In my Time of Dying von mangacrack (Teil III: Am Ufer des dunklen Wassers) ================================================================================ Kapitel 3: Sweat ---------------- „Sarah!“ Setsuna rief seiner Schwester hinterher und streckte seine Hand aus, um sie aufzuhalten, doch sie verschwand zu schnell in der Wohnung. Besorgt kämpfte sich Setsuna bis zur Schwelle der Balkontür und beugte sich vor, um hinein zu blicken, da er ihr nicht nachlaufen konnte, so nass wie er war. Doch das Zimmer war leer und innen ertönte nur das Schlagen einer Tür, welche Setsuna nach dem klappernden Geräusch als die des Badezimmers identifizierte. Entfernt vernahm er das Klacken, als das Schloss herum gedreht wurde und seufzte bloß, als er erkannte, dass Sarah sich wohl eingeschlossen hatte. Resigniert zog Setsuna den Kopf wieder zurück. Seiner Erfahrung nach brachte es jetzt nichts mit ihr zu reden, denn Sarah weigerte sich strikt über ihre Erlebnisse im Himmel zu reden und nach ihrer Reaktion hatte der Anblick eines Engels sie wohl unangenehm überrascht. Als ihr großer Bruder müsste er ihr jetzt nacheilen, als ihr Freund aber ihr den Freiraum lassen, den sie brauchte und warten bis sie bereit war, darüber zu reden. Es würde nur wenig bringen Sarah nun auch noch zu verärgern, nachdem er sie mit unerwünschtem Besuch überwältigt hatte. Auch wenn Setsuna sich nicht vorstellen konnte, was an dem Engel so bedrohlich wirkte, dass Sarah die Flucht ergriff. Dies war nicht ihre Art, besonders nicht wenn man bedachte, dass sie sich selbst gegen Sevothtarte gestellt hatte. Ich werde mich nachher um sie kümmern, beschloss Setsuna. Jetzt muss ich mich erstmal um die Ursache der ganzen Aufregung kümmern. Schließlich kann ich ihn nicht einfach hier liegen lassen... Allerdings taten seine Arme schon weh, wenn er nur daran dachte, dass er den großen, hochgewachsenen und vor allem schweren Engel noch irgendwie nach drinnen bekommen musste. Trotz seiner Astralkräfte hatte er immer noch einen menschlichen Körper, der für die Strapazen der letzten Stunden nun seinen Tribut forderte. Die Kälte der hereinbrechenden Nacht, die Nässe um seine Füße und der anhaltende Regen, der durch den Wind ihn selbst jetzt noch durchweichte, würde das nächste Stück keineswegs einfacher werden lassen. Er überlegte, ob er nicht einfach die Füße packen und an ihnen den Körper ins Wohnzimmer zerren sollte. Allerdings würden die Schultern mit ihrer für einen Engel typischen Breite kaum durch die von winzigen Japanern erbaute, viel zu schmale Tür passen. „Vielleicht wenn ich ihn an den Achseln packe und rückwärts ziehe...?“, überlegte Setsuna vor sich hin und stopfte leicht frustriert seine Hände in die Hosentaschen. Zumindest soweit es ihm mit der nassen Jeans möglich war, die schon beinahe ekelhaft eng an seiner Haut klebte. „Du könntest mir auch ganz einfach aufhelfen“, durchbrach eine fremde Stimme Setsunas Gedanken, welcher vor Schreck einen ganzen Satz zurück machte. „Das würde die Sache ungemein vereinfachen.“ „Was...?“, entfuhr es Setsuna lahm und musste sich an der Wand zwischen der Balkontür und dem Geländer festhalten. Zwar hatte er gewusst, dass er nicht alleine auf dem Balkon war, doch es war ihm nicht in den Sinn gekommen, dass der Engel, den er aus dem Hafenbecken gefischt hatte, auch tatsächlich irgendwann aufwachen würde. Es war nur die logische Konsequenz, aber innerlich darauf vorbereitet hatte sich Setsuna nicht. Besonders nicht darauf, dass er von jemanden so eindringlich betrachtet werden würde, dessen Augen viel zu hell und klar dafür waren, dass deren Besitzer fast ertrunken war. Denn danach sah der Engel, dessen nackte Füße noch in dem Wasser der Pfütze des Balkons lagen, weniger aus. Geschweige denn danach, dass bestimmt noch mehr Wasser in der Lunge war, als für irgendein Wesen gesund sein sollte, selbst für einen Engel. „Ich bin ... ich wollte...“, stammelte Setsuna und versuchte sich zu rechtfertigen, dass er hier niemanden entführt hatte und eigentlich alles andere als kämpfen wollte. Doch es war schwer zu sagen, wie der Fremde nun reagieren würde. „... mir hoch helfen?“, schlug der Engel schon fast gelassen vor und Setsuna fragte sich, ob nicht gerade der Falsche von ihnen beiden eine Panikattacke hatte. Dennoch trat er mit wackligem Schritt vor und ergriff die Hand, die der Engel mit den blauen Augen nach ihm ausgestreckt hatte. Wenn sie ein wenig zu kalt war und ihm der Druck zu stark vorkam, so schob das Setsuna darauf, dass seine eigene Hand schweißnass vor Aufregung war. Eine Antwort darauf, warum dies so war, fand er allerdings erst, nachdem er den namenslosen Engel auf die Füße gezogen hatte. Für einen Moment stand der so dicht vor ihm, dass Setsuna den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm in die Augen sehen zu können und die breite, hochgewachsene Statur, die sich wegen der nassen Kleidung prächtig erahnen ließ, milderte den ersten instinktiven Eindruck nicht, den Setsuna sich gemacht hatte. Jetzt, wo er direkt vor ihm stand und ihm der feine Geruch von frischen, kalten Ozon in die Nase wehte, war Setsuna sich absolut sicher, dass dies nicht nur ein einfacher Engel, sondern ein Hoher Engel war. Er konnte die Astralkraft nicht sehen, die dem Fremden sicherlich unter der Haut brannte, aber er wusste, dass sie vorhanden war. Eine mächtige dichte Masse an Kraft, kaum verborgen durch die dünne Wand der Realität, die ihm glauben machen wollte, das vor ihm ein menschliches Wesen stand. Aber alleine die unnatürliche Ruhe und die tiefen blauen Augen waren genug, um Setsuna daran zu erinnern, dass dem keineswegs so war. Vielleicht lag Sarah mit ihrer Reaktion gar nicht mal so falsch, dachte Setsuna und trat einen großen Schritt zurück, kaschiert mit dem Vorhaben, dass er sich endlich ins Innere der Wohnung begeben wollte und dem fremden Engel deutete, ihm zu folgen. Doch darunter verbarg sich lediglich die Eingebung, dass er absolut unvorbereitet für diese Begegnung war. Ich weiß überhaupt nichts über diesen Mann, geschweige denn das ich seinen Namen kenne oder ihm trauen könnte. Wobei Vertrauen im Zusammenhang mit Engeln sowieso ein zweischneidiges Schwert war. Man konnte sich selten sicher sein, ob sie die Wahrheit sagten, es mit ihr ernst meinten oder nicht trotz allem am Ende doch wieder ihre Meinung änderten. Erstaunlich wie willkürlich sie doch mit ihren Vorhaben und wie sprunghaft ihre Launen sein konnten, wenn man ihre Langlebigkeit in Betracht zog. Setsuna bezweifelte ernsthaft, dass jetzt bei dem Engel hinter ihm anders sein würde. Er kannte die Natur der Engel zu gut, um dem seiner Meinung nach viel zu freundlichen Lächeln und ruhigen Blick Vertrauen zu schenken. - Nahezu mühselig tat er den Atemzug unter dem sich seine Lungen weiteten und ihm das Gefühl gab, er würde damit seinen Brustkorb sprengen. Als läge ein Gewicht aus Blei auf seiner Brust, dass sich stets dann bemerkbar machte, wenn er Luft holen wollte. Durch seine Nase trat sie ein, füllte seinen Kopf mit dem frischen Duft des Meeres, tauchte seine Seele mit Vertrautheit und niemals würde er genug davon bekommen, gleich wie fest eine Macht dagegen drückte. Dagegen stemmte er sich als er über die kühle Holzschwelle trat, welche schon lange die Feuchtigkeit der Umgebung aufgezogen hatte. Es war schwer, aber nicht unmöglich die Barriere zu durchbrechen, die er wahrnahm. Ihre genaue Linie war nicht zu bestimmen, nur der Kontrast des Lichts von hell zu dämmrig. Mit einem leisen Husten versuchte er den Druck zu nehmen, der auf seiner Lunge lag, denn das abgedunkelte Zimmer nahm ihn nur den Reiz seiner geblendeten Augen, nicht aber die Befangenheit, die es auslöste. Das Eintreten hätte vielleicht eine stärkere Reaktion von ihm verlangt, doch ein anderer Eindruck lenkte ihn ab. Ein Empfinden der Reibung an seinen nackten Fußsohlen und ein Blick nach unten zeigte ihm einen Teppich mit kurzen Stoppeln, der seine Füße trocknete, je weiter er dem blonden Jungen in das Zimmer folgte. Verwirrt blieb er Stehen, um sich an die Sensation zu gewöhnen. Versuchsweise bohrte er seine Zehen tiefer in den Teppich, um ein Gespür dafür zu bekommen, wie es war nicht nass zu sein. „Odd“, entfuhr es ihm instinktiv in Enochian. „But not unpleasant.“   Da war das Wissen, dass die Trockenheit keine Gefahr darstellte. Es war noch genug Wasser in seinem Umfeld. Die Wege, die es sich bahnte, konnte er als seichte Vibrationen in seinem Hinterkopf wahrnehmen. Wie Wellen, deren Zentrum er selbst war, sprachen sie zu ihm und teilten ihm mit, dass draußen der Regen gegen die Glasscheiben schlug, in den Wänden Wasser durch Metallrohre gepumpt wurde und kleine Wassermoleküle in der Luft durch den Raum schwebten. „Please, would you like a towel?“, wurde er nun angesprochen. Die Stimme des Jungen, die ihn in seiner eigenen Sprache anredete, klang natürlich und floss einfacher durch seinen Geist, als er vermutet hatte. Es war ihm nicht bewusst gewesen, dass der junge Mann eine Lautart beherrschte, die für einen Menschen eigentlich unmöglich auszusprechen war. Es war der Zusammenfluss aller möglichen Sprachen, unterlegt mit Astralkraft und für Sterbliche unzugänglich seit der Zeit von Babylon. Allerdings habe ich das Gefühl, dass seitdem sich das Rad der Zeit häufig gedreht hat, kam ihm der Gedanke. Möglich, dass der Richtspruch über die Menschheit aufgehoben wurde, der sie in Nationen teilt? Betrachtete er jedoch den Zustand der Menschen um ihn herum, so war dies nicht der Fall. Das Wasser trug ihm Neuigkeiten zu, unterrichtete ihn über Bewegungen und der Fülle des Lebens in der Umgebung. Schockierend war fast wie viel Leben die Luft und die Erde erfüllte. Rastlos, hungrig und mit dem Verlangen nach Durst. Alles Lebewesen, die sein Wasser wollten. Wasser. Sein Wasser, schoss ihm durch den Kopf. Sie wollten ... sein Wasser. Etwas stimmte an dem Gedanken noch nicht und er kratzte sich am Kopf. Es war als wollte er nach einem Gegenstand am Boden eines Beckens greifen, ihn aber nicht zu fassen bekam. Immer wieder flutschte ihm der Gedanke, die Erkenntnis, welche er wusste, dass sie wichtig war. Frustrierend, beschrieb er sein Gemüt, ich ... Kaum das er weiter durch das seichte Meer der Verwirrung gewatet war, stieß er auf ein weiteres Hindernis. Ich ... ich ... ich ... Das Wort hallte in seinem Kopf wieder. Den Jungen mit dem Handtuch in seinen Händen war aus seinen Gedanken komplett entschwunden, als er sich dem vorrangigsten Problem widmete. ... Wer war ‚Ich’? xxx Übersetzung: *Gabriel "Seltsam." - "Aber nicht unangenehm!" *Setsuna "Bitte, möchten Sie ein Handtuch?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)