Night's End von Luca-Seraphin (Der Wiedergänger) ================================================================================ Kapitel 9: Planungen -------------------- Der Platz in Lucas Kammer war begrenzt. Es blieb ihm nichts anderes als alles, was auf irgendeine Weise störte, fort zu räumen. Auch ließ er die Meisten Öllampen löschen, die den Raum immer noch in einen Backofen verwandelten und ganz nebenbei zu ziemlichen Schmerzen hinter seinen Lidern führten. Ayco nahm den Vorhang aus der Aufhängung, sodass weniger unangenehme Luft nachströmen konnte, und Justin sammelte die decken des Lagers auf. Luca sah sich in der winzigen Höhle um. „Zu schade, dass wir gerade mal bessere Abstellräume zur Verfügung haben“, murmelte er Geistesabwesend. „Vorratskammern wohl eher“, verbesserte ihn Justin. Der Magier warf ihm einen strafenden Blick zu. Vorsichtshalber mischte sich Tambren nicht ein, allerdings fehlte Ayco diese sensible Weisheit noch. „Die wirklich großen Räume der Hauptleute und Gregories liegen weiter oben und mehr südöstlich. Aber davon sind wir abgeschnitten.“ Beide Männer wendeten sich Aycolén zu und ihre Blicke sprachen im Moment Bände. Demotivation konnten sie als allerletztes gebrauchen. Zu einer weiteren Runde sinnloser Streitereien kamen sie allerdings nicht mehr, worum Luca dankbar war. Orpheu trat durch den Eingang und blieb kurz stehen. Hinter ihm stand der für diese Höhle wesentlich zu große Eistroll und natürlich Aki. Auch Luca bezweifelte langsam ernstlich, dass das Fassungsvermögen der Kammer ausreichen würde. Aber wenn dieser Ort einen Seraphin mit einer Flügelspannweite von zehn Metern – natürlich im an den Leib gezogenen Zustand – zu fassen im Stande war, würde er auch jetzt seinen Zweck erfüllen müssen. Aycolén musterte die Personen, die sich – einer nach dem anderen – in den Raum schoben und an der Wand Aufstellung nahmen, sehr intensiv. Langsam schritt er schräg hinter den Magier. „Luca“, flüsterte er. „Meine Schwester Lea ist noch nicht wieder hier.“ Dieser nickte unmerklich. „Nicht gut, aber im Moment noch nicht schlimm.“ Auch Justin bezog nun Posten seitlich hinter Luca. „Beeindruckend“, sagte er leise. Sein Blick ruhte auf der weißhaarigen Elfendame, die in ihrem einfachen Leinenkleid immer noch wie eine Königin wirkte. Allerdings erwiderte sie seinen Blick. In ihren Augen erwachte ein leises Funkeln und leiser Spott verzog ihre Mundwinkel. Sie neigte ihr Haupt leicht vor Justin. Diese Geste erwiderte er. Aycolén zog Luca leicht am Ärmel. „Was ist das...?“, fragte er leise und deutete einen Blick zwischen Aki und Justin an. „Ich habe plötzlich das Gefühl, dass sich dieser Raum mit Kräften füllt, denen wir gar nicht gewachsen sind.“ ‚Tam, bitte kläre Ayco ein wenig über Aki und Justin auf’, bat Luca ihn. ‚Nur sollte es nicht jeder Anwesende mitbekommen.’ Mit einem behänden Satz sprang der Drachling aus Lucas Armen und landete wie eine fette Katze in Aycos helfend ausgestreckte Hände. Der junge Elf nahm den kleinen Kerl hoch und betrachtete ihn. Offensichtlich kam Tambren Lucas Bitte in typischer Drachenweise nach; wenig zartfühlend. Ayco keuchte leise und Luca musste den Elfern nicht ansehen, um ein klares Bild seines erschreckten Gesichtes vor Augen zu haben. ‚Danke, Tam’ beschwerte er sich lautlos. Thorn trat nun auch ein. In seiner Begleitung traten Linnette und Jaquand ein. Luca atmete tief durch. Nun hatten sich ziemlich alle von ihm gewünschten Personen an einem Ort versammelt. Bis auf Raven, der ebenfalls hinein spähte. „Hallo Schönchen“, begrüßte er Luca. „Seit wann lädst du mich vom Spaß aus?“ Luca betrachtete ihn nachdenklich. Die Zusammenstellung der Personen hier brachte ihn auf einen weiteren Gedanken. „Ayco, kannst Du aus Deiner Erinnerung heraus dieses Höhlenlabyrinth aufzeichnen?“ Der Elf nickte. „In meiner Tasche sind Kohlestücke, ein Buch und etwas zusammengerolltes Pergament“, wies er ihn an. Die Augen Lucas leuchteten. Vielleicht funktionierten seine Ideen. Wenn ja, musste vielleicht gar kein Blut fließen. „Komm herein Raven und suche Dir noch einen freien Platz. Viel davon haben wir leider nicht“, sagte Luca. Der Zwerg sah sich der Gesellschaft kurz um, stellte scheinbar fest, dass er in jedem Falle hochsehen musste und zog es vor, sich auf dem Boden, sehr dicht vor Luca nieder zu lassen. Thorn, der sich so weit es ging von Aycolén entfernt hielt, zog es vor für eine mögliche Flucht lieber stehen zu bleiben. Allerdings taten es Linnette und der Eistroll Raven gleich. Sie ließen sich nieder. Die Gründe des riesigen Mannes war einfach zu erklären. Nach oben bot die Höhle schlicht drei Ellen Platz, aber wie Mano war er fast vier Ellen hoch. Linnette wirkte dafür umso abgespannter und blass. Die langen Haare hingen stumpf und strähnig über ihren Rücken, lediglich von einem zu einem Kopftuch zweckentfremdenden Schleier gehalten. Im Moment fühlte Luca sich wirklich schlecht. Er als einziger schien ausgeruht zu sein, wenn man seinen momentanen Zustand so nennen wollte. „Wir sind vollzählig“, merkte Raven fröhlich an. „Nein, nicht vollzählig, sondern eher einer zuviel“, knurrte Thorn leicht verärgert und warf dem schwarzhaarigen Halbzwerg einen vernichtenden Blick zu. Raven ignorierte ihn. „Einige sagen, wir sind eingekesselt. Gibt es dann bald wieder so einen tollen Kampf wie den das letzte Mal?“ Luca hob eine Braue. „Mit unzähligen Gefangenen, Kranken und verletzten können wir keinen Kampf gewinnen, Raven, schon gar nicht auf einem Terrain was wir nicht kennen. Das letzte Mal hatten wir die Überraschung auf unserer Seite. Dieses Mal können nur sie uns überraschen.“ Raven seufzte. „Die sanfte Methode?“, fragte er leise. In seiner Stimme schwang ein leiser, missmutiger Unterton mit. „Ja, die sanfte Methode“, bestätigte Justin. Seine Stimme troff vor Hohn. „Lysander wählt immer den sanften Weg.“ Orpheu starrte Justin an. Seine Augen brannten vor Wut. Er hatte keine Lust den Streit weiter mitzuverfolgen. „Meister Justin, ihr übertretet eure Befugnisse hier. Ich hätte im Moment gute Lust, euch von dem Rath auszuschließen.“ Justin betrachtete ihn geringschätzig, riss sich dann aber zusammen und rang sich zu einer Entschuldigung durch. „Linnette“, wendete sich Luca an die Hebamme, „welche der Leute sind transportfähig und so weit genesen, dass sie die Höhlen verlassen können?“ Die Orc-Dame legte den Kopf schräg, tauschte einen Blick mit Aki und zählte geistig durch. „Schätzungsweise zweihundertundfünfzig Männer, Frauen und Kinder, oder?“ Sie suchte Bestätigung in Aki, die nur knapp nickte. „Aber einen langen Marsch würden sie nicht durchhalten“, merkte Linnette an. Aycolén hatte sich neben Luca auf den Boden gesetzt und hob kurz den Blick von seinem Pergament. „Night’s End ist drei Tagesmärsche von hier in den Blutbergen. Dort findet ihr sicher Unterschlupf.“ Danach konzentrierte sich der junge Mann wieder auf seine Skizze. Luca nickte. „Meint ihr, Linnette, dass ihr den Weg mit den Leuten bis dort hin schaffen könntet?“ Sie hob die Schultern. „Wenn wir angegriffen werden, sind wir Schutzlos.“ „Orpheu, wahrscheinlich streifen noch reichlich von unseren Gegnern – unsichtbar, oder gut getarnt – in den Bergen umher, Kannst du ihnen einige deiner Männer zum Schutz geben?“ er deutete auf Thorn. „Dabei habe ich besonders an Thorn und Jaquand gedacht.“ Der Halbzwerg sah misstrauisch zu Luca und dann zu Aycolén, von dem er nur zu gut wusste, dass er ein Seraphin war, für ihn immer noch ein Unglücksbote. Einerseits wollte er am liebsten sofort zustimmen, aber nur dann, wenn er genau wusste, dass der junge Mann nicht mit ihm kommen sollte. Der Hauptmann nickte widerstrebend. „Sicherlich kann ich welche entbehren. Aber warum gerade Jaquand und Thorn?“ Luca deutete auf Thorn. „Weil er sich in der Gegend um Night’s End bestens auskennt. Thorns Hof ist nicht weit weg. Er kennt alle Schlupfwinkel und bekommt sicher auf bitte alle gewünschte Hilfe in der Umgegend, die er braucht.“ Dann sah er Jaquand an. „Und du bist der beste Bogenschütze des Heeres. Deine Talente mit Waffen und deine guten Augen werden dem Tross bessere Dienste leisten als uns hier unten in dieser beständigen Finsternis, außerdem lebt er ebenfalls in den Blutbergen.“ Der junge Mann nickte. „Wenn ihr und Meister Lysander uns den Befehl gebt, Hauptmann, sammeln wir uns eine eigene Gruppe an Kriegern zusammen. Die Männer und Frauen, die kampffähig und erfahren an Waffen sind, nehmen wir mit auf unseren Weg. Ausrüsten müssen wir sie noch entsprechend, aber wir haben ja einiges an Kriegswerkzeug gefunden.“ „Was hast du mit den anderen vor, die nicht laufen können? und was mit den gefangenen Wachen?“ fragte Raven. Luca lächelte und sah von dem Zwerg zu seinem rotgelockten Freund. „Das hat mir auch sehr lange Zeit Kopfschmerzen bereitet. Aber dafür habe ich eine Lösung, nicht wahr, Justin?“ Der Elf sah ihn aus den Augenwinkeln an. Seine Lider senkten sich leicht. „Wie konnte Justin binnen weniger Stunden von Valvermont bis hier her gelangen?“ wendete sich Luca an die anderen Anwesenden. Scheinbar interessierte Aycolén die Antwort auch, denn der junge Mann hob den Kopf und sah zu Luca hinauf. „Mag sein, dass ich den Weg durch die Schatten zu nehmen in der Lage bin, Lysander, aber ich kann niemand mit mir nehmen.“ In seinen Worten schwang brennende Wut auf seinen Geliebten mit. „Deine Hilfe brauche ich besonders“, sagte Luca leise, eindringlich. Offenbar half der bittende, sanfte Ton in seiner Stimme Justin über die den verletzten Stolz hinweg. Wesentlich milder gestimmt nickte er. „Wen soll ich informieren?“ Luca wollte es eigentlich nicht, aber er kam nicht umhin die Hilfe des Ordens in Anspruch zu nehmen. „Cyprian und Ihad. Ich brauche ihre stärksten Magier, die Massen-Teleportationen beherrschen.“ Justin, gleichsam aber auch Aycolén stießen fassungslose Laute aus. „Das meinst du nicht ernst!“, brachte der junge Elf fassungslos hervor. Scheinbar kannte er Lucas Probleme mit seinem Ordensherren und dessen Stellvertreter nur zu gut. Es versetzte Aycolén allerdings so sehr in Angst, dass sein Blick, der Luca traf, glasiger wurde und sich in einem wirren Nichts verlor. Sanft legte der Magier ihm die Hand auf die Schulter und streichelte ihm viel mehr unbewusst, den Nacken. „Wenn du ihre Hilfe in Anspruch nimmst, verpflichtest du dich dem Orden gegenüber immer wieder aufs Neue und dieses Mal werden dich die beiden Kerle nicht wieder gehen lassen!“, mahnte Justin ihn. Auch Tambren, der die ganze Zeit nur still zugehört hatte gefiel die Idee nicht. Natürlich würden die beiden Magier allein schon binnen kürzester Zeit die Höhle leeren können. Aber er kannte Ihad zu gut. Und es war nicht gut, wenn sich Luca ihm gegenüber auf irgendeine Art noch weiter verpflichtete. Diese Gefühle und Befürchtungen ließ er seinen Freund auch deutlich spüren. Über Lucas Lippen huschte ein Lächeln. „Was sich hier aufhält, rechnet mit einem nicht einsatzfähigen und unkoordinierten Haufen. Ihad und Cyprian sollen die Gefangenen fort schaffen, aber nicht mit Umweg über Valvermont sondern direkt nach Sarina. Die Kranken und Verletzten...“ „Sind mein Problem, Lysander“, merkte Justin an. „Das Labyrinth ist unermesslich groß, und gegen alle Annahmen haben wir alles, um sie wieder gesunden zu lassen.“ Dankbar nickte Luca. „Kümmerst Du Dich darum?“, fragte er leise. Der Vampir senkte bestätigend die Lider. Der Magier wendete sich an Aki und den Eistroll. „Kann ich auf euch beide hier zählen?“ fragte er. Aki nickte. „Was habt ihr vor, wenn alle anderen aus dieser Höhle heraus sind?“ Luca sah ihr direkt in die Augen. „Sie in eine Falle locken und zur Aufgabe zwingen. Unblutig aber. Und euch, hohe Dame, bitte ich inständig, sprecht vor dem Kaiser. Er wird euch anhören. Ihr entscheidet damit über mehr als das Schicksal eurer Peiniger. Ihr könnt damit diesen endlosen Handelskrieg zwischen den Nordlanden und Sarina beenden.“ Scheinbar hatte sie damit gerechnet, dass er ihr ein solches Anliegen offerierte, aber nicht so unverblümt und direkt. „Gebt mir eine kurze Bedenkzeit, Lysander“, sagte sie leise. Orpheu und seine Männer bedrängten Luca nun mit fragenden Blicken, aber der Magier schüttelte leicht den Kopf. Dann deutete Raven mit dem Finger auf sie und versuchte mit übertriebenen Gestiken aus Luca herauszupressen, wer sie wirklich war. Tam schüttelte nur den Kopf. Dazu fiel auch dem Drachling keine Lösung mehr ein. ‚Raven ist eine gesellschaftliche Katastrophe!’ Aycolén, der bis eben in seiner Starre gefangen zu sein schien, zuckte unter einem Frösteln zusammen und fuhr auf. „Luca, nicht die beiden!“, flehte er. „Du DARFST sie nicht hier her holen!“ Die furchtbare Angst in seiner Stimme brach seine Worte und dennoch war er laut und deutlich zu verstehen. Schweigen empfing ihn nun. Viel weniger auf seine panische Furcht vor dem Großmeister und seinem Stellvertreter als die Tatsache, dass Aycolén Lucas wirklichen Namen verwendet hatte, schockierte die meisten Anwesenden. Im ersten Moment glaubte sogar Tambren nicht, was er da gehört hatte. Luca bekam ein sehr befremdliches Bild eines Drachlings impliziert, der völlig sprachlos über Sekunden versuchte seine Gedanken in eine klare Reihenfolge zu zwingen. Dann blickte der blaue Drache zu Luca. Sein Kiefer klappte auf und entblößte eine Reihe feiner, gelber Zähnchen. Aber er war außer Stande zu reden. Sein Geist erschien Luca als Wirrwarr von Beschuldigungen, Angst, aber auch möglichen Begründungen, warum Aycolén diesen Fehler gemacht haben konnte. Tams Resümee konnte Luca allerdings nicht abwarten. Orpheu hatte den Blick gehoben, neugierig und fast selbst entsetzt, eine Regung, die Luca nicht nachvollziehen konnte. Raven lächelte still vor sich hin. Es war eine spitzbübische, wissende Mimik. Er wusste, was eine solche Information wert sein konnte, auch wenn Luca ihm vertraute, so konnte er sich nie sicher sein, bei welchem Weib und in welchem Bett der Halbzwerg sein Wissen im Rausch preis gab. Hingegen dazu glich Thorns Blick eher etwas drohendem. Dieses Wissen würde er ab jetzt wie ein Schild vor sich hertragen. Magier waren in seinen Augen nie gut. Magie und Aberglaube ergaben zusammen ein verwirrendes Bild von Personen, die sich mit den bösen Göttern und den Dämonen auf der Welt einließen. Luca kannte seine Ansichten besser als der Mischling es auch nur ahnte. Oft hatte er seinen weinseligen Reden von fern gelauscht und alles Wissen über die paradoxe Denkweise des einstmaligen Schauspielers in sich aufgenommen. Seine Uneinschätzbarkeit und seine Gemütswechsel konnte er nur so unter Kontrolle halten. Allerdings würde Thorn dieses Wissen nun für sich nutzen. Und zusammen mit den Verbindungen seines Schwiegersohnes Jaquand, würde nicht lange die Identität Lucas verborgen bleiben. Die beiden Männer tauschten einen vielsagenden Blick. Luca wusste, dass Jaquand, gleich ob er wirklich einst ein Attentäter war, oder nur ein sehr geschickter Trickser, mit sehr großer Sicherheit Zugriff auf ein gewaltiges Netz an Informanten in Valvermont hatte. Sie beide stammten aus dieser Stadt und spätestens binnen eines Zehntages würde ihm die passenden Indizien zugespielt werden. Der Eistroll fing nun Lucas Blicke ein. „Namen sind Macht, Magus“, sagte er leise. Seine Stimme war nichts als ein tiefes Grollen. Stumm nickte Luca. Seine Kehle wurde von diesen Worten zugeschnürt. An seinen Namen band sich viel. Weit mehr als seine Zaubergaben. Er trug die Last seiner Familie und seiner Rasse auf den Schultern. Wenn Mesalla diese Informationen zugetragen wurden, brachte er sogar den Orden in Gefahr. Unsicher ergriff Aycolén Lucas Hand. „Das wollte ich nicht“, flüsterte er heiser. Tränen schnürten ihm die Kehle zu. Offenbar hatte der Junge mit Abweisung oder Kälte gerechnet, aber Luca wendete sich ihm ganz zu und kniete neben ihm nieder. Sanft nahm er ihn in seine Arme und hielt ihn liebevoll an sich gedrückt. Im ersten Moment versteifte sich der Elf in seinem Arm, entspannte sich aber nach einigen Sekunden und atmete tief durch. „Aycolén, du junger Narr!“, zischte Justin wütend und rammte seine Faust mit solcher Gewalt in die Wand, dass Steinstaub und Ruß herabregneten, aber zugleich seine feinen Knochen zu knirschen begannen. Blut rann zwischen seinen schlanken Fingern hindurch. Der junge Mann hatte sich in Lucas Armen herum gedreht und starrte nun fassungslos Justin an. Dieser Ausbruch des sonst so ruhigen, eher spitzzüngigen Mannes erschreckte allerdings jeden, außer Luca. Der Magier kannte Justin selten anders. Linnette, die sich bis zu diesem Moment ruhig verhalten hatte, winkte ab. „Was ist schon ein Name. Der Mann dahinter ist wichtig!“, sagte sie nüchtern. Sei rüttelte am Arm des Eistrolls, der sie im ersten Moment eher befremdlich betrachtete. „Ist doch so, Sjorn, oder nicht?“ „Bitte, Luca, du weißt nicht alles über den Orden bei dem du bist. Wenn du dich Ihad noch weiter auslieferst, begünstigst Du seine Pläne. Bitte, hole ihn nicht hier her!“ Die Qual in Aycos Worten weckten in Luca alte Ängste, die er vor langen Jahren verborgen zu haben glaubte. Er kannte Ihads unberechenbare Art, aber welche Pläne sollte der Großmeister mit einem einfachen Wander- und Kriegsmagier wie ihm haben? „Sollen wir euch allein lassen?“ fragte Orpheu nun in Lucas Gedanken hinein. Der junge Mann hob den Blick und schüttelte den Kopf. „Deine Angst vor ihnen, scheint gewaltig zu sein, Aycolén“, flüsterte er. „Willst du nicht mit den Heilern nach Night’s End ziehen? Dort bist du sicher vor ihnen.“ Vehement schüttelte der Elf den Kopf. Die Angst in seinen Augen schien ihn übermannen zu wollen, aber er kämpfte sie nieder. In seinem Blick flackerte deutlich hysterische Panik, als er Luca sehr leise zuflüsterte: „Ich bleibe an deiner Seite. Nach allem was ich getan habe um dich wieder zu bekommen werde ich nicht mehr weg gehen! Die Gefahr dich wieder zu verlieren ist zu hoch.“ Er umklammerte den Magier nun mit unglaublicher Gewalt. Einen Herzschlag lang musste Luca nach Luft ringen. Seine Lungen füllten sich allerdings nur mit rauchgeschwängerter Luft und dem Geruch nach verbranntem Öl und flüssigem Wachs. Luca beschlich das Gefühl, dass die Verlustangst Aycos alles andere bei weitem überstieg. Im ersten Moment erschreckte ihn die leise aufflackernde Gier, der gewaltige Besitzanspruch, den der Elf auf ihn erhob, aber zugleich wusste er auch, dass es gut so war und er selbst es nicht anders wollte. Luca sah auf. Justins Mimik gefror zu einer Maske. Der Vampir starrte auf die beiden Männer herab. Seine Kiefer mahlte unablässig. Der Magier brauchte Tambrens Fähigkeiten nicht, um das Verhalten als blanken Hass zu interpretieren. Für alle anderen - das war Luca genauso klar - konnte die momentane Situation, die so privat und exhibitionistisch war, nicht angenehm sein. Sie erfuhren über ihn mehr als er je bereit war von sich Preis zu geben. Im Augenblick fühlte er sich entblößt und nackt vor den uneinschätzbaren Blicken seiner Gefährten. Thorns plötzliches Herumwirbeln, hinaus aus der Höhle, ein leiser Aufschrei und anschließendes Zetern, lenkten die Blicke von ihm ab. Dankbar schloss Luca die Augen. Was immer die Aufmerksamkeit des Halbzwerges erregt hatte, hatte ihm nun geholfen. Jaquand trat zum Eingang und spähte hinaus. Luca löste sanft Aycos Klammergriff und erhob sich, streckte dem Elf aber seine Hand hin, um ihm ebenfalls aufzuhelfen. Der Junge ergriff sie und ließ sich auf die Füße ziehen. Der Hauptmann trat nun näher und hob die Skizze vom Boden auf. Er betrachtete das Pergament einige Zeit nachdenklich und deutete auf ein Oval, was über ein kleines Labyrinth an Fluren mit dem Kessel verbunden war. „Ich nehme an“, lenkte er die Aufmerksamkeit wieder um, „dass sich dort die meisten Wachen aufhalten. Die anderen Kammern bieten im seltensten Fall Platz für mehr als vielleicht zehn Mann.“ Die Blicke Aller Anwesenden richteten sich nun wieder auf Orpheu. Der schwarze Elf kniete auf dem Boden nieder und breitete die von Ayco gezeichnete Karte aus. „Schaut mal alle her!“ rief er. „Auch Du, Jaquand... Thorn?!“ Der junge Mann löste sich grinsend vom Höhleneingang und schüttelte leicht den Kopf. „Immer dieses Heilerpack“, stichelte er. Linnette betrachtete ihn mit gehobener Braue, schwieg aber. Sjorn langte mit seinen schlanken, schier endlosen Armen hach hinten und riss Jaquand fast von den Füßen, als er ihn zu der Gruppe zwang. „Aufpassen Menschlein!“ mahnte er ihn grollend. Hinter vorgehaltener Hand, absichtlich schlecht verborgen, gestattete sich Aki ein belustigtes schmunzeln. Gerade in dem Moment stieß Thorn Ria, die in einer Tour Flüche in einem Dialekt ausstieß, die jedem Gassenjungen Konkurrenz gemacht hätten, in die Höhle. Die Zwergin fing sich, bevor sie eine Öllampe umstieß, fuhr herum und drohte mit geballter Faust und ihrem Kräutermesser. „Wag’ dich das noch einmal, verfluchter Bastard, und ich ramme Dir mein Messer in deine hässliche Visage!“ Als wäre Ria nicht schon genug gewesen, zerrte er noch zwei weitere Mädchen hinter sich her. Die - nicht ganz so - edle Dame aus Rouijin, deren Name Luca bis jetzt nicht kannte, und die Geweihte Nea. „Neugieriges Weiberpack!“, grollte Thorn verärgert. „Meiner war das auch nie beizubringen!“ Sein Blick traf Jaquand. „Deshalb hab’ ich dich ja am Hals!“ Sein Schwiegersohn leckte sich genüsslich über die Lippen. Spott funkelte in seinen Augen. Er liebte es, seinen Schwiegervater bis auf das Blut zu reizen. „Ich wusste ja nicht, dass es nicht dein Weib sondern deine Tochter ist und sie so schnell von mir trächtig wird. Aber genossen habe ich sie von Anfang an.“ Das Gesicht des Mischlings verfärbte sich in einen Tonfall der nah an seinem Bart lag. Raven fuhr herum und funkelte Thorn und Jaquand an. „Haltet die Klappe!“, donnerte er seine Freunde an. „Könnt ihr diesen blöden Streit nicht mal auskämpfen, wenn uns das Wasser nicht bis zum Hals steht?!“ Jaquand blinzelte ihn an und nickte dann ernst. „Tut mir Leid.“ Er sah auch zu Luca und Orpheu. Dieser treue Hundeblick, mit dem er immer wieder Erfolg bei den beiden Heeresführern hatte, prallte an Raven ab. Beruhigend legte Luca die Hand auf die Schulter des schwarzhaarigen Halbzwerges. „Lass es gut sein, mein alter Freund.“ Dann sah er zu den drei Frauen. „Wie viel habt ihr mitbekommen?“ Er hob Tambren auf seine Schulter. „Lügen wäre unsinnig. Er kann eure Gedanken lesen, wenn ich ihn darum bitte.“ Wohlweißlich verschwieg Luca, dass Tambren jederzeit die Gedanken aller Lebewesen um sich herum auffangen konnte, aber zumeist seinen Geist verschloss, um nicht unnötig viel Last auf sich zu laden. Die Elfe senkte den Blick und schwieg, während Nea die Kiefer fest aufeinander presste und die Hände zu Fäusten ballte. Neben der riesenhaften Dame aus Rouijin sah sie fast wie ein Kind aus, begünstigt durch ihr nicht bis zu den fesseln reichenden Hemdkleides, um dass sie sich lediglich ihre Heilertasche geschnallt hatte und dem ewigen Trotz in ihren Augen. Ria verschränkte die Arme vor der Brust. „Kione, Nea und ich haben eigentlich nach euch gesucht und wollten wissen, ob es euch besser geht, Luca!“ Der Magier brauchte nicht viel mehr zu wissen. Die Frauen hatten also schon eine ganze Weile gelauscht. Der Hinweis Rias auf seinen Geburtsnamen reichte dazu aus. „Und bevor ihr fragt, ich will lieber hier in dieser Höhle Kämpfen, als weggeschickt zu werden. Kione und Nea sehen das auch nicht anders, oder?!“ Offenbar hatte sich die Zwergin zur Rednerin der drei Frauen aufgeschwungen. Kione, die Elfendame, hob nun endlich die Lider. Ihre großen Mandelaugen strichen über die Gestalt Justins, der etwas außerhalb des Kreises um Orpheu und Aycolén stand. Der Blick war voller Zärtlichkeit und Faszination für den schönen Vampir. Luca wusste, was sie empfand. Dieser Anziehung konnte sich kein sensibles Lebewesen entziehen, dabei legte es Justin nicht einmal darauf an, seinen Charme und seine Verführungskünste einzusetzen. Er selbst war diesem schönen Mann einst erlegen. Nea rammte ihre Faust in die offene Hand. „Gebt mir Waffen und ich kämpfe so gut wie jeder eurer Männer, Orpheu!“ sie machte eine ausladende Geste. „Ich war als Kriegerin schon immer gut!“ Das Feuer in ihren Augen sprach von einer absoluten Obsession im Kampf. Ihre schlanke Gestalt, die geschickten Bewegungen und die Geschwindigkeit unterstrichen ihre Worte mit Leichtigkeit. Das was ihr an Kraft Rias fehlte, machte sie an Tempo wieder wett. „Nur wollen wir es nicht auf einen Kampf ankommen lassen, Nea“, sagte Luca ruhig. „Vielleicht sind eure Fähigkeiten nicht nur geübte Heiler zu sein, sondern auch Kriegerinnen, bei dem Tross nach Night’s End wesentlich wichtiger.“ Er tauschte einen Blick mit Orpheu, der das scheinbar auch so sah. Die Augen des Elfs glitten zu Kione. „Sie kann hier bleiben, aber die beiden Mädchen werden bewaffnet. Ihr beiden zieht mit Jaquand und Thorn nach Night’s End!“ Er machte eine Handbewegung zu Sjorn. „Ihr auch.“ Der Troll legte seinen Kopf zur Seite und musterte erwartungsvoll den Hauptmann. Scheinbar interessierte ihn die Begründung des Elfs. „Eure Kenntnisse in den Eisenbergen sind wichtig. Ihr kennt die Verstecke und Höhlensysteme besser als meine Männer.“ „Aber ich stamme aus dem Norden“, sprach der Troll dagegen. „Vermutet ihr keinen Verrat?“ Wieder tauschten Orpheu und Luca Blicke. Der Magier antwortete anstelle des Hauptmannes. Seine Augen glitten zu Aki Valstroem, um sein Wissen über ihre Identität zu verdeutlichen. „Ich glaube daran, dass keiner mutwillig diesen labilen Frieden gefährdet, so lange es sein Ansinnen ist, Leben zu retten anstatt sie zu vernichten. Das wäre sicher auch nicht im Sinne eurer Herrscherin, der ihr doch ein treuer Diener sei, nicht wahr Sjorn?“ Luca wollte keine Drohung in seinen Worten durchklingen lassen, aber er wollte dem Troll auch klar darlegen, dass er und Aki einer Meinung über diesen Krieg zwischen dem freien Norden und dem Handelsreich waren. Er dürfte in keiner Weise begünstigt werden und weiter gehen. Dabei schwang allerdings in Luca auch die Angst um Valvermont mit, dass als Freistadt eingekesselt zwischen den kämpfenden Reichen zwischen den Grenzen lag. Aycolén, der sich wieder etwas gefangen hatte, richtete sich nun plötzlich gerade auf und lauschte angespannt. Die Aufmerksamkeit der Anwesenden richtete sich auf den jungen Mann. ‚Tam, was hört oder sieht er?’, fragte Luca seinen kleinen Freund nun lautlos. Der Drachling vermittelte Luca ein Bild aus seiner Perspektive, die leicht versetzt zu der des Magiers war. Beide Sichtweisen legten sich übereinander und ergaben ein leicht verzogenes Doppelbild. Aber der junge Mann konnte nun das Elfenkind sehen, das kleine Mädchen, was er schon einmal über Tam wahrgenommen hatte. ‚Seine Schwester ist wieder da’, stellte der Magier überflüssiger Weise fest. Allerdings entdeckte er zeitgleich mit dem Drachling auch eine weitere unsichtbare Person. Durch die Augen Tambrens sah er mehr als das Schimmern des Zaubers. Luca spürte die Blicke nun auch fast körperlich. Die Augen des Mannes lagen tief in ihren Höhlen, glühten aber in einem besonderen, intelligenten Feuer, dass Luca sofort gefangen nahm. Der Mann war ein Magier, gleichsam seines Ranges. Seine langen, weißblonden Haare hingen in sein hageres, bärtiges Gesicht und über seinen Brauen fand sich ein Symbol, was seine Zugehörigkeit zu den Gildenmagiern offenbarte. Dieses Ornament war eine Mischung aus den Symbolen der Zauberschulen, denen er angehörte. Luca wusste, dass sie einander ansahen und der fremde Magier ihn herausforderte. Langsam schob sich der junge Mann aus der Gruppe seiner Gefährten, die langsam unruhig wurden. „Was seht ihr, Lysander?“ fragte nun Orpheu, wobei er bewusst den Ordensnamen nutzte. Luca schwieg. Er wollte die Reaktion seines Konterparts abwarten. Mit einer leichten Bewegung seiner Finger, die über seine Gestalt strichen, sanft wie fallender Schnee, materialisierte der Fremde. Noch bevor Thorn oder Jaquand ihre Waffen ziehen konnte, hob Orpheu die Hand. „Lasst das Lysander machen.“ Der rotbärtige Halbzwerg blinzelte verärgert, spürte dann aber die kräftige Hand seines Kampfgefährten Raven auf dem Unterarm. „Hab vertrauen in ihn. Bisher hat er uns nie enttäuscht.“ Absichtlich ließ der gutmütige Krieger offen, ob er Orpheu oder Luca meinte. Thorn atmete schwer durch, hielt aber seine Wut in Zaum. Luca blieb einen Schritt vor dem Magier stehen. Der Blick des wesentlich kleineren, schlanken Mannes strich über die Gestalt Lucas und blieb schließlich an den grünen Augen hängen. Was immer er erwartet hatte, Luca erfüllte nicht das Bild dessen. Leise Überheblichkeit schlich sich in die hellblauen Augen. Hinter sich vernahm Luca leise Schritte nackter Füße. Ayco trat an seine Seite. Der Elf hatte nichts mehr von dem verunsicherten Jungen, der er noch vor kurzer Zeit war. Stolz, voll und ganz Lucas Partner, sah er auf den Mann herab. Sie kannten sich, dessen war sich Luca sehr sicher. Inwieweit sie einander vertrauten oder sympathisierten, wagte der junge Mann lieber nicht einzuschätzen. Die Reaktion Aycoléns war eher bekräftigend, aber er konnte nicht sagen, ob dies im Sinne von Schutz für sich galt oder um dem Mann die Kraft zu geben, seine Aufgabe wahrzunehmen. „Ich bin hier als Unterhändler für Renard.“ Die Stimme des Magiers klang rau und brüchig. Scheinbar hatte er seit Tagen nichts mehr getrunken. Sein Atem regte in Luca leichte Übelkeit an. „Raven, würdest Du bitte Wasser für unseren Gast holen?“ fragte Luca ohne den Blick von seinem Gegenüber zu nehmen. Überrascht musterte ihn der fremde Magier. Als der Zwerg sich an ihnen vorbeischob, unterbrach Luca den Blickkontakt und wies in seine bereits stark überfüllte Unterkunft. Der Fremde zögerte einige Herzschläge und musterte Luca. Der Blick des Gildenmagiers glitt dorthin wo das Geistermädchen stand. Auch Luca konnte sie Dank Tambren noch immer sehen. Sie nickte ihm aufmunternd zu. „Wenn ihr ein Mann von Ehre seid, so wie ich“, sagte Luca mit leiser, beruhigender Stimme, „wisst ihr, dass euch bei mir nichts geschehen wird.“ Aycolén blieb neben dem Eingang stehen. Er beobachtete stumm, bemerkte Luca aus dem Augenwinkel. Der Gildenmagier sah sich kurz um, erkannte aber offenbar keinen der Anwesenden als einstmalige Gefangene. Schließlich wendete er sich wieder Luca zu. „Man nennt mich Henrik von den zwei Brücken. Ich bin Renard de Tremeris Adjutant und Magier. Er will mit euch verhandeln.“ Luca sagten die Namen vage etwas. Von Renard de Tremeris wusste er nur, dass er ein aus Valvermont stammender Adeliger war, der seine Bekanntheit als Ritter im Kaiserreich errang. Deshalb regte sich in ihm umso mehr Unverständnis, wie ein ehrenhafter Mann wie Renard diesem Schlachten in dem Lager zustimmen konnte. Allerdings ergab sich für den jungen Mann daraus auch die Frage, ob Renard auf eigenen Wunsch hier her gekommen war, oder ob sich dahinter andere Gründe verbargen. Henrik von den zwei Brücken war eine Berühmtheit unter den Magiern der Gilde Valvermonts. Er trug Gerüchten nach weit mehr Magie in sich als die Gilde je erlaubte zu lernen und zu lehren. Er machte bereits vor vielen Jahren, als er noch ein Kind war, von sich reden und musste, wenn Luca nicht völlig falsch lag, mindestens siebzig Jahre alt sein, aber Henrik, trotz der Entbehrungen, des Hungerns und der beständigen Lichtlosigkeit, sah bestenfalls nach einem Mann in der Mitte seines Lebens aus. Über Lucas Lippen huschte ein Lächeln. Von seinen wahren Gefühlen und der leichten Aufregung und Nervosität einem solch berühmten Mann gegenüber zu stehen ließ er sich nichts anmerken. Orpheu rollte eilig die von Aycolén skizzierte Karte des Höhlensystems zusammen und steckte sie in sein Hemd. Henrik verfolgte scheinbar die Bewegung aus dem Augenwinkel. Dann glitt sein Blick zu Ayco hinüber. „Ich bin froh darüber, dass du noch lebst, mein Junge“, sagte er leise. Auf seine spröden Lippen stahl sich ein leichtes Lächeln. Der junge Elf neigte leicht den Kopf und betrachtete unter gesenkten Lidern den Gildenmagier. „Sie wissen, dass ich Prinz Mesalla entsandt wurde um die Vorgänge hier dem Kaiser mitzuteilen und mit euch zusammengearbeitet habe. Ich habe Dir Lea geschickt weil ich die Hoffnung hatte, dass ihr nicht nur bereit seid zu verhandeln, sondern auch Einfluss auf die anderen nehmen könnt.“ Henrik lachte hart auf und begann krampfhaft zu husten. Luca konnte gerade noch den Impuls unterdrücken, dem Mann zu helfen. Er konnte den Grund nicht in Worte fassen, aber er hegte eine starke Sympathie für den Mann. Vielleicht, so beruhigte er sich selbst, beeindruckten ihn noch heute die Geschichten, die er einst über ihn gehört hatte. Leider reizte sich der Hals des Mannes immer stärker durch das Husten. Luca sah zum Eingang der Höhle. „Raven, wo bleibt er? Geht er das Wasser an der Quelle holen?!“ fragte er ärgerlich. Er konnte nun nicht mehr weiter seine Natur zügeln. Vorsichtig nahm er den Mann an der Schulter richtete ihn auf, legte ihm die Hand auf die Kehle und ließ einen geringen Teil seiner Lebenskraft in ihn fließen. Beinah sofort linderte es den Hustenreiz und überrascht, aber auch zugleich stark entkräftet sah Henrik zu Luca auf. Vorsichtshalber schwieg er, aber ein Funke von tiefer Dankbarkeit und einem leisen Erkennen trat in seine hellen Augen. Tambren kletterte an Lucas Arm herunter und schwang sich behände auf die Schulter Henriks. Im ersten Moment hob Henrik eine Braue und sah erneut in Lucas Augen. Die Frage des Warum darin formulierte sich durch Tambren verstärkt. Lucas mildes Lächeln nahmen ihm aber offensichtlich alle Zweifel. Wortlos projizierte Henrik Luca seine Gedanken und Eindrücke, seine Erlebnisse und den Grund, weshalb er nur zu bereitwillig Lea hier her gefolgt war. „Orpheu“, Luca sah seinen Hauptmann nicht an. „Die Wächter und Soldaten hier teilen sich in zwei Schichten ein. Einige waren dem Kommandanten direkt unterstellt und dienten scheinbar einer einzigen Sache, ihn zu schützen. Die andere Gruppierung waren die Kerkermeister, Henker, Wachen und Folterknechte. Sie unterstanden ebenfalls dem Kommandanten hatten aber andere Weisungsbefugte. Die Gruppe zu der Renard de Tremeris gehörte, war eigentlich eine Einheit der kaisertreuen Ritter, die vor Gregorius dieses Lager als Gefangenenlager führten. Der Ritter muss aber schnell eingesehen haben, dass er, wenn er sich gegen den neuen Lagerkommandanten stellt, seine Männer schnell einbüßt...“ Raven kam etwas atemlos in die Höhle. „Hier das Wasser“, keuchte er und reichte es an Henrik weiter. Luca wollte lieber nicht wissen, woher er den Krug und den Becher geholt hatte. Der Gildenmagier nahm das Wasser mit dankbarem Lächeln an und trank in kleinen Schlucken. Luca hatte das Gefühl, dass der Magier seine Gedanken nicht völlig öffnete. Scheinbar war da noch mehr, und Henrik nutzte die Zeit um sich darüber klar zu werden, ob er Luca davon erzählen sollte. Thorn gab einen abfälligen Laut von sich und winkte ab. „Das ist doch alles Unsinn! Das, was der Drache aus seinen Gedanken liest muss nicht wahr sein!“ Er lehnte sich mit dem Rücken gegen Felswand und senkte die Lider. Ria stimmte ihm mit einem leisen Nicken zu. „Lysander, ihr seid zu gutgläubig“, merkte Thorn an, der sich dadurch bestätigt fühlte. Ein Blick Akis, der Beide traf, brachte ihn zum Schweigen. Sie schüttelte leicht den Kopf. „Ihr irrt euch, Thorn“, sagte sie schlicht. Ayco nickte. „Renard ist ein ehrenhafter Mann. Er würde nur nie etwas tun, was auf seine Untergebenen zurück fiele. Ich habe selbst einige Zeit direkt für Gregorius gearbeitet und konnte Renard währenddessen kennen lernen.“ Henrik wendete sich nun Aycolén zu und betrachtete den jungen Elf nachdenklich. Luca bekam dank Tambren klar mit, worüber der Gildenmagier grübelte. Gregorius, der Name aus dem Munde des Elfs war Auslöser für eine Erinnerung. Leider konnte Luca nicht klar erkennen was Erlebnis und was Henrik Interpretation war. Durch seine persönlichen Eindrücke und Gedanken verzerrte sich das Bild zu einem Gemisch aus klaren Darstellungen und Gefühlen. Gregorius, vermutlich so wie Henrik ihn gesehen hatte, düster, bedrohlich und unberechenbar, der sich oftmals hinter seinem jungen Bediensteten, Ayco, her stahl und ihn seinerseits bespitzelte. Aber er nutzte ganz bewusst nicht die Dienste seiner ihm untergebenen Männer, sondern bat Henrik um seine Tränke der Unsichtbarkeit, seine Fähigkeiten, die Sinne anderer Personen zu schärfen und leichter Gifte, die alle noch so tief verborgene Wahrheit aus einer Person heraus zwangen. Henriks Eindruck eines von dem Elf fast schon besessenen Mannes überwog das Bild klar. Luca nahm sich nun vor, in jedem Fall noch einmal allein mit dem Magier zu reden. Er gewann durch Henrik ein anderes Bild des Kommandanten. Ayco schien ihn zu verabscheuen und zu fürchten, war aber Gregorius’ Charme erlegen. Henrik hatte sich davon nicht beeinflussen lassen. Im Gegenteil stachelte es sein Misstrauen dem Kommandanten gegenüber wohl eher noch an. Allerdings war er sich nun auch vollkommen sicher, dass seitens Henriks keine Gefahr bestand. Luca warf Orpheu einen Blick zu. Der Hauptmann nickte. „Meister Henrik, wir stimmen in jedem Fall einem Treffen mit Ritter de Tremeris zu.“ Hosted by Animexx e.V. 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