte er die Anwesenheit der Mädchen und seines Shinjuu nicht spüren. Wo immer er gelandet war, hier war er wirklich allein. Oder nicht ganz... Vor ihm erschien plötzlich ein Schatten, der rasch wuchs und größer wurde. Nozomu hob den Kopf und betrachtete das Ungetüm, das sich da bildete interessiert. Wieder konnte er die Musik hören und Saroshs Stimme, die unverständliche Worte sang. Doch auch wenn er die Worte nicht verstand, erschloss sich ihm plötzlich der Sinn, als ob ein Schalter umgelegt worden wäre. Die Serenade eines Eternal... so voll von Leid und Unglück... Nozomu hob 'Reimei'. „Hör auf, dich zu verstecken! Zeig dich!“ Das leuchtende Shinken vertrieb den Schatten und zeigte ein grauenvolles Wesen, das man am ehesten als Chimäre bezeichnen konnte. Auf dem Löwenkörper saßen der Kopf von Sarosh und der von Yua, der Schwanz war eine zischelnde Schlange. Auf dem Torso entdeckte Nozomu die rot glühenden Buchstaben eines Orichalcum-Namen. Doch auch angesichts dieser mythischen Bestie sank sein Mut nicht. Im Gegenteil. Sein Körper straffte sich, als er wieder in Kampfhaltung ging. Alle verlassen sich auf mich. Ich werde sie nicht enttäuschen! Sarosh atmete reines Feuer auf den Eternal. Abwehrend hob er den Arm, worauf sein weißes Schutzschild nicht nur diesen Angriff, sondern auch die Schlange abfing, die ebenfalls anzugreifen versuchte. Das Schild verblasste wieder, Nozomu steckte seine Shinken zusammen. „Namebreaker!“ Die roten Buchstaben bekamen Risse, der Orichalcum-Name zersplitterte in unzählige Scherben, die glitzernd in die Schatten verschwanden. Kaum war das geschehen, löste sich das Monster in Asche auf, die von einem nicht spürbaren Windstoß davongetragen wurde. Die Anspannung fiel von Nozomu ab, seine Shinken verschwanden, er ging in die Knie. Habe ich es geschafft? Ist es vorbei? Statt zu explodieren, was die Anführerinnen nicht hätten abwehren können, implodierte der Kristall. Eine machtvolle Druckwelle traf auf die Barriere der Minion Corps Leader, die allesamt ihre Augen schlossen. „Nicht... nachgeben...“, brachte Azzurre zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Die anderen nickten und trommelten jede einzelne Kraftreserve zusammen, die verfügbar war. Baila war die erste, die ein lautes Knacken hörte, das von ihrem Shinken zu kommen schien. Aber nicht nur ihr Stab zeigte plötzlich Risse, auch die Waffen der anderen schienen plötzlich beschädigt zu sein. Noch immer toste das Mana und versuchte die Barriere zu überwinden, um etwas zu verschlingen und sich einzuverleiben. Mit einemmal zersprang jedes einzelne Shinken, die geisterhaften Umrisse der Shinjuu griffen das angreifende Mana an. Ein ohrenbetäubender Knall und ein helles Licht folgten – und dann nichts mehr außer Ruhe. Nozomi gab einen erschrockenen Schrei von sich, als die Burg plötzlich von einer hellen Kuppel eingenommen wurde. „Was ist das?!“ „Der Kristall ist zerstört“, antwortete Ciar ruhig. „Aber er scheint nicht von Sarosh zerstört worden zu sein. Jemand anderes muss es gewesen sein.“ „Etwa Nozomu?“, fragte Thalia ungläubig. Ciar zuckte mit den Schultern. „Vielleicht.“ Als die Kuppel mit einem lauten Knall explodierte, kniff die Gruppe ihre Augen zusammen. Als sie wieder hinsahen, war die Festung verschwunden. Tränen traten in Nayas Augen. „Nozomu...“ Leana presste die Lippen aufeinander und starrte unverwandt an die Stelle, an der das riesige Gebäude eben noch gestanden hatte und von dem nun nur noch Ruinen übrig waren. „Was ist mit Nozomu-chan und Zetsu-kun?“, fragte Nozomi mit zitternder Stimme. Salles senkte den Kopf. Doch gerade als auch Ruputna losweinen wollte, deutete Landis hinüber. „Da, seht mal!“ Eneko hatte die fünf Anführerinnen erblickt, die erschöpft auf dem Boden saßen. Und zwischen ihnen, dort, wo vorher der Kristall gewesen war, lagen Nozomu, Satsuki und Narukana, scheinbar ohnmächtig. Lediglich Zetsu saß mit offenem Haar neben den Dreien und lächelte erleichtert. Er hob den Arm und winkte der Gruppe zu. Während die anderen fassungslos vor Erleichterung dastanden, rannte Leana als erstes los. Isolde tauchte grinsend neben der Gruppe auf. „Awww, so sehr hat sie sich um ihn gesorgt.“ Ihre Meisterin hatte Zetsu inzwischen erreicht und kniete nun vor ihm. „Zetsu...“ Das Glitzern in ihren Augen ließ ihn weiterhin lächeln. „Ich bin zurück, Leana.“ Sie lächelte ebenfalls. „Ja...“ „Was ist mit den anderen drei?“, fragte Nanashi, die auf Nozomus Brust saß. Zetsu sah hinüber. „Keine Sorge. Sie werden bestimmt bald wieder aufwachen. Gehen wir erst einmal zurück.“ Leana nickte und half ihm hoch. Die anderen hatten sie inzwischen ebenfalls erreicht und begannen nun die drei Bewusstlosen hochzuheben, um wieder zu Monobe zurückzugehen, wo sie die Tatsache, dass sie gewonnen hatten, erst einmal realisieren wollten. Kein Geräusch war zu hören, kein Licht zu sehen. Müsste er nun hier bleiben? Für immer? Doch gerade, als er deprimiert den Kopf sinken ließ, hörte er, wie jemand seinen Namen rief. Überrascht hob er den Blick wieder. Direkt vor sich sah er plötzlich ein silbernes Leuchten, das rasch näherkam. Zetsu...! Einen Moment später kniete der Silberhaarige sich vor ihn. „Ich habe dich gefunden. Endlich.“ „Was machst du hier?“ Er setzte sein übliches Lächeln auf. „Ich wollte mit dir reden, da du ja einfach nicht aufwachst.“ „Wie kommst du hierher?“ „Stell doch nicht so viele Fragen. Wir haben nicht viel Zeit. Du hast es geschafft, du hast gewonnen. Freust du dich nicht darüber?“ „Doch, natürlich...“ Zetsu schmunzelte. „Du bist nicht sonderlich gut darin, deine Freude auszudrücken, nicht? Egal, ich wollte mich eigentlich von dir verabschieden.“ Nozomu seufzte leise. „Du gehst also?“ Der Silberhaarige nickte bestätigend. „Gemeinsam mit Leana. Ich weiß nicht, ob und wann wir uns wiedersehen werden. Aber wir sind Freunde, nicht?“ Der Braunhaarige nickte ebenfalls. Zetsu hielt ihm seinen Arm hin, Nozomu schlug ein. Ihre Orichalcum-Namen verbanden sich, bevor die Buchstaben wieder verlöschten. „W-was war das?“, fragte Nozomu. „Ein Eternal Oath, so werden wir uns mit Sicherheit irgendwann wieder treffen.“ Beide lächelten sich an. „Mach es gut, Nozomu.“ „Du auch.“ Zetsu ließ ihn los und erhob sich wieder. Nach einem letzten Lächeln fuhr er herum und ging davon. Nozomu sah ihm nach, bis sich sein Freund in einen Sturm von Rosenblättern auflöste. „Zetsu...“ Lächelnd hob der Eternal den Kopf und schloss seine Augen. Ich denke, es wird Zeit, zurückzugehen. Woher er diese Erkenntnis nahm und woher er plötzlich wusste, wie er den Ort verlassen konnte,wusste er nicht. Aber er spürte, wie sein Bewusstsein verschwamm, als er aufzuwachen begann. Als er seine Augen öffnete, sah er direkt an die Decke der vertrauten Krankenstation. Er spürte sofort, dass er nicht allein war. Und tatsächlich: Kaum hatte er sich geregt, um zu zeigen, dass er wach war, gab Satsuki einen freudigen Schrei von sich. Er wandte den Kopf zur Seite und entdeckte die Schulsprecherin, die mit strahlendem Gesicht neben seinem Bett saß. „Nozomu! Du bist wieder wach!“ Er nickte. „Ja, bin ich.“ „Ich bin so froh, ich dachte schon...“ Sie beendete den Satz nicht, sondern sorgte dafür, dass er sich aufsetzte, damit sie ihn umarmen konnte. „Oh Nozomu!“ Gerade als sie ihn küsste, sprang die Tür auf und innerhalb weniger Sekunden war die Station mit Nozomus Freunden gefüllt. Abgesehen von Zetsu und Leana, aber die beiden hatte er auch nicht erwartet. „Wir sind froh, dass du wieder da bist!“, verkündete Naya freudestrahlend. Lächelnd sah er die anderen an. „Ich auch. Ähm... wie lange habe ich geschlafen?“ Ruputna zählte etwas an ihren Händen ab, aber Landis antwortete bereits für sie: „Fünf Tage.“ „Zetsu, die untreue Tomate ist vor zwei Tagen schon mit Leana abgehauen“, bemerkte Thalia abfällig. Nozomu lachte leise. „Ich weiß.“ Die anderen warfen sich fragende Blicke zu, aber er sah zum Fenster hinüber, durch das er den makellos blauen Himmel sehen konnte. Eine gute Reise, Zetsu... mein Freund. Epilog: Abschiede ----------------- Nur eine Woche danach stand die Gruppe versammelt vor Monobe. Sogar Aretas, Baila und die anderen vier Anführerinnen waren ebenfalls dabei. „Du willst wirklich hier bleiben?“, fragte Subaru deprimiert. Baila nickte lächelnd. „Ich werde gemeinsam mit den anderen vier dieser Welt helfen, das wieder aufzubauen, was wir zerstört haben. Außerdem habe ich ohnehin kein Shinken mehr, ich wäre euch nur eine Last. Aber in dieser Welt kann ich auch ohne Shinken noch viel ausrichten.“ „Bist du sicher, dass du nicht bleiben willst?“, fragte Aretas den Bogenschützen. „Ja. Ich werde Nozomu weiter begleiten. Aber ich werde bestimmt wieder hierher zurückkommen.“ „Ich werde auf dich warten“, sagte Baila lächelnd. Sie umarmte ihn kurz und trat dann zurück. „Viel Erfolg auf eurer Reise.“ Aretas ging zu Cynard und Katima, die ein wenig abseits von der Gruppe standen. „Cynard, Katima, ich wünsche euch alles Gute für eure Zukunft.“ Die beiden bedankten sich lächelnd. „Ich werde euch beide mit Sicherheit vermissen. Aber ich weiß genau, dass ihr zusammen gehört.“ Der Ritter und die Königin warfen sich einen Blick zu. „Ja, das stimmt. Vielen Dank, Aretas.“ Er nickte lächelnd. Salles kam ebenfalls dazu. „Ich möchte Euch auch danken, Eure Majestät. Eure Hilfe hat unsere Arbeit in dieser Welt sehr erleichtert.“ „Ich danke euch für eure Hilfe“, erwiderte der König. „Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn Sarosh seinen Plan verwirklicht hätte.“ Salles verneigte sich leicht, Ciar stellte sich neben ihn. „Dann wird es Zeit für das glückliche Paar.“ Katima hustete verlegen, Cynard lächelte nur. Der Eternal drehte sich um und hob sein Shinken. Ein bunt schillerndes Portal erschien vor ihm. Er fuhr wieder zu den anderen herum. „Dieses Tor wird euch in Katimas Welt zurückbringen.“ „Du willst wirklich gehen?“, fragte Nozomi. Die Königin nickte ihr lächelnd zu, worauf sie unvermittelt von der Schülerin und Ruputna umarmt wurde. „Wir werden dich vermissen!“ „Ich werde euch nie vergessen“, versprach Katima. Sie nickte den anderen zu und wandte sich nach einem letzten Blick wieder an Cynard. Lächelnd hakte er sich bei ihr unter und ging gemeinsam mit ihr durch das Portal davon. Hinter ihnen schloss sich das Tor wieder. Lächelnd sah Ciar zu Adina. „Für uns wird es auch Zeit.“ Nickend kam sie zu ihm herüber. „Mooooment mal!“, mischte Narukana sich ein. „Vorher sagt sie uns noch, wo Rogus ist.“ Karfunkel sah zu Adina hinauf, die sich verlegen räusperte. „Ähm, na ja...“ Ciar öffnete ein weiteres Tor, bevor er sich an die Göttin wandte. „Adina hat keine Ahnung, wo er sich aufhält.“ „Was!?“ Nozomu seufzte. Dachte ich es mir doch. Bevor Narukana richtig wütend werden konnte, sprach Ciar weiter: „Aber ich habe einen Hinweis für euch. Rogus ist auf der Suche nach einer Frau namens Charna. Findet Charna und ihr findet Rogus.“ „Und wo ist Charna?“, fragte Narukana. „Das müsst ihr herausfinden“, sagte Adina lächelnd. Sie wirbelte herum und lief durch das Portal. Ciar tippte sich als Abschiedsgruß an die Stirn und folgte ihr. Das Tor schloss sich wieder. Nozomi seufzte. „Wie sollen wir jemanden finden, von dem wir gar nichts wissen?“ Salles runzelte nachdenklich seine Stirn. „Charna, hm...?“ Er zuckte mit den Schultern. „Nun, es wird langsam Zeit für uns. Seid ihr alle bereit?“ Die anderen nickten zustimmend. „Habt ihr unsere Vorräte bekommen?“, fragte Aretas neugierig. Sie nickten noch einmal. „Vielen Dank dafür.“ Nach einer letzten Verabschiedung von Aretas und den Anführerinnen, zog sich die Gruppe in die Monobe-Akademie zurück. Nozomi nahm ihr Shinjuu lächelnd in den Arm. „Dann lass uns losziehen, Monobe. Wir haben noch viele Abenteuer zu erleben.“ Das Shinjuu gab einen zustimmenden Schrei von sich, die Schule erhob sich erneut in die Luft, um einen neuen Stern anzusteuern und die Suche mit einem neuen Hinweis fortzusetzen. Der Duft von Rosen lag schwer in der Spätsommer-Luft. Die schweren Schritte verstummten abrupt vor dem jungen König, der auf dem Rand des Springbrunnens saß. „Eure Majestät, Ihr solltet langsam wieder hineingehen. Wichtige Geschäfte erwarten Euch.“ Alvis wandte sich ihm zu, er nickte. „Ich komme sofort, Faris. Du solltest zurück zu deiner Truppe. Immerhin bist du der Kommandant der Rosenritter.“ „Sehr wohl, Majestät.“ Faris salutierte, dann begab er sich quer durch den Garten in Richtung Hauptquartier. Alvis wiederum erhob sich vom Rand des Brunnens und ging in Richtung Palast davon. „Siehst du? Hier läuft alles bestens.“ Zetsu lächelte Leana zu. Sie hatten die Szene gemeinsam beobachtet, um zu sehen, wie die Einwohner der Rosenwelt ohne Leana zurecht kamen. Sie nickte. „Ja. Ich bin erleichtert.“ „Wollen wir dann gehen?“ Hinter ihm öffnete sich ein Portal. Leana sah ihn an. „Zusammen?“ „Ganz genau. Ab sofort für immer.“ Sie lächelte und nahm seine Hand. „Sehr gern.“ Gemeinsam gingen sie durch das Tor, um sich ihren eigenen Abenteuern auf ihrer Reise zu stellen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)