Das Gemälde des Sterbenden Knaben von Glasmond (Sequenz xx) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Claudia Auditore gab Olivenöl in die Kochpfanne und legte noch etwas Holz nach. Die aragosta hatte sie schon zurechtgeschnitten, jetzt musste der Fisch noch nur über dem Feuer gar werden. In der Villa Auditore wurde für den Abend Besuch erwartet, und sie würde ihrem Ruf alle Ehre machen. Speiß und Trank vom Feinsten, das war es, weswegen man sie schätzte und liebte. Sie hob gerade den Deckel des Topfes an um den Zustand der Artischocken zu kontrollieren als sich plötzlich zwei Arme um ihre Taille schlangen und sich mit einem stürmischen Kuss zwei Lippen auf ihre Wange drückten. Sie erkannte ihren Bruder sofort und schmiegte sich in einer kurzen Geste der Begrüßung an ihn, den Kochlöffel in der einen, den Topfdeckel in der anderen Hand haltend. „Kündige dich gefälligst vorher an, Ezio“ sagte sie in einem gespielt säuerlichen Ton und drehte eine der Artischocken im kochenden Wasser. Ezio nahm seine Kapuze ab, krempelte seine Ärmel hoch und begann die Tomaten zu schneiden, die Claudia bereit gelegte hatte. Sein Verhalten entschuldigte er mit einem vergnügten Lachen. Wie konnte sie ihm auch böse sein, dachte sie sich, wenn er so viel Leben ins Haus brachte. Sie war glücklich, dass er seinen Schmerz, der auch ihrer war, überwunden hatte und fast gänzlich wieder der unschuldige Knabe von damals zu sein schien. Zudem spürte sie dass sein Schicksal ihn erfüllte – und diese Erfüllung ist ein Geschenk, das den Menschen Sinn, Zweck und Platz auf dieser Erde verschaffte. Und ihr Bruder, das wusste sie, brauchte mehr als jeder andere Sinn für sein Leben. „Ist der Auftrag für die Renovierung der Miene schon durchgegangen?“ Fragte Ezio und legte die in Scheiben geschnittenen Tomate in eine Schüssel. „Ja. Ich soll dir größten Dank für die zusätzliche Spende ausrichten. Von der ich übrigens nichts wusste.“ Sagte sie, während sie den Fisch in die mittlerweile heiße Pfanne legte. Das Öl tat sofort sein Übliches und briet das Fleisch mit schmackhaften Geräuschen an. Die Küche wurde von einem wunderbaren Geruch erfüllt. „Ah, bella mia, ich fürchtete, dass du es mir sonst nicht erlauben würdest.“ Erwiderte er in einem fast schon übertrieben charmanten Ton. „Sieh mich nicht so an. Wenn du mich als Buchhalter haben möchtest, Bello mio, muss ich auch einen Überblick über deine Finanzen haben.“ Er legte eine weitere geschnittene Tomate in die Schüssel und nickte. „Ja. Verzeih mir, Claudia. Du hast recht. Und jetzt gräme dich nicht mehr, sonst schmeckt man das später im Fisch. Die Kartoffeln in Scheiben oder gewürfelt?“ „Raus aus meiner Küche, Ezio! Wenn später etwas nicht schmeckt, dann deinetwegen. Onkel Mario hat nach dir Rufen lassen, er möchte vor dem Abendessen mit dir sprechen.“ „Aber Claudia, liebe Schwester…“ „Raus!“ Er lachte herzlich und gab ihr einen Abschiedskuss. Ezio verschwand rasch aus der Küche. Das unbekümmerte Familienleben in der Villa Auditore gab ihm den nötigen Rhythmus den er brauchte. Egal, was dort draußen passierte – in der Villa ging das Leben weiter. Jeden Tag drei Mahlzeiten, immer frische Laken, sogar seine Zivilkleidung wurde regelmäßig gewaschen und fein säuberlich in seinem Zimmer aufbewahrt, obwohl er diese nur noch selten trug. Und das Schönste war wohl, dass er immer eine Familie hatte die ihn liebte und ihm Halt gab, egal wessen Blut an seinen Händen klebte. Er war sich sicher: ohne Claudia, seine Mutter oder seinen Onkel und Mentor Mario wäre er nur noch Mechanik. Ein lieb- und lebloses Gerät, das so lange funktioniert bis es kaputt geht. Er öffnete die Tür zum Speisesaal und erblickte sogleich seinen Onkel und dessen ansehnliche Begleitung, die beide an einem antiken Esstisch saßen. Die Frau war in teure Seide gekleidet und trug ihre schwarzen Haare kunstvoll hochgesteckt. Ezio schloss daraus, dass sie nicht ein gewöhnlicher Besuch war. „Bonasera Madonna. Mario.“ Die Dame schenkte Ezio ein graziöses Lächeln und nickte ihm zu. „Hallo Ezio. Schön, dass du dich noch vor dem Abendessen blicken lässt. Das hier ist meine gute Freundin Aurora.“ Sagte Mario und legte eine Hand auf Auroras Schulter. Ezio verstand sofort und wandte den Blick und seine Aufmerksamkeit von der Schönheit ab. Auch wenn er gerne die allgemeine oder nächtliche Gesellschaft der Frauen, ungeachtet dessen ob sie einen Ring am Finger trugen oder nicht, über alle Maße genoss, die Liebschaften seines Onkels würde er ihm niemals streitig machen. Insbesondere da Mario Auditore sonst nicht unbedingt Glück bei den Damen hatte. „Du hast nach mir rufen lassen, Onkel?“ Fragte er stattdessen. Mario schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Ja, in der Tat. Ich möchte, dass du deinem Freund Leonardo dies hier bringst, wenn du ihn mal wieder siehst.“ Sagte er während er Ezio einen Brief und einen Münzbeutel in die Hand drückte, „Es ist der Auftrag für ein Gemälde, mit Anzahlung. Wenn jemand ein Bild nach meinen Wünschen anfertigen kann, dann ist es er.“ Ezio nahm die Gegenstände entgegen. „Bene. Ich wollte so wie so demnächst nach Venedig aufbrechen.“ „Sag ihm auch, dass ich ihm mit Materialien und Unterkunft zur Verfügung stehe wenn er es hier malt. Ich habe es ihm schon bei unserem letzten Treffen angeboten: Er kann auch gerne länger bleiben.“ Fügte Mario hinzu. „Willst du ihn hier haben, weil du das Risiko nicht eingehen willst, dass das Bild auf der langen Reise zu Schaden kommt?“ fragte Ezio. Mario schwieg einen Moment. „Das ist sicherlich mit ein Grund. Vielmehr bin ich aber um sein Wohl besorgt. Mir sind Nachrichten zu Ohren gekommen, die nichts … Angenehmes für Freunde der Auditore verheißen.“ Er biss sich auf die Lippe. Ezio wusste, dass Mario vor Fremden Ohren nicht alles aussprechen konnte, aber die Information war völlig ausreichend. „Ich werde versuchen, ihn zu überreden, Onkel.“ sagte er rasch. „Danke, Ezio. Und, ach ja – Sieh zu, dass er das Bild auch wirklich anfangen wird. Ich möchte mein Werk nicht erst Jahre nach der Beauftragung begutachten können. Schließlich ist es nur ein einfaches Bild, kein Fresko oder dergleichen.“ Ezio lachte. „Leonardos Ruf eilt ihm voraus. Der gemächlichste Maler in ganz Italien. Aber keine Sorge, für dich wird er sich sicherlich beeilen.“ Sagte er und wandte sich zum gehen. Die besorgte Miene seines Onkels trieb ihn an. „Ich denke, ich werde sogar heute noch aufbrechen. Wartet mit dem Abendessen nicht auf mich.“ „So kenne ich meinen Neffen. Lass dich nicht aufhalten, und überbringe unseren Freunden schöne Grüße von mir, Ezio.“ Der Mond stand mittlerweile schon vollends sichtbar am Himmel als Ezio sich auf sein Pferd schwang und gen Forli ritt. Um Florenz zu meiden verließ er die Handelsstraße und nahm stattdessen kleinere Wege. Seine Heimatstadt war ein unglaublich schöner Ort – schöner noch als das hoch gepriesene Venedig, seiner Meinung nach – aber die vertrauten Straßen und Gebäude beheimateten nostalgische Gefühle, die ihrerseits nur mit schmerzlichen Erinnerungen einhergingen. Nach einer durchrittenen Nacht und einem durchtrabten Tag traf er schließlich in Forli ein. Er machte vor der Burg Forli halt, dem ansehnlichen Anwesen seiner guten Freundin und Kameradin Caterina Sforza. Ein Hofknabe eilte sogleich herbei und nahm das Pferd entgegen. „Gib ihm den besten Platz im Stall, Junge, und besorge ihm ein paar Möhren.““, sagte Ezio und drückte ihm großzügig ein paar Florinen in die Hand. Nach vielen Jahren der Arroganz hatte er gelernt, dass ein Mensch der nicht dem Adel angehörte deswegen nicht minder wertig war. Der gewöhnliche Volksmund nahm an dass Adel, Intelligenz und Macht im Blut floss und dementsprechend war es auch gerechtfertigt, dass arme Menschen eben arme Menschen waren. Aber Ezio wusste es besser. Man konnte auch unverschuldet an Armut geraten. „Jawoll, Signore.“ Erwiderte der Stalljunge. Seine Wangen nahmen ein zartes Rosa beim Anblick der vielen Münzen an. „Ich werde eurem Pferd die besten Möhren aus dem Lager geben!“ Ezio lächelte über die kindliche Freude des Knaben und legte ihm für einen Moment die Hand auf die Schulter. „Ist die Contessa Sforza heute anwesend?“ „Sie ist vor ein paar Augenblicken angekommen und müsste sich in ihrem Anwesen befinden, Signore.“ erwiderte der Junge mit den vergnügten und unschuldigen Worten eines Kindes. Hab Dank, beendete Ezio das Gespräch und durchschritt das Haupttor. Er grüßte gedankenverloren die Privatgarde der Contessa, die ihm wohlwollend zunickte. Nach der Rettung ihrer Kinder war Ezio ein gern gesehener Gast im Hause Sforza. Zumindest wollte das Catarina Sforza so. Die Wachen wussten: Wer über Ezio ein schlechtes Wort verlor, verlor damit auch seinen Kopf. Catarina konnte unlautere Gefolgschaft auf den Tod nicht ausstehen. Doch Ezio plagten andere Gedanken als die mehr oder weniger aufrichtigen Grüße der Garde. Er musste die ganze Reise über an Marios besorgte Worte denken. Nun bereute er es, nicht um genauere Informationen gebeten zu haben. Leonardo war sein engster und teuerster Freund, und sein Wohl lag Ezio sehr am Herzen. Mit dem nächsten Schiff würde er im Morgengrauen abreisen. Er wechselte kurz ein paar Worte mit der Garde, die das Hauptanwesen Catarinas beaufsichtigte, und sie ließen ihn passieren. „Ezio! Dass du dich hier blicken lässt!“ Rief Caterina Sforza aus als Ezio den Hauptsaal betrat. Sie sprach die Worte wie einen Fluch aus, aber Ezio kannte sie gut genug um zu wissen dass sie sich über seinen Besuch freute. Sie stand auf und umschritt den gewaltigen Esstisch. Ezio kam ihr entgegen. „Caterina, kaum eine Frau macht mir mit ihrer Begrüßung so bewusst wie sehr ich sie vermisst habe wie Ihr.“ sagte Ezio schmunzelnd und nahm ihre Hand in die Seine. „Ich hoffe ich komme nicht ungelegen.“ Sie legte jedoch einen Arm um ihn und drückte ihn an sich. „Ich habe von der Verschwörung gehört. Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen. Meinen Kindern geht es gut, sie sind an einem sicheren Ort.“ Ezio schob sie mit sanfter Gewalt von sich und blickte ihr in die Augen. Die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Dann wisst ihr mehr als ich, Caterina. Mario meinte nur, dass…“ „Mario will nicht, dass diese Lappalie mehr Aufmerksamkeit bekommt, als ihr zusteht.“ unterbrach sie ihn. „Ist es denn wirklich nur eine Lappalie, wenn ihr eure Kinder verstecken müsst?“ Er drückte ihren Arm. Er wollte wissen, was los war. Sie wich seinem Blick aus. „Vielleicht bin ich einfach nur eine alte, verängstigte Mutter.“ Sie löste sich aus seinem Griff und setzte sich legere auf den Tisch. Eine typisch unziemliche Bewegung ihrerseits. Sie legte nicht viel Wert auf die dezenten Verhaltensweisen einer vornehmen Dame, und gerade das war der Grund weswegen Ezio diese Frau so verehrte und schätzte. Sie war es auch, die ihn vor einigen Monaten den richtigen Umgang mit Pfeil und Bogen lehrte, und ihm einige offensive Attacken mit dem Schwert beibrachte. Gegenstände, die in weiblichen Händen sonst nicht vermögen ihre volle Stärke zu präsentieren. Er hatte Geschichten gehört, dass sie in Kriegen und Kämpfen ihrem Volk immer, egal ob sie nun ein Kind unter dem Herzen trug oder ihre Beine in hohen Schuhen und teurer Seide gekleidet waren, im Schlachtfeld mit Schwert und Bogen zur Seite stand, und nachdem er die Burg von Forli gemeinsam mit ihr verteidigt hatte glaube er diese Geschichten auch nur zu gern. „Für mich seid Ihr weder verängstigt noch alt. Ihr seid die mutigste Frau, der ich je begegnen durfte, und eine der schönsten noch dazu.“ Sagte Ezio und vergnügte sich an ihrem Anblick. Caterina stütze ihr Gesicht auf ihren Arm und reagierte nicht auf seine Bemerkung. Nach einigen Momenten der Stille sagte sie schließlich: „Ich weiß wirklich nicht viel. Ich weiß nur, dass sie etwas planen. Es muss ja nicht mal stimmen, Ezio. Vielleicht wollen sie uns nur Angst machen, damit wir leichtsinnig und weich werden. Oder unsere Quellen sind verunreinigt.“ „Eure Quellen waren noch nie verunreinigt, Caterina.“ Sagte Ezio. „Könnt ihr mir wirklich nicht mehr sagen?“ Caterina strich sich nervös eine rotblonde Strähne hinter ihr Ohr. „Nein“ sagte sie schlicht. Ezio wusste nicht, ob sie etwas vor ihm verbarg oder sie nach dem letzten Angriff auf ihre Kinder übervorsichtig war. Er ging einen Schritt auf sie zu und bemerkte die Tränen in ihren Augen. Er spürte ihren Schmerz und ihre Angst und fühlte Mitleid mit ihr. Sie war härter als Stein, aber die Gefühle für ihre Kinder waren bewundernswert tief. Er versuchte sie mit einer Berührung zu trösten und strich ihr über die Wange. „Bleib heute Nacht hier.“ Flüsterte sie kaum hörbar und schmiegte sich an seine Hand. Dieser leise Ruf nach Nähe und Zuneigung raubte ihm für einen Moment den Atem. Er hatte Caterina zuvor noch nie derartig verletzlich erlebt. „Ich wollte euch so wie so um ein Bett für die Nacht bitten.“ Sagte Ezio und beugte sich herab um ihre Lippen zu küssen. „Warum dann auch nicht gleich um eures…“ Fügte er leise hinzu. Caterina seufzte auf und schlang ihre Schenkel um seinen Unterkörper. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)