Ein zweites Leben von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 17: Liebesgefühle und Herzensleiden ------------------------------------------- Oscar erwachte aus ihrer Ohnmacht und blinzelte schwach. Verschwommen sah sie Statur eines Mannes neben ihrem Bett stehen. „Andre?“, hauchte sie kaum merklich. „Nein, Oscar, ich bin es, Graf von Fersen.“ Die Sicht klärte sich und Oscar sah den Grafen deutlicher. Schon an seiner Stimme erkannte sie, dass es tatsächlich nicht Andre war. „Ihr seid es also wirklich...“ Sie stützte sich auf den Ellbogen ihres gesunden Armes und brachte allen Schmerzen zum Trotz die Kraft auf, um sich hochzuziehen. „Bleibt noch liegen“, versuchte sie der Graf von ihrem Vorhaben abzuhalten, aber sie saß schon. Höflichkeitshalber nahm er ihre Uniformjacke vom Gestell und legte sie ihr um die Schultern. „Danke, Graf.“ Oscar betrachtete ihn eine kurze Weile stumm. Sein Blick erinnerte sie an tiefes Wasser. Dennoch war es nicht mit dem sanften Grün zu vergleichen, das ihr immer Wärme, Wohlsein und Sicherheit vermittelte. Nein, sie verspürte nicht die geringste Anziehung zu von Fersen. Nicht, wie die andere Oscar es in ihrem früheren Leben getan hatte. Eine angenehme Aura von Sympathie auf freundschaftlicher Basis wäre vielleicht der richtige Ausdruck. Mehr nicht. Oscar erinnerte sich beiläufig an den Brief, den von Fersen ihr nach der letzten Begegnung zustellen ließ und sie runzelte mit der Stirn. Er war damals ihrer Bitte nicht gefolgt und hatte Frankreich verlassen. Aber vielleicht war es noch nicht zu spät, ihn umzustimmen? „Wenn er nicht mit Heiratsabsichten mit einer anderen Frau hergekommen ist, dann ja“, meldete sich die Stimme in ihr. „Wie ich sehe, grämt Ihr Euch bestimmt noch wegen des Briefes, Oscar...“, stellte von Fersen zeitgleich mit der Stimme fest. Oscar glättete ihre Stirn und wählte einen etwas milderen Tonfall: „Ich war verärgert, das stimmt, aber nicht für lange. Was ich Euch damals vorschlug, gilt auch jetzt noch. Marie Antoinette braucht Euch wie noch nie zuvor. Sie ist verzweifelt und leidet, weil Ihr sie verlassen habt ohne Euch zu verabschieden. Aus Kummer gibt sie viel Geld aus. Sie lässt sich ausnutzen und hört auf die falschen Berater. Auf jene, die sich auf ihre Kosten die Taschen füllen, anstatt ihr wirklich beizustehen. Ich habe mein Bestes getan, um sie auf den richtigen Pfad zu führen, aber leider erfolglos.“ „Ihr macht mir zurecht Vorwürfe, Oscar.“ Graf von Fersen senkte schuldbewusst seinen Blick: „...aber ich konnte nicht anders. Ich dachte, es würde besser für sie sein, wenn ich Frankreich verlasse.“ „Schon gut, Graf, jetzt seid Ihr zurückgekehrt“, unterbrach ihn Oscar sachlich: „Die Königin wird sich sehr freuen, Euch zu sehen. Und vielleicht könnt Ihr über meinen Vorschlag nachdenken.“ „Vorerst muss ich für fünf oder sechs Tage abreisen. Danach besuche ich die Königin gerne.“ Von Fersen hob wieder den Blick und sah Oscar freundlich an. „Also doch: Heiratsabsichten!“, murrte die Stimme in Oscar: „Daraus wird nichts! Das kann ich gleich sagen!“ „War das nicht die Zeit, als er mit der Königin eine Affäre begonnen hatte?“ fragte Oscar in Gedanken und bekam ein schlichtes „Ja“ von der Stimme. Von Fersen seinerseits wechselte abrupt das Thema, um nicht nur von der Königin sprechen zu müssen. Das verursachte ihm schon genug Herzensleiden. „Genug von mir und der Königin, Oscar. Sagt lieber, wie es Euch und Eurem Freund in den vier Jahren ergangen ist?“ „Uns ist es soweit gut ergangen.“ Oscar fand sich gleich in der Wirklichkeit und bewegte ihren Arm in der Schlinge. „...bis auf das heutige Attentat“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Bei jeder heftigen Bewegung zuckte ihr ein brennender Schmerz von der verwundeten Schulter. „Ihr sollt Euch nicht gleich überanstrengen, Oscar.“ Von Fersen verzog ein kummervolles Gesicht. Oscar lächelte darauf matt. „Das geht schon. Wisst Ihr nicht zufällig, wo Andre geblieben ist?“ „Er ist mit dem Herrn Doktor gegangen. Soll ich ihn Euch holen?“ Von Fersens Mundwinkeln zogen sich im nächsten Moment leicht nach oben. „Nicht nötig, denn ich bin mir sicher, dass er noch einmal vorbei schauen wird.“ „Ihr habt in Eurer Ohnmacht nach ihm gerufen, Oscar. Wisst Ihr das?“ „Nein, nicht das ich wüsste, Graf.“ Oscar zeigte nicht, ob sie davon überrascht war. Von Fersen konnte sie vertrauen. Sie hoffte nur, dass es außer ihm niemand anderes mitbekommen hatte. „Wie Ihr wisst, ist Andre mir sehr teuer und ich werde alles tun, um ihn zu schützen. Deswegen soll niemand davon erfahren, wie ich zu ihm stehe.“ „Keine Sorge, Oscar, von mir wird niemand davon erfahren. Und es hat keiner außer mir gehört, als Ihr seinen Namen gerufen habt. Wir befanden uns noch in meiner Kutsche und Ihr wart bewusstlos.“ „Das ist gut.“ Oscar atmete innerlich erleichtert auf. In dem Moment kam Rosalie in das Zimmer herein und knickste zu Begrüßung vor dem Grafen. Sie hielt eine Vase mit weißen Rosen in der Hand und stellte sie auf dem Kaminsims ab, bevor sie an das Bett zurückkehrte. Oscar stellte sie dem Grafen vor und sie unterhielten sich zu dritt. Es wurden Spekulationen angestellt, wer sie überfallen haben könnte. Aber wegen mangelnder Beweise hatten sie sie doch wieder verworfen. Nach Rosalie kam wenig später auch Andre, in Begleitung von Madame de Jarjayes. Er hatte den Arzt am Hofe des Anwesens gerade verabschiedet, als Oscars Mutter aus Versailles heimkam. Emilie war beruhigt, dass ihrer Tochter keine Lebensgefahr mehr drohte und blieb Zuhause, bis zu ihrer vollkommenen Genesung. Nach knapp zwei Wochen erschien Oscar wieder in Versailles, zusammen mit dem Grafen von Fersen. Die Königin war selig. Man sah ihr an, wie sie sich über diesen Besuch freute. „Es ist nicht mehr weit, bis ihre Affäre beginnt“, äußerte sich diesbezüglich die Stimme in Oscar. „Und wenn das passiert, werde ich hartnäckiger darauf bestehen, dass von Fersen in die Dienste Ihrer Majestät tritt!“, dachte darauf Oscar entschlossen: „Madame de Polignac wird ihre Macht somit verlieren und Marie Antoinette wird auf die Ratschläge des Grafen mehr hören, als auf die aller anderen am Hofe. Von Fersen kann dann einlenken, sie dazu bringen, sich mehr um das einfache Volk zu kümmern und Frankreich wird gerettet sein!“ Oscar war in allen ihren Vorhaben zuversichtlich. Schon am übernächsten Abend begann die Affäre zwischen Marie Antoinette und dem Grafen von Fersen. Oscar wartete nur noch auf den richtigen Zeitpunkt. Das Paar sollte ihre Liebe etwas ausleben und dann konnte sie mit ihrem Vorhaben beginnen! Eine Woche später, zog Oscar das durch. Sie besuchte von Fersen ziemlich oft, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Sie freundete sich mit ihm mehr an und versuchte ihn langsam dazu zu überreden, in die Dienste der Königin zu treten. „Ihr verliert doch nichts, Graf“, erläuterte sie ihm bei einem ihrer Besuche: „Im Gegenteil. Ihr werdet offiziell an ihrer Seite auftreten können und sie in allen Dingen unterstützen. Vor allem würde sich niemand dadurch das Maul zerreißen, dass Ihr mit der Königin mehr als nur freundschaftlich verbunden seid. Ich weiß, es sind bereits schon einige Gerüchte am Laufen, aber ich verspreche Euch, sie werden nicht lange existieren. Dafür werde ich schon sorgen!“ „Ihr seid bewundernswert, Oscar“, merkte der Graf schmunzelnd an. Er und Oscar saßen sich in gepolsterten Sesseln gegenüber und tranken ein Glas Wein zu der Unterhaltung. Von Fersen lehnte sich mehr zurück und überkreuzte seine Beine. „Ich schätze Euch sehr als Freund und Kamerad. Ihr seid eine der Wenigen, der ich vertraue. Euer Vorschlag reizt mich schon seit einiger Zeit und klingt überaus vernünftig. Aber ich bringe es irgendwie nicht übers Herz, Marie Antoinette darum zu bitten. Ich möchte nicht zu denen gehören, die sie ausnutzen. Ich weiß, Ihr meint es nur gut mit uns, aber es ist nicht leicht für mich.“ „Das kann ich gut verstehen, Graf.“ Oscar nippte an ihrem Wein und stellte ihn auf dem kleinen Tisch ab, der zwischen ihr und von Fersen stand. Sie lehnte sich auch zurück. „Ich meinerseits würde vielleicht genauso reagieren wie Ihr, denn ich müsste mich dann zwischen der Liebe und meinen Verpflichtungen entscheiden.“ „Und welchen Weg würdet Ihr wählen, Oscar?“ Das interessierte von Fersen wirklich sehr. „Einst sagtet Ihr, Euer Freund ist Euch sehr teuer, aber Ihr habt nie erwähnt, dass Ihr ihn liebt.“ „Da muss ich ihm recht geben“, mischte sich die Stimme in Oscar ein: „Ich würde schon gerne wissen, wie dein Herz zu Andre wirklich steht...“ „Sei bitte still, du störst“, ermahnte Oscar die Stimme gedanklich und senkte kurz ihre langen Wimpern. Sie schaute auf den roten Wein in ihrem Glas und hörte auf das gleichmäßige Herzklopfen in ihr. Sie überdachte ihre Antwort und richtete ihr Augenmerk wieder auf den Grafen. „Von Fersen. Ich schätze Euch auch sehr als treuen Freund und deswegen werdet Ihr der einziger Mensch sein, dem ich mein wahres Ich offenbare. Den Weg, den ich für mich wähle, ist meist nur zum Wohle der Menschen gedacht, die mir sehr am Herzen liegen. Ich folge meinen Verpflichtungen als Kommandant, wie es die Erziehung von mir verlangt. Aber falls jedoch irgendwann der Tag kommen sollte, an dem ich zwischen Liebe und Pflicht entscheiden muss, dann werde ich auf die Stimme meines Herzens hören und alles eingestehen, was ich bisher gut verborgen und niedergerungen in mir trage. Ich spreche natürlich auch von meinen wahren Gefühlen und meiner Liebe zu Andre.“ „Oscar...“ Von Fersen staunte betroffen und ergriffen. Ihm verschlug es sogleich die Sprache. „Warum hörst du nicht gleich auf mich und gestehst Andre deine Liebe?“, meldete sich die Stimme in Oscar, in einem genauso verdutzten Tonfall. „Ich habe nicht dich gemeint, sondern was mein Herz fühlt!“, ließ sie Oscar in Gedanken nicht weitersprechen. „Und Andre werde ich alles gestehen, wenn es soweit ist.“ Von Fersen fand derweilen seine Fassung zurück. Er nahm einen kräftigen Schluck vom Wein, ohne Oscar aus den Augen zu lassen. Er hätte nie gedacht, dass sie so offenherzig sein könnte und ihm ihr wahres Empfinden anvertrauen würde. Er fühlte sich deshalb sehr geehrt. Er setzte sein Glas von den Lippen ab und hielte es vor sich. „Ich muss gestehen, Oscar, so eine Frau wie Euch habe ich noch nie in meinem Leben getroffen. Ihr besitzt unglaublichen Mut, Willenskraft, ein gutes Herz und vieles mehr.“ Oscar entriss sich noch rechtzeitig aus der Zwiesprache mit der Stimme. „Ich nehme das als Kompliment an, Graf.“ „Es war auch als Kompliment gemeint, Oscar. Und Ihr habt mich gerade dazu ermuntert, Euer Vorschlag anzunehmen. Ich werde Marie Antoinette bei nächster Gelegenheit darauf ansprechen." „Das freut mich, Graf.“ Oscar nahm ihr Glas vom Tisch und reichte es ihm zum Anstoßen. „Auf ein gutes Gelingen!“ „Und auch auf die Liebe!“, fügte von Fersen heiter hinzu, stieß leicht mit seinem Glas an ihres und trank den Wein bis zum letzten Tropfen aus. Oscar kehrte heute erst bei Abenddämmerung heim. Graf von Fersen hatte sie noch zum Essen eingeladen und Oscar hatte seine Einladung angenommen. Sie war diesmal so gutgelaunt, dass sie es ihm nicht abschlagen konnte. Die gute Laune verging ihr auch jetzt nicht, wo sie von ihrem Pferd abstieg und es in den Stall führte. Bei den letzten Boxen brannte noch eine Laterne und ein junger Mann, Mitte zwanzig, fütterte sein braunes Pferd mit einem Apfel. Oscar ging auf ihn zu. Ihren Schimmel führte sie hinter sich an den Zügeln. „Guten Abend, Andre. Du hast bestimmt auf mich gewartet, oder?“ „Abend, Oscar. Ja, ich habe auf dich gewartet. Schließlich muss dein Pferd abgesattelt werden, oder nicht?“ Andre ließ seinen Braunen in der Box stehen und warf Oscar zur Begrüßung einen flüchtigen Blick zu. Trotz des schwachen Lichts der Laterne merkte er sofort ihre Glückseligkeit und den leicht rötlichen Hauch auf ihren Wangen. Das versetzte ihm einen schmerzlichen Stich im Brustkorb. Um seinen Kummer vor ihr zu verbergen, widmete er sich sogleich ihrem Schimmel. Er sattelte ihn ab und konzentrierte sich mehr auf seine Hände, die den Sattelgurt fachmännisch öffneten. Dann streifte er den Sattel von dem massiven Rücken des Tieres ab und brachte ihn auf seinen geordneten Platz. Als er zurück kam, hatte Oscar schon die Satteldecke weggeschafft und stand nun auf der anderen Seite ihres Pferdes. Sie hielt es lose an den Zügeln. Andre schaute sie nicht an und griff selbst nach den Zügeln des Tiers am Kopf. „Du kannst jetzt gehen, Oscar. Ich werde auch ohne dich fertig.“ „Ich bleibe bei dir, Andre. Ich möchte dir helfen.“ Oscars Augenmerk ruhte auf der abwesenden Körperhaltung ihres Freundes. „Das brauchst du nicht“, murmelte Andre verstimmt und sah sie endlich an. Lange und tiefsinnig. So als würde es das letzte Mal sein, dass er sie überhaupt ansehen durfte. Wenn er nur wüsste, was er damit gerade in Oscar auslöste! Ihr Herz flatterte stürmisch und sehnte sich nach etwas, was sie sich nicht erklären konnte. Hitze breitete sich in ihr aus und verlor sich irgendwo in der Leistengegend. Es lag bestimmt an dem Wein, den sie vor wenigen Stunden bei von Fersen in vollen Zügen getrunken hatte. Allerdings war sie kein bisschen angetrunken, um dem Rausch so zu verfallen und sich von ihren Gefühlen leiten zu lassen. Oscar verdrängte gekonnt ihre Empfindungen und schenkte ihrem Freund ein warmes Lächeln. „Ich helfe dir trotzdem. Es gibt doch einiges zu erzählen.“ „Wie du meinst.“ Andre verkniff sich einen schweren Seufzer und zäumte das Pferd gewohnheitsgemäß ab, bevor er ihn in die Box hinein ließ. Oscar half ihm dabei und erzählte freudestrahlend vom vergangenen Tag: „...ich habe von Fersen erneut vorgeschlagen, bei Marie Antoinette in Dienste zu treten und stell dir vor, Andre, er hat es diesmal angenommen! Wir haben uns heute so gut unterhalten, dass ich ihm sogar die Einladung zum Abendessen nicht abschlagen konnte! Deswegen bin heute später als sonst...“ Sie redete weiter und Andre hörte ihr mit halbem Ohr zu. Oscar hat sich geändert. Viel zu oft besuchte sie Graf von Fersen in der letzten Zeit - und das ohne ihn! Sie sagte immer, sie wollte mit von Fersen unter vier Augen sprechen und versprach ihm, ihm später über die Unterhaltung zu erzählen. Das tat sie jedes Mal, aber Andre machte sich dennoch Sorgen und verfiel dem Kummer um sie. Er hätte gerne gewusst, ob sie ihm wirklich alles erzählte und ob da nicht etwas mehr war, als die bloße Unterhaltung! Oscar hatte einmal angedeutet, sie empfinde nichts für den Grafen von Fersen, aber das lag schon vier Jahre zurück! Andre schollt sich oft innerlich dafür, dass er seiner langjährigen Freundin derart misstraute. Aber diese Ungewissheit, dass sie vor ihm womöglich doch etwas verheimlichte, zerfraß ihn gründlich bis ins Mark. Und als wäre das schon nicht quälend genug, erschien sie heute mit einem breiten Lächeln auf ihren süßen Lippen, glänzenden Schönaugen und rötlichen Wangen! „Nein, das kann nicht sein!“, redete er sich später in seinem Bett ein und stülpte sein Kissen über den Kopf. Er wollte diese schreckliche Vermutung verdrängen, aber sie ließ ihn nicht in Ruhe. Immer mehr nahm sie Besitz von seinem Geist. Sein Herz litt dadurch noch mehr und er hätte am liebsten seinen Schmerz herausgeschrien. Aber er konnte das nicht und ihm blieb nur übrig, dies in Gedanken zu tun: „Sie darf von Fersen nicht lieben! Nein, Oscar, bitte tue mir das nicht an...“ Seine Kehle schnürte sich zusammen, seine Augen brannten von anlaufenden Tränen und er vergoss sie in dieser Nacht in sein Kissen - verbittert und einsam wie noch nie zuvor in seinem Leben. Morgen würde er sich zusammenreißen und wieder der bester Freund für Oscar sein. Mehr nicht! Er war nicht ihres Standes und sie bemerkte sein Herzensleiden sowieso nicht! Warum war nur diese Welt so ungerecht? Andre wäre am liebsten aufgestanden und davongelaufen, aber er wusste, dass es nichts bringen würde. Er würde nie aufhören Oscar zu lieben! Ohne sie, in der Ferne, würde er mehr unter Liebesqual leiden, als wenn er bei ihr blieb, als treuer Freund an ihrer Seite. Unruhig und mit zerrissenen Gefühlen, schlief Andre irgendwann ein. Dadurch ging es ihm jedoch nicht besser. Es wurde noch schlimmer. Andre träumte von Oscar. Das war aber kein schöner Traum. Oscar tanzte auf einem Ball - nicht mit ihm, sondern mit Graf von Fersen! Sie trug ein hübsches Kleid, ihr blondes Haar war hochgesteckt und sie sah noch bezaubernder aus als in ihrer Uniform, so dass man sie kaum erkennen konnte. Andre wälzte sich schweratmend von einer Seite auf die andere, aber der Traum ging nicht fort. Schweißperlen bildeten sich ihm auf seiner Stirn, sein Herz schlug rasend gegen seine Rippen und blutete qualvoll. Andre riss sich aus dem Schlaf, kaum der Morgen graute. Er saß auf, vergrub seinen Kopf in den Händen und versuchte die schreckliche Traumbilder zu verdrängen. Bis zur vollen Heiligkeit der ersten Sonnenstrahlen gelang es ihm soweit gut. Er stieg aus dem Bett, begann mit der Morgenwäsche und überlegte, was er für Aufgaben heute zu erledigen beabsichtigte. Im Gegensatz zu ihm, hatte Oscar in dieser Nacht so gut geschlafen wie schon lange nicht mehr. Sie hatte von Andre geträumt. Von ihrem Andre und von einem Ball. Sie trug ein Kleid und hatte mit ihm getanzt. Normalerweise konnte sie weder Kleider noch Bälle ausstehen, aber für ihn hatte sie das gerne getan. Seit sie gestern Graf von Fersen ihre Gefühle für Andre gestanden hatte, fühlte sie sich viel leichter und wohler. Und zusätzlich spürte sie noch diese Hitze und das Kribbeln in ihrem Körper, seit sie gestern ihren Freund im Stall angesehen hatte. Das keimte in ihr wieder auf und ihre Wangen überzogen sich mit einem feinen Rot, ohne dass es ihr bewusst war. „Hast du mir diesen Traum beschert, Oscar?“, fragte sie ihr eigenes Ich während der Morgenwäsche. „Nein, das warst du selbst“, erwiderte die Stimme in ihr verträumt: „Aber es hat mir auch gefallen. Wann willst du eigentlich deinem Andre sagen, dass du ihn liebst?“ „Das weiß ich noch nicht.“ Oscar nahm ein Handtuch und trocknete sich ab. „Ich werde mir dafür einen günstigen Zeitpunkt aussuchen. Das wird aber nicht heute sein.“ „Wann dann?“ „Vorerst warte ich ab, bis von Fersen mit Marie Antoinette gesprochen hat und in ihre Dienste getreten ist.“ Oscar zog ihre frische Sachen an, war heute noch besserer Laune als gestern Abend und ging frühstücken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)