Ein zweites Leben von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 39: Schwere Zeiten -------------------------- Ein und ein dreiviertel Jahr war es nun schon her, dass Oscar ihr Kind zur Welt gebracht hatte. Und viele Monate war es schon her, dass sie wieder im trautem Heim war. Ohne Kind. Ihr Sohn wuchs behütet und gut versorgt bei Rosalie und Bernard in Paris auf. Fast jeden Tag besuchte sie ihn für paar Stunden - mit Andre oder getrennt. In der ersten Zeit war es unerträglich gewesen, ihr Kind nicht mehr bei sich zu wissen. Oscar hatte sich oft in nächtlichen Stunden in den Schlaf geweint. Ihr mütterliches Herz zersprang wie noch niemals zuvor. Manchmal dachte sie, sie würde daran sterben. Andre stand ihr so gut wie möglich bei, aber auch er hatte mit seinen eigenen Gefühlen zu kämpfen. Jetzt gab es zwei Oscars: Die eine seine Frau und der andere, sein Sohn. Beide so nah und gleichzeitig so fern! Wann hörte das endlich auf?! Warum durften sie nicht ihr Familienglück genießen?! Das war zum Schreien! Zum Glück im Unglück: Weder ihre Eltern, noch seine Großmutter bekamen ihr beider Leiden mit. Oscar hatte ihre Dienste in Versailles wieder aufgenommen und Andre wich ihr gewohnheitsgemäß nicht von der Seite. Sie waren sich beide eine gegenseitige Stütze, Trost und Kraft. Und nach verrichteten Diensten ritten sie unverzüglich nach Paris. Heute kamen sie noch nicht dazu und wollten genau das gerade nachholen, als Sophie ihnen entgegen angelaufen kam und Besuch anmeldete: „Lady Oscar. Rosalie ist hier und wünscht Euch zu sprechen.“ „Alleine?“ Oscar schluckte und versuchte ihre Besorgnis nicht preiszugeben. „Ja, alleine“, sagte Sophie ohne geringsten Verdacht. „Sie soll auf mein Zimmer kommen und dort auf mich warten“, beschied Oscar und wechselte mit Andre einen besorgten Blick, sobald die alte Haushälterin aus der Sicht war. Sie warteten eine Weile ab und nach einem langen Blickwechsel eilten alle beide unverzüglich auf Oscars Salon. Rosalie war dort gerade eingetroffen und erhob sich mit vor der Brust gefalteten Händen vom Stuhl. „Lady Oscar...“ „Ist etwas mit dem Kleinen?“ war Oscars und Andres einzige Sorge. Glücklicherweise war Sophie nicht dabei, weshalb sie gleich offen und direkt fragten. Rosalie sah sie mit feuchten Wimpern an und schüttelte den Kopf. „Seid unbesorgt, ihm geht es prächtig. Diane passt gerade auf ihn auf.“ Oscar und Andre atmeten erleichtert auf. Ihrem Sohn ging es gut! Aber weshalb war dann Rosalie hier? Da dämmerte Oscar das heutige Datum: August 1785! Da war doch noch etwas gewesen! „Rosalie, erzähle uns, was dich zu uns führt und warum du traurig bist!“ „Ihr habt sicherlich schon von der Majestätsbeleidigung gehört...“, schluchzte Rosalie verhallend. Oscar bejahte mit einem Nicken. Natürlich hatte sie darüber gehört. In Versailles wurde heute ein Kardinal von dem königlichen Ehepaar vernommen. Es ging um gefälschte Briefe, Urkunden und einer sehr teuren Kette, die Marie Antoinette angeblich um jeden Preis haben wollte. Der Schwindel und das Komplott gegen Ihre Majestät wurde aufgedeckt und alle Beteiligten verhaftet. Darunter eine gewisse Jeanne Valois. Der Name kam Oscar bekannt vor, aber sie konnte ihn nirgends zuordnen. Sie hörte Rosalie aufmerksam zu und langsam leuchtete es ihr wieder ein: Die Halskettenaffäre! War es etwa schon soweit? Und warum hatte sie nicht früher daran gedacht? Die Sehnsucht nach ihrem Kind schien ihr Wissen über die Zukunft verdrängt zu haben. Rosalie beendete gerade ihre Erzählung: „...Jeanne Valois ist meine ältere Schwester. Sie kann nichts dafür, dass sie in schlechte Gesellschaft geraten ist... Ich habe sie trotzdem lieb...“ Sie zog einen schlichten Ring von ihrem Finger: „Dieser Ring gehörte unserer verstorbenen Mutter. Könnt Ihr ihn ihr bringen, Lady Oscar? Ich möchte nur, dass sie weiß, dass ich an sie denke...“ „Ich werde ihr den Ring selbstverständlich bringen, Rosalie“, versprach ihr Oscar aufgeschlossen und nahm den Ring an sich. „Ich danke Euch, Lady Oscar.“ „Nichts zu danken, Rosalie. Das ist das Mindeste, was ich für dich tun kann. Du tust für Andre und mich ohnehin viel mehr.“ Oscar schloss den Ring in ihrer Faust ein und atmete tief durch. Die Trennung von ihrem Kind setzte ihr heftig zu. Sie spürte sofort Andres Gegenwart dicht hinter ihrem Rücken und seine beistehenden Hände auf ihren Schultern. „Gehst du gleich zu Diane?“, fragte er Rosalie betont ruhig und nach ihrer Bestätigung, sagte er entschieden: „Wir werden dich zu ihr begleiten!“ - - - „Papa! Mama!“ Ein blondgelockter zweijähriger Junge mit grünen Augen rannte selig in die Arme seiner Eltern. „Warst du brav?“ Andre hob ihn lachend hoch und wirbelte ihn durch die Luft. Das Kind jauchzte vor Vergnügen. „Er ist wie immer ein goldiger Junge“, lobte ihn Diane gerührt bei der Betrachtung von Vater und Sohn. „Das genügt!“, mischte sich Oscar ein und entriss Andre den Jungen aus den Armen. „Er soll nicht verhätschelt werden! Er ist doch kein Mädchen!“ Sie versuchte kühl zu wirken, aber das gelang ihr nicht. Sobald sie den Jungen in ihren Armen hielt, trat ein freudiges Leuchten in ihre Augen. Sie drückte ihn innig an sich und ging mit ihm an den Tisch. Auf dem Weg holte sie einen Holzreiter auf einem Pferd aus ihrer Uniformjacke. „Schau, was wir für dich mitgebracht haben!“ Der Kleine griff gierig danach. Er liebte diese Art von Spielzeugen, die seine Eltern ihm hin und wieder mitbrachten. Bei Rosalie und Bernard würde er schon bald eine Armee davon aufstellen können. Oscar setzte sich mit ihm an den Tisch und spielte mit ihm, ohne die Menschen im Raum wahrzunehmen. „Es nimmt sie schwer mit...“, bemerkte Alain an der Seite seines Freundes. „Ja“, bestätigte ihm Andre trüb. „Noch schwerer als ich es mir dachte...“ Er setzte sich sogleich in Bewegung, um zusammen mit seiner Frau und dem Jungen zu spielen. Rosalie und Alain folgten ihm. Diane bereitete für sie alle den Tee. Ihre Mutter war im Süden Frankreichs geblieben. Es hatte ihr dort sehr gefallen. Sie hatte mit der Hebamme und den Nachbarn Freundschaften geschlossen und wollte nicht mehr nach Paris zurückkehren. Ihre Kinder waren schon erwachsen genug, um auf eigenen Füßen stehen zu können. Und jemand musste doch auch auf das Haus von Oscar und Andre aufpassen und es in Ordnung halten. „Wo ist eigentlich Bernard?“, stellte Alain seine Frage an Rosalie. „Er ist mit Robespierre unterwegs“, erklärte Rosalie kurz angebunden. „In letzter Zeit ist er oft mit Robespierre unterwegs“, stellte Alain nebenbei fest. „Stört dich das etwa?“, mischte sich Oscar hellhörig ein. Mit Bedauern gab sie ihr Kind Andre, damit dieser auch etwas von ihm hatte. Immerhin war Andre der Vater und sie wollte nicht selbstsüchtig sein. „Keineswegs, Oberst. Es ist mir nur so aufgefallen.“ Im Grunde genommen interessierte es Alain wenig, was Bernard in seiner Zeit als Journalist trieb. „Was gibt es eigentlich Neues am Hofe?“ Das interessierte ihn auch nicht, aber er wollte Oscar damit einen Gefallen tun. Sie hatte noch wie früher diese Schwäche für die Königin und setzte sich oft für sie ein. Der Rest des Adels war ihr gleichgültig, außer ihren Eltern. Oscar setzte sich gerade und trank ihren Tee. „Ein paar Verhaftungen, neue Intrigen und Ränke. Wie immer also.“ Wegen dem Wissen, wie Alain zu der Königin stand, ging sie nicht ins Detail. „Und was gibt es in der Kaserne Neues?“, wollte sie von ihm stattdessen wissen. Vor einem Monat war Alain einer Söldnertruppe beigetreten und heute hatte er anscheinend seinen ersten dienstfreien Tag. „Die Soldaten haben mich zu ihrem Gruppenführer und Fürsprecher auserkoren“, berichtete Alain grinsend und mit schwellender Brust. „Habt ihr etwa dort keinen Kommandanten?“, wunderte sich Rosalie, worauf Diane leise kicherte: „Doch den haben sie, aber sie hören nicht auf ihn.“ „Die Söldner sind raue Gesellen, ganz nach meinem Geschmack...“, ergänzte Alain genauer: „...und sie mögen keine adligen Kommandanten.“ „Was hältst du davon, wenn ich euer Kommandant werde?“, schlug Oscar spontan und hinterlistig vor. „Davon rate ich Euch ab.“ Alain lehnte sich zurück und verschränkte seine Arme am Hinterkopf. „Die Söldner können aristokratische Frauen ganz besonders nicht ausstehen. Ist aber nicht gegen Euch gemeint, Oberst. Ich will Euch nur vorwarnen.“ „Ich weiß, was du meinst“, erwiderte Oscar kühl und nahm einen Schluck von ihrem Tee. Insgeheim wusste sie es besser. Sie würde bald in die Kaserne beitreten, da konnte Alain sagen was er wollte. Das war ihre Bestimmung. Und ganz nebenbei, würde sie das näher an ihren Sohn bringen. Sie stellte ihre Tasse ab und schielte zu dem Kleinen hinüber. Wie selig er da auf dem Schoß seines Vaters spielte! Ihr Blick schweifte höher und traf den ihres Mannes. Die gleichen sanften, grünen Augen wie die ihres gemeinsamen Sohnes, drangen bis in den tiefsten Winkel ihres Herzens ein. Auch die Gesichtszüge würden irgendwann den seinen ähneln. Sie kam nicht umhin, ihn anzulächeln. „Willst du ein Söldner werden, Andre?“ Ihr Mann verstand auf Anhieb, worauf sie anspielte und erwiderte ihr verwegen das Lächeln. „So sehr, wie du dort Kommandant werden willst.“ „Dann sind wir uns einig.“ Oscar richtete ihr Augenmerk wieder auf Alain und von ihm auf Rosalie, zu der sie betont sprach: „Wir müssen langsam los und kommen abends noch einmal zu dir, wegen dem Kleinen.“ „Natürlich, Lady Oscar.“ Rosalie verstand, wohin Oscar jetzt wollte. Sie beabsichtigte den Ring zu ihrer Schwester ins Gefängnis zu bringen. Wie versprochen kamen Oscar und Andre später noch einmal zu ihr. Sie schilderten ihr die Begegnung mit Jeanne und spielten mit dem Jungen. Nach wenigen Tagen fand der Prozess statt. Rosalie wohnte ihm an der Seite von Bernard bei. Den kleinen Jungen hatten sie bei Diane zur Aufsicht gelassen. Oscar und Andre mischten sich unter die anderen Zuschauer im Gerichtssaal. Es war ein langer Prozess, der sich bis zum nächsten Jahr hinzog. Und obwohl Oscar und Andre den Ausgang kannten, waren sie jedes Mal anwesend. Im Mai 1786 fällte der Pariser Gerichtshof für die Angeklagten sein Urteil. Rosalies Schwester Jeanne bekam ein V-förmiges Eisen auf ihre Schulter gebrannt und wurde zu einer lebenslangen Zwangsarbeit verurteilt. Doch nach einer bestimmten Zeit brach sie aus dem Gefängnis aus und begann in einem Versteck Memoarien über die angeblichen Affären und Skandale der Königin zu verfassen. „Du stehst auch mit drin“, meinte Andre, beim Durchblättern eines dieser Bücher: „Dein Name steht neben dem der Polignac.“ „Mein Geburtsname“, berichtigte ihn Oscar. Sie stand mit einer Tasse Tee am Fenster ihres Salons und sah lustlos hinaus. „Jarjayes heiße ich doch schon lange nicht mehr.“ Genauer gesagt, seit fast drei Jahren. Andre schlug das Buch zu und legte es auf den Tisch. „Du hast recht. Dort steht nur Schmutz.“ Das hätte Rosalie sagen sollen, aber sie wohnte schon seit geraumer Zeit nicht mehr hier. Andre saß am Tisch und betrachtete Oscar. Sie stand reglos am Fenster und er wusste, an wen sie dachte: An den kleinen Jungen, an ihren gemeinsamen Sohn. Andre wäre am liebsten aufgestanden, zu ihr gegangen und hätte sie umarmt. So wie er das während der Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes, irgendwo im Süden Frankreichs, oft getan hatte. Jetzt, hier, war er gezwungen, dies nur in seinen Gedanken zu tun. Es war helllichter Tag und es könnte jemand von den Bediensteten oder gar seine Großmutter urplötzlich hereinkommen und sie sehen. Das wäre nicht gut - für sie beide. Oscar drehte sich zu ihm um und stellte ihre Tasse auf dem Tisch ab. „Wenigstens brauchen wir uns um Rosalie keine Sorgen machen“, sagte sie und sah ihn für einen kurzen Wimpernschlag an. Dann richtete sie sich zu voller Größe auf und schaute wieder aus dem Fenster. Sie war genauso schlank und rank geblieben wie früher. Andre hatte in ihrem flüchtigen Blick ihren Wunsch nach Zuneigung deutlich abgelesen, aber er konnte ihn ihr nicht erfüllen. Das schmerzte ihm genauso wie ihr. „Was gedenkst du mit ihrer Schwester zu tun?“, kam er auf das Thema zurück: „Wir wissen doch, wo sie sich aufhält und genauso wissen wir, dass demnächst das königliche Garderegiment auf ihre Suche angesetzt wird.“ „Ich tue gar nichts mehr, Andre. Ich bin es leid. Noch drei Jahre, bis sich das Volk erhebt und es ist nicht mehr möglich, all das aufzuhalten.“ Sie lehnte ihre Stirn an die kühle Glasscheibe und ballte ihre lose an den Seiten hängenden Hände zu Fäusten. „Die Menschen werden den Märchen und Lügengeschichten aus den Memoarien glauben und die königliche Familie noch mehr verspotten.“ „Vielleicht ist es aber noch nicht zu spät...“, wand Andre ein, wurde aber sogleich von Oscar unterbrochen: „Man kann nicht das Schicksal von anderen Menschen ändern! Das waren deine Worte, Andre. Und du hattest Recht. Seit siebzehn Jahren versuche ich die schreckliche Zukunft zu verhindern und habe bisher nur Bruchteile erreicht!“ Oscar gab auf? Das erstaunte Andre. Sie wollte doch ein Doppelleben führen, Rose und Distel gleichzeitig sein! Nun aber schien es, als zerbrach sie langsam daran. Vielleicht lag es daran, dass sie Mutter geworden war und mehr für ihr Kind kämpfen wollte, anstatt für andere. Aber ihr waren dafür die Hände gebunden und ihr blieb nichts anderes übrig, als still in der Ecke auszuharren und das geschehen lassen, was geschehen musste. „Andre?“ ertönte sie leise von sich. „Ja, Oscar, was ist?“ Er ahnte schon was sie wollte und erhob sich in Bereitschaft, denn er wollte das auch. Es ging ganz bestimmt um den Kleinen. „Reiten wir nach Paris...“, bestätigte sie ihm seine Vorahnung: „...und bleiben dort bis zum Einbruch der Dunkelheit...“ Am nächsten Tag bekam Oscar vom Kabinettsrat den Befehl, mit ihren Soldaten der königlichen Garde, das Versteck Jeanne Valois ausfindig zu machen und sie zu verhaften. Mit Absicht verfolgte Oscar eine falsche Spur, zog die Sache in die Länge - für Rosalie. Es hieß einer sicheren Quelle zu Folge, man wisse nun, wo sich Jeanne wirklich versteckte. Oscar begab sich dorthin mit ihren Soldaten und Andre, der ihr keinen Moment von der Seite wich. „Ich komme mit“, beschloss er, als sie ihre Männer draußen postiert hatte und allein in das Versteck zu gehen beabsichtigte. Trotzdem kam es dazu, dass sich Jeanne und ihr Mann in ihrem Versteck in die Luft sprengten. Oscar und Andre konnten wieder nur gerade so entkommen. Die Sache mit Jeanne Valois war erledigt. Aber seit diesem Vorfall begann es noch mehr unter dem Volk zu brodeln. Mehr und mehr gab es Übergriffe der Bürger von Paris auf Adelshäuser. Das Anwesen von Oscar blieb allerdings davon verschont. Vielleicht, weil man sie zum Teil in Paris kannte. Weil sie sich mit Hilfe von Bernard im Untergrund für die Armen und Waisen einsetzte. Gegen die Übergriffe unternahm sie nichts, als hätte sie den Kampf gegen das Schicksal und die Zukunft aufgegeben. Zur Ablenkung und um ihre Fähigkeiten zu perfektionieren, trainierte sie mit Andre im Fechten und Schießen außerhalb ihres Anwesens. Zum Schießen benutzte sie leeren Flaschen als Zielscheibe und schoss aus großer Entfernung. Sie zielte zwei, drei Sekunden, drückte ab und die Flasche zersprang in mehrere Teile. „Genug für heute“, beschied sie irgendwann und reichte Andre die abgefeuerte Pistole. Ihr Mann legte die Waffe sorgsam in die Kiste, schloss sie ab und stand mit ihr auf. Oscar hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Sie hatte ihn aufmerksam bei seinem Tun beobachtet und nun stand er direkt vor ihr. Wann hatten sie sich das letzte Mal in den Armen gehalten? Letzte Woche? Letzten Monat? Oder vielleicht doch noch vor paar Tagen? Die Zeit lief an ihnen rasend vorbei. „Sieben Jahre...“, entfuhr es ihr halblaut. „Was ist damit?“ Andre wollte das nicht einleuchten, wobei er trotzdem etwas ahnte. Da war doch etwas gewesen! „Mir ist gerade eingefallen, dass...“ weiter kam Oscar nicht. Ein Gewehrschuss donnerte durch die Luft und ihre Worte verloren sich in dessen Nachhall. „...dass Graf von Fersen nach sieben Jahren aus Amerika zurückkehren müsste...“, beendete sie ihren Satz mit einem wissenden Blick auf den Reiter, der in ihrer unmittelbaren Nähe stand. Dessen Gewehr war mit dem Lauf nach oben gerichtet. „Schaut mich nicht so erschrocken an, Oscar!“, rief er lachend aus dem Sattel: „Und Andre! Du hast dich auch kaum geändert! Entschuldigt, dass ich so unverhofft hereinplatze! Graf Hans Axel von Fersen meldet sich gesund und munter zu Diensten!“ „Das haben wir schon längst gewusst...“, murmelte Andre vor sich hin und warf Oscar einen Seitenblick zu. Ihm kam es so vor, als würde sie dem Grafen gleich entgegen rennen. Aber sie stand weiterhin unbeeindruckt an seiner Seite. Er musste diese Hirngespinste loswerden! Oscar liebte in diesem Leben nur ihn ganz allein! Sie war seine Frau und Mutter seines Kindes! Graf von Fersen ritt näher zu ihnen heran und erst als er sie erreichte, brach Oscar ihr Schweigen: „Seid uns willkommen, Graf. Und natürlich könnt Ihr unser Gast bleiben solange Ihr wollt.“ „Ich danke Euch herzlich, Oscar.“ „Ich hole die Pferde“, beschloss sie kühl und ging. „Sie hat sich wirklich nicht verändert“, bemerkte von Fersen mit begnügendem Blick auf Oscar. „Glaubt mir, Graf, in den sieben Jahren Eurer Abwesenheit hat sich vieles verändert.“ Auch Andre sah Oscar nach. Sie hielt ihre Haltung wie immer mit Stolz und Würde, aber innerlich war sie schon längst keine stolze, aufrechte Frau mehr. Sie bewahrte das alles nur, um nicht ganz zu zerbrechen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)