Das Gemälde des Sterbenden Knaben von Glasmond (Sequenz xx) ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 2 -------------------- Kapitel 2 Das grelle Licht um ihn herum blendete Ezio einen Moment. Weiße Flächen lösten sich wie gleichmäßige Hautschuppen von unsichtbaren Begrenzungen und lösten sich auf. Um ihn herum bildeten sich Linien, die Raster für den späteren Aufbau der Matrix. Desmond hatte sich wieder eingeloggt. „Ist wirklich alles in Ordnung? Ich mache mir etwas Sorgen…“ Gestand das Echo von Rebeccas Stimme. „Ja, ja, alles okay.“ Erwiderte Desmond und bewegte Ezios Arme und Beine. Er brauchte immer einen Moment um die Bewegungen abzustimmen und sich in dieser neuen Hülle zurecht zu finden, doch allmählich ging es schon fast beängstigend schnell. Das lange Haar juckte ihn beim einloggen nicht mehr im Nacken wie ein Fremdkörper, sondern fühlte sich vertraut an. Der Kopfschmerz, welcher Ezios ständiger Begleiter seit der Platzwunde durch Vieri im Alter von 17 war, kam nicht mehr plötzlich, sondern war einfach da, ohne dass es Desmond großartig bemerkte. Ezios Hüften, etwas schmaler als die von Desmond, fühlten sich auch nicht falsch an, und seine Arme, um einiges durchtrainierter, empfand Desmond vom ersten Augenblick an richtig. Er atmete tief durch und genoss die Luft, die wie klares, leichtes Wasser durch seine Lungen strömte. Auch das unterschied sich von Desmonds Körpergefühl. Er war einige Jahre starker Raucher gewesen und hatte erst bei der Verschmelzung mit Altairs Körper bemerkt wie rau sein Atem ging. Und dann, wie aus einem Salzstreuer, rieselten Ezios Gedanken und Gefühle auf Desmonds Geist herab und vermischten sich mit seinen eigenen. Mittlerweile fiel es ihm schwer diese von seinen eigenen zu unterscheiden. Mochte er Wein wirklich so sehr? Wer von beiden hatte Angst vor Hunden? Und wer war es, der zärtliche Berührungen und Liebkosungen über alle Maße genoss? Es war ihm egal. Er fühlte sich wohl. Die weiße Welt um ihn herum zuckte, und einige Raster lösten sich auf und gaben verzerrte Gebäude preis. Ezio torkelte und konnte sich gerade noch fangen. „Was ist los?“ Fragte er alarmiert. Die Gebäude verschwanden wieder. „Eh… Nichts“ hörte er Rebecca, „Ich … ich kann nur nicht genau an der Stelle anknüpfen an welcher wir abgebrochen haben. Ich muss irgendwelche Bugs übersehen haben…“ „Dann knüpf eben später an.“ Drängte Ezio. Er wollte zurück nach Venedig, und er machte sich nach wie vor Sorgen um seinen guten Freund Leonardo. Erst einen Atemzug später bemerkte Desmond dass es eigentlich egal war – Leonardo da Vinci und alle anderen, die Ezio jemals kannte, waren in der heutigen Zeit so oder so tot. Dieser Gedanke schmerzte ihn überraschenderweise und betrübte ihn. „So, geschafft“ erklang Rebeccas Echo, und schon begann sich die triste Umgebung zu verändern. Aus dem Boden schossen Rohlinge verschiedener Gebäude, bestehend nur aus Rastern, welche Sekunden später eine täuschend echte Hülle bekamen. Auf die visuellen Umgebung folgte die geräuschliche Kulisse, und auf diese alle guten und schlechten Gerüche. Aus allen Gassen und Türen kamen die Menschen hervor und bewegten sich völlig natürlich. So breitete sich ganz Venedig vor ihm aus. Es war inzwischen Nacht, und Ezio war wieder im Rialto. Er schloss eine Weile die Augen und ging in sich. Diese Vorgehensweise hatte sich Desmond für jeden Sequenzneustart zur Gewohnheit gemacht um sich einen besseren Überblick über die Situation zu verschaffen. Er war satt und hatte einen leicht süßlichen Geschmack im Mund. Ob dieser von einer Speise, einer Frau oder beidem stammte vermochte er nicht zu sagen. Er bemerkte keine Wunden. Er war weder krank noch vergiftet, aber er verspürte ein beklemmendes Gefühl in der Brust. Etwas beunruhigt versuchte Desmond es einzuordnen. Wurde er verfolgt? Er öffnete die Augen und betrachtete seine Kleidung. Etwas Blut klebte an seinem Ärmel, aber das schien schon älter zu sein. Er fühlte sich nicht verfolgt. Was war es dann? Angst? Ja. Besorgnis. Über Rosa? Nein, was sie anbelangte war er beruhigt. Aber nicht bezüglich Leonardo. Er beendete seine Meditation und lief sofort los. Bei Altair war es ihm anfangs schwer gefallen sich so zu verhalten wie er, da er nicht wusste was er fühlte und dachte und ihn einfach nur durch die Geschichte bewegte. Aber seitdem Desmond immer den inneren und äußeren Zustand seines Alter Egos checkte beging er kaum noch Fehler die zu Desynchronisationen führten. Er bog in den kleinen Platz vor Leonardos Atelier ein. Der schwache Kerzenschein hinter den Sprossenfenstern der Stadt war die einzige Beleuchtung an diesem etwas ärmlichen Ort ohne Straßenlaternen. Ezio klopfte an Leonardos Tür und trat ein. Weder Leonardo noch einer seiner Gehilfen oder Schüler waren zu sehen. Mit sanftem Druck schloss er die Tür hinter sich und sah sich um. „Ezio!“ Rief Leonardo, der hinter einer seltsam anmutenden Maschine stand und ihn ausnahmsweise zuerst sah. „Dass du dich hier mal wieder blicken lässt!“ Sagte er strahlend. Leonardos sonniges Gemüt heiterte Ezio sofort auf, und er ging zu ihm hin und umarmte ihn fest. „Oh“ machte Leonardo etwas überrascht über Ezios herzliche Umarmung, “Alles in Ordnung mit dir?“ Ezio löste sich. „Si. Ich freue mich einfach nur, dich zu sehen. Ist irgendetwas vorgefallen? Etwas Schlimmes?“ „Was meinst du?“ fagte Leonardo skeptisch und musterte Ezios Gesicht. „Hast du mir vielleicht etwas zu sagen?“ Ezio biss sich kurz auf die Unterlippe. „Nachher, mein Freund. Es ist nicht so dringlich.“ Sagte er während er seine Hand auf seine Schulter legte. „Erst mal habe ich hier noch etwas für dich.“ Er drückte ihm eine Pergamentrolle und einen Beutel voll Münzen in die Hand. „Mein Onkel Mario möchte ein Bild von dir, er zahlt dir einen Teil sogar im Voraus.“ „Aaah, bene, ein Bild für die Auditore! Wie in den alten Zeiten. Zeig mal her.“ Leonardo schnappte sich die Schriftrolle, brach das Auditoresiegel und las darin. Während er die Zeilen überflog ging er in seinem Atelier herum und kommentierte und redete mit sich selbst. Ezio beobachtete ihn kurz und überlegte indessen wie er Leonardo überreden sollte mit ihm zu kommen, falls er sich weigerte. Leonardo räusperte sich. „Bestens, ich mache den Auftrag.“ „Du kommst also mit mir?“ Fragte Ezio. „Hmm. Ich weiß noch nicht. Ich will aber auf jeden Fall sofort anfangen, solange du da bist. Ich habe schon eine grandiose Idee. Wenn du dich also bitte ausziehen würdest.“ Entgegnete Leonardo und zog eine gewaltige Staffelei hinter einem Berg von Gegenständen hervor. Ezio war sich nicht sicher ob er richtig verstanden hatte. „Wie bitte?“ „Pscht, leise, lass mich arbeiten.“ Sagte Leonardo und setzte eine Leinwand auf die Staffelei. „Und zieh dich endlich aus. Über dem Sofa liegt ein Leinen, das kannst du dir überhängen.“ „Ich verstehe nicht.“ Meinte Ezio, beträchtlich perplex. „Cosa diavolo, Ezio! Ich kann keinen Akt mit Kleidung zeichnen!“ „Du sollst … mich zeichnen?“ Fragte Ezio irritiert. Leonardo sah hinter seiner Leinwand hervor. „Weißt du gar nicht, was für Nachrichten du übermittelst, Ezio Auditore? Naja, schon gut. Verzeih mein Ungestüm. Dein Onkel beauftragt mich, ein Assassinengemälde für seine galeria anzufertigen. Er riet mir dich zu portraitieren.“ „Was?“ Entfuhr es Ezio. „Bei alledem werde ich nicht einmal gefragt?“ „Entschuldige. Darf ich dich portraitieren?“ Fragte Leonardo. Ezio lachte. „Du weißt, dass ich dich nicht meine. Aber va bene. Ich mach’s. Verzeih mir aber dass ich meine Waffen nicht abnehmen werde.“ Ein Streichholz entflammte unter einem Zischeln und Leonardo zündete ein paar Kerzen an, damit ihm etwas mehr Licht zur Verfügung stand. „Das ist mir nur Recht, Ezio. Ich brauch auch nicht lang. Ich möchte nur schnell eine Skizze anfertigen, dann darfst du gehen, mehr brauche ich nicht. Bei dem Licht kann ich so wie so nicht genau arbeiten.“ Ezio entledigte sich seiner Hemden und legte sie sorgfältig über einen Stuhl. „Die Hose auch?“ Fragte er. „Nein, nicht notwendig. Nur dein Oberkörper wird zu sehen sein. Warte noch uno momento bevor du dich setzt, du brauchst noch deinen Gegenpart.“ Entgegnete Leonardo und mischte ein paar simple Farben für die Vorskizze an. „Mein Gehilfe wird ihn übernehmen. Salaj!“ Ezio sah sich um. Eine Weile geschah nichts, doch dann betrat der Jüngling, den er des Nachmittags getroffen hatte, den Raum. Er wirkte müde und gelangweilt, und er würdigte Ezio keines Blickes. In seiner Hand hielt er eine von Leonardos Miniaturmaschinen. Leonardo sah kurz von seiner Palette auf. „Da bist du ja endlich. Lass mich doch nicht immer so lange warten. Und zeig, was hast du da? Salaj! Ich sagte doch dass du die Finger von meinen Entwürfen lassen sollst!“ „Mi dispiace“ murmelte der Knabe Salaj und lies vor Sorge das Modell fallen. Es zerschellte in viele Einzelteile und zerstreute sich über den Boden. „Ah, du dummer Junge!“ Rief Leonardo aus und kniete sich neben die Überreste seines Werkes. Ezio kam zu ihm und wollte ihm helfen, doch Leonardo gebot ihm Einhalt. „Nein, schon in Ordnung. Der Junge weiß noch nicht, was er tut, ich kann ihm nicht böse sein. Ich beseitige das nachher. Leg dich auf den Diwan, Salaj.“ „Aber ich bin müde, Meister.“ Hielt Salaj dagegen. „Ach! Dieser Junge!“ rief Leonardo verärgert aus. „Na schön, ich brauche dich nur ein paar Sekunden. Nur, damit mein Freund hier weiß, wie er sich setzen muss.“ Ezio betrachtete das Geschehen überrascht. Dieser Salaj hatte Leonardo da Vinci fest in der Hand. Er war respektlos seinem Meister gegenüber, und jener lies ihm das auch noch durchgehen. Ezio selbst hatte wenig Ahnung von Technik, Zahlen und Mechanik, aber selbst er wusste dass das, was Leonardo schuf, von hohem Wert war. Salaj hatte sich unterdessen schon auf dem Diwan bereit gelegt und spielte mit einer Strähne seines lockigen, dunklen Haares. „Ezio, wenn du dich bitte setzen würdest.“ Sagte Leonardo und fegte die Einzelteile zur Seite. „Ehm. Natürlich. Wie?“ Sagte Ezio. „Stell dir vor er schläft, und du würdest ihn ermorden wollen. Knie über ihm und halte ihm deine Klinge an den Hals.“ Befahl Leonardo. Er tat wie ihm geheißen. Wie er so über Salaj kniete, der nach wie vor recht desinteressiert wirkte, kam er sich plötzlich fehl am Platze vor und fühlte sich unwohl. Leonardo huschte indes um ihn herum und platzierte das Leinen zwischen den Beiden so dass es schöne Falten warf. Er legte Ezio die Hand auf den Rücken und drückte ihn etwas näher zu Salaj. „Salaj, nimm die Finger von deinen Haaren und nimm eine schlafende Position ein.“ Wies Leonardo ihn an. „Hmpf“ War alles, was er darauf erwiderte. Ezio mochte den Jungen nicht und platzierte die Klinge unter seinem Kiefer, der Stelle, in welche er am liebsten zustach. Salaj neigte den Kopf in Leonardos Richtung, sah Ezio aber in die Augen und versetzte ihn damit in Beklemmung. Sein Blick war feindseelig und rau, und seine Augen offenbarten ein viel älteres Bewusstsein als sein Körper vermuten ließ. Er hielt den Atem an. „Gleich kann ich anfangen, einen Augenblick noch! Bleibt unbedingt in dieser Pose, die ist wunderbar!“ Sagte Leonardo und mischte noch etwas mehr Öl in die Farben. Der schroffe Pinsel knarzte und kratze laut auf der Palette, während die beiden sich lange ansahen. „Verschwinde aus dieser Sache.“ flüsterte Salaj in einem bedrohlichen Ton. Ezio spürte dass er es nicht mit einem normalen Gehilfen zu tun hatte. Er drückte mit der Klinge gerade so stark gegen die Haut dass sie nicht einriss. „Und wenn ich nicht möchte? Ich könnte dich auf der Stelle umbringen.“ beschwor Ezio mit leisen, aber scharfen Worten. Salaj setzte ein selbstgefälliges Grinsen auf. „Wenn du mich tötest, wirst du ihn verlieren. Er liebt mich über alles. Und er vertraut mir mehr als dir, Ezio.“ Ezio stockte der Atem. „Ezio, nimm das Messer von seinem Hals!“ Rief Leonardo hinter der Staffelei hervor. „Vorher sah es besser aus. Bedrohlicher, lebendiger, realistischer!“ Ezio zog widerwillig die Klinge etwas zurück, lies aber den Knaben dabei nicht aus den Augen. Dieser Junge hatte Macht. Und er war sich dessen erschreckend bewusst. Kannte er seinen Namen, oder hatte er nur wiederholt was er von Leonardo hörte? „Wer bist du?“ flüsterte Ezio. „Salaj.“ Erwiderte Salaj und lächelte mit der Unschuld eines Kindes, “Und wenn du mir in die Quere kommst, Ezio Auditore, wird Leonardo dafür grausame Schmerzen erleiden.” Ezio tauchte die Klinge in die Kehle den Jungen. Sofort begann sich die Welt um ihn herum aufzulösen. Sofortige Desynchronisation wird eingeleitet. Systemfehler. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)