In my Time of Dying von mangacrack (Teil III: Am Ufer des dunklen Wassers) ================================================================================ Kapitel 8: Sight ---------------- Dieses Kapitel ist noch nicht Beta gelesen. Er bewegte sich wie eine Kreatur aus der Urzeit, als das Leben auf der Erde sich gerade erst zu höheren Lebensformen entwickelte, über den Grund des Meeres. Auf der Suche nach Nahrung und nach ein wenig Ungestörtheit behelligte er niemanden und nur wenige Lebewesen, die sich hier unten befanden, hatten je etwas anderes als die allumfassende Dunkelheit gesehen. Er schon, aber es befand sich kaum etwas an der Oberfläche für das es sich lohnte die angenehme Formlosigkeit aufzugeben und in einer körperlichen Gestalt herum zu schreiten. Leider jedoch waren die Tage hier unten ebenfalls nicht schön, sondern einsam und leer. Vor langer, langer Zeit hatte es eine Weggefährtin gegeben, die seine Nachkommen zur Welt brachte und welche sich in dem einzigen Meer ausbreiteten, dass es zu dieser Zeit gab. Gram, frisch wie am ersten Tag, überflutete ihn, das sich am Grund des Meeres entlang zog. Der Wunsch nach Rache war nun fort, verloren in Verrat, Schamgefühl und Schrecklichkeit, denn deren Erfüllung hatte es weiterhin einsam bleiben lassen. Wäre es möglich, würde er sich tief im Grund des Meeres eingraben und vergessen, dass die neue Freiheit, die der Fürst verkündet hatte, weder die Einsamkeit noch das Leid oder die Reue schmälerte. Erst eine jähe Druckwelle, die sich durch alle sieben Weltmeere durchzog und die Lebewesen darin aufschreckte, riss die alte Seeschlange aus ihrer Depression. Wachsam und aufmerksam hörte sie und vernahm mit gemischten Gefühlen, was Wale in der Tiefe des Meeres auf der anderen Seite der Welt vor Freude sangen. Gabriel... sangen sie mit einer Euphorie, die für einen kurzen Moment den Glanz einer alten verlorenen Zeit zurück brachte. Das Wort hallte es in den Weltmeeren wieder und gleich darauf erbebte die Erde auf dem Grund des Meeres noch einmal, als sich die Seeschlange erhob und die Verfolgung aufnahm und zum ersten Mal seit Jahrhunderten hatte die Menschheit wieder einen Grund das Meer zu fürchten. Es würden zwei Erzfeinde aufeinander treffen. - Ein alter Fischer saß am Kai und blickte misstrauisch auf das Meer hinaus, während sein Sohn am Boot die Taue überprüfte. Der Alte paffte an seiner Pfeife und studierte den Horizont mit seinen halb blinden Augen. Als sein Sohn die Planke hinunter lief, um ein weiteres Bündel Seil aus dem Schuppen zu holen, packte der alte Fischer seinen Sohn am Hosenbein und hielt ihn eisern fest. „Du wirst heute nicht hinaus fahren“, sagte der Alte bestimmt zu seinem Sohn. Jener sah seinen Vater an, dessen Hand leicht zitterte, wohl aber nicht wegen der Gicht, die ihn plagte. Stattdessen folgte der Sohn dem Blick seines Vaters, der sich weigerte das Meer aus den Augen zu lassen. Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben und der Sohn konnte sich an nur eine handvoll Male erinnern, an denen sein Vater derartig entsetzt ausgesehen hatte. „Vater?“, fragte der Sohn und studierte das Meer ebenfalls, „Warum nicht? Ich gebe zu, dass es ein wenig trügerisch aussieht, aber es gibt keine Anzeichen dafür sich ernsthaft Sorgen zu machen.“ „Mein Junge“, sagte der Vater und hustete leicht, „Ich habe erst einmal in meinem Leben ein derartiges Gefühl gehabt und ich bin mein ganzes Leben lang zur See gefahren, also tu mir bitte den Gefallen und bleibe heute mit dem Boot im Hafen.“ Der Sohn zögerte kurz, setzte sich dann aber zu seinem Vater auf die Holzbank vor dem Schuppen. Alles was er über die Seefahrt wusste, hatte er von ihm gelernt und nie hatte gesehen, dass der Instinkt seinen Vater im Stich gelassen hätte. „Wann Vater?“, fragte der Sohn und griff vorsichtig nach der noch immer zitternden Hand, „Wann war das Wetter das letzte Mal so trügerisch?“ „Im Krieg“, wisperte der Alte. „An dem Nachmittag auf See bevor die Amerikaner unser Schiff abschossen und wir nachts beim schlimmsten Sturm aller Zeiten im eisigen Wasser überleben mussten. Damals war genau so ein Wetter und ich wünsche niemandem jetzt dort draußen zu sein.“ Der Sohn wog die Worte seines Vaters ab und entschied sich, dass ein Tag an Land seinem Geschäft nicht schaden würde. Andere hätten seinen Vater für verrückt erklärt, aber wer zur See fuhr, wusste dass das Wasser trügerisch war. Das Meer konnte sehr zornig werden und man sollte es nicht herausfordern. Bisher hatte es noch jeden Kampf gewonnen, den alle Seefahrer mit ihm austragen mussten. ‚Das Meer ist dunkel und tief’, erinnerte sich der Sohn wie sein Vater es einst ihm und vor kurzem dann seinem Enkel beigebracht hatte. ‚Ganz gleich wie sehr es in der Sonne glänzen mag, das Meer ist dunkel und tief.’ Also blieb das Boot angetaut im Hafen und als am Nachmittag Sturmwolken aufzogen, war der Sohn froh, dass er auf die Instinkte seines Vaters gehört hatte. - Es war einfach der Spur zu folgen, trotz dessen dass er sich auf der anderen Seite des Erdballs befand. Die Bewohner des Meeres waren immer noch in Aufruhr, wenn auch gleich die wenigsten wussten wieso. Einfache Tiere schwammen verwirrt in Kreis, weil die Präsenz ihre Sinne verwirrten, Meerespflanzen versuchten ihre Blätter nach etwas auszustrecken, dass sie nie würden ergreifen könnten und andere Kreaturen, welche sonst furchtlos und bösartig galten, weil sie das Meer unsicher machten, verkrochen sich in den Wracks gesunkener Schiffe. Während die Seeschlange auf den Strömungen des Meeres ritt, um zu dem Ursprung zu gelangen, bemerkte er das offenkundige Bangen, das die meisten Bewohner des Meeres nun erlebten. Furcht, Angst und Verzweiflung, weil die Präsenz in jedem noch so kleinen Winkel allgegenwärtig war. Nur wenige Kreaturen konnten sie benennen, aber keine von ihnen rührte sich von ihrem Wohnort weg. Unter dem ewigen Eis der Pole lebten ein paar Geschöpfe, die Gabriel erkannten hatten und ihm leise antworteten, ganz gleich dass der Geist bisher noch kein Wort gesagt hatte. Der Wasserdrache nahm nicht an, dass er der Grund dafür war. Das Wort war nicht an ihm gerichtet, an niemanden in den Meeren, aber das Zugegensein eines jemanden, der schon seit langer Zeit als verlorengegangen galt, verstörte. Er selbst war als Archon das mächtigste Wesen im Wasser, wenn gleich auch vielleicht nicht das Älteste, aber es war nicht seine Pflicht als momentaner Herrscher des Meeres, die ihn dazu trieb nachzusehen, was genau die Ordnung durcheinander gebracht hatte. Nein, es war die alte Fehde, die er mit Gabriel gehabt hatte, welche ihn schneller schwimmen ließ, weil er mit sich mit seinen eigenen Sinnen davon überzeugen musste, ob es bloß eine Erscheinung war, die jetzt seine Gedanken plagte. Oder ob er wirklich den feinen, aber deutlichen und nicht zu verwechselnden Geschmack von Fruchtwasser auf der Zunge hatte. Schließlich tauchte Licht in der Ferne auf, eigentümlich so tief unten im Meer und zu rein, als das es natürlichen Ursprungs sein konnte. Die Seeschlange stoppte und begann langsam Kreise um die Kugel aus Licht zu ziehen. Er kannte die Präsenz, der Name Gabriel hämmerte nun unaufhörlich durch seinen Kopf und er wurde trotz seiner finsteren Gefühle diesbezüglich davon anzogen. Es war schließlich seine eigene Vergangenheit, seine größte Sünde und der Grund, warum er als einer der Sieben Satane im großen Buch des Höllenfürsten eingetragen war. Unter ihm bebten die Vulkane, die Asche und Mineralien in das von ihnen erhitzte Wasser stießen, um neues Land zu formen, gewaltiger als je zuvor. Ein Seebeben ging von dem Punkt aus, wo die Gestalt aus Licht in der Blase aus reinstem Wasser lag und der Wasserdrache wurde gezwungen auf der Stelle zu verharren, als dicke mächtige Wellen ihn wegzudrücken versuchten und er nur durch äußerte Anstrengung verhindern konnte, nicht fortgespült zu werden. Denn trotz dessen, dass er ein Satan war, hier unten wo zwei Elemente aufeinander trafen und ihrem ewigen Kampf das dritte erschufen, konnte er nichts entgegensetzten. Sein gesamter Körper wurde von der Erkenntnis erschüttert, als die zwei Gewalten ihn zu packen und zu zerreißen drohten, weil kein Wille dahinter lag, der diese Mächte lenkte. Das schimmernde Wesen in der Luftblase vor ihm schien zu schlafen und das Feuer unter ihren Füßen schien lediglich zu reagieren. „Gabriel“, entfuhr es dem Wasserdrachen, welcher unter den seinigen weitläufig als Leviathan bekannt war. „Lord Gabriel!“ - Gabriel ... Der Ruf seines Namens. Jemand rief seinen Namen. Lord Gabriel! Es war wie ein Funke, der seinen schlafenden Willen endlich erwachen ließ. Diese Phrase, dieser Titel, der so tief in seinem Bewusstsein verankert war, weil es die Anrufung einer höheren Macht in Not beinhaltete und jedes lebendige Wesen nicht ohne ihn existieren konnte, beendete seine Apathie und öffnete ihm die Augen. Ruf ... rufen ... jemand ruft mich, registrierte er. Da waren noch andere Stimmen in seinem Kopf, aber vorrangig und zuerst erklang die Stimme eines Wesens in seinem Ohr, dass er kannte und dass ihm sehr nah war. Der Engel des Wassers stieg aus der Vergessenheit empor und richtete seinen Blick auf die Seeschlange vor ihm. Nein, war sein erster Gedanke, als zwei Augenpaare sich begegneten, Es ist nicht die Seeschlange, sondern der Drache. Der Drache aus der Hölle, der ihn verraten hatte. Unter ihnen explodierte der Vulkan mit neuer Kraft, stieß Asche und brennendes Wasser ins Meer, das so heiß war, dass es jegliches irdisches Leben im Umkreis von ein paar Meilen auslöschte. Die zwei alten Wesen, der Engel und der Drache jedoch begannen ihre Hetzjagd. - Der Hahn quietschte, als Setsuna das Wasser wieder abdrehte. Erleichtert von dem Dreck, den er auf seiner Haut gespürt hatte, seit er gestern Abend durch den Regen geflogen war. Nun konnte er wieder freier Atmen und seine Lebensgeister waren so erfrischt, dass ihn selbst der Gedanke an die stickige Arbeit in der dampfenden Küche des Imbisses nicht störte. Gestern hatte seinen Boss noch mit dem inneren Schwur verlassen ihn zu verfluchen, doch eigentlich konnte der Sushi Chef nichts dafür, dass sein Küchenjunge so lernunwillig war. Setsuna war sich bewusst, dass er nicht ewig dort arbeiten würde, aber das Geld hatten seine Schwester und er nun einmal bitter nötig. Während er sich abtrocknete und ins Schlafzimmer lief, um sich anzuziehen, hörte er wie Sarah in der Küche mit dem Geschirr klapperte. Das Frühstück war hin und wieder ihre einzige ruhige Zeit zusammen, da Setsuna länger arbeiten musste als es ihm eigentlich lieb war. Sarahs Unterricht in der Schule reichte nur bis in den Nachmittag hinein und er fühlte sich unwohl dabei sie zulange alleine zu lassen. Noch immer verfolgten ihn Alpträume in denen er Sarah sterben sah, hilflos etwas dagegen zu tun und jedes Mal wachte er auf, wenn ihr Blut durch seine Hände in dem schwarzen Boden der Erde versickerte. Das Gefühl des Verlustes erwürgte ihn jedes Mal fast und selten brachte Setsuna ein Wort heraus, wenn er aus dem Schlaf aufschreckte. Er ließ seinen Blick durch die Küche schweifen und wollte Sarah beim Decken des Küchentischs helfen, als er die zwei Teller darauf sah. „Wo ist Gabriel?“, fragte Setsuna und die Frage brachte die Geschehnisse des gestrigen Tages zurück, die ihm bis eben entglitten waren. Irgendwie bezweifelte Setsuna sogar, dass er ihn an dem Bild der alltäglichen Normalität etwas aufgefallen wäre, hätte ihn nicht das Fehlen des dritten Tellers gestört. Sicherlich würde Gabriel mit ihnen essen, es erschien Setsuna falsch wäre dem nicht so. Obwohl sie sich erst am vergangenen Tag begegnet waren, Setsuna wünschte sich Gabriels Anwesenheit. Nahezu panisch durchsuchte er die Küche nach ihm und blickte nach draußen durch das Fenstern auf den Balkon. Als er auch das Wohnzimmer leer fand, wiederholte Setsuna seine Frage. „Wo ist Gabriel?“ Es lag so viel Dringlichkeit und Sorge in seinen Gedanken, dass er Sarahs Lippenschürzen nicht bemerkte. „Fort“, antwortete sie als sie die Butter auf den Tisch stellte. „Komm und iss endlich.“ „Fort...“, echote Setsuna leise. „Aber warum? Wir haben doch gestern erst ... hat er einen Grund genannt? Wo ist er hin?“ Sarah durchbohrte ihn mit ihrem Blick, aber Setsuna wurde von denselben intensiven Gefühlen verfolgt, die ihn jedes Mal geplagt hatten, wenn er auf jemanden getroffen war, der Alexiels Vergangenheit angehört hatte. Allerdings stiegen dieses Mal keine Bilder ins seinem Geist auf, nur Alexiels ebenso bange Sehnsucht dem Engel, den sie beide gestern zum ersten Mal begegnet waren, sofort zu verfolgen. „Er ist zur Tür hinaus“, meinte Sarah bissig, aber Setsuna bemerkte ihre Laune kaum. Seine Gedanken wurden von dem Verlangen geplagt, dass er wissen musste, wo Gabriel war. Nicht nur er, sondern auch Alexiel, die ihn dazu drängte sich zu beeilen. Hastig und gedanklich abwesend schlüpfte Setsuna in seine Schuhe, ehe er aus der Wohnung hinaus ins Treppenhaus stürzte. Die Frage, warum Sarah Gabriel nicht aufgehalten hatte, kam ihm nicht, als er mehrere Stufen auf einmal nahm und einem Nachbarn auswich. Auch die Vorstellung, dass Gabriel ihn vielleicht absichtlich zurückgelassen haben könnte, wurde ihm nicht bewusst. Alles, was Setsuna einzig und allein wichtig war, als er mit nassen Haaren auf dem Bürgersteig in der frühen Morgensonne stand, war der treibende und fast unerträgliche Wille Gabriel zu finden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)